Denkschrift 2017

1.Die Rahmenbedingungen für die Staatsfinanzen sind in Deutschland insgesamt weiterhin günstig. Die konjunkturelle Aufwärtsentwicklung sowie die niedrigen Zinsaufwendungen entlasten die öffentlichen Haushalte erheblich. Das Land hat die Haushaltsjahre 2015 und 2016 mit einem Überschuss abgeschlossen. Auch 2017 will das Land ohne neue Schulden auskommen.

Die Nettosteuereinnahmen des Landes stiegen im letzten Jahr erneut überdurchschnittlich um 9,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Mai-Steuerschätzung 2017 ergab, dass das Land in den nächsten Jahren mit weiteren Steuermehreinnahmen rechnen darf. Für 2017 errechnen die Steuerschätzer ein Plus von rund 512 Millionen Euro. Bis 2019 sollen rund 1,51 Milliarden Euro mehr in die Landeskasse fließen.

Das Land hat aufgrund der wirtschaftlichen und finanzwirtschaftlichen Rahmenbedingungen - hohe Beschäftigung, stabiles wirtschaftliches Wachstum, niedrige Zinsen und hohe Steuereinnahmen - gute Voraussetzungen, die Schuldenbremse dauerhaft einzuhalten. Dies wird gleichwohl kein Selbstläufer werden. Konsolidierung ist die finanzpolitische Daueraufgabe auch der nächsten Jahre. Das Land muss darauf achten, dass seine strukturellen Ausgaben jeweils unter seinen strukturellen Einnahmen liegen. Nur so verschafft es sich die notwendigen Handlungs- und Gestaltungsspielräume.

Nach den 2013 neu geschaffenen haushaltsrechtlichen Vorgaben hätte das Land bereits jetzt und in den nächsten beiden Jahren in nennenswertem Umfang Kreditmarktschulden tilgen müssen. Das Land hat allerdings für den vom Grundgesetz eröffneten Übergangszeitraum bis 2019 im letzten Jahr den Schuldenbegriff auf die implizite Verschuldung erweitert. Statt der Tilgung von Krediten sind damit auch die Durchführung zusätzlicher, (über)fälliger Sanierungsmaßnahmen und die Deckung künftiger Verpflichtungen, z. B. durch Zuführungen zum Pensionsfonds, als Maßnahmen einer aktiven Zukunftsvorsorge unter Anrechnung auf die Tilgungsverpflichtung möglich, da sie das Land in den kommenden Haushaltsjahren entlasten. Der Rechnungshof ist diesen Weg mitgegangen unter der Voraussetzung, dass es sich um zusätzliche Maßnahmen handelt, die unmittelbar dem Land zugute kommen. Dieser Weg ist in der derzeitigen finanzwirtschaftlichen Lage auch der wirtschaftlichere.

2. Eine Entwicklung, die in den letzten Jahren aus dem Blick geraten ist, wird in Zukunft stärker in den Fokus rücken. Es geht um die Steuerquote. Sie zeigt an, welchen Anteil der Wertschöpfung der Staat in Form von Steuern für sich beansprucht. Abgesehen von einem Einbruch im Zuge der Finanzmarktkrise steigt die Steuerquote seit 2004 von Jahr zu Jahr stetig an. 2004 lag sie noch bei 19,5 Prozent, 2016 bei 22,5 Prozent, und sie wird nach der Prognose der Steuerschätzung (Mai 2017) bis 2021 auf 23,3 Prozent weiterklettern.

 

 

2016 betrug das nominale Bruttoinlandsprodukt 3.123,7 Milliarden Euro. Ein Prozent Steuerquote entspricht damit ca. 30 Milliarden Euro.

 

Die wachsenden Steuereinnahmen haben die öffentlichen Haushalte deutlich entlastet. Die Kehrseite ist aber, dass sie auch einen stetig wachsenden Anteil der Wirtschaftskraft für sich in Anspruch nehmen. Niedrige Zinsen und eine hohe Steuerquote sind finanzpolitische „Windfall Profits“. Sie haben die Haushalte nennenswert entlastet und den Verzicht auf neue Schulden ermöglicht. Die Struktur der öffentlichen Haushalte ist allein damit aber noch nicht robuster, belastbarer und zukunftstauglicher geworden. Die Tragfähigkeit und eine bessere Statik der öffentlichen Haushalte erfordern weiterhin eine aktive (strukturelle) Konsolidierung.

3.Mit 2,5 Milliarden Euro war der Länderfinanzausgleich eine der größten Ausgabepositionen des Haushalts 2016. Der aktuelle Länderfinanzausgleich ist bis Ende 2019 befristet. Bund und Länder haben sich am 14. Oktober 2016 nach mehr als zweijährigem Ringen auf eine Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen geeinigt.

Der Landeshaushalt wird spürbar entlastet. Fiskalisch betrachtet kann sich das Ergebnis sehen lassen. Die Länder haben die Neuregelung als Durchschlagen des „Gordischen Knotens“ charakterisiert. Betrachtet man das Gesamtgefüge, insbesondere neue Mischfinanzierungen und zusätzliche Einwirkungsrechte des Bundes, so werden die Länder darauf achten müssen, dass sie sich in den enger und unübersichtlicher ge- und verflochtenen Bund-Länder-Beziehungen nicht verheddern. Die „goldenen Zügel“ des Bundes könnten sich auch schnell als Fallstricke für den Föderalismus erweisen.

Der Bund wollte lange Zeit die Einigung der Ministerpräsidenten zum Finanzausgleich nicht übernehmen, da die Auswirkungen für den Bund um 1 Milliarde höher lagen, als der Bund bereit war, in die Neuregelung einzubringen. Um so erstaunlicher ist es, dass der Bund nun bereit ist, den Ländern ein Mehrfaches an Mitteln in deren Kernbereich, der Bildungspolitik, gegen Lockerung des sogenannten Kooperationsverbotes bereit zu stellen. Es geht um 3,5 Milliarden Euro für die kommunale Bildungsinfrastruktur, in Rede stehen weitere 5 Milliarden Euro zum Ausbau der Digitalisierung an Schulen. Der Bund räumt damit letztlich ein, dass die Finanzverteilung zwischen Bund und Länder nicht mehr dem Grundgesetz entspricht. Dieses sieht vor, dass Bund und Länder gleichmäßig Anspruch auf Deckung ihrer notwendigen Ausgaben haben (Artikel 106 Abs. 3 GG). Richtig und konsequent wäre es daher, die Deckungsquoten neu festzulegen. Nicht das Herumbasteln am sogenannten Kooperationsverbot, sondern die bestehenden Ausgleichsmechanismen der Finanzverfassung anwenden - das wäre gelebte finanzpolitische Kooperation, wie sie das Grundgesetz vorsieht. Die zahlreichen Begleitregelungen zum neuen Finanzausgleich sind ein Roll-back der Föderalismusreform von 2006. Mischfinanzierungen leben wieder auf. Die Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Ländern werden verwischt. Der Bund erhält über neue Instrumentarien zusätzliche Einwirkungsmöglichkeiten auf die Länder mit potenziellen Auswirkungen bis hinein ins Bundesratsverfahren.

4.Auch im vergangenen Jahr stießen die Empfehlungen und Anmerkungen des Rechnungshofs sowohl beim Landtag, seinen Fraktionen und der Landesregierung als auch in der Öffentlichkeit auf reges Interesse. Insbesondere im Ausschuss für Finanzen erfahren sie eine sachkundige und intensive Behandlung. Die direkte und vertrauensvolle Zusammenarbeit der staatlichen Finanzkontrolle Baden-Württemberg mit den Behörden des Landes zeigte sich unter anderem darin, dass manche unserer Anregungen seitens der Verwaltung noch während der Prüfung aufgenommen und umgesetzt wurden. Diesen Weg des konstruktiven Miteinanders wollen der Rechnungshof, die staatlichen Rechnungsprüfungsämter und unsere Prüferinnen und Prüfer weiter fortsetzen.

Als Rechnungshof müssen wir überlegen, ob wir künftig auch Beispiele guten Verwaltungshandelns stärker hervorheben. Es geht nicht nur um Kritik und Fehlervermeidung, sondern auch um Impulse und Nachahmungseffekte durch gute Praxis.

Bei unseren Prüfungen sind wir auf engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesverwaltung getroffen, die verantwortungsbewusst handeln und sich die Ziele der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur eigenen Sache machen.

Karlsruhe, im Juni 2017

Max Munding

Präsident des Rechnungshofs

Baden-Württemberg


Anhänge

Die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes war 2015 geordnet. Die geprüften Einnahmen und Ausgaben waren weitgehend ordnungsgemäß belegt. Die für die Haushalts- und Wirtschaftsführung geltenden Vorschriften und Grundsätze wurden im Wesentlichen beachtet. Die Haushaltsrechnung 2015 schließt mit einem rechnungsmäßigen Jahresergebnis (Überschuss) von 1,2 Mrd. Euro ab. Die Ausgabereste sind 2015 auf 6 Prozent der Haushaltsansätze gestiegen.


1 Haushalts-Soll und Haushalts-Ist 2015

Der Haushaltsrechnung des Landes für das Haushaltsjahr 2015 liegt das Gesetz über die Feststellung des Staatshaushaltsplans von Baden-Württemberg für die Haushaltsjahre 2015/2016 (Staatshaushaltsgesetz 2015/2016 - StHG 2015/2016) vom 17.12.2014, geändert durch das Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Staatshaushaltsplan 2015/2016 vom 05.05.2015 und geändert durch das Gesetz über die Feststellung eines Zweiten Nachtrags zum Staatshaushaltsplan 2015/2016 vom 15.12.2015 zugrunde. Danach wurde der Staatshaushaltsplan für 2015 in Einnahme und Ausgabe auf 44.380.135.500 Euro festgestellt. Im Vergleich zu 2014 nahm das Haushaltsvolumen im Soll um 2.583.318.700 Euro (+6,2 Prozent) zu.

Beitrag 1 Tabelle 1

Das Haushalts-Soll 2015 (Haushaltsbetrag einschließlich der aus dem Vorjahr übertragenen Haushaltsreste) betrug bei den Einnahmen 45.970 Mio. Euro und bei den Ausgaben 46.667 Mio. Euro.

Die Ist-Einnahmen des Landes betrugen 2015 46.605 Mio. Euro. Die Ist-Ausgaben beliefen sich auf 44.963 Mio. Euro. Einschließlich der in das Haushaltsjahr 2016 zu übertragenden Haushaltsreste und der Vorgriffe auf 2016 betrug das Rechnungsergebnis 48.185 Mio. Euro bei den Einnahmen und 47.634 Mio. Euro bei den Ausgaben. Aus den Salden ergab sich 2015 ein rechnungsmäßiges Jahresergebnis von +1.248 Mio. Euro (= rechnungsmäßiger Überschuss). Per Saldo hat sich die Haushaltssituation gegenüber der Planung damit deutlich verbessert. Inklusive der rechnungsmäßigen Jahresergebnisse der Vorjahre betrug das rechnungsmäßige Gesamtergebnis zum 31.12.2015 +3.746 Mio. Euro.

Wie sich die Mehreinnahmen und die Mehrausgaben aus den Teilergebnissen der Einzelpläne errechnen, ist in der Landeshaushaltsrechnung 2015 dargestellt.

2 Haushaltsrechnung 2015

Die Ministerin für Finanzen legte dem Landtag am 22.12.2016 (Landtagsdrucksache 16/1270) die Haushaltsrechnung des Landes Baden-Württemberg für das Haushaltsjahr 2015 vor. Diese dient gemäß Artikel 83 Absatz 1 der Landesverfassung und § 114 Absatz 1 Satz 1 der Landeshaushaltsordnung als Grundlage, um die Landesregierung zu entlasten.

2.1 Gestaltung

Die Haushaltsrechnung ist entsprechend den Vorgaben (§§ 81 bis 85 Landeshaushaltsordnung) gestaltet und enthält alle vorgeschriebenen Abschlüsse, Erläuterungen und Übersichten, um die bestimmungsgemäße Ausführung des Staatshaushaltsplans nachzuweisen.

Der kassenmäßige Abschluss und der Haushaltsabschluss sind entsprechend § 84 Landeshaushaltsordnung in einem Abschlussbericht mit verschiedenen Zusammenstellungen in der Haushaltsrechnung erläutert. Die in § 85 Absatz 1 Landeshaushaltsordnung genannten Übersichten sind beigefügt.

2.2 Ergebnisse der Haushaltsrechnung

Der rechnungsmäßige Abschluss (rechnungsmäßiges Jahresergebnis) ergibt sich aus dem kassenmäßigen Jahresergebnis (Saldo aus Ist-Einnahmen und Ist-Ausgaben), den aus dem Vorjahr übertragenen Haushaltsresten und solchen Resten, die in das Folgejahr übertragen werden.

Beitrag 1 Tabelle 2

Das kassenmäßige Jahresergebnis ergibt sich aus dem Saldo der Ist-Einnahmen und der Ist-Ausgaben. Der Landeshaushalt 2015 hat mit einem kassenmäßigen Jahresergebnis von 1.641.498.800,89 Euro (= kassenmäßiger Überschuss) abgeschlossen.

In Tabelle 3 werden die Soll- und Ist-Werte 2015 untergliedert nach Hauptgruppen dargestellt.

Beitrag 1 Tabelle 3

Das Land hat 2015 in großem Umfang Einnahme- und Ausgabereste gebildet.

Beitrag 1 Tabelle 4

Das rechnungsmäßige Jahresergebnis ergibt sich aus dem kassenmäßigen Jahresergebnis, ergänzt um den Unterschiedsbetrag der Salden der Reste.

Beitrag 1 Tabelle 5

Unter Berücksichtigung der aus dem Vorjahr übertragenen Haushaltsreste und der Haushaltsreste, die in das Folgejahr übertragen wurden, ergibt sich 2015 ein rechnungsmäßiges Jahresergebnis von 1.247.920.497,17 Euro.

Zum 31.12.2015 betrug das rechnungsmäßige Gesamtergebnis, in welches bis dahin noch nicht veranschlagte Überschüsse aus Vorjahren einfließen, 3.746.115.748,21 Euro.

3 Feststellungen des Rechnungshofs nach § 97 Absatz 2 Nrn. 1 und 2 Landeshaushaltsordnung

3.1 Ordnungsmäßigkeit der Haushaltsrechnung

Der Rechnungshof hat die Ordnungsmäßigkeit der Haushaltsrechnung des Landes für das Haushaltsjahr 2015 mit Unterstützung der staatlichen Rechnungsprüfungsämter in Stichproben geprüft.

Im Bereich der Personalausgaben hat die Finanzkontrolle beim Landesamt für Besoldung und Versorgung risikoorientiert 11.970 Zahlfälle in den Bereichen Entgelt für Arbeitnehmer, Beamtenbesoldung und -versorgung untersucht. Durch diese Prüfungen konnten 1,6 Mio. Euro an unberechtigten Zahlungen zurückgefordert und künftige Fehlzahlungen vermieden werden. Im Gegenzug wurden berechtigte Ansprüche von 0,3 Mio. Euro erfüllt. Zudem wurden 7.791 Beihilfebescheide überprüft. Dies führte zu Beihilfekürzungen von 1,3 Mio. Euro und zu 0,3 Mio. Euro zusätzlich zu gewährender Beihilfe. Die Fehler bewegen sich summarisch im langjährigen Mittel. Daneben wurden in Sachverhalten mit Versorgungslastenteilung bei Dienstherrenwechsel Zahlungsansprüche des Landes von 4,6 Mio. Euro festgestellt, die in der Zwischenzeit vollständig erstattet wurden.

Um die Ordnungsmäßigkeit der Haushaltsrechnung beurteilen zu können, führte die Finanzkontrolle - neben allgemeinen Prüfungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung - eine gesonderte Prüfung zu wesentlichen Bereichen nach einem Stichprobenverfahren durch. Die gewählte mathematisch-statistische Methode zur Auswahl der Stichprobe lässt über die untersuchten Einzelfälle hinaus mit hoher Wahrscheinlichkeit Schlüsse auf die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung in den einbezogenen Bereichen zu.

Die in der Haushaltsrechnung aufgeführten Einnahmen und Ausgaben stimmen mit den in den Rechnungslegungsbüchern nachgewiesenen Beträgen überein. In den geprüften Bereichen sind nur wenige Einnahmen und Ausgaben festgestellt worden, die nicht ordnungsgemäß belegt waren. Die Vorgaben des Staatshaushaltsplans, der Haushaltssystematik und des Haushaltsrechts wurden im Wesentlichen eingehalten. Die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes war 2015 geordnet.

3.2 Überplanmäßige und außerplanmäßige Ausgaben

Über- und außerplanmäßige Ausgaben bedürfen der Einwilligung des Ministeriums für Finanzen. Die Fälle, in denen über- und außerplanmäßige Ausgaben geleistet wurden, werden in der Übersicht 1 der Haushaltsrechnung des Landes einzeln nachgewiesen. Ab einem Betrag von 100.000 Euro je Einzelfall sind geleistete über- und außerplanmäßige Ausgaben zusätzlich dem Landtag mitzuteilen (§ 7 Absatz 5 Staatshaushaltsgesetz 2015/2016). Das Ministerium für Finanzen hat dem Landtag über diese Fälle aus dem Haushaltsjahr 2015 mit Schreiben vom 04.08.2016 berichtet (Landtagsdrucksache 16/422).

2015 gab es insgesamt 104 über- und außerplanmäßige Ausgaben mit einem Gesamtvolumen von 56,2 Mio. Euro. Sie betrafen zu 79 Prozent Sachausgaben und zu 21 Prozent Personalausgaben.

Zum überwiegenden Teil (mehr als 40 Mio. Euro) handelt es sich um Haushaltsvorgriffe wegen nicht rechtzeitig eingegangener Zuschüsse des Bundes oder der EU.

Einzelfälle größeren Umfangs waren ansonsten:

  • 4,5 Mio. Euro Restabwicklung der Programmfinanzierung Innovations- und Qualitätsfonds (Kapitel 1403);
  • 4,0 Mio. Euro mehr für Heilfürsorgeleistungen (Kapitel 0314);
  • 1,5 Mio. Euro höheres Entgelt an den privaten Träger der Bewährungshilfe (Kapitel 0503);
  • 1,1 Mio. Euro höhere Vergütungsansprüche für Gerichtsvollzieher (Kapitel 0503).

In 34 Fällen lag die vorgeschriebene Einwilligung des Ministeriums für Finanzen nicht vor. Die Summe dieser Haushaltsüberschreitungen betrug 29,6 Mio. Euro.

4 Globale Minderausgaben

Globale Minderausgaben sind im Staatshaushaltsplan negativ veranschlagte Ausgaben, die im Haushaltsvollzug auszugleichen sind. Sie sind eine pauschale Einsparverpflichtung für die einzelnen Ressorts und stellen eine Ausnahme vom Einzelveranschlagungsprinzip dar.

Im Vollzug des Staatshaushaltsplans 2015 waren bei den Sachausgaben globale Minderausgaben von 142 Mio. Euro zu erbringen. Diese Einsparverpflichtungen wurden von den Ressorts erfüllt. Die globalen Minderausgaben entsprachen damit 0,5 Prozent der Sachausgaben. Im Vergleich zum Vorjahr reduzierten sich die globalen Minderausgaben um 188 Mio. Euro. Der Anteil der globalen Minderausgaben an den Sachausgaben betrug 2014 noch 1,2 Prozent.

5 Druck- und Darstellungsfehler

Der Rechnungshof hat bei der Gesamtrechnungsprüfung der Haushaltsrechnung keine wesentlichen Druck- und Darstellungsfehler festgestellt.

6 Haushaltsreste

6.1 Haushaltsreste 2014 und 2015

Die Haushaltsrechnung des Landes Baden-Württemberg 2015 weist zur Übertragung in das Haushaltsjahr 2016 die folgenden Reste aus:

Beitrag 1 Einnahmerest Ausgabereste

In den Einnahmeresten sind nicht in Anspruch genommene Kreditermächtigungen von 1.531.960.831,87 Euro enthalten.

Die nach 2016 übertragenen Ausgabereste betrugen 2,7 Mrd. Euro. Dieser Wert entspricht 6,0 Prozent der Ausgabeansätze für 2015. Tabelle 6 zeigt die in 2014 und 2015 gebildeten Ausgabereste, unterteilt nach Ausgabearten.

Beitrag 1 Tabelle 6

Wie schon 2014 sind die Ausgabereste für Investitionen auch 2015 auf sehr hohem Niveau.

6.2 Verteilung der Ausgabereste 2015

2015 betrugen die ins Folgejahr übertragenen Ausgabereste 6,0 Prozent des Haushalts-Solls. Die Ressorts bildeten teilweise sehr hohe Reste. Tabelle 7 stellt die Verteilung der Ausgabereste 2015 auf die Einzelpläne sowie den prozentualen Anteil am Haushalts-Soll 2015 dar.

Beitrag 1 Tabelle 7

6.3 Entwicklung der Ausgabereste im Zehn-Jahres-Vergleich

In der Abbildung wird die Entwicklung der Ausgabereste in den Jahren 2006 bis 2015 und der jeweilige prozentuale Anteil an den Soll-Ausgaben dargestellt.

Beitrag 1 Abbildung

2015 sind die Ausgabereste auf 6,0 Prozent des veranschlagten Ausgabevolumens gestiegen. Insgesamt bildeten die Ressorts Ausgabereste von 2.671 Mio. Euro.

Die Höhe der Ausgabereste 2016 stand bei Abschluss der Denkschriftberatungen des Rechnungshofs noch nicht fest.


Was wurde aus dem Beitrag?

Die parlamentarische Behandlung finden Sie hier


Anhänge

Die Steuereinnahmen sind 2016 gegenüber dem Vorjahr um 3,1 Mrd. Euro gestiegen. Die Ausgaben erhöhten sich um 2,8 Mrd. Euro. 2016 wurden aus Überschüssen der Vorjahre 2,7 Mrd. Euro eingenommen.


1 Einnahmen

1.1 Entwicklung der Einnahmen 2007 bis 2016

In Tabelle 1 sind für die Jahre 2007 sowie 2012 bis 2016 die Einnahmen der Hauptgruppen 0 bis 3 dargestellt.

Beitrag 2 Tabelle 1

Die Einnahmen des Landes stiegen von 35,7 Mrd. Euro (2007) um 15,6 Mrd. Euro (+43,8 Prozent) auf 51,3 Mrd. Euro (2016). Gegenüber dem Vorjahr nahmen die Einnahmen 2016 um 10,1 Prozent zu. Sie wurden zu 70,8 Prozent (36,3 Mrd. Euro) durch Steuern und steuerähnliche Abgaben erzielt.

1.2 Steuereinnahmen

Die Einnahmen aus Steuern und steuerähnlichen Abgaben sind stark von der Gesetzgebung auf Bundesebene sowie von der konjunkturellen Entwicklung abhängig. Aus der anhaltend guten Entwicklung der deutschen Wirtschaft in den vergangenen Jahren resultierte ein deutlicher Anstieg der Steuereinnahmen. Hinzu kommen flüchtlingsbezogene Umsatzsteueranteile, die der Bund den Ländern überlassen hat. 2016 erhöhte sich das Brutto-Steueraufkommen gegenüber dem Vorjahr überdurchschnittlich um 3,1 Mrd. Euro (+9,5 Prozent). Die Netto-Steuereinnahmen nahmen im Vergleich zu 2015 von 24,4 Mrd. Euro um 2,1 Mrd. Euro (+8,7 Prozent) auf 26,5 Mrd. Euro zu.

Die Steuereinnahmen (ohne steuerähnliche Abgaben) lagen 2016 mit 36,2 Mrd. Euro um 10,5 Mrd. Euro (+40,8 Prozent) höher als 2007. Bei dieser Betrachtung ist die bis 30.06.2009 dem Land zustehende Kraftfahrzeugsteuer nicht enthalten. Seit 01.07.2009 steht diese Steuer nicht mehr den Ländern, sondern dem Bund zu. Zur Kompensation erhalten die Länder seither vom Bund Ausgleichszahlungen, die in etwa den bisherigen Einnahmen aus der Kraftfahrzeugsteuer entsprechen. 2016 betrug die bei der Hauptgruppe 2 gebuchte Zuweisung des Bundes an das Land wie in den Vorjahren 1,3 Mrd. Euro.

Tabelle 2 zeigt, wie sich die Steuereinnahmen von 2012 bis 2016 sowie im Zehnjahreszeitraum (Basisjahr 2007) im Einzelnen entwickelt haben.

Beitrag 2 Tabelle 2

Die Steuereinnahmen des Landes bestehen aus Gemeinschaft- und Landessteuern. Die Einnahmen aus Gemeinschaftsteuern haben sich seit 2007 von 23,8 Mrd. Euro um 9,4 Mrd. Euro (+39,4 Prozent) auf 33,2 Mrd. Euro 2016 erhöht. Ihr Anteil an den gesamten Steuereinnahmen des Landes lag 2016 bei 91,7 Prozent. Die Steuern vom Einkommen und vom Ertrag (einschließlich Abgeltungsteuer) trugen im Haushaltsjahr 2016 mit 60,9 Prozent (20,2 Mrd. Euro) zum Landesanteil an den Gemeinschaftsteuern bei. Das höchste Aufkommen hiervon verzeichnete die Lohnsteuer mit 12,3 Mrd. Euro.

Die Einnahmen durch die Umsatzsteuer erhöhten sich 2016 deutlich um 897,9 Mio. Euro (+12,4 Prozent) gegenüber 2015 auf 8,2 Mrd. Euro. Zusammen mit der Einfuhrumsatzsteuer erhöhte sich das Aufkommen 2016 im Vergleich zum Vorjahr um 1,4 Mrd. Euro (+13,3 Prozent) auf 11,9 Mrd. Euro. Mitursächlich hierfür waren Änderungen der Umsatzsteuerverteilung zwischen dem Bund und den Ländern zur Bewältigung der Kosten für die Integration von Flüchtlingen. Hieraus ergaben sich allein gegenüber dem Dritten Nachtrag zum Staatshaushaltsplan für 2016 bei der Einfuhrumsatzsteuer im Dezember 2016 Mehreinnahmen von 600 Mio. Euro brutto.

Die Landessteuern (ohne Kraftfahrzeugsteuer) haben sich seit 2007 von 1,9 Mrd. Euro um 1,1 Mrd. Euro (+58,1 Prozent) auf 3,0 Mrd. Euro (2016) erhöht. Sie hatten 2016 einen Anteil an den gesamten Steuereinnahmen des Landes von 8,3 Prozent. Die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer haben sich in den vergangenen zehn Jahren, auch aufgrund der Steuersatzerhöhung von 3,5 auf 5,0 Prozent in 2011, deutlich um 731,8 Mio. Euro (+84,7 Prozent) auf 1,6 Mrd. Euro erhöht. Im Vergleich zum Vorjahr gingen sie 2016 geringfügig um 8,1 Mio. Euro (-0,5 Prozent) zurück. Ihr Anteil am gesamten Aufkommen der Landessteuern betrug 53,3 Prozent gegenüber 45,6 Prozent (2007). Das Erbschaftsteueraufkommen erhöhte sich 2016 um 56,1 Mio. Euro (+5,5 Prozent) gegenüber 2015 auf 1.082,0 Mio. Euro. Seit 2007 nahmen die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer um 50,2 Prozent zu. Sie hatten 2016 einen Anteil von 36,1 Prozent an den Einnahmen aus Landessteuern.

1.3 Sonstige Einnahmen

1.3.1 Verwaltungseinnahmen und Einnahmen aus Schuldendienst

Die Verwaltungseinnahmen und Einnahmen aus Schuldendienst (Hauptgruppe 1) betrugen in den vergangenen Jahren - mit Ausnahme eines Sondereffekts 2014 - jährlich zwischen 1,5 und 1,8 Mrd. Euro. 2016 nahmen sie gegenüber dem Vorjahr um 42,8 Mio. Euro (+2,4 Prozent) auf 1,82 Mrd. Euro zu.

Dabei stiegen die Verwaltungseinnahmen (Obergruppe 11) im Vergleich zu 2015 um 65,5 Mio. Euro (+5,4 Prozent) auf 1,28 Mrd. Euro. Von der Erhöhung betreffen 38,9 Mio. Euro den Geschäftsbereich des Ministeriums der Justiz und für Europa (Einzelplan 05). Hier nahmen insbesondere die Einnahmen aus Gerichtskosten, Gebühren, Geldstrafen und -bußen sowie aus Vermögensabschöpfungen zu.

Die Erlöse aus der Veräußerung von Gegenständen (Obergruppe 13) gingen 2016 gegenüber dem Vorjahr um 13,6 Mio. Euro (-22,3 Prozent) auf 47,7 Mio. Euro zurück.

1.3.2 Einnahmen aus Zuweisungen und Zuschüssen

Die Einnahmen aus Zuweisungen und Zuschüssen (Hauptgruppe 2 einschließlich Obergruppen 33 und 34) stiegen 2016 gegenüber dem Vorjahr um 378,9 Mio. Euro (+4,1 Prozent) auf 9,5 Mrd. Euro. Die größten Posten dieser Einnahmegruppe waren 2016:

  • Finanzausgleichsumlage nach § 1a Finanzausgleichsgesetz mit 3.714,1 Mio. Euro; sie erhöhte sich im Vergleich zu 2015 um 180,2 Mio. Euro (+5,1 Prozent),
  • Zuweisung des Bundes zum Ausgleich des Kraftfahrzeugsteuer-Wegfalls mit 1.305,3 Mio. Euro (unverändert gegenüber dem Vorjahr),
  • Einnahmen zur Sicherstellung und Verbesserung einer ausreichenden Bedienung durch den ÖPNV/SPNV sowie zur Infrastruktur- und Fahrzeugförderung im Geschäftsbereich des Ministeriums für Verkehr (Kapitel 1303) mit 1.052,3 Mio. Euro gegenüber 975,1 Mio. Euro 2015 (+7,9 Pro¬zent),
  • Zuweisungen des Bundes gemäß § 46a SGB XII für Sozialhilfe mit 482,6 Mio. Euro; sie verminderten sich um 88,5 Mio. Euro (-15,5 Prozent) im Vergleich zu 2015,
  • Zuweisungen des Bundes für die Kosten der Unterkunft und Heizung gemäß § 46 Absätze 5 bis 8 SGB II mit 475,3 Mio. Euro gegenüber 418,8 Mio. Euro 2015 (+13,5 Prozent),
  • Zuweisungen des Bundes für Maßnahmen im Rahmen des Hochschul-paktes („Ausbauprogramm Hochschule 2012“) mit 239,6 Mio. Euro; sie stiegen um 26,0 Mio. Euro (+12,2 Prozent) gegenüber 2015.

Im zehnjährigen Betrachtungszeitraum erhöhten sich die Einnahmen aus Zuweisungen und Zuschüssen insgesamt um 4,3 Mrd. Euro (+81,3 Prozent) . Diesen Einnahmen stehen größtenteils entsprechende Ausgaben gegenüber.

1.3.3 Kreditaufnahmen und besondere Finanzierungseinnahmen

2013 und 2014 nahm das Land neue Schulden im Gesamtumfang von 3,0 Mrd. Euro auf. 2016 kam das Land aufgrund der guten konjunkturellen Entwicklung und den daraus resultierenden anhaltend hohen Steuereinnahmen sowie der Überschüsse aus Vorjahren im zweiten Jahr in Folge ohne neue Kredite aus. Bereits im Urhaushalt 2015/2016 war für 2016 keine Nettokreditaufnahme mehr vorgesehen.

Die Entnahmen aus Rücklagen, Fonds und Stöcken (Obergruppe 35) unterlagen in den vergangenen zehn Jahren deutlichen Schwankungen und stiegen seit 2014 erheblich an. Sie waren 2016 mit 710,9 Mio. Euro um 669,7 Mio. Euro höher als vor zehn Jahren. Auch gegenüber dem Vorjahr erhöhten sie sich nochmals deutlich um 288,5 Mio. Euro (+68,3 Prozent). Aus der Rücklage für Haushaltsrisiken, der im Vorjahr 461,93 Mio. Euro zugeführt worden waren, wurde 2016 ein Betrag von 288,35 Mio. Euro entnommen. Die Mittel wurden im Umfang von 287,83 Mio. Euro für Mehrausgaben im Zusammenhang mit der Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen verwendet. Der Differenzbetrag von 0,52 Mio. Euro wurde dem Versorgungsfonds zugeführt.

Die Einnahmen aus Überschüssen der Vorjahre hatten bereits 2015 den höchsten Stand der vergangenen 20 Jahre erreicht. Sie stiegen 2016 nochmals deutlich um 761,9 Mio. Euro (+38,7 Prozent) auf 2.729,0 Mio. Euro.

2 Ausgaben

2.1 Entwicklung der Ausgaben 2007 bis 2016

In Tabelle 3 sind für die Jahre 2007 sowie 2012 bis 2016 die Ausgaben der Hauptgruppen 4 bis 9 dargestellt.

Beitrag 2 Tabelle 3

Die Ausgaben des Landes stiegen von 35,0 Mrd. Euro (2007) um 12,8 Mrd. Euro (+36,6 Prozent) auf 47,8 Mrd. Euro (2016). Gegenüber dem Vorjahr nahmen die Ausgaben 2016 um 2,8 Mrd. Euro zu (+6,3 Prozent). Die Personalausgaben (Hauptgruppe 4) sowie die Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse mit Ausnahme für Investitionen (Hauptgruppe 6) entsprechen zusammen 81,8 Prozent der Gesamtausgaben.

2.2 Personalausgaben

Die Personalausgaben des Landes umfassen insbesondere die Bezüge und Nebenleistungen für Beamte und Richter, die Entgelte der Beschäftigten, die Versorgungsbezüge sowie Ausgaben für die Beihilfe.

In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Einrichtungen des Landes in Landesbetriebe umgewandelt. Die Personalausgaben dieser Einrichtungen werden im Staatshaushaltsplan nicht mehr als solche ausgewiesen, sondern sind regelmäßig von den Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse an diese Einrichtungen (Hauptgruppe 6) mit umfasst. Die Personalausgaben in diesen Einrichtungen beliefen sich im Soll 2016 auf insgesamt 2,7 Mrd. Euro, wovon allein 2,4 Mrd. Euro auf Einrichtungen innerhalb des Einzelplans 14 (Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst) entfielen. Die folgenden Betrachtungen beziehen sich lediglich auf die in der Hauptgruppe 4 gebuchten Personalausgaben.

In Tabelle 4 sind die Personalausgaben der Jahre 2007 sowie 2012 bis 2016 dargestellt.

Beitrag 2 Tabelle 4

Die Personalausgaben stiegen in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich an. Sie lagen 2016 mit 16,1 Mrd. Euro - trotz Bildung zahlreicher Landesbetriebe - um 25,6 Prozent über den Personalausgaben in 2007. Seit 2012 erhöhten sich die Personalausgaben um insgesamt 8,5 Prozent. 2016 nahmen sie im Vergleich zum Vorjahr um 384,3 Mio. Euro (+2,5 Prozent) zu.

Den größten Block innerhalb der Personalausgaben der Hauptgruppe 4 bilden die Bezüge und Nebenleistungen der Beamten und Richter. Sie erhöhten sich im zehnjährigen Betrachtungszeitraum um 1.080,5 Mio. Euro (+15,6 Prozent).

Die Beihilfeausgaben der Beamten und Richter nahmen von 2007 bis 2016 um 30,4 Mio. Euro (+8,0 Prozent) zu. Mitursächlich für diesen moderaten Anstieg sind die in den vergangenen Jahren vorgenommenen Änderungen der Beihilfeverordnung. So wurden u. a. der Beihilfebeitrag für Wahlleistungen erhöht, die Kostendämpfungspauschalen angepasst und die Beihilfefähigkeit von zahntechnischen Leistungen begrenzt.

Die Ausgaben für die Versorgungsbezüge der Beamten und Richter haben sich seit 2007 bis 2016 um 1.721,7 Mio. Euro (+62,7 Prozent) erhöht. Zudem sind die Beihilfeausgaben der Versorgungsempfänger im gleichen Zeitraum von 477,9 Mio. Euro auf 786,8 Mio. Euro (+64,7 Prozent) angestiegen. Mitursächlich für diese Entwicklung ist, dass die Zahl der Versorgungsberechtigten von 88.170 (2007) um 34.355 (+39,0 Prozent) auf 122.525 (2016) angewachsen ist.

Die Entgelte der Arbeitnehmer haben sich im Betrachtungszeitraum 2007 bis 2016 um 70,0 Mio. Euro (-4,4 Prozent) verringert. Ursächlich hierfür ist auch eine teilweise Verlagerung von Stellen aus dem unmittelbaren Landesbereich zu den Landesbetrieben.

2016 wurden 274,7 Mio. Euro der Versorgungsrücklage zugeführt. Die Zuführung hat sich gegenüber 2015 um 21,5 Mio. Euro (+8,5 Prozent) erhöht.

2.3 Sonstige Ausgaben

2.3.1 Sächliche Verwaltungsausgaben und Schuldendienst

Die sächlichen Verwaltungsausgaben und die Ausgaben für den Schuldendienst (Hauptgruppe 5) stiegen seit 2007 um 5,1 Prozent auf 3,7 Mrd. Euro (2016). Sie erhöhten sich gegenüber dem Vorjahr um 146,5 Mio. Euro.

Bei den Ausgaben für den Schuldendienst handelt es sich im Wesentlichen um Kreditmarktzinsen. 2016 betrugen diese Zinsausgaben 1,5 Mrd. Euro. Sie nahmen aufgrund des weiterhin niedrigen Zinsniveaus im Vergleich zum Vorjahr um 73,6 Mio. Euro ab. Seit 2007 verringerten sich die Ausgaben für Kreditmarktzinsen um 24,3 Prozent.

Tabelle 5 zeigt die Entwicklung der sächlichen Verwaltungsausgaben (Obergruppen 51 bis 54) und der Ausgaben für Kreditmarktzinsen.

Beitrag 2 Tabelle 5

Seit 2007 sind die sächlichen Verwaltungsausgaben nahezu kontinuierlich gestiegen, obwohl Ausgaben in erheblichem Umfang in die zahlreich neu errichteten Landesbetriebe verlagert wurden. Landesbetriebe werden über Zuweisungen und Zuschüsse finanziert (siehe Punkt 2.3.2).

2016 erhöhten sich die sächlichen Verwaltungsausgaben im Vergleich zu 2015 um 223 Mio. Euro auf 2,2 Mrd. Euro. Hauptursächlich dafür sind die 2016 nochmals gestiegenen Ausgaben für Flüchtlinge. Allein die Sachausgaben der Landeserstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge stiegen gegenüber dem Vorjahr um 179 Mio. Euro auf 351 Mio. Euro.

2.3.2 Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse für laufende Zwecke

Die Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse für laufende Zwecke (Hauptgruppe 6) erhöhten sich 2016 im Vergleich zum Vorjahr deutlich um 2,9 Mrd. Euro (+14,6 Prozent) auf 23,0 Mrd. Euro:

  • Nachdem die Ausgaben für den Länderfinanzausgleich 2013 einen Höchststand von 2,9 Mrd. Euro erreicht hatten, reduzierten sich diese bis 2015 um 30,6 Prozent auf 2,0 Mrd. Euro. 2016 erhöhten sich die Ausgaben wieder um 411 Mio. Euro (+20,5 Prozent) auf 2,4 Mrd. Euro.
  • Die allgemeinen Zuweisungen im kommunalen Finanzausgleich erhöhten sich seit 2007 kontinuierlich um 3,1 Mrd. Euro (+56,5 Prozent) auf 8,6 Mrd. Euro (2016). Gegenüber dem Vorjahr nahmen die Ausgaben für den kommunalen Finanzausgleich 2016 um 602 Mio. Euro (+7,5 Prozent) zu.

Die Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse sind - ohne die Ausgaben für den Länderfinanzausgleich und den kommunalen Finanzausgleich - seit 2007 beträchtlich gestiegen. Sie lagen 2016 mit 12,0 Mrd. Euro um 96,5 Prozent höher als 2007. Ein Grund für diese Entwicklung ist die hohe Zahl neu errichteter Landesbetriebe in diesem Zeitraum. 25 von aktuell 52 Landesbetrieben wurden zwischen 2007 und 2016 neu gegründet.

Die Ausgaben für Zuschüsse an die 23 wie Landesbetriebe geführten Universitäten, Hochschulen, Theater und Museen im Geschäftsbereich des Wissenschaftsministeriums erhöhten sich 2016 gegenüber dem Vorjahr um 297,4 Mio. auf 1,6 Mrd. Euro. Neben einer erstmaligen Etatisierung von Zuschüssen für die neu wie ein Landesbetrieb geführte Universität Hohenheim erhöhten sich vor allem die Zuschüsse an einzelne Universitäten um bis zu 90 Mio. Euro.

Die pauschale Erstattung von Aufwendungen für die Aufnahme, Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen an die Stadt- und Landkreise hat sich gegenüber 2015 von 396,6 Mio. Euro auf 1,4 Mrd. Euro (2016) mehr als verdreifacht.

Die Erstattung an die Stadt- und Landkreise für die Gewährung von Jugendhilfe nach der Einreise eines jungen Menschen ohne gewöhnlichen Aufenthalt im Inland stieg von 77 Mio. Euro in 2015 um 256 Mio. Euro auf 333 Mio. Euro in 2016.

Die Zuweisungen an die Stadt- und Landkreise für Sozialhilfe und an die Gemeinden und Gemeindeverbände für die Kosten von Unterkunft und Heizung reduzierten sich 2016 um 80,4 Mio. Euro auf 909,5 Mio. Euro. Diese Ausgaben sind als durchlaufende Mittel haushaltsneutral.

2.3.3 Baumaßnahmen, sonstige Investitions- und Investitionsförderungsmaßnahmen

Die Ausgaben für Baumaßnahmen (Hauptgruppe 7) stiegen 2016 gegenüber dem Vorjahr um 4,9 Prozent. Die Gesamtsumme von 686 Mio. Euro verteilt sich zum weit überwiegenden Teil auf die Kapitel 1208 (Staatlicher Hochbau) mit 522,6 Mio. Euro und Kapitel 1304 (Straßenverkehr) mit 155,6 Mio. Euro.

Die sonstigen Ausgaben für Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen (Hauptgruppe 8) blieben mit insgesamt 3,7 Mrd. Euro gegenüber 2015 nahezu gleich. Ausgabenschwerpunkte waren 2016:

  • Zuschüsse für Investitionen an private, kommunale und sonstige öffentliche Krankenhäuser mit 378 Mio. Euro,
  • Zuschüsse an die Deutsche Bahn AG für Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Wendlingen Ulm mit 459 Mio. Euro sowie
  • im Rahmen des Kommunalen Finanzausgleichs Zuweisungen an den Ausgleichstock und pauschale Investitionszuweisungen an die Kommunen mit 1,1 Mrd. Euro.

2.3.4 Besondere Finanzierungsausgaben

Die besonderen Finanzierungsausgaben (Hauptgruppe 9) verringerten sich 2016 gegenüber 2015 um mehr als die Hälfte. In 2016 betrug die Zuführung an die Rücklage für Haushaltsrisiken 56,4 Mio. Euro.

An die Rücklage für Sanierungs- und Erhaltungsmaßnahmen erfolgte keine Zuführung. Die jährliche Zuführung an den Versorgungsfonds erhöhte sich gegenüber 2015 um 49,4 Mio. Euro auf 306,7 Mio. Euro in 2016.

3 Steuerdeckungsquote und Investitionsquote

Tabelle 6 zeigt die Steuerdeckungsquote und die Investitionsquote 2007 sowie 2012 bis 2016.

Beitrag 2 Tabelle 6

Die Steuerdeckungsquote drückt das Verhältnis der Brutto-Steuereinnah¬men in Bezug auf die bereinigten Gesamtausgaben aus. Sie ist ein Indikator für den Finanzierungsspielraum des Landes aus eigenen Finanzierungsquellen. Je niedriger die Quote ist, umso höher ist die Abhängigkeit von anderen Einnahmen, wie z. B. Entnahmen aus Rücklagen, Zuweisungen vom Bund oder Kreditaufnahmen.

Die Steuerdeckungsquote schwankte in den vergangenen fünf Jahren zwischen 74 Prozent und knapp 77 Prozent. Aufgrund der guten konjunkturellen Lage und den daraus resultierenden anhaltend hohen Steuereinnahmen stieg die Steuerdeckungsquote seit 2014 kontinuierlich und betrug zuletzt 76,7 Prozent. Der Wert von 2007 - vor Beginn der Wirtschafts- und Finanzmarktkrise - mit 78,2 Prozent wurde jedoch noch nicht wieder erreicht.

Die Investitionsquote zeigt den prozentualen Anteil der Ausgaben für Baumaßnahmen sowie für sonstige Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen an den bereinigten Gesamtausgaben.

Die Investitionsquote unterlag in den vergangenen zehn Jahren Schwankungen. Sie lag 2012 und 2013 in etwa auf dem Niveau von 2007 und stieg 2014 und 2015 auf rund 10 Prozent. 2016 ging sie wieder auf 9,2 Prozent zurück. Damit wurde etwas weniger als ein Zehntel der bereinigten Gesamtausgaben des Landes für Investitionen aufgewandt.

4 Finanzierungssaldo

Der Finanzierungssaldo wird berechnet, indem die bereinigten Ausgaben von den bereinigten Einnahmen des Haushaltsjahres abgezogen werden.

Die Ausgaben werden um Netto-Tilgungen am Kreditmarkt, Zuführungen an Rücklagen, Fonds und Stöcke und Ausgaben zur Deckung etwaiger kassenmäßiger Fehlbeträge bereinigt. Von den Einnahmen werden Nettokreditaufnahmen, Entnahmen aus Rücklagen, Fonds und Stöcken sowie Einnahmen aus kassenmäßigen Überschüssen aus Vorjahren abgezogen.

Tabelle 7 zeigt die Berechnung des Finanzierungssaldos 2016.

Beitrag 2 Tabelle 7

Die Abbildung zeigt die Entwicklung des Finanzierungssaldos 2007 bis 2016.

Beitrag 2 Abbildung

Das Land konnte 2016 zum dritten Mal in Folge einen positiven Finanzierungssaldo ausweisen.


Was wurde aus dem Beitrag?

Die parlamentarische Behandlung finden Sie hier


Anhänge

2016 konnte das Land erneut ohne neue Kredite auskommen. An Überschüssen aus Vorjahren waren 2,7 Mrd. Euro im Haushalt etatisiert. Nach Abschluss des Haushaltsjahres betrug der kassenmäßige Überschuss 3,5 Mrd. Euro. Die Zinsausgaben sind erneut leicht gesunken. Die Gewährleistungsverpflichtungen verminderten sich per Saldo um 2 Mrd. Euro auf 15,8 Mrd. Euro.


1 Verschuldungslage

1.1 Schuldenentwicklung

Die Verschuldung des Landes am Kreditmarkt betrug zum 31.12.2016 unverändert 46,3 Mrd. Euro. Damit konnte Baden-Württemberg nach einer Kreditaufnahme in 2013 und 2014 im zweiten Jahr in Folge auf eine Neuverschuldung verzichten.

Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der Kreditmarktschulden von 1953 bis 2016 auf.

Beitrag 3 Abbildung 1

Zum 31.12.2016 betrugen die Schulden des Landes einschließlich der verlagerten Verpflichtungen 47,7 Mrd. Euro.

Beitrag 3 Tabelle 1

Zum Jahresende 2016 betrugen die Kreditmarktschulden des Landes weiterhin 46,3 Mrd. Euro.

Wie 2015 waren darin Kreditrahmenverträge in Milliardenhöhe enthalten, die am 31.12. nicht in Anspruch genommen waren. Der Wert dieser Verträge hat sich gegenüber dem Vorjahr um 503 Mio. Euro verringert. 2016 wurden zwei Kreditrahmenverträge über insgesamt 4.718 Mio. Euro abgeschlossen. Ein Teilbetrag von 1,5 Mrd. Euro wurde im Sommer aufgenommen und zur Liquiditätssteuerung genutzt. Ein Vertrag über weitere 3,2 Mrd. Euro wurde im Dezember abgeschlossen, um die nach dem Staatshaushaltsgesetz 2016 mögliche Bruttokreditermächtigung vollständig auszuschöpfen.

Die fundierten Schulden verringerten sich leicht um 32,9 Mio. Euro auf 47,2 Mrd. Euro. Gemeinsam mit den verlagerten Verpflichtungen von 446,1 Mio. Euro ergibt sich für Baden-Württemberg eine Gesamtverschuldung von 47.651,6 Mio. Euro zum 31.12.2016.

Tabelle 2 stellt den Stand der verlagerten Verpflichtungen zum 31.12.2015 und zum 31.12.2016 sowie die Veränderungen dar.

Beitrag 3 Tabelle 2

Die verlagerten Verpflichtungen sind zum 31.12.2016 gegenüber dem Vorjahr um 67,9 Mio. Euro gesunken.

1.2 Entwicklung der Nettokreditaufnahme

2016 hat Baden-Württemberg erneut keine neuen Kredite zum Ausgleich des Haushalts aufgenommen.

Abbildung 2 zeigt die Entwicklung der Nettokreditaufnahme des Landes in den vergangenen zehn Jahren.

Beitrag 3 Abbildung 2

Auf Basis des Dritten Nachtrags zum Staatshaushaltsplan 2016 lag die nach § 18 Landeshaushaltsordnung und der zugehörigen Verordnung zulässige Kreditaufnahme für 2016 noch bei 487 Mio. Euro (Ex-ante-Betrachtung). Aufgrund der überdurchschnittlich gestiegenen Steuereinnahmen im Ist 2016 verringerte sich die zulässige Kreditaufnahme für 2016 im Nachhinein auf minus 589 Mio. Euro (Ex-post-Betrachtung). Die Differenz zwischen tatsächlicher Kreditaufnahme (Null) und zulässiger Kreditaufnahme (-589 Mio. Euro) wurde auf dem (virtuellen) Kontrollkonto verbucht.

Aufgrund der derzeit geltenden Regelungen in § 18 Landeshaushaltsordnung und der zugehörigen Verordnung ergeben sich auf Basis der November-Steuerschätzung 2016 im Übergangszeitraum von 2017 bis 2019 Tilgungsverpflichtungen von insgesamt 1.899,3 Mio. Euro. Bei inhaltsgleicher Fortführung der Regelungen ergäbe sich für 2020 eine Verpflichtung zur Schuldentilgung von 1.241,4 Mio. Euro.

1.3 Kreditmarktschulden und Zinsen

Das Land hat 2016 wie im Vorjahr keine neuen Schulden aufgenommen. 2014 waren noch 1,2 Mrd. Euro an neuen Krediten aufgenommen worden, die zum Ausgleich des Haushalts jedoch nicht erforderlich waren.

Das Land hat 2016 (zulässigerweise) keine Kreditmarktschulden getilgt, obgleich die zulässige Kreditaufnahme nach der Ex-post-Betrachtung aufgrund überdurchschnittlicher Steuereinnahmen einen negativen Wert von -589 Mio. Euro erreicht hat und die günstige Einnahme-Situation dies erlaubt hätte. Stattdessen konnte 2016 ein hoher kassenmäßiger Überschuss von 3,5 Mrd. Euro ausgewiesen werden.

Abbildung 3 stellt die Entwicklung der Kreditmarktschulden in den vergangenen zehn Jahren dar.

Beitrag 3 Abbildung 3

Abbildung 4 zeigt die Entwicklung des Zinsaufwands in den vergangenen zehn Jahren. Seit 2009 werden die Zinserträge mit dem Zinsaufwand saldiert. Seit 2014 muss das Land bei Geldanlagen zum Teil Negativzinsen zahlen.

Beitrag 3 Abbildung 4

Aufgrund des weiterhin niedrigen Zinsniveaus sanken die Zinsausgaben am Kreditmarkt 2016 um 73,6 Mio. Euro auf 1,46 Mrd. Euro. Das Land hat 2016 - um künftige Belastungen des Haushalts zu reduzieren - Einmalzahlungen für die Zinsen bei Darlehensrückkäufen und für Restrukturierungsmaßnahmen von insgesamt 76,1 Mio. Euro geleistet.

1.4 Pro-Kopf-Verschuldung

Abbildung 5 zeigt die Pro-Kopf-Verschuldung aller Flächenländer jeweils zum Jahresende 2015 und 2016.

Beitrag 3 Abbildung 5

Die Kreditmarktschulden des Landes lagen Ende 2016 wie im Vorjahr bei 46,3 Mrd. Euro. Die vorstehende Abbildung basiert auf der Statistik des Bundesministeriums der Finanzen. In dieser Statistik sind die Kreditrahmenverträge Baden-Württembergs nicht berücksichtigt. Somit floss in die Statistik zum 31.12.2015 eine um 5,2 Mrd. Euro und zum 31.12.2016 eine um 4,7 Mrd. Euro geringere Kreditmarktverschuldung ein. Baden-Württemberg liegt im Vergleich der Flächenländer wie im Vorjahr auf dem dritten Platz.

1.5 Nettokreditaufnahme je Einwohner - Ländervergleich 2014 und 2015

Auf Basis der endgültigen Rechnungsabschlüsse kann die Nettokreditaufnahme der Länder verglichen werden. Die endgültigen Rechnungsabschlüsse für das Haushaltsjahr 2016 lagen zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Denkschrift noch nicht vor.

Nach einer Nettokreditaufnahme von 115 Euro je Einwohner in 2014 (absolut 1.228 Mio. Euro) hat das Land 2015 auf eine im Urhaushalt 2015 noch vorgesehene Nettokreditaufnahme von 768 Mio. Euro vollständig verzichtet.

2015 haben sechs der 13 Flächenländer neue Schulden aufgenommen. Baden-Württemberg und Brandenburg konnten auf neue Kreditaufnahmen verzichten, während fünf Länder Schulden getilgt haben.

Abbildung 6 zeigt die Nettokreditaufnahme der 13 Flächenländer auf Basis der endgültigen Rechnungsabschlüsse 2014 und 2015.

Beitrag 3 Abbildung 6

2 Rücklagen und Sondervermögen

Das Vermögen des Landes wird - soweit es sich mit vertretbarem Aufwand erfassen lässt - derzeit in der Vermögensübersicht im Vorheft des Staatshaushaltsplans dargestellt.

Tabelle 3 zeigt den Bestand der Rücklagen und Sondervermögen des Landes zum jeweiligen Jahresende 2015 und 2016 sowie die Veränderungen.

Beitrag 3 Tabelle 3

Der Rücklage für Sanierungs- und Erhaltungsmaßnahmen wurden 2016 94,9 Mio. Euro entnommen. Der Stand der Rücklage für Haushaltsrisiken reduzierte sich zum 31.12.2016 gegenüber dem Vorjahr um 232,0 Mio. Euro. Einer Entnahme von 288,4 Mio. Euro standen Zuführungen von 56,4 Mio. Euro gegenüber.

Der Versorgungsrücklage wurden 283,7 Mio. Euro zugeführt. Der Wert steigerte sich gegenüber dem Vorjahr um insgesamt 396,2 Mio. Euro.

Das Vermögen des Versorgungsfonds hat sich um 391,4 Mio. Euro gegenüber 2015 erhöht. Die Zuführung durch das Land betrug 306,7 Mio. Euro.

Die übrigen Sondervermögen des Landes reduzierten sich um insgesamt 241,2 Mio. Euro.

3 Entwicklung der Jahresergebnisse

Das kassenmäßige Jahresergebnis stellt den Saldo aller Einnahmen und Ausgaben des Landes innerhalb eines Haushaltsjahres dar. Seit 2007 bis einschließlich 2016 hat das Land Kassenüberschüsse von insgesamt 13.347 Mio. Euro ausgewiesen. Zum 31.12.2015 standen noch 4.837 Mio. Euro dieser Überschüsse zur Verfügung.

Für 2016 wurden 2.729 Mio. Euro an Überschüssen im Haushalt etatisiert. In 2016 konnte Baden-Württemberg einen kassenmäßigen Überschuss von 3.538 Mio. Euro erzielen.

Bereinigt man das kassenmäßige Jahresergebnis um den Saldo der aus dem Vorjahr übernommenen und der in das Folgejahr zu übertragenden Haushaltsreste, erhält man das rechnungsmäßige Jahresergebnis.

Das rechnungsmäßige Jahresergebnis aus 2016 stand zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Denkschrift noch nicht abschließend fest, weil über die Übertragung der Reste in das Haushaltsjahr 2017 noch nicht entschieden war.

Die rechnungsmäßigen Jahresergebnisse von 2007 bis einschließlich 2015 beliefen sich auf insgesamt 8.041 Mio. Euro. 2007 markiert mit einem Fehlbetrag von minus 299 Mio. Euro den niedrigsten Wert. 2014 stellt mit einem Überschuss von 2.166 Mio. Euro den Höchstwert dar.

Es kann davon ausgegangen werden, dass für 2016 erneut ein hoher rechnungsmäßiger Überschuss ausgewiesen werden kann. Im Staatshaushaltsplan 2017 sind Überschüsse aus Vorjahren von 1 Mrd. Euro als Einnahmen etatisiert.

Abbildung 7 zeigt die Entwicklung der kassen- und rechnungsmäßigen Jahresergebnisse seit 2007 auf.

Beitrag 3 Abbildung 7

4 Haushaltsrisiken durch Bürgschaften, Garantien und Gewährleistungen

Tabelle 4 zeigt den Stand und die Entwicklung der vom Land übernommenen Gewährleistungen.

Beitrag 3 Tabelle 4

Der Stand der Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen hat sich 2016 per Saldo um 2 Mrd. Euro auf 15,8 Mrd. Euro vermindert.

Hauptgründe dafür waren das Auslaufen einer Garantie gegenüber der Sächsischen Aufbaubank GmbH mit 2,2 Mrd. Euro und die Reduzierung der Garantie gegenüber der GPBW GmbH & Co. KG um 1,2 Mrd. Euro.

Im Gegenzug erhöhte sich die Garantie gegenüber der NECKARPRI GmbH um 1,2 Mrd. Euro. Das Wohnungsbauprogramm für die energetische Sanierung von Wohnungseigentümergemeinschaften wurde im Wert von 100 Mio. Euro fortgeführt. Die Rückbürgschaft zugunsten der L-Bank für das dortige Programm zur energetischen Sanierung von Vereinseigentum über 100 Mio. Euro führte zu einer weiteren Erhöhung.


Was wurde aus dem Beitrag?

Die parlamentarische Behandlung finden Sie hier


Anhänge

Das Land kann nach seiner Übergangsregelung zur Schuldenbremse bis einschließlich 2019 nicht nur keine neuen Kredite aufnehmen, sondern muss sogar Schulden tilgen. Durch Änderung des Rechtsrahmens kann diese Verpflichtung ab 2017 auch durch den Abbau sogenannter impliziter Verschuldung, z. B. durch Abbau eines bestehenden Sanierungsstaus, erfüllt werden. Der Rechnungshof hält diese befristete Regelung grundsätzlich für vertretbar, im Detail jedoch für optimierungsbedürftig.


1 Ausgangslage

Nach dem Grundgesetz sind die Haushalte der Länder spätestens ab 2020 grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Bis dahin können die Länder Ausnahmen hiervon zulassen. Baden-Württemberg hat von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht.

Für die Übergangszeit bis einschließlich 2019 ist in Baden-Württemberg in § 18 Landeshaushaltsordnung und der zugehörigen Rechtsverordnung (VO) eine Regelung getroffen. Danach ist die Neuverschuldung - ausgehend von einem haushaltswirtschaftlichen Handlungsbedarf von 2,5 Mrd. Euro für 2013 - bis 2020 in gleichmäßigen Jahresschritten vollständig abzubauen.

Die sich aus der VO ergebenden jährlichen Basiswerte für eine Nettokreditaufnahme werden durch eine Konjunkturkomponente modifiziert. Da diese sich an der Entwicklung der Steuereinnahmen orientiert, wird sie im entsprechenden Regelwerk als Steuerschwankungskomponente bezeichnet. Neben der Steuerschwankungskomponente besteht als weiterer Korrekturfaktor noch eine Finanztransaktionskomponente.

Bei unter dem langfristigen Trend liegenden Steuereinnahmen erhöht sich die Kreditermächtigung gegenüber dem Basiswert. Liegen die Steuereinnahmen über dem langfristigen Trend, verringert dies die Möglichkeit einer Neuverschuldung.

Vermindert sich durch die Verrechnung der Steuerschwankungs- und der Finanztransaktionskomponente die zulässige Kreditaufnahme auf einen negativen Wert, so müssen in dieser Höhe Schulden getilgt werden.

Der Rechnungshof hat das System zur Berechnung der zulässigen Kreditaufnahme in den Denkschriften 2015 (Beitrag Nr. 3) und 2016 (Beiträge Nr. 3 und Nr. 5) näher beschrieben.

2 Entwicklung bis einschließlich 2017

2.1 Zulässige Kreditaufnahme im abgelaufenen Haushaltsjahr 2016

Nach der VO ist die zulässige Kreditaufnahme zum Zeitpunkt der Haushaltsaufstellung zu ermitteln (Ex-ante-Betrachtung). Nach Abschluss des Haushaltsjahres wird die zulässige Kreditaufnahme auf Basis der Ist-Ergebnisse des Jahres berechnet (Ex-post-Betrachtung). Weicht die tatsächliche Kreditaufnahme von der zulässigen Kreditaufnahme nach der Ex-post-Betrachtung ab, ist der Unterschiedsbetrag auf ein Kontrollkonto zu buchen.

Tabelle 1 stellt die Berechnung zur zulässigen Kreditaufnahme 2016 nach der Ex-ante-Betrachtung und der Ex-post-Betrachtung und die Auswirkung auf das Kontrollkonto dar.

Beitrag 4 Tabelle 1

Der Basiswert zur Berechnung der zulässigen Kreditaufnahme lag für 2016 bei 1.265 Mio. Euro. Durch Verrechnung der Steuerschwankungs- und der Finanztransaktionskomponente ging man für das Haushalts-Soll 2016 im Dritten Nachtrag von einer zulässigen Kreditaufnahme von 487,5 Mio. Euro aus. Eine Nettokreditaufnahme war im Staatshaushaltsplan für 2016 allerdings nicht eingeplant.

Aufgrund der gegenüber dem Soll deutlich gestiegenen Ist-Steuereinnahmen 2016 veränderte sich die Steuerschwankungskomponente von -910,0 Mio. Euro (Ex-ante-Betrachtung) auf -1.935,7 Mio. Euro (Ex-post-Betrachtung). Daraus ergab sich (ex-post) im Vergleich zu den Vorjahren erstmals für 2016 eine Tilgungsverpflichtung, und zwar in Höhe von 588,5 Mio. Euro. Die Tilgungsverpflichtung nach der Ex-post-Betrachtung ist gemäß § 18 Landeshaushaltsordnung und der VO nicht im Ist zu vollziehen. Der Ausgleich erfolgt lediglich auf dem Kontrollkonto. Auf dem Kontrollkonto war zum Jahresende 2016 somit ein Minusbetrag von 588,5 Mio. Euro zu buchen.

Der Rechnungshof hatte Ende 2016 dem Ministerium für Finanzen gegenüber angeregt, den genannten Betrag im Haushaltsvollzug des Jahres 2016 nach § 42a Landeshaushaltsordnung in eine zweckgebundene Rücklage zum Abbau impliziter Verschuldung einzustellen. Die Landesregierung ist dieser möglichen, rechtlich aber nicht verpflichtenden Alternative nicht gefolgt, sodass dieser Betrag im Ergebnis in den rechnungsmäßigen Überschuss des Jahres 2016 einfließen wird.

2.2 Zulässige Kreditaufnahme, Nettokreditaufnahme und Kontrollkonto von 2013 bis 2017

Der Betrag der zulässigen Kreditaufnahme war 2013 bis 2015 mit insgesamt 3.782,3 Mio. Euro noch positiv. Dem standen tatsächliche Kreditaufnahmen in 2013 und 2014 von insgesamt 3.008,4 Mio. Euro gegenüber. 2015 und 2016 nahm das Land keine neuen Kredite auf.

Tabelle 2 zeigt die Berechnung der zulässigen Kreditaufnahme seit 2013, die tatsächliche Nettokreditaufnahme und die Auswirkungen auf das Kontrollkonto.

Beitrag 4 Tabelle 2

Der Saldo des Kontrollkontos weist seit 2013 stets einen positiven Wert auf. Ende 2016 betrug er trotz der Negativbuchung von 588,5 Mio. Euro noch 185,3 Mio. Euro. Nach der VO ist erst bei einem negativen Stand des Kontrollkontos auf dessen Ausgleich hinzuwirken. Der Basiswert zur Berechnung der zulässigen Kreditaufnahme für 2017 beträgt 948,8 Mio. Euro. Die Steuerschwankungskomponente und die Finanztransaktionskomponente senken diesen Wert um 1.359,0 Mio. Euro und führen zu einer Tilgungsverpflichtung von 410,5 Mio. Euro.

2.3 Neuregelung 2017

Seit Einführung der 2013 bis 2019 geltenden landesrechtlichen Übergangsregelung ist 2017 das erste Haushaltsjahr, für welches sich nach der ursprünglichen Regelung schon im Haushalts-Soll eine Verpflichtung zur Tilgung von Kreditmarktschulden ergeben hätte.

2.3.1 Änderung der Verordnung zu § 18 Landeshaushaltsordnung ab 01.01.2017

Die Landesregierung hat die VO mit Wirkung zum 01.01.2017 dahingehend neu gefasst, dass eine Tilgungsverpflichtung außer durch Tilgung von Kreditmarktschulden nunmehr auch durch den Abbau der sogenannten impliziten Verschuldung erfüllt werden kann.

Unter impliziter Verschuldung ist dabei - im Gegensatz zu den Kreditmarktschulden - der verdeckte Teil der öffentlichen Verschuldung zu verstehen.

Nach der VO kann die implizite Verschuldung insbesondere abgebaut werden durch

  • Sanierungs- und Erhaltungsmaßnahmen beziehungsweise Ersatzinvestitionen,
  • die Tilgung von Eventualverbindlichkeiten (z. B. aus übernommenen Bürgschaften oder sonstigen Gewährleistungen),
  • die Zuführung von Mitteln an Rücklagen, soweit sie den vorgenannten Zwecken dienen.

Nach der VO sind unter Ersatzinvestitionen solche Investitionen zu verstehen, die dem Ersatz abgenutzter oder funktionsuntüchtiger Vermögensgegenstände dienen. Die Landesregierung stellt die Verhinderung des Anwachsens der impliziten Verschuldung deren Abbau gleich.

2.3.2 Haltung des Rechnungshofs

Das Ministerium für Finanzen hat den Rechnungshof im November 2016 zur geplanten Änderung der VO zum 01.01.2017 gehört.

Er erhob in seiner damaligen Stellungnahme keine grundsätzlichen Einwände gegen eine auf die Übergangszeit bis 2019 beschränkte Möglichkeit des Abbaus der impliziten Landesverschuldung.

Der Rechnungshof selbst hatte in der Vergangenheit wiederholt den bestehenden Sanierungsstau im Vermögen des Landes thematisiert und Vorschläge zu dessen Abbau unterbreitet. Der bestehende Sanierungsstau kann als implizite Verschuldung angesehen werden. Gleiches gilt für die Verpflichtung zur Leistung künftiger Versorgungsausgaben. Der Rechnungshof hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass eine Erhöhung der Mittel für den Versorgungsfonds und die Versorgungsrücklage helfen kann, die implizite Verschuldung im Landeshaushalt abzubauen.

Im Einzelnen schlug der Rechnungshof in seiner Stellungnahme insbesondere vor,

  • den Begriff der impliziten Verschuldung genauer zu fassen und die Tatbestände enumerativ zu definieren ,
  • als Abbau der impliziten Verschuldung nur Maßnahmen mit zusätzlichem Charakter gegenüber bisherigen Planungen zuzulassen,
  • die Bildung etwaiger Rücklagen zum Zweck des Abbaus eines Sanierungsstaus mit einem konkreten Programm zu hinterlegen und dieses zeitnah abzuarbeiten,
  • die Tilgung impliziter Schulden auf den Landeshaushalt zu beschränken und keine Landesmittel für solche Maßnahmen bei Dritten, z. B. den Kommunen, einzusetzen.

Der Abbau der impliziten Verschuldung des jeweiligen Jahres und die Umsetzung eines Sanierungsprogramms sollten in der Haushaltsrechnung des Landes in einer separaten Übersicht nachgewiesen werden.

Die Regierung ist diesen Vorschlägen nur insoweit gefolgt, als dass die im anschließenden Haushalt 2017 erfolgte Zuführung an eine Rücklage dort mit konkreten Maßnahmen hinterlegt wurde.

2.3.3 Umsetzung im Haushalt 2017

Die Neuregelung der VO wurde im Staatshaushaltsplan 2017 von der Landesregierung und dem Haushaltsgesetzgeber umgesetzt. Dieser Haushalt sieht keine Nettokreditaufnahme vor. Soweit darüber hinaus Schulden zu tilgen sind, wird ausschließlich implizite Verschuldung abgebaut.

In Tabelle 3 wird die nach dem Staatshaushaltsplan 2017 vorgesehene Verwendung der Mittel zum Abbau der impliziten Verschuldung dargestellt.

Beitrag 4 Tabelle 3

Aus der Rücklage für „Maßnahmen im Sinne des § 1 Absatz 3 der VO zu § 18 Landeshaushaltsordnung“ können 2017 Mittel entnommen werden. Eine entsprechende Ermächtigung ist bei Kapitel 1212 Titel 359 05 vorgesehen.

Tabelle 4 zeigt die mit dem Staatshaushaltsplan 2017 festgelegte Zweckbindung der Mittel, welche der vorgenannten Rücklage entnommen werden können.

Beitrag 4 Tabelle 4

Die Bildung der Rücklage wurde mit konkreten Maßnahmen hinterlegt. Dem entsprechenden Anliegen des Rechnungshofs wurde insoweit Rechnung getragen.

Der Rechnungshof sieht es aber als nicht sachgerecht an, dass neben dem Abbau originärer impliziter Landesverschuldung innerhalb und außerhalb der Rücklage auch Maßnahmen Dritter finanziert werden. Dies entspricht nicht dem Grundgedanken, mit überschießenden Steuermitteln die implizite Landesverschuldung zurückzuführen. Dabei ist dem Rechnungshof bewusst, dass die Mittel für den Kommunalen Sanierungsfonds Teil einer umfassenden Einigung des Landes mit den kommunalen Landesverbänden waren.

2.4 Ausblick

Der Basiswert zur Berechnung der zulässigen Kreditaufnahme wird 2018 bei 632,5 Mio. Euro und 2019 bei 316,3 Mio. Euro liegen. Ab 2020 greift die Schuldenbremse und der Basiswert liegt bei Null.

Die Landesregierung hat in der Mittelfristigen Finanzplanung für 2016 bis 2020 die Werte der zulässigen Kreditaufnahme 2018 bis 2020 auf Basis der Ergebnisse aus der November-Steuerschätzung 2016 errechnet. In allen Jahren geht sie nach der Ex-ante-Betrachtung aufgrund überdurchschnittlicher Steuereinnahmen von einer Tilgungsverpflichtung aus.

Die Abbildung zeigt die zulässige Kreditaufnahme und die Tilgungsverpflichtung zwischen 2013 und 2020 auf. Für die Jahre 2013 bis 2016 sind die Ex-post-Werte abgebildet, 2017 bis 2020 stellen die Ex-ante-Werte dar.

Für 2020 ist diese Darstellung - wie in der Mittelfristigen Finanzplanung dargelegt - nur rechnerischer Natur. Eine solche Tilgungsverpflichtung würde nur dann zum Tragen kommen, wenn die bis 2019 geltende Regelung zur Steuerschwankungskomponente als dauerhafte Konjunkturkomponente in eine endgültige Landesregelung der Schuldenbremse aufgenommen wird.

Beitrag 4 Abbildung

In welcher Form die Landesregierung in ihrem Haushaltsplanentwurf für 2018 und 2019 eine sich dann nach der Entwicklung der Steuerschätzungen ergebende Tilgungsverpflichtung erfüllen will, bleibt abzuwarten.

2.5 Auswirkungen der Neuregelung der Bund-Länder-Finanz-beziehungen ab 2020

Der Rechnungshof hatte in der Denkschrift 2016 (Beitrag Nr. 5) empfohlen, die Schuldenbremse zeitnah in der Landesverfassung zu verankern und ein Konjunkturbereinigungsverfahren auszugestalten. Dessen Symmetrie sollte zentraler Gesichtspunkt eines solchen Verfahrens sein.

In Baden-Württemberg kommt derzeit als Übergangsregelung bis einschließlich 2019 zur Ermittlung der Steuerschwankungskomponente bei der Berechnung der zulässigen Kreditaufnahme das Trendsteuereinnahmen-Modell zum Einsatz.

Welche Methode zur Ermittlung einer Konjunkturkomponente bei der endgültigen Ausgestaltung der Schuldenbremse im Landesrecht letztlich zum Einsatz kommen wird, ist derzeit noch offen. Die Landesregierung hat angekündigt, eine Initiative zu starten, um gemeinsam mit den im Landtag vertretenen Fraktionen eine umfassende Regelung zur Schuldenbremse im Landesrecht zu entwickeln.

Mit der im Juni 2017 beschlossenen Neuregelung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern wurde auch die Stellung des Stabilitätsrats bei der Überwachung der Haushaltsdisziplin der Länder gestärkt. Künftig soll dieser die Einhaltung der Verschuldungsregeln des Artikels 109 Absatz 3 Grundgesetz überprüfen. Dabei orientiert er sich an den Vorgaben und Verfahren aus Rechtsakten aufgrund des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union zur Einhaltung der Haushaltsdisziplin. Unabhängig davon, für welches Verfahren sich Baden-Württemberg zur Ermittlung der Konjunkturkomponente entscheidet, muss für die Zwecke des Stabilitätsrats eine Berechnung nach den vorgenannten EU-Werten erfolgen.

3 Empfehlungen

3.1 Abbau der impliziten Verschuldung auch weiterhin konkretisieren

Der Rechnungshof regt an, die implizite Verschuldung zeitnah durch konkrete Maßnahmen tatsächlich abzubauen. Nach der VO würde die Bildung einer entsprechenden Rücklage zum Abbau der impliziten Verschuldung ausreichen. Sollte die Landesregierung dem Landtag mit dem Haushaltsentwurf für die Jahre 2018 und 2019 anstatt oder neben einem Abbau der Kreditmarktschulden den Abbau der impliziten Verschuldung vorschlagen, so wäre dies - wie im Haushalt 2017 geschehen - erneut durch konkrete, zügig anzugehende Maßnahmen zu hinterlegen.

Die vorgesehenen Maßnahmen sollten zusätzlichen Charakter haben, also über die laufenden „Pflichtaufgaben“ hinausgehen.

3.2 Abbau der impliziten Verschuldung auf Landesschulden begrenzen

Der Rechnungshof schlägt vor, künftig den Abbau der impliziten Verschuldung auf den Bereich des Landes zu beschränken.


Was wurde aus dem Beitrag?

Die parlamentarische Behandlung finden Sie hier


Anhänge

Die Finanzsituation des Landes hat sich 2017 wegen überdurchschnittlicher Steuereinnahmen und gesunkener Ausgaben für Flüchtlinge gegenüber den Vorjahresprognosen verbessert. Um die Nettonullverschuldung 2020 zu erreichen, besteht für 2020 aber noch ein haushaltswirtschaftlicher Handlungsbedarf von 1,8 Mrd. Euro. Die stagnierenden Konsolidierungsbemühungen müssen wieder verstärkt werden, um den politischen Handlungsspielraum auf Dauer zu erhalten.


1 Ausgangslage

Die Landesregierung stellt nach den maßgeblichen Bestimmungen des Stabilitätsgesetzes, des Haushaltsgrundsätzegesetzes und der Landeshaushaltsordnung eine fünfjährige Finanzplanung (Mittelfristige Finanzplanung - Mifrifi) auf. Die Mifrifi soll die mehrjährige Haushaltssicherung gewährleisten und die finanziellen Rahmenbedingungen für einen ausgeglichenen Haushalt im Planungszeitraum aufzeigen.

Im März 2017 hat die Landesregierung die Mittelfristige Finanzplanung des Landes Baden-Württemberg für die Jahre 2016 bis 2020 (Mifrifi 2017) vorgelegt. Die Mifrifi 2017 stellt die derzeitige Einschätzung der Landesregierung über die Einnahmen und Ausgaben des Landes bis 2020 dar. Sie basiert für 2016 auf dem Dritten Nachtrag zum Staatshaushaltsplan 2016 und für 2017 auf dem Staatshaushaltsplan 2017. Auf dieser Grundlage wurden die Werte für die Planjahre 2018 bis 2020 ermittelt.

In § 18 Landeshaushaltsordnung sind die Möglichkeiten der Kreditaufnahme im Landeshaushalt und der schrittweise Abbau der Neuverschuldung bis einschließlich 2019 geregelt. Nach § 18 Absatz 10 Landeshaushaltsordnung hat die Landesregierung seit 2013 einen jährlich fortzuschreibenden Finanzplan vorzulegen. Mit dem Finanzplan soll der Abbau der Neuverschuldung und die Einhaltung der Vorgaben der Landeshaushaltsordnung überwacht werden.

Weil der Planungszeitraum der aktuellen Mifrifi 2017 identisch mit dem des Finanzplans nach § 18 Landeshaushaltsordnung ist, hat die Landesregierung auf einen gesonderten Finanzplan verzichtet.

2 Empfehlungen des Rechnungshofs in der Denkschrift 2016 auf Basis des Finanzplans 2016

Der Rechnungshof hatte sich zuletzt in der Denkschrift 2016 mit dem Finanzplan nach § 18 Landeshaushaltsordnung im Hinblick auf die Einhaltung der Schuldenbremse ab 2020 befasst.

Der 2016 vorgelegte Finanzplan des Landes für die Jahre 2015 bis 2020 (Finanzplan 2016) wies für 2020 einen Abbaupfad von 3.036,4 Mio. Euro aus. Der Abbaupfad beinhaltete einerseits eine rechnerische Netto-Schuldentilgung von 650 Mio. Euro und andererseits Mehreinnahmen aufgrund einer Änderung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen von 400 Mio. Euro.

Ein prägender Faktor dieses Plans waren die erwarteten flüchtlingsbedingten Ausgaben von rund 2 Mrd. Euro in 2020.

Angesichts der großen fiskalischen Herausforderung zur Einhaltung der Schuldenbremse ab 2020 empfahl der Rechnungshof in der Denkschrift 2016, für die Haushalte ab 2017 die Anstrengungen zur aktiven Konsolidierung des Haushalts deutlich zu verstärken. Auf strukturelle Mehrausgaben und Stellenzuwächse, die nicht dauerhaft durch Einsparungen gegenfinanziert sind, sollte verzichtet werden.

3 Staatshaushaltsplan 2017

3.1 Ausgabensteigerung

Das Staatshaushaltsgesetz 2017 sieht gegenüber dem Haushalt 2016 (Stand: Dritter Nachtrag 2016) eine Steigerung der Ausgaben und Einnahmen um 1 Mrd. Euro auf 47,9 Mrd. Euro vor.

Auf der Ausgabenseite entfallen 470 Mio. Euro auf Personal- und 540 Mio. Euro auf Sachausgaben. Innerhalb der Sachausgaben sollen 410 Mio. Euro dem Abbau der impliziten Verschuldung dienen.

Bei den flüchtlingsbezogenen Ausgaben wurden die Planansätze im Haushalt 2017 gegenüber der zugrunde liegenden Mifrifi 2016 deutlich reduziert. Ursache dafür sind die gegenüber der Mifrifi deutlich gesunkenen Flüchtlingszahlen. Die flüchtlingsbezogenen Ausgaben waren 2016 gegenüber dem Vorjahr auf 2,5 Mrd. Euro stark angestiegen. Die Landesregierung erwartet 2017 aufgrund geringerer Zugangszahlen einen Rückgang um 1,1 Mrd. Euro auf 1,4 Mrd. Euro. Im letztjährigen Finanzplan 2016 ging die Landesregierung für 2017 noch von flüchtlingsbezogenen Gesamtausgaben von 2,1 Mrd. Euro aus. Für 2017 ergeben sich gegenüber der Vorjahresplanung somit um 0,7 Mrd. Euro geringere flüchtlingsbezogene Ausgaben.

3.2 Stellenzuwachs

Das Vorheft des Staatshaushaltsplans 2017 weist zwar formal einen Stellenrückgang um 2.800 Stellen aus. Ein Großteil des Rückgangs ist jedoch - insbesondere im Kultusbereich - auf technische Bereinigungen zurückzuführen. Wenn man diesen Sondereffekt außer Acht lässt, ist nach Berechnungen des Ministeriums für Finanzen 2017 per Saldo ein Nettostellenzugang von 1.375 Stellen zu verzeichnen.

Im Haushalt 2017 wurde zudem das früher beschlossene 1.480-Stellen-einsparprogramm ausgesetzt. In der Mifrifi 2017 ist noch eine Fortsetzung dieses Programms ab 2018 vorgesehen.

3.3 Einsparungen in Ressorthaushalten

Mit dem Staatshaushaltsplan 2017 will die Landesregierung 800 Mio. Euro dauerhaft einsparen. Davon entfielen bei der Planaufstellung 370 Mio. Euro auf die Ressorthaushalte.

Nahezu ein Viertel des Konsolidierungsbetrags wurde bei der Planaufstellung noch nicht durch konkrete Maßnahmen umgesetzt, sondern zunächst durch Globale Minderausgaben in den Ressorthaushalten verankert. Die Globalen Minderausgaben sind im Haushaltsvollzug 2017 zu realisieren. Es ist sicherzustellen, dass die Konsolidierungsvorgabe strukturell erfüllt wird.

Der verminderte Haushaltsansatz für Zinsausgaben erbringt eine Einsparung von 86 Mio. Euro. Im Bereich des Kommunalen Finanzausgleichs werden die Haushaltsansätze bei der Förderung der Kleinkindbetreuung gegenüber den früheren Planungen um 45 Mio. Euro reduziert. Allein auf diese beiden Bereiche entfallen somit rund 130 Mio. Euro und damit ein knappes Drittel der auf die Ressorthaushalte entfallenden Einsparungen.

Im Bereich der Ressorteinsparungen erfolgte somit bislang noch keine vollumfängliche aktive Haushaltskonsolidierung durch konkrete Maßnahmen.

3.4 Neuregelung der Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen

Im Kommunalen Finanzausgleich kann das Land mit weiteren Entlastungen im Zeitraum von 2017 bis 2021 rechnen. Auf Basis von Untersuchungen und Berechnungen der Gemeinsamen Finanzkommission von Land und Kommunen wurde der Kommunale Finanzausgleich für diesen Zeitraum neu geregelt und die Finanzverteilung zugunsten des Landes geändert. Das Land wird dadurch gegenüber der bisherigen Mifrifi 2016 in 2017 und 2018 um jeweils 200 Mio. Euro und 2019 bis 2021 um 230 Mio. Euro jährlich entlastet.

4 Mittelfristige Finanzplanung 2017

4.1 Eckdaten

Die Landesregierung hat die Mifrifi 2017 im März 2017 veröffentlicht. In Tabelle 1 werden die Eckdaten dargestellt.

Beitrag 5 Tabelle 1

Nach der Mifrifi 2017 werden die Einnahmen und Ausgaben des Landes zwischen 2017 und 2020 um jeweils 2,3 Mrd. Euro steigen (+4,7 Prozent). Die Zuwachsraten der Steuereinnahmen im Finanzplanungszeitraum 2018 bis 2020 sind nach dem Vorsichtsprinzip auf 3 Prozent begrenzt.

Die Personalausgaben steigen um 1,1 Mrd. Euro auf 18,4 Mrd. Euro in 2020 (+6,2 Prozent). Die Sachausgaben erhöhen sich bis 2020 um 1,2 Mrd. Euro auf 31,7 Mrd. Euro (+3,9 Prozent).

In 2016 betrugen die flüchtlingsbezogenen Ausgaben des Landes 2,5 Mrd. Euro. Wegen niedrigerer Zugangszahlen erwartet die Landesregierung für 2017 Brutto-Ausgaben von 1,4 Mrd. Euro. Für 2018 sind 1,2 Mrd. Euro und für 2019 und 2020 jeweils 1,0 Mrd. Euro eingeplant. In welcher Höhe das Land ab 2018 bei den Flüchtlingsausgaben durch den Bund entlastet wird, lässt sich derzeit noch nicht abschließend abschätzen.

Die Mifrifi 2017 sieht bis 2020 steigende Ansätze bei den Zinsausgaben vor. 2020 sind 1.949,2 Mio. Euro angesetzt. Damit liegt der Wert etwa um ein Viertel höher als das derzeitige Ausgabenniveau, obwohl sich die Kreditmarktschulden nicht erhöhen sollen. Es handelt sich also um eine vorsichtige Planung.

Nach § 18 Landeshaushaltsordnung und der zugehörigen Verordnung, welche bis 2019 übergangsweise den Abbau der Neuverschuldung regelt, darf Baden-Württemberg 2017 nicht nur keine neuen Schulden aufnehmen. Es muss sogar aufgrund der in der Regelung enthaltenen Konjunkturkomponente 2017 insgesamt 410,5 Mio. Euro an Schulden tilgen. Die Landesregierung will dieser Verpflichtung durch den Abbau der impliziten Verschuldung nachkommen. Aufgrund (erwarteter) überdurchschnittlich steigender Steuereinnahmen wächst die Tilgungsverpflichtung im Finanzplanungszeitraum auf 910,6 Mio. Euro in 2019 an.

Die Landesregierung hat angekündigt, die Schuldenbremse bis 2020 im Landesrecht zu verankern. Die konkrete Ausgestaltung ist noch offen. Für die Mifrifi 2017 hat die Landesregierung rechnerisch das Fortbestehen der vorstehend genannten, bisher nur übergangsweise geregelten Konjunkturkomponente unterstellt. Hiernach ergäbe sich für 2020 eine Tilgungsverpflichtung von 1.241,4 Mio. Euro.

Einschließlich dieser Verpflichtung besteht für 2020 insgesamt ein haushaltswirtschaftlicher Handlungsbedarf von 1.820,5 Mio. Euro. Dieser muss vollständig abgebaut werden, um die Schuldenbremse einzuhalten.

4.2 Vergleich der Mittelfristigen Finanzplanung 2017 mit den Finanzplänen 2013 bis 2016

Tabelle 2 zeigt den für 2020 erwarteten Konsolidierungsbedarf der bisherigen Finanzplanungen und der aktuellen Mifrifi 2017.

Beitrag 5 Tabelle 2

Seit 2013 weist der Finanzplan des Landes in jedem Jahr einen nicht durch Einnahmen gedeckten Abbaupfad als haushaltswirtschaftlichen Handlungsbedarf für 2020 aus. Der Finanzplan 2016 war von hohen flüchtlingsbedingten Ausgaben geprägt. Der Konsolidierungsbedarf für 2020 stieg gegenüber der Vorjahresplanung um 1.564,3 Mio. Euro auf 3.036,4 Mio. Euro. Die aktuelle Mifrifi 2017 geht für 2020 noch von einem Konsolidierungsbedarf von 1.820,5 Mio. Euro aus (-1.215,9 Mio. Euro).

Die Ausgaben aufgrund der Tilgungsverpflichtung nach § 18 Landeshaushaltsordnung und der zugehörigen Verordnung in 2020 erhöhen sich in der Mifrifi 2017 gegenüber der Vorjahresplanung um 591,4 Mio. Euro auf 1.241,4 Mio. Euro.

5 Fazit und Ausblick

Der Rechnungshof hatte in der Denkschrift 2016 empfohlen, die aktive Haushaltskonsolidierung zu verstärken und auf nicht dauerhaft gegenfinanzierte strukturelle Mehrausgaben zu verzichten.

Der Staatshaushaltsplan kommt 2017 erneut ohne neue Schulden aus.

Das Land kann 2017 vor allem von den gegenüber dem Finanzplan 2016 erheblich verringerten flüchtlingsbezogenen Ausgaben und gestiegenen Steuereinnahmen profitieren.

Die strukturellen Mehrausgaben und die verhaltene aktive Haushaltskonsolidierung erschweren aber den Haushaltsausgleich in den kommenden Jahren und damit die Einhaltung der Schuldenbremse ab 2020.

Dass in den vergangenen Jahren stets hohe Haushaltsüberschüsse der Vorjahre zum Haushaltsausgleich genutzt werden konnten, kann nicht in die Zukunft projiziert werden.

Der Konsolidierungsbedarf für 2020 liegt nach der Mifrifi 2017 - einschließlich des rechnerischen Aufwands für eine Tilgung von Schulden - bei noch 1,8 Mrd. Euro.

Bei weiterhin niedrigen Zugangszahlen im Flüchtlingsbereich sollen die Ausgaben in diesem Bereich auf 1,0 Mrd. Euro in 2020 fallen. In welchem Umfang das Land vom Bund bis 2020 im Flüchtlingsbereich letztlich entlastet wird, bleibt abzuwarten.

Die Landesregierung will im Staatshaushaltsplan 2018 und 2019 insgesamt 600 Mio. Euro an strukturellen Einsparungen auf Dauer erbringen. Die darüber hinaus bestehende Deckungslücke zwischen Einnahmen und Ausgaben soll mit vorhandenen Überschüssen aus Vorjahren ausgeglichen werden.

Im Gegenzug geht das Ministerium für Finanzen davon aus, dass in den kommenden Jahren zusätzliche strukturelle Ausgaben von 150 Mio. Euro beschlossen werden.

Die Landesregierung hatte ab 2012 zur Erreichung der Schuldenbremse auch Einsparungen beschlossen. Aufgrund stark steigender Steuereinnahmen trat die aktive Haushaltskonsolidierung ab 2015 in den Hintergrund.

Die Mai-Steuerschätzung 2017 prognostiziert gegenüber der aktuellen Mifrifi 2017 zwischen 2017 und 2020 weitere Steuermehreinnahmen von insgesamt 2,0 Mrd. Euro netto. Dieser Betrag ist allerdings nach den haushaltsrechtlichen Bestimmungen - jedenfalls 2018 und 2019 - nahezu vollständig für die Tilgung von Kreditmarktschulden und/oder impliziter Schulden des Landes zu verwenden. Die Mehreinnahmen stehen damit nicht zur Gegenfinanzierung des haushaltswirtschaftlichen Handlungsbedarfs oder für weitere Ausgabenwünsche zur Verfügung.

Die Herausforderung ab 2020 besteht nicht nur darin, den Landeshaushalt auf Dauer strukturell auszugleichen. Vielmehr sollte auch für die Zukunft politischer Handlungsspielraum eröffnet und erhalten werden, um die vielfältigen Zukunftsaufgaben des Landes zu meistern. Um dieses Ziel zu erreichen, sollten die strukturellen Ausgaben dauerhaft unter den strukturellen Einnahmen liegen.

Aktive Haushaltskonsolidierung zu betreiben und insgesamt strukturelle Mehrausgaben grundsätzlich nur bei struktureller Gegenfinanzierung zu tätigen, ist deshalb nach wie vor geboten.


Was wurde aus dem Beitrag?

Die parlamentarische Behandlung finden Sie hier


Anhänge

Die Landesverwaltung dokumentiert ihr Verwaltungshandeln meist noch in Papierakten. Die Prozesse und Systeme zur Verwaltung dieser Akten sind uneinheitlich. Das Land hat begonnen, eine landeseinheitliche elektronische Akte (E-Akte) einzuführen. Dazu sollten die Prozesse vereinheitlicht werden. Durch die Nutzung der E-Akte können Aufgaben effizienter erledigt werden. Dies sollte mittelfristig auch zu Einsparungen führen.


1 Ausgangslage

1.1 Grundsätze ordnungsgemäßer Aktenführung

Der Grundsatz ordnungsgemäßer Aktenführung beruht auf dem Rechtsstaatsprinzip des Artikels 20 Absatz 3 Grundgesetz. Die öffentliche Verwaltung ist demnach verpflichtet,

  • Akten zu führen (Gebot der Aktenmäßigkeit),
  • alle wesentlichen Verfahrenshandlungen vollständig und nachvollziehbar abzubilden (Gebot der Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit) und
  • diese wahrheitsgemäß aktenkundig zu machen (Gebot der wahrheitsgetreuen Aktenführung).

Für die Landesbehörden in Baden-Württemberg sind Grundsätze für die Verwaltung von Akten in einer gemeinsamen Anordnung der Ministerien geregelt. Diese Anordnung sieht vor, dass die Behörden die für ihren Bereich erforderlichen ergänzenden Regelungen treffen. Landesweit einheitliche Prozesse bei der Behandlung von Postein- und -ausgängen sowie bei der Aktenverwaltung gibt es nicht.

1.2 Dokumenten- und Schriftgutverwaltungssystem

Für die Verwaltung der Akten wurde das IT-Verfahren „Dokumenten- und Schriftgut-Verwaltungssystem“ (DSV) 1998 als Grundverfahren festgelegt. Es ist von allen Behörden zu nutzen. In DSV werden Akten, Vorgänge und Dokumente verwaltet. Dabei werden die Daten über Dokumente wie beispielsweise Eingangsdatum und Betreff erfasst. Es ist aber auch möglich, Dokumente in elektronischer Form in DSV zu speichern. DSV beinhaltet jedoch keine elektronische Vorgangsbearbeitung, bei der Mitzeichnungen oder Ähnliches in elektronischer Form möglich sind.

DSV wird von Registratoren genutzt, die Akten verwalten. Es kann aber auch von Sachbearbeitern genutzt werden, um in den Akten zu recherchieren.

Das Verfahren DSV war 1991 im Auftrag des Innenministeriums durch ein Unternehmen entwickelt worden. Bis 1997 wurden für Entwicklung und Weiterentwicklungen 1,4 Mio. Euro ausgegeben.

Ab 2001 gab es unter der Federführung des Innenministeriums Bestrebungen, ein Nachfolgesystem für DSV zu finden. Trotz mehrerer Anläufe ist es 2001 bis 2006 nicht gelungen, sich ressortübergreifend auf eine Modernisierung oder Ablösung von DSV zu verständigen und entsprechende Schritte einzuleiten.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Modernisierung von DSV zu DSV-neu

2006 entschloss sich das Finanzministerium, das DSV-Verfahren für sein Haus zu modernisieren. Der Auftrag wurde nach einer Ausschreibung im nichtoffenen Verfahren mit Teilnahmewettbewerb an den günstigsten Bieter für 360.000 Euro vergeben. Der Ausschreibungstext sah vor, dass nach Zuschlag noch ein BVB-Vertrag geschlossen werden sollte. Ein solcher Vertrag wurde nicht gefertigt. Damit nutzte das Finanzministerium wichtige vertragliche Gestaltungs- und Konkretisierungsmöglichkeiten nicht.

Die Entwicklung des modernisierten Verfahrens DSV-neu dauerte statt projektierter acht mehr als 24 Monate. Weiterentwicklungen und Folgeaufträge, für die inzwischen ein Mehrfaches der ursprünglich ausgeschriebenen Entwicklungsleistung ausgegeben wurde, wurden freihändig vergeben und beinhalten auch Nachbesserungen des ursprünglichen Auftrages.

Nach den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses der Ausschreibung sollte das Verfahren so ausgelegt werden, dass 500 Anwender gleichzeitig performant arbeiten können. Erst deutlich nach der Abnahme wurde festgestellt, dass lediglich 100 bis 120 Nutzer gleichzeitig mit dem System arbeiten konnten. Daraufhin wurde das Problem durch kostenpflichtige Folgeaufträge beseitigt. Ob die Nachbesserungen im Wege der Mängelbeseitigung aus dem 2006 geschlossenen Vertrag hätten verlangt werden können, wurde nicht geprüft.

Seit 2006 wurden für die Modernisierung und Weiterentwicklungen von DSV mehr als 1 Mio. Euro ausgegeben.

Das modernisierte System DSV-neu wurde nach Fertigstellung auch den anderen Ressorts zur Verfügung gestellt.

2.2 Nutzung von DSV und DSV-neu

Obwohl DSV als Grundverfahren festgelegt ist, nutzen bis heute nicht alle Ressorts DSV. Das Umweltministerium betreibt für sich, die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg und das Verkehrsministerium eine Eigenentwicklung. Das Landwirtschaftsministerium und selbst die zum Geschäftsbereich des Finanzministeriums gehörende Vermögens- und Hochbauverwaltung (VBV) setzen jeweils andere Produkte ein. Zudem sind verschiedene Versionen von DSV-neu im Einsatz. Einige Behörden nutzen DSV noch in der Version vor der Modernisierung zu DSV-neu.

Auch die Art der Nutzung ist uneinheitlich. Zumeist werden nur die Metadaten von Dokumenten in DSV verwaltet. Nur Finanzministerium, Sozialministerium und Verkehrsministerium speichern auch die Dokumente elektronisch. Recherchemöglichkeiten für Sachbearbeiter sind zumeist nur dort eingerichtet, wo auch Dokumente elektronisch gespeichert sind.

Das Sozialministerium plant darüber hinaus, DSV-neu als führendes Regis-tratursystem zu nutzen und die Papierakte aufzugeben. Dieses Vorgehen hat es mit dem Generallandesarchiv abgestimmt. Dem Sozialministerium wurde von dort die Zustimmung erteilt, das Schriftgut in digitaler Form zu führen und aufzubewahren. Das Sozialministerium hält nach der Behebung technischer Probleme an einer zunächst pilothaften Erprobung der ausschließlich elektronischen Speicherung von Dokumenten fest, obwohl das IT-Verfahren DSV-neu nie als umfassendes E-Akte-System konzipiert war.

Die Anforderungen an die Verfügbarkeit sind bei einer ausnahmslos digital geführten Akte höher als bei einer Hybridakte. DSV-neu erfüllt diese höheren Anforderungen bislang nicht. Nachbesserungen wären angesichts der geplanten Einführung der landeseinheitlichen E-Akte unwirtschaftlich. Das Sozialministerium sollte dies bei der geplanten pilothaften Erprobung der ausschließlich elektronischen Speicherung von Dokumenten berücksichtigen.

2.3 Betrieb von DSV-neu

Nach den E-Government-Standards des Landes wird DSV-neu zentral vom Landeszentrum für Datenverarbeitung (LZfD) betrieben. Es hat den Betrieb von DSV-neu zwar für 14 Kunden kalkuliert, tatsächlich betreibt es die Software aber nur für sieben. Nicht alle Kunden zahlen den kalkulierten Preis. Nur mit zwei Kunden wurden Servicevereinbarungen geschlossen. Den kalkulierten Kosten von jährlich 500.000 Euro stehen Einnahmen von lediglich 90.000 Euro gegenüber.

Das Justizministerium und das Wissenschaftsministerium lassen DSV-neu extern betreiben. Die dafür jährlich entstehenden Ausgaben von 85.000 Euro könnten zur Kostendeckung beim LZfD beitragen.

2.4 Aktenführung und elektronisches Arbeiten

Dokumente werden in der Landesverwaltung heute in der Regel am PC erstellt und liegen damit in elektronischer Form vor. Die Kommunikation findet weitgehend per E-Mail statt. In allen Ministerien ist derzeit noch die Papierakte die führende Akte. Für eine ordnungsgemäße Aktenführung ist daher sicherzustellen, dass die Papierakten vollständig und nachvollziehbar sind. Es liegt damit in der Verantwortung aller Mitarbeiter, dafür zu sorgen, dass aktenrelevante Vorgänge in die Papierakte aufgenommen werden.

Wenn Dokumente in elektronischer Form vorliegen, hat das viele Vorteile, wie beispielsweise schnellerer Zugriff, Weiterverwendung von Texten, einfachere Recherchemöglichkeiten und zeitgleiche Zugriffe durch verschiedene Anwender. Mit der Speicherung von elektronischen Dokumenten in DSV-neu nutzen das Finanzministerium und das Sozialministerium diese Vorteile. Die Entscheidung für eine solche hybride Aktenführung hat jedoch auch Nachteile. Kosten entstehen sowohl für die elektronische Speicherung als auch für die Papierakte. Zudem muss die Konsistenz beider Aktenbestände sichergestellt werden. Dies ist mit zusätzlichem Aufwand für Einscannen bzw. Ausdrucken verbunden. Dieser Aufwand ist so erheblich, dass das Finanzministerium entschieden hat, nicht alle abgeschlossenen Papiervorgänge einzuscannen und so Inkonsistenzen in Kauf zu nehmen.

Nur wenn die Akte ausschließlich elektronisch bearbeitet wird, kann man die Vorteile elektronisch gespeicherter Dokumente nutzen und gleichzeitig den Aufwand einer mehrfachen Aktenführung vermeiden.

2.5 Landeseinheitliche E-Akte

Nach dem Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung des Landes Baden-Württemberg , sollen die Behörden des Landes ab 01.01.2022 ihre Akten elektronisch führen, sofern die für die Umsetzung der elektronischen Aktenführung notwendigen Haushaltsmittel durch den Landtag rechtzeitig bereitgestellt werden. Die Gesetzesfolgenabschätzung für dieses Gesetz enthält keine konkreten Aussagen darüber, welche finanziellen Auswirkungen die Einführung der E-Akte haben wird.

Unter Federführung des Innenministeriums erstellte eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe die fachlichen Anforderungen an eine landeseinheitliche E-Akte. Im Oktober 2015 wurde eine erste Kabinettsvorlage zur Vorgehensweise bei deren Einführung beschlossen. In einem weiteren Schritt sollte das Innenministerium - ursprünglich bis Dezember 2015 - in einer zweiten Kabinettsvorlage ein Grobkonzept vorlegen, das auch eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung umfasst.

Das Innenministerium legte dem Finanzministerium im Juli 2016 den Entwurf der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung vor. Als haushaltswirksame Kosten werden danach für die Entwicklung 55,3 Mio. Euro und für den Betrieb für eine Dauer von zehn Jahren 236,0 Mio. Euro erwartet. Im zehnten Betriebsjahr sollen sich diese auf 30 Mio. Euro summieren und die Speicherkosten mit 23 Mio. Euro daran einen Anteil von rund 75 Prozent haben. Den Kosten stellte das Innenministerium einen haushaltswirksamen Nutzen von 308,8 Mio. Euro gegenüber. Dieser ergebe sich insbesondere daraus, dass für DSV kein flächendeckender Roll-Out erfolgen müsse und für zusätzliche Aufgaben keine neuen Stellen aufgebaut werden müssten.

Der Rechnungshof sieht insbesondere die Berechnung des Nutzens kritisch. Die nicht erforderlichen fiktiven Kosten eines flächendeckenden Einsatzes von DSV-neu oder für neue, nicht benötigte Stellen können nicht als haushaltswirksamer Nutzen angesetzt werden, da bislang nicht im Haushaltsplan verankerte Ausgaben auch nicht eingespart werden können. Die Wirtschaftlichkeitsberechnung enthält zudem keine Aussagen zu möglichen Kosteneinsparungen durch geringere Aufwände bei den künftigen Anwendern der E-Akte.

Das Finanzministerium teilte dem Innenministerium Ende Oktober 2016 mit, dass die vorgelegten Unterlagen aus Sicht der Haushaltsabteilung den Anforderungen an eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung entsprechen und die Notwendigkeit und die grundsätzliche rechnerische Wirtschaftlichkeit des Projekts im Rahmen der getroffenen Annahmen belegen.

Es wies das Innenministerium jedoch darauf hin, dass ab 2022 ein Personalabbau in Betracht zu ziehen ist, da voraussichtlich die bisherigen Registraturarbeiten und weitere Aufgabenstellungen mit weniger Personal wahrgenommen werden können. Es bat das Innenministerium, spätestens 2019 eine entsprechende Konzeption vorzulegen.

Vom kalkulierten Finanzierungsbedarf wurden bislang 900.000 Euro für die Schaffung der Personalstellen und 100.000 Euro Sachmittel sowie 32 Mio. Euro Verpflichtungsermächtigungen für die Projektphase in den Staatshaushaltsplan 2017 aufgenommen.

Die ursprünglich für Dezember 2015 vorgesehene zweite Kabinettsvorlage konnte erst nach einem langwierigen Abstimmungsverfahren mit den Ressorts im März 2017 dem Kabinett vorgelegt und beschlossen werden.

Damit ist das Projekt gegenüber der ursprünglichen Planung um mehr als 14 Monate im Verzug.

3 Empfehlungen

3.1 Schriftliche Verträge schließen und Leistungserbringung sicherstellen

Die Landesverwaltung sollte IT-Verträge immer auf Basis der ergänzenden Vertragsbedingungen für die Beschaffung von IT-Leistungen (EVB-IT) bzw. der Besonderen Vertragsbedingungen (BVB) schließen. Dies gibt die Verwaltungsvorschrift zu § 55 Landeshaushaltsordnung vor. In den Verträgen sollten insbesondere verbindliche Terminvereinbarungen getroffen werden, deren Nichteinhaltung Vertragsstrafen nach sich zieht.

Die Landesverwaltung sollte vom Auftragnehmer eine pünktliche und personenunabhängige Leistungserbringung fordern und bei Verzug die vereinbarte Vertragsstrafe einfordern. Dazu muss sie ihren Verpflichtungen und Zuarbeiten zeit- und sachgerecht nachkommen.

Die Landesverwaltung sollte bei der Abnahme von Leistungen und während der Gewährleistungsfrist sorgfältig prüfen, ob alle funktionalen und nicht funktionalen Anforderungen erfüllt sind, und eventuelle Mängel sofort geltend machen. Sie sollte keine zusätzlichen Verträge zur Beseitigung der Mängel schließen, damit das Land für ein- und dieselbe Leistung nicht zweimal bezahlt.

Das Finanzministerium sollte für seinen Geschäftsbereich in die nach § 55 Absatz 2 Landeshaushaltsordnung vorzugebenden Regelungen Bestimmungen hinsichtlich der Zeichnungsregelungen für Verträge aufnehmen.

3.2 Betrieb konsolidieren und Betriebskosten verursachergerecht verrechnen

Das LZfD sollte alle Kunden von DSV-neu auf die aktuelle Version umstellen.

Es sollte eine aktualisierte Kostenkalkulation für DSV-neu und die zugehörigen Speichersysteme durchführen und dabei die tatsächliche Kundenanzahl zugrunde legen. Zuvor sollte geprüft werden, ob die Betriebskosten reduziert werden können. Auf Basis der aktualisierten Kalkulation sollten dann mit allen Kunden Servicevereinbarungen geschlossen werden. Die Preise sind dabei verursachergerecht festzulegen.

Im Zuge der IT-Neuordnung wird der Betrieb von DSV-neu an die Landesoberbehörde IT Baden-Württemberg (BITBW) übergehen. Die Vorgehensweise sollte daher zwischen LZfD und BITBW abgestimmt werden.

Der Betrieb von DSV-neu für das Justizministerium und das Wissenschaftsministerium sollte möglichst schnell vom externen Betreiber entweder noch übergangsweise auf das LZfD oder unmittelbar auf die BITBW übergehen. So kann landesintern ein Deckungsbeitrag für ohnehin entstehende Kosten geleistet werden.

Das Innenministerium als für Organisationsfragen zuständiges Ministerium sollte seine Koordinierungsaufgaben besser wahrnehmen.

3.3 Migrationsaufwand beim Übergang zur E-Akte minimieren

Bis zur Einführung der E-Akte sollte DSV-neu von den derzeitigen Nutzern weitergenutzt werden. Die Nutzer, die DSV-neu nicht eingeführt haben, sollten ihre bisherigen Systeme bis zur Einführung der E-Akte weiter anwenden, um unnötigen Migrationsaufwand zu vermeiden.

Von der Einführung einer Hybridakte mit DSV-neu in weiteren Bereichen raten wir aufgrund des hohen Aufwands und der Gefahr der Inkonsistenz von elektronischer und Papierakte ab.

Anpassungen der Software DSV-neu sollten nur noch durchgeführt werden, wenn dies aus Gründen der Kompatibilität oder der IT-Sicherheit zwingend erforderlich ist. Hinsichtlich der Verfügbarkeit sollte das bisherige Niveau weiterhin ausreichen.

3.4 Landeseinheitliche E-Akte einführen

Die gesetzlich vorgegebene Einführung der E-Akte sollte mit hinreichenden Ressourcen für die Projektsteuerung und die Projektdurchführung ausgestattet werden, damit nicht einzelne Ressorts wie bei der Nutzung von IT-gestützten Registraturverfahren eigene Wege gehen.

Bei der Einführung der E-Akte sollten die Geschäftsprozesse ressortübergreifend optimiert und einheitlich geregelt werden. Einheitliche Prozesse vereinfachen die Einführung und erleichtern auch spätere Umbildungen von Ministeriumszuschnitten.

Zudem sollten Prüfungsrechte von Anfang an abgebildet sowie Datenschutz und Informationssicherheit berücksichtigt werden.

3.5 Einsparpotenzial durch E-Akte ermitteln und realisieren

Das Innenministerium sollte untersuchen, in welchem Maße Aufgaben nach Einführung der E-Akte effizienter erledigt werden können.

Es sollte die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung während der Umsetzung der Maßnahme im Sinne einer begleitenden Kontrolle fortschreiben. Dabei ist das in der Untersuchung ermittelte Einsparpotenzial zu berücksichtigen. Es dient dazu, die angenommenen Betriebskosten von 30 Mio. Euro jährlich zu decken. Die Rationalisierungserfolge sollten mittelfristig nach Beginn des Regelbetriebs in Form von Stellenreduzierungen eingefordert werden.

3.6 Vollständige und realitätsnahe Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen durchführen

Die Landesregierung sollte entsprechend der gesetzlichen Verpflichtung ihre Aufgaben wirtschaftlich wahrnehmen. Entscheidungen sollten immer auf der Grundlage angemessener Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen getroffen werden. Dabei sind Kosten und Nutzen vollständig zu erfassen und zu bewerten. In dem für die Einführung von IT-Verfahren genutzten System WiBe dürfen als haushaltswirksamer Nutzen nur Positionen aufgeführt werden, die zu tatsächlichen Minderausgaben in zukünftigen Haushalten führen.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Finanzministerium weist darauf hin, dass es der gängigen Praxis entspreche, nach Zuschlagserteilung EVB-IT Verträge zu schließen. Es sei nicht mehr aufklärbar, warum dies hier unterblieb. Es seien jedoch dadurch keine Nachteile entstanden.

Mängel bezüglich der Anzahl der gleichzeitigen Nutzerzugriffe habe das Ministerium nicht geltend gemacht, da mit einer an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen war, dass seitens des Auftragnehmers der bereits erfolgte Ablauf der Gewährleistungsfrist geltend gemacht worden wäre.

Zum Thema Hybridakte weist das Ministerium darauf hin, dass erst durch die Festlegungen des E-Government-Gesetzes Baden-Württemberg die rechtlichen Voraussetzungen für die Nutzung einer vollumfänglichen elektronischen Akte geschaffen wurden. Es halte den Zusatznutzen einer Hybridakte für beachtlich. Die Praxis habe gezeigt, dass nur ein geringer Teil der abgeschlossenen Papiervorgänge für Zwecke der Nachvollziehbarkeit und Vollständigkeit der Akte gescannt werden müsse. Die Beschäftigten seien entsprechend geschult worden. Als weiteren Vorteil führt das Ministerium aus, dass die Beschäftigten auch nach Einführung der landeseinheitlichen E-Akte von dem seit 2010 in DSV-neu bereits aufgebauten elektronischen Datenbestand profitieren können.

5 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof teilt die Einschätzung des Finanzministeriums zum fehlenden EVB-IT Vertrag nicht. Termine zur Fertigstellung der Software wurden so nicht konkretisiert. Wegen des realen Verzugs um 16 Monate konnte daher keine Schlechtleistung reklamiert und kein Preisabschlag eingefordert werden.

Auch der Aussage zur vermuteten Einrede der Verjährung wegen der Nichterfüllung der in der Ausschreibung verankerten Anforderung, dass 500 Nutzer parallel arbeiten können, kann nicht gefolgt werden. Sie lässt entweder auf ein unzureichendes Testen der Anwendung oder ein mangelhaftes Vertragsmanagement schließen.

Die Gesetzesfolgenabschätzung zum E-Government-Gesetz Baden-Württemberg ist lückenhaft. Da dort die finanziellen Auswirkungen für die Einführung der E-Akte nicht dargestellt sind, war der Abstimmungsprozess zwischen den Ressorts vor allem hinsichtlich des zusätzlichen Stellenbedarfs schwierig. Dadurch hat sich das Projekt verzögert.


Was wurde aus dem Beitrag?

Die parlamentarische Behandlung finden Sie hier


Anhänge

Ein landeseinheitliches Konzept für die Förderung von Museumsbahnen gibt es nicht. Um das Kulturgut „Museumsbahnen“ zu stärken, sollte das Land eine Gesamtstrategie entwickeln und einheitliche Fördervoraussetzungen schaffen.


1 Ausgangslage

Baden-Württemberg sieht sich nach dem Museumsbahnen-Portal der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg mbH im Internet als Land der Museumsbahnen. Danach gibt es in Baden-Württemberg „so viele und so unterschiedliche historische Bahnen wie sonst nirgendwo in Deutschland“. Allein 19 Museumsbahnen sind danach in Betrieb. Das Land gewährt Zuwendungen für den Ausbau und die Instandsetzung der Bahntrassen, die Sanierung von Gebäuden und Brücken sowie die Instandsetzung von Fahrzeugen. Neben den Förderprogrammen des Landes

  • Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum,
  • Tourismusinfrastrukturprogramm und
  • Denkmalförderung

wird auch aus dem EU-Programm

  • LEADER (Liaison Entre Actions de Développement de l'Économie Rurale)

gefördert. Weitere Fördermittel stellt die Denkmalstiftung Baden-Württemberg zur Verfügung.

Die Förderprogramme haben unterschiedliche Ziele. So soll der ländliche Raum gestärkt oder die touristische Entwicklung gefördert oder es sollen Kulturdenkmale erhalten werden.

Prüfgegenstand war die Förderung ab 2006 von sechs ausgewählten Museumsbahnen mit Zuwendungen von zusammen 6,7 Mio. Euro:

  • Sauschwänzlebahn,
  • Schwäbische Waldbahn,
  • Jagsttalbahn,
  • Schwäbische Alb-Bahn,
  • Öchsle-Bahn,
  • Härtsfeld-Museumsbahn.

Davon entfallen auf das EU-Programm LEADER 0,6 Mio. Euro und auf die Landesprogramme Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum 1,0 Mio. Euro, das Tourismusinfrastrukturprogramm 4,6 Mio. Euro und die Denkmalpflege 0,5 Mio. Euro. Zuwendungsempfänger sind in der Regel Kommunen, Letztempfänger sind auch Vereine oder privatrechtliche Gesellschaften.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Der Begriff Museumsbahn ist nicht definiert

Für Museumsbahnen (historische Bahnen) gibt es keine allgemeingültige Definition. Die Abgrenzung zu den Tourismusbahnen ist nicht klar. Das Land hat für seine Förderziele bisher keine einheitliche Definition vorgenommen, was eine Museumsbahn bzw. eine Tourismusbahn ist und was diese jeweils auszeichnet.

Die Schwäbische Waldbahn, die Jagsttalbahn und ein Teilabschnitt der Schwäbischen Alb-Bahn sind in ihrer Sachgesamtheit Kulturdenkmale nach § 2 Denkmalschutzgesetz. Auf der Jagsttalbahn findet jedoch seit der Stilllegung 1988 kein Eisenbahnbetrieb mehr statt.

Die Sauschwänzle- und die Öchsle-Bahn sind besondere Kulturdenkmale nach § 12 Denkmalschutzgesetz und im Denkmalbuch eingetragen.

Die Härtsfeld-Museumsbahn hat keinen denkmalrechtlichen Status. Lediglich die Lokomotive 11 ist nach § 2 Denkmalschutzgesetz eingestuft.

2.2 Landeskonzept für Museumsbahnen fehlt

Das Land fördert den Erhalt und den Aufbau von Museumsbahnen seit mehr als 25 Jahren aus verschiedenen Programmen, die sich in Zielen und Fördergegenständen unterscheiden. Ein Landeskonzept für den Erhalt der Museumsbahnen als technisch kulturelles Erbe gibt es nicht. Einheitliche Fördergrundsätze, die aufzeigen, welche Ziele angestrebt werden, bestehen nicht. Bezeichnend ist, dass der überwiegende Teil der geförderten Bahnen auf Initiativen von Bahnfreunden oder Vereinen vor Ort zurückgeht und daher deren Existenz einen gewissen Zufälligkeitscharakter hat.

Der mittelfristige Investitionsbedarf der bisher geförderten Museumsbahnen ist nicht bekannt. Allein bei drei der geprüften Museumsbahnen besteht nach Einschätzung der Fördermittelempfänger und des Rechnungshofs mittelfristig zur betriebsbereiten Instandhaltung ein Investitionsbedarf von insgesamt mehr als 10 Mio. Euro.

2.3 Museumsbahnen sind selten in Betrieb

Museumsbahnen werden überwiegend von Ostern bis Oktober an Wochenenden mit einem Fahrplan und unter der Woche mit Sonderfahrten auf Bestellung betrieben. 2015 wurden von den Betreibern der geprüften Bahnen nach eigenen Angaben bzw. Veröffentlichungen folgende Betriebstage durchgeführt:

  • Schwäbische Alb-Bahn 26 Tage,
  • Schwäbische Waldbahn 29 Tage,
  • Härtsfeld-Museumsbahn 40 Tage,
  • Öchsle-Bahn 72 Tage,
  • Sauschwänzlebahn 119 Tage.

Auf der Jagsttalbahn findet bis heute kein Betrieb statt.

2.4 Mehrere staatliche Stellen befassen sich mit der Förderung von Museumsbahnen

Die „Förderlandschaft“ ist unübersichtlich, eine Gesamtdarstellung der Förderungen des Landes für Museumsbahnen gibt es nicht. Für die jeweiligen Förderverfahren sind unterschiedliche Förderrichtlinien und verschiedene Bewilligungsstellen zuständig. Für das Landesprogramm Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum sowie für das EU-Programm LEADER ist das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz und für das Tourismusinfrastrukturprogramm des Landes ist heute das Ministerium der Justiz und für Europa zuständig. Bewilligungsstellen sind in jedem Regierungspräsidium jeweils zwei Referate. Die L-Bank prüft die Verwendungsnachweise und zahlt die Zuwendungen aus. Die Denkmalförderung ist unter dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau im Landesamt für Denkmalpflege beim Regierungspräsidium Stuttgart angesiedelt. Es führt das gesamte Förderverfahren der Denkmalpflege durch.

Von den Antragstellenden wird regelmäßig kein verbindliches Gesamtsanierungskonzept mit entsprechendem Zeitplan für die Durchführung der erforderlichen Sanierungsmaßnahmen an den Gleisanlagen oder Bauten gefordert. Eine ingenieurtechnische Prüfung der Anträge und der Verwendungsnachweise durch eine staatliche Beratungsstelle (vergleichbar der Krankenhausbauberatungsstelle beim Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg), die die Angaben realistisch einschätzen kann, wird in den Verwaltungsvorschriften der Förderprogramme nicht gefordert. Lediglich im Bereich der Tourismusförderung ist eine solche Prüfung ab einer Zuwendung von 1,5 Mio. Euro vorgesehen. Ein Regierungspräsidium wies in seiner Stellungnahme darauf hin, dass es über keine bahningenieurstechnischen Kenntnisse verfüge und deshalb technische Sachverhalte nicht beurteilen könne. Regelmäßige Sachberichte der Zuwendungsempfänger zum Umsetzungsstand der bewilligten Maßnahme sind ebenfalls nicht vorgesehen.

2.5 Die Förderung aus dem EU-Programm LEADER kann zu erheblichen Problemen führen

Über die Festlegung und den Einsatz von Fördermitteln aus dem EU-Programm LEADER entscheiden aufgrund des Bottom-Up-Ansatzes grundsätzlich die örtlichen LEADER-Aktionsgruppen. Die Förderung komplexer Maßnahmen wie der Ausbau von Museumsbahnen aus den streng reglementierten Förderprogrammen der EU kann, wie das Beispiel der Härtsfeld-Museumsbahn zeigt, für das Land erhebliche Probleme aufwerfen.

Die Weiterführung der Härtsfeld-Museumsbahn von „Iggenhausen bis Streckenpunkt Flutdurchlass“ ist ein Teilabschnitt des Bauabschnitts von „Sägmühle bis Bahnhof Katzenstein“ und wurde zunächst aus dem EU-Programm LEADER gefördert. Die Maßnahme konnte wegen der Größe des Projekts und den erforderlichen ehrenamtlichen Arbeitsstunden nicht innerhalb der Förderperiode 2007 bis 2013 fristgerecht umgesetzt werden. Um Beanstandungen der EU zu vermeiden, entschied das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, die bisherige Förderung aus dem EU-Programm LEADER durch Landesmittel aus dem Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum zu ersetzen.

2.6 Förderverfahren und Durchführung teilweise mangelhaft

Auch bei der Prüfung der einzelnen Förderverfahren stellte die Finanzkontrolle Mängel fest.

2.6.1 Planung und Umsetzung von Maßnahmen unzureichend

Zuwendungsempfänger und ihre Planungsbüros schätzten teilweise die Kosten für geplante Maßnahmen zu gering ein. Neue dringendere Maßnahmen wurden vorgezogen und aus den bewilligten Mitteln bezahlt. Bewilligte Maßnahmen wurden dann nicht ausgeführt. Durchführungszeiträume konnten nicht eingehalten werden. Zuwendungsempfänger hatten Schwierigkeiten bei der Planung und Umsetzung von Maßnahmen.

Beispiel 1:

Für die Sanierung des Strümpfelbach-Viadukts der Schwäbischen Waldbahn bewilligte das Regierungspräsidium ursprünglich Zuwendungen aus zwei Förderprogrammen von mehr als 200.000 Euro bei veranschlagten Gesamtkosten von 405.000 Euro. Nach der Abrechnung betrugen die tatsächlichen Gesamtkosten mehr als 800.000 Euro.

Beitrag 7 Abbildung 1

Die ursprünglich vorgesehene und geförderte Sanierung der Pfeiler und Fundamente konnte nicht ausgeführt werden. Die Fördermittel wurden stattdessen zum Ausgleich der enormen Kostensteigerungen der anderen Teilmaßnahmen verwendet.

Beispiel 2:

Die Härtsfeld-Museumsbahn ist bis Bahnhof Sägmühle in Betrieb. Der weitere Ausbau bis Bahnhof Katzenstein sollte in drei Teilabschnitten durchgeführt werden. Bei der Vorbereitung und Planung des Wiederaufbaus der Bahnstrecke unterblieben notwendige Voruntersuchungen zum Entwässerungssystem, und Planumsarbeiten wurden nicht richtig beurteilt. Die Kostenschätzungen waren unrealistisch. Eine Nachfinanzierung wurde beim zweiten Teilabschnitt notwendig, damit die Maßnahme überhaupt fortgeführt werden konnte. Beim dritten 2015 geförderten Teilabschnitt wurden die Kosten für den Schüttbahnsteig mit Schirmhalle zum zweiten Mal und die Kosten für den Flutdurchlass zum dritten Mal bei den zuwendungsfähigen Kosten berücksichtigt.

Beitrag 7 Abbildung 2

Im Juli 2016 war mit dem Bau des Schüttbahnsteigs und der Schirmhalle noch nicht begonnen worden. Die ersten zwei Teilabschnitte sind bis heute nicht funktionsfähig und für den Museumsbahnbetrieb nicht freigegeben.

Beispiel 3:

Der Betreiber der Sauschwänzlebahn erhielt über die Stadt Blumberg in den letzten Jahren regelmäßig Zuwendungen für zahlreiche Oberbaumaßnahmen an der Sauschwänzlebahn. Der Betreiber zog in jedem Jahr dringendere Maßnahmen vor und finanzierte diese mit den Mitteln der ursprünglich bewilligten Maßnahmen. Dies war laut Betreiber erforderlich, um die Betriebssicherheit zu gewährleisten.

2.6.2 Gutachten und Kostenschätzungen nicht verlässlich

Über die Sanierung von Viadukten kann nur auf der Grundlage umfassender Gutachten und verlässlich eingeschätzter Kosten entschieden werden. Diese Voraussetzungen wurden nicht immer erfüllt.

Widersprüchliche Gutachten:

Zwischen 2002 und 2016 erstellte ein Brückensachverständiger insgesamt fünf Gutachten zur notwendigen Sanierung des Laufenmühle-Viadukts der Schwäbischen Waldbahn. Zusätzlich wurden drei weitere Gutachten zur Statik und zu den Materialkennwerten des Betons von drei anderen Büros erstellt. Für die angesetzten Lasten und Geschwindigkeiten werden die zulässigen statischen Werte nicht überschritten. Der Spannungsnachweis der Brücke wurde erbracht. Ein Ingenieurbüro empfiehlt trotzdem, die tatsächlichen Lasten genauer zu definieren, die sich durch schwerere Lokomotiven, längere Züge und höhere Geschwindigkeiten ergeben. Dies ist bisher nicht geschehen. Die Schwäbische Waldbahn GmbH begründet dies damit, dass das Bauwerk keine Schäden aufweise, die auf eine Überbeanspruchung hinweisen.

In den neuesten Gutachten wird das Viadukt mit der schlechtesten Gesamtnote 4 bewertet. Danach liegen gravierende Schäden an Bauwerksteilen vor, und eine wirtschaftliche Instandsetzung ist nicht mehr möglich. Diese Bewertung widerspricht dem Ergebnis der statischen Berechnung und der beabsichtigten wirtschaftlichen Sanierung.

Ziel des Denkmalschutzes ist der Erhalt der Originalsubstanz und des Originaltragwerks. Umfangreiche Sanierungskonzepte, die die Folge hoher Verkehrslastansätze sind, laufen diesem Ansinnen und damit dem Denkmalschutz zuwider. Es ist nicht die Aufgabe des Landes, mithilfe der Denkmalförderung eine verkehrliche Erhöhung auf die vom Betreiber gewünschten, maximalen Streckenlasten und Geschwindigkeiten zu fördern.

Fragwürdige Kostenschätzungen:

Für die Sanierung des Laufenmühle-Viadukts stellte die Schwäbische Waldbahn GmbH 2012 einen Antrag auf Zuwendungen aus dem Tourismusinfrastrukturprogramm. Die Sanierung sollte nach der Empfehlung des Gutachtens bis 2015 durchgeführt werden. Die Gesamtkosten wurden mit 0,3 Mio. Euro geschätzt.

Da die Maßnahme nicht mehr in das Förderprogramm 2013 aufgenommen werden konnte, wurde auf der Grundlage einer weiteren Kostenschätzung erneut ein Antrag auf Förderung mit Gesamtkosten von 1,1 Mio. Euro gestellt. Bewilligt wurden daraufhin Fördermittel von 0,5 Mio. Euro.

2014 teilte die Stadt Welzheim mit, dass die bei Antragstellung genannten Kosten nicht ausreichen würden. Ein Jahr später beantragte die Stadt Welzheim für die gleiche Maßnahme erneut Zuwendungen aus Mitteln der Denkmalpflege. Die Gesamtkosten betrugen laut einer Kostenberechnung von Bauingenieuren nunmehr 2,9 Mio. Euro.

Nach einer erneut vorgelegten Kostenberechnung von 2016 sollen die Gesamtkosten zwischen 2 Mio. Euro und 2,1 Mio. Euro betragen. Da die Gründung und die Fundamente bis jetzt nicht untersucht wurden, ist nicht absehbar, welche Kosten zukünftig für weitere Instandsetzungsmaßnahmen erforderlich werden. Mit der Sanierung des Laufenmühle-Viadukts wurde bisher noch nicht begonnen.

2.6.3 Einhaltung der Zweckbindungsfristen fraglich

Die Zweckbindungsfrist für bauliche Anlagen beträgt nach dem Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum und nach dem EU-Programm LEADER 15 Jahre. Nach dem Tourismusinfrastrukturprogramm beträgt sie 20 Jahre. Bei der Schwäbischen Alb-Bahn ist die Einhaltung der Zweckbindungsfrist bei der geförderten Gleisinfrastruktur zum Lokschuppen in Münsingen aufgrund der vertraglichen Konstellation fraglich. Vertragsparteien des Infrastrukturanschlussvertrags sind das Infrastrukturunternehmen Erms-Neckar-Bahn AG und das Eisenbahnverkehrsunternehmen Schwäbische Alb-Bahn GmbH. Der Vertrag kann ohne besondere Gründe jederzeit gekündigt werden. Weder die Stadt Münsingen als Zuwendungsempfänger noch der Schwäbische Alb-Bahn e. V. als Letztempfänger der Zuwendung haben vertraglich gesicherte Nutzungsrechte an der Gleisanlage. Das Regierungspräsidium hält es zur Absicherung der Nutzung für ausreichend, dass der Schwäbische Alb-Bahn e. V. ein Gesellschafter der Schwäbischen Alb-Bahn GmbH ist.

Bei anderen Zuwendungsempfängern oder Letztempfängern erscheint die Einhaltung der Zweckbindungsfrist nicht gesichert, da sie wahrscheinlich nicht in der Lage sind, den erforderlichen Eigenfinanzierungsanteil aufzubringen. Beispielsweise führte die finanzielle Situation eines Betreibers dazu, dass Maßnahmen, für die Fördermittel bewilligt wurden, nicht wie vorgesehen umgesetzt werden konnten oder Sanierungsmaßnahmen auf drei Förderjahre aufgeteilt werden mussten. Der Betreiber war zur Abdeckung seiner Jahresverluste auf finanzielle Hilfe von Dritten angewiesen. Ein anderer Betreiber hat bewilligte Zuwendungen aus der Denkmalpflege für Sanierungen wegen Kostensteigerungen einvernehmlich zurückgegeben und 2015 erneut beantragt. Der Betreiber ist auf finanzielle Hilfe von Dritten als Mehrheitsgesellschafter angewiesen.

2.6.4 Zuwendungsempfänger verletzten ihre Mitteilungspflicht

Zuwendungsempfänger müssen unverzüglich mitteilen, wenn sich herausstellt, dass der Zuwendungszweck mit der bewilligten Zuwendung nicht zu erreichen ist.

Verschiedene Zuwendungsempfänger verletzten diese Mitteilungspflicht. So verwendete beispielsweise die Gemeinde Dischingen die Zuwendungen für die Härtsfeld-Museumsbahn bei zwei Teilabschnitten zur Deckung von Mehrausgaben und setzte deshalb nicht alle bewilligten Bauwerke um. Bei einem dieser Förderverfahren teilte sie dies dem Regierungspräsidium nicht mit, rief aber 90 Prozent der bewilligten Mittel ab. Auch im Verwendungsnachweis, der gleichzeitig als Antrag für die Schlusszahlung gilt, unterließ die Gemeinde eine entsprechende Mitteilung. Bei dem anderen Förderverfahren teilte sie die eingetretenen Änderungen erst vier Wochen bevor der Verwendungsnachweis hätte vorgelegt werden müssen mit und beantragte gleichzeitig eine Nachfinanzierung.

2.6.5 Nachweis von Eigenleistungen bei der Denkmalförderung widersprüchlich

Bei der Denkmalförderung können Eigenleistungen des Zuwendungsempfängers mit einem festgelegten Stundensatz beim denkmalbedingten Mehraufwand berücksichtigt werden. Die Eigenleistungen sind lediglich durch eine Bestätigung z. B. des Architekten glaubhaft zu machen. Erhöhte Eigenleistungen können verminderte Material- oder Sachkosten ausgleichen und so eine Kürzung der Zuwendung vermeiden.

Ein Verein machte von dieser Möglichkeit Gebrauch. Bei der geförderten betriebsfähigen Aufarbeitung einer Lokomotive machte er im Verwendungsnachweis mehr als 10.000 Stunden Eigenleistung geltend, annähernd doppelt so viel wie ursprünglich vorgesehen. Demgegenüber verringerten sich die Kosten für Material und Fremdleistungen um 27.000 Euro.

Bei der Prüfung wurde die Liste „Arbeitsnachweise 2013“ für alle Arbeitseinsätze des Vereins vorgelegt. Daraus ist erkennbar, an welchen Tagen namentlich genannte Ehrenamtliche tätig waren. Jedoch sind darin nicht die namentliche Zuordnung zur Tätigkeit und die dafür aufgebrachte Zeit dokumentiert. Demgegenüber legte der Verein dem Landesamt für Denkmalpflege mit dem Verwendungsnachweis eine detaillierte Aufstellung über die an den einzelnen Tagen geleisteten Arbeitsstunden an der Lokomotive mit namentlicher Nennung vor. Danach arbeiteten 2013 beispielsweise an 50 Tagen Ehrenamtliche an der Lokomotive, die nach der Liste „Arbeitsnachweise 2013“ an diesen Tagen gar nicht anwesend waren. Teilweise wurden mehr als zehn Stunden Arbeitszeit je Tag geltend gemacht. Auch wurden gegenüber dem Landesamt für Denkmalpflege im Vergleich zu den bei der Prüfung vorgelegten Unterlagen mehr Arbeitstage für die Lokomotive angegeben.

2.6.6 Vergabevorschriften unzulänglich eingehalten und geprüft

Zuwendungsempfängern wird im Bewilligungsbescheid auferlegt, die Vergabevorschriften einzuhalten, wenn die Zuwendung mehr als 25.000 Euro beträgt (ab 2015 bei Aufträgen mit einem Gesamtauftragswert von mehr als 100.000 Euro, die überwiegend durch Zuwendungen finanziert werden).

Teilweise hielten Zuwendungsempfänger die Vergabevorschriften nicht ein. Die beteiligten staatlichen Dienststellen prüften das Einhalten der Vergabevorschriften bei Landesförderungen nicht. Das Ministerium der Justiz und für Europa sowie die Regierungspräsidien Freiburg und Stuttgart verweisen bei der Förderung im Bereich der Tourismusinfrastruktur auf die vertragliche Vereinbarung mit der L-Bank, die Einhaltung der Vergabevorschriften stichprobenweise zu prüfen. Die L-Bank macht demgegenüber geltend, es bestehe zwischen ihr und dem Land keine Vereinbarung, die Einhaltung der Vergabevorschriften zu prüfen. Eine solche Prüfung sei deshalb auch nicht Bestandteil der Verwendungsnachweisprüfung.

Bei Zuwendungen aus EU-Programmen prüft die L-Bank die Einhaltung der Vergabevorschriften. So führte die L-Bank bei der Prüfung des Verwendungsnachweises der Förderung der Weiterführung der Härtsfeld-Museumsbahn aus dem EU-Programm LEADER wegen Verletzung der Vergabevorschriften eine Finanzkorrektur von 9.000 Euro durch. Nachdem die Förderung aus dem EU-Programm LEADER durch Landesmittel ersetzt wurde, sah das Land im Rahmen des Ermessens von einer Rückforderung der Zuwendung ab.

Das Landesamt für Denkmalpflege führt aus, die Prüfung der Einhaltung der Vergabevorschriften sei nicht von ihm zu leisten und verweist auf die Selbsterklärung der Zuwendungsempfänger im Verwendungsnachweis.

3 Empfehlungen

3.1 Landesweites Förderkonzept „Museumsbahnen“ erstellen

Das Land sollte wegen des Einsatzes der hohen Fördermittel und den zum Teil sehr wenigen Betriebstagen auf den Museumsbahnen überdenken, ob es seine bisherige Förderpraxis beibehält. Dies ist umso dringlicher, da nach Einschätzung des Rechnungshofs und der Betreiber in den nächsten Jahren ein großer Investitionsbedarf zur Sanierung und zum Unterhalt der Museumsbahnen erforderlich wird, bei dem manche Betreiber nicht in der Lage sein werden, den Eigenanteil zu leisten.

Jedenfalls muss eine Gesamtstrategie für die Museumsbahnlandschaft Baden-Württemberg entwickelt werden, die den Rahmen für die Förderungen des Landes setzt.

Das Land sollte definieren, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, um als Museumsbahn anerkannt zu werden.

3.2 Sachgerechte Vorgaben für Museumsbahnen festlegen

Das Land sollte in den Förderrichtlinien die Voraussetzungen für die Förderung von Museumsbahnen einheitlich festlegen. Von Zuwendungsempfängern sollte bei Antragstellung neben den allgemeingültigen Fördervoraussetzungen ein verbindliches Gesamtsanierungskonzept mit einem verbindlichen Zeitplan und einem verbindlichen Finanzierungskonzept gefordert werden.

An den Nachweis von anrechenbaren Eigenleistungen sollten höhere Anforderungen gestellt werden. Kostenverschiebungen zwischen angesetzten Eigenleistungen und anderen Kosten sollten nur nach vorheriger Genehmigung möglich sein.

Ein Förderverfahren sollte erst dann abgeschlossen werden, wenn die Maßnahme wie bewilligt umgesetzt wurde. Sofern die Umsetzung nicht innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens möglich ist oder auf unbestimmte Zeit verschoben wird, sollte die Zuwendung gekürzt oder zurückgefordert werden.

Werden die in der Regel über mehrere Jahre andauernden Sanierungsmaßnahmen einer Museumsbahn oder die aufwendigen Instandsetzungen bei Fahrzeugen gefördert, sollte in regelmäßigen Abständen ein Sachstandsbericht über den Stand der Umsetzung gefordert werden.

3.3 Fachtechnische Prüfung einheitlich durchführen

Die fachtechnische Prüfung der Förderanträge und der Verwendungsnachweise sollte wie beim Öffentlichen Personennahverkehr der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg mbH übertragen werden. Bei denkmalgeschützten Bahnen muss sie das Ergebnis der denkmalfachlichen Prüfung berücksichtigen. Durch die Fachkompetenz für Schieneninfrastruktur bei der Nahverkehrsgesellschaft würde sichergestellt, dass eine realistische Beurteilung der Maßnahmen, ihrer Kosten und Ausführungsfristen in den Förderanträgen und Verwendungsnachweisen erfolgt.

3.4 Förderung aus einer Hand

Um die Bedeutung des Kulturguts „Museumsbahnen“ zu stärken und deren Förderung transparent zu gestalten, sollte die Vielfalt der Fördermöglichkeiten überdacht werden.

Aus den bisher eingesetzten Mitteln sollte ein eigenständiges Programm für die Förderung von Museumsbahnen geschaffen werden.

4 Stellungnahme der Ministerien

Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz als federführendes Ressort teilt im Einvernehmen mit dem Ministerium der Justiz und für Europa und dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau mit, dass kein Bedarf bestehe, die bisherige Förderpraxis zu ändern.

Die Ministerien halten eine Begriffsdefinition für Bahnen, die aus Gründen historischen Interesses oder zu touristischen Zwecken betrieben werden, wegen der bundesrechtlichen Zuständigkeit und Regelung (§ 1 Absatz 4 Allgemeines Eisenbahngesetz) für nicht zweckmäßig. Eine Unterscheidung zwischen diesen beiden Zwecken erscheine nicht sachgerecht, da daraus keine Folgerungen gezogen werden könnten. Gegenstand der Denkmalförderung seien ausschließlich Kulturdenkmale im Sinne des Denkmalschutzgesetzes. Der Begriff der Museumsbahn spiele dabei keine Rolle. Auch im Hinblick auf die Tourismusförderung erscheine angesichts der dort eindeutigen Definition des Fördergegenstands eine einheitliche Begriffsdefinition nicht notwendig.

Ein landesweites Förderkonzept für historische oder touristische Bahnen wäre im Hinblick auf damit etwa angestrebte regionale Verteilungsaspekte nur bei einem Betrieb durch das Land selbst denkbar. Dies sei wegen der unterschiedlichen Ansätze und Zielrichtungen der Förderschienen nicht opportun.

In der Regel würden die Bahnen mit hohem ehrenamtlichem Engagement von Vereinen betrieben. Eine Professionalisierung des Betriebs zu fordern, wäre ein Schlag ins Gesicht des Ehrenamts.

Es könnten denkmalpflegerische, touristische oder strukturelle Gründe für eine Förderung sprechen. Ein landesweites Förderkonzept würde die Vielgestaltigkeit der Projekte und Träger ohne erkennbaren Nutzen einengen. Wegen der unterschiedlichen Ansätze und Zielrichtungen der Förderprogramme sei eine Konzentration der Förderung auf ein Ressort weder sinnvoll noch zielführend.

Die Antrags- und Verwendungsnachweisprüfung durch die Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg mbH hemme Vorbereitung und Betrieb der vereinsgetragenen historischen oder touristischen Bahnen. Von einer Erweiterung des Geschäftsfeldes der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg mbH werde daher abgesehen.

5 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof verkennt nicht den hohen ehrenamtlichen Einsatz beim Betrieb und Unterhalt von Museumsbahnen. Er fordert weder eine Professionalisierung des Betriebs noch eine regionale Verteilung der Fördermittel.

Die Empfehlungen zielen ausschließlich darauf ab, ein langfristig tragfähiges Landeskonzept zu erstellen, an dem die Förderung künftig zielorientiert ausgerichtet werden kann.

Die von den Ministerien aus § 1 Absatz 4 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes abgeleitete bundesrechtliche Zuständigkeit für die Definition einer Museumsbahn ist nicht maßgebend. Der Rechnungshof empfiehlt zu definieren, welche Bedingungen eine Museumsbahn erfüllen muss, um als solche vom Land gefördert werden zu können.

Der Rechnungshof sieht trotz der unterschiedlichen Ansätze und Zielrichtungen der Förderprogramme die Möglichkeit, Voraussetzungen für die Förderung von Museumsbahnen einheitlich festzulegen und die besonderen Perspektiven der Denkmalförderung dabei zu berücksichtigen.

Die Einbindung des landesinternen fachspezifischen Sachverstands der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg mbH hemmt nicht die Vorbereitung und den Betrieb der geförderten Bahnen. Stattdessen zeigt sie die Mängel bei der Planung und der Umsetzung auf und vermindert so die festgestellten Risiken.


Was wurde aus dem Beitrag?

Die parlamentarische Behandlung finden Sie hier


Anhänge

Einzelplan 03: Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration

Neue Stellen dürfen nicht auf Vorrat geschaffen werden. Sie müssen für den Zweck verwendet werden, für den sie vom Landtag beschlossen wurden. Dies war beim Offensivkonzept zur Bekämpfung des Wohnungseinbruchdiebstahls nicht der Fall.


1 Ausgangslage

Der Rechnungshof hat in den letzten Jahren mehrere Prüfungen bei der Polizei durchgeführt, die Optimierungspotenziale aufzeigten. Den daraufhin vom Rechnungshof geforderten Stellenabbau wies die Polizei stets damit zurück, dass es ohnehin insgesamt einen Stellenbedarf gäbe. Dieser sei durch eine über Jahre rückläufige Stellenentwicklung bei gleichzeitigem Aufgabenzuwachs entstanden. Mit der Polizeistrukturreform sollte durch eine Straffung der Organisation Personal für Basisaufgaben freigesetzt werden.

Wir haben dies zum Anlass genommen, die Stellenentwicklung bei der Polizei zu prüfen. Ab 2015 wurden aus unterschiedlichen Anlässen neue Stellen für die Polizei beschlossen. Eine dieser Entscheidungen, das Offensivkonzept zur Bekämpfung des Wohnungseinbruchdiebstahls, haben wir 2016 geprüft.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Stellenentwicklung von 2003 bis 2013

Der Polizei standen 2003 insgesamt 29.752 Stellen zur Verfügung und damit nur rund 200 Stellen weniger als 1996, als der stellenmäßige Höchststand der letzten 40 Jahre erreicht wurde. Im Laufe der folgenden zehn Jahre reduzierte sich die Gesamtzahl um 1.582 Stellen.

Die nachfolgende Tabelle zeigt den Stellenbestand 2003, 2013 und 2017 auf. Anwärterstellen bleiben dabei unberücksichtigt.

Beitrag 8 Tabelle 1

Daraus ist zu entnehmen, dass zwar zahlenmäßig die meisten Stellen im Polizeivollzugsdienst abgebaut wurden, prozentual die Polizeiverwaltung aber wesentlich stärker betroffen war. Die Stellen des Polizeivollzugsdienstes gehörten bei Stelleneinsparprogrammen in 2003 bis 2013 überwiegend zum „Schonbereich“. Das heißt, Stellen mussten nur bei Aufgabenverlagerungen (z. B. 236 Stellen für die Lebensmittelkontrolle) oder beispielsweise 610,5 Stellen als Kompensation zur Arbeitszeitverlängerung eingespart werden. Netto hat der Polizeivollzug dadurch keine Stellen verloren. Einige Stellenstreichungen bot die Polizei selbst an, um beispielsweise Stellenhebungen zu erreichen.

Hinzu kommt, dass das Innenministerium in einigen Fällen zwar die Aufgabe abgegeben hat, wie z. B. bei der IT der Polizei. Das hierfür eingesetzte Personal wollte es aber behalten. Zur Gegenfinanzierung von 41 höher dotierten Stellen wurden 95 Stellen für Polizeimeister gestrichen.

Im Gegensatz dazu wurden Stellen der Polizeiverwaltung mit verschiedenen Einsparprogrammen belegt. Jahrelang musste die Polizei in diesem Bereich nahezu jede frei werdende Stelle einsparen. Eine Folge dieses Abbaus war, dass wieder vermehrt Polizisten vollzugsfremde Aufgaben übernehmen mussten. Es änderte sich durch die Stellenreduzierung das Verhältnis von Polizeivollzug zu Verwaltung. Während 2003 noch 5 Stellen des Polizeivollzugs auf eine der Polizeiverwaltung kamen, waren es 2013 bereits 5,5.

2.2 Stellenmehrungen ab 2015

Zwischen Februar 2015 und Februar 2017 wurden mit drei Anti-Terror-Paketen neue Stellen für die Polizei geschaffen. Das 1. Paket beinhaltete 71 neue Stellen im Polizeivollzug und 34 in der Polizeiverwaltung. Mit dem 2. Paket wurden für das Landeskriminalamt 19 neue Stellen geschaffen, davon neun im Polizeivollzug. Mit dem 3. Paket folgten weitere 30 neue Stellen, die ausschließlich der Polizeiverwaltung zugeordnet sind.

Im Dezember 2015 wurden außerdem 216 weitere Stellen in der Polizeiverwaltung geschaffen. Sie sollten dazu dienen, den Polizeivollzugsdienst von vollzugsfremden Aufgaben zu entlasten.

Des Weiteren wurden 2015 insgesamt 420 befristete Stellen des Polizeivollzugsdienstes verstetigt, die 2017 bzw. 2019 hätten wegfallen sollen. Zunächst fielen die kw-Vermerke bei 226 Stellen für das „Offensivkonzept Wohnungseinbruchdiebstahl“ weg. Später wurden auch die verbliebenen 194 Stellen für den weitgehenden Erhalt des polizeilichen Betreuungsverhältnisses aufgrund steigender Bevölkerungszahlen entfristet.

Mit dem Haushalt 2017 werden weitere 154 Stellen in der Polizeiverwaltung und im Polizeivollzug 181 Stellen neu geschaffen. Davon gehören 150 zu einem Stellenpool, der für „freiwillige Verlängerer“ vorgesehen ist. Damit soll gewährleistet werden, dass Polizisten, die ihren Dienst freiwillig verlängern, keine Stellen blockieren.

Insgesamt wurden damit seit 2015 bei der Polizei 1.125 Stellen neu geschaffen bzw. entfristet.

Beitrag 8 Tabelle 2

2.3 Zukünftige Stellenzuwächse

Nach dem Koalitionsvertrag der Regierungsparteien vom 09.05.2016 soll die Polizei 1.500 Neustellen erhalten, 900 Stellen des Polizeivollzugs und 600 Stellen bei der Verwaltung. Davon stehen 335 Stellen (siehe Punkt 2.2) bereits mit dem Haushalt 2017 zur Verfügung.

Der Stellenabbau bis 2013 wurde seit 2015 durch unterschiedlich begründete Stellenmehrungen bereits teilweise kompensiert. Der Polizeivollzugsdienst profitiert zusätzlich noch von den Effizienzgewinnen der Polizeistrukturreform. Sollten alle 1.500 Stellen aus dem Koalitionsvertrag geschaffen werden, würde der Stellenplan einen neuen Höchststand erreichen. Das Ziel, die Polizei zu stärken, kann mit dem hohen Stellenzuwachs kurzfristig nicht erreicht werden. Dadurch, dass die Polizei ihren Nachwuchs selbst ausbilden muss, verzögert sich der Effekt. Wie viele Polizisten in den kommenden Jahren tatsächlich im Polizeivollzug aktiv sein werden, hängt mehr von den Ausbildungskapazitäten und den Altersabgängen als vom Stellenplan ab.

Aktuell werden damit Stellen im Polizeivollzug geschaffen, die auf absehbare Zeit unbesetzt bleiben.

2.4 Wie werden neue Stellen begründet?

Da seit 2015 kontinuierlich neue Stellen für die Polizei beschlossen wurden, hat sich der Rechnungshof mit der Frage befasst, wie die Stellen fachlich begründet werden und ob diese Begründung trägt.

2.4.1 Offensivkonzept zur Bekämpfung des Wohnungseinbruchdiebstahls

Das 2015 beschlossene „Offensivkonzept Wohnungseinbruchdiebstahl“ beinhaltete, bei 226 Stellen des Polizeivollzugs den kw-Vermerk zu streichen, die Stellen also dauerhaft zu erhalten. Fachliches Ziel des Offensivkonzeptes war es, den steigenden Fallzahlen beim Wohnungseinbruchdiebstahl entgegenzuwirken und die Aufklärungsquote zu verbessern.

Bereits 2013 hatte das Landeskriminalamt eine Handlungskonzeption und eine Handlungsempfehlung zur Bekämpfung von Wohnungseinbruchdiebstahl erlassen. Daraufhin wurden Maßnahmen eingeleitet, die mit dem Offensivkonzept 2015 fortgeführt bzw. intensiviert werden sollten.

Die 226 Stellen mit kw-Vermerk waren ursprünglich Teil eines Maßnahmenpakets, das die erwartete Pensionierungswelle ausgleichen sollte. Hierzu wurden vorübergehend mehr Polizisten ausgebildet, als Stellen vorhanden waren. Für die Übernahme dieser „on top“ ausgebildeten Polizisten wurden insgesamt 420 zusätzliche Stellen zeitlich befristet geschaffen. Den Stellen standen keine Aufgabenzuwächse gegenüber. Sie wären ohne Auswirkung auf die polizeiliche Aufgabenerfüllung 2017 bzw. 2019 weggefallen, wenn alle Polizeianwärter wieder unmittelbar auf reguläre Stellen hätten übernommen werden können.

Dem Offensivkonzept lag eine „Personalbedarfsberechnung“ zugrunde. Diese betrachtete nur die Erledigung jener Aufgaben, die nachvollziehbar und unmittelbar im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Wohnungseinbruchdiebstahls standen. Da der Aufwand nicht detailgenau produktbezogen erfasst wird, behalf sich die Polizei mit Erhebungen zu Einsatzaufwänden, z. B. aus Jahresberichten und Aufwandschätzungen. So ermittelte die Polizei einen Ist-Personaleinsatz für die 2013 begonnenen Maßnahmen, der bei 385 Beamten lag. Dieser sollte die Verstetigung von 226 Stellen rechtfertigen, obwohl kein aktueller Personalbedarf festgestellt wurde.

Ein Vergleich des Personaleinsatzes ergab, dass ein Jahr später rund 50 Beamte weniger für die Bekämpfung des Wohnungseinbruchdiebstahls eingesetzt waren. Insbesondere gingen die Unterstützungseinsätze für die regionalen Polizeipräsidien zurück. Die Verstetigung der Stellen hatte somit auf den tatsächlichen Personaleinsatz bis Mitte 2016 keine positiven Auswirkungen.

In einem früheren Dokument hatte das Innenministerium den Erhalt der 226 kw-Stellen noch damit begründet, das polizeiliche Betreuungsverhältnis je Einwohner auch nach dem Zuzug von Asylsuchenden beibehalten zu können. Erst als diese Begründung nicht durchdrang, entschied man sich, den Stellenbedarf mit der Bekämpfung des Wohnungseinbruchdiebstahls zu begründen.

Somit war das „Offensivkonzept Wohnungseinbruchdiebstahl“ eine eins zu eins übernommene Stellenforderung unter einer neuen Überschrift.

Nachdem die 226 Stellen verstetigt waren, wurden sie auch nicht den Bereichen zur Bekämpfung des Wohnungseinbruchdiebstahls zugeordnet.

2.4.2 Sonderprogramm Bekämpfung des islamistischen Terrorismus (1. Anti-Terror-Paket)

Für die Bekämpfung des islamistischen Terrorismus wurde 2015 ein Sonderprogramm genehmigt. Dafür wurden für die Polizei insgesamt 105 neue Stellen beschlossen. Bei der Stellenforderung fehlten Aussagen darüber, welche Personalkapazitäten die Polizei bisher einsetzte und ob, gegebenenfalls wo, es Schwachstellen oder Personalmangel gab. Es wurde auch keine Berechnung vorgelegt, um konkret den Bedarf von 105 Stellen nachzuweisen. Die beschlossene Stellenmehrung passte auch nicht zum angemeldeten Bedarf der Dienststellen. So hatte das Landeskriminalamt für sich einen Bedarf von 62 Stellen angemeldet. Letztlich wurden für das Landeskriminalamt dann aber nur 23 Stellen beantragt und genehmigt.

3 Empfehlungen

3.1 Personalbedarf sorgfältig und methodisch nachvollziehbar ermitteln

Einem kurzfristigen Handlungsdruck wird immer durch veränderte Schwerpunktbildung Rechnung getragen werden müssen, da zwischen der Schaffung der dafür geforderten Neustellen bis zum tatsächlichen Einsatz des notwendigen Vollzugspersonals ein Zeitraum von mehreren Jahren vergeht.

Zusätzlichen Stellenbedarf sollte die Polizei sorgfältig und methodisch nachvollziehbar ermitteln.

Als Grundlage für die Rechtfertigung zusätzlicher Neustellen eignen sich in der Regel nicht kurzfristige, sondern langfristige Entwicklungen. Dazu gehört auch eine Ist-Analyse des tatsächlichen Personaleinsatzes.

3.2 226 kw-Vermerke wieder aufnehmen

Fachlich begründete Neustellen müssen für den Zweck eingesetzt werden, für den sie beschlossen wurden. Wenn neue Stellen nicht kurzfristig besetzt werden können, müssen zunächst interne Personalmaßnahmen getroffen werden. Anderenfalls konterkariert die Polizei die von ihr selbst vorgetragenen Argumente für den als dringlich bezeichneten Personalbedarf - wie beim „Offensivkonzept Wohnungseinbruchdiebstahl“. Konsequenterweise müsste dann die Streichung der 226 kw-Vermerke rückgängig gemacht werden. Zumindest müssen die 226 Stellen auf die von der Regierungskoalition angekündigten 1.500 Neustellen angerechnet werden.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Innenministerium vertritt in seiner Stellungnahme die Auffassung, dass wegen der schwer in ihrer Intensität vergleichbaren polizeilichen Tätigkeiten eine Personalbedarfsberechnung zumindest nur eingeschränkt möglich und äußerst komplex sei. Werden Neustellen als politische Reaktion auf herausragende Ereignisse wie Terroranschläge geschaffen, seien die Berechnungsmethoden der Organisationslehre zudem nicht geeignet.

Zum „Offensivkonzept Wohnungseinbruchdiebstahl“ bezweifelt das Ministerium die Einschätzung des Rechnungshofs, die Entfristung von 226 Stellen habe keine Auswirkungen gezeigt. Die Bekämpfung von Wohnungseinbruchdiebstahl sei ein komplexes Gefüge diverser Einzelaufgaben, die von unterschiedlichen Organisationseinheiten geleistet werden, und könne daher nicht belastbar bemessen werden. Zudem seien die Einbruchszahlen zuletzt rückläufig gewesen und die Aufklärungsquote gestiegen.

5 Schlussbemerkung

Die Argumente des Innenministeriums zeigen, dass Stellenmehrungen am ehesten und politisch schnellsten durchsetzbar sind, wenn sie unter dem Druck äußerer Ereignisse begründet werden. Eine methodische nachvollziehbare Begründung für die Entfristung der 226 Stellen liefert das Ministerium nicht.

Der Rechnungshof hält deshalb an seinen Empfehlungen fest.


Was wurde aus dem Beitrag?

Die parlamentarische Behandlung finden Sie hier


Anhänge

Landeserstaufnahmeeinrichtungen können auf ehemaligen Kasernenarealen am wirtschaftlichsten betrieben werden. Dazu muss sichergestellt sein, dass sie mindestens eine Aufnahmekapazität von 1.000 Plätzen haben und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seine Aufgaben dort auch mit ausreichend Personal wahrnimmt.

Die Landesregierung hat einer Empfehlung des Rechnungshofs folgend auf den geplanten umfangreichen Umbau eines Schulungszentrums in Herrenberg zu einer Landeserstaufnahmeeinrichtung verzichtet.


1 Ausgangslage

2015 stieg die Zahl der Flüchtlinge in Baden-Württemberg dramatisch an. Es mussten insgesamt 185.000 Flüchtlinge, davon allein seit 5. September etwa 126.000 Flüchtlinge, untergebracht werden. Tatsächlich verblieben nach Abzug der bundesweiten Verteilung rund 100.000 Flüchtlinge im Land. Um die Flüchtlinge aufnehmen zu können, reichten die vorhandenen Kapazitäten nicht aus. Das Land war gefordert, schnellstmöglich Aufnahmeeinrichtungen zu schaffen.

Für die Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen sieht das Asylgesetz einen zweistufigen Ablauf vor. Die Flüchtlinge kommen zunächst in eine Erstaufnahmeeinrichtung des Landes. Die Anschlussunterbringung nach Durchführung des Asylverfahrens ist Aufgabe der Gemeinden. Das Land hat diesen Ablauf im Flüchtlingsaufnahmegesetz um eine Stufe erweitert. Die Erstaufnahme des Landes gliedert sich demnach in den Aufenthalt in einer Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) und die vorläufige staatliche Unterbringung durch die Stadt- und Landkreise.

Zur Bereitstellung der notwendigen Anzahl von LEA-Plätzen prüfte das Land zunächst vorhandene Liegenschaften auf ihre Eignung. Im Fokus standen freie oder frei werdende militärische Liegenschaften des Bundes, da diese bereits über maßgebliche Sicherheits- und Versorgungseinrichtungen verfügen. In einem weiteren Schritt wurden auch unbebaute Grundstücke auf ihre Eignung für Neubaumaßnahmen geprüft. Neben einer kleineren Liegenschaft in Giengen an der Brenz wurde lediglich in Herrenberg im Dezember 2015 ein großer zusammenhängender Gebäudekomplex vom Land erworben (ehemaliges Schulungsgebäude).

Im Frühjahr 2016 ging die Zahl der neu ankommenden Flüchtlinge deutlich zurück. Im April 2016 war nur noch ein Viertel der Erstaufnahmeplätze belegt. Daraufhin beschloss die interministerielle Lenkungsgruppe Flüchtlingsaufnahme u. a., sämtliche Maßnahmen zur Erschließung neuer Unterkünfte ruhen zu lassen. Der geplante Umbau in Herrenberg wurde hiervon ausgenommen.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Auslastung der Kapazitäten und Stand-by-Betrieb

Da eine Modellberechnung des Bundeskanzleramts vom Frühjahr 2016 noch von einem höheren Zustrom an Flüchtlingen ausging, entschied die Lenkungsgruppe Flüchtlingsaufnahme im April 2016, im Regelbetrieb 19.500 Plätze vorzuhalten. Im Bedarfsfall sollte die Anzahl der Plätze kurzfristig auf 38.000 aufgestockt werden können.

Im Mai 2016 hielt das Land insgesamt 36.218 Plätze an 32 Standorten für die Erstaufnahme von Flüchtlingen bereit. Davon entfielen mit 12.370 Plätzen etwa 30 Prozent auf die Landeserstaufnahmeeinrichtungen in Karlsruhe, Mannheim, Meßstetten, Sigmaringen und Ellwangen. Weitere 4.000 Plätze waren im Registrierungs- und Ankunftszentrum im Patrick-Henry-Village Heidelberg vorgesehen. Die restlichen Plätze verteilten sich auf weitere Erstaufnahmeeinrichtungen, die vor allem im Herbst 2015 bedarfsorientiert geschaffen worden waren.

Ab Mai 2016 waren im Durchschnitt lediglich 20 Prozent der vorhandenen Plätze belegt. Die tatsächliche Belegung lag zu diesem Zeitpunkt somit deutlich unter dem Vorjahreswert.

Aufgrund der geringen Auslastung werden derzeit in angemieteten und landeseigenen Gebäuden mehrere tausend Plätze im Stand-by-Betrieb vorgehalten. Diese ermöglichen eine kurzfristige Unterbringung innerhalb von 48 Stunden. Die Mietverträge haben teilweise eine Laufzeit bis 2020.

Hierdurch entsteht ein jährlicher Aufwand in Millionenhöhe durch Betriebskosten und Mieten für leer stehende Gebäude. Sie werden u. a. kontinuierlich bewacht, beheizt und beleuchtet. Die Sanitärinstallationen müssen regelmäßig durchgespült werden, um Verkeimung durch Legionellen zu vermeiden.

Beitrag 9 Abbildung 1

2.2 Bestandteile einer Erstaufnahmeeinrichtung

Der Rechnungshof hat alle maßgeblichen Erstaufnahmeeinrichtungen in Augenschein genommen. Dabei wurden regelmäßig folgende bauliche Einrichtungen und Ausstattungen vorgefunden:

  • Verwaltungsgebäude (für Bedienstete des Regierungspräsidiums),
  • Unterkunftsgebäude,
  • Sanitäreinrichtungen,
  • Verpflegungseinrichtungen,
  • Räume zur gesundheitlichen Betreuung,
  • Räume für die medizinische Erstuntersuchung (Röntgen),
  • Räume zur Kinderbetreuung,
  • Kleiderkammern,
  • Dienststellen der Polizei,
  • Zaunanlagen mit Pforten,
  • Spiel- und Sportplätze.

Dort, wo es mehrere separate Unterkunftsgebäude gab, konnte bei Bedarf eine räumliche Trennung der Personen nach Herkunft, Geschlecht oder Religionszugehörigkeit erfolgen.

Ehemalige Kasernen sind als Erstaufnahmeeinrichtung insofern geeignet, als dort neben den reinen Unterbringungsmöglichkeiten auch auf eine Vielzahl vorhandener Ausstattungen zurückgegriffen werden kann (z. B. Pforte, Versorgung, Sportflächen, Zaun). Zudem können sie aufgrund ihrer Größe und baulichen Gestaltung flexibel an schwankende Zugangszahlen angepasst werden. In Zeiten eines starken Flüchtlingszustroms können die Unterbringungs- und Verwaltungskapazitäten bedarfsgerecht erhöht werden, indem vorhandene Reserven genutzt werden. Die großen Freiflächen können als Spiel- und Sportflächen genutzt werden. Im Krisenfall könnten dort vorübergehend mit Behelfsunterkünften weitere Plätze geschaffen werden.

2.3 Kosten der Baumaßnahmen

Der Rechnungshof hat die spezifischen Baukosten je Platz ermittelt. Die der Berechnung zugrunde liegende Anzahl von Plätzen beruht auf den uns während der örtlichen Erhebungen genannten Kapazitäten.

Beitrag 9 Tabelle 1

Die Auswertung ergab, dass die Einrichtungen in ehemaligen Kasernen in Heidelberg, Ellwangen, Meßstetten und Wertheim besonders wirtschaftlich sind. Dort wurden jeweils mehr als 1.000 Plätze geschaffen. Es entstanden Baukosten zwischen 1.700 Euro und 5.800 Euro je Platz. Unterbringungen, bei denen Container- oder Systembauten neu errichtet wurden, wie z. B. in Tübingen, sind unwirtschaftlich und nicht nachhaltig. Durch die vergleichsweise kurze Nutzungsdauer von zehn Jahren entstehen deutlich höhere Lebenszykluskosten. Die Maßnahme in Tübingen kostete 44.000 Euro je Platz, also mehr als zehnmal so viel wie andere Unterbringungen.

Außerdem betrachtete der Rechnungshof Baumaßnahmen in Freiburg, Herrenberg, Mannheim und Schwäbisch Hall, die sich zum Zeitpunkt der Prüfung in der Projektierung befanden:

Beitrag 9 Tabelle 2

Von diesen vier Maßnahmen wird ausschließlich die Umbaumaßnahme in Freiburg in einer ehemaligen Polizeischule weiter verfolgt. Die zwei Neubaumaßnahmen in Mannheim und Schwäbisch Hall sowie auf Empfehlung des Rechnungshofs der geplante Umbau eines ehemaligen Schulungsgebäudes in Herrenberg werden wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit nicht weiterverfolgt.

Beitrag 9 Abbildung 2

2.4 Anforderungen des Asylverfahrens an eine Landeserstaufnahmeeinrichtung

Das größte Potenzial für eine wirtschaftliche Sicherstellung der Erstaufnahme besteht darin, das Verfahren der Flüchtlingsaufnahme durch das Land und die Durchführung des Asylverfahrens durch den Bund zu optimieren und besser aufeinander abzustimmen.

Wenn ein Flüchtling in Deutschland ankommt, meldet er sich bei der Polizei oder einer anderen Stelle und wird dann in eine LEA aufgenommen. Dort wird er untergebracht und registriert. Seine persönlichen Daten werden in die IT-Systeme des Landes (MigVIS) und des Bundes (MARIS) eingegeben. Dabei werden Fingerabdrücke genommen, biometrische Lichtbilder gefertigt und - wenn möglich - Ausweisdokumente gesichtet. Es erfolgt ein Abgleich mit dem Ausländerzentralregister. Danach wird die sogenannte „EASY-Optionierung“ durchgeführt: Die Verteilung der Flüchtlinge auf die einzelnen Länder erfolgt nach dem Königsteiner Schlüssel. Hat Baden-Württemberg seine Aufnahmequote für ein bestimmtes Herkunftsland bereits erfüllt, weist das EASY-System den Flüchtling automatisch einem anderen Land zu.

Die im Land verbleibenden Flüchtlinge erhalten dann den Ankunftsnachweis und einen Termin beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Es folgt eine medizinische Untersuchung durch Landesbedienstete. Danach können die Flüchtlinge in dem Termin beim BAMF ihren Asylantrag stellen. In einem weiteren Schritt werden sie vom BAMF angehört. Bis zur Entscheidung des BAMF über den Antrag ist das Land für die Unterbringung zuständig. Im Anschluss werden die Flüchtlinge auf die Gemeinden verteilt.

Diese Verfahren haben 2015/2016 teilweise sehr lange gedauert. Aufgrund von Kapazitätsengpässen haben sich einzelne Schritte teils um Monate verzögert. Für einen zügigen und reibungslosen Ablauf der Flüchtlingsaufnahme und des gesetzlich vorgegebenen Asylverfahrens müssen die Abläufe und Kapazitäten in einer LEA den beschriebenen Verfahren angepasst werden. Ausgehend von dieser Überlegung muss die Infrastruktur der LEA so ausgerichtet sein, dass ankommende Flüchtlinge unverzüglich in IT-Systemen erfasst, einer Unterbringungseinrichtung zugeteilt und registriert werden können. Darüber hinaus muss in der Einrichtung eine medizinische Untersuchung möglich sein. Das BAMF sollte in der Einrichtung mindestens Asylanträge entgegennehmen und die Anhörung durchführen können.

Unter dem Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie ist es unumgänglich, dass Asylbegehrende während dieser Zeit in der LEA verbleiben. Situationen wie im zweiten Halbjahr 2015, als Flüchtlinge ohne vorherige Registrierung und Antragstellung beim BAMF in Notunterkünfte und in die Stadt- und Landkreise verlegt werden mussten, sind zu vermeiden.

Die Infrastruktur einer LEA wird diesen Anforderungen gerecht, wenn die Unterbringungskapazität (Plätze) mit den Verfahrenskapazitäten des Landes (Registrierung und medizinische Untersuchung) und des BAMF (Durchführung des Asylverfahrens) korrespondiert. Ist dies nicht der Fall, entsteht ein Bearbeitungsstau, der zu längeren Verfahrens- und Unterbringungszeiten und somit zu Mehrkosten führt. Nach dem Asylgesetz dürfen Flüchtlinge, die nicht aus sicheren Herkunftsländern stammen, zudem längstens sechs Monate in einer LEA untergebracht werden.

Mit dem Leitfaden des BAMF zum Aufbau eines Ankunftszentrums „Integriertes Flüchtlingsmanagement" vom Juni 2016 liegt eine Konzeption vor, die der Rechnungshof für organisatorisch gut und wirtschaftlich hält. Diese soll das Asylverfahren und die Integration bzw. die Rückführung ausreisepflichtiger Flüchtlinge beschleunigen. Neu ankommende Flüchtlinge werden hierzu nach Fallprofilen aufgeteilt. Antragsteller mit hoher oder geringer Bleibeperspektive sollen - so das Ziel des BAMF - innerhalb von nur 48 Stunden ihren Bescheid erhalten.

In seinem Leitfaden weist das BAMF darauf hin, dass die Konzeption dann erfolgreich ist, wenn das Ankunftszentrum in einer für die Abläufe geeigneten Liegenschaft errichtet wird. Es führt beispielhaft auf, dass bei 100 Registrierungen und Anträgen je Tag alleine für seine Mitarbeiter rund 35 bis 40 Einzelbüros, 4 bis 6 Warteräume und 3 bis 5 Besprechungsräume benötigt werden. Die Konzeption wurde im Ankunftszentrum Heidelberg mit entwickelt und wird dort seit über einem Jahr umgesetzt.

2.5 Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Für den Bedarf an Plätzen in der Erstaufnahme ist - neben den Zugangszahlen - wesentlich, wie viele Fälle das BAMF tatsächlich und in welchem Zeitraum entscheidet. Jeder Tag, den das BAMF schneller entscheidet, kann die erforderliche Aufnahmekapazität beim Land (einschließlich der vorläufigen Unterbringung in den Landkreisen) verringern und dem Land Kosten sparen. Die Personalausstattung der BAMF-Außenstellen hat bei hohem Flüchtlingszustrom mithin erhebliche Auswirkungen auf den Landeshaushalt.

Zählt man die uns im Sommer 2016 vor Ort genannten Kapazitäten des BAMF zur Entgegennahme und Bearbeitung von Asylanträgen in den Landeserstaufnahmeeinrichtungen zusammen, zeigt sich, dass jährlich die Anträge von etwa 50.000 bis 70.000 Flüchtlingen bearbeitet und entschieden werden könnten. Träfe die im Leitfaden „Integriertes Flüchtlingsmanagement“ für Ankunftszentren genannte durchschnittliche Bearbeitungszeit von nur zwei Tagen für viele Fälle zu, lägen die Kapazitäten noch deutlich darüber und die Verweildauer der Flüchtlinge in den Erstaufnahmeeinrichtungen würde erheblich sinken. Im Prüfungszeitpunkt war die reale Bearbeitungszeit aber deutlich höher.

Das von allen Beteiligten angestrebte Ziel einer raschen Registrierung und Entscheidung über Asylbegehren kann nur erreicht werden, wenn landesseitige und BAMF-seitige Kapazitäten einrichtungsscharf aufeinander abgestimmt und ausreichend dimensioniert sind. Dies setzt eine deutlich bessere Kooperation des BAMF voraus.

2.6 Einbeziehung der Prüfungsergebnisse in ein neues Standortkonzept der Landesregierung

In seiner Standortkonzeption vom Dezember 2016 hat das Innenministerium die Empfehlung des Rechnungshofs aufgegriffen, die geplante LEA Herrenberg aufzugeben. Der Umbau des ehemaligen Schulungsgebäudes zu einer LEA ist weder wirtschaftlich noch erforderlich. Die baulichen Anlagen sind für die damals angestrebte Funktion auch nur mit Einschränkungen geeignet.

Die bundesweit modellhafte Einrichtung eines Ankunftszentrums soll dafür erhalten und mit vier Landeserstaufnahmeeinrichtungen flankiert werden. Zwei davon sowie das Ankunftszentrum befinden sich in ehemaligen Kasernen. Den Empfehlungen des Rechnungshofs entsprechend soll die Abstimmung zu Standorten, Kapazitäten und Verfahrensschritten zwischen Land und BAMF optimiert werden. Hierzu steht die Landesregierung in Verhandlungen mit dem BAMF.

3 Empfehlungen

3.1 Kasernenareale nutzen

Für die Zwecke einer LEA sind ehemalige Kasernen am besten geeignet. Das Land sollte daher durch Absprachen mit Bund und Standortkommunen dafür Sorge tragen, die bestehenden Einrichtungen in Kasernen im erforderlichen Umfang langfristig fortführen zu können. Dies gilt insbesondere für das Ankunftszentrum im Patrick-Henry-Village Heidelberg.

Es ist wirtschaftlicher und effektiver, in ausgewählte bestehende Einrichtungen zu investieren und deren Betrieb langfristig zu sichern, als durch Neubau- oder Umbaumaßnahmen neue Einrichtungen zu schaffen. Vorzugsweise sollten Gebäude im Eigentum des Landes oder des Bundes genutzt werden. Unwirtschaftliche Container-Lösungen, die keine Erweiterung oder spätere Umnutzung zulassen, sollten vermieden werden.

3.2 Alternativlösungen für den Stand-by-Betrieb entwickeln

Leerstehende Gebäude, insbesondere Anmietungen, im Stand-by-Betrieb vorzuhalten, ist unwirtschaftlich. Die Mietverträge sollten schnellstmöglich aufgehoben oder gekündigt werden, sofern das Land die vorläufige Unterbringung bei den Stadt- und Landkreisen beibehalten will.

Stattdessen sollte das Land für Ausnahmesituationen neue Konzepte für temporäre Behelfsunterkünfte auf erschlossenen Flächen entwickeln. Denkbar wäre die temporäre Errichtung vorhandener Leichtbauhallen, wärmegedämmter Zeltanlagen (analog Bundeswehr bzw. Technisches Hilfswerk) oder Systemlösungen aus der Camping- und Freizeitarchitektur. Diese sollten bis zum Bedarfsfall in Hallen des Stand-by-Betriebs zentral eingelagert werden.

3.3 Anforderungen an eine Landeserstaufnahmeeinrichtung

Aus betrieblich-organisatorischen Gründen sollte angestrebt werden, dass die Landeserstaufnahmeeinrichtungen eine Regelkapazität von 1.000 Plätzen nicht unterschreiten.

Zur Vermeidung von Bearbeitungsstaus muss eine LEA aufeinander abgestimmte Raum- und Flächenkapazitäten für Unterbringung, Registrierung, medizinische Untersuchung und die Durchführung des BAMF-Verfahrens haben.

3.4 Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verbessern

Um die Bedarfsplanung zu verbessern und die Verfahren zu beschleunigen, sollte eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung mit dem BAMF geschlossen werden. Darin sollte sich der Bund verpflichten, ausreichend Personal, angepasst an die jeweils aktuellen Zugangszahlen und Bearbeitungsstände, für die Durchführung der Asylverfahren bereitzustellen.

3.5 Rechtsgrundlagen flexibel gestalten

Der Rechnungshof empfiehlt, das Flüchtlingsaufnahmegesetz zu reformieren. Parallel hierzu sollte eine Bundesratsinitiative für eine Reform des Asylgesetzes gestartet werden. Ziel der Reformen sollte es sein, starre Regelungen zur Verweildauer in Einrichtungen der Erstaufnahme sowie definierte Wohn- und Schlafflächenstandards in der vorläufigen Unterbringung zu flexibilisieren. Den betroffenen Stellen muss ermöglicht werden, zu Spitzenzeiten flexibel auf Anforderungen zu reagieren.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Innenministerium unterstützt die Empfehlung, Kasernenareale zu nutzen, weist aber darauf hin, dass eine landesseitige Nutzung dieser Liegenschaften stark mit den kommunalpolitischen Interessen an einer städtebaulichen Entwicklung dieser Konversionsflächen konkurriere. Langfristige Vereinbarungen mit den Standortkommunen seien daher in der Regel nur schwer zu erreichen.

Des Weiteren teile es die Auffassung zur Zusammenarbeit mit dem BAMF. Man befinde sich bereits in Verhandlungen für eine Verfahrensvereinbarung, deren Inhalt jedoch von den weiteren Planungen des BAMF abhänge.

Die im Stand-by-Betrieb geführten Plätze seien auf 1.632 Plätze reduziert worden. Aus humanitären Gründen bevorzuge man feste Unterkünfte, weshalb Einrichtungen im Stand-by-Betrieb erforderlich seien. Im Übrigen weist das Ministerium darauf hin, dass durch Schließung von Einrichtungen sowie eine geringere Zuteilung an die Kreise die durchschnittliche Belegung seit Jahresbeginn 2017 auf über 50 Prozent gestiegen sei.

Das Ministerium ist der Auffassung, dass die vorhandenen gesetzlichen Regelungen dank der 2015 und 2016 auch genutzten Öffnungsklauseln bereits hinreichend flexibel seien.

5 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof bleibt bei seiner Auffassung, dass die gesetzlichen Regelungen keinen ausreichenden Handlungsspielraum eröffnen. Vorschriften müssen auch in außergewöhnlichen Situationen eingehalten werden können. Die Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes konnten die Flüchtlingskrise nur dank eines überobligatorischen Einsatzes bewältigen.


Was wurde aus dem Beitrag?

Die parlamentarische Behandlung finden Sie hier


Anhänge

Einzelplan 08: Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz

Die Erträge aus forstuntypischen Nebennutzungen, Vermietung und Verpachtung, sind vom Wirtschaftsbetrieb Forst zu trennen und vollständig als Einnahmen im Staatshaushaltsplan auszuweisen.

Die Verwaltung nicht-forstlicher Nutzungen ist unzureichend und sollte zu einem Management nicht-forstlicher Nutzungen aufgebaut werden. Hierzu muss die IT-Unterstützung verbessert und ein Controlling als eigener Bereich eingeführt werden.

Entgelte sollten systematisch und transparent festgelegt und zeitnah angepasst werden.


1 Ausgangslage

Der Landesbetrieb Forst Baden-Württemberg (ForstBW) bewirtschaftet den Staatswald und verwaltet unter anderem alle Nutzungen der Grundstücke, die in seiner Verantwortung stehen. Dabei handelt es sich um Nutzungsarten, wie z. B. die Vermietung von Wohnungen und Hütten, die Verpachtung von Grundstücken zum Betrieb von Steinbrüchen und Deponien, die Gestattung des Baus und Betriebs von Windenergie- und Funkanlagen.

ForstBW wählt die Vertragspartner aus, entscheidet über den Inhalt der Verträge und wickelt die Aufgaben im laufenden Vertragsverhältnis ab. Dazu gehört auch, die Nutzungsentgelte zu vereinbaren, einzunehmen, zu buchen und anzupassen.

Die zu schließenden Verträge sind meist Dauerschuldverhältnisse. Sie sind unter dem Gesichtspunkt langer Bindung, möglicher Preisentwicklung, Haftung, Beendigung usw. zu schließen und dauerhaft zu verwalten.

Die Erträge aus den geprüften Nutzungen stiegen in den letzten Jahren stetig und lagen 2015 etwa bei 9 Mio. Euro.

Beitrag 10 Tabelle 1

Die Erträge werden - insbesondere wegen des Ausbaus der Windkraft auf Forstflächen - weiter steigen.

Der Landesbetrieb ForstBW verfügt über kein in Stellenplänen geführtes Personal. Für den Landesbetrieb wird Personal aus Kapitel 0801, 0831, 0306, 0307 sowie der Unteren Forstbehörden bei den Stadt- und Landkreisen tätig.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Darstellung und Verwendung von Erträgen

ForstBW stellt als Landesbetrieb einen Wirtschaftsplan auf. Der Saldo aus den geplanten Erträgen und den geplanten Aufwendungen stellt die Basis für den Zuführungs-/Ablieferungsbetrag dar, der in den Staatshaushaltsplan aufgenommen wird.

In seinen Wirtschaftsplänen hat ForstBW die Erträge für nicht-forstliche Nutzungen sehr zurückhaltend und damit im Ergebnis deutlich zu niedrig ausgewiesen. Die tatsächlich erzielten Erträge waren 2013 bis 2015 jährlich um 2,4 Mio. Euro bis 3,5 Mio. Euro höher als in den Erläuterungen zum Erfolgsplan dargestellt.

Im letzten von der Finanzkontrolle betrachteten Jahr waren die Einnahmen tatsächlich mehr als 40 Prozent höher als die im Wirtschaftsplan dargestellten zu erwartenden Einnahmen.

Beitrag 10 Tabelle 2

Die gegenüber der Planung höheren tatsächlichen Erträge flossen entsprechend der für Landesbetriebe geltenden Systematik im jeweiligen Jahr nicht dem Landeshaushalt zu, Sie verblieben bei ForstBW und wurden als erwirtschaftete Überschüsse ausgewiesen. Der Landesbetrieb konnte sie für Mehrausgaben gegenüber dem Wirtschaftsplan im laufenden Jahr oder zum Aufbau von Rücklagen verwenden.

Im Staatshaushaltsplan 2017 weist das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz in den Erläuterungen zu den kumulierten Positionen des Wirtschaftsplans das vorläufige Ist-Ergebnis für das vorletzte Jahr aus. Außerdem weist der Wirtschaftsplan eine Auflösung von Rücklagen aus. Aber auch für diesen Haushaltsplan wurden die Einnahmen zu niedrig geplant, nämlich um 1,5 Mio. Euro.

Soweit es sich bei den Erträgen des Landesbetriebs um Erlöse aus forstuntypischen Nebennutzungen oder dauerhafter Vermietung und Verpachtung handelt, ist die Zuordnung zum Landesbetrieb systemwidrig. Die Einnahmen daraus sind dem Landeshaushalt vollständig zuzuführen.

2.2 Management nicht-forstlicher Nutzungen

2.2.1 IT-Unterstützung

ForstBW erfasst die Vertragsverhältnisse in seinem IT-Fachverfahren FOKUS2000. Dieses ist jedoch für ein aktives Management nur bedingt geeignet. Die Daten aus verschiedenen Quellen müssen manuell abgeglichen und zusammengestellt werden.

ForstBW hat bisher keine systematische Übersicht über die landesweit bestehenden Pachtverträge bei nicht-forstlichen Nutzungen. Das Fachverfahren weist 6.000 Vertragsverhältnisse aus. Die Daten sind jedoch nicht verlässlich. Teilweise sind ungültige Verträge nicht als solche gekennzeichnet. Verträge mit wechselnden Zahlbeträgen sind nicht erfasst. Zum Beispiel sind nur 26 von 63 Pachtverträgen für Steinbrüche erfasst, obwohl diese mit hohen Erlösen verbunden sind.

Das für die Buchung der Erlöse zur Verfügung stehende Gliederungssystem nach Vertragstypen ist ungeeignet. In einzelnen Bereichen ist es sehr detailliert. Die wichtigsten nicht-forstlichen Nutzungsarten wurden hingegen nur unter einem Sammelposten erfasst, wie z. B. die Verpachtung von Grundstücken zum Betrieb von Steinbrüchen oder die Gestattung des Baus und Betriebs von Windenergie- und Funkanlagen. Bei wirtschaftlichen Hauptfällen ist besser zu differenzieren.

Auch Verwaltungskosten sind mit der derzeitigen Struktur der Kosten- und Leistungsrechnung nicht ermittelbar.

Das Fachverfahren verfügt zudem weder über eine systematische Überwachung, noch besteht ein Überblick über die Laufzeiten und Anpassungsfristen für Entgelte.

Eine systematische Übersicht über alle geltenden Verträge und ihre finanzielle Bedeutung, Laufzeit usw. ist Voraussetzung für ein effizientes Management.

2.2.2 Controlling

Die bei ForstBW vorhandenen Controllinginstrumente beziehen sich auf die Holzproduktion und die Betreuung des Waldes.

Das Interesse von ForstBW in Bezug auf die nicht-forstlichen Nutzungen ging bisher nicht über die Abwicklung der Einzelverträge hinaus. Die Systeme sind nicht auf die Auswertung dieser Nutzungen ausgerichtet. Es gibt diesbezüglich keine regelmäßigen und standardisierten Berichte. Für eine effiziente Bewirtschaftung der Grundstücke liegen deshalb dafür keine geeigneten Kennzahlen vor.

Außerdem werden die Erlöse bei der Buchung oft fehlerhaft zugeordnet. Dies reichte bis zu 58 Prozent des jeweiligen Jahresbetrags. Auswertungen dieser Daten bilden daher die wirklichen Verhältnisse für die Steuerung nicht ausreichend ab.

2.3 Entgelte

Bei den vereinbarten Entgelten war teilweise nicht dokumentiert und somit nicht nachvollziehbar, ob sie marktgerecht ermittelt wurden.

Kennzahlen oder zumindest dokumentierte Erfahrungswerte für eine optimale Preisgestaltung fehlen. Damit ist nicht gewährleistet, dass Vermögensgegenstände des Landes nur zu ihrem vollen Wert zur Nutzung überlassen werden.

Entgelte können nach den vertraglichen Regelungen meistens nach einer bestimmten Anzahl von Jahren oder anhand von indexabhängigen Klauseln geprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Die Sachbearbeiter für die jeweilige Nutzungsart überwachen die Anpassungen mit manuell geführten Excel-Tabellen.

Entgelte wurden jedoch teilweise nicht oder verspätet angepasst. Zudem waren Entgeltanpassungen oft nicht nachvollziehbar dokumentiert.

Die Verträge weisen meist lange Laufzeiten auf. Nur wenn Entgeltanpassungsklauseln konsequent angewandt und automatisch, systematisch überwacht werden, können die möglichen Einnahmen erzielt werden. ForstBW geht dabei nicht konsequent vor.

3 Empfehlungen

3.1 Einnahmen aus forstuntypischen Nutzungen, Vermietung und Verpachtung im Landeshaushalt getrennt ausweisen

Die Erlöse aus der Überlassung von Landesgrundstücken zur langfristigen nicht-forstlichen Nutzung durch Dritte (wie z. B. Windkraftanlagen, Steinbrüche) sind bekannt und daher in realistischer Höhe zu planen. Sie sind ebenso wie die forstuntypischen Nebennutzungen im Landeshaushalt vom Wirtschaftsbetrieb Forst zu trennen.

Für sie ist bei Kapitel 0833 ein gesonderter Titel neben dem Titel für den Zuführungs-/Ablieferungsbetrag ForstBW auszuweisen. Höhere Ist-Beträge gehen dann in die Haushaltsrechnung ein und stehen dem Landeshaushalt unmittelbar zur Verfügung.

3.2 Management für nicht-forstliche Nutzungen aufbauen

3.2.1 IT-Unterstützung verbessern

Die Verwaltung nicht-forstlicher Nutzungen sollte zu einem Management aufgebaut werden. Das IT-Fachverfahren ist dafür entsprechend anzupassen. Es sollte eine Übersicht über alle bestehenden Vertragsverhältnisse herstellen und diese im Zuge der Vertragsbearbeitung fortschreiben. Für die einzelnen Nutzungsarten sollte es Kennzahlen bieten. Es sollte Entgeltanpassungen unterstützen.

Vertragstypen und Erlösarten sind so zu gliedern, dass sie klar und aussagekräftig sind. Hierzu ist auch die Struktur der Kosten- und Leistungsrechnung zu überarbeiten. Sie sollte so gestaltet sein, dass die Verwaltungskosten aller am Prozess beteiligten Ebenen ermittelt und ausgewiesen werden können.

3.2.2 Nicht-forstliche Nutzungen im Controlling berücksichtigen

Die nicht-forstlichen Nutzungen sollten als eigener Bereich im vorhandenen Controlling von ForstBW aufgebaut werden. Es sind konkrete Vorschläge für notwendige Auswertungen und Berichte zu erarbeiten und landesweit festzulegen, um eine wirtschaftliche Vorgehensweise zu unterstützen.

3.3 Entgelte marktgerecht gestalten

ForstBW muss bei seinen Verträgen sicherstellen, dass mit den jeweils angewandten Verfahren ein marktgerechtes Entgelt vereinbart wird. Dies muss auch im Einzelfall nachvollziehbar dokumentiert werden.

Entgeltanpassungen müssen regelmäßig geprüft und wenn möglich vorgenommen werden. Dies sollte das IT-Fachverfahren unterstützen. Der gesamte Vorgang ist transparent zu dokumentieren.

Die Möglichkeit, für nicht kommerzielle Zwecke entgeltfreie Nutzungen zu gestatten, bleibt unberührt.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz betont, die betreffenden Nutzungen auf Waldflächen des Staatsforstvermögens seien essenzieller Bestandteil des Forstbetriebs. Deshalb sei die Ausweisung der damit verbundenen Einnahmen beim Landesbetrieb ForstBW systemimmanent und sachgerecht.

Das Ministerium trägt vor: „ForstBW ist als Landesbetrieb nach § 26 Landeshaushaltsordnung im Kapitel 0833 des Staatshaushaltsplans mit einem Ablieferungsbetrag veranschlagt. Erwirtschaftete Überschüsse, die vom Finanzministerium nicht zur Bildung betrieblich notwendiger Rücklagen genehmigt werden, fließen dem Landeshaushalt in voller Höhe zu. Da für den Forstbetrieb bisher keine Zuführungen vorgesehen sind, kann sich ForstBW entgegen der Darstellung des Rechnungshofs durch eine vorsichtige Veranschlagung potenzieller Einnahmen keine „Mittel verschaffen“. Die notwendigen Ressourcen müssen vielmehr in vollem Umfang von ForstBW selbst erwirtschaftet werden.

Das Ministerium ist der Auffassung, dass es im Interesse des Landeshaushalts richtig ist, über die Verwendung der Überschüsse, die über die in der Mittelfristigen Finanzplanung festgelegte Ablieferung hinausgehen, erst dann zu entscheiden, wenn diese tatsächlich erwirtschaftet wurden.

ForstBW legt dem Finanzministerium für jeden Jahresabschluss die vorgeschriebene Bilanz mit Gewinn- und Verlustrechnung zur Genehmigung vor.

Der Vorwurf, ForstBW hätte sich durch eine bewusst zu niedrige Einnahmeerwartung größere Spielräume in den Ausgaben verschafft, entbehrt jeder Grundlage und wird vom Ministerium entschieden zurückgewiesen. Der Landesbetrieb hält sich streng an die im Leitfaden für Landesbetriebe festgelegten Vorgaben und Abläufe.“

Weiter wird dargelegt, Entgeltanpassungen würden regelmäßig geprüft und gegebenenfalls vorgenommen. Das Ministerium wolle die Empfehlungen des Rechnungshofes hierzu ebenso wie zur Dokumentation, zum Controlling und zur Kosten- und Leistungsrechnung aufgreifen und bei der Weiterentwicklung der Fachverfahren bzw. im Zuge der anstehenden Gründung einer Anstalt des öffentlichen Rechts für den Staatswald umsetzen.


Was wurde aus dem Beitrag?

Die parlamentarische Behandlung finden Sie hier


Anhänge

Einzelplan 10: Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft

Die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg sollte zunächst die IT der Messnetze für Hochwasser, Radioaktivität und Luft zentral in ihrem Informationstechnischen Zentrum Umwelt koordinieren. Der Betrieb ihrer WAN-Netzinfrastruktur muss mit Sachmitteln und Personal der BITBW übertragen werden. Für das Luftmessnetz sollte ein Risiko- und Alarmsystem die manuelle Überwachung ersetzen.


1 Ausgangslage

Die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) betreibt im Rahmen ihrer Kompetenz landesweit Messnetze für Luft, Wasser, Boden und Radioaktivität. Sie sammelt Daten, bewertet diese und veröffentlicht sie im Internet.

Die mit informations- und kommunikationstechnischer Unterstützung betriebenen Messnetze für

  • Hochwasser (Hochwasservorhersagezentrale/Hochwasserlagezentrum),
  • Radioaktivität (Kernreaktor-Fernüberwachung) und
  • Luft

dienen der Daseinsvorsorge. Die weiteren Ausführungen beschränken sich auf diese Online-Messnetze.

Für die IT dieser Messnetze sind vorwiegend vier Referate aus drei Fachabteilungen zuständig. Als übergreifender IT-Dienstleister ist das Informationstechnische Zentrum Umwelt (ITZ) der LUBW tätig.

Das Gesetz zur Errichtung der Landesoberbehörde IT Baden-Württemberg (BITBWG) vom 12.05.2015 gibt auch der LUBW vor, ihre IT-Dienstleistun¬gen bis spätestens 2018 sowie die Entwicklung und Pflege der Informationstechnik der Fachverfahren bis spätestens 2021 bei der BITBW zu beauftragen. IT-Aufgaben waren bereits zum 01.07.2016 an die BITBW zu übergeben.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Überblick und Unterschiede der Online-Messnetze

Die IT der Messnetze wird in der LUBW von den jeweiligen Fachreferaten vorwiegend eigenständig betrieben. Nur in der Messnetzzentrale Luft (MNZ Luft) ist das ITZ in ersichtlichem Maße tätig.

Werden in den drei untersuchten Messnetzen Grenzwerte überschritten, hat dies insbesondere im Katastrophenfall unterschiedliche Auswirkungen und verlangt unterschiedliche Maßnahmen. Diese sind bei der Kernreaktor-Fernüberwachung (KFÜ) und Hochwasservorhersagezentrale (HVZ) bzw. dem Hochwasserlagezentrum (HLZ) stärker ausgeprägt als bei der MNZ Luft. Hauptaufgabe der MNZ Luft ist, die Öffentlichkeit über Schadstoffwerte in der Luft als Bestandteil der Gesundheitsvorsorge fortlaufend zu informieren.

KFÜ und HVZ/HLZ haben ein automatisiertes Risikomanagement- und Alarmierungssystem. Die MNZ Luft setzt für die manuelle Überwachung der eingehenden Messdaten eigenes Personal ein.

2.2 Einsparpotenzial im Luftmessnetz

Die manuelle Überwachung der online eingehenden Luftmessdaten wird in der MNZ Luft durch einen Zweischichtdienst in der Zeit von 6 Uhr bis 22 Uhr gewährleistet. Dieser ist an 7 Tagen in der Woche besetzt. Darüber hinaus sind an den Wochentagen teilweise zwei weitere Mitarbeiter im Tagesdienst tätig. Diese Überwachung schließt im Anschluss auch eine manuelle Qualitätskontrolle der Daten ein.

Nach einer Berechnung des Rechnungshofs wendet die LUBW im Ergebnis rund 427.000 Euro für die manuelle Überwachung und Bewertung der Daten des Luftmessnetzes auf. Dies entspricht auf der Grundlage der VwV-Kosten-festlegung 4,3 Vollzeitäquivalenten und erscheint in Anbetracht des Technikeinsatzes und der geringen unmittelbaren Auswirkungen für die Daseinsvorsorge ungewöhnlich hoch.

2.3 IT-Koordination und Vertragsmanagement

Das ITZ betreibt das zentrale Rechenzentrum der LUBW. In die IT-tech-nische Unterstützung der Messnetze ist es nur in wenigen Bereichen eingebunden.

Die LUBW setzt im Bereich des Betriebs der Server und der IT-Infrastruktur der Messnetze viele verschiedene externe Partner ein. Gleichartige Services werden durch unterschiedliche Partner erbracht. So sind zum Beispiel von den Messnetz-Referaten der LUBW zwei Webserver bei unterschiedlichen Unternehmen angemietet. Nach Angaben der LUBW ist jedoch das ITZ für den Betrieb von Webservern innerhalb der LUBW zuständig. Dennoch hat eine Koordination durch das ITZ ebenso wenig stattgefunden wie eine mögliche Konsolidierung.

Die Erfassung der in den Messnetzen aufgetretenen IT-Störungen erfolgt uneinheitlich. Die Messnetz-Referate nutzen unterschiedliche IT-Systeme zur Dokumentation der Störungen. Teilweise werden sie aber auch nicht in einem solchen System erfasst. Das verstößt gegen die Grundsätze eines konsistenten IT-Service-Managements, wie sie z. B. in den Dokumenten der IT Infrastructure Library (ITIL) beschrieben sind.

Vertragsunterlagen in der LUBW sind oftmals nicht aktuell und vollständig. So hat der Rechnungshof festgestellt, dass sowohl Veränderungen in der Leistungsbandbreite als auch der Vergütungsvereinbarungen in zwei Verträgen nicht dokumentiert worden sind. Unterlagen, die die aktuelle Leistung und Gegenleistung beschreiben, konnten hierfür nicht bereitgestellt werden.

2.4 Informationssicherheit

2013 startete das Pilotprojekt „IT-Grundschutz in der KFÜ“. Ein Abschlussbericht aus 2014 liegt vor. Die Einführung eines Informationssicherheitssystems in der HVZ und MNZ Luft erfolgte seither nicht.

Die LUBW argumentiert mit neuen Standards des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik, die im April 2017 noch in Arbeit waren. Selbst wenn diese andere Anforderungen an die Informationssicherheit stellen, rechtfertigt dies nicht, bisherige Standards nicht umzusetzen.

2.5 Kooperationen und IT-Fachverfahren

In den Messnetzen der KFÜ und insbesondere der HVZ werden viele individuell entwickelte Programme eingesetzt.

Dabei wird insbesondere im Bereich der HVZ auch auf Kooperationen in Form von Entwicklergemeinschaften mit anderen Ländern und Staaten zurückgegriffen. Dies führt zu niedrigeren Kosten. In der MNZ Luft wird ein Standardprodukt verwendet. Von 2012 bis 2015 wurde es mit einem Aufwand von über 0,8 Mio. Euro gewartet und individuell weiterentwickelt. Kooperationen z. B. mit anderen Ländern finden jedoch nicht statt.

Es wird teilweise mit auf alten Programmiersprachen basierender Software (z. B. Fortran) gearbeitet. Des Weiteren ist eine große Vielfalt an Programmiersprachen im Einsatz. Dies kann Risiken in Bezug auf die Sicherheit, die Weiterentwicklung sowie Zukunftsfähigkeit der Systeme beinhalten.

Die Vielfalt der in der LUBW verwendeten Datenbank-Produkte ist sehr groß. Da das Know-how auf eine breite Basis gestellt werden muss, erhöht sich der Administrationsaufwand. Die Anforderungen an internes Personal steigen. Dies könnte ein Grund für die Inanspruchnahme spezialisierter externer IT-Dienstleister sein.

2.6 IT-Neuordnung und die Messnetze

Die LUBW betreibt derzeit über mehrere Standorte verteilt sowohl intern als auch bei externen Providern mehrere Firewalls und unterhält mehrere Zugänge ins Internet. Die Administration erfolgt sowohl durch eigene Mitarbeiter als auch externe Partner. Dies erhöht den Verwaltungs- und Administrationsaufwand und stellt ein Risiko für die Sicherheit dar.

Softwarelizenzen werden teilweise noch von den Referaten der Messnetze selbst verwaltet. Das ITZ übernimmt das Lizenzmanagement von in den Fachbereichen eingesetzter Software nicht in vollem Umfang.

Der Betrieb der Netze sowie das Lizenzmanagement sind seit 01.07.2016 gesetzliche Aufgabe der BITBW. Diese Aufgaben müssten deshalb bereits auf die BITBW übergegangen und dafür ein ausreichender Ressourcenausgleich geschaffen worden sein. Dies ist bislang nur in Teilen erfolgt.

Die Messdaten werden über im Land verteilte Messsonden erfasst. Die Daten werden zu den Rechenzentren in der LUBW mittels verschiedener Techniken übertragen. Zu einem großen Teil wird hierfür noch das ISDN-Netz genutzt. Nach den Plänen der Telekommunikationsanbieter soll dieses 2018 abgeschaltet werden. Die Messnetz-Bereiche haben bereits mit den Umstellungsarbeiten auf DSL oder andere alternative Techniken begonnen. Eine frühzeitige Umstellung auf DSL- oder vergleichbare Anschlüsse spart nicht nur Kosten, sondern sichert auch die Zukunftsfähigkeit der Anbindung der Systeme. Nach dem BITBWG ist der Betrieb der Telekommunikation (Wide Area Network (WAN)) eine IT-Aufgabe, welche der BITBW zufällt.

Die IT-Verarbeitung und -Speicherung der übermittelten Daten findet im räumlichen Verbund von Personal und Technik in den jeweiligen Organisationseinheiten der Messnetze statt. Die LUBW sieht dadurch die Verfügbarkeit der HVZ und KFÜ in Einsatzlagen gewährleistet.

2.7 Abgrenzung der Zuständigkeit für die Netze der LUBW

Der Betrieb der Messsonden, der IT-Infrastruktur in den Messstationen sowie der messnetzpunktnahen Netze ist überwiegend fachlich geprägt. Die entsprechenden Fachbereiche sowie andere Einheiten setzen hierfür vorwiegend zu einem geringeren Anteil eigenes Personal ein. Der Rechnungshof sieht in einer Übernahme des Betriebs dieser Infrastrukturen durch die BITBW kein Verbesserungspotenzial.

2.8 Kosten- und Leistungsrechnung

Die LUBW setzt über 150 Fachprodukte in der Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) ein. Im Bereich der Messnetze steht nur ein IT-Fachprodukt zur Verfügung. Auf dieses werden jedoch auch Nicht-IT-Tätigkeiten verbucht. Eine eindeutige Zuordnung der IT-Arbeiten und der dementsprechend angefallenen Kosten ist deshalb aus dem KLR-System nicht möglich.

Solide Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen für IT-Aufwand und Kalkulation von erbrachten IT-Dienstleistungen für Kunden außerhalb der Landesverwaltung sind somit nicht möglich. Ob die dafür gezahlten Vergütungen kostendeckend sind, ist nicht feststellbar.

3 Empfehlungen

3.1 Risikomanagement- und Alarmierungssystem im Luftmessnetz einführen

Bei der MNZ Luft sollte zur Kostenreduzierung ein IT-basiertes Risikomanagement-System in Verbindung mit einem Alarmierungssystem eingeführt werden. Die Kosten für Entwicklung, Pflege und Betrieb dieser Systeme könnten dauerhaft refinanziert werden, indem nach deren Einführung mindestens zwei Vollzeitäquivalente wegfallen.

3.2 IT koordinieren und Verträge managen

Soweit nicht systemtechnisch bedingt, sollte die LUBW organisationsübergreifend einheitliche Produkte einsetzen. Wartungsverträge sollten soweit wie möglich auf wenige Spezialanbieter reduziert werden. Landesausschreibungen sollten genutzt werden.

Das ITZ sollte die Koordination von IT-Prozessen in der LUBW übernehmen. Es sollte dafür Sorge tragen, dass IT-Aufgaben möglichst bald zur BITBW übergehen. Es sollte als zentraler Ansprechpartner gegenüber der BITBW fungieren.

In Übereinstimmung mit der BITBW sollte ein konsistentes IT-Service-Management eingeführt werden.

Die LUBW sollte bestehende IT-Verträge einer Qualitätssicherung unterziehen sowie für eine Konsolidierung sorgen. IT-Dienstleistungen sollten frühzeitig bei der BITBW beauftragt werden.

3.3 Informationssicherheit weiterführen

Die Informationssicherheit ist insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge von zentraler Bedeutung. Sie sollte in den Messnetzen der HVZ und MNZ Luft etabliert sowie in der KFÜ fortgeschrieben werden.

3.4 IT-Fachverfahren analysieren und Kooperationen fördern

Die Vielzahl der für IT-Fachverfahren in den Messnetzen eingesetzten Programmiersprachen und Datenbanken sollten von der LUBW analysiert werden. Risiken sollten gegebenenfalls minimiert und Standards der Landes-IT umgesetzt werden. Ausnahmen davon sollten nur bei länderübergreifenden Kooperationen zulässig sein. Letztere sollten initiiert und weiter unterstützt werden.

3.5 IT der Messnetze ordnen und auf BITBW übertragen

Die LUBW sollte den Betrieb von Netzinfrastrukturen mit Weitverkehrscharakter umgehend an die BITBW übertragen und für einen ausreichenden Ressourcenübergang (Sachmittel und Personal) zusammen mit dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft sorgen. Zu diesen Netzinfrastrukturen gehören insbesondere die Firewalls sowie die Telekommunikations- bzw. Datenfernübertragungsleitungen von den Messstationen zu den Rechenzentren.

Bis zur Übernahme dieser IT-Aufgaben durch die BITBW sollte die Umstellung der ISDN-Anschlüsse weiter zügig vorgenommen sowie in Abstimmung mit der BITBW Einsparpotenzial genutzt werden.

Für den zukünftigen Betrieb der IT-Infrastrukturen und -Fachverfahren sollten die LUBW und die BITBW sachgerechte IT-Architekturen finden. Dabei sollte die geplante Konsolidierung der LUBW an einem Standort in Karlsruhe besonders berücksichtigt werden.

3.6 Kosten- und Leistungsrechnung ausbauen

Nach den anstehenden Aufgabenverlagerungen bzw. Beauftragungen hin zur BITBW sollte die LUBW durch die Einführung von IT-Fachprodukten in der KLR für eine eindeutige Zuordnung der IT-Arbeiten und der dementsprechend angefallenen Kosten sorgen.

4 Stellungnahme der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg

Die LUBW teilt im Einvernehmen mit dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft mit, dass der gewählte Weg, die IT der Messnetze in den Fachbereichen zu belassen und nicht in das ITZ zu verlagern, fachlich begründet und auch kostengünstiger sei.

Nachdem 2014 das System zur Überwachung der Luftmessdaten eingeführt wurde, würde derzeit an einem Risikomanagement- und Alarmierungssystem in der MNZ Luft gearbeitet. Nach dessen Einführung könne auf den derzeitigen Schichtbetrieb verzichtet werden.

Die LUBW führt weiter aus, dass vermeintlich gleichartige Dienstleistungen in den Messnetzen unterschiedlich stark ausgeprägt sein müssten, zum Beispiel die Anforderungen an die Reaktionszeiten des Dienstleisters. Gemeinsame Ausschreibungen seien deshalb nur bedingt möglich.

Störungen in den Messnetzen würden in den einzelnen Arbeitsbereichen adäquat dokumentiert. Ein gemeinsames Ticketsystem für Hard- und Software würde den Detaillierungsgrad der derzeitigen Systeme senken.

Zahlungen würden regelmäßig auf der Grundlage aktueller Unterlagen geleistet. Altverträge mit längeren Laufzeiten würden zeitnah überprüft.

Für die HVZ und MNZ Luft solle mit den Arbeiten zur IT-Sicherheit 2017 bzw. Anfang 2018 begonnen werden.

Für das IT-System der MNZ Luft wolle die LUBW Kooperationen ausloten.

Die eingesetzten Programmiersprachen würden regelmäßig auf ihren Sinn überprüft. Alte Programmiersprachen, wie zum Beispiel Fortran, seien aber immer noch aktuell und geeignet.

Die LUBW teilte mit, es seien zwei Migrationsvereinbarungen mit der BITBW geschlossen worden, nach denen derzeit vorgegangen werde.

Noch vorhandene ISDN-Anschlüsse würden im Wesentlichen 2017 zukunftsfähig umgestellt werden.

Die KLR orientiere sich an den landesweiten Fachprodukten und sei bereits sehr stark aufgegliedert. Die LUBW lege den Schwerpunkt auf die Gesamtkosten von Fachanwendungen und nicht auf die anteiligen IT-Kosten. Nach Abschluss der Migration zur BITBW werde die LUBW ihre KLR-Strukturen im Hinblick auf IT-Kostenträger überprüfen.

5 Schlussbemerkung

Die Aussage der LUBW, dass der auf vier Referate aufgesplittete Betrieb der IT der Messnetze kostengünstiger als die Bündelung im hauseigenen Rechenzentrum sei, ist nicht nachvollziehbar. Ein zentraler Betrieb der IT ist heute wirtschaftlicher und technisch möglich, wie der zentrale Betrieb der IT der Polizei zeigt.

Gemeinsame Ausschreibungen, in denen gleichartige Basis-Dienst-leistungen in unterschiedlicher Dienstgüte ausgeschrieben werden, sind jederzeit möglich.

Die von der LUBW präferierte getrennte Dokumentation von Störungen und Änderungen der IT der Messnetze verhindert, dass Abhängigkeiten und gleichartige Fragestellungen der Systeme erkannt werden. Sie ist weder wirtschaftlich noch entspricht sie dem E-Government-Konzept Baden-Württemberg.


Was wurde aus dem Beitrag?

Die parlamentarische Behandlung finden Sie hier


Anhänge

Einzelplan 12: Allgemeine Finanzverwaltung

Die Arbeitsqualität der Finanzämter beim Festsetzen von Hinterziehungszinsen ist unzureichend. Selbst bei einer vorsichtigen Schätzung ist davon auszugehen, dass landesweit Zinsausfälle in zweistelliger Millionenhöhe eingetreten sind. Um die Arbeitsqualität zu verbessern, sollten die Veranlagungsstellen geschult und die IT-Unterstützung optimiert werden.


1 Ausgangslage

Hinterzogene Einkommensteuern sind nach § 235 Abgabenordnung zu verzinsen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige strafrechtlich belangt wird oder gegenüber dem Finanzamt mit strafbefreiender Wirkung Selbstanzeige erstattet. Der Zinssatz beträgt für jeden vollen Monat 0,5 Prozent der hinterzogenen Steuern. Der Zinslauf beginnt mit dem Eintritt der Steuerverkürzung. Er endet mit der Zahlung der hinterzogenen Steuern.

Hinterziehungszinsen sind sowohl auf die hinterzogenen Jahressteuern als auch auf hinterzogene Vorauszahlungen festzusetzen. Anzurechnen sind die Nachzahlungszinsen nach § 233a Abgabenordnung, soweit sie für denselben Zeitraum festgesetzt werden. Solche Zinsen fallen an, wenn Einkommensteuern mehr als 15 Monate nach Ablauf eines Veranlagungszeitraums nachgezahlt werden.

Auch hinterzogene Solidaritätszuschläge sind zu verzinsen.

Bei früheren Prüfungen hatte die Finanzkontrolle immer wieder festgestellt, dass Finanzämter hinterzogene Steuern nicht oder unzutreffend verzinst hatten. Der Rechnungshof untersuchte deshalb 2016 zusammen mit den staatlichen Rechnungsprüfungsämtern landesweit, wie die Steuerverwaltung Hinterziehungszinsen festsetzte.

Wir haben bei neun Finanzämtern insgesamt 167 Fälle geprüft, in denen zwischen 2012 und 2014 Einkommensteuern von mindestens 25.000 Euro hinterzogen wurden.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Festsetzung von Hinterziehungszinsen

In der nachfolgenden Tabelle sind die Zahl der geprüften und der beanstandeten Fälle, die Fehlerquote sowie der Zinsausfall dargestellt. Sie gliedert zudem die Beanstandungen in Fehler bei der Verzinsung der Vorauszahlungen und bei der Verzinsung der Jahresbeträge auf.

Beitrag 12 Tabelle

In allen untersuchten 167 Fällen war die Festsetzung der Hinterziehungszinsen zu beanstanden. Der dadurch eingetretene Zinsausfall beträgt 1,3 Mio. Euro.

In diesen Fällen versäumten die Finanzämter fast ausnahmslos, Zinsen auf hinterzogene Vorauszahlungen festzusetzen. Der Ausfall beträgt insoweit 1,1 Mio. Euro. In mehr als 60 Prozent der untersuchten Fälle hatten die Finanzämter auch die hinterzogenen Jahresbeträge an Einkommensteuern und an Solidaritätszuschlägen überwiegend nicht und im Übrigen fehlerhaft verzinst. Der dadurch eingetretene Zinsausfall beträgt 0,2 Mio. Euro. Falsche Zinsfestsetzungen beruhten überwiegend auf unzutreffend ermittelten Zinszeiträumen oder auf der fehlerhaften Anrechnung von Nachzahlungszinsen.

2.2 IT-Unterstützung

Zinsen auf hinterzogene Einkommensteuern und Solidaritätszuschläge müssen regelmäßig für bis zu zehn Veranlagungszeiträume ermittelt werden. Die Berechnung ist aufwendig. Den Finanzämtern steht hierfür keine hinreichende IT-Unterstützung zur Verfügung.

Für Hinterziehungszinsen gibt es zwar ein elektronisches Formular. Die für die Zinsberechnung erforderlichen umfangreichen Daten müssen aber von den Bediensteten weitgehend selbst ohne technische Unterstützung ermittelt und eingegeben werden.

Durch ein weiteres elektronisches Formular wird seit Mai 2016 die Berechnung der anzurechnenden Nachzahlungszinsen unterstützt. Aber auch die hierzu notwendigen Daten müssen vom Bearbeiter ermittelt und eingegeben werden.

Eines der geprüften Finanzämter setzt eine selbstentwickelte elektronische Arbeitshilfe ein. Mit dieser können Hinterziehungszinsen sowohl auf hinterzogene Jahresbeträge als auch auf hinterzogene Vorauszahlungen weitgehend maschinell berechnet werden.

2.3 Maßnahmen der Oberfinanzdirektion Karlsruhe

Die Oberfinanzdirektion Karlsruhe thematisierte die Festsetzung von Hinterziehungszinsen gegenüber den Finanzämtern mehrfach. Sie wies in verschiedenen Niederschriften und Verfügungen auf die geltende Rechtslage hin und erörterte mögliche Fallkonstellationen. Flächendeckende Schulungen der Bediensteten fanden bisher jedoch nicht statt.

2.4 Informationsaustausch zwischen Straf- und Bußgeldsachenstellen und Veranlagungsstellen

Die Straf- und Bußgeldsachenstellen informieren die Veranlagungsstellen mittels elektronischer Vordrucke, wenn sie ein Strafverfahren einleiten oder ein solches abschließen. Diese Vordrucke enthalten standardmäßig einen Textbaustein mit dem Hinweis, dass Hinterziehungszinsen festzusetzen sind.

In zahlreichen Fällen hatten die Straf- und Bußgeldsachenstellen diesen Textbaustein aus dem Vordruck entfernt. So erhielten die Veranlagungsstellen lediglich in zwei Dritteln der von uns hierzu untersuchten Fällen überhaupt einen solchen Hinweis.

Der entsprechende Textbaustein weist nur allgemein auf Hinterziehungszinsen hin. Dass solche Zinsen auch auf hinterzogene Vorauszahlungen festzusetzen sind, ist nicht ausdrücklich erwähnt. Zur Verzinsung der Solidaritätszuschläge sieht lediglich der Vordruck über die Einleitung des Strafverfahrens einen Hinweis vor.

2.5 Landesweite Bedeutung der Ergebnisse

Zwischen 2010 und 2014 haben sich bei den Finanzämtern in Baden-Württemberg zahlreiche Steuerpflichtige selbst angezeigt. Allein wegen Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit Kapitalanlagen in der Schweiz und in Liechtenstein gingen landesweit mehr als 26.000 Selbstanzeigen ein. Das Ministerium für Finanzen schätzt die in diesen Fällen hinterzogenen Steuern auf mehr als 600 Mio. Euro.

In den geprüften 167 Fällen hatten die Steuerpflichtigen Einkommensteuern und Solidaritätszuschläge von insgesamt 19,8 Mio. Euro hinterzogen. Die in diesen Fällen nicht festgesetzten Hinterziehungszinsen beliefen sich auf 1,3 Mio. Euro.

Das finanzielle Ergebnis unserer Prüfung lässt sich zwar nicht im Wege einer Hochrechnung auf alle Fälle mit Steuerhinterziehung übertragen. Vor dem oben dargestellten Hintergrund ist dennoch - selbst bei einer vorsichtigen Schätzung - davon auszugehen, dass landesweit Zinsausfälle in zweistelliger Millionenhöhe eingetreten sind.

3 Empfehlungen

Der Rechnungshof empfiehlt, bei hinterzogenen Steuern die gesetzlich vorgesehenen Hinterziehungszinsen vollständig und richtig zu erheben. Im Einzelnen sollte die Steuerverwaltung folgende Maßnahmen ergreifen.

3.1 Zinsfestsetzung in nicht verjährten Fällen prüfen

Aufgrund der zu erwartenden hohen finanziellen Auswirkung sollte in allen noch nicht verjährten Fällen geprüft werden, ob noch Hinterziehungszinsen festzusetzen sind. Bestehende Zinsansprüche sollten die Finanzämter rechtzeitig vor Eintritt der Festsetzungsverjährung realisieren.

3.2 Bedienstete der Veranlagungsstellen schulen

Die Bediensteten der Veranlagungsstellen sollten zur Festsetzung von Hinterziehungszinsen, insbesondere hinsichtlich Vorauszahlungen, geschult werden. Die Thematik sollte außerdem in einem Leitfaden zusammenfassend dargestellt werden.

3.3 IT-Unterstützung optimieren

Die Berechnung und Festsetzung der Zinsen sollte weitestgehend automatisiert werden. Grundlage hierfür könnte die von einem Finanzamt bereits entwickelte elektronische Arbeitshilfe sein.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Ministerium für Finanzen erhebt gegen die Feststellungen und Empfehlungen des Rechnungshofs keine Bedenken.

Es teilt mit, die Finanzämter seien im November 2016 angewiesen worden, verjährungsbedrohte Fälle noch vor Ablauf 2016 zu erledigen.

Die Oberfinanzdirektion Karlsruhe arbeite kontinuierlich daran, bei den Finanzämtern die Bedeutung der Hinterziehungszinsen hervorzuheben. Geplant sei, die Festsetzung von Hinterziehungszinsen bei den Fachbesprechungen 2017 als Themenpunkt fortzubilden.

Das von einem Finanzamt verwendete Tabellenkalkulationsprogramm soll noch optimiert und anschließend bei sämtlichen Finanzämtern eingesetzt werden.

Die Vordrucke zum Informationsaustausch zwischen Straf- und Bußgeldsachenstellen und Veranlagungsstellen seien optimiert worden. Sie werden den Finanzämtern zum nächstmöglichen Termin zur Verfügung gestellt.


Was wurde aus dem Beitrag?

Die parlamentarische Behandlung finden Sie hier


Anhänge

Das Eigenkapital der Spielbankengesellschaft ist zu hoch. Das Land sollte deshalb dem Unternehmen mindestens 5 Mio. Euro entnehmen und dem Landeshaushalt zuführen.

Die Tarif- und Vergütungsstrukturen für das Personal an den drei Spielbankstandorten sollten vereinheitlicht und dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder angeglichen werden. Dadurch ließen sich Personalkosten von 2 Mio. Euro jährlich einsparen.


1 Ausgangslage

Die Baden-Württembergische Spielbanken GmbH & Co. KG (Spielbankengesellschaft) betreibt die Spielbanken in Baden-Baden, Konstanz und Stuttgart. Alle Gesellschaftsanteile gehören dem Land Baden-Württemberg. Bis 2003 wurden die Spielbanken in Baden-Baden und Konstanz mehrheitlich von privaten Gesellschaftern beherrscht. Das Land hielt damals nur 10 Prozent der Anteile.

In jeder der drei Spielbanken werden das Klassische Spiel (Roulette und Kartenspiele, beispielsweise Black Jack, Poker) und das Automatenspiel angeboten. Die Spielbankengesellschaft erzielte in den Geschäftsjahren 2008 bis 2015 Bruttospielerträge von durchschnittlich 70 Mio. Euro (2015: 78 Mio. Euro). Hieraus flossen 34 Mio. Euro als direkte Abgaben an das Land (2015: 36 Mio. Euro).

Im bundesweiten Ranking der Spielbanken (Bruttospielerträge) ist die Spielbank Stuttgart sehr erfolgreich und regelmäßig unter den ersten drei platziert. Auch die Standorte Baden-Baden und Konstanz rangieren in der Regel auf den ersten zehn Plätzen.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Cash-Management

Die Gesellschaft unterhält für jeden Standort bei unterschiedlichen Kreditinstituten getrennt geführte Girokonten. Auf diesen Konten wird stets ein Sockelbetrag von insgesamt 4,5 Mio. Euro vorgehalten.

Würden sämtliche Geldgeschäfte über ein einziges Konto abgewickelt, wäre das Cash-Management wesentlich einfacher. Außerdem könnte der Sockelbetrag des Kontos um mindestens 2,0 Mio. Euro auf 2,5 Mio. Euro reduziert werden. Engpässe schließen wir schon deshalb aus, weil in der Vergangenheit stets ein Sockelbetrag von weniger als 2,5 Mio. Euro ausgereicht hätte. Zudem werden in den Spielbanken Kassenbestände in einstelliger Millionenhöhe vorgehalten. Damit dürfte die jederzeitige Auszahlung der Spielgewinne gesichert sein.

Wenn das Cash-Management kurzfristig nicht auf ein einziges Girokonto umgestellt werden kann, käme das sogenannte Cash-Pooling in Betracht. Dabei werden die einzelnen Konten faktisch wie ein Konto betrachtet und geführt. Auch durch das Cash-Pooling könnte der Sockelbetrag auf insgesamt 2,5 Mio. Euro reduziert werden.

Das Ministerium für Finanzen hat inzwischen mitgeteilt, die Spielbankengesellschaft habe nahezu alle Zahlungsströme zentralisiert; die Girokonten würden mittlerweile täglich überwacht und ausgeglichen. Dies kann allerdings nur die erste Maßnahme sein, um das Cash-Management zu optimieren.

2.2 Kapitalausstattung

Das Eigenkapital der Spielbankengesellschaft stieg von 2008 bis 2015 um 5,5 Mio. Euro auf 20,7 Mio. Euro. Dies entspricht einer Eigenkapitalquote von 58,2 Prozent (2015).

Betriebswirtschaftlich relevante Gründe für diese außerordentlich üppige Kapitalausstattung konnte uns das Ministerium nicht benennen.

Die gute Ertragslage ermöglichte es zudem, sämtliche Investitionen aus der laufenden Geschäftstätigkeit heraus zu finanzieren. Eine Kreditfinanzierung hat die Spielbankengesellschaft auch für künftige Investitionen nicht vorgesehen.

Wir haben festgestellt, dass die Liquiditätsreserven Ende 2015 um mindestens 8,6 Mio. Euro zu hoch angesetzt waren. Noch während unserer Prüfung - Mitte 2016 - hat das Ministerium veranlasst, dass eine Kapitalentnahme von 3,5 Mio. Euro beschlossen wurde. Die Auszahlung ist auf Anfang 2017 aufgeschoben worden. Dieser Zahlungsaufschub ist zu bemängeln, da keine sachlichen Gründe dafür vorlagen. Das Ministerium hat bereits zugesagt, künftig bei Beschlüssen über Kapitalentnahmen auf einen zeitnahen Vollzug zu achten.

Auch die Höhe der inzwischen vollzogenen Kapitalentnahme halten wir für nicht ausreichend. Die Spielbankengesellschaft verfügt noch immer über Mittel von mindestens 5,1 Mio. Euro, die nicht betriebsnotwendig sind. Unter kaufmännischen Gesichtspunkten ist es nicht zu rechtfertigen, der Gesellschaft diese Mittel zu belassen. Hierzu gehören insbesondere die für die folgenden Bereiche vorgehaltenen Liquiditätsreserven: Beim Cash-Management sinkt der Bedarf künftig um mindestens 2 Mio. Euro. Außerdem halten wir es nicht für vertretbar, dass Liquiditätsreserven von rund 3 Mio. Euro für Investitionen am Standort Konstanz vorgehalten werden. Es ist noch immer ungewiss, ob, in welcher Höhe und gegebenenfalls, wann die Investitionen realisiert werden können. Wird das Projekt tatsächlich realisiert, wären die benötigten Mittel aus dem laufenden Geschäft der Gesellschaft zu erwirtschaften. Dies wurde bei Investitionen in der Vergangenheit erfolgreich praktiziert. Eventuell verbleibende Finanzierungslücken wären durch Kredite zu finanzieren. Zudem zeichnet sich nach der Erfolgsplanung für 2017 ff. eine sehr positive Ertragsentwicklung ab.

Die mit der Kapitalentnahme verbundene Reduzierung der flüssigen Mittel halten wir auch deshalb für angezeigt, weil die Spielbankengesellschaft in 2017 mit Negativzinsen für ihre Geldanlagen rechnet.

Das Ministerium hat dafür zu sorgen, dass die überhöhten Liquiditätsreserven von mindestens 5,1 Mio. Euro zeitnah entnommen werden.

2.3 Personal

2.3.1 Tarifverträge

Für jeden der drei Spielbankstandorte gibt es einen eigenen Tarifvertrag mit unterschiedlichen Vergütungen und Tarifbedingungen. Dies ist in der Entstehungsgeschichte des Unternehmens begründet: Die Spielbankengesellschaft hat die Spielbanken in Baden-Baden und Konstanz erst 2003 übernommen. Sie konnte bisher mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di keinen Tarifvertrag abschließen, der für alle drei Spielbankstandorte gilt.

Schon aus verwaltungsökonomischen Gründen sollte für alle Standorte ein einheitlicher Tarifvertrag vereinbart werden.

2.3.2 Arbeitszeit

Ende 2015 verfügte das Unternehmen über 460 Vollzeitstellen. Annähernd 90 Prozent der Beschäftigten sind im Spielbetrieb in Wechselschichten eingesetzt. Die wöchentliche Arbeitszeit ist an allen drei Standorten gleich. Sie ist wie folgt festgelegt:

  • Beschäftigte im Spielbetrieb: 35 Wochenstunden,
  • Beschäftigte in Verwaltung und Haustechnik: 37,5 Wochenstunden.

Versuche der Geschäftsführung, im Zuge der Tarifverhandlungen die Arbeitszeit zu erhöhen, scheiterten bisher am Widerstand der Gewerkschaft.

Die Arbeitszeit der Spielbankbeschäftigten liegt deutlich unter der des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) von 39,5 Wochenstunden. Für Beschäftigte, die Schichtarbeit leisten (beispielsweise an Kliniken, psychiatrische Einrichtungen oder Theater), gilt hier eine Arbeitszeit von 38,5 Wochenstunden.

Die Staatliche Toto-Lotto GmbH hat schon länger die wöchentliche Arbeitszeit auf derzeit 39 Stunden erhöht. Auch die Spielbankengesellschaft fungiert als „verlängerter Arm des Landes“. Die Arbeitszeit sollte daher der des TV-L entsprechen.

Legt man die Kennzahl „Personalkosten je Vollzeitmitarbeiter“ zugrunde, könnten aufgrund der höheren Wochenarbeitszeit nach TV-L von 38,5 Stunden (Spielbetrieb) und 39,5 Stunden (Verwaltung und Haustechnik) Personalkosten von bis zu 2 Mio. Euro jährlich eingespart werden. Im Hinblick auf das gegenüber dem TV-L höhere Gehaltsniveau muss diese Arbeitszeiterhöhung ohne Lohnausgleich erfolgen.

2.3.3 Vergütung und weitere Tarifbedingungen

Die meisten Beschäftigten der Spielbanken sind als Croupiers eingesetzt. Auf sie entfallen 60 Prozent aller Vollzeitstellen. Da auf diese Gruppe auch der Großteil des Personalaufwands entfällt, haben wir deren Vergütungsstruktur exemplarisch untersucht.

Die tarifliche Grundvergütung für Croupiers ist verglichen mit dem TV-L relativ hoch. Die Eingangsvergütung von erfahrenen Croupiers ist sogar höher als die Eingangsvergütung der TV-L-Qualifikationsgruppe, für die ein Bachelor-Abschluss vorausgesetzt wird. Und dies gilt, obwohl für eine Tätigkeit als Croupier nicht einmal eine 3-jährige Berufsausbildung verlangt wird.

Wir verkennen nicht, dass das Berufsbild eines Croupiers im öffentlichen Dienst eher ungewöhnlich ist. Doch auch im öffentlichen Dienst gibt es Berufe außerhalb der klassischen Verwaltungstätigkeit. Deren Gehaltsgefüge richtet sich aber gleichwohl nach dem TV-L.

Außerdem haben wir festgestellt, dass für alle Beschäftigten die Jubiläumszahlungen, besondere Zuwendungen und die Regelungen für Arbeitsfreistellungen deutlich über den im TV-L festgelegten Werten liegen.

Das Gehaltsgefüge und die weiteren Tarifbedingungen der Spielbankengesellschaft sollten grundsätzlich denen des TV-L entsprechen. Auch bei der Staatliche Toto-Lotto GmbH hat sich das Ministerium für Finanzen für eine Angleichung an den TV-L bereits erfolgreich eingesetzt.

2.4 Sitz der Gesellschaft in Baden-Baden

Der Sitz der Spielbankengesellschaft ist Baden-Baden. Faktisch arbeiten jedoch der Geschäftsführer und die zentrale Verwaltung in Stuttgart, dem ertrags- und umsatzstärksten Standort. Dort werden die für das Unternehmen maßgeblichen Entscheidungen getroffen und die Geschäfte getätigt. In Baden-Baden hat der Geschäftsführer zwar ein Büro, das aber nach unseren Feststellungen kaum genutzt wird. Der Sitz - und damit verbunden die postalische Geschäftsadresse - in Baden-Baden verursacht insbesondere bei der Geschäftspost zusätzlichen Verwaltungsaufwand.

Den tatsächlichen Verhältnissen entsprechend sollte der Sitz der Gesellschaft in Stuttgart sein. Dadurch könnte Verwaltungsaufwand eingespart werden.

In Baden-Baden sind nicht alle für die Verwaltung angemieteten Räume notwendig. Das Unternehmen könnte die acht Beschäftigten auf einem Geschoss unterbringen. Eine Anmietung des zweiten Geschosses wäre dann verzichtbar. So könnten Kosten von rund 26.000 Euro jährlich eingespart werden.

2.5 Beteiligung an der Baden-Baden Kur & Tourismus GmbH

Die Spielbankengesellschaft ist mit 20 Prozent an der Baden-Baden Kur & Tourismus GmbH beteiligt. Mehrheitsgesellschafterin ist die Stadt Baden-Baden. Aufgrund einer Regelung im Gesellschaftsvertrag erbringt die Baden-Baden Kur & Tourismus GmbH Werbe- und andere Dienstleistungen für die Spielbankengesellschaft. Hierfür zahlt diese eine seit Jahren unveränderte Kostenpauschale.

Grundsätzlich halten wir die mit der Baden-Baden Kur & Tourismus GmbH abgestimmte Präsentation und Werbung für sachgerecht. Gleichwohl ist hierfür eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung entbehrlich.

Die Spielbankengesellschaft könnte sämtliche Werbeleistungen auch in einem Dienstleistungs- oder Kooperationsvertrag mit der Baden-Baden Kur & Tourismus GmbH vereinbaren. Dies könnte sogar kostengünstiger sein. Schließlich ist das Casino Baden-Baden auch für die Stadt Baden-Baden ein wichtiger Werbeträger und eine bedeutende Tourismusattraktion.

Da auch andere Aspekte eines Landesinteresses an der Minderheitsbeteiligung nicht erkennbar sind, sollte die Beteiligung aufgegeben werden.

3 Empfehlungen

3.1 Cash-Management optimieren

Das Cash-Management sollte so optimiert werden, dass die auf den Girokonten vorgehaltenen Mittel um mindestens 2 Mio. Euro reduziert werden können.

3.2 Kapitalausstattung reduzieren

Das Eigenkapital muss auf die betrieblichen Erfordernisse reduziert werden. Deshalb sind Mittel von mindestens 5 Mio. Euro zeitnah zu entnehmen und dem Landeshaushalt zuzuführen.

Das Ministerium für Finanzen hat darauf zu achten, dass die Kapitalausstattung kontinuierlich überprüft und angepasst wird. Künftig sollte die Auszahlung von beschlossenen Entnahmen zeitnah erfolgen.

3.3 Tarifbedingungen und Vergütungsstrukturen optimieren

3.3.1 Einheitlichen Tarifvertrag vereinbaren

Das Ministerium für Finanzen sollte darauf hinwirken, dass die Tarifbedingungen und Vergütungsstrukturen für alle Spielbankstandorte einheitlich geregelt werden.

3.3.2 Personalkosten senken

Das Ministerium sollte darauf hinwirken, dass die Arbeitszeit der Spielbankbeschäftigten an die höhere Arbeitszeit des TV-L angeglichen wird. Dadurch würden die Personalkosten um jährlich bis zu 2 Mio. Euro gesenkt.

Außerdem ist das Gehaltsgefüge der Spielbankbeschäftigten dem TV-L anzunähern. Schließlich sollten auch die Jubiläumszahlungen, besondere Zuwendungen und Arbeitsfreistellungen den Regelungen des TV-L angeglichen werden.

Das Ministerium sollte sich für diese Maßnahmen so nachhaltig einsetzen, wie es dies bereits bei der Staatliche Toto-Lotto GmbH erfolgreich getan hat.

3.4 Sitz der Gesellschaft verlegen

Der Sitz der Gesellschaft sollte nach Stuttgart verlegt werden. Die Büroräume eines zweiten Geschosses in Baden-Baden sind verzichtbar. So könnten Miet- und Verwaltungskosten eingespart werden.

3.5 Beteiligung an der Baden-Baden Kur & Tourismus GmbH aufgeben

Die Minderheitsbeteiligung an der Baden-Baden Kur & Tourismus GmbH sollte aufgegeben werden. Deren Werbeleistungen könnten auch über einen Dienstleistungs- oder Kooperationsvertrag bezogen werden.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Ministerium für Finanzen hält es nicht für realisierbar, sämtliche Zahlungen über ein einziges Girokonto abzuwickeln. Beim Cash-Pooling könne eine kurzfristige Inanspruchnahme der Kreditlinie nötig werden.

Auf den zeitnahen Vollzug der Kapitalentnahme werde künftig geachtet.

Das Ministerium räumt Liquiditätsreserven von rund 3 Mio. Euro ein. Diese seien jedoch nicht für eine Kapitalentnahme vorgesehen. Die Mittel sollen bei der Gesellschaft verbleiben, um für die immer konkreter werdenden Investitionen in Konstanz eingesetzt zu werden.

Die Spielbankengesellschaft werde weiterhin versuchen, eine wirtschaftlich vernünftige Vereinheitlichung der Tarifbedingungen und der Vergütungsstrukturen sowie eine schrittweise Erhöhung der Arbeitszeit mit einer zumindest teilweisen Anpassung der Tarifbedingungen an den TV-L zu erreichen.

Baden-Baden habe sich als Sitz der Gesellschaft bewährt. Die dort für die Verwaltung gemieteten Räume zu reduzieren, sei nicht möglich. Die Beteiligung an der Baden-Baden Kur & Tourismus GmbH sei aus unternehmerischer Sicht wichtig und daher beizubehalten.

5 Schlussbemerkung

Das Ministerium für Finanzen sollte darauf achten, dass die wirtschaftlichen Vorgaben für die Spielbankengesellschaft und die Strukturen für deren Beschäftigte in angemessenem Gleichklang mit den übrigen landeseigenen Unternehmen bleiben.


Was wurde aus dem Beitrag?

Die parlamentarische Behandlung finden Sie hier


Anhänge

Die Baukosten für den Neubau erhöhten sich um 25 Prozent auf mehr als 23 Mio. Euro. Verantwortlich hierfür war neben dem hohen architektonischen Anspruch auch die in Wahrheit nicht erforderliche Trennung des Gebäudes wegen der Teilfinanzierung aus Stiftungsgeldern. Das Gebäude wird im Betrieb und Unterhalt höhere Aufwendungen mit sich bringen als Gebäude vergleichbarer Nutzung.


1 Ausgangslage

Die Hochschule der Medien war bis 2014 an mehreren Standorten in Stuttgart untergebracht. So befand sich die Fakultät für Bibliotheks- und Informationswesen in der Stuttgarter Innenstadt. Um die gesamte Hochschule an einem Standort zusammenzuführen, wurde von 2011 bis 2014 in unmittelbarer Nachbarschaft zum Hauptgebäude der Hochschule für Druck und Medien auf dem Campus Stuttgart-Vaihingen ein Neubau realisiert. Der Neubau war vom Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg zunächst mit 18,5 Mio. Euro kalkuliert worden.

Das dreigeschossige Gebäude ist charakterisiert durch eine geschwungene architektonische Großform. Es hat eine Nutzfläche von 4.700 m². Im Erdgeschoss sind das Foyer sowie ein Tiefen-Hörsaal und die Bibliothek untergebracht. In den Obergeschossen befinden sich Seminar- und Institutsräume. Im Untergeschoss befinden sich Audio- und Video-Studios, Lüftungs- und Lagerräume und eine Geothermie-Anlage.

Beitrag 14 Abbildung 1

Die gebogene Glas-Metall-Fassade der Ost- und Westseite erstreckt sich über eine Länge von 200 m. Weitere 240 m Fassade wurden in den vier Innenhöfen realisiert. Dies ergibt für die Außen-Fassadenfläche insgesamt 4.400 m². Das Dach wurde als zweifach gekrümmtes und begrüntes Massivdach ausgeführt.

Die Baumaßnahme wurde zu drei Viertel aus dem Landeshaushalt und zu einem Viertel mit Mitteln der Landesstiftung Baden-Württemberg finanziert. Der mithilfe der Landesstiftung finanzierte südliche Gebäudeteil sollte nur für einen bestimmten Personenkreis zugänglich sein und wurde deshalb als autarke Funktionseinheit realisiert.

2 Prüfungsergebnisse

Die Baukosten erhöhten sich gegenüber der ursprünglichen Kalkulation um 25 Prozent auf mehr als 23 Mio. Euro. Der hohe architektonische Anspruch an den Neubau erzeugte überdurchschnittlich hohe Baukosten, die bei den Kostenermittlungen ausgeblendet wurden. Die Kostenermittlung war von Anfang an nicht belastbar. Es wurde versäumt, über Standardreduzierung oder Verzicht auf nicht funktionsnotwendige Leistungen die Kostenentwicklung einzufangen. Zusätzlich verschärfte die Insolvenz eines Unternehmens für Heizungs- und Lüftungsbau den Termin- und Kostendruck auf das Projekt.

2.1 Kostenentwicklung und ungenügende Projektsteuerung

Nach den Feststellungen des Rechnungshofs wurden die Kosten von vorneherein kleingerechnet, um die Wirtschaftlichkeit der Planung nachzuweisen. Die ermittelten Gesamtbaukosten wurden bereits vor der ersten Ausschreibung um 1,7 Mio. Euro zu niedrig angesetzt.

Der Baupreisindex stieg von 2010 bis 2013 um 10 Prozent an. Finanziell gewichtiger waren Umplanungen in der Genehmigungs- und Ausführungsplanung, ungünstige Submissionsergebnisse, Nachträge und Behinderungsanzeigen. So lagen bereits die Ausschreibungsergebnisse 1,6 Mio. Euro über dem geschätzten Auftragswert. Allein die Erd- und Rohbauarbeiten überstiegen den geschätzten Auftragswert von 4,7 Mio. Euro um 0,9 Mio. Euro. Nachträge durch zusätzliche Leistungen wirkten sich mit weiteren 1,5 Mio. Euro kostensteigernd aus. Gründe waren z. B. zu gering geschätzte Einheitspreise, falsche Mengen und zusätzliche Nutzerwünsche. In Folge der nachträglichen Änderungen machten der Architekt und der Statiker zusätzliche Honorare von zusammen 0,25 Mio. Euro geltend.

Statt einer proaktiven Kostensteuerung wurde nur eine Kostenfortschreibung betrieben, die lediglich attestierte, dass die Baumaßnahme teurer wurde als veranschlagt. Einsparpotenziale wurden nicht aufgezeigt. Die Instrumente zur Kostensteuerung wurden nicht genutzt. Die Mehrkosten hätten bei einer qualifizierten Projektsteuerung erkannt und mittels alternativer Ausführungsmöglichkeiten zumindest teilweise aufgefangen werden können.

2.2 Mehrkosten für besondere Architektur und Betriebskosten

Der architektonischen Großform des Entwurfs wurde alles untergeordnet. Auf der Ostseite der Innenhöfe wurden sogenannte Kaltfassaden eingebaut, welche die Fassade nach außen hin optisch durchgehend erscheinen lassen. Die Kaltfassaden-Elemente haben keine Funktion und dienen ausschließlich der Architektursprache. Am Innenhof der Bibliothek wurden die offenen Elemente der Kaltfassade mit Glas ausgefacht.

Die Kosten der Glasfassade mit raumhohen Aluminium-Elementen betrugen 700 Euro je Quadratmeter. Nach einschlägigen Erfahrungswerten kosten durchschnittliche Glasfassaden zwischen 400 und 600 Euro je Quadratmeter. Für die Wirtschaftlichkeit hat eine Fassadenfläche dieser Art höhere Reinigungs- und Instandhaltungskosten sowie Energieverluste über die wärmeübertragende Gebäudehülle zur Folge. In Hinblick auf die Lebenszykluskosten wird sie zu höheren Betriebs- und Bauunterhaltskosten führen.

Im Gebäude wurden erheblich mehr Toiletten hergestellt, als nach den einschlägigen Richtlinien notwendig gewesen wären. So sind in jedem Geschoss grundsätzlich alle WC-Anlagen doppelt vorhanden. Offensichtlich entstanden durch die gewählte Großform üppige Restflächen, die mit einer Nutzung versehen werden mussten.

Der Haupteingang wurde mit einer nach außen aufschlagenden, kraftbetätigten Eingangstür ohne Schutzdach oder Windfang ausgestattet. Im Betrieb zeigte sich, dass sich die geöffnete Tür wegen der vorhandenen Windverhältnisse nicht automatisch wieder schließen konnte. Zunächst wurde ein provisorischer Zeltpavillon und nachträglich ein stabiler Windfang mit erheblichen Mehrkosten hergestellt.

Beitrag 14 Abbildung 2

Um größeres und schweres Material zwischen Kellergeschoss und Erdgeschoss zu transportieren, wurde ein außen liegender Lastenaufzug gebaut. Dieser befindet sich auf der Rückseite des Gebäudes inmitten einer Wiese. Der Lastenaufzug ist mit keiner befestigten Verkehrsfläche erschlossen und kann mit einem Transportfahrzeug nicht erreicht werden. Zur Herstellung einer sicheren und befahrbaren Verkehrsfläche werden Mehrkosten entstehen.

In den Räumen des Neubaus wurden an den Sichtbetondecken rund 2.500 abgehängte Raumakustik-Elemente eingebaut. Auch in der Bibliothek wurden solche Elemente installiert, obwohl dort mit keinen störenden Geräuschquellen zu rechnen ist.

Der uneingeschränkten Umsetzung der Vorstellungen zur Architektur wurde mehr Bedeutung beigemessen als der Wirtschaftlichkeit. Bautechnische Ausführungen wurden nicht auf ihre Notwendigkeit und Wirkung hin überprüft.

2.3 Bauzeitverlängerung durch gestörten Bauablauf

Durch die Insolvenz eines Unternehmens für Heizungs- und Lüftungsbau wurden die nachfolgenden Gewerke im Bauablauf gestört. Sie meldeten daher Behinderungen an. Die Folge waren neben der Bauzeitverlängerung Mehrkosten für Beschleunigungsarbeiten zur Bauzeitverkürzung. Die Bauzeit verlängerte sich trotzdem von 18 auf 33 Monate. Nach Einschätzung des Rechnungshofs ist diese Verdoppelung der Bauzeit nicht alleine auf die Insolvenz der Firma zurückzuführen.

Die frühzeitige Kündigung des Mietvertrags eines der alten Hochschulstandorte beeinflusste das bauliche Zeitfenster zusätzlich. Der geplante Einzugstermin in den Neubau war nicht haltbar. Die Rückgabe der Mieträume war nur durch Teileinzug in den Neubau bei laufendem Baustellenbetrieb möglich.

2.4 Mehrkosten wegen nicht erforderlicher Trennung des Gebäudes

Wegen der Finanzierung aus dem Landeshaushalt und aus Mitteln der gemeinnützigen Landesstiftung wurde das Gebäude künstlich in zwei selbstständig funktionierende Teile baulich getrennt. Die Verwaltung war der Auffassung, dass die Trennung aus steuerlichen Gründen erforderlich sei.

Das Finanzministerium teilte am 20.05.2008 den Ressorts eine „Lockerung der Kriterien für die Verwendung von Landesstiftungsmitteln“ mit. Es stellte für Baumaßnahmen fest: „Die bisherige Restriktion, wonach in den mit Landesstiftungsmitteln geförderten Neu-/Ausbauten nur neue Studiengänge untergebracht werden durften, entfällt“. Außerdem wurde festgelegt, dass „verfahrensrechtliche Risiken“ vermieden werden können, wenn in jedem relevanten Einzelfall vor Zuwendung von Landesstiftungsmitteln an das Land beim zuständigen Finanzamt ein formeller Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft nach der Vorgaben der Abgabenordnung gestellt werde. Das Finanzministerium bestätigte, dass diese Auskunft mit Schreiben vom 11.08.2010 durch das Finanzamt erteilt wurde.

Bereits im Vertrag des Landes mit der Landesstiftung vom 21.11.2001 war geregelt, dass die steuerrechtlichen Voraussetzungen bei jedem Projekt vom Land in eigener Verantwortung zu prüfen sei (§ 3 Steuerliche Prüfung). Dies galt nicht nur für die erstmalige Entscheidung sondern auch „ […] bei der Weiterentwicklung des Projekts und bei seiner tatsächlichen Durchführung“.

Damit war eine Teilung des Gebäudes in separate Nutzungsbereiche nicht mehr erforderlich. Ungeachtet dessen erstellte der Landesbetrieb Vermögen und Bau 2010 zwei getrennte Bauunterlagen für die Baumaßnahme (sogenannter „steuerschädlicher“ und „steuerunschädlicher“ Bereich). Die Trennung hatte zur Folge, dass im Gebäude für jeden Bereich getrennte Flure, Treppen und Sanitärräume realisiert wurden. Ferner wurden die beiden Bereiche durch eine aufwendige elektronische Zutrittskontrolle getrennt. Auch bei der Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung führte die Trennung zu einem erheblichen Mehraufwand.

Das Ministerium genehmigte am 11.04.2011 die Bauunterlagen, obwohl es bereits seit Herbst 2010 die gelockerten Kriterien bei Finanzierungen durch die gemeinnützige Landesstiftung hätte vertraglich umsetzen können.

3 Empfehlungen

3.1 Architektonische Gestaltung und Baukosten

Kostenermittlungen müssen transparent und belastbar sein. Das Land hat hierzu eine Reihe von geeigneten IT-Programmen zur Kostenermittlung (PLAKODA, RBK), die von der Planung bis zur Abrechnung anzuwenden sind. Diese Instrumente dienen wirtschaftlichem Bauen.

Wenn das Land im begründeten Einzelfall bereit ist, die Mehrkosten für eine besondere architektonische Gestaltung oder städtebauliche Geste zu tragen, sind bei der Kostenberechnung von vorneherein erhöhte Werte anzusetzen und zu dokumentieren.

3.2 Projektmanagement und Controlling

Der Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg muss sein Projektmanagement verbessern. Bei ungünstigen Submissionsergebnissen muss das Controlling die sich abzeichnenden Mehrkosten aufzeigen und Alternativen darstellen, um die Gesamtbaukosten einhalten zu können. Bei Bauzeitverlängerungen muss frühzeitig nachgesteuert werden, um Behinderungsanzeigen mit Nachforderungen zu vermeiden.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Ministerium für Finanzen schließt sich weitgehend den Empfehlungen des Rechnungshofs an.

Die Kostenerhöhungen seien im Wesentlichen eingetreten durch Bauherrenrisiken, Baupreissteigerungen, Insolvenzverfahren und zusätzliche Nutzerwünsche. Nach Abzug dieser Anteile entspreche die Kostensteigerung 5 Prozent. Das Ministerium teile die Einschätzung des Rechnungshofs, dass der Kostenentwicklung durch frühzeitigere und konsequentere Projektsteuerung hätte begegnet werden müssen. Die neue Dienstanweisung für die Staatliche Vermögens- und Hochbauverwaltung (2016) berücksichtige die Erfahrungen aus dieser Baumaßnahme und optimiere die Geschäfts- und Steuerungsprozesse im Baumanagement.

Zur Stärkung des Projektmanagements sei ein Kompetenzzentrum „Projektmanagement und Projektsteuerung“ sowie ein „Risikomanagement“ bei der Betriebsleitung des Landesbetriebs Vermögen und Bau eingerichtet worden.

Nach Auffassung des Ministeriums steht eine anspruchsvolle und angemessene architektonische Gestaltung nicht im Widerspruch zur Wirtschaftlichkeit, sondern erhöht die Wertbeständigkeit der Landesimmobilien. Der Einschätzung des Rechnungshofs, dass durch die architektonische Großform und Gestaltung erhebliche Mehrkosten entstanden seien, werde nur eingeschränkt zugestimmt. Mit erhöhten Betriebskosten aufgrund der gewählten Fassadenkonstruktion werde nicht gerechnet.

Das Ministerium bestätigt, dass die Finanzierungsaufteilung der Maßnahme zu einem Mehraufwand geführt hat. Das Ministerium macht geltend, der Umstand, dass der Zuwendungsvertrag erst zum 01.01.2013 geändert worden sei, sei darin begründet, dass einerseits aufgrund der auslegungs- und interpretationsbedürftigen Rechtslage in jedem Fall sicherstellt werden sollte, dass der Gemeinnützigkeitsstatus der Baden-Württemberg-Stiftung nicht gefährdet wird. Zudem habe nach der Landtagswahl 2011 die neue Landesregierung die Baden-Württemberg-Stiftung in ihrem Bestand und ihrer Ausgestaltung einer grundsätzlichen und sorgfältigen Prüfung unterziehen wollen. Aus Sicht des Ministeriums sei daher im Frühjahr 2011 die Genehmigung von zwei getrennten Bauunterlagen mit getrennten Gebäudeteilen geboten gewesen.

5 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof schließt nicht aus, dass besondere architektonische Gestaltung auch höhere Wertbeständigkeit zur Folge haben kann. Der bauliche Mehraufwand dafür ist jedoch bei der Kostenplanung frühzeitig zu berücksichtigen und ebenso wie die höheren Betriebskosten in die Berechnung der Lebenszykluskosten einzubeziehen.

Anders als das Ministerium für Finanzen darstellt, hätten bereits 2011 bei der Genehmigung der Haushaltsunterlagen auf der Basis des alten Vertrags die weniger restriktive Auslegung der steuerrechtlichen Vorschriften berücksichtigt werden können.

Die Verwendung der Mittel der Zukunftsoffensiven war über viele Jahre durch die Vorgabe einer gemeinnützlichkeitsunschädlichen Verwendung geprägt, die die möglichen Verwendungsobjekte eingeschränkt oder wesentlich erschwert und damit teurer gemacht hat. Diese Vorgabe beruhte im Wesentlichen auf „Beschlüssen“ eines Bund-Länder-Gremiums zur Körperschaftsteuer. Dieses Gremium hat seine restriktive Interpretation der Rechtslage aufgrund eines Thüringer Vorhabens 2005 aufgegeben. Der Beschluss wurde 2008 den Ministerien kommuniziert. Danach hätte das Vorhaben „Neubau für die Hochschule der Medien“ anders und einfacher geplant und gebaut werden können.


Was wurde aus dem Beitrag?

Die parlamentarische Behandlung finden Sie hier


Anhänge

Einzelplan 13: Ministerium für Verkehr

Güterverkehrsstrecken mit geringen Frachtvolumen sowie sogenannte Entwicklungsstrecken sollten mit den knappen Fördermitteln nur dann gefördert werden, wenn sie eine realistische Perspektive für einen regelmäßigen Schienenverkehr und ein Mindestfrachtvolumen nachweisen können.

Auf die 100-Prozent-Förderung bei Sonderprogrammen sollte verzichtet werden.


1 Ausgangslage

In Baden-Württemberg gibt es 20 nichtbundeseigene Unternehmen, die öffentliche Eisenbahninfrastrukturen betreiben. Deren Eigentümer sind private oder öffentliche Unternehmen beziehungsweise die öffentliche Hand (Gemeinden, Städte, Kreise). Die Infrastruktur der nichtbundeseigenen Eisenbahnen umfasst nach Angaben des Ministeriums 860 km öffentliche Eisenbahnstrecke sowie Eisenbahnanlagen in Binnenhäfen, in Anlagen des kombinierten Verkehrs sowie 340 nicht öffentliche Gleisanschlüsse von Industrie- und Gewerbegebieten.

Unterschieden wird zwischen Personen- und Güterverkehrsstrecken sowie sogenannten Entwicklungsstrecken. Bei Entwicklungsstrecken wurde der reguläre Betrieb eingestellt. Sie werden derzeit weder im Personen- noch im Güterverkehr regelmäßig genutzt. Das Land strebt an, dass diese erhalten werden, um eine zukünftige regelmäßige Nutzung offenzuhalten.

Nichtbundeseigene Eisenbahninfrastrukturunternehmen erhalten vom Land Zuwendungen nach dem Landeseisenbahnfinanzierungsgesetz. Bewilligungs- und Zahlstelle ist das Ministerium für Verkehr.

Im Rahmen des „Oberbauprogramms“ fördert das Land Maßnahmen der Instandhaltung und Erneuerungsinvestitionen. Es stellt für alle Streckenarten dafür jährlich Mittel bereit (2015 und 2016 jeweils 8 Mio. Euro). Zusätzlich hat das Land 2015 für das Sonderprogramm „Nachhaltige Ertüchtigung der Infrastruktur" und 2016 für das Sonderprogramm „Fahrgastseitige Maßnahmen" jeweils 10 Mio. Euro zur Verfügung gestellt. 2017 ist das Sonderprogramm „Bahnfunk" geplant. Der Fördersatz für das „Oberbauprogramm“ beträgt 75 Prozent und für die Sonderprogramme 100 Prozent der bewilligten zuwendungsfähigen Ausgaben.

Der Rechnungshof prüfte die Abwicklung der gesamten Förderung. Einbezogen wurden 87 Verfahren der Jahre 2009 bis 2015 zur Förderung von 17 verschiedenen Eisenbahninfrastrukturunternehmen.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Fördergrundsätze sind nicht vorhanden

Eine Zuwendungsrichtlinie oder Fördergrundsätze gibt es nicht. Einzelheiten zum Förderverfahren, die zuwendungsfähigen Maßnahmen für das „Oberbauprogramm“ und die Zweckbindung der Förderung hat das Ministerium für Verkehr in Vermerken geregelt. Der Fördersatz für das „Oberbauprogramm“ ergibt sich aus den Erläuterungen im Staatshaushaltsplan.

2.2 Konkrete Förderziele werden nicht festgelegt

Das Ministerium für Verkehr hat für die Förderung übergeordnete politische Ziele festgelegt: Verkehre sollen von der Straße auf die Schiene verlagert und Kfz-bedingte Verkehrs- und Umweltbelastungen verringert werden. Das Ministerium hat diese Programmziele jedoch nicht konkretisiert: Weder in den Bewilligungsbescheiden des „Oberbauprogramms“ noch der Sonderprogramme wird bestimmt, was mit der Zuwendung konkret erreicht werden soll.

2.3 Entwicklungsstrecken und schwach ausgelastete Güterverkehrsstrecken werden ohne Prüfung des Potenzials gefördert

Zuwendungen erhalten alle nichtbundeseigenen Eisenbahninfrastrukturunternehmen, die einen Antrag stellen. Die Auslastung der Strecke hat auf die Höhe der Zuwendung keinen Einfluss.

Das Land hat 2013 die Förderung auf sogenannte Entwicklungsstrecken ausgedehnt. Auf diesen findet heute ausschließlich Ausflugs- und Tourismusbahnbetrieb statt. Das Land will diese Infrastrukturen für eine mögliche künftige Nutzung mit regelmäßigem Personen- oder Güterverkehr erhalten und Streckenstilllegungen mit Entwidmungen vermeiden. Es macht jedoch keine Vorgaben, in welchem konkreten Zeitraum und in welchem Umfang ein regelmäßiger Verkehr zu entwickeln ist. Nachweise oder Konzepte für die perspektivische Entwicklung der Strecken werden für die Förderung nicht gefordert.

Der Zweckverband Kandertalbahn erhält seit 2013 für die Eisenbahninfrastruktur der Kandertalbahn (Haltingen - Kandern) Zuwendungen. Das Ministerium hatte die Strecke 2013 zur Entwicklungsstrecke erklärt. Regelmäßiger öffentlicher Personennahverkehr findet nicht statt. Lediglich in den Sommermonaten verkehren sonntags historische Züge.

Beitrag 15 Abbildung 1

Ein weiteres Ziel des Landes ist es, Güterverkehre von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Die Güterverkehrsstrecken sollen in einem nutzungsfähigen Zustand erhalten werden. Das Frachtaufkommen der Vorjahre wird herangezogen, um die Höhe der Zuwendung zu berechnen. Die Bewilligungen enthalten jedoch keine Vorgaben, welches Frachtvolumen künftig mindestens erreicht werden soll. Tatsächlich haben auf den meisten Güterverkehrsstrecken der Verkehr und das Frachtvolumen in den letzten Jahren abgenommen. Dies führt dazu, dass das Land Güterverkehrsstrecken fördert, auf denen nur in geringem Umfang beziehungsweise überhaupt kein Eisenbahnverkehr mehr stattfindet:

So erhielt z. B. die Ablachtalbahn GmbH in den vergangenen Jahren regelmäßig Zuwendungen für die Güterverkehrsstrecke zwischen Mengen, Sauldorf und Stockach (Ablachtalbahn). Die Strecke zwischen Mengen und Sauldorf wird aktuell nur von einem Unternehmen genutzt. Auf dem Streckenabschnitt zwischen Sauldorf und Stockach gibt es keinen Eisenbahnverkehr. Für die Sanierung dieses Streckenabschnitts hatte das Land 2009 aus dem Konjunkturpaket II 5 Mio. Euro zur Verfügung gestellt.

Beitrag 15 Abbildung 2

2.4 Bemessung der Zuwendungen ist nicht transparent

Die Förderanträge für das „Oberbauprogramm“ umfassen wiederkehrende Instandhaltungs- und Investitionsmaßnahmen, die die meisten Unternehmen an ihren eigenen mittelfristigen Sanierungsprogrammen ausrichten. Mit den Sonderprogrammen werden in der Regel ausschließlich Investitionsmaßnahmen gefördert.

Da die Haushaltsmittel immer geringer sind als die beantragten Zuwendungen, hat das Ministerium für die einzelnen Förderprogramme Berechnungsmodi entwickelt, um die zuwendungsfähigen Ausgaben zu reduzieren. Es handelt sich um reine Rechenmodelle ohne Berücksichtigung der Notwendigkeit und Dringlichkeit der Förderung. Gegenüber den Zuwendungsempfängern werden diese Rechenmodelle nicht offengelegt.

Die Bewilligung der Zuwendung erfolgt trotz reduzierter Fördersumme summarisch für alle beantragten Maßnahmen. Die Entscheidung, welche Maßnahmen mit den bewilligten Mitteln umgesetzt werden, bleibt den Zuwendungsempfängern überlassen.

2.5 Sonderprogramm 2015 und „Oberbauprogramm“ sind nicht klar abgegrenzt

Als Abgrenzung des „Oberbauprogramms“ zum Sonderprogramm 2015 „Nachhaltige Ertüchtigung der Infrastruktur" legte das Ministerium fest, dass laufende Unterhalts- und Instandsetzungsarbeiten sowie kleinere Maßnahmen aus den regulären Haushaltsmitteln und größere Maßnahmen aus den Sondermitteln gefördert werden sollen. In den Förderakten sind die Entscheidungskriterien für die Zuordnung zu einem bestimmten Programm nicht dokumentiert. Gleichartige Maßnahmen wurden ohne nachvollziehbare Gründe manchmal dem einen und manchmal dem anderen Programm zugeordnet. Das Ministerium hat dadurch für gleiche Fördertatbestände unterschiedliche Fördersätze angewandt.

So haben für die Beseitigung von Schlammstellen vier Unternehmen Zuwendungen beantragt. Bei zwei Unternehmen hat das Ministerium diese Maßnahme dem Sonderprogramm und bei zwei Unternehmen dem „Oberbauprogramm“ zugeordnet. Durch die Zuordnung zum Sonderprogramm erhielt ein Unternehmen eine Förderung von 90.000 Euro. Bei Zuordnung zum „Oberbauprogramm“ hätte es wegen des geringeren Fördersatzes und der Kürzung durch das Rechenmodell 50.000 Euro weniger Zuwendungen erhalten.

2.6 100-Prozent-Förderungen der Sonderprogramme nicht nachvollziehbar

Die 100-prozentige Förderung der zuwendungsfähigen Ausgaben bei den Sonderprogrammen ist nicht nachvollziehbar. Es ist nicht ersichtlich, dass hier ein größeres Landesinteresse als beim allgemeinen „Oberbauprogramm“ vorliegt. Ebenso ist nicht belegt, dass der Zuwendungszweck nur bei Übernahme sämtlicher zuwendungsfähiger Ausgaben erreicht wird.

3 Empfehlungen

3.1 Förderrichtlinien erstellen

Das Ministerium für Verkehr sollte anhand der „Grundsätze für Zuwendungsrichtlinien" Förderrichtlinien für die Förderung nichtbundeseigener Eisenbahnen erstellen. Darin sind mindestens die Zuwendungsziele und Zuwendungsvoraussetzungen, der Zuwendungszweck, die Finanzierungsart, die zuwendungsfähigen Maßnahmen und Ausgaben sowie die Höhe der Zuwendung festzulegen.

3.2 Förderziele konkretisieren und Erfolgskontrollen durchführen

Der Rechnungshof hält es für erforderlich, die bisher allgemein gehaltenen Förderziele zu konkretisieren. Insbesondere bei der Bewilligung von Investitionsmaßnahmen, die über eine Instandhaltung hinausgehen, ist das Förderziel konkret zu bestimmen.

Das Ministerium sollte, wie in § 2 Landeseisenbahnfinanzierungsgesetz vorgesehen, einen Fünfjahresplan für die zu fördernden Vorhaben aufstellen.

Durch Erfolgskontrollen ist zu prüfen, ob die mit der Zuwendung angestrebten Ziele erreicht worden sind. Die Zuwendungsempfänger haben im Verwendungsnachweis die Zielerreichung nachzuweisen.

3.3 Nachweise zur Perspektive sogenannter Entwicklungsstrecken und bei Güterverkehrsstrecken fordern

Die Zuwendungen für Entwicklungsstrecken und Güterverkehrsstrecken sind mit zeitlichen und inhaltlichen Vorgaben für die Entwicklung der Strecke, des Verkehrs und des Frachtaufkommens zu verbinden. Werden diese Vorgaben wiederholt verfehlt, sollte die weitere Förderung wegen Perspektivlosigkeit eingestellt werden.

3.4 Zuwendungsfähige Ausgaben pauschalieren und Festbetragsfinanzierung einführen

Für die Ermittlung der zuwendungsfähigen Ausgaben regt der Rechnungshof an, anstelle der bisherigen Berechnungsgrundlagen und Rechenmodelle ein standardisiertes Verfahren mit Pauschalen für die zuwendungsfähigen Ausgabepositionen einzuführen.

Für regelmäßig wiederkehrende Instandhaltungsmaßnahmen wie Schwellenaustausch, das Instandsetzen von Weichen und Vegetationsarbeiten sollte eine Pauschale je Abrechnungseinheit festgelegt werden. Darüber hinaus sollte auch für Investitionsmaßnahmen die Einführung von Pauschalen für die Ermittlung der zuwendungsfähigen Ausgaben geprüft werden. Die Zuwendungen sind als Festbetrag zu bewilligen.

3.5 Sonderprogramme klar abgrenzen und auf 100-Prozent-Förderungen verzichten

Sonderprogramme müssen vom „Oberbauprogramm“ klar abgegrenzt sein und getrennt abgewickelt werden. Der „De-luxe-Fördersatz“ von 100 Prozent der zuwendungsfähigen Ausgaben bei Sonderprogrammen sollte deutlich reduziert werden.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Ministerium für Verkehr führt aus, dass mit der Förderung von Entwicklungsstrecken die Infrastruktur von derzeit noch schwach ausgelasteten Strecken mit Entwicklungspotenzial erhalten und verbessert werden solle. Voraussetzung für eine stärkere Nutzung von Strecken sei deren Qualität. Die Einstufung als Entwicklungsstrecke sei in Zusammenarbeit mit der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg erfolgt. Auf eine Förderung von Güterverkehrsstrecken könne das Land keinesfalls verzichten, um eine Verlagerung von Güterverkehren von der Schiene auf die Straße zu verhindern. Für den Erhalt und den Ausbau von Infrastruktur könne die aktuelle Auslastung nicht als alleiniger Maßstab gelten.

Bei der Förderung nach dem Landeseisenbahnfinanzierungsgesetz handele es sich nicht um eine Projektförderung im eigentlichen Sinn. Vielmehr sei Ziel, die Eisenbahninfrastrukturen im Land zu verbessern und Streckenstilllegungen zu vermeiden. Das Ministerium werde jedoch künftig bei der Bewilligung die Umsetzung größerer Investitionsmaßnahmen als konkrete Förderziele definieren.

Eine Förderung von 100 Prozent der zuwendungsfähigen Ausgaben bei den Sonderprogrammen 2015 und 2016 sei erforderlich gewesen, da die nichtbundeseigenen Eisenbahnen bei der Programmhöhe von 10 Mio. Euro zur Finanzierung eines Eigenanteils von 25 Prozent nicht in der Lage waren. Die Umsetzung der Maßnahmen sei im Interesse des Landes erfolgt. Beim Sonderprogramm 2017 für den Bahnbetriebsfunk werde der Fördersatz auf 75 Prozent der zuwendungsfähigen Ausgaben begrenzt.

5 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof bleibt bei seiner Forderung, Zuwendungen für Entwicklungsstrecken und Güterverkehrsstrecken mit zeitlichen und inhaltlichen Vorgaben für die Entwicklung der Strecke, des Verkehrs und des Frachtaufkommens zu verbinden.

Es geht nicht darum, unreflektiert auf die Förderung dieser Strecken zu verzichten. Eine Förderung ohne Nachweis einer realistischen Perspektive für einen regelmäßigen Schienenverkehr oder ein Mindestfrachtvolumen ist aber nicht zu vertreten. Angesichts der knappen Fördermittel ist es nicht hinnehmbar, dass einerseits Bahnen ohne wirtschaftlichen und infrastrukturellen Nutzen über viele Jahre gefördert werden, und andererseits Bahnen, welche die Last des täglichen öffentlichen Personennahverkehrs und Güterverkehrs bestreiten, nicht mehr in der Lage sind, den Eigenanteil für die nachhaltige Ertüchtigung der Infrastruktur zu leisten.


Was wurde aus dem Beitrag?

Die parlamentarische Behandlung finden Sie hier


Anhänge

Integriertes Planen und Bauen ist erforderlich, damit Brückenbauwerke zügig und wirtschaftlich realisiert werden können.

Die Straßenbauverwaltung versäumte es, in der frühen Planungsphase die wasserrechtlichen Anforderungen an die Ersatzbrücken einzubeziehen. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Straßenbau- und Wasserwirtschaftsverwaltung ist zu verbessern.


1 Ausgangslage

Die Straßenbauverwaltung muss Ersatzbrücken an Landes- und Bundesstraßen (Auftragsverwaltung) planen, wenn das vorhandene Bauwerk aus wirtschaftlichen und bautechnischen Gründen nicht mehr instand gesetzt werden kann.

Handelt es sich beim Ersatzbauwerk um eine Brücke über ein oberirdisches Gewässer, ist der Neubau oder ein Provisorium von der Abteilung Straßenwesen und Verkehr des zuständigen Regierungspräsidiums so zu planen, dass die Voraussetzungen für die wasserrechtlichen Gestattungen erfüllt sind. Diese werden von den unteren Wasserbehörden in den Stadt- und Landkreisen erteilt. Liegt die Ersatzbrücke in einem festgesetzten Überschwemmungsgebiet, bedarf es zusätzlich der Zulassung durch die Kommune.

Anhand von 13 auffällig gewordenen Ersatzbauwerken gewässerüberspannender Brücken untersuchte der Rechnungshof, wie sich die Straßenbau- und Wasserwirtschaftsverwaltung abstimmen.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Vorabstimmung mit den Wasserbehörden und den betroffenen Kommunen ist häufig unzureichend

Die in der frühen Planungsphase einer Ersatzbrücke notwendige eingehende Vorabstimmung zwischen der Straßenbauverwaltung, den unteren Wasserbehörden sowie den betroffenen Kommunen und Landesbetrieben Gewässer bei den Regierungspräsidien als Träger der Ausbau- und Unterhaltungslast für die Fließgewässer fand in der Mehrzahl der geprüften Fälle nicht statt.

Die Straßenbauverwaltung plante die Ersatzbrücken häufig, ohne vorher mit den unteren Wasserbehörden die wasserwirtschaftlichen Anforderungen abzustimmen. Oft wurden die Abflussquerschnitte für Hochwasser unter den Ersatzbrücken unverändert für die neuen Bauwerke übernommen. Darüber hinaus versäumte es die Straßenbauverwaltung, frühzeitig mit den betroffenen Kommunen deren Hochwasserschutzziele sowie die Hochwasserschutzkonzeptionen und ihre Auswirkungen auf die Abflussquerschnitte unter den Ersatzbrücken zu klären.

Solche Anträge für Brückenbauwerke werden von den unteren Wasserbehörden regelmäßig abgelehnt. Meist verlangen die unteren Wasserbehörden größere Abflussquerschnitte und Freiborde (Abstand zwischen Wasserspiegel und Brückenunterkante) als geplant. Die Straßenbauverwaltung muss dann umplanen. Sofern machbar, werden die Ersatzbrücken angehoben und die Brückenzufahrten angepasst. Die Folgen sind Bauverzögerungen, erhebliche zusätzliche bauliche Eingriffe verbunden mit Grunderwerb. Die Planungs- und Projektkosten steigen.

Bei den geprüften Fällen, in denen die Abflussquerschnitte und Freiborde wegen der innerörtlichen, beengten Platzverhältnisse nicht ausreichten, wurde die fachliche Kompetenz der Wasserbehörden und Landesbetriebe Gewässer nicht einbezogen. Diese hätten aufzeigen können, ob ein Wasserrückhalt im Gewässereinzugsgebiet mit natürlichen Retentionsräumen oder Hochwasserrückhaltebecken machbar ist. Dadurch hätte das Maß der wasserrechtlichen Anforderungen im problematischen Brückenbereich gegebenenfalls reduziert werden können.

So begann die Abteilung Straßenwesen und Verkehr des Regierungspräsidiums Karlsruhe 2013, ein Ersatzbauwerk der Kreuzbachbrücke im Zuge der Landesstraße L 1135 in Wiernsheim, Ortsteil Iptingen im Regierungsbezirk Karlsruhe, an gleicher Stelle zu planen. Die Arbeiten ruhen seit 2014, nachdem das Landratsamt Enzkreis als zuständige untere Wasserbehörde keine wasserrechtliche Gestattung erteilte. Das Landratsamt fordert, dass im zu querenden Kreuzbach ein hundertjährlicher Hochwasserabfluss gewährleistet sein muss. Die Straßenbauverwaltung kann dem nicht ohne Weiteres nachkommen, da sich der Standort in einer räumlich beengten Ortslage befindet und Grunderwerb für eine größer dimensionierte Brücke für die Straßenbauverwaltung nicht machbar erscheint. Das Bauwerk müsste angehoben werden, die Zu- und Abfahrten wären mit entsprechenden Rampen anzupassen. Andere Lösungsmöglichkeiten zusammen mit der Wasserwirtschaftsverwaltung wurden bislang nicht gesucht.

Beitrag 16 Abbildung 1

2.2 Wasserwirtschaftliche Daten zu wenig beachtet

Die Straßenbauverwaltung berücksichtigte bei den geprüften Fällen für ihre Planungen nur ansatzweise allgemein zugängliche Unterlagen, Dateien oder Aufzeichnungen der Wasserwirtschaft. In den Hochwassergefahrenkarten wären die Überflutungsflächen und die hydraulischen Schwachstellen der zu ersetzenden Brückenbauwerke ohne Weiteres erkennbar gewesen.

Mehrfach betrachtete die Straßenbauverwaltung die Anforderungen der Wasserwirtschaft als „überzogen“, demgegenüber beharrte die Wasserwirtschaft auf ihren Vorgaben. Ein zielführendes Miteinander der Fachverwaltungen war dadurch nahezu unmöglich.

2.3 Kommunikation der Fachverwaltungen nicht ausreichend

Selbst wenn Ersatzneubauten ansatzweise abgestimmt waren, wurden sie von der Straßenbauverwaltung letztlich so geplant, dass sie die Forderungen der Wasserwirtschaft nicht umfassend berücksichtigten. Mitunter musste die Planung der Brücken angepasst oder neu durchgeführt werden. Die unzureichende Kommunikation der Fachverwaltungen Straßenbau und Wasserwirtschaft hatte zur Folge, dass in der Detailplanung wasserwirtschaftliche Anforderungen ungenügend umgesetzt wurden.

Dies trifft beispielsweise auf den Ersatzneubau der Kraichbachbrücke im Zuge der Bundesstraße B 3 in Ubstadt-Weiher, Ortsteil Ubstadt im Regierungsbezirk Karlsruhe, zu. Das Landratsamt Karlsruhe als zuständige untere Wasserbehörde erteilte die wasserrechtliche Gestattung für den Ersatzneubau. Die Wasserbehörde forderte einen schadlosen Durchfluss eines hundertjährlichen Hochwassers. Die Brücke wurde mit einem großzügigen Abflussquerschnitt geplant und 2011 gebaut. Da ein anvisierter Gewässerausbau nicht vor dem Brückenneubau erfolgte, verblieb gewässerabwärts eine Ufermauer. In der Folge musste ein Teil des alten, hydraulisch ungünstig ausgebildeten Brückenwiderlagers bestehen bleiben. Am linken Brückenwiderlager musste der Böschungsverlauf steiler hergestellt und durch eine Steinschüttung gesichert werden, obwohl der Gewässerlauf eine weniger steile Böschung aufweist. Die nachträglichen Änderungen wären durch eine bessere und frühzeitige Kommunikation der Fachverwaltungen zu verhindern gewesen.

Beitrag 16 Abbildung 2

2.4 Planungen für Ersatzbauwerke trotz Verkehrsbeschränkungen der Brücken nicht vorangetrieben

Die Notwendigkeit, die Brücken instand zu setzen, ist der Straßenbauverwaltung bereits seit Jahren bekannt. Sie verfolgte die Bearbeitung jedoch nicht mit der gebotenen Dringlichkeit. Wegen des nicht konsequent durchgeführten Erhalts der Brücken ist deren Substanz zum Teil völlig marode. Es ist inzwischen meist nicht mehr wirtschaftlich, diese Brücken grundlegend instand zu setzen.

Die Brückenbauwerke mussten oftmals gesperrt werden oder es wurden Tonnagebeschränkungen für sie angeordnet. Selbst im Falle von Nutzungseinschränkungen ergriff die Straßenbauverwaltung nicht rechtzeitig Initiative, um die Planungsverfahren zielführend voranzutreiben.

3 Empfehlungen

3.1 Integrierte Planung durch interdisziplinäre Zusammenarbeit von Straßenbau- und Wasserwirtschaftsverwaltung

Der Rechnungshof empfiehlt, Brückenbauwerke in Form von integrierten Planungen zu projektieren. Dabei ist die behördenübergreifende Zusammenarbeit zwischen der Straßenbau- und Wasserwirtschaftsverwaltung künftig bereits in der frühen Planungsphase zu beginnen. Ferner sollte auch die betroffene Kommune einbezogen werden.

Dies würde eine zielorientierte, zügige Planung aus einem Guss ermöglichen. Die häufigen Nachbesserungen und Überarbeitungen bis zur Gestattungsfähigkeit wären hinfällig. Zusätzliche Aufwendungen für Nachtragsplanungen in Folge wasserrechtlicher Auflagen würden vermieden.

3.2 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Straßenbauverwaltung zu wasserwirtschaftsfachlichen Anforderungen schulen

Der Rechnungshof regt an, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Straßenbauverwaltung zu den in Planungsprozessen zu beachtenden Anforderungen der Wasserwirtschaft zu schulen. Ziel ist es, damit das dringend erforderliche integrierte Planen und Bauen anzustoßen.

Denkbar wäre, in den Regierungsbezirken fachbereichsübergreifende Fortbildungsveranstaltungen durchzuführen. Daran sollten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Straßenbauverwaltung und der Landesbetriebe Gewässer wie auch der unteren Wasserbehörden teilnehmen.

4 Stellungnahme der Ministerien

Das Ministerium für Verkehr und das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft legen dar, dass Ersatzneubauten an und über Gewässer regelmäßig zu komplexen Problemstellungen führen. Es bestehe insoweit Einigkeit mit dem Rechnungshof, dass ein enger Abstimmungsprozess zwischen der Straßenbauverwaltung und den Wasserbehörden erfolgen sollte. Ziel sei es dabei, ökonomisch und ökologisch vertretbare Lösungen zu finden, die den gesetzlichen Anforderungen des Hochwasserschutzes entsprechen, ohne Defizite bezüglich der Verkehrssicherheit aufzuweisen. Vor diesem Hintergrund würden die beiden Ministerien eine gemeinsame Arbeitshilfe entwickeln, die ein einheitliches Verwaltungshandeln im Land sicherstelle und insoweit zu einer Vereinfachung der Abstimmung zwischen der Straßenbauverwaltung und den Wasserbehörden beitrüge.

Die vom Rechnungshof gemachten Empfehlungen werden mitgetragen, wenngleich die Prüfung aus Sicht der Ministerien, wegen der nicht so großen Anzahl an geprüften Bauwerken, nicht repräsentativ sei.


Was wurde aus dem Beitrag?

Die parlamentarische Behandlung finden Sie hier


Anhänge

Einzelplan 14: Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst

Körperspenden sind ein unverzichtbarer Beitrag zu einer anspruchsvollen Ausbildung junger Mediziner und zunehmend auch zur Weiterbildung für Ärzte und ärztliche Hilfsberufe. Die anatomischen Institute in Freiburg, Heidelberg, Tübingen und Ulm gehen mit den Körpern Verstorbener sorgfältig, respektvoll und juristisch korrekt um.

Das Wissenschaftsministerium und die Medizinischen Fakultäten müssen eine Strategie entwickeln, um das Fach Anatomie auch künftig für den wissenschaftlichen Nachwuchs attraktiv zu halten. Finanziellen Gesichtspunkten sollte dabei nur eine nachgeordnete Bedeutung zukommen.


1 Ausgangslage

Die anatomischen Institute an den Medizinischen Fakultäten des Landes sind Zentren der anatomischen Forschung und nehmen in der vorklinischen Ausbildung der Medizinstudierenden eine zentrale Aufgabe wahr. Der Unterricht im Fach Anatomie umfasst die theoretische Wissensvermittlung und den praktischen Umgang mit den Körpern Verstorbener in Präparierkursen. Diese Kurse vermitteln nicht nur Anschauung und praktische Fertigkeiten. Sie haben auch die Funktion, die Studierenden an einen respektvollen Umgang mit dem menschlichen Körper heranzuführen. Im Präparierkurs sammeln die Studierenden Erfahrung mit ihrem ersten "Patienten".

Der Rechnungshof hat 2015/2016 die Anatomischen Institute Freiburg, Heidelberg, Tübingen und Ulm geprüft. Diese vier Institute verwenden in ihren Präparierkursen die Körper Verstorbener. An der Medizinischen Fakultät in Mannheim wird den Studierenden das Fach Anatomie überwiegend anhand von Plastinaten vermittelt. Vor diesem Hintergrund haben wir den Standort Mannheim nicht in die Prüfung einbezogen.

Schwerpunkt der Prüfung des Rechnungshofs waren die Haushalts- und Wirtschaftsführung der anatomischen Institute und der Umgang mit den Körperspenden.

Dass die anatomischen Institute über Körper verfügen können, verdanken sie der Bereitschaft der Verstorbenen, ihren Körper nach dem Tod für Zwecke der Lehre, Forschung und Weiterbildung zu spenden. Die Körperspender treffen zu Lebzeiten eine Verfügung, in der die Einzelheiten der Spende, die Art des Umgangs mit ihr und die Leistungen der Institute im Zusammenhang mit der Bestattung der Körper geregelt werden. Im Unterschied zu den meisten anderen Ländern erheben die baden-württembergischen Institute für ihre Leistungen bei der Bestattung der Körper keine Entgelte.

Außer für Zwecke der anatomischen Lehre benötigen die anatomischen Institute Körper Verstorbener zunehmend auch für Weiterbildungsveranstaltungen, die sich an Ärzte und ärztliche Hilfsberufe richten.

In Tübingen wurde mithilfe eingeworbener Drittmittel eine bundesweit einmalige technische Ausstattung geschaffen, die sowohl studentische Ausbildung als auch Weiterbildungsveranstaltungen auf höchstem Niveau ermöglicht.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Anatomische Forschung

Die anatomischen Institute erbringen in der Forschung beachtete Leistungen. Neben klassischen Themen wie Neuroanatomie und Zellforschung werden in Ulm und Tübingen auch Forschungsprojekte betrieben, die auf wissenschaftlicher Grundlage Erkenntnisse über Voraussetzungen und Wirkungen anatomischer Lehre gewinnen. Die für diese Projekte eingeworbenen Drittmittel dienen mithin auch der Verbesserung der vorklinischen und klinischen Lehre.

2.2 Anatomische Lehre

Die vier anatomischen Institute bemühen sich erfolgreich um eine hohe Qualität ihres theoretischen und praktischen Lehrangebots. Der Erfolg zeigt sich an allen vier Standorten in bundesweit überdurchschnittlichen Examensergebnissen im Fach Anatomie.

Verbesserungspotenziale zeigten sich bei der Dokumentation der individuellen Lehrleistung. Während an der Universität Tübingen alle Lehrenden diese vorschriftsgemäß erbrachten und dokumentierten, war die Dokumentation der Lehrleistung an den drei anderen Standorten unvollständig. Zum Teil wurden die notwendigen individuellen Erklärungen durch kollektive Erklärungen ersetzt.

2.3 Weiterbildung

An den vier Instituten fanden in unterschiedlichem Umfang Weiterbildungsveranstaltungen statt. Neben der Vermittlung anatomischer Kenntnisse hat dabei auch die chirurgische Weiterbildung anhand der gespendeten Körper zunehmende Bedeutung. An der Universität Tübingen leistet das Anatomische Institut nicht nur einen beachtlichen Anteil am Weiterbildungsangebot der Universitätsmedizin, sondern erwirtschaftet damit jedes Jahr Deckungsbeiträge, von denen auch die studentische Ausbildung profitiert. Der Rechnungshof hat alle vier anatomischen Institute auf die Notwendigkeit einer sorgfältigen Kalkulation der Weiterbildungsentgelte hingewiesen. Soweit Weiterbildungsangebote von den Professoren in eigenem Namen angeboten werden, müssen kostendeckende Nutzungsentgelte für die in Anspruch genommenen Ressourcen erhoben werden.

2.4 Umgang mit den Körperspenden

Die Prüfung hat ergeben, dass an allen vier anatomischen Instituten mit den Körperspenden sorgfältig und respektvoll umgegangen wird. Dies gilt nach unseren Feststellungen für den gesamten Prozess vom Abschluss der Körperspendenverfügung bis zur Kremierung und Beisetzung. Der Beisetzung geht eine Trauerfeier voraus, die die Studierenden würdevoll gestalten und an der die Angehörigen der Verstorbenen teilnehmen.

Die Institute konnten dem Rechnungshof nachweisen, dass alle gespendeten Körper, wie mit den Spendern vereinbart, ausschließlich für Lehre, Weiterbildung und Forschung verwendet werden und stets am Ort des Instituts verbleiben. Ein Handel mit Körperspenden oder ein Transfer von Teilen der Körperspenden an andere Einrichtungen wurde an keinem der vier Standorte festgestellt.

Die geografischen Einzugsbereiche für Körperspenden sind bei drei Instituten aus historischen Gründen relativ groß. Dies führt manchmal dazu, dass die Institute nach dem Tod des Spenders die Körperspende ablehnen müssen, weil kein Bedarf besteht.

Soweit im Umgang mit den Körperspenden Leistungen Dritter in Anspruch genommen werden (z. B. von Sargtischlern oder Bestattungsunternehmen), hat der Rechnungshof die Institute darauf hingewiesen, dass die Leistungen nicht immer vergaberechtskonform ausgeschrieben wurden.

2.5 Personalstruktur und Perspektiven der anatomischen Institute

Die Prüfung des Rechnungshofs hat ergeben, dass in einigen Fällen freie Stellen für Professoren und Akademische Mitarbeiter über längere Zeit unbesetzt geblieben sind. Dies vermindert die Forschungsleistung der Institute und macht in der Lehre den Einsatz von Lehrbeauftragten erforderlich. Die Ursache der Vakanzen liegt zum Teil an der geringen Attraktivität des Faches für Nachwuchsmediziner und zum Teil an der Neigung der Verantwortlichen, aus nichtbesetzten Stellen Sachmittel für die anatomische Forschung zu schöpfen.

3 Empfehlungen

3.1 Lehre

Der Rechnungshof akzeptiert die Auffassung der vier geprüften Medizinischen Fakultäten, dass die Ausbildung anhand von Körpern Verstorbener gegenüber einer Ausbildung an Plastinaten vorzuziehen ist, auch wenn damit Mehrkosten verbunden sind.

Die Präparierkurse sollten auch im Hinblick auf die medizinethische Dimension des Unterrichts und die dabei vermittelte Haltung in der Regel von Medizinern geleitet werden.

3.2 Weiterbildung

Der Rechnungshof empfiehlt, dass die anatomischen Institute ihre Möglichkeiten auch für Weiterbildungsangebote nutzen. Der Einsatz von gespendeten Körpern für Weiterbildungszwecke wird von den seit einigen Jahren neu gefassten Spenderverfügungen gedeckt und dient gerade bei der Weiterbildung von Chirurgen und ihren Hilfskräften dem Gemeinwohl.

Bei der Kalkulation der Entgelte für Weiterbildungsangebote muss beachtet werden, dass eine Subventionierung der Weiterbildung aus Mitteln für Forschung und Lehre nicht zulässig ist. Hingegen ist die Erwirtschaftung von Deckungsbeiträgen für die Lehre möglich und dient dem Interesse der Studierenden.

3.3 Umgang mit Körperspenden

Die in anderen Ländern übliche Erhebung von Entgelten anlässlich der Spenderverfügung hält der Rechnungshof nicht für angemessen, zumal die Entgeltlichkeit des Vertrags die Freiheit der Institute, ungeeignete Körperspenden abzulehnen, einschränkt. Es erscheint uns angebracht, die Bereitschaft von Menschen, ihren Körper der Anatomie zu spenden, durch die Übernahme der Bestattungskosten zu würdigen.

Wir empfehlen, den in Baden-Württemberg durchgehend praktizierten restriktiven und respektvollen Umgang mit Körperspenden auch in Zukunft beizubehalten. Körperspenden dürfen nur für die in der Spenderverfügung bezeichneten Zwecke verwendet werden. Ein Handel mit oder ein Transfer von Körperspenden oder Teilen davon an Dritte muss auch in Zukunft ausgeschlossen sein.

Angesichts der wachsenden Bereitschaft, Körperspenden zu leisten, empfehlen wir den Instituten, den geografischen Bereich, aus dem Körperspenden entgegengenommen werden, von vorneherein enger einzugrenzen.

Die Leistungen Dritter im Zusammenhang mit der Bestattung der gespendeten Körper müssen von den Instituten vergaberechtlich einwandfrei ausgeschrieben werden, auch wenn sich die Zusammenarbeit mit einzelnen Unternehmen seit Jahrzehnten bewährt hat.

3.4 Struktur und Perspektiven der anatomischen Institute

Das Wissenschaftsministerium und die Medizinischen Fakultäten müssen eine Strategie entwickeln, wie das Fach Anatomie für Ärzte und Wissenschaftler attraktiver gestaltet werden kann. Ohne qualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchs kann die Qualität von Forschung und Lehre nicht dauerhaft gewährleistet werden. Die Entwicklung in Tübingen zeigt, dass mit einer innovativen technischen Ausstattung die Attraktivität des Faches für alle Beteiligten gesteigert werden kann.

4 Stellungnahme des Ministeriums

4.1 Forschung und Lehre

Das Wissenschaftsministerium schließt sich der Auffassung der Anatomischen Fachgesellschaft an, wonach für die Berufung auf einen Anatomielehrstuhl nicht ein Studium der Humanmedizin die entscheidende Qualifikation darstelle, sondern die Weiterbildung zum Fachanatom, die neben Humanmedizinern auch Zahnmediziner, Veterinärmediziner und Absolventen anderer Studiengänge der Lebens- und Naturwissenschaften absolvieren können. Das Studium der Humanmedizin sei kein allein qualifizierendes Auswahlkriterium.

Im Hinblick auf die individuelle Erklärung zur Erfüllung der Lehrverpflichtung teilt das Ministerium mit, dass es die Medizinischen Fakultäten erneut um Beachtung der Rechtslage und der dazu ergangenen Verwaltungsvorschriften gebeten habe.

4.2 Struktur und Perspektiven der anatomischen Institute

Das Wissenschaftsministerium macht geltend, die Lehrleistung im Fach Anatomie sei sehr hoch. Dies habe zu einer Verschiebung des Tätigkeitsschwerpunkts auf die Lehre zulasten der Forschung geführt. Dadurch werde die Attraktivität des Faches reduziert und die Durchführung von Berufungsverfahren erschwert. Längerfristig sollte die Belastung durch Lehraufgaben zugunsten der Forschungstätigkeit reduziert werden. Dazu bedürfe es einer angemessenen Ausstattung mit Personal und technischen Geräten. Die Erhöhung der Personalausstattung für die Lehre habe allerdings kapazitätsrechtliche Konsequenzen, da es zu einer Erhöhung der Aufnahmekapazität führen würde. Langfristig müsste eine Reform des Kapazitätsrechts in Betracht gezogen werden. Außerdem sollten eine angemessene Bezahlung erreicht sowie das Gehaltsgefälle zwischen Ärztinnen und Ärzten reduziert werden, die nach dem Tarifvertrag der Länder bzw. nach dem Tarifvertrag für Ärzte bezahlt werden. Möglich wäre dies beispielsweise durch die Einrichtung einer eigenen Vergütungsgruppe für Ärzte in den vorklinischen Instituten ohne Krankenversorgung.

Die Aussichten auf eine Reform des Kapazitätsrechts sowie die Einrichtung einer zusätzlichen Vergütungsgruppe seien derzeit und in naher Zukunft allerdings gering. Auch stünden hierfür keine Haushaltsmittel zur Verfügung.

5 Schlussbemerkung

Wir halten an der Empfehlung fest, dass anatomische Institute zu einem größeren Anteil mit ärztlichem Personal ausgestattet werden sollten. Gerade weil die Präparierkurse jenseits der Vermittlung von Wissen und praktischen Fertigkeiten eine berufsethische Dimension aufweisen, sollte dieser Teil der Lehre überwiegend von Medizinern geleistet werden.

Die Dokumentation der Erfüllung der individuellen Lehrverpflichtung darf nicht nur Gegenstand wiederholter Hinweise des Wissenschaftsministeriums sein; die Dekane der Medizinischen Fakultäten müssen vielmehr nachhaltig für die Umsetzung der geltenden Dokumentationspflichten sorgen. Die Hochschulleitung und das Ministerium sollten sich von der Erfüllung der Lehrverpflichtung stichprobenweise überzeugen.

Für die Attraktivität des Faches Anatomie sollten nicht nur finanzielle Gesichtspunkte maßgeblich sein, sondern der besondere Anspruch, dem sich dieses Fach bei der Ausbildung junger Mediziner stellen muss. Die anatomischen Institute in Tübingen und Ulm zeigen, dass die Herausforderungen der Lehre nicht, wie in der Stellungnahme des Ministeriums impliziert, Forschung behindern, sondern im Gegenteil besondere Forschungsleistungen generieren können.


Was wurde aus dem Beitrag?

Die parlamentarische Behandlung finden Sie hier


Anhänge

An den Universitäten Freiburg, Heidelberg und Tübingen wird das Studium der Sinologie mit unterschiedlichen Schwerpunkten angeboten. Um diese Studienangebote attraktiver zu machen, sieht der Rechnungshof Verbesserungspotenziale bei der Studienstruktur, den berufspraktischen Teilen des Studiums und der Ausstattung der Institute. An allen drei Standorten sollte auch ein Lehramtsstudiengang „Chinesisch für das Lehramt an Gymnasien“ angeboten werden.


1 Ausgangslage

Die Sinologie ist ein Fachgebiet der Regional-, Sprach- und Kulturwissenschaft, das sich mit der Sprache, der Schrift, der Philosophie, der Kultur und der Geschichte Chinas befasst. In Baden-Württemberg bieten die Universitäten Freiburg, Heidelberg und Tübingen jeweils ein Studium der Sinologie an. Jedes dieser drei sinologischen Institute hat einen eigenen Forschungs- und Studienschwerpunkt festgelegt. Alle drei sinologischen Institute gehen bei ihren Planungen davon aus, dass die Bedeutung des Faches angesichts der immer enger werdenden Beziehungen zwischen Deutschland und China nachhaltig wachsen wird.

Das Freiburger Institut für Sinologie setzt seinen Schwerpunkt auf das moderne China des 20. und 21. Jahrhunderts und deckt die Bereiche Politik, Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft ab. In der Forschung befasst sich das Freiburger Institut mit dem Maoismus und seinem Erbe, der Organisation von Arbeit im Sozialismus, Lesekulturen, Konzepten von Geschichte und Zukunft und der Geschlechterforschung. Am Freiburger Institut sind zwei Professuren, eine Juniorprofessur, 2,5 Stellen für Akademische Mitarbeiter und eine Halbtagsstelle für sonstige Aufgaben eingerichtet.

Das Institut für Sinologie an der Universität Heidelberg setzt seinen Schwerpunkt auf das Studium des modernen China und der chinesischen Sprache und Literatur. Darüber hinaus strebt das Institut an, den Studierenden das Verständnis chinesischer Kulturen und Gesellschaften in ihrer gesamten historischen Tiefe von der Bronzezeit bis zur Gegenwart zu vermitteln. Seine wissenschaftlichen Projekte widmen sich der Forschung über chinesische Schulbücher, über Paläografie, den Wissensaustausch zwischen China, Japan und Europa und der zeitgenössischen chinesischen Musik und Populärkultur. Das Institut verfügt über vier Professuren, eine Juniorprofessur und eine Professur, die dem Exzellenzcluster „Asien und Europa im globalen Kontext" zugeordnet ist. Außerdem sind am Institut Akademische Mitarbeiter (5,5 Vollzeitäquivalente) und sonstige Mitarbeiter (1,5 Vollzeitäquivalente) beschäftigt.

Das Sinologische Institut der Universität Tübingen befasst sich schwerpunktmäßig mit Geschichte, Gesellschaft, Sprache, Literatur und Philosophie Chinas sowie der Region Greater China (China, Taiwan, Hongkong, Macao, Singapur). Das Tübinger Institut verfügt über drei Professuren, eine Juniorprofessur und eine Stiftungsprofessur. Hinzukommen sechs Akademische Mitarbeiter und ein sonstiger Mitarbeiter.

Alle drei sinologischen Institute erbringen beachtliche Forschungsleistungen und decken in der Lehre ein breites Spektrum an Teilgebieten der Sinologie ab.

Der Rechnungshof hat die Haushalts- und Wirtschaftsführung der drei Institute für Sinologie geprüft.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Studiengänge und Studienstruktur

Im Wintersemester 2015/2016 verteilten sich insgesamt 747 Studierende mit Sinologie als Haupt- oder Nebenfach auf 14 verschiedene Bachelor- und Master-Studiengänge mit standortspezifischen Studienplänen.

In Tübingen und Freiburg ist der im Bachelorstudiengang obligatorische Auslandsaufenthalt integraler Bestandteil des Studiums, während in Heidelberg erwartet wird, dass sich die Studierenden während ihres Auslandsaufenthalts beurlauben lassen. Das führt zu einer vermeidbaren Verlängerung des Studiums. Die Universität Tübingen unterstützt ihre Studierenden während des Auslandsaufenthalts durch eine Außenstelle in Peking (European Centre for Chinese Studies), die in Kooperation mit anderen Universitäten außerhalb Baden-Württembergs betrieben und finanziert wird.

Speziell in Heidelberg wird für die Studienanfänger noch vor Beginn des Studiums ein obligatorischer Vorsemesterkurs angeboten, der die Abiturienten, die oft nur unzureichende Vorstellungen über den Anspruch eines sinologischen Studiums haben, mit den Anforderungen des Sprach- und Schrifterwerbs konfrontiert und zu einer signifikanten Minderung späterer Studienabbrüche beiträgt.

2.2 Studierendenzahlen

Obwohl der Bedarf an Absolventen sinologischer Studiengänge offenkundig wächst, ist die Zahl der Studierenden teilweise rückläufig. Die Entwicklung der Studierendenzahlen zwischen 2006 und 2016 ergibt sich aus der folgenden Tabelle:

Beitrag 18 Tabelle

Die Tabelle zeigt, dass die Studierendenzahlen in Freiburg und Heidelberg trotz des Einsatzes von Mitteln aus dem Ausbauprogramm 2012 stagnieren oder sogar zurückgehen. In Tübingen ist es durch das Angebot eines Studiengangs mit berufspraktischem Schwerpunkt gelungen, die Studierendenzahl deutlich zu steigern.

Die sinologischen Institute, die Universitäten und das Wissenschaftsministerium sollten eine Strategie entwickeln, die das Interesse von Abiturienten und anderen Hochschulzugangsberechtigten an der Aufnahme eines Sinologiestudiums fördert. Die Institute sind der Auffassung, dass dabei dem Angebot Chinesisch als Fremdsprache in der Oberstufe der Gymnasien eine hohe Bedeutung zukommt. Dafür fehlen gegenwärtig noch sinologisch ausgebildete Lehrkräfte.

2.3 Ausstattung der Institute

Die Institute für Sinologie in Heidelberg und Tübingen sind personell und sächlich sachgerecht ausgestattet. Die räumliche Situation weist jedoch an beiden Standorten einen Entwicklungsbedarf aus. Während in Heidelberg aktuell ein neues Gebäude entsteht, ist in Tübingen eine Verbesserung der räumlichen Situation noch nicht abzusehen.

Am Institut für Sinologie der Universität Freiburg besteht generell Entwicklungsbedarf. Die Studienangebote und die Forschungsschwerpunkte wurden nach einem vor einigen Jahren erfolgten Generationswechsel neu ausgerichtet und seither kontinuierlich weiterentwickelt. Es ist zu erwarten, dass die Universität Freiburg entsprechend der wachsenden Bedeutung des Faches Sinologie die Ausstattung des Instituts und die Rahmenbedingungen des Studiums weiter verbessern wird. So hat die Universität angekündigt, die Lehrkapazität des Instituts durch zusätzliche Mitarbeiter deutlich auszuweiten und künftig auch einen Studiengang Chinesisch für das Lehramt an Gymnasien anzubieten. Wenn die Universität Freiburg im Wettbewerb um die wenigen Studierenden gegenüber anderen Fächern und anderen Standorten konkurrenzfähig sein will, muss sie den bereits begonnenen Verbesserungsprozess fortsetzen.

2.4 Haushalts- und Wirtschaftsführung

Bei der Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung der drei Institute haben sich keine schwerwiegenden Beanstandungen ergeben. Insbesondere haben die Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeiter ihre Lehrverpflichtung im geprüften Zeitraum vollständig erfüllt.

Bedenken machte der Rechnungshof in Heidelberg und Freiburg gegen Art und Umfang der Zusammenarbeit mit den örtlichen Konfuzius-Instituten geltend. Es handelt sich bei diesen Instituten um Einrichtungen, die im Auftrag der chinesischen Regierung tätig, vor Ort aber als eingetragener Verein konstituiert sind. Neben politischen Bedenken, die andernorts zu einer Einstellung der Zusammenarbeit mit den Konfuzius-Instituten geführt haben, zeigten sich Probleme in der wirtschaftlichen Ausgestaltung der Zusammenarbeit. So belasteten die Zuwendungen, die die Universitäten dem Konfuzius-Institut vor Ort gewährten, den zentralen Haushalt der jeweiligen Universität, ohne dass diesen Zuwendungen gleichwertige Gegenleistungen gegenüberstanden. Während in Heidelberg das Rektorat auf eine Beendigung dieser finanziellen Unterstützung hinwirkte, beabsichtigt die Universität Freiburg, das örtliche Konfuzius-Institut auch in Zukunft finanziell zu unterstützen.

3 Empfehlungen

3.1 Zukunft der Institute für Sinologie

Der Rechnungshof teilt die Einschätzung der drei geprüften Institute, dass es sich bei der Sinologie um ein Studienfach mit Wachstumspotenzial handelt. Aufgrund der zunehmend intensiveren wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu China und Taiwan wird gerade in Baden-Württemberg der Bedarf an Absolventen der sinologischen Studiengänge steigen.

Vor diesem Hintergrund verzichtet der Rechnungshof darauf, vorzuschlagen, die Sinologie auf nur zwei Standorte zu konzentrieren. Vielmehr sollte nach Möglichkeit angestrebt werden, dass an allen drei Standorten leistungsfähige Institute für Sinologie vorhanden sind, die für interessierte Abiturienten attraktive Studiengänge und Kombinationsmöglichkeiten anbieten. Dieses Ziel impliziert insbesondere in Freiburg einen spürbaren Entwicklungsbedarf in der personellen, sächlichen und räumlichen Ausstattung. Die Universität Freiburg muss dem Fach Sinologie einen höheren Stellenwert als in der Vergangenheit einräumen.

In Heidelberg und Tübingen muss die Unterbringung der Institute deutlich verbessert werden.

3.2 Nachfrage nach Studienplätzen

Die notwendige Nachfrage nach sinologischen Studienplätzen kann dadurch gesteigert werden, dass Studienangebote konzipiert werden, die - wie in Tübingen erfolgreich praktiziert - ein hohes Maß an Berufsorientierung aufweisen.

Der Rechnungshof befürwortet das Angebot von Lehramtsstudiengängen im Fach Sinologie an allen drei Standorten, zumal diese nur mit geringen Zusatzkosten verbunden sind.

3.3 Studienstruktur

Zur Studienstruktur empfiehlt der Rechnungshof,

  • an allen Standorten (wie in Heidelberg praktiziert) einen Vorsemesterkurs anzubieten, der den Abiturienten schon vor Studienbeginn eine erste Orientierung gibt und die Zahl späterer Studienabbrüche signifikant reduziert und
  • einen verbindlichen Auslandsaufenthalt im Umfang von 1 bis 2 Semestern vorzuschreiben, der Teil des Bachelor-Studiengangs ist.

Der Aufwand, den die Universität Tübingen vor Ort in China betreibt, um ihre Studierenden dort während des Auslandsaufenthalts zu betreuen, ist gerechtfertigt und wird dadurch kompensiert, dass während des Auslandsaufenthalts keine Lehrveranstaltungen in Tübingen angeboten werden müssen.

Bei der Installation sinologischer Masterstudiengänge ist zu berücksichtigen, dass zahlreiche Absolventen der Sinologie bereits nach dem Bachelor-Examen attraktive Beschäftigungsangebote aus der Wirtschaft erhalten und deshalb nicht mit großen Bewerberzahlen für die Masterstudiengänge zu rechnen ist.

3.4 Zusammenarbeit mit den Konfuzius-Instituten

Hinsichtlich der Zusammenarbeit der sinologischen Institute mit den Konfuzius-Instituten verkennt der Rechnungshof nicht, dass sich hieraus ein Zusatznutzen für das Lehrangebot und die Öffentlichkeitsarbeit der sinologischen Institute ergeben kann. Allerdings zeigen die Erfahrungen in Heidelberg und Freiburg, dass die Zusammenarbeit problematisch sein kann. Subventionen sind allenfalls dann gerechtfertigt, wenn sie im Zusammenhang mit konkreten Gegenleistungen der Konfuzius-Institute stehen und der Universität und ihren Studierenden zugutekommen.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Wissenschaftsministerium begrüßt, dass der Rechnungshof die beachtlichen Forschungsleistungen an allen drei sinologischen Instituten und ihr breites Spektrum an Teilgebieten in der Lehre anerkennt und die Notwendigkeit befürwortet, die Sinologie an allen drei Standorten durch gut ausgestattete und leistungsfähige Institute vorzuhalten. Da es sich bei der Sinologie um ein Studienfach mit Wachstumspotenzial handele, werde der Bedarf an Absolventen der sinologischen Studiengänge in Baden-Württemberg steigen. Dies sei auch an den zunehmend intensiveren wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu China und Taiwan zu erkennen.

Das Ministerium teilt die Auffassung, dass die Unterbringung der Institute für Sinologie in Heidelberg und Tübingen verbessert werden muss und dass geprüft werden sollte, Lehramtsstudiengänge im Fach Sinologie an allen drei Standorten vorzusehen. Es teilt die Empfehlung des Rechnungshofs, zu prüfen, ob der Vorsemesterkurs wie in Heidelberg auch an den anderen Standorten angeboten und ein verbindlicher Auslandsaufenthalt im Umfang von 1 bis 2 Semestern vorgesehen werden soll.

Hinsichtlich der Zusammenarbeit der sinologischen Institute in Freiburg und Heidelberg mit den Konfuzius-Instituten werde darauf geachtet, dass für das finanzielle Engagement konkrete Gegenleistungen erbracht werden, die sowohl der jeweiligen Universität als auch den Studierenden zugutekommen. Beide Standorte legten auch großen Wert darauf, dass die Zusammenarbeit in politischer und finanzieller Hinsicht korrekt und transparent gestaltet wird.


Was wurde aus dem Beitrag?

Die parlamentarische Behandlung finden Sie hier


Anhänge

Die Erfahrungen an der Fakultät für Physik der Universität Heidelberg zeigen, dass die Möglichkeiten eines kollektiven Lehrdeputats sachgerecht genutzt werden können. Ein Fakultätsdeputat eignet sich für große, homogene Fakultäten. Der Rechnungshof empfiehlt allerdings, bei unbefristet beschäftigten Akademischen Mitarbeitern am System der individuellen Lehrverpflichtung festzuhalten und diese nicht nur in Höhe der Mindestlehrverpflichtung nach der Lehrverpflichtungsverordnung festzusetzen.


1 Ausgangslage

Die Lehrverpflichtung der an einer baden-württembergischen Hochschule beschäftigten Lehrpersonen ist im Landeshochschulgesetz (LHG) und der Lehrverpflichtungsverordnung (LVVO) des Wissenschaftsministeriums verbindlich definiert. Sie kann von der einzelnen Hochschule im Rahmen der Dienstaufgabenbeschreibung und durch Ermäßigungen konkretisiert und modifiziert werden. Es handelt sich jedoch immer um eine individuelle Lehrverpflichtung, die von der jeweiligen Lehrperson persönlich zu erfüllen ist. Die Erfüllung der Lehrverpflichtung wird vom Vorstand der Hochschule oder in dessen Auftrag vom Dekan der jeweiligen Fakultät überwacht. Jede Lehrperson gibt am Ende des Semesters eine individuelle Erklärung über die erbrachten Lehrleistungen ab.

In Artikel 15 des Gesetzes zur Umsetzung der Föderalismusreform im Hochschulbereich vom 20.11.2007 hat der Landesgesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, dass einzelne Fakultäten mit Genehmigung des Wissenschaftsministeriums anstelle individueller Lehrverpflichtungen ein kollektives Fakultätsdeputat vorsehen können. Die Lehrverpflichtung gilt in diesem Falle als erfüllt, wenn die einzelnen Gruppen von Lehrpersonen (Professoren, unbefristet beschäftigte Akademische Mitarbeiter, befristet beschäftigte Akademische Mitarbeiter) in Summe das von der LVVO geforderte Deputat erbringen. Dazu werden die für die einzelnen Lehrpersonen normierten Lehrverpflichtungen und die von ihnen erbrachten Lehrleistungen addiert.

Von dieser Experimentierklausel macht in Baden-Württemberg bis heute nur die Fakultät für Physik und Astronomie der Universität Heidelberg Gebrauch. Die erforderliche Genehmigung des Wissenschaftsministeriums wurde zum Wintersemester 2008/2009 erteilt und nach einer ersten Evaluation 2011 verlängert.

Der Rechnungshof hat der Anwendung der Experimentierklausel seinerzeit zugestimmt und sich die Prüfung der Umsetzung des Fakultätsdeputats vorbehalten. Diese Prüfung hat 2016 stattgefunden. Geprüft wurden die Studienjahre 2012 bis 2015.

2 Prüfungsergebnisse

Die Prüfung des Rechnungshofs hat ergeben, dass die Fakultät für Physik und Astronomie im Großen und Ganzen sachgerecht mit den durch die Experimentierklausel gegebenen Möglichkeiten umgeht. Beanstandungen ergaben sich im Wesentlichen nur bei der Wahrnehmung der Lehre durch die unbefristet beschäftigten Akademischen Mitarbeiter.

2.1 Professoren

An der Fakultät für Physik und Astronomie hat die Lehre einen hohen Stellenwert und wird von den Professoren verantwortungsvoll wahrgenommen. Im Einzelnen wurde bei der Prüfung des Fakultätsdeputats festgestellt, dass die Professoren ihre kollektive Lehrverpflichtung im Betrachtungszeitraum nachhaltig erfüllt und in allen Semestern sogar übertroffen haben. Die Gruppe der Professoren musste je Semester nach Abzug der in der LVVO vorgesehenen Ermäßigungen durchschnittlich 312 Semesterwochenstunden leisten. Tatsächlich erbrachten sie eine durchschnittliche Lehrleistung je Semester von 330 Semesterwochenstunden.

Zugleich wurden die Möglichkeiten des Fakultätsdeputats genutzt, um neu berufene Professoren, besonders forschungsstarke Professoren und Professoren, die außerhalb der Universität anspruchsvolle Fachaufgaben im Ehrenamt übernommen haben, angemessen zu entlasten. Die sachgerechte Anwendung des Fakultätsdeputats wurde insbesondere dadurch erleichtert, dass es sich bei der Fakultät für Physik und Astronomie um eine große und vergleichsweise homogene Professorenschaft handelt.

2.2 Befristet beschäftigte Akademische Mitarbeiter

Auch die befristet beschäftigten Akademischen Mitarbeiter der Fakultät haben in Summe ihre Lehrverpflichtung mehr als erfüllt. Die Summe der Lehrdeputate, die für die aus Landesmitteln bezahlten befristet beschäftigten Akademischen Mitarbeiter normiert sind, wurden in jedem Semester deutlich übertroffen.

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor war dabei, dass auch die gesetzlich nicht zur Lehre verpflichteten Akademischen Mitarbeiter (z. B. Drittmittelbeschäftigte) im Rahmen des Qualifizierungskonzepts der Fakultät zu Lehrleistungen herangezogen wurden. Durch fakultätsinterne Regelungen werden nämlich auch jene befristet beschäftigten Akademischen Mitarbeiter, auf die die LVVO eigentlich keine Anwendung findet, zu Lehrleistungen in beachtlichem Umfang herangezogen.

Das kollektiv bemessene Deputat hat sich für diese Gruppe auch deshalb bewährt, weil die hohe Fluktuation (während der einzelnen Semester und auch innerhalb der Fakultät) eine individuelle Zurechnung und Kontrolle der Lehrverpflichtung in vielen Fällen erschwert oder unmöglich macht. Das kollektive Deputat einerseits und die an der Fakultät vorherrschende Überzeugung andererseits, dass Erfahrungen in der Lehre ein unverzichtbarer Teil der wissenschaftlichen Weiterbildung der Mitarbeiter sind, sichern im Ergebnis ein mehr als ausreichendes Angebot an Lehrleistungen gegenüber den Studierenden.

2.3 Unbefristet beschäftigte Akademische Mitarbeiter

Nicht bewährt hat sich die Anwendung des Fakultätsdeputats bei der Gruppe der unbefristet beschäftigten Akademischen Mitarbeiter.

Die Fakultät hat weder die Differenzierungsmöglichkeiten der LVVO noch die zusätzlichen Freiheiten, die durch das Kollektivdeputat gegeben sind, genutzt, um den Umfang des Lehrangebots und die Qualität der Lehre im Interesse der Studierenden zu steuern. Bei der Berechnung des kollektiven Deputats wurden im Gegenteil häufig nur die Untergrenzen der individuellen Lehrverpflichtung addiert.

Weiterhin hat die Prüfung eine Reihe von Fällen ergeben, in denen die Lehrleistung unbefristet beschäftigter akademischer Mitarbeiter hinter den individuellen Vorgaben der LVVO zurückblieb, ohne dass hier bewusst eine Entlastung der betreffenden Mitarbeiter angestrebt war. In diesen Fällen wäre ein umfangreicheres Lehrangebot zustande gekommen, wenn anstelle des kollektiven Fakultätsdeputats individuell bemessene Deputate angewendet worden wären.

Eine Häufung von Unzulänglichkeiten zeigte sich bei der Prüfung der Lehrleistungen der Mitarbeiter des Zentrums für Astronomie der Universität Heidelberg. Dies liegt daran, dass die Eingliederung der Landesforschungseinrichtungen in die Fakultät für Physik und Astronomie hinsichtlich der Lehre nicht vollständig gelungen ist. Nach der Integration des Zentrums für Astronomie in die Fakultät hätten alle dort beschäftigten Akademischen Mitarbeiter Leistungen in der Lehre erbringen müssen. Diese Lehrverpflichtung wurde von der Fakultät mit Rücksicht auf diese oft langjährigen Mitarbeiter ohne Lehrerfahrung häufig nicht durchgesetzt und ab 2009 bei der Bemessung des kollektiven Fakultätsdeputats nicht berücksichtigt. Dies führte zu einem gegenüber den gesetzlichen Vorgaben verminderten Lehrangebot.

Weitere Beanstandungen des Rechnungshofs betrafen die unzureichende Dokumentation der Lehrleistung einzelner Lehrpersonen, fehlende oder unzureichende Dienstaufgabenbeschreibungen im Bereich des Mittelbaus und die fehlerhafte Anwendung der LVVO bei der Anrechnung von Lehrleistungen auf das Deputat.

3 Empfehlungen

3.1 Voraussetzungen für das Fakultätsdeputat

Nach den in Heidelberg gewonnen Erkenntnissen über den Umgang mit der Fakultätspauschale hält der Rechnungshof die Anwendung dieses Modells auch an anderen Hochschulen und ihren Fakultäten für möglich, wenn es sich um eine hinreichend große Fakultät (mit mindestens 25 Professuren) handelt, die eine hohe fachliche Homogenität aufweist. Da der sachgerechte Umgang mit der Fakultätspauschale ein besonders hohes Maß an Lehrmotivation und Verantwortung gegenüber den Studierenden voraussetzt, käme die Fakultätspauschale dann nicht in Betracht, wenn eine antragstellende Fakultät in der Vergangenheit durch Minderleistungen in der Lehre in Erscheinung getreten ist.

3.2 Genehmigung und Umsetzung des Fakultätsdeputats

Den antragstellenden Fakultäten empfehlen wir, die Fakultätspauschale nur bei der Gruppe der Professoren und der Gruppe der befristet beschäftigten Akademischen Mitarbeiter anzuwenden. Die Erfüllung der Lehrleistung unbefristet beschäftigter akademischer Mitarbeiter sollte wie allgemein üblich durch eine individuelle Lehrverpflichtung und einen individuellen Nachweis sichergestellt werden. Die von der LVVO gegebenen Spielräume sollten bei der Beschreibung der Dienstaufgaben im Interesse eines höheren Lehrangebots differenzierter genutzt werden.

Das Wissenschaftsministerium sollte bei der Genehmigung von Fakultätsdeputaten durch Auflagen darauf hinwirken, dass

  • die kollektive Lehrverpflichtung innerhalb der Fakultät nachvollziehbar und explizit auf die einzelne Lehrperson heruntergebrochen wird, sodass keine Zweifel über die im jeweiligen Semester zu erbringende individuelle Lehrleistung besteht,
  • professorale Lehre stets durch Professoren erbracht wird,
  • die Erfüllung der Soll-Lehrverpflichtung am Ende des Semesters durch eine individuelle Erklärung der Lehrperson dokumentiert wird und
  • sich die Berechnung des kollektiv zu erbringenden Deputats streng an die Vorgaben der LVVO hält und das Kollektivdeputat nicht zur Verminderung des Gesamtlehrangebots führt.

Das Vorgehen des Ministeriums, die Genehmigung zunächst befristet zu erteilen und erst nach einer Evaluation zu verlängern, empfiehlt sich auch für künftige Fälle.

3.3 Integration des Zentrums für Astronomie

Der Universität Heidelberg empfehlen wir, im Zusammenhang mit dem anstehenden Generationswechsel die Dienstaufgabenbeschreibungen und die (individuellen) Lehrdeputate der am Zentrum für Astronomie beschäftigten Akademischen Mitarbeiter zu überprüfen und den veränderten organisatorischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen anzupassen. Danach müssen auch die am Zentrum für Astronomie beschäftigten Akademischen Mitarbeiter Lehrleistungen nach Maßgabe der LVVO erbringen.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Wissenschaftsministerium begrüßt und teilt das grundsätzlich positive Fazit sowohl des Rechnungshofs als auch der Fakultät für Physik und Astronomie der Universität Heidelberg in Bezug auf die Umsetzung des Fakultätsdeputats.

4.1 Positives Fazit

Das Ministerium ist der Auffassung, die Fakultät für Physik und Astronomie der Universität Heidelberg habe das Fakultätsdeputat verantwortungsvoll umgesetzt. Das aus Landesmitteln finanzierte Lehrdeputat werde in vollem Umfang erfüllt; die professorale Lehre werde sogar übererfüllt. Die mit dem Fakultätsdeputat generierten Flexibilisierungsmaßnahmen seien erfolgreich zur Stärkung der Forschung und der forschungsorientierten Lehre angewendet worden. So haben die Entlastungen bei der Entwicklung neuer Vorlesungen, in der Anfangsphase großer drittmittelgestützter Forschungsprojekte und zur Unterstützung Neuberufener zu einer zunehmenden Attraktivität für Studierende und einer ausgesprochen hohen Drittmitteleinwerbung geführt sowie die Neuberufung von herausragenden Hochschullehrern aus dem In- und Ausland positiv unterstützt.

4.2 Umsetzung der Empfehlungen des Rechnungshofes

Zur Behebung der vom Rechnungshof festgestellten Mängel bei der Dokumentation der Lehrleistung, bei den Dienstaufgabenbeschreibungen und bei der Anwendung der LWO habe die Fakultät die vom Rechnungshof angemahnten Maßnahmen zwischenzeitlich veranlasst. Gleiches gelte für die Beseitigung der weitgehend historisch bedingten Unzulänglichkeiten bei der Einbindung der Mitarbeiter des Zentrums für Astronomie der Universität Heidelberg in die Lehre.

4.3 Ausblick

Das Prüfungsergebnis des Rechnungshofs werde vom Ministerium im Großen und Ganzen geteilt. Nach Ansicht des Ministeriums eigne sich das Fakultätsdeputat grundsätzlich für alle drei Gruppen von Lehrpersonen (Professoren, unbefristet sowie befristet beschäftigte Akademische Mitarbeiter). Im Einzelfall könne es angezeigt sein, die Lehrverpflichtung einer Lehrgruppe nach dem klassischen Modell individuell zu definieren und zu überwachen, etwa um zu verhindern, dass sich einzelne Lehrpersonen vollständig der Lehre entziehen. Dies könne durch die Fakultät auch auf andere Weise sichergestellt werden. Dass sich die Fakultät bei der Festlegung des Deputats an der Mindestlehrverpflichtung einer Bandbreitenregelung in der LVVO orientiert, sei aus Sicht des Ministeriums nicht zu beanstanden.

5 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof hält es auch weiterhin für nicht angemessen, die individuelle Lehrverpflichtung akademischer Mitarbeiter durchgehend in Höhe der Mindestlehrverpflichtung nach der LVVO zu definieren. Die in der LVVO normierten Bandbreiten sollten im Interesse eines effizienten Ressourceneinsatzes differenziert umgesetzt werden. Dabei empfiehlt sich eine Orientierung an den mittleren Werten der von der LVVO normierten Bandbreiten.


Was wurde aus dem Beitrag?

Die parlamentarische Behandlung finden Sie hier


Anhänge

Bei den Materialprüfungsanstalten in Stuttgart und Karlsruhe decken die erzielten Entgelte und eingeworbenen Drittmittel nicht die Kosten. Erforderlich ist daher eine wirtschaftliche Konsolidierung beider Anstalten. Außerdem müssen die Organisation, die Personalwirtschaft und das Forderungsmanagement an beiden Standorten verbessert werden.


1 Ausgangslage

Materialprüfungsanstalten haben die Aufgabe, Material-, Waren- und Sicherheitsprüfungen an Bau- und Werkstoffen, Bauteilen, Waren und Geräten aller Art vorzunehmen. Konkret werden dabei Risse und Schäden aufgespürt, das Verhalten von Werkstoffen und Bauteilen unter Extrembedingungen getestet, die Anforderungen des Wärme- und Schallschutzes oder die Brandsicherheit von Materialien nachgewiesen. Ein wesentlicher Aufgabenkomplex besteht bei den größeren Einrichtungen in der Durchführung von Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungstätigkeiten. Die hierfür erforderliche Anerkennung wird vom Deutschen Institut für Bautechnik in Berlin erteilt. In Baden-Württemberg gibt es aktuell 27 private und 11 öffentlich-rechtliche Stellen, die vom Deutschen Institut für Bautechnik anerkannt sind. Die beiden größten staatlichen Stellen sind die Materialprüfungsanstalt der Universität Stuttgart (MPA Stuttgart) und die Materialprüfungs- und Forschungsanstalt am Karlsruher Institut für Technologie (MPA Karlsruhe).

Nach § 2 Absatz 7 Landeshochschulgesetz gehört die Materialprüfung zu jenen Aufgaben, die von den Hochschulen zusätzlich übernommen werden dürfen.

Die Materialprüfungsanstalt Stuttgart wurde 1884 als Teil des damaligen Polytechnikums Stuttgart gegründet. 1927 wurde die Anstalt organisatorisch geteilt: Ein Teil war für das Bauwesen, der andere Teil für den Maschinenbau zuständig. Der für das Bauwesen bestimmte Teil erhielt später den Namen Otto-Graf-Institut und wurde erst 2003 wieder in die Universität Stuttgart eingegliedert.

Die MPA Stuttgart ist eine zentrale Einrichtung der Universität Stuttgart und wird von zwei Direktoren geleitet, die zugleich Universitätsprofessoren sind. Aktuell sind an der MPA Stuttgart 320 Mitarbeiter beschäftigt. Die MPA Stuttgart erzielte 2015 aus Entgelten und Forschungsdrittmitteln Einnahmen von 18,7 Mio. Euro. Davon stammen rund 80 Prozent von privaten Auftraggebern (insbesondere der Industrie). Die Ausgaben betrugen 22,7 Mio. Euro. Das Defizit wird aus Mitteln der Universität gedeckt.

Die 1919 an der Technischen Hochschule gegründete MPA Karlsruhe ist aktuell eine „eigenständige Organisationseinheit“ der Fakultät Bau-Geo-Umwelt am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Seit 2006 wird die Einrichtung von einem Direktor geleitet, der gleichzeitig in Personalunion Leiter des Lehrstuhls für Baustoffe und Betonbau am KIT ist. Neben dem Direktor sind der MPA 47 Mitarbeiter zugeordnet. Die Einnahmen der MPA Karlsruhe aus Entgelten und Forschungsdrittmitteln beliefen sich 2015 auf 1,64 Mio. Euro. Davon stammen 77 Prozent von privaten Auftraggebern. Den Einnahmen standen Ausgaben von 3,4 Mio. Euro gegenüber. Das Defizit wird aus Mitteln des KIT gedeckt.

2 Prüfungsergebnisse

Der Rechnungshof hat 2016 die Organisation und die Haushalts- und Wirtschaftsführung der beiden Materialprüfungsanstalten mit folgenden Ergebnissen geprüft. Im Fokus der Prüfung standen vor allem die Haushaltsjahre 2013 bis 2015.

2.1 Materialprüfungsanstalt Stuttgart

2.1.1 Hohe Leistungsfähigkeit und Synergien

Die MPA Stuttgart erbringt sowohl auf dem Markt der Materialprüfung als auch im Rahmen von öffentlichen und privaten Forschungsprojekten beachtliche Leistungen. Durch ihre Größe und ihre Kompetenz sowohl im Maschinenbau als auch im Bauwesen ist sie in der Lage, auch umfangreiche und technisch anspruchsvolle Projekte zu akquirieren. Mit einem Jahresumsatz von über 18 Mio. Euro ist die MPA Stuttgart nach eigenen Angaben die größte staatliche Materialprüfungsanstalt in Deutschland.

Die Studierenden und die wissenschaftlichen Mitarbeiter der beiden korrespondierenden Fakultäten profitieren in erheblichem Umfang von dem an der MPA vorhandenen Know-how und können für ihre Arbeiten auf die Geräte und Maschinen der MPA zurückgreifen.

Allerdings hat die Prüfung des Rechnungshofs auch Verbesserungspotenziale ergeben.

2.1.2 Zu geringe Produktivität und negatives Rechnungsergebnis

In ihrem jährlichen Rechnungsergebnis weist die MPA Stuttgart seit Jahren Verluste aus. Im Zeitraum 2013 bis 2015 belief sich der jährliche Verlust im Durchschnitt auf 3,9 Mio. Euro. Mit ihren Einnahmen aus Entgelten und Forschungsdrittmitteln erzielte die MPA lediglich einen Kostendeckungsgrad von 82 Prozent.

Nicht erwirtschaftet wird außerdem der innerhalb der Universität Stuttgart zu leistende Beitrag zu den Overhead-Kosten (Gemeinkosten der Universität). Dadurch erhöht sich der jährliche Verlust rechnerisch um weitere 2,1 Mio. Euro.

Sechs der 13 Abteilungen der MPA erwirtschaften regelmäßig Defizite. Sehr verlustreich arbeiten besonders die Abteilungen „Werkstoffeigenschaften", „Dauerhaftigkeit von Bauten und Anlagen" und „Mineralische Baustoffe".

In der Buchhaltung der MPA sind sogenannte Überlaufkonten eingerichtet, auf denen jener projektbezogene Personalaufwand verbucht wird, der nicht gegenüber Kunden oder Zuschussgebern abgerechnet werden kann. Der auf diese Weise gebuchte Aufwand betrug 2015 insgesamt 6,8 Mio. Euro. In dieser Summe zeigt sich die unzureichende Produktivität des eingesetzten Personals und damit die wesentliche Ursache für den jährlichen Betriebsverlust der MPA.

Der Rechnungshof und das Rektorat der Universität Stuttgart stimmen in der Auffassung überein, dass die MPA künftig ihre Kosten durch eigene Einnahmen aus Entgelten und Forschungsdrittmitteln decken muss. Dazu ist ein Konsolidierungskurs erforderlich, der nach Angaben der Direktion der MPA bereits eingeleitet ist.

Der Rechnungshof hat verschiedene Ursachen für den nachhaltig defizitären Betrieb der MPA identifiziert:

  • In vielen Fällen werden von der MPA Projekte akquiriert, deren Kosten durch die erzielbaren Entgelte nicht gedeckt werden. Dies geschieht bisweilen wissentlich, weil solche Projekte wissenschaftlich oder technisch attraktiv erscheinen oder die MPA einen bestimmten Marktsektor nicht verlieren möchte, bisweilen versehentlich, weil die Kalkulation der Entgelte nicht alle Faktoren hinreichend berücksichtigt.
  • Auf der Leitungsebene der MPA Stuttgart haben die (oft auch persönlichen) wissenschaftlichen Interessen starke Fürsprecher, während bislang kein kaufmännischer Leiter installiert ist, der ausschließlich der Wirtschaftlichkeit der MPA verpflichtet ist.
  • Die Personalausstattung der MPA ist - historisch gewachsen - zu hoch. Dies beeinträchtigt die Produktivität und verleitet die Entscheidungsträger dazu, um der Auslastung des vorhandenen Personals willen Projekte mit negativen Deckungsbeiträgen zu akquirieren.
  • Die historisch gewachsene räumliche Trennung der beiden Teile der MPA und die durch den Investitionsstau der letzten Jahre teilweise veralteten Maschinen und Geräte schlagen sich auf der Kostenseite negativ nieder und mindern an manchen Stellen die Wettbewerbsfähigkeit der MPA.

Die Wirtschaftlichkeit der MPA muss deutlich verbessert werden. Es ist fiskalisch nicht zu vertreten, dass die Betriebsverluste Jahr für Jahr aus jenen Mitteln der Universität quersubventioniert werden, die dieser vom Land für Zwecke der Forschung und Lehre zugewiesen werden.

2.1.3 Unzureichendes Forderungsmanagement

Trotz Kenntnis der wirtschaftlich angespannten Situation hat die MPA über Jahre hinweg Teile der ihr zustehenden Einnahmen nicht oder nicht rechtzeitig geltend gemacht. Die Summe der offenstehenden Forderungen bewegte sich zur Zeit der Prüfung in einer Größenordnung von über 1 Mio. Euro. Durch eingetretene Verjährungen sind der MPA in den letzten zehn Jahren Einnahmen von 260.000 Euro entgangen.

Ein Teil dieser Beanstandungen des Rechnungshofs wurde während der laufenden Prüfung behoben.

2.1.4 Weitere Verbesserungspotenziale

Die Universität Stuttgart verfährt bei der Umwandlung befristeter in unbefristete Arbeitsverhältnisse an der MPA zunehmend großzügiger. Aktuell sind 57 Prozent der Mitarbeiter an der MPA unbefristet beschäftigt, deren Stellen aus Entgelten oder Forschungsdrittmitteln finanziert werden müssen. Darin liegt ein erhebliches wirtschaftliches Risiko, dem die Universität durch ein behutsameres Vorgehen bei der Entfristung von Arbeitsverhältnissen begegnen müsste. Dabei verkennt der Rechnungshof nicht, dass es im Einzelfall arbeitsrechtliche Gründe gibt, befristete in unbefristete Arbeitsverhältnisse umzuwandeln.

Die Effizienz der Buchhaltung könnte verbessert werden, wenn die von der MPA eingesetzte Software an die SAP-Umgebung der Universität angepasst würde. Derzeit ist es der MPA nur mit großem Aufwand möglich, die vom System der Universität ermittelten Jahresergebnisse auf den eigenen Rechnern nachzuvollziehen.

2.2 Materialprüfungsanstalt Karlsruhe

2.2.1 Eigenes Kompetenzprofil

Bei der MPA Karlsruhe handelt es sich - im Unterschied zur MPA Stuttgart - um eine kleine Materialprüfungsanstalt mit einem stärker spezialisierten Leistungsspektrum. Mit ihrer Ausstattung und ihrem besonderen Kompetenzprofil erreicht die MPA einen beachtlichen Marktanteil, insbesondere bei Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungstätigkeiten. Mehr als 200 Vertragspartner nehmen regelmäßig diese Leistungen der MPA Karlsruhe in Anspruch.

Die Maschinen und Geräte der MPA Karlsruhe können von Studierenden und Mitarbeitern des KIT im Rahmen eigener wissenschaftlicher Projekte und für Bachelor- und Masterarbeiten genutzt werden. Sie alle profitieren von dem an der MPA vorgehaltenen Know-how.

Gleichwohl hat die Prüfung des Rechnungshofs auch Verbesserungspotenziale ergeben.

2.2.2 Organisatorische Defizite

Zwischen der MPA und dem Lehrstuhl für Baustoffe und Betonbau besteht organisatorisch eine unklare Gemengelage. Die in Personalunion geführte Leitung beider - offiziell selbstständigen - Einrichtungen geht intern von einer einheitlichen Organisationsstruktur aus. Dies wirft Probleme in organisatorischer, haushalts- und zuwendungsrechtlicher Hinsicht auf. So kann keine exakte Aussage über die tatsächliche wirtschaftliche und personelle Situation beider Einrichtungen des KIT getroffen werden. Darüber hinaus entstehen Probleme im Hinblick auf das europarechtliche Beihilfeverbot.

2.2.3 Negatives Rechnungsergebnis

In ihrem jährlichen Rechnungsergebnis weist die MPA regelmäßig Verluste aus. Im Zeitraum 2013 bis 2015 belief sich der durchschnittliche Verlust der Einrichtung auf 1,6 Mio. Euro jährlich. Zusätzlich werden noch zur Abgeltung des Overhead-Aufwands Abzüge durch das KIT vorgenommen. Diese dienen einer angemessenen Beteiligung an den durch die Dienstleistungen und Drittmittelprojekte der MPA verursachten, zentral finanzierten Gemeinkosten. Durch diese Abzüge erhöht sich der jährliche Verlust der MPA rechnerisch um weitere rund 200.000 Euro. Insgesamt erzielt die Einrichtung mit ihren Einnahmen nur eine Deckungsquote von 51 Prozent ihrer Ausgaben.

2.2.4 Defizite in der Kalkulation und beim Forderungsmanagement

Die MPA hat einen Teil der ihr zustehenden Einnahmen über Jahre hinweg nicht geltend gemacht. Die Summe der offenstehenden Forderungen bewegt sich dabei in einer Größenordnung von rund 300.000 Euro. Darüber hinaus wurden zu niedrige Abrechnungen der Einrichtung gegenüber ihren Kunden, unzulässige Rabattgewährungen sowie nicht weiter verrechnete Reisekosten von MPA-Mitarbeitern festgestellt. Die Gebührenordnung der MPA wird nicht regelmäßig aktualisiert. Für die darin aufgeführten Einheitspreise fehlt eine transparente Kalkulationsgrundlage. Zudem werden Tätigkeiten der Mitarbeiter im Vorfeld eines Auftrags nicht durch einen hierfür erforderlichen Gebührentatbestand erfasst, sodass der Einrichtung weitere Einnahmen verloren gehen.

2.2.5 Weitere Feststellungen

An der MPA Karlsruhe werden die Vorgaben der Drittmittelrichtlinien des Wissenschaftsministeriums nicht umfassend eingehalten. So kommt die Einrichtung der ihr obliegenden Anzeigepflicht beim Abschluss privater Drittmittelaufträge häufig nicht nach.

Im Personalbereich der MPA stellte der Rechnungshof unzulässige Auszahlungen sowie eine nicht immer regelkonform gehandhabte Nebentätigkeit fest. An mehrere Bedienstete der Einrichtung werden seit Jahren in unzulässiger Weise Überstundenvergütungen ausgezahlt, obwohl das KIT selbst diese Maßnahme bereits beanstandet hat. Die Arbeitszeit der Mitarbeiter wird nicht elektronisch erfasst.

3 Empfehlungen

Der Rechnungshof erhebt keine grundsätzlichen Einwendungen dagegen, dass die Universität Stuttgart und das KIT Aufgaben der Materialprüfung wahrnehmen. Mit ihrer besonderen fachlichen Kompetenz decken sie einige Bereiche der Materialprüfung ab, die von privaten Materialprüfungsstellen nicht angeboten werden (können). Außerdem profitieren Forschung und Lehre in beachtlichem Umfang von dem in den Materialprüfungsanstalten vorhandenen Know-how.

3.1 Empfehlungen an die Universität Stuttgart

3.1.1 Materialprüfungsanstalt wirtschaftlich konsolidieren

Die Universität Stuttgart muss ihre MPA wirtschaftlich mit dem Ziel konsolidieren, die Kosten der MPA vollständig durch Einnahmen aus Entgelten und Forschungsdrittmitteln zu decken. Zu diesen Kosten gehören auch die Abschreibungen für Gebäude und Maschinen sowie der Overhead-Aufwand, den die Universität Stuttgart für die MPA leistet. Auf lange Frist sollte die MPA aus ihren Einnahmen auch die für Neuinvestitionen notwendigen Mittel erwirtschaften.

Als notwendige Voraussetzungen für diesen Konsolidierungskurs empfiehlt der Rechnungshof insbesondere

  • den Verzicht auf jene Aufgabenfelder, die seit Jahren regelmäßig Defizite erwirtschaften,
  • die Steigerung der Produktivität durch Abbau jener Personalstellen, die keinen Deckungsbeitrag für die MPA erwirtschaften, durch effizientere Aufgabenerfüllung und durch den Verzicht auf Projekte, deren Kosten nicht durch Entgelte oder Forschungsdrittmittel gedeckt werden können, und
  • die Einsetzung eines kaufmännischen Direktors, der ohne eigene wissenschaftliche Interessen nur der Wirtschaftlichkeit der Einrichtung verpflichtet ist.

3.1.2 Organisation und Personalwirtschaft verbessern

Der Rechnungshof empfiehlt, die festgestellten Defizite in Organisation und Personalwirtschaft zu beheben, insbesondere

  • die beiden räumlich getrennten Teile der MPA Stuttgart mittelfristig an einem Ort auf dem Campus in Stuttgart-Vaihingen zusammenzuführen,
  • das Forderungsmanagement zu professionalisieren,
  • bei der Entfristung vorhandener Personalstellen behutsamer als in der Vergangenheit vorzugehen und
  • die Buchhaltung der MPA in das SAP-System der Universität Stuttgart zu integrieren.

3.2 Empfehlungen an das Karlsruher Institut für Technologie

Der Rechnungshof empfiehlt, die unklare Organisationsstruktur der MPA zu bereinigen und die MPA - wie in Stuttgart - als zentrale Einrichtung des KIT zu führen.

3.2.1 Materialprüfungsanstalt wirtschaftlich konsolidieren

Der Rechnungshof hält einen Konsolidierungskurs mit dem Ziel hundertprozentiger Kostendeckung für notwendig. Auch die MPA Karlsruhe sollte die Mittel für Neuinvestitionen langfristig aus Entgelten und Forschungsdrittmitteln erwirtschaften.

Dazu sollte die MPA Karlsruhe

  • Personalstellen, die keinen Deckungsbeitrag für die MPA erwirtschaften, abbauen,
  • alle Entgelte sorgfältig und vollkostendeckend kalkulieren und die dabei angewendeten Pauschalen regelmäßig aktualisieren und
  • alle Einnahmemöglichkeiten, die sich aus den Projekten der MPA ergeben, konsequent, zeitnah und ohne Rabattgewährung realisieren.

Auch in Karlsruhe könnte die Einsetzung eines kaufmännischen Leiters der MPA zur Wirtschaftlichkeit beitragen.

3.2.2 Organisation und Personalwirtschaft verbessern

Bei der MPA Karlsruhe sollten ebenfalls die vom Rechnungshof festgestellten organisatorischen und personalwirtschaftlichen Defizite zügig behoben werden.

Notwendig sind

  • eine elektronische Arbeitszeiterfassung und der Verzicht auf die Gewährung unzulässiger Überstundenvergütungen,
  • die klare Abgrenzung von Haupt- und Nebentätigkeiten der Beschäftigten der MPA,
  • die Beachtung der Drittmittelrichtlinien des Wissenschaftsministeriums und
  • die Professionalisierung des Forderungsmanagements.

Der Rechnungshof sieht auch noch Verbesserungspotenziale bei der aufgrund europäischen Rechts notwendigen Trennungsrechnung.

4 Gemeinsame Stellungnahme des Wissenschaftsministeriums, der Universität Stuttgart und des KIT

Das Wissenschaftsministerium begrüßt, dass der Rechnungshof die Existenz und Notwendigkeit des Betriebs der Materialprüfungsanstalten in Karlsruhe und Stuttgart grundsätzlich anerkennt. Von den Materialprüfungsanstalten profitierten externe Unternehmen im Rahmen eines Technologietransfers; Studierende und wissenschaftliche Mitarbeiter könnten die dort vorhandenen Ressourcen und das Know-how für ihre Zwecke nutzen.

4.1 Materialprüfungsanstalt Stuttgart

Ministerium und Universität anerkennen die Notwendigkeit der Konsolidierung der MPA Stuttgart. Mit der Schließung einzelner Arbeitsbereiche bzw. ihrer Neuorganisation seien bereits erste Schritte eingeleitet worden, die Wirtschaftlichkeit zu verbessern. Weitere Umstrukturierungen im Bereich Bauwesen seien von der MPA bereits angekündigt.

Eine Optimierung der Schnittstelle mit dem SAP-System sowie die Vereinheitlichung der Buchhaltungssysteme werde derzeit bereits verfolgt.

Eine Entfristung vorhandener Personalstellen erfolge behutsam unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben und nur nach Freigabe durch das Rektorat der Universität.

Die räumliche Zusammenlegung der MPA Stuttgart sei langfristig geplant und werde weitere Effizienzgewinne mit sich bringen.

Das Ministerium teilt die Empfehlung des Rechnungshofs zur Einsetzung einer kaufmännischen Direktion, die unabhängig von der wissenschaftlichen Direktion nur die Wirtschaftlichkeit der Einrichtung im Blick habe.

4.2 Materialprüfungsanstalt Karlsruhe

Ministerium und KIT stimmen dem Vorschlag des Rechnungshofs zu, dass die Kostendeckung der MPA verbessert werden müsse und alle möglichen Maßnahmen ergriffen werden sollten, um langfristig Mittel für Neuinvestitionen aus Entgelten und Forschungsmitteln zu erwirtschaften, die organisatorischen und personalwirtschaftlichen Defizite zu beheben und die Trennungsrechnung zu verbessern.

Die MPA Karlsruhe habe bereits erste Maßnahmen ergriffen, um diesen Anliegen Rechnung zu tragen.


Was wurde aus dem Beitrag?

Die parlamentarische Behandlung finden Sie hier


Anhänge

Die Großen Landesausstellungen haben sich als publikumswirksame Ausstellungsform bewährt. Die Erfahrungen der letzten Jahre legen einige Verbesserungen bei der Vorbereitung und Organisation nahe.

Weitere attraktive Ausstellungen könnten finanziert werden, wenn ein Teil der Eintrittsgelder in den Landeshaushalt zurückflösse.


1 Ausgangslage

Die elf Landesmuseen bieten ihren Besuchern umfangreiche Dauerausstellungen und zeitlich befristete Sonderausstellungen an. Diese Ausstellungen werden in der Regel aus dem laufenden Haushalt der Museen finanziert, ergänzt durch Zuschüsse von Sponsoren oder aus anderen öffentlichen Kassen.

Seit 1977 gibt es in Baden-Württemberg eine besonders gestaltete Form der Sonderausstellung: die Große Landesausstellung.

Große Landesausstellungen werden überwiegend aus einem speziell dafür gewährten Landeszuschuss finanziert und waren ursprünglich dazu bestimmt, landesgeschichtliche Themen in den kulturhistorischen Museen des Landes zu vermitteln.

Seit 1998 werden Große Landesausstellungen in jährlicher Folge durchgeführt. Möglich sind seither auch Themen ohne speziellen Landesbezug, wenn die Ausstellungen historische Ereignisse oder Besonderheiten der Sammlung der jeweiligen Museen zum Gegenstand haben.

In den letzten Jahren wurden alle elf Landesmuseen in die Vergabe der Großen Landesausstellungen einbezogen. Zuletzt wurden jährlich vier bis fünf Große Landesausstellungen gezeigt.

Die Landesregierung hat 2013 beschlossen, den Haushaltsansatz für Große Landesausstellungen zu kürzen und ab 2017 die Zahl der Großen Landesausstellungen auf jährlich maximal zwei bis drei zu reduzieren und stattdessen als weitere Ausstellungsform die „Große Sonderausstellung“ einzurichten. Während künftig Große Landesausstellungen einen Landeszuschuss von bis zu 1,1 Mio. Euro erhalten können, soll der Zuschuss für Große Sonderausstellungen auf 210.000 Euro je Ausstellung begrenzt werden.

Aktuell sind für Große Landesausstellungen und Große Sonderausstellungen insgesamt 3 Mio. Euro im Haushaltsjahr etatisiert.

2016/17 fanden folgende Große Landesausstellungen statt:

  • Gutes und Böses Geld (Staatliche Kunsthalle Baden-Baden)
  • 4.000 Jahre Pfahlbauten (Archäologisches Landesmuseum Konstanz)
  • Naturdetektive (Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart)
  • Die Schwaben (Landesmuseum Württemberg)
  • 200 Jahre Freiherr von Drais - Geschichte und Zukunft der individuellen Mobilität (Technoseum Mannheim)

Im Dezember 2017 wird die Große Landesausstellung „Reformation - Gegenreformation: Der Meister von Meßkirch“ in der Staatsgalerie Stuttgart eröffnet.

Für 2018 sind folgende Große Landesausstellungen geplant:

  • Eiszeit am Oberrhein - Klima, Flora, Fauna, Mensch (Staatliches Museum für Naturkunde Karlsruhe)
  • So viel Anfang war nie. Die Anfänge der Weimarer Republik im Südwesten (Haus der Geschichte Baden-Württemberg)
  • Leben im Bernsteinwald (Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart)

Der Rechnungshof hat 2015 folgende Große Landesausstellungen der Vorjahre geprüft:

  • Camille Corot. Natur und Traum (Staatliche Kunsthalle Karlsruhe)
  • Im Glanz der Zaren. Die Romanows, Württemberg und Europa (Landesmuseum Württemberg)
  • Inka - Könige der Anden (Linden-Museum Stuttgart)
  • Das Konstanzer Konzil. Weltereignis des Mittelalters 1414 - 1418 (Badisches Landesmuseum Karlsruhe - im Konzilgebäude in Konstanz)

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Strategische Bedeutung

Mit den Großen Landesausstellungen wollen Landesregierung und Landesmuseen ein breites Publikum erreichen und mit den landesgeschichtlichen oder sammlungsbezogenen Themen vertraut machen. Angestrebt wird, dass die Großen Landesausstellungen Besucher aus dem ganzen Land und außerhalb Baden-Württembergs ansprechen. Grundlagen dafür sind regelmäßig eine aufwendige Konzeption und Ausstellungsarchitektur, eine besonders intensive Öffentlichkeitsarbeit und eine Vielzahl attraktiver Begleitmaßnahmen (wie z. B. Führungen, Kataloge, Vorträge, museumspädagogische Begleitprogramme), die über das bei anderen Ausstellungen übliche Maß hinausgehen.

Die statistischen Auswertungen der Großen Landesausstellungen und die Ergebnisse des Rechnungshofs zeigen, dass die Großen Landesausstellungen diese strategischen Ziele regelmäßig erreichen. Die Besucherzahlen der Großen Landesausstellungen übertreffen in den meisten Fällen die Besucherzahlen der Dauerausstellungen und belegen damit ihre besondere Attraktivität. Die Museen haben durch Besucherbefragungen nachgewiesen, dass Große Landesausstellungen den geografischen Einzugsbereich des Museums erweitern und auch solche Besucher anziehen, die das betreffende Museum ansonsten nicht besuchen. Das bundesweite Medienecho belegt, dass die meisten Großen Landesausstellungen über die Landesgrenzen hinaus öffentlichkeitswirksam sind.

2.2 Professionelle Vorbereitung und wirtschaftliche Steuerung

In allen von der Finanzkontrolle geprüften Großen Landesausstellungen bildeten die langfristige Vorbereitung und die professionelle Konzeption wesentliche Erfolgsfaktoren. Ein professionelles Controlling sicherte regelmäßig den ökonomischen Erfolg einer Ausstellung. War das Controlling bei einer Ausstellung ausnahmsweise unzureichend, so schlug sich dies in einer Minderung des wirtschaftlichen Ergebnisses nieder. Einzelne Mängel in der Haushalts- und Wirtschaftsführung waren insbesondere dann festzustellen, wenn Entscheidungen unter Zeitnot getroffen wurden.

Nicht bewährt hat sich bei einer der geprüften Großen Landesausstellungen die Delegation des Controllings (insbesondere des Kostencontrollings) auf Dritte. Die wirtschaftliche Steuerung großer Ausstellungen ist eine zentrale Führungsaufgabe der Museumsleitung und muss von dieser wahrgenommen werden.

Bei der Mehrzahl der Großen Landesausstellungen wurden die ökonomischen Ziele erreicht oder übertroffen. Die Besucherzahlen überstiegen häufig die Erwartungen des jeweiligen Museums. Einzelnen Museen ist es auf diese Weise gelungen, umfangreiche Überschüsse zu erzielen, die es ihnen erlaubte, ihren Rücklagen erhebliche Beträge zuzuführen.

2.3 Kooperationen

Bei mehreren Großen Landesausstellungen konnten die Landesmuseen durch Kooperationen einen beachtlichen Mehrwert erzielen. So verstärkten die Zusammenarbeit mit Reiseveranstaltern und touristischen Organisationen die Wirksamkeit des Ausstellungsmarketings. Besonders erfolgreich war die Kooperation des Linden-Museums Stuttgart mit einem kommunalen Museum in Bayern. Indem dieselbe Ausstellung an zwei Orten präsentiert werden konnte, halbierte sich der Aufwand für beide und erhöhte zugleich die Zahl der mit der Ausstellung erreichten Besucher.

Bei einer der geprüften Großen Landesausstellungen blieben die Leistungen des kommunalen Partners hinter den Erwartungen zurück. Dem hätte durch verbindliche Vereinbarungen im Vorfeld entgegengewirkt werden können.

Grundsätzlich hält der Rechnungshof Kooperationen für ein probates Mittel, die Öffentlichkeitswirksamkeit und die Wirtschaftlichkeit von Ausstellungen zu verbessern.

2.4 Begleitprogramme und Museumspädagogik

Die Landesmuseen gestalten regelmäßig eine breite Palette museumspädagogischer Angebote sowie themenbezogener Begleitprogramme. Durch diese ergänzenden Angebote werden die Inhalte der jeweiligen Ausstellungen vertieft und die Attraktivität der Ausstellung gesteigert. Die besonderen Aktivitäten, Führungen und Vorträge werden zielgruppenorientiert eingesetzt und erreichen eine gute Besucherresonanz.

2.5 Besucherevaluation

Alle vier Museen haben in unterschiedlichem Umfang den Besuch der Ausstellungen evaluiert. Aus dieser Evaluation ergaben sich belastbare Erkenntnisse über die Zusammensetzung und die Motivation der Besucher sowie über die Wirksamkeit des Ausstellungsmarketings.

Bei der Befragung spielte teilweise nur eine untergeordnete Rolle, wie die Besucher Inhalt und Präsentation der Ausstellung bewerten.

Der Rechnungshof hält es für hilfreich, bei allen Großen Landesausstellungen ein qualifiziertes Feedback der Besucher einzuholen.

2.6 Beschwerdemanagement/Warteschlangenmanagement

Bemerkenswert war, dass einzelne Museen ein professionelles Beschwerdemanagement realisiert haben. Durch die Auswertung von Beschwerden können sowohl aktuell als auch auf mittlere Sicht Maßnahmen zur Verbesserung der Besucherzufriedenheit initiiert werden.

Sehr innovativ war das beim Landesmuseum Württemberg erstmalig praktizierte Warteschlangenmanagement.

2.7 Ausschreibungen und Vergaben

Bei einzelnen Ausschreibungen und Vergaben der Museen wurden Verstöße gegen haushalts- und vergaberechtliche Bestimmungen festgestellt. Auch wenn Zeitnot besteht, sind die entsprechenden Regelungen einzuhalten. Die Dokumentation von Vergabeverfahren war in einigen Fällen unzureichend.

2.8 Landeszuschuss

Der Landeszuschuss für jede Große Landesausstellung wird den Museen auf der Basis ihres Finanzierungsplans vom Wissenschaftsministerium im Vorfeld der Ausstellungen zugesichert. Bis zur Vorlage der Schlussrechnung wird den Museen ein Grundbetrag von 90 Prozent des bewilligten Zuschusses ausbezahlt. Ergibt die Große Landesausstellung einen Einnahmeüberschuss, werden die restlichen 10 Prozent einbehalten. Im Falle eines Defizits wird der Restbetrag gewährt.

Bei einer der vier geprüften Großen Landesausstellungen führte dieser Auszahlungsmodus dazu, dass dem Museum ein Landeszuschuss von 585.000 Euro gewährt wurde, obwohl ein entsprechender Bedarf nicht gegeben war. Einem anderen Museum verblieben vom gewährten Landeszuschuss von 630.000 Euro noch 442.000 Euro. Der Landeszuschuss führte in diesen Fällen zu einer Überfinanzierung der Großen Landesausstellungen.

Betrachtet man die finanziellen Ergebnisse Großer Landesausstellungen der letzten Jahre, war in einigen Fällen der Landeszuschuss zu einem Ausgleich des Defizits erforderlich. In der Mehrzahl der Fälle führte der Landeszuschuss jedoch zu einem Überschuss.

Dieser Überschuss entlastete das Budget des jeweiligen Museums und stand diesem als Rücklage für den Museumsbetrieb der folgenden Jahre zur Verfügung. Fast alle Landesmuseen haben auf diese Weise über die Jahre beachtliche Rücklagen angesammelt. Das ist allerdings nicht das vorrangige Ziel des für Große Landesausstellungen gewährten Landeszuschusses. Dies gilt um so mehr, als mit den eventuell frei werdenden Mitteln weitere attraktive Große Landesausstellungen und Große Sonderausstellungen ermöglicht werden könnten.

3 Empfehlungen

Der Rechnungshof empfiehlt, an dem System der Großen Landesausstellungen festzuhalten. Mit ihnen erschließen sich die baden-württembergischen Landesmuseen ein breiteres Publikum, geben Gelegenheit, sich mit der Geschichte des Landes und den Sammlungen der Museen vertieft auseinanderzusetzen und tragen zur Attraktivität des Kulturstandorts Baden-Württemberg bei.

3.1 Kooperationen anstreben

Die Einbindung geeigneter Partner bei Konzeption und Realisierung der Ausstellungen ist anzustreben. Kooperationen bieten qualitative und quantitative Synergieeffekte. Kommunale Beiträge sollten vertraglich abgesichert werden.

3.2 Begleitprogramme und Museumspädagogik anbieten

Die Begleitprogramme und museumspädagogischen Angebote der Landesmuseen haben sich als wichtige Erfolgsfaktoren erwiesen und sollten auch künftig angeboten werden.

Dasselbe gilt für das Beschwerdemanagement und in geeigneten Fällen auch für das Warteschlangenmanagement.

3.3 Besucherevaluation durchführen

Um ein qualifiziertes Feedback zu den Großen Landesausstellungen zu erhalten, sollten das Wissenschaftsministerium und die Landesmuseen das Instrument der Besucherevaluation als mögliche Quelle steuerungsrelevanter Daten verstärkt nutzen.

3.4 Vergaberecht einhalten

Die Landesmuseen müssen bei künftigen Ausschreibungen und Vergaben die haushalts- und vergaberechtlichen Bestimmungen einhalten.

Der Vergabeservice des Logistikzentrums Baden-Württemberg sollte in geeigneten Fällen genutzt werden.

3.5 Landeszuschuss modifizieren

Die bisherige Zuschussregelung für Große Landesausstellungen sollte modifiziert werden. Ziele einer modifizierten Regelung sollten sein:

  • Planungssicherheit für das veranstaltende Museum,
  • Anreiz für das Museum, zusätzliche Einnahmen zu erzielen,
  • Möglichkeit, weitere attraktive Ausstellungen in der baden-württembergischen Museumslandschaft anzubieten.

Dafür sind mehrere Ansätze denkbar.

Zwischen Wissenschaftsministerium und Museen wird diskutiert, zunächst nur noch 80 Prozent des Landeszuschusses auszuzahlen. Eine weitere Möglichkeit bestünde darin, den Landeszuschuss für die einzelne Ausstellung von vornherein auf einen Höchstbetrag zu begrenzen.

Der Rechnungshof präferiert eine Regelung, wonach nach Abschluss einer Großen Landesausstellung das jeweilige Landesmuseum einen Anteil von 25 Prozent der erzielten Eintrittsgelder an den Landeshaushalt erstattet. Die auf diese Weise zurückfließenden Mittel sollen im „System“ Große Landesausstellungen/Sonderausstellungen verbleiben und für weitere attraktive Ausstellungen zur Verfügung stehen.

Dieser Anteil aus den Eintrittsgeldern der vom Land geförderten Großen Landesausstellung sollte unabhängig von einem Überschuss oder Defizit bei allen Ausstellungen durchgängig erhoben werden. Der Rückfluss sollte jedoch maximal die Höhe des gewährten Landeszuschusses erreichen. Die Eintrittsgelder einer Großen Landesausstellung stellen eine eindeutige Größe und somit eine geeignete Berechnungsgrundlage dar.

Da sich die Beteiligung des Landes nur auf die Eintrittsgelder bezieht, verbleiben Einnahmen aus Kooperationen, Begleitprogrammen sowie Zuwendungen von Spendern und Sponsoren den jeweiligen Landesmuseen in vollem Umfang.

Um der Sorge der Museen im Hinblick auf stark defizitäre Ausstellungen zu begegnen, könnte der Vorschlag des Rechnungshofs dahingehend abgeändert werden, dass die Ablieferungspflicht erst ab 30.000 zahlenden Besuchern beginnt.

4 Stellungnahmen

4.1 Landesmuseen

Das Linden-Museum Stuttgart sieht den Vorschlag des Rechnungshofs als problematisch an, den bisherigen Auszahlungsmodus des Landeszuschusses zu ändern. Die Einnahmen würden pauschal reduziert ohne Berücksichtigung der wirtschaftlichen oder inhaltlichen Ergebnisse. Das wirtschaftliche Risiko, eine Große Landesausstellung durchzuführen, würde dadurch steigen. Eine Große Landesausstellung verursache Kosten von rund 1,5 - 2 Mio. Euro. Um das Risiko zu minimieren, müssten die Budgets gekürzt werden. Dadurch würde die Attraktivität Großer Landesausstellungen sinken und sie würden ihre Besonderheit verlieren. Unter diesen Umständen sei es fraglich, Sponsoren zu finden. Auch solle es nicht Ziel sein, die Anzahl der Ausstellungen zu erhöhen. Berücksichtigt werden müsse auch, dass nicht jede Große Landesausstellung erfolgreich sei und auch negative Ergebnisse erzielt werden können. Letztlich sei es unmöglich, den Erfolg oder Misserfolg einer Großen Landesausstellung im Vorfeld abzusehen.

Das Landesmuseum Württemberg sieht einen inhaltlichen Widerspruch im Vorschlag des Rechnungshofs, an dem bewährten System der Großen Landesausstellungen festzuhalten, jedoch gleichzeitig die bisherige Zuschussregelung zu modifizieren. Der Vorschlag des Rückflusses sei nicht zielführend. Die pauschalierende Reduzierung berücksichtige nicht wirtschaftliche oder inhaltliche Ergebnisse. Offen sei zudem, ob die bestehende Regelung zur Höhe der Auszahlung des Zuschusses (vorerst 90 Prozent, lediglich bei Defizit 100 Prozent) weiterhin bestehen bleiben soll oder nicht. Allgemein weist das Landesmuseum Württemberg darauf hin, dass bei den vielfältigen Themen der Ausstellungen die zu erwartenden finanziellen Ergebnisse der einzelnen Ausstellungen große Unterschiede aufwiesen. Insgesamt ließen sich Defizite mit den Überschüssen finanziell erfolgreicher Ausstellungen ausgleichen. Das Landesmuseum verweist auf das Betriebs- und Finanzstatut, nach dem Mehrerträge oder Drittmittel nicht zuschussmindernd angerechnet werden.

Das Badische Landesmuseum trägt vor, dass bereits durch den bisherigen Auszahlungsmodus ein Einbehalt von 287.500 Euro zunächst im Wissenschaftsministerium verbliebe. Der durch den Rechnungshof geforderte Rückfluss von 25 Prozent der Einnahmen durch Eintrittsgelder würde bei nicht kostendeckenden Ausstellungen zu einer Vergrößerung der Deckungslücke führen. Das vorgeschlagene Modell des Rechnungshofes sei daher grundsätzlich nicht zielführend. Das Badische Landesmuseum spricht sich dafür aus, die bewährte Regelung beizubehalten.

4.2 Wissenschaftsministerium

Das Wissenschaftsministerium begrüßt die positive Stellungnahme des Rechnungshofs zum Konzept der Großen Landesausstellungen und wird die Empfehlungen des Rechnungshofs zum Anlass nehmen, die Frage der Zuschussgewährung an die Landesmuseen erneut zu überprüfen. Zur Vermeidung von „Überfinanzierungen" von Großen Landesausstellungen sei bereits 2013 die Gewährung des Landeszuschusses so umgestellt worden, dass zunächst nur ein Betrag von 90 Prozent bedarfsgerecht ausbezahlt wird. Erst nach Vorlage der endgültigen Abrechnung und nur zur Deckung eines Defizits würden weitere Mittel ausbezahlt. Einbehaltene Mittel stünden für andere Ausstellungsprojekte zur Verfügung. Müssten die Museen künftig generell 25 Prozent der Einnahmen aus einer Großen Landesausstellung an das Ministerium abführen, würde dies bei defizitären Ausstellungen das Defizit noch vergrößern und im Übrigen die Anreize zur Erhöhung der Einnahmen mindern. Das Ministerium werde jedoch prüfen, ob unter Berücksichtigung des Gebots der Wirtschaftlichkeit, aber auch der Setzung positiver Leistungsanreize eine sinnvolle und praktikable Änderung der Zuschussgewährung möglich ist.

Unabhängig davon wird das Ministerium alle Landesmuseen auf die Feststellungen des Rechnungshofs, insbesondere auf die vorrangige Inanspruchnahme des Logistikzentrums Baden-Württemberg hinweisen und um Beachtung bitten. Künftig soll bei allen Großen Landesausstellungen eine Besucherevaluation durchgeführt und dem Ministerium über die Ergebnisse berichtet werden.

5 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof bleibt bei dem von ihm präferierten Vorschlag.


Was wurde aus dem Beitrag?

Die parlamentarische Behandlung finden Sie hier


Anhänge

Das Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe (ZKM) gibt für seine vielfältigen Aufgaben in Forschung, Produktion, Entwicklung, Präsentation und Vermittlung jährlich rund 20 Mio. Euro aus. Auf den Museumsbereich entfällt etwa die Hälfte der Ausgaben. Mit 64 Euro öffentlicher Subvention je Museumsbesucher nimmt das ZKM unter den Museen des Landes einen Spitzenplatz ein. Der Rechnungshof benennt Einsparpotenziale durch Verbesserungen der Aufbau- und Ablauforganisation sowie der Depotsituation und hält eine Reduzierung des öffentlichen Zuschusses für möglich.


1 Ausgangslage

Das Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe (ZKM) wurde 1989 als Stiftung des öffentlichen Rechts durch die Stadt Karlsruhe und das Land gegründet. Beide finanzieren das ZKM je zur Hälfte.

Das ZKM hat die Aufgabe, als Einrichtung der Forschung, der Kulturvermittlung und der Weiterbildung eine umfassende Auseinandersetzung mit Kunst, Medien und Medientechnologie zu ermöglichen. Es vereint in seiner Arbeit Produktion und Forschung, Ausstellungen und Veranstaltungen, Vermittlung und Dokumentation. Es kooperiert weltweit mit bedeutenden Einrichtungen der Kunst- und Medientechnologie.

In die Öffentlichkeit wirkt das ZKM überwiegend durch seine Ausstellungen und Veranstaltungen. Als Schnittstelle zwischen Kunst und Technologie greift es dabei insbesondere zeitkritische Themen auf und organisiert einen kritischen Diskurs. Das ZKM versteht sich als eine einzigartige Kultureinrichtung, die sich umfassend mit der Neuen Kunst und der Medientechnologie auseinandersetzt. Es ist kein reines Landesmuseum, sondern sieht sich auch als Forschungseinrichtung und Experimentierstätte der Kunst.

Räumlich ist das ZKM in einer ehemaligen Waffen- und Munitionsfabrik (Industriewerke Karlsruhe-Augsburg) untergebracht. Das Gebäude steht im Eigentum der Stadt Karlsruhe. Das ZKM entrichtet für die von ihm genutzten Gebäudeteile an die Stadt Karlsruhe eine jährliche Miete von 1,33 Mio. Euro.

2014 betrugen die Gesamtausgaben des ZKM 19,7 Mio. Euro. Diese wurden durch einen Zuschuss des Landes von 8,5 Mio. Euro, einen Zuschuss der Stadt Karlsruhe in gleicher Höhe und eigene Einnahmen gedeckt.

Stiftungsorgane des ZKM sind der vom Land und der Stadt Karlsruhe paritätisch besetzte Stiftungsrat, der Vorstand und das Kuratorium. Der Vorstand der Stiftung besteht aus dem wissenschaftlich-künstlerischen Vorstandsmitglied und dem geschäftsführenden Vorstandsmitglied. Er leitet die Stiftung im Rahmen der Vorgaben der Satzung und ist für die laufende Verwaltung verantwortlich. 2014 waren insgesamt 91 Mitarbeiter (80 Vollzeitäquivalente) beim ZKM beschäftigt.

Organisatorisch gliederte sich das ZKM bis 2016 in sechs Abteilungen. Zwei Abteilungen umfassten den Museumsbereich (Museum für Neue Kunst und Medienmuseum), zwei Abteilungen waren Forschungsinstitute (Institut für Bildmedien und Institut für Musik und Akustik), und jeweils eine Abteilung war für die Verwaltung und die Mediathek zuständig.

Für 2017 hat die Stadt Karlsruhe die Haushaltsansätze im Kulturbereich gekürzt. Für das ZKM hat sie in den kommenden sechs Jahren einen jährlichen Einsparbetrag vorgesehen. Damit reduziert sich der öffentliche Zuschuss gegenüber 2016. Dem Prinzip der paritätischen Finanzierung folgend hat das Land erklärt, seinen Zuschuss in gleichem Maße zu reduzieren.

Der Rechnungshof hat 2015 die Haushalts- und Wirtschaftsführung des ZKM geprüft. Schwerpunkt der Prüfung waren die Haushaltsjahre 2013 und 2014.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Vergleich mit anderen Landesmuseen

2014 gab das ZKM insgesamt 19,7 Mio. Euro für den laufenden Betrieb und die notwendigen Investitionen aus. Dem standen eigene Einnahmen von 2,85 Mio. Euro gegenüber. Bemerkenswert ist dabei das Drittmittelaufkommen von 1,65 Mio. Euro. Zusammen mit den sonst erzielten eigenen Einnahmen (u. a. Eintrittsgelder) erreicht das ZKM im Durchschnitt der letzten fünf Jahre eine Eigenfinanzierungsquote von 15 Prozent. Dies entspricht der durchschnittlichen Quote der staatlichen Museen in Baden-Württemberg.

Im Prüfungszeitraum hatte das ZKM jährlich durchschnittlich 150.000 Besucher. Auch damit liegt es im Mittelfeld der staatlichen Museen in Baden-Württemberg. Lässt man den Forschungsbereich des ZKM außer Betracht, subventioniert die öffentliche Hand jeden Ausstellungsbesuch mit rund 64 Euro. Damit nimmt das ZKM zusammen mit dem Technoseum Mannheim beim Zuschussbedarf je Besucher den Spitzenplatz unter den Landesmuseen ein. Die Stiftung begründet diesen hohen Aufwand mit den Herausforderungen des internationalen Wettbewerbs und den hohen Kosten der vorgehaltenen und ausgestellten Technik. Insbesondere die hohe Innovationsgeschwindigkeit in der Medientechnologie mache den festgestellten hohen Aufwand erforderlich, um den Besuchern aktuelle und einsatzbereite Objekte präsentieren zu können.

Auch die weiteren Ausgaben insbesondere für Forschung und Entwicklung (einschließlich der darauf entfallenden Overheadausgaben) haben mit rund 10 Mio. Euro einen beachtlichen Umfang.

2.2 Einsparpotenziale

Einsparpotenziale bei den laufenden Ausgaben sieht der Rechnungshof insbesondere in den folgenden Bereichen:

  • Die große Zahl von Ausstellungen mit einer Dauer von weniger als sechs Monaten verursacht einen hohen Personal- und Sachaufwand. Durch eine reduzierte Zahl von Ausstellungen und die Etablierung einer Dauerausstellung könnten gegebenenfalls Kosten eingespart werden. Dies sollte das ZKM in die Fortschreibung seiner Konzeption einbeziehen.
  • Der Personalaufwand ist in einigen geprüften Bereichen, z. B. bei den Abteilungssekretariaten und in der Bibliothek, höher als bei anderen staatlichen Museen. Hier könnten Personalkapazitäten eingespart oder intern an anderer Stelle eingesetzt werden.
  • Anstatt einen technischen Leiter für Veranstaltungsbetreuung fest anzustellen, wurden teurere externe Dienstleister beauftragt. Der vermeidbare zusätzliche Aufwand erreicht jährlich die Größenordnung von rund 100.000 Euro.
  • Mehr als 100.000 Euro jährlich könnten zudem eingespart werden, wenn das ZKM auf Sachversicherungen eigener Objekte verzichten würde und für entliehene Kunstwerke Garantieerklärungen des Landes in Anspruch nähme. Die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen sind auf Landesseite auch für das ZKM gegeben. Beide Vorgehensweisen sind in den anderen Landesmuseen längst erfolgreich etabliert. Die Umsetzung scheiterte bislang an der fehlenden Mitwirkung der Stadt Karlsruhe.
  • In einigen geprüften Bereichen übersteigt der Sachaufwand das notwendige Maß.

2.3 Straffung der Aufbauorganisation

Einige Organisationseinheiten innerhalb des ZKM sind zu klein und deshalb ineffizient. Die Aufbauorganisation könnte gestrafft und die Zahl der Abteilungen reduziert werden. Mehr Effizienz entstünde auch, wenn die Kompetenzen der Geschäftsführerin gestärkt und der Direktor von alltäglichen Verwaltungsaufgaben entlastet würden. Weitere Verbesserungspotenziale ergäben sich aus einer engeren Zusammenarbeit mit der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe. Sowohl das ursprüngliche Konzept als auch frühere Prüfungsempfehlungen des Rechnungshofs hatten eine engere Zusammenarbeit der beiden Institutionen vorgesehen.

2.4 Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung

Die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung zeigte, dass das ZKM engagiert und weitgehend ordentlich verwaltet wird. Einige Beanstandungen ergaben sich in folgenden Bereichen:

  • Externe Leistungen wurden nicht immer ordnungsgemäß ausgeschrieben und vergeben.
  • Beim Verleih von Kunstobjekten an Dritte wurden nicht immer alle vom ZKM erbrachten Leistungen vollständig abgerechnet.
  • Ausgaben für Bewirtungen erfolgten ohne erkennbare Systematik und waren in einigen Fällen überhöht.
  • Bei der Abrechnung von Dienstreisen wurden gelegentlich zu hohe Zahlungen geleistet.

2.5 Verbesserungspotenziale in der Personalwirtschaft

Beim ZKM sind 91 Mitarbeiter, darunter zahlreiche Teilzeitkräfte, beschäftigt. Zum Prüfungszeitpunkt lagen nicht für alle Stellen Arbeitsplatzbeschreibungen vor. Das ZKM gewährte seinem Personal Leistungen, die in der Landesverwaltung nicht vorgesehen sind und deshalb gegen das Besserstellungsverbot verstoßen. Der Umgang mit befristeten Verträgen und mit Honorarkräften entsprach nicht in allen Fällen den gesetzlichen Vorgaben. Weitere Beanstandungen betrafen die Auszahlung von Überstunden.

2.6 Depotsituation

Das ZKM hat neben den Depotflächen im Haus ein Gebäude in Karlsruhe angemietet. Der Mietvertrag läuft 2018 aus, die Verlängerung des Vertrags ist nicht gesichert. Auch von den Landesmuseen in Karlsruhe werden geeignete Depotflächen immer wieder thematisiert. Denkbar wäre, diesen Bedarf zu bündeln und gegebenenfalls ein zentrales Depot einzurichten. Dies wäre kostengünstiger für das Land als Einzellösungen verschiedener Einrichtungen.

3 Empfehlungen

3.1 Empfehlungen an das ZKM

Der Rechnungshof empfiehlt dem ZKM,

  • die vom Rechnungshof aufgezeigten Einsparpotenziale zu realisieren,
  • die Aufbauorganisation zu straffen,
  • die Zusammenarbeit mit der Staatlichen Hochschule für Gestaltung weiter zu intensivieren,
  • die festgestellten Mängel in der Haushalts- und Wirtschaftsführung, insbesondere bei der Vergabe externer Leistungen, zu beheben und
  • bei der Personalwirtschaft die gesetzlichen Vorgaben und das Besserstellungsverbot zu beachten.

3.2 Empfehlungen an das Land

Der Rechnungshof empfiehlt dem Land, gemeinsam mit der Stadt Karlsruhe die Museen in Karlsruhe bei der Suche nach geeigneten Flächen für gemeinsame Depotlösungen zu unterstützen.

Das Wissenschaftsministerium sollte mit der Stadt Karlsruhe eine Vorgehensweise vereinbaren, die es bei Wahrung der paritätischen Finanzierung möglich macht, auf die Versicherung eigener Sachen zu verzichten und die Versicherung entliehener Gegenstände durch eine Garantieerklärung zu ersetzen.

Der Rechnungshof hält bei Realisierung dieser Empfehlungen nicht nur die von Stadt und Land vorgesehene Einsparung, sondern eine weitergehende Reduzierung des öffentlichen Zuschusses für möglich.

4 Stellungnahmen

4.1 Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe

Das ZKM stimmt dem Rechnungshof in etlichen Punkten zu Organisation, Verwaltung und Haushaltsführung sowie zur Kooperation mit der Staatlichen Hochschule für Gestaltung zu. Mehrere Empfehlungen hätten sich zum Zeitpunkt der Überprüfung bereits in der Umsetzung befunden, da das ZKM kontinuierlich Maßnahmen durchführe, um seine Effizienz zu steigern. Die Empfehlungen des Rechnungshofs im Bereich der Haushalts- und Wirtschaftsführung sowie in der Personalwirtschaft würden vom ZKM zukünftig beachtet.

Das ZKM weist darauf hin, dass die angegebenen 10 Mio. Euro Ausgaben für Forschung und Entwicklung nicht der Realität entsprächen. Sie beliefen sich lediglich auf 9 Mio. Euro. Darüber hinaus subsumiere der Rechnungshof in dieser Zahl den gesamten nicht-musealen Teil des ZKM. Darin beinhaltet seien nicht nur Forschung und Entwicklung, sondern auch alle weiteren Bereiche des ZKM sowie Overheadkosten von rund 2,5 Mio. Euro und Ausgaben für den Baukorridor und neutrale Aufwendungen von zusammen 1,2 Mio. Euro.

Die vorgeschlagenen Einsparpotenziale seien intensiv geprüft worden und, soweit möglich, in Teilen bereits umgesetzt. Das ZKM bejahe die Konzeption einer Dauerausstellung, weise jedoch darauf hin, dass eine solche im Falle des ZKM kein Mittel zur Einsparung darstelle, da sie hohe Kosten für die kontinuierliche Wartung und Restaurierung der mit den Besuchern interaktiven und technisch störanfälligen Kunstwerke erzeuge. Zudem seien Dauerausstellungen generell publikums- und damit auch einnahmereduziert. Die Laufzeit von Wechselausstellungen von weniger als 6 Monaten sei im internationalen Vergleich üblich. Die im Veranstaltungsbereich dargestellten Einsparpotenziale seien in der angegebenen Höhe nicht gegeben, da eine Festanstellung von nur einem Mitarbeiter nicht ausreichend sein werde, um den gesamten zeitlichen und fachlichen Bedarf abzudecken.

Das ZKM sei ein Zentrum, kein Museum, da es Forschung, Produktion und Entwicklung sowie Präsentation und Vermittlung der elektronischen und digitalen Künste vereine. Das ZKM sei weder ein Landesmuseum mit einer Sammlung traditioneller Kunstwerke noch ein Technikmuseum mit historischen Objekten. Die satzungsgemäße Mission des ZKM sei es, stets die neuesten Innovationen in Kunst und Medientechnologie vorzustellen und auf die permanenten technischen Entwicklungen und ihre kulturellen und sozialen Folgen zu reagieren. Vor dem Hintergrund dieser komplexen Aufgabenstellung habe der Wissenschaftsrat bereits 2003 eine strukturelle Unterfinanzierung des ZKM festgestellt, die bis heute nicht ausgeglichen worden sei.

Der rasante digitale Wandel stelle ganz neue Herausforderungen, weshalb ihn die aktuelle Regierungskoalition zu einem zentralen Thema für die Zukunftsentwicklung des Landes erklärt habe. Das ZKM stehe angesichts der alle Lebensbereiche erfassenden Digitalisierung vor denselben enormen Herausforderungen wie die Politik und die Wirtschaft des Landes. Auf den dafür notwendigen finanziellen Mehrbedarf hätten die Stifter 2013 mit einer Anhebung der Grundfinanzierung reagiert und das ZKM verpflichtet, durch Eigenleistungen selbst dazu beizutragen. Paradoxerweise werde der kulturelle Leuchtturm des digitalen Wandels, das ZKM, das im Koalitionsvertrag explizit genannt wird, durch die aktuellen Mittelkürzungen geschwächt. Eventuelle Einsparungen auf Basis der Empfehlungen des Rechnungshofs seien kein Argument für eine weitere Reduzierung der öffentlichen Zuschüsse, da eine Kürzung dieser seitens der Stadt und des Landes bereits erfolgt sei.

Die vom Rechnungshof angesprochene zusätzliche Mittelkürzung wäre eine kulturpolitische Maßnahme und hätte substanzielle Einschnitte in den Kernbereich des ZKM zur Folge. Damit würden die zentralen Zukunftsaufgaben des ZKM als international einzigartiges Kompetenzzentrum für die Erhaltung des digitalen Erbes und die Wahrnehmung seines Bildungsauftrags im digitalen Raum infrage gestellt. Entgegen der Einschätzung des Rechnungshofs seien für die satzungsgemäßen Aufgaben und die genannten Herausforderungen des ZKM nicht weniger, sondern mehr finanzielle Ressourcen notwendig.

4.2 Wissenschaftsministerium

Das Wissenschaftsministerium teilt mit, dass das ZKM eine herausragende Kultureinrichtung mit großer internationaler Strahlkraft sei. Kernthemen seien Digitalisierung und Innovation und deren Auswirkung auf Kunst und Gesellschaft. Diese Fragestellungen seien auch zentrale Zukunftsthemen des Koalitionsvertrags der Landesregierung. Das ZKM kooperiere weltweit mit renommierten Museen und Wissenschaftseinrichtungen. Es sei zugleich ein gesuchtes Forum für Wirtschaft und Politik.

Das Ministerium habe die vom Rechnungshof unterbreiteten Empfehlungen zur Aufbauorganisation in die zuständigen Gremien des ZKM eingebracht. Die Empfehlungen seien bei der im November 2016 vom Stiftungsrat beschlossenen Neufassung der Satzung, mit der u. a. die interne Gliederung des ZKM geändert und eine Doppelspitze im Vorstand eingeführt wurde, vollumfänglich berücksichtigt worden.

Nicht geteilt wird die Ansicht des Rechnungshofs, dass weitergehende Reduzierungen der öffentlichen Zuschüsse möglich seien. Die Stifter hätten bereits 2012 ein strukturelles Defizit des ZKM anerkannt, dem ab 2013 durch eine Erhöhung der Zuschüsse Rechnung getragen worden sei. Vor diesem Hintergrund würden bereits die von der Stadt Karlsruhe beschlossenen Kürzungen, die nach zeitlich gestaffeltem Aufwuchs 3,6 Prozent des Zuschusses umfassen und die vom Land aufgrund der Finanzierungsabrede in gleicher Weise übernommen werden müssen, eine erhebliche Belastung für das ZKM darstellen. Nach Einschätzung des Ministeriums wären weitergehende Einsparungen nicht ohne Qualitätsverluste und erhebliche Einschnitte in der Programmarbeit möglich. Ohne ausreichende Programmarbeit würde auch die vom Rechnungshof festgestellte sehr erfolgreiche Drittmittelakquise geschwächt.

Der Rechnungshof weise zur Begründung weitergehender Zuschusskürzungen u. a. auf die Möglichkeit hin, die bisher anfallenden Versicherungskosten für entliehene Kunstwerke durch Abgabe einer Garantieerklärung einzusparen. Das Ministerium habe diesen Vorschlag aufgegriffen und Gespräche mit der Stadt Karlsruhe geführt. Die Stadt habe jedoch mittlerweile deutlich gemacht, dass dort im Hinblick auf die vorliegenden erheblichen Versicherungswerte ein Verzicht auf Sachversicherungen nach dem vorgeschlagenen Modell nicht mitgetragen würde. Eine Regelung, bei der allein das Land das Schadensrisiko trägt, sei abzulehnen.

Das Ministerium teilt die Einschätzung des Rechnungshofs, dass eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe angestrebt werden sollte. Seit Amtsantritt des neuen Rektors im Februar 2016 sei die Kooperation beider Einrichtungen bereits erkennbar ausgebaut worden. Das Ministerium beabsichtige, diesen Prozess weiter moderierend zu begleiten.

Nach aktuellem Stand gehe das Ministerium davon aus, dass die derzeit angemieteten Depotflächen dem ZKM auch über 2018 hinaus zur Verfügung stehen werden. Sollten die Planungen zur Schaffung neuer Depotflächen für andere Karlsruher Museen weitergeführt werden, würde das Ministerium einen Einbezug des ZKM prüfen.

Das ZKM habe zugesagt, die festgestellten Mängel in der Haushalts- und Wirtschaftsführung zu beheben, und dort, wo es im Bereich der Personalverwaltung in der Vergangenheit zu Verstößen gekommen sei, die gesetzlichen Vorgaben und insbesondere das Besserstellungsverbot künftig zu beachten.

4.3 Oberbürgermeister der Stadt Karlsruhe

Der Oberbürgermeister der Stadt Karlsruhe weist in seiner Stellungnahme einleitend darauf hin, dass es sich beim ZKM um eine weltweit einmalige Kultureinrichtung handle, deren große Bedeutung weit über die Grenzen der Stadt Karlsruhe und des Landes Baden-Württemberg hinausstrahle. Es sei ein umfassendes Kunst- und Medienzentrum, dessen Funktion deutlich über die eines Museums hinausrage. Sodann verweist der Oberbürgermeister auf die zahlreichen unterschiedlichen Aufgaben, die das ZKM wahrnehme.

Schon durch die Einzigartigkeit und Vielfältigkeit des Aufgabenfeldes sei ein Vergleich mit den Landesmuseen nicht einfach möglich. Außerdem müsse die im ZKM in Ausstellungen regelmäßig zum Einsatz kommende moderne Medientechnologie zwangsläufig teurer sein als die Präsentation klassischer Kunstwerke. Die vielfältigen Funktionen kämen auch in der neuen Aufbauorganisation zum Ausdruck, die bereits mit der Ende 2016 im Stiftungsrat beschlossenen Satzungsänderung in Kraft getreten sei.

Als Maßnahme der Haushaltsstabilisierung habe die Stadt ihren Zuschuss an das ZKM unter Herausrechnung der an die Stadt zu zahlenden Gebäudemiete wie bei allen städtisch geförderten Kultureinrichtungen im Zeitraum 2017 bis 2022 um 3,6 Prozent kürzen müssen. Das Land habe diese Kürzung nachvollzogen. Darüber hinausgehende Kürzungen des Zuschusses lehne die Stadt ab, weil dies die Qualität der Arbeit und die internationale Wettbewerbsfähigkeit des ZKM gefährden würde.

Der vorgeschlagene Verzicht auf Sachversicherungen sei aus städtischer Sicht keine tragbare Lösung. Die Stadt Karlsruhe könne aufgrund der enormen Versicherungswerte, die teilweise im dreistelligen Millionenbereich lägen, das Risiko eines Schadenseintritts, der die Kräfte der Stadt bei Weitem übersteigen würde, niemals eingehen. Zudem würde im internationalen Kunstleihverkehr bei besonderen Exponaten üblicherweise ein Versicherungsnachweis verlangt und eine Staatshaftung häufig abgelehnt.

Im Übrigen schließe sich die Stadt Karlsruhe der Stellungnahme des Wissenschaftsministeriums an.


Was wurde aus dem Beitrag?

Die parlamentarische Behandlung finden Sie hier


Anhänge

Aufgrund der Prüfung des Rechnungshofs hat die Akademie der Wissenschaften in Heidelberg ihre Haushalts- und Wirtschaftsführung nachhaltig verbessert. Das Wissenschaftsministerium hat die institutionelle Förderung auf eine Festbetragsfinanzierung umgestellt und seine Aufsicht über die Akademie intensiviert.

Verbesserungspotenziale bestehen nach wie vor bei der Steuerung und Verwaltung der Forschungsprojekte. Sie könnten effizienter und wirtschaftlicher betrieben werden. Künftige Forschungsprojekte könnte die Akademie auch an Universitäten des Landes delegieren.


1 Ausgangslage

Die Heidelberger Akademie der Wissenschaften wurde 1909 als Vereinigung von herausragenden Wissenschaftlern gegründet. Sie führt die Tradition der 1763 durch Kurfürst Carl Theodor gegründeten kurpfälzischen Akademie fort. Sie dient dem interdisziplinären Gespräch und der interdisziplinären Forschung ihrer Mitglieder. Ähnliche Akademien gibt es in sieben weiteren Bundesländern. Diese acht Akademien haben sich zu der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften e. V. (Union der Akademien) zusammengeschlossen. Außerdem gibt es zwei nationale Akademien der Wissenschaften (Leopoldina und acatech), die nicht zur Union der Akademien gehören.

Seit 1966 ist die Heidelberger Akademie eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die unter der Rechtsaufsicht des Landes Baden-Württemberg steht.

Ordentliche Mitglieder der Akademie sind bis zu 100 Wissenschaftler aus Baden-Württemberg, die von der Mitgliederversammlung aufgrund ihrer hohen Qualifikation berufen werden. Derzeit gehören der Akademie 70 aktive Mitglieder an. Hinzu kommen 131 entpflichtete Mitglieder und 80 korrespondierende Mitglieder, die auch aus anderen Ländern und dem Ausland berufen werden können. Die Mitglieder gehören entweder der philosophisch-historischen Klasse oder der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse an.

Die Akademie wird von einem ehrenamtlichen Vorstand geleitet, der aus dem Präsidenten und zwei Sekretaren besteht. Dem Vorstand zur Seite steht eine Geschäftsstelle mit derzeit 14 hauptamtlich beschäftigten Mitarbeitern. Weiterhin beschäftigt die Akademie in ihren Arbeitsstellen insgesamt 215 (überwiegend) wissenschaftliche Mitarbeiter. Der Geschäftsstelle obliegt die Koordination der Arbeit, das Wissenschaftsmanagement, die Personal- und Finanzverwaltung, die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, das Veranstaltungsmanagement und der IT-Bereich. Die Mitarbeiter der Arbeitsstellen bearbeiten derzeit 20 Langzeitforschungsprojekte sowie weitere 16 Teilprojekte im Nachwuchsprogramm.

An der Heidelberger Akademie der Wissenschaften gibt es drei Arten von Forschungsprojekten: Die Mehrzahl der Projekte werden von der Akademie im Akademienprogramm der Union beantragt und bedürfen der Genehmigung der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK). Das Projekt „Südwestdeutsche Hofmusik“ wird von der Akademie unmittelbar im Auftrag des Landes betrieben. Als baden-württembergische Besonderheit hat die Akademie ein sogenanntes „WIN-Kolleg“ des Landes gegründet, in dessen Rahmen herausragende junge Wissenschaftler ihre zeitlich begrenzten interdisziplinären Projekte an der Akademie betreiben können. Die Zulassung dieser Projekte erfolgt unabhängig von der Union der Akademien.

Die Heidelberger Akademie hat einen Finanzbedarf von 9,4 Mio. Euro jährlich. Davon werden der Akademie 2,3 Mio. Euro unmittelbar vom Land als institutionelle Förderung zugewendet. Weitere 7,0 Mio. Euro (2017: 7,6 Mio. Euro) erhält die Akademie von der Union für die Projekte des Akademienprogramms. Diese Zuwendung wird jeweils zur Hälfte von Bund und Ländern finanziert. Weiterhin hat die Akademie in geringem Umfang Drittmitteleinnahmen.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Prüfung 2013

Der Rechnungshof hat 2013 die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Akademie geprüft. Eine Vielzahl von Defiziten wurde der Akademie während der laufenden Prüfung mitgeteilt:

  • Die Haushalts- und Wirtschaftsführung verstieß in zahlreichen Fällen gegen die Bestimmungen des formellen Haushaltsrechts. So waren z. B. begründende Unterlagen unzureichend, Einnahmen und Ausgaben wurden teilweise falsch verbucht und es wurde gegen das Prinzip der Jährlichkeit des Haushalts verstoßen.
  • Bei der Geschäftsstelle der Akademie sah der Rechnungshof bei gegebener Aufgabenstellung ein Einsparpotenzial von 150.000 Euro.
  • Die kassenrechtlichen Bestimmungen wurden nicht beachtet.
  • Zahlreiche Vergaben waren nicht hinreichend dokumentiert und verstießen gegen die Bestimmungen des Vergaberechts.
  • Die Eingruppierung und die Leistungen an das Akademiepersonal entsprachen in mehreren Fällen nicht den haushaltsrechtlichen Vorgaben. In einem Fall wurde eine Mitarbeiterin beschäftigt, obwohl das Wissenschaftsministerium als Zuwendungsgeber ausdrücklich widersprochen hatte. Die Zustimmung des Landes zu den gewährten übertariflichen Leistungen lag nicht vor.
  • Die Personalverwaltung entsprach in mancherlei Hinsicht nicht den gesetzlichen Vorgaben. Für die Beschäftigten existierten keine brauchbaren Tätigkeitsbeschreibungen und Stellenbewertungen.
  • Das Dienstreisemanagement und die Arbeitszeiterfassung genügten nicht den rechtlichen Vorgaben.
  • Durch Fehlbuchungen wurde das Defizit der Akademie scheinbar erhöht. Dies führte zu überhöhten Zuwendungen des Landes.
  • Bei Veranstaltungen der Akademie und Repräsentationsausgaben wurde der Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit nicht immer beachtet.

2.2 Ergänzende Prüfung 2016

Der Rechnungshof hat 2016 überprüft, wie Akademie und Wissenschaftsministerium mit den 2013 mitgeteilten Beanstandungen des Rechnungshofs umgegangen sind. Der Vorstand der Akademie und das Ministerium als Rechtsaufsichtsbehörde haben auf die Prüfungsfeststellungen des Rechnungshofs reagiert. Zahlreiche vom Rechnungshof 2013 festgestellte Defizite wurden in der Folgezeit behoben. Überzahlungen des Landes wurden von der Akademie zurückerstattet.

In wenigen Bereichen bestand nach wie vor ein Verbesserungspotenzial. So wurden bei Publikationen die Vergabevorschriften noch immer nicht beachtet. Das Dienstreisemanagement und die Arbeitszeiterfassung waren nach wie vor optimierungsbedürftig.

Die fehleranfällige Fehlbedarfsfinanzierung durch das Land wurde - wie vom Rechnungshof vorgeschlagen - durch eine Festbetragsfinanzierung ersetzt.

Aufgabenstellung und Ziele der Akademie wurden von der Mitgliederversammlung 2015 in einer Statusschrift fortgeschrieben und neu definiert.

2.3 Feststellungen zu den Forschungsprojekten

Die Akademie betreibt derzeit 19 von der GWK genehmigte Forschungsprojekte sowie das Projekt „Südwestdeutsche Hofmusik“, das unmittelbar vom Land finanziert wird. Die Forschungsprojekte im Akademienprogramm sind in der nachfolgenden Tabelle dargestellt:

Beitrag 23 Tabelle

Der Rechnungshof anerkennt, dass Forschungsprojekte mit langer Projektlaufzeit und einer interdisziplinären Aufgabenstellung gut geeignet sind, um als Projekt der Akademie bearbeitet zu werden. Dies gilt insbesondere für geistes- und kulturwissenschaftliche Projekte, für die in der außeruniversitären Forschungslandschaft keine geeigneten Kapazitäten vorhanden sind. Seit 2009/2010 gibt es im Akademienprogramm die Vorgabe einer maximalen Laufzeit von 25 Jahren.

Anzumerken ist indes,

  • dass die Laufzeit einiger vor 2009 begonnener älterer Projekte deutlich über der von der Union der Akademien vorgesehenen Höchstdauer von 25 Jahren liegt und
  • dass in einigen Fällen die ressourcenbedingt lange Laufzeit dazu führt, dass Projekte nicht effizient umgesetzt werden können.

Die Steuerung der Wirtschaftlichkeit und Effizienz der Arbeit der Akademie ist bei jenen Projekten besonders anspruchsvoll, bei denen für die eingesetzten Ressourcen (Arbeitsstellen, Räume, Personal) nach Projektende keine sinnvolle Weiterverwendung in Aussicht steht. Die Akademien in Hamburg und in Nordrhein-Westfalen zeigen, dass alternative Verfahrensweisen dazu beitragen können, Forschungsprojekte wirtschaftlicher zu organisieren.

3 Empfehlungen

3.1 Haushalts- und Wirtschaftsführung

Die Akademie muss künftig die geltenden haushalts-, kassen- und vergaberechtlichen Regelungen einhalten. Zudem sind die Nebenbestimmungen des Zuwendungsbescheids sowie die Vorgaben des genehmigten Wirtschaftsplans zu beachten.

Die Tätigkeitsbeschreibungen und -bewertungen sind alsbald zu erstellen. Dienstreisen sind unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu genehmigen und abzurechnen.

3.2 Wissenschaftsministerium

Das Wissenschaftsministerium muss seine Aufgabe als Rechtsaufsichtsbehörde und Zuwendungsgeber künftig sorgfältiger wahrnehmen. Durch regelmäßige Kontrollen ist sicherzustellen, dass sich nicht wieder eine Häufung von Fehlern ergibt, wie sie der Rechnungshof 2013 angetroffen hat.

Das Ministerium sollte prüfen, ob durch Zielvereinbarungen die Effizienz und Wirtschaftlichkeit der Forschungsprojekte der Akademie verbessert werden kann.

3.3 Weiterführung der WIN-Projekte

Die WIN-Projekte für junge Wissenschaftler haben sich als innovatives und effizientes Instrument der Nachwuchsförderung bewährt und zu einer spürbaren Verbreiterung des Spektrums der Akademie beigetragen.

Der Rechnungshof empfiehlt, auch in Zukunft WIN-Projekte für junge Wissenschaftler möglich zu machen.

3.4 Durchführung, wissenschaftliche Steuerung und Finanzsteuerung künftiger Akademieprojekte

Künftige Akademieprojekte sollten finanziell und personell so ausgestattet sein, dass sie regelmäßig in höchstens 15 Jahren abgeschlossen werden können.

Der Rechnungshof schlägt vor, bei seit sehr langer Zeit laufenden Akademieprojekten zusätzliche Ressourcen einzusetzen, um einen früheren Abschluss zu ermöglichen.

Darüber hinaus würde es der Rechnungshof begrüßen, wenn sich die Akademie über ihre Kernaufgaben in der Grundlagenforschung hinaus durch Veranstaltungen und kleinere Projekte am öffentlichen Diskurs beteiligt und ihrer Arbeit dadurch noch mehr Außenwirkung verschafft.

Der Rechnungshof hält es als alternative Verfahrensweise für erwägenswert, Projekte der Akademie künftig nicht mehr mit eigenem Personal zu verwirklichen, sondern die Projekte an Universitätsinstitute bzw. Lehrstühle zu delegieren, die sie mit Mitteln aus dem Akademienprogramm umsetzen. Die Personal- und Sachmittel würden per Vertrag von der Akademie an die Universitäten weitergeleitet.

Der Rechnungshof sieht insbesondere folgende Vorteile:

  • Die Professoren, die als Forschungsstellenleiter tätig sind und für den wissenschaftlichen Gehalt der Projekte verantwortlich zeichnen, sind an ihren Universitäten und Instituten auch im Alltag präsent. Dies gewährleistet eine engere Führung der Akademieprojekte als in der bisherigen Struktur.
  • Die Universitäten können die im Projekt beschäftigten Mitarbeiter besser fördern und ihnen Möglichkeiten einer Weiterqualifikation anbieten.
  • Die Verwaltungen der Universitäten und Forschungseinrichtungen sind leistungsstark und in der Lage, die Forschungsvorhaben verwaltungsmäßig abzuwickeln. Dadurch ergibt sich mittelfristig eine weitere Entlastung der Geschäftsstelle der Akademie mit entsprechendem Einsparpotenzial.
  • Durch den Übergang der Forschungsvorhaben an die Universitäten würde sich deren Drittmittelaufkommen erhöhen. Flankierende Drittmittelprojekte könnten ebenfalls an die Universitäten übergehen. Dadurch würde die Verbundforschung gestärkt.
  • Über die Personalverwaltung hinaus würden sich die Aufgaben der Geschäftsstelle spürbar reduzieren (Buchhaltung, Beschaffungen, IT-Betreuung, Facility-Management und Sekretariat).

Nach Einschätzung des Rechnungshofs ergäbe sich dadurch mittelfristig ein jährliches Einsparpotenzial in der Geschäftsstelle von 300.000 Euro. Der Rechnungshof verkennt nicht, dass im Gegenzug Overheadkosten an den beauftragten Universitäten verursacht würden.

4 Stellungnahme der Akademie der Wissenschaften

Der Vorstand der Akademie hat zur Prüfungsmitteilung des Rechnungshofs ausführlich Stellung genommen.

4.1 Haushalts- und Wirtschaftsführung

Er sagt zu, dass künftig alle für die Haushalts- und Wirtschaftsführung maßgeblichen Vorschriften beachtet werden. Die Mehrzahl der Monita des Rechnungshofs sei mittlerweile bereits erledigt. Die vom Rechnungshof vorgeschlagene elektronische Arbeitszeiterfassung hält der Vorstand jedenfalls bei den Mitarbeitern der Forschungsstellen für unpraktikabel und im Vergleich sehr kostenintensiv.

Die Reorganisation der Geschäftsstelle sei eingeleitet. Die dadurch frei werdenden Ressourcen sollen in erster Linie für das neue Geschäftsfeld „Digitale Akademie“ eingesetzt werden, in dessen Rahmen man eng mit der Universität Heidelberg und ihrer Universitätsbibliothek zusammenarbeite.

4.2 Laufende und künftige Akademieprojekte

Hinsichtlich Struktur und Dauer der laufenden und künftiger Akademieprojekte macht der Vorstand der Akademie geltend, dass der Wissenschaftsrat entgegen der Auffassung des Rechnungshofs aktuell eine Laufzeit von 12 bis 25 Jahren für die Langzeitprojekte der Akademie für angemessen hält. Man werde sich auch in Zukunft an dieser Empfehlung des Wissenschaftsrates orientieren. Die Akademie werde allerdings darauf achten, dass die zuständigen Akademiemitglieder und Arbeitsstellenleiter ihre Führungsaufgabe intensiv wahrnehmen und dabei auch die Wirtschaftlichkeit des jeweiligen Projekts im Auge haben.

Der Vorstand der Akademie begrüßt die Sichtweise des Rechnungshofs, wonach sich die Heidelberger Akademie über ihre Kernaufgaben hinaus auch durch Veranstaltungen und kleinere Projekte am öffentlichen Diskurs beteiligen soll, um so ihrer Arbeit noch mehr Außenwirkung zu verschaffen.

Entschieden wendet sich der Vorstand der Akademie gegen den Vorschlag des Rechnungshofs, künftige Akademieprojekte nach Möglichkeit an Landesuniversitäten zu delegieren. Er macht geltend, dass ein solches Vorgehen die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit der Akademie als Forschungsinstitution sowie die Kontinuität und das Erfolgspotenzial der langfristigen Projekte im Akademienprogramm in Frage stelle und die Planung der Forschungsstellen vor erhebliche Probleme und Risiken stellen würde.

Entgegen der Auffassung des Rechnungshofs könne das wissenschaftliche Personal der Forschungsstellen auch an der Akademie optimal gefördert und nach Beendigung der Projekte erfolgreich weitervermittelt werden. Auch die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen entsprächen an der Akademie weitgehend den Bedingungen, wie sie an einer Universität gelten.

Der Rechnungshof übersehe bei seiner Argumentation, dass auch an den Universitäten ein beachtlicher Overheadaufwand für die Betreuung der Forschungsprojekte entstehen werde. Im Übrigen sollte die Einwerbung eines Projekts, seine Umsetzung und Betreuung und die Verantwortung für den wissenschaftlichen Ertrag in einer Hand liegen. Auch die sinnvolle Flexibilität in der Verwendung der Mittel ginge verloren, wenn die Bearbeitung aller baden-württembergischen Projekte des Programms der Akademie nicht mehr unter einem Dach gebündelt wäre.

Der Vorstand der Akademie ist im Übrigen der Meinung, dass gerade die Forschung in sogenannten „Nischenbereichen“ an den Landesakademien besonders gut aufgehoben ist. Im Interessenkonflikt der zahlreichen und oft viel stärkeren Fächer an den großen Universitäten würden solche kleinen Themenbereiche leicht an den Rand geschoben, wohingegen sie an der Akademie optimal gefördert werden könnten.

Der Vorstand der Akademie weist darauf hin, dass die Akademien in Düsseldorf und Hamburg zwar nach dem vom Rechnungshof vorgeschlagenen Modell verfahren. Negative Erfahrungen, insbesondere in einem Einzelfall an der Hamburger Akademie, hätten aber dazu geführt, dass die Eignung des universitären Verwaltungsmodells innerhalb der Union der Akademien mittlerweile deutlich bezweifelt werde.

5 Stellungnahme des Ministeriums

Das Wissenschaftsministerium versichert, dass es seine Aufsicht als Zuwendungsgeber in verstärkter Intensität wahrnehmen werde. Gemäß der Empfehlung des Rechnungshofs, weitere zuwendungsrechtliche Auswirkungen zu prüfen, habe es sowohl für die institutionelle als auch die projektspezifische Förderung ein besonderes Übersichtsformular (mit Sachbericht und Zahlenteil) entwickelt, das von der Akademie seit 2016 verwendet werde und für eine größere Transparenz im Zuwendungsverfahren sorge. Darüber hinaus werde das Ministerium künftig sowohl von der Akademie wie auch von anderen Zuwendungsempfängern die Festlegung besonderer Maßnahmen und Prozesse zur Sicherstellung der Regelkonformität einfordern. Zu den Zielen dieses Compliance-Systems werde auch eine erhöhte Gewähr für die sachliche Richtigkeit der Verwendungsnachweise gehören.

Das Ministerium werde entsprechend der Empfehlung des Rechnungshofs ferner prüfen, ob die Zielerreichung und notwendige Steuerung - zusätzlich zu dem Instrument des Programmbudgets/Wirtschaftsplans - künftig auch durch den Abschluss besonderer Zielvereinbarungen sichergestellt werden könne. Die in Angriff genommene Umstrukturierung der Geschäftsstelle werde das Ministerium zum Anlass nehmen, die Geschäftsprozesse - etwa zur Beachtung der Vergabevorschriften sowie Vermeidung von Fehlern beim Dienstreisemanagement - weiter zu verbessern und die vom Rechnungshof erwarteten Einsparmöglichkeiten in personeller und sachlicher Hinsicht eingehend prüfen. Es begrüße den von der Akademie in Gang gesetzten Optimierungsprozess in der Personalverwaltung und die bereits erreichten und weiter angestrebten Verbesserungen. Dabei sehe es die Akademie in der Verantwortung, die Geschäftsstelle mit Personal auszustatten, das für die anfallenden Aufgaben hinreichend vorbereitet sei.

Das Ministerium vermag sich dagegen der Empfehlung des Rechnungshofs nicht anzuschließen, die Akademieprojekte an Universitätsinstitute bzw. Lehrstühle zu vergeben. Aus seiner Sicht sei die von der Akademie vorgetragene Auffassung, die die größeren Vorteile bei der aktuellen Praxis sieht, durchaus nachvollziehbar, zumal auch die Bayerische Akademie der Wissenschaften, die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, die Mainzer Akademie der Wissenschaften, die Sächsische Akademie der Wissenschaften und die Göttinger Akademie - und damit die Mehrzahl der Akademien - die Akademieprojekte ebenfalls in eigener Zuständigkeit bearbeiten.


Was wurde aus dem Beitrag?

Die parlamentarische Behandlung finden Sie hier


Anhänge