Denkschrift 2009

1 Wirtschaftskrise bewältigen - Staatsfinanzen konsolidieren

Die Erschütterungen, die die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise ausgelöst hat, treffen die Bundesrepublik Deutschland in besonderem Maße. Als exportstarke Volkswirtschaft leidet sie insbesondere unter dem Einbruch des Welthandels. Der Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um voraussichtlich 6 % in diesem Jahr ist in der Geschichte der Bundesrepublik beispiellos. Er wird zu erheblichen Steuerausfällen führen. Erste Schätzungen (Stand April 2009) belaufen sich auf rund 300 Mrd. Euro im Zeitraum bis 2013. Auch eine langsame Erholung ab 2010 wird sich erst mit erheblicher Verzögerung im Steueraufkommen niederschlagen können. Auf der anderen Seite erfordert die Bewältigung der Krise zusätzliche Maßnahmen mit weitreichenden Finanzierungslasten für die öffentliche Hand.

In den letzten Jahren haben sich die öffentlichen Haushalte in unterschiedlichem Maße dem Ziel genähert, keine neuen Schulden aufzunehmen. Einige Länder - auch Baden-Württemberg - haben es erreicht. Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat einen dauerhaften Erfolg der Sparmaßnahmen erheblich erschwert. Das Ziel der Nullverschuldung ist damit keineswegs obsolet geworden. Es kann in der derzeitigen Lage nicht absolut gesetzt werden, es muss sich vielmehr in die gesamtwirtschaftlichen Erfordernisse einfügen und den aktuellen Bedingungen Rechnung tragen. Die Reihenfolge der Prioritäten lautet jetzt zwangsläufig:

  • Wirtschaftskrise überwinden,
  • Staatsfinanzen konsolidieren und
  • der mittelfristigen Gefahr einer möglichen Inflation vorbeugen.

Das Ziel der Nullverschuldung und des Schuldenabbaus ist - der Notlage geschuldet - aufgeschoben, aber nicht aufgehoben. Wir dürfen vor der Größe der Aufgabe nicht resignieren. Wir müssen den Weg aus der Schuldenfalle konsequent weitergehen. Nur so wird verhindert, dass immer neue Lasten in die Zukunft verlagert werden, dass politische Gestaltungsmöglichkeiten immer weiter eingeschränkt werden und die Generationengerechtigkeit einmal mehr hintangestellt wird. Die Volkswirtschaft, nicht die Schulden sollen wachsen.

2 Vorschläge der Föderalismuskommission umsetzen - wirksame Schuldenbremse einbauen

Der Föderalismuskommission ist es - unbeschadet einer Kritik in einzelnen Punkten - gerade noch rechtzeitig gelungen, einen breiten politischen Grundkonsens für eine Schuldenbremse zu schaffen und sie normativ mit Verfassungsrang zu verankern. Die Verschuldung wird damit in Zukunft ein Stück weit der tagespolitischen Disposition entzogen. Vorwerfbar ist nicht die Kreditaufnahme in schwierigen und krisenhaften Zeiten, sondern die fatale Gewöhnung, selbst in guten Zeiten über die Verhältnisse zu leben. Die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte kann nur in normalen bzw. guten Zeiten gelingen. Hier liegen die Versäumnisse der Vergangenheit. Es ist allerdings wesentlich schwieriger, in guten Zeiten zu sparen als in schlechten.

Nur wenn es gelingt, dieses Paradoxon aufzubrechen, lassen sich die Haushalte konsolidieren. 2005 bis 2008 stiegen die Steuereinnahmen in Baden-Württemberg um 26 %. Dadurch konnten im letzten Jahr die Netto-Nullverschuldung erreicht und Rücklagen gebildet werden. Mehr wäre möglich gewesen. Volkswirtschaftlich notwendige neue Schulden müssen mit einer konkreten Abbauverpflichtung verknüpft werden.

3 Strukturelle Konsequenzen ziehen

Der Rechnungshof ist kein Deus ex machina. Er kann nicht die Staatsfinanzen sanieren. Er leistet mit seinen Prüfungen und Empfehlungen aber einen kontinuierlichen Beitrag, um Ausgaben zu senken und öffentliche Aufgaben wirksamer zu erfüllen. Die Denkschrift 2009 enthält eine Vielzahl von Prüfungen und Beispielen aus allen Bereichen und zeigt ein Einspar- bzw. Wirtschaftlichkeitsvolumen von 90 Mio. Euro auf. Darin sind nicht nur einmalige, sondern auch dauerhaft wirksame Maßnahmen enthalten.

Über die konkreten geprüften Sachverhalte hinaus weisen die Denkschriftbeiträge auch auf strukturelle Herausforderungen hin, aus denen generelle Schlussfolgerungen gezogen werden können und müssen.

3.1 Anschubfinanzierungen dürfen nicht zur Dauerfinanzierung werden

Die Erfahrung zeigt, aus bloßen Anschubfinanzierungen werden am Ende Dauerfinanzierungen. Der Einstieg fällt leicht, selten gelingt der Ausstieg. Die Schlussfolgerung: keine Anschubfinanzierung ohne Ausstiegsszenario. Die Exit-Strategie muss von Anfang an konsequent verfolgt werden. Die ursprünglichen Zwecke einer Anschubfinanzierung dürfen im Laufe der Förderung nicht - zumindest nicht ohne neue Grundsatzentscheidung - durch andere Zwecke ersetzt werden.

Beispiele:

Die Förderung von Verkehrsverbünden war als Anschubfinanzierung vorgesehen, um in der Anfangsphase Harmonisierungs- und Durchtarifierungsverluste auszugleichen. Zwischenzeitlich wurde sie in eine Basisförderung umgewandelt. Das Fördervolumen von rund 50 Mio. Euro jährlich ist seitdem nicht zurückgegangen (Nr. 6).

Die Einrichtungen der Vertragsforschung an den Universitäten wurden als Transfergesellschaften gegründet und sollten sich - bis auf einen geringen Landesanteil - durch Industrieaufträge und öffentliche Aufträge selbst finanzieren. Auch nach Jahren ist dieses Ziel noch nicht bei allen Einrichtungen erreicht (Nr. 15).

3.2 Mischfinanzierungen vermeiden

Das Land sollte sich stärker auf die eigenen Aufgaben konzentrieren und von einer gut gemeinten Mitfinanzierung kommunaler Aufgaben absehen, bzw. Aufgaben und Einrichtungen, die eher kommunaler Art sind, auch kommunalisieren oder einen höheren, interessengerechten kommunalen Anteil einfordern.

Beispiele:

Zwei Landestheater konzentrieren den größten Teil der Aufführungen auf ihren Sitzort und sind damit - entgegen der an sie gestellten Erwartung als Wanderbühne - in der Fläche weniger präsent (Nr. 24). Bei der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden, die selbst über keine eigene Sammlung verfügt, könnte eine Kommunalisierung ins Auge gefasst werden (Nr. 27).

3.3 Stärkere Kongruenz zwischen Aufgaben- und Ausgabenverantwortung

Wenn Aufgaben- und Ausgabenverantwortung zu weit auseinander klaffen, gerät das Kostenbewusstsein ins Hintertreffen. Die Kongruenz von Aufgaben- und Ausgabenverantwortung wirkt für sich schon kostendämpfend.

Beispiel:

Die Kommunen haben bei städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen oft zu großzügig Grundlagenbescheide mit steuerrechtlicher Wirkung ausgestellt, an die die Finanzämter gebunden waren (Nr. 20).

3.4 Komplexität bewältigen statt komplexe Sachverhalte auch noch kompliziert ausgestalten

Ein an sich überschaubarer Alltagssachverhalt, wie die steuerliche Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen, zeigt eindrucksvoll Grenzen bei der Steuererhebung auf. Wenn bei solchen Sachverhalten bereits der Erhebungsaufwand gegen eine exakte Erhebung ins Feld geführt werden kann, werden die Vollziehbarkeit des Steuerrechts und damit seine Durchsetzbarkeit fraglich (Nr. 19).

3.5 Mehr Mut zur Entscheidung

Knappe Mittel verlangen Mut zur Entscheidung. Wirtschaftlichkeitsunter-suchungen sind eine Hilfe, können aber den verantwortlichen Stellen die Last der Entscheidung nicht abnehmen. Prioritäten müssen aus politischer Gesamtverantwortung heraus gesetzt werden. Prioritäten setzen heißt, sich auch zu Posterioritäten durchringen - ohne Nachrang kein Vorrang. Nicht das Placebo des „Prinzip Hoffnung“, sondern die Reihenfolge des Machbaren ist gefragt.

Beispiele:

In den Generalverkehrsplan 1995 wurden zu viele Projekte aufgenommen - nicht einmal 40 % konnten verwirklicht werden. Bei dem neuen Verkehrsplan sollte die Zahl der Projekte realistisch angesetzt sein, damit die knappen Planungsressourcen darauf konzentriert werden können (Nr. 7).

Bei der Kernstadtentlastungsstraße in Riedlingen kann der Rechnungshof nach einer Überprüfung der Verkehrsprognosen einen prioritären Bedarf für eine Förderung nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz nicht nachvollziehen (Nr. 9).

4 Aufgaben erfüllen - Verwaltung stärken

Unbeschadet der Kritik und der Verbesserungsvorschläge des Rechnungshofs gilt es festzustellen, dass das Land insgesamt verantwortungsbewusst mit Steuergeldern umgeht und dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesverwaltung sich mit hohem Einsatz ihren Aufgaben stellen.

Karlsruhe, im April 2009
Max Munding
Präsident des Rechnungshofs Baden-Württemberg


Anhänge

Der Rechnungshof hat keine wesentlichen Abweichungen zwischen den in der Haushaltsrechnung 2007 und in den Büchern aufgeführten Beträgen festgestellt, die für die Entlastung der Landesregierung von Bedeutung sind. Die geprüften Einnahmen und Ausgaben sind - von wenigen Einzelfällen abgesehen - ordnungsgemäß belegt.


1 Vorlage und Gestaltung der Haushaltsrechnung des Landes

Gemäß Art. 83 Abs. 1 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg und § 114 Abs. 1 Satz 1 der Landeshaushaltsordnung (LHO) legte der Finanzminister dem Landtag mit Schreiben vom 12.12.2008 die Haushaltsrechnung des Landes Baden-Württemberg für das Haushaltsjahr 2007 als Entscheidungsgrundlage für die Entlastung der Landesregierung vor (Landtagsdrucksache 14/3784).

Die Haushaltsrechnung ist entsprechend den Vorschriften der §§ 81 bis 85 LHO gestaltet. Sie enthält alle in § 81 Abs. 1 und 2 LHO vorgeschriebenen Angaben für den Nachweis der bestimmungsgemäßen Ausführung des Staatshaushaltsplans. Die Rechnungslegung ist in

  • einem kassenmäßigen Abschluss gemäß § 82 LHO (Ist-Ergebnisse ohne Haushaltsreste) und
  • einem Haushaltsabschluss gemäß § 83 LHO

dargestellt.

Der kassenmäßige Abschluss und der Haushaltsabschluss sind entsprechend § 84 LHO in einem Abschlussbericht mit verschiedenen Zusammenstellungen auf S. 15 bis 87 der Haushaltsrechnung erläutert. Die in § 85 Abs. 1 LHO genannten Übersichten sind beigefügt (S. 847 bis 858 und S. 861 bis 863).

2 Ergebnisse der Haushaltsrechnung

Der kassenmäßige Abschluss und der Haushaltsabschluss der Haushaltsrechnung 2007 sind in der Tabelle zusammengefasst und dem Vorjahr gegenübergestellt.

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3 Haushaltsüberschüsse

Der Landeshaushalt 2006 hat mit einem kassenmäßigen Überschuss von 535.246.097,48 Euro abgeschlossen. Davon wurden 178.981.900 Euro im Haushaltsjahr 2007 und 275.018.100 Euro im Haushaltsjahr 2008 bei Kapitel 1212 Titel 361 02 als Einnahme gebucht. Der restliche Betrag von 81.246.097,48 Euro war am 31.12.2008 noch im Verwahrungsbuch der Landesoberkasse nachgewiesen. Außerdem war zu diesem Zeitpunkt auch der kassenmäßige Überschuss des Haushaltsjahres 2007 in Höhe von 715.348.349,59 Euro in Verwahrung gebucht. Einschließlich des kassenmäßigen Überschusses des Haushaltsjahres 2008 in Höhe von 744.149.493,22 Euro belief sich die insoweit „überschüssige“ Liquidität des Landes am 31.12.2008 auf 1.540.743.940,29 Euro. Aufgrund der verfügbaren Mittel wurden im Haushaltsjahr 2008 rund 136 Mio. Euro Zinsen aus Geldanlagen erwirtschaftet.

Nach Auffassung des Rechnungshofs müssten die Ende 2008 noch im Verwahrungsbuch nachgewiesenen Überschüsse der Haushaltsjahre 2006 und 2007 in Höhe von zusammen 796.594.447,07 Euro im Haushaltsjahr 2009 vereinnahmt und zur Schuldentilgung oder Rücklagenbildung verwendet werden. Im Staatshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2009 sind bei Kapitel 1212 Titel 361 01 lediglich 360.317.900 Euro als Einnahmen aus Überschüssen des Haushaltsjahres 2007 veranschlagt.

4 Feststellungen des Rechnungshofs nach § 97 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Landeshaushaltsordnung

Der Rechnungshof prüfte die Ordnungsmäßigkeit der Haushaltsrechnung des Landes für das Haushaltsjahr 2007. Die in der Haushaltsrechnung aufgeführten Einnahmen und Ausgaben stimmen mit den in den Rechnungslegungsbüchern nachgewiesenen Beträgen überein. In den geprüften Rechnungen wurden keine Einnahmen oder Ausgaben festgestellt, die nicht belegt waren.

5 Druck- und Darstellungsfehler

Bei der Gesamtrechnungsprüfung stellte der Rechnungshof keine wesentlichen Druck- und Darstellungsfehler in der Haushaltsrechnung des Landes fest.

6 Haushaltsüberschreitungen

Über- und außerplanmäßige Ausgaben bedürfen der vorherigen Zustimmung des Finanzministeriums, die nur im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses erteilt werden darf. Die über- und außerplanmäßigen Ausgaben einschließlich der Vorgriffe sind in der Haushaltsrechnung einzeln nachgewiesen und in der Übersicht 1 zur Haushaltsrechnung (S. 847 bis 858) zusammengestellt und begründet. Sie betragen insgesamt rund 54 Mio. Euro. Hiervon waren rund 47 Mio. Euro Sachausgaben und rund 7 Mio. Euro Personalausgaben.

Mehrausgaben in größerem Umfang sind für folgende Zwecke angefallen:

  • 3,5 Mio. Euro für höhere Heilfürsorgeleistungen an Polizeibeamte (Kapitel 0314 Titel 443 02),

 

  • 4,7 Mio. Euro für Anlastungen der EU für die Jahre 2003 bis 2005 (Kapitel 0802 Titel 671 01),

 

  • 4,9 Mio. Euro für höhere Krankenfürsorgeleistungen an Bedienstete im Erziehungsurlaub, in Elternzeit und dergleichen wegen Kostensteigerungen im Gesundheitswesen und aufgrund der höheren Zahl von Anspruchsberechtigten (Kapitel 1212 Titel 681 02),

 

  • 2,7 Mio. Euro für den höheren Zuschuss an die Gesellschaft Sozialwissenschaftlicher Infrastruktureinrichtungen e.V., Mannheim wegen der Gegenwertzahlung 2007 an die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (Kapitel 1499 Titel 685 05).

Mit Schreiben vom 04.08.2008 teilte das Finanzministerium dem Landtag gemäß § 7 Abs. 5 Staatshaushaltsgesetz 2007/08 die über- und außerplanmäßigen Ausgaben des Haushaltsjahres 2007 von mehr als 100.000 Euro im Einzelfall mit. Die Mitteilung (Landtagsdrucksache 14/3120) wurde vom Finanzausschuss des Landtags in der 29. Sitzung am 18.09.2008 zur Kenntnis genommen.

Nach dem Ergebnis der Rechnungsprüfung lag im Haushaltsjahr 2007 bei den über- und außerplanmäßigen Ausgaben ab 500 Euro in 21 Fällen die Einwilligung des Finanzministeriums nicht vor. Die Summe dieser Haushaltsüberschreitungen beträgt rund 586.000 Euro (Vorjahr: 2,1 Mio. Euro). Davon entfallen auf Personalausgaben rund 20.000 Euro (Vorjahr: 511.000 Euro).

Die vom Finanzministerium bewilligten Abweichungen von den Stellenübersichten sind in der Übersicht 1 A zur Haushaltsrechnung (S. 859 bis 860) dargestellt und begründet.

Die über- und außerplanmäßigen Ausgaben bedürfen nach Art. 81 Satz 3 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg der Genehmigung des Landtags. Diese wurde, zugleich für die Abweichungen von den Stellenübersichten, vom Finanzministerium im Zusammenhang mit der Vorlage der Haushaltsrechnung beantragt.

7 Buchungen an unrichtiger Stelle

In der Übersicht 1 zur Haushaltsrechnung (über- und außerplanmäßige Ausgaben einschließlich der Vorgriffe) sind auch Fälle von Buchungen an unrichtiger Haushaltsstelle - sogenannte Titelverwechslungen - enthalten, die auf Versehen der Verwaltung beruhen (Verstöße gegen § 35 Abs. 1 LHO). Sie haben eine relativ geringe Bedeutung für das Gesamtbild des Landeshaushalts.

Bei richtiger Buchung einer Titelverwechslung (Kapitel 0465 Titel 631 01) wären die in der Haushaltsrechnung nachgewiesenen über- und außerplanmäßigen Ausgaben um 4.640 Euro niedriger gewesen.


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Der Haushalt des Landes wurde im Haushaltsjahr 2007 nach den Vorgaben des Staatshaushaltsplans vollzogen.


1 Haushalts-Soll und Haushalts-Ist 2007

Der Haushaltsrechnung des Landes für das Haushaltsjahr 2007 liegen die Gesetze über die Feststellung des Staatshaushaltsplans von Baden-Württemberg für die Haushaltsjahre 2007/08 (Staatshaushaltsgesetz 2007/08) vom 27.02.2007 (Gesetzblatt für Baden-Württemberg 2007, S. 121) und über die Feststellung eines Nachtrags zum Staatshaushaltsplan für die Haushaltsjahre 2007 und 2008 vom 21.12.2007 (Gesetzblatt für Baden-Württemberg 2007, S. 609) zugrunde. Danach wurde der Staatshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2007 in Einnahme und Ausgabe auf 34.521.889.600 Euro festgestellt.

Das rechnungsmäßige Jahresergebnis 2007 (Haushalts-Ist einschließlich Haushaltsreste 2007) weist gegenüber dem Haushalts-Soll (Haushaltsansätze einschließlich Haushaltsreste aus dem Vorjahr) einen Fehlbetrag von 298.687.376,38 Euro aus (siehe Beitrag Nr. 1, Tabelle). Dieser ergibt sich aus dem Saldo der Mehreinnahmen von 527.823.576,36 Euro und der Mehrausgaben von 826.510.952,74 Euro.

Wie sich die Mehreinnahmen und die Mehrausgaben aus den Teilergebnissen der Einzelpläne errechnen, ist in der Landeshaushaltsrechnung 2007 (Anlage 1 zur Gesamtrechnung, S. 40/41, Spalte 9) sowie in den Erläuterungen hierzu (S. 45 bis 52) dargestellt.

2 Jahresvergleich - einschließlich Vorschau auf das Haushaltsjahr 2008

Die Entwicklung der Ausgabe-Ansätze und Ist-Ausgaben insgesamt ist aus Tabelle 1 und der Ist-Ausgaben je Einzelplan aus Tabelle 2 ersichtlich. Zur Tabelle 1 ist darauf hinzuweisen, dass die Drittmittel der Universitäten seit 2000 nicht mehr im Soll veranschlagt sind.

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Von 1999 bis 2008 stiegen die Gesamt-Ist-Ausgaben um 11,3 % und die Personalausgaben um 11,1 %. Die Reduzierung bzw. der geringe Anstieg der Gesamt-Ist-Ausgaben in den Jahren 2004 und 2005 gegenüber dem Haushaltsjahr 1999 ist darauf zurückzuführen, dass die Kreditaufnahme ab dem Staatshaushaltsplan 2000/01 nicht mehr brutto, sondern netto, also ohne die Tilgungsausgaben, veranschlagt ist.

Die Reduzierung der Personalausgaben 2005 bis 2008 gegenüber dem Haushaltsjahr 2004 ist auf die Kommunalisierung von Personal im Zuge der Verwaltungsstrukturreform zurückzuführen.

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Seit dem Haushaltsjahr 2004 sind die Ausgaben für die Versorgungsbezüge der Beamten und Richter sowie ihrer Hinterbliebenen - bis auf Restbereiche - in den Einzelplänen der jeweiligen Ressorts nachgewiesen. Dies gilt ebenso für die Beihilfen der Versorgungsempfänger. Bis 2003 waren diese Ausgaben im Einzelplan 12 veranschlagt.

3 Globale Minderausgaben

Im Staatshaushaltsplan 2007/08 waren für das Haushaltsjahr 2007 bei Kapitel 1212 Titel 972 01 globale Minderausgaben in Höhe von 106,5 Mio. Euro veranschlagt. Die auf die Einzelpläne entfallenden Beträge sind in Tabelle 3 dargestellt.

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Die Einsparungen bei den Sachausgaben - Haushaltsgruppen 5 bis 8 - wurden von den Ressorts nachgewiesen.

4 Haushaltsreste

4.1 Haushaltsjahr 2007

Im Rahmen des Jahresabschlusses für das Haushaltsjahr 2007 wurden abzüglich der Haushaltsvorgriffe folgende Haushaltsreste nach 2008 übertragen:

Einnahmereste1.048.683.150,35 Euro

Ausgabereste1.384.959.611,68 Euro

Mehrbetrag Ausgabereste336.276.461,33 Euro

Die Einnahmereste umfassen überwiegend noch nicht verbrauchte Kreditermächtigungen in Höhe von 967,8 Mio. Euro für Kreditmarktmittel (Kapitel 1206 Titel 325 86) und in Höhe von 30,2 Mio. Euro für das Projekt Neue Steuerungsinstrumente (Kapitel 1230 Titel 261 01). Wie sich die Ausgabereste in den Einzelplänen zusammensetzen, ist auf den S. 53 bis 56 der Haushaltsrechnung dargestellt.

Mit Schreiben vom 24.09.2008 hat das Finanzministerium gemäß § 7 Abs. 6 Staatshaushaltsgesetz 2007/08 dem Finanzausschuss des Landtags die in das Haushaltsjahr 2008 übertragenen Ausgabereste mitgeteilt. Der Finanzausschuss hat hiervon in seiner 30. Sitzung am 16.10.2008 Kenntnis genommen.

Wie in den Vorjahren war die Landesregierung nach § 9 Abs. 2 Staatshaushaltsgesetz 2007/08 ermächtigt, unverbrauchte Mittel aus übertragbaren Bewilligungen (Ausgabereste) in Abgang zu stellen. Sie hat diese Ermächtigung im Umfang von rund 142 Mio. Euro ausgeschöpft.

4.2 Jahresvergleich

Die Tabellen 4 und 5 zeigen, wie sich die Haushaltsreste in den letzten Jahren entwickelt haben. Bei den Einnahmeresten handelt es sich im Wesentlichen um noch nicht verbrauchte Kreditermächtigungen.

Die Höhe der Haushaltsreste 2008 stand bei Abschluss der Denkschriftberatungen des Rechnungshofs noch nicht fest.

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Das Land hat im Haushaltsjahr 2008 erstmals keine zusätzlichen Kredite aufgenommen. Dies ist uneingeschränkt positiv zu bewerten. Nach Auffassung des Rechnungshofs sind ausgeglichene Haushalte auf Dauer jedoch nur zu erreichen, wenn die Ausgaben strukturell und nachhaltig gesenkt werden.


1 Verschuldungslage

1.1 Schuldenentwicklung

Das Land hat im Haushaltsjahr 2008 erstmals keine neuen Kredite aufgenommen. Die Landesschulden und die auf Dritte verlagerten Verpflichtungen haben sich gegenüber dem Vorjahr, wie in Tabelle 1 dargestellt, verändert.

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Danach haben sich die Schulden, einschließlich der verlagerten Verpflichtungen, im Haushaltsjahr 2008 um insgesamt 117,5 Mio. Euro verringert.

Im Jahr 2008 nahm das Land aufgrund der Ermächtigung im Staatshaushaltsgesetz an einem Tag (Vorjahr 9 Tage) Kassenverstärkungskredite im Umfang von 250.000 Euro in Anspruch. Am 31.12.2008 waren keine Kassenkredite aufgenommen.

Die Entwicklung der Landesschulden und der verlagerten Verpflichtungen in den letzten zwanzig Jahren zeigt die Abbildung.

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1.2 Haushaltsmäßige Kreditaufnahme und Tilgung

Im Haushaltsjahr 2008 wurden am Kapitalmarkt 8.924,1 Mio. Euro neue Darlehen aufgenommen. Gleichzeitig wurden 8.929,4 Mio. Euro getilgt. Somit haben sich die Kreditmarktschulden 2008 um 5,3 Mio. Euro reduziert. Zum Ende des Haushaltsjahres 2008 waren noch nicht in Anspruch genommene Kreditermächtigungen früherer Haushaltsjahre in Form von Einnahmeresten in Höhe von 968,1 Mio. Euro vorhanden. Da das Haushaltsjahr 2008 mit einem kassenmäßigen Überschuss in Höhe von 744,1 Mio. Euro abgeschlossen hat und kassenmäßige Überschüsse der Haushaltsjahre 2006 und 2007 in Höhe von 796,6 Mio. Euro haushaltsmäßig noch nicht vereinnahmt sind (siehe Beitrag Nr. 1), wären im Haushaltsjahr 2008 höhere Tilgungen oder höhere Rücklagenbildungen möglich gewesen.

Von der nach dem Staatshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2008 in der Fassung der Anlage zum Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Staatshaushaltsplan für die Jahre 2007 und 2008 vom 21.12.2007 (Gesetzblatt für Baden-Württemberg 2007, Seite 609) im Kreditfinanzierungsplan vorgesehene Schuldentilgung von 250 Mio. Euro wurde abgesehen. Auch von der in § 4a des Staatshaushaltsgesetzes 2007/08 in der Fassung des Zweiten Nachtrags zum Staatshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2008 vom 14.10.2008 (Gesetzblatt für Baden-Württemberg 2008, Seite 332) enthaltenen Ermächtigung zur zusätzlichen Schuldentilgung im Umfang von 100 Mio. Euro aus dem rechnungsmäßigen Überschuss des Jahres 2007 hat das Finanzministerium keinen Gebrauch gemacht.

1.3 Kreditaufnahme und Schuldendienst

Die Entwicklung der jährlichen (haushaltsmäßigen) Brutto- und Nettokreditaufnahme sowie der Aufwendungen für den Schuldendienst in den letzten zehn Jahren zeigt Tabelle 2.

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Die Ist-Ausgaben des Schuldendienstes für die Kreditmarktmittel (Zinsen und Tilgungsleistungen bei Kapitel 1206, Ausgabe-Titelgruppe 86 - ohne Titel 563 86 Ausgleichsstock - und bei Kapitel 1230 Titel 571 01) sind im Haushaltsjahr 2008 gegenüber dem Vorjahr um 3.370,6 Mio. Euro gestiegen. Dies ist auf höhere Tilgungsaufwendungen gegenüber dem Haushaltsjahr 2007 zurückzuführen.

Die Schuldendienstausgaben an die Landeskreditbank Baden-Württemberg - Förderbank (L-Bank) und die Erstattung des Finanzierungsaufwands an die Finanzierungsgesellschaft für öffentliche Vorhaben des Landes Baden-Württemberg mbH beliefen sich im Haushaltsjahr 2008 auf 260,5 Mio. Euro. Darin sind auch die Ersatzleistungen an die L-Bank für die Finanzierung des Darlehensanteils des Landes bei der Ausbildungsförderung für Studierende in Höhe von 30,6 Mio. Euro enthalten, die aus systematischen Gründen dem gesamten Schuldendienst zuzurechnen sind.

Die Ausgaben des Schuldendienstes für die Kreditmarktmittel und der Aufwand für die verlagerten Verpflichtungen beliefen sich im Haushaltsjahr 2008 auf 11.047,3 Mio. Euro. Dementsprechend betrug der Anteil des gesamten Schuldendienstes an den Gesamtausgaben (einschließlich der haushaltsmäßig nicht ausgewiesenen Tilgungsausgaben in Höhe von 8.929,4 Mio. Euro) des Landes 24,8 % (Vorjahr 18,9 %).

Der Aufwand für den Schuldendienst entsprach somit rund einem Viertel der Gesamtausgaben und war nach den Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse sowie den Personalausgaben der drittgrößte Posten im Landesetat.

1.4 Pro-Kopf-Verschuldung

Die Verschuldung des Landes am Kreditmarkt belief sich zum 31.12.2008 auf 41.704,6 Mio. Euro. Die Pro-Kopf-Verschuldung betrug danach 3.878 Euro und hat sich gegenüber dem Vorjahr um 0,1 % verringert; in allen Flächenländern belief sie sich durchschnittlich - bei einer Reduzierung um 0,2 % - auf 5.082 Euro (Vorjahr 5.091 Euro). Zur Pro-Kopf-Verschuldung im Einzelnen siehe Tabelle 3.

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Wie bisher liegt Baden-Württemberg auf dem drittbesten Platz aller Flächenländer und auf dem zweitbesten Platz der acht alten Flächenländer. Gemessen an der Veränderung gegenüber dem Vorjahr nimmt Baden-Württemberg nur einen Mittelplatz ein.

2 Zinsausgaben und Steueraufkommen

Das Steueraufkommen des Landes belief sich im Haushaltsjahr 2008 auf 28.002 Mio. Euro und ist gegenüber dem Vorjahr um 1.061 Mio. Euro (+3,9 %) gestiegen. Unter Berücksichtigung der Mehrausgaben im Länderfinanzausgleich und im kommunalen Finanzausgleich ergaben sich gegenüber dem Haushaltsansatz Nettosteuermehreinnahmen in Höhe von 800 Mio. Euro. Die Steuerdeckungsquote, d. h. das Verhältnis der Steuereinnahmen zu den bereinigten Gesamtausgaben, hat sich im Haushaltsjahr 2008 mit 81,2 % gegenüber dem Vorjahr (82 %) geringfügig verschlechtert.

Für die Kreditmarktschulden sind im Haushaltsjahr 2008 Zinsausgaben in Höhe von 1.857 Mio. Euro (Vorjahr 1.927 Mio. Euro) angefallen. Danach musste ein Anteil von 6,6 % des Steueraufkommens (Vorjahr 7,2 %) zur Deckung der Zinsverpflichtungen verwendet werden.

Die Reduzierung der Zinsausgaben gegenüber dem Vorjahr um 70 Mio. Euro (-3,6 %) und die auch darauf beruhende Verbesserung der Zins-Steuer-Quote sind auf die vorteilhafte Refinanzierung aufgrund des für Schuldner noch günstiger gewordenen Zinsniveaus zurückzuführen.

3 Ausgabenstruktur

Tabelle 4 zeigt die Entwicklung der wesentlichen Ausgabearten und die prozentualen Anteile an den bereinigten Gesamtausgaben des Landes in den letzten zehn Jahren.

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Die bereinigten Gesamtausgaben sind im Haushaltsjahr 2008 gegenüber dem Vorjahr um 1.611 Mio. Euro (+4,9 %) auf 34.472 Mio. Euro gestiegen. Davon entfielen 14.839 Mio. Euro (43,1 %) auf Zuweisungen und Zuschüsse einschließlich Finanzausgleichsleistungen an Länder und Gemeinden, die sich gegenüber dem Vorjahr um 1.112 Mio. Euro (+8,1 %) erhöht haben.

Da sich die Personalausgaben im Verhältnis zu den Gesamtausgaben deutlich geringer erhöht haben (+1,9 %), ist die Personalausgabenquote um 1,1 Prozentpunkte auf 37,9 % gesunken.

Durch höhere Investitionsausgaben im Haushaltsjahr 2008 im Vergleich zum Vorjahr um 174 Mio. Euro (+6,3 %) hat sich die Investitionsquote im Haushaltsjahr 2008 gegenüber dem Vorjahr um 0,1 Prozentpunkte geringfügig auf 8,5 % verbessert.

Die sächlichen Verwaltungsausgaben haben sich nominal um 148 Mio. Euro und prozentual von 4,8 % auf 5,0 % erhöht.

Die Zinsausgabenquote ist im Haushaltsjahr 2008 durch die Verringerung der Zinsausgaben um 70 Mio. Euro (-3,6 %) gegenüber dem Vorjahr von 5,9 % auf 5,4 % gesunken.

4 Beurteilung und Fazit

Das Steueraufkommen des Landes ist in den Haushaltsjahren 2006 bis 2008 aufgrund der guten konjunkturellen Lage in dieser Periode beträchtlich gestiegen. Im Haushaltsjahr 2008 haben sich die Steuereinnahmen gegenüber dem Vorjahr nochmals um 1.061 Mio. Euro (+3,9 %) erhöht. Gegenüber dem Haushaltsjahr 2005 ergibt sich eine Steigerungsrate von 26 %. Insgesamt sind dem Land 2006 bis 2008 gegenüber 2005 Steuermehreinnahmen in Höhe von 5.774 Mio. Euro zugeflossen. Dadurch hat sich die Haushaltslage des Landes in den letzten Jahren beträchtlich verbessert. Die im Haushaltsjahr 2008 erreichte Nettonullverschuldung bzw. die geringe Schuldentilgung von netto 5,3 Mio. Euro sind somit letztlich auf das überdurchschnittlich gestiegene Steueraufkommen in den letzten Jahren zurückzuführen. Die hohen Steuereinnahmen ließen es überdies zu, in den Haushaltsjahren 2007 und 2008 die in Tabelle 5 dargestellten Sondervermögen und Rücklagen zu bilden.

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Darüber hinaus wurden im Haushaltsjahr 2007 dem neu errichteten Versorgungsfonds des Landes Baden-Württemberg 500 Mio. Euro zugeführt (siehe Kapitel 1212 Titel 919 10). Trotz dieser beträchtlichen Zuführungen zu Rücklagen, Fonds und Sondervermögen konnten in den Haushaltsjahren 2006 bis 2008 noch Kassenüberschüsse in Höhe von insgesamt 1.994.743.940,29 Euro erwirtschaftet werden.

Der Rechnungshof sieht es grundsätzlich positiv, dass durch die gebildeten Rücklagen und Sondervermögen vorausschauend Vorsorge für den vorhersehbaren Einbruch der Steuereinnahmen infolge der jetzigen Wirtschaftskrise getroffen wurde, um insoweit das in § 18 Landeshaushaltsordnung verankerte grundsätzliche Verschuldungsverbot auf Dauer sicherzustellen. Allerdings muss stets geprüft werden, ob eine Tilgung von Altschulden wirtschaftlicher wäre.

Dies gilt auch für die Verwendung der haushaltsmäßig noch nicht vereinnahmten Überschüsse der Haushaltsjahre 2006, 2007 und 2008. Nach Auffassung des Rechnungshofs hätten die Überschüsse der Haushaltsjahre 2006 und 2007 in vollem Umfang spätestens im Haushaltsplan 2009 veranschlagt werden müssen (siehe Denkschrift 2009, Beitrag Nr. 1, Haushaltsrechnung des Landes für das Haushaltsjahr 2007). Der Landtag als Haushaltsgesetzgeber muss nämlich entscheiden, ob mit der überschüssigen Liquidität alte Schulden getilgt oder Rücklagen gebildet werden sollen. Hierzu ist von der Landesregierung die Wirtschaftlichkeit der jeweiligen Alternative darzulegen.

Der Rechnungshof erneuert im Übrigen seine langjährige Forderung, die Haushaltssanierung von der Ausgabenseite her nachhaltig, also durch strukturelle Einsparmaßnahmen, voranzutreiben. Die Verbesserung der Haushaltslage infolge außerordentlich hoher Steuereinnahmen sollte den Blick auf die absehbare künftige Entwicklung nicht verschleiern. Der erkennbare drastische Einbruch der Steuereinnahmen als Folge der derzeitigen Wirtschaftskrise wird sehr schnell wieder in Erinnerung rufen, dass dauerhaft ausgeglichene Haushalte nur durch strikte Ausgabendisziplin und den Abbau staatlicher Aufgaben sichergestellt werden können.

5 Landesschuldbuch

Das Landesschuldbuch erbringt den ordnungsgemäßen Nachweis über die Buchschulden des Landes. Der Rechnungshof hat die im Haushaltsjahr 2008 in das Landesschuldbuch eingetragenen Schuldbuchforderungen geprüft. Die Prüfung hat keine Beanstandungen ergeben.

6 Stellungnahme des Ministeriums

Das Finanzministerium weist darauf hin, dass die im Haushaltsjahr 2008 geplante Schuldentilgung angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise nicht vorgenommen wurde. Vielmehr hätten die Landesregierung und der Landtag mit dem Staatshaushaltsplan 2009 beschlossen, mit den zur Schuldentilgung vorgesehenen Mitteln die Finanzierung des Landesinfrastrukturprogramms und die Kofinanzierung des Zukunftsinvestitionsprogramms des Bundes sicherzustellen.

Hinsichtlich der Verwendung der Kassenüberschüsse verweist das Finanzministerium auf die Zulässigkeit der Rücklagenbildung entsprechend der Gesetzesbegründung zu § 42a LHO (siehe Landtagsdrucksache 14/661). Über die Verwendung der Überschüsse werde im Zusammenhang mit der Erstellung des Rechnungsabschlusses für das Haushaltsjahr 2008 und der Aufstellung des Entwurfs des Staatshaushaltsplans 2010/2011 bzw. eines weiteren Nachtragshaushalts 2009 unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes entschieden.

Das Finanzministerium sei bemüht, das Liquiditätsmanagement so wirtschaftlich wie möglich zu gestalten.

Durch die Kapitalmarktkrise hätten im Jahr 2008 die Habenzinsen für die liquiden Mittel zeitweise über den Sollzinsen für die Kreditneuaufnahme gelegen.


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Die IuK-Ausfallvorsorge für Großschadensereignisse ist nicht ausreichend. Es bedarf eines ressortübergreifenden zielorientierten Konzeptes auf der Basis der Grundschutz-Richtlinien des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik. Die Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen zur Ausfallvorsorge ist anhand von Alternativen und Ausschreibungen nachzuweisen.


1 Bisherige Prüfungserfahrungen

Der Rechnungshof hat sich in den letzten Jahren mehrmals mit der IuK-Ausfallvorsorge des Landes beschäftigt und bereits zweimal in der Denkschrift berichtet (Denkschrift 2000, Beitrag Nr. 8, Ausfallvorsorge in den DV-Zentren der Landesverwaltung; Denkschrift 2004, Beitrag Nr. 9, Bürokommunikation in der Innenverwaltung). Der Landtag hat daraufhin die Landesregierung gebeten, die Vorsorgemaßnahmen ernsthafter zu betreiben, die Maßnahmen ressortübergreifend abzustimmen und Wirtschaftlichkeitsberechnungen durchzuführen.

Die Landesregierung hat im Bericht vom 22.12.2005 (Landtagsdrucksache 13/4923) eingeräumt, dass die Ausfallvorsorge bei der Informationstechnik für den Katastrophenschutz unabdingbar sei. Nach den Feststellungen der Finanzkontrolle wurden aus dieser Erkenntnis aber keine hinreichenden Folgerungen gezogen. Weitere Anstrengungen sind erforderlich, um eine gut funktionierende wirtschaftliche Ausfallvorsorge sicher zu stellen.

2 Mögliche Großschadensereignisse

Lokale oder regionale Schadensfälle mit Auswirkungen auf die IuK-Infrastruktur und die Verfügbarkeit von Daten wichtiger Fachverfahren können sein:

  • Höhere Gewalt (Blitz, Feuer, Wassereinbruch, technische Großschäden in der Nachbarschaft, radioaktiver Niederschlag, Seuchen, Pandemien),

 

  • Menschliche Fehlhandlungen (fahrlässige Zerstörung, Fehlbedienung, fehlerhafte Administration),

 

  • Technisches Versagen (großflächiger oder längerer Ausfall der Stromversorgung, Software-Schwachstellen),

 

  • Vorsätzliche Handlungen (Manipulation von Zugangsdaten, Vandalismus, Anschläge, Computerviren).

Daraus können weitere Bedrohungen entstehen. Zum Beispiel kann ein längerer großflächiger Stromausfall die Verwaltung außer Funktion setzen, gleichzeitig aber auch eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen.

3 Wesentliche Feststellungen

3.1 Ganzheitliches Konzept zur IuK-Ausfallvorsorge fehlt

Trotz eindeutiger Landtagsbeschlüsse infolge früherer Prüfungen der Finanzkontrolle sind die Maßnahmen der Ministerien zur IuK-Ausfallvorsorge bei Großschadensereignissen noch nicht ausreichend. Insbesondere fehlt es an einheitlichen Konzepten, die die Grundsätze des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) beachten und an einer zentralen koordinierenden Steuerung. Auch wurden Prinzipien der Wirtschaftlichkeit nicht ausreichend beachtet.

3.2 Zentrale Kommunikations- und Informationsdienste müssen verfügbar sein

Um Krisenlagen zu bewältigen, ist eine funktionierende E-Mail- und Fernsprechkommunikation unverzichtbar. Deshalb muss das Datennetz des Landes, über das die E-Mail-Kommunikation der Landesdienststellen untereinander, mit dem Bund oder mit kommunalen Behörden läuft, technisch ausreichend abgesichert sein. Hier sind Nachbesserungen erforderlich. Problematisch ist ferner, dass die Krisenstäbe bei ihren Übungen in der Regel von einer funktionierenden E-Mail-Kommunikation ausgehen und einen Ausfall der IuK-Infrastruktur gar nicht erst in ihre Konzeptionen einbeziehen. Selbst Verwaltungen, die über Ersatzsysteme verfügen, sehen deren Nutzung kritisch, weil die Mitarbeiter der Krisenstäbe darin nicht geübt seien.

Auch die telefonische Kommunikation könnte sich als nicht ausreichend erweisen. Wie das Beispiel eines großflächigen Stromausfalls im Januar 2008 gezeigt hat, können in einem solchen Fall in kurzer Zeit die Mobilfunknetze überlastet sein. Vorrangschaltungen im Festnetz nach den Vorschriften der Telekommunikations-Sicherstellungs-Verordnung wurden zwar von wenigen Verwaltungen bei der Bundesnetzagentur beantragt. Die Telekommunikationsunternehmen haben bisher jedoch noch nicht belegen können, ob diese im Krisenfall auch funktionieren.

Zur Information der Bevölkerung in Krisenfällen hat das Land einen Sonderinformationsdienst im Internet eingerichtet und hierfür bislang mehr als 500.000 Euro bezahlt. Es ist jedoch kompliziert, das System mit Informationen durch die Ministerien zu bestücken. Außerdem ist die eingesetzte Technik mittlerweile überholt und zu teuer. Eine günstigere und einfachere Alternative wäre die Informationsplattform im Internet, auf der das Land ohnehin sein E-Government betreibt.

3.3 Risikofolgenabschätzungen und Notfallorganisation bei IuK-Fachverfahren

Die Landesregierung konnte sich nicht darauf verständigen, welche IuK-Fachverfahren für Krisenzeiten vorzugsweise abzusichern sind. Die Stabsstelle für Verwaltungsreform hat sich zwar bemüht, Priorisierungslisten zu erstellen. Bislang kamen aber nur Wunschlisten der Ministerien heraus, in denen Projekte nach Einschätzung der einzelnen Ministerien hinsichtlich Dringlichkeit, Verfügbarkeit und Kosten bewertet wurden. Beispielsweise sollte ein Abrechnungsverfahren für Reisekosten bereits nach einem Tag wieder verfügbar sein, während der Wiederanlauf eines Systems zur Überwachung von Lebensmittelvergiftungen erst nach fünf Tagen gefordert wurde.

Ministerien haben teilweise zwar kostspielige Ausfallvorsorgemaßnahmen für reine Verwaltungsverfahren getroffen, wie Statistik, Steuer oder Auszahlung von EU-Subventionen. Hingegen ist nicht sichergestellt, ob den Krisenstäben die Daten für die Daseinsvorsorge der Bevölkerung (Ernährung, Gesundheit, Energie) zur Verfügung stehen.

Auf der Ebene der IuK-Verfahren ist die Ausfallvorsorge zum Teil technisch wie organisatorisch zu verbessern. Dies gilt vor allem hinsichtlich der Notfallhandbücher und der Datensicherung. Befriedigend ist insoweit allenfalls der bei der Polizei erreichte Standard. Insgesamt werden Notfälle im Land jedoch zu wenig geübt, um die Wirksamkeit der Sicherungsvorkehrungen beurteilen zu können.

Schließlich haben sich einige Verwaltungen zur Ausfallvorsorge auch in bedenklicher Weise in Abhängigkeiten von externen IuK-Unternehmen begeben, sodass der Wiederanlauf wichtiger Systeme mit dem eigenen IuK-Personal nicht möglich ist.

3.4 Fehlende Wirtschaftlichkeit und fehlende Alternativen

Da sich die Ministerien bislang nicht auf eine Priorisierung der IuK-Systeme und Verfahren zur Bewältigung von Krisenfällen einigen konnten, geben sie ihre IuK-Haushaltsmittel ausschließlich nach ressortbezogenen Kriterien aus. Diesbezüglich gibt es auch keine verursachungsgerechte Kostenerfassung in den Kosten- und Leistungsrechnungen. So hat kein Ressort eine genaue Vorstellung, was seine IuK-Ausfallvorsorge im Einzelnen kostet.

Die Wirtschaftlichkeit der getroffenen Maßnahmen ist in erheblichen Teilen der Projekte nicht belegt. Auf Ausschreibungen wird in manchen Fällen verzichtet mit dem Argument, solche Ausfallvorsorgemaßnahmen seien so spezifisch, dass sie nur von einem Unternehmen realisiert werden könnten (Alleinstellungsmerkmal). Diese Begründung ist keineswegs immer zutreffend.

In einem Fall wurde auf die Ausschreibung verzichtet, weil es sich nach Angaben des betroffenen Ministeriums um einen Folgeauftrag im Rahmen einer bestehenden Vereinbarung handelte. Der „Folgeauftrag“ betraf jedoch eine völlig andere IuK-Technik und hatte ein Auftragsvolumen von 11 Mio. Euro (fast so viel wie der ursprüngliche Auftrag, der im Übrigen bereits vor mehr als zehn Jahren erteilt worden war). Nach Ansicht der Finanzkontrolle hätte in diesem Fall ausgeschrieben werden müssen.

Alternative Ausweich-Rechenzentren, die anstelle einer vorhandenen Bunkeranlage hätten in Betracht gezogen werden können, wurden nicht geprüft. Infrage kämen vorhandene Kapazitäten im Land (bestehende Überkapazitäten mit zusammen fast 1.000 m² Fläche) oder auch Kooperationen mit anderen Bundesländern.

Im Übrigen erscheint fraglich, ob der derzeitige private Betreiber bei Großschadensereignissen überhaupt in der Lage ist, die Ausfallvorsorge für das Land in hinreichendem Maß zu gewährleisten.

4 Zusammenfassende Wertung und Empfehlung

Der IuK-Ausfallvorsorge bei Großschadensereignissen muss in der Landesverwaltung ein höherer Stellenwert beigemessen werden.

Der Rechnungshof empfiehlt hierzu

  • ein ressortübergreifendes Konzept zur IuK-Ausfallvorsorge bei Großschadensereignissen,

 

  • sachgerechte Analysen zur Abschätzung von Risikofolgen mit einer Bewertung der Auswirkungen auf die Daseinsvorsorge für die Bevölkerung und die Sicherstellung der öffentlichen Ordnung, wenn wichtige Kommunikationssysteme ausfallen und Daten von unverzichtbaren IuK-Fachverfahren nicht mehr verfügbar sind,

 

  • für solche Fälle hinreichende Sicherungsmaßnahmen, deren Wirtschaftlichkeit auf einem Vergleich von Alternativen und Ausschreibungen beruht, sowie

 

  • wirklichkeitsnahe Übungen von IuK-Vorsorgemaßnahmen, auch zur Sicherstellung der ressortübergreifenden Zusammenarbeit der Krisenstäbe.

Die Landesregierung sollte sich für das Notfallmanagement auf ein Modell gemäß dem Standard des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik verständigen. Hierzu gehört eine Bestandsaufnahme aller möglicherweise kritischen IuK-Systeme und -Fachverfahren. Diese sind hinsichtlich ihrer Kritikalität (Bedeutung der Verfügbarkeit in Schadensfällen), des Risikos (Eintrittswahrscheinlichkeit des Ausfalls und möglicher Umfang der Schäden) und der Wirtschaftlichkeit zu bewerten. Für besonders kritische Verfahren empfiehlt der Rechnungshof eine spezielle Zertifizierung des oben genannten Bundesamtes. Hieraus wird sich eine Prioritätenliste ergeben, welche auch eine Rangfolge für den Einsatz der Haushaltmittel vorgibt.

5 Stellungnahmen der Ministerien

Die Feststellungen der Finanzkontrolle werden vom Innenministerium in einer mit den anderen Ministerien abgestimmten Stellungnahme nicht infrage gestellt.

Dem Innenministerium sei es ein Anliegen, die Ausfallvorsorge für Informations- und Kommunikationstechnik in dem Ausmaß zu ertüchtigen, das für eine Aufrechterhaltung ihrer Funktion in Krisenzeiten geboten ist. Das Ministerium nennt Projekte, die künftig vorangetrieben werden sollen, beispielsweise

  • die Risikoabschätzung wichtiger Fachverfahren,
  • den Aufbau einer krisensicheren Kommunikationsinfrastruktur,
  • den Ersatz des ungeeigneten Sonder-Informationsdienstes,
  • die Implementierung von Sicherheitsstandards des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik und
  • die ressortübergreifende Priorisierung der Fachverfahren.

Das Finanzministerium hat sich bereit erklärt, nach Ablauf des Vertrags über die bestehende Bunkeranlage im Jahre 2013 die Konzeption eines warmen Rechenzentrums, das im Krisenfall mit Landespersonal betrieben wird, zu prüfen, ggf. anzupassen und neu auszuschreiben.


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Durch die Einstellung von lebensälteren Personen als Beamte statt als Tarifbeschäftigte entstehen dem Land in der Regel vermeidbare Kosten. Allein die Einstellungen des Jahres 2007 führen zu Mehrkosten von 11,5 Mio. Euro. Bei der geplanten Dienstrechtsreform sollten die Systeme der Renten und der Beamtenversorgung getrennt werden.


1 Vorbemerkung

§ 48 der Landeshaushaltsordnung und die hierzu ergangenen Verwaltungsvorschriften des Finanzministeriums sehen vor, dass Personen grundsätzlich nur bis zu einem Lebensalter von 40 Jahren verbeamtet werden können. Älteren Bewerbern steht die Möglichkeit einer Tarifbeschäftigung offen. Nur unter engen Voraussetzungen kann von dieser Regel abgewichen werden. Diese von der Rechtsprechung akzeptierte Altersbegrenzung dient dazu, ein unangemessenes Verhältnis zwischen der aktiven Dienstzeit und der Versorgungsphase zu verhindern und damit die Funktionsfähigkeit des beamtenrechtlichen Versorgungssystems aufrecht zu erhalten. Die Versorgungsausgaben des Landes werden sich nach Berechnungen des Finanzministeriums bis zum Jahr 2020 auf rund 6 Mrd. Euro nahezu verdoppeln und dann einen Anteil von rund 15 % am Landeshaushalt ausmachen. Seit 2009 werden für jeden neu eingestellten Beamten 6.000 Euro je Jahr einem Versorgungsfonds zugeführt. Damit wird nicht einmal die Hälfte dessen abgedeckt, was für eine Pensionszahlung aus dem Fonds nötig wäre.

Zum 01.11.2006 wurde der Bundes-Angestelltentarifvertrag vom Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) abgelöst. Bei den Neueingestellten nach TV-L gibt es keine familienbezogenen Entgeltbestandteile mehr. Bei den Beamten gilt weiterhin der Verfassungsgrundsatz der familienbezogenen Alimentation.

Auch bei der Altersversorgung und in den Fällen von Erwerbsminderung und Dienstunfähigkeit gibt es wesentliche Unterschiede in den Leistungen bei Tarifbeschäftigten und Beamten.

Schließlich werden Beschäftigungszeiten innerhalb oder außerhalb des öffentlichen Dienstes, aus denen Rentenansprüche erworben wurden, häufig auch bei der ruhegehaltfähigen Dienstzeit als Beamter berücksichtigt. Eine Kappung der Versorgungsbezüge findet nur statt, wenn die Rentenzahlung zu einer Überschreitung der Höchstgrenzen der Versorgung führt. Das ist bei Späteinsteigern öfter nicht der Fall. In Einzelfällen kann ihre Verbeamtung das Land mehr als 200.000 Euro zusätzlich kosten.

All das ergibt: Je kürzer die Dienstzeit eines Beamten ist und je länger die Versorgungszeit, desto ungünstiger stellt sich für das Land der finanzielle Aufwand dar.

Soweit ersichtlich gibt es keine aktuellen Berechnungen dazu, wie sich Verbeamtungen über 40-jähriger Bewerber finanziell konkret auswirken können. Der Rechnungshof untersuchte dies anhand typischer Fälle, tatsächlicher Daten und statistischer Annahmen. Die Berechnungen dienen dem konkreten Nachweis und der Veranschaulichung. Sie geben der Landesregierung Hinweise dazu, welche finanziellen Folgen Spätverbeamtungen typischerweise haben können. Die Erkenntnisse sollen dazu führen, die finanzwirtschaftliche Seite von späten Verbeamtungen rechtskonform und angemessen zu berücksichtigen. Das betrifft die Grundentscheidung, bis zu welchem Alter Bewerbern überhaupt ein Beschäftigungsangebot im Beamtenverhältnis gemacht wird. Aber auch bei der Bewilligung einer Ausnahme im Einzelfall müssen finanzielle Aspekte angemessen berücksichtigt werden.

Der Rechnungshof hat auch geprüft, ob die gegenwärtig normierten Voraussetzungen für Ausnahmen vom oben genannten Grundsatz vorlagen, ob das vorgesehene Verfahren eingehalten wurde und die Entscheidungen abgewogen und dokumentiert waren. Geprüft wurde die Praxis der Verbeamtung nach Vollendung des 40. Lebensjahrs.

Lehrer stellten die mit Abstand größte Gruppe innerhalb der Spätverbeamteten dar. Die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit konzentrierte sich daher auf deren Neueinstellung.

2 Feststellungen

Im Jahr 2007 wurden 410 Personen in den baden-württembergischen Schuldienst eingestellt oder versetzt, die bereits das 40. Lebensjahr vollendet hatten. 324 davon waren Neueinstellungen.

Das Finanzministerium hat die Altersgrenze, ab der seine Einwilligung für eine Einstellung oder Versetzung von Beamten in den Landesdienst erforderlich ist, auf das vollendete 40. Lebensjahr festgelegt. Zur Verfahrenserleichterung wurde die Einwilligung jedoch im Vorhinein allgemein erteilt, wenn das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet wurde und bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Dabei handelt es sich überwiegend („… aus besonderen Gründen geboten …“) um unbestimmte Rechtsbegriffe. Die einstellenden Behörden müssen vor einer Ausnahmeentscheidung diese Voraussetzungen prüfen und bejahen.

Der Rechnungshof stellte fest, dass im Geschäftsbereich des Kultusministeriums Verbeamtungen grundsätzlich bis zum vollendeten 45. Lebensjahr erfolgten, ohne dass im Einzelfall geprüft wurde, ob und inwieweit „besondere Gründe“ vorlagen. Dieses Verfahren wird schon seit Beginn der Achtzigerjahre praktiziert. Folglich enthielten auch die dem Rechnungshof vorgelegten Personalakten keine entsprechende Dokumentation dazu, ob und gegebenenfalls welche besonderen Gründe im Sinne der Verwaltungsvorschriften für die Verbeamtung nach dem vollendeten 40. Lebensjahr vorlagen.

19 der oben genannten 324 Neueinstellungen des Jahres 2007 wurden sofort für eine Tätigkeit im Privatschuldienst beurlaubt. Von den verbliebenen 305 Personen entfielen 230 (75 %) auf die Besoldungsgruppe A 13 des höheren Dienstes, auf weibliche Beamte der Besoldungsgruppe A 13 des gehobenen Dienstes und männliche Beamte der Besoldungsgruppe A 10. Für diesen empirisch am häufigsten vorkommenden Bewerberkreis hat der Rechnungshof Vergleichsberechnungen angestellt. Zur Vereinfachung wurden geeignete repräsentative Modellbeispiele gebildet. Aus ihnen wird ersichtlich, dass die Verbeamtung von Personen zwischen dem 40. und dem 45. Lebensjahr in rund 70 % der Fälle teurer ist als ihre Tarifbeschäftigung.

Wären die genannten 230 Personen alle tarifbeschäftigt worden, hätte das Land allein bei diesen Spätverbeamtungen des Jahres 2007 - auf die Lebenszeit hochgerechnet - voraussichtlich Mehrkosten in Höhe von 11,5 Mio. Euro vermeiden können. Dieser Betrag stellt die Differenz der Barwerte der Ausgaben dar. Die Zahlungszeiträume sind bei Beamten ihre aktive Dienstzeit, ihre Versorgungszeit und die Versorgungszeit ihrer Hinterbliebenen. Bei Tarifbeschäftigten ist dies lediglich ihre aktive Dienstzeit, weil nur hier Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung bzw. Arbeitgeberanteile an der Umlage zur Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst anfallen.

3 Bewertung

Die bislang praktizierte generelle Verbeamtung von Lehrern bis zum 45. Lebensjahr ohne konkrete Einzelfallabwägung ist vorschriftswidrig. Das Land kann als Dienstherr bzw. Arbeitgeber sein Beschäftigungsangebot und die Einstellungskonditionen festlegen. Es kann das Angebot eines bestimmten Beschäftigungsstatus an Altersgrenzen koppeln. Es ist nicht gezwungen, alle Bewerber auch nach dem vollendeten 40. Lebensjahr zu verbeamten.

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit hält solche Altersgrenzen bislang stets für gerechtfertigt. Die Gerichte sehen weder einen Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz noch gegen §§ 1, 2 Abs. 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Die Berücksichtigung des Alters ist nämlich zur Erreichung eines legitimen Ziels im Sinne von § 10 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes erforderlich und damit gerechtfertigt. Als ein solches Ziel erkennt die Verwaltungsrechtsprechung das Interesse der Allgemeinheit an einem angemessenen bzw. ausgewogenen Verhältnis zwischen aktiver Dienstzeit und Versorgungsphase an. Denn dieses Verhältnis wirkt sich auf die Versorgungslasten des Dienstherrn aus.

Die regelmäßige Verbeamtung von Lehrern über das 40. Lebensjahr hinaus ohne konkrete Einzelfallabwägung ist für das Land finanziell erheblich nachteilig. Der Rechnungshof weiß, dass in Zeiten eines (vorübergehenden) Lehrermangels die Verbeamtung von lebensälteren Bewerbern einen Wettbewerbsfaktor darstellen kann. Im Einzelfall kann dann eine Spätverbeamtung gerechtfertigt sein, wenn ein dringender, anderweitig nicht abdeckbarer Lehrerbedarf gegeben ist. In den vergangenen Jahren wurde jedoch auch bei einem Überschuss an Lehramtskandidaten regelmäßig in großer Zahl spät verbeamtet.

Die Berücksichtigung von Vordienstzeiten bei der Beamtenversorgung ist nach der Rechtsprechung kein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 des Grundgesetzes. Der Gesetzgeber darf die für die Bemessung der Versorgungsbezüge maßgebenden Regelungen auch zum Nachteil der Beamten ändern, wenn dies unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gerechtfertigt scheint und eine amtsangemessene Versorgung gewahrt bleibt.

4 Empfehlungen

Zugangsvoraussetzungen zum öffentlichen Dienst sind grundsätzlich Eignung, Befähigung und fachliche Leistung eines Bewerbers (Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz). Das Land darf jedoch sein Angebot auf eine Einstellung ins Beamtenverhältnis auf ein bestimmtes Höchstalter begrenzen. Hat der am besten geeignete Bewerber dieses Höchstalter bereits überschritten, akzeptiert jedoch eine Tarifbeschäftigung nicht, so ist zunächst zu prüfen, ob andere geeignete Lebensjüngere zur Verfügung stehen. Sollte dies nicht der Fall sein, ist abzuwägen, ob die Übernahme des lebensälteren Bewerbers einen erheblichen Vorteil für das Land bedeutet oder seine Ablehnung zu einer erheblichen Schädigung der Landesinteressen führt. Dabei sind die Kostenfolgen, insbesondere die entstehenden Versorgungslasten, rechtskonform in den Abwägungsprozess einzubeziehen. Es darf beim Überschreiten der vorher festgelegten Altersgrenze nur aus besonderen Gründen im Einzelfall dennoch verbeamtet werden. Dies ist nachvollziehbar zu dokumentieren. Das Kultusministerium sollte dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis künftig beachten.

Der Rechnungshof empfiehlt, die Altersgrenze für Verbeamtungen gesetzlich zu regeln und Ausnahmen einfacher und klarer zu formulieren. Damit würde auch einem aktuellen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Rechnung getragen.

Der Rechnungshof regt außerdem an, bei den Regierungspräsidien mittelfristig Elemente eines Personalkostenbudgets - unter besonderer Berücksichtigung zu erwartender Versorgungskosten - einzuführen.

Schließlich hält der Rechnungshof an seiner Auffassung fest, die Trennung der Versorgungssysteme einzuführen. Dies könnte im Rahmen der bevorstehenden Dienstrechtsreform geschehen.

5 Stellungnahmen der Ministerien

Das Finanzministerium hat gegen die Feststellungen und Bewertungen des Rechnungshofs keine Einwände. Es weist lediglich ergänzend darauf hin, dass die Umsetzung wesentlicher Empfehlungen bereits geplant sei. So werde man nach dem Vorliegen der schriftlichen Begründung des zitierten Urteils ggf. notwendige gesetzgeberische Maßnahmen zur Regelung der Altersgrenze einleiten. Elemente des vom Rechnungshof vorgeschlagenen Personalkostenbudgets würden seit Anfang 2009 in ausgewählten Bereichen der Landesverwaltung pilothaft für drei Jahre erprobt. Nach erfolgter Evaluierung solle über die Übertragung auf die übrigen Bereiche der Landesverwaltung und ggf. die Einbeziehung der Versorgungsausgaben entschieden werden. Auch die Trennung der Versorgungssysteme solle im Rahmen der Dienstrechtsreform herbeigeführt werden.

Das Kultusministerium räumt ein, dass die erforderlichen Einzelfallabwägungen in seinem Geschäftsbereich zumindest nicht ausreichend dokumentiert worden seien. Aus dieser Tatsache könne jedoch nicht gefolgert werden, dass die Voraussetzungen der „besonderen Gründe“ jeweils nicht vorlagen. Eine Berechnung der voraussichtlichen Kosten von Spätverbeamtungen sei wegen der vielen Unwägbarkeiten allenfalls stark typisierend denkbar. Gleichwohl anerkennt das Kultusministerium die Notwendigkeit, die bisherigen Verwaltungsabläufe und Entscheidungsprozesse für die Einstellung lebensälterer Lehrer zu optimieren.

Aus Sicht des Kultusministeriums ist es aber notwendig, in der aktuellen Konkurrenzsituation bereits vorab Bereiche zu bestimmen, in denen eine Einstellung auch nach Vollendung des 40. Lebensjahres, möglicherweise auch über das 45. Lebensjahr hinaus, möglich sei. Sonst würden sich - insbesondere beim Lehramt an beruflichen Schulen, wo derzeit ein starker Mangel bestehe - Lehrkräfte gar nicht erst für den Staatsdienst in Baden-Württemberg bewerben, weil eine Vergütung als Tarifbeschäftigter finanziell zu unattraktiv sei.

6 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof verkennt nicht das Bedürfnis, Pflichtunterricht auch an beruflichen Schulen ausreichend abzudecken. Dies kann im Einzelfall dazu führen, mangels Alternativen einen geeigneten Bewerber nach Vollendung des 40. Lebensjahres zu verbeamten. Diese Altersgrenze allgemein auf das 45. Lebensjahr zu erhöhen, wie vom Kultusministerium derzeit praktiziert und verteidigt, erscheint indes weder mit dem geltenden Recht vereinbar noch sachgerecht. Im Übrigen steigert eine solche Praxis die bestehende Überalterung der beamteten Lehrerschaft noch weiter.

In einigen anderen Ländern werden Lehramtsbewerber entweder überhaupt nicht (z. B. in Berlin, Sachsen oder Thüringen) oder nur bis zum 35. Lebensjahr (Nordrhein-Westfalen) verbeamtet. Im Übrigen fanden in Baden-Württemberg 2007 mehr als die Hälfte aller Spätverbeamtungen nach vollendetem 40. Lebensjahr bei Lehrkräften an allgemeinbildenden Schulen statt und damit in einem Bereich, in dem nahezu kein Bewerbermangel bestand.

Ein anderer Weg, den das Kultusministerium beim Direkteinstieg in das wissenschaftliche Lehramt an beruflichen Schulen zum Schuljahr 2009/2010 beschreiten will, erscheint für das Land wesentlich vorteilhafter: In den Mangelbereichen Metall- und Elektrotechnik erhalten Personen, bei denen eine Übernahme in das Beamtenverhältnis z. B. wegen fehlender persönlicher Voraussetzungen (Gesundheit, Alter) nicht möglich ist, eine (abzuschmelzende) Zulage von bis zu 800 Euro monatlich. Dieses zeitlich befristbare Instrument erscheint geeignet, um auf eine temporäre Mangelsituation angemessen zu reagieren, ohne das Problem der dramatisch ansteigenden Pensionslasten zu verschärfen. Auch Vereinbarungen zur vorübergehenden Lehrergewinnung, wie sie das Kultusministerium von Baden-Württemberg kürzlich mit den Ländern Thüringen und Sachsen geschlossen hat, wo ein Absolventenüberhang besteht, gehen in die richtige Richtung und helfen beiden Seiten.


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Einzelplan 03: Innenministerium

Im öffentlichen Personennahverkehr sind unterschiedliche Tarifbestimmungen und fehlende Tarifangebote über Verbundgrenzen hinweg nicht kundenfreundlich. 2009 laufen Förderverträge aus. Das Land sollte die Gelegenheit nutzen, mit den Verkehrsverbünden neue Ziele zu vereinbaren und Tarifbestimmungen zu vereinheitlichen. Das könnte die Grundlage für einen späteren Landesverbundtarif sein.


1 Verbundförderung in Baden-Württemberg

Mit der Förderung von Verkehrsverbünden verfolgt die Landespolitik das Ziel, eine ausreichende Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr sicherzustellen . Dabei geht es besonders um einheitliche und nutzerfreundliche Tarife sowie um abgestimmte Leistungsangebote. Heute gibt es flächendeckend in allen Landesteilen Verkehrsverbünde, an deren Defizite sich das Land mit jährlich 50 Mio. Euro beteiligt.

Die Verbundförderung war als Anschubfinanzierung angelegt. Sie sollte Harmonisierungs- und Durchtarifierungsverluste ausgleichen. Harmonisierungsverluste entstehen, weil niedrigere Verbundtarife die Fahrpreise für Regionalverkehre ersetzen. Mit dem Verbundtarif können Fahrgäste in den gewählten Zonen kostenfrei umsteigen. In der Folge ergeben sich Durchtarifierungsverluste.

Die Harmonisierungsverluste gingen im Laufe der Jahre zurück, weil in den Bussen und Bahnen mehr Fahrgäste befördert wurden. Da diese häufiger umstiegen, sanken die Durchtarifierungsverluste aber nicht. Die regelmäßigen Tarifanpassungen reichten nicht aus, die Verbunddefizite zu senken. Ferner belasteten steigende Treibstoff- und Personalkosten die Verbünde.

2005 gestaltete das damalige Umwelt- und Verkehrsministerium die Förderung deshalb um. Die Zuschüsse werden nicht mehr als jährlich gleich bleibende Fördersumme, sondern hälftig als Basisförderung und Leistungsförderung gewährt. Die Basisförderung ist innerhalb von fünf Jahren stufenweise um 20 % zu kürzen. Verbünde, die mit Nachbarverbünden kooperieren, können diese Kürzung halbieren. Der leistungsabhängige Teil hängt u. a. von den verkauften Fahrausweisen und den Tarifeinnahmen ab. Dabei sollen Verbünde besser gestellt werden, die neue Fahrgäste gewinnen und ihre Tarifeinnahmen steigern. Die neuen Förderverträge haben eine Laufzeit von fünf Jahren.

Die Finanzkontrolle hat geprüft, wie das Fördergeld zielgerichteter eingesetzt werden kann.

2 Schwachstellen der Verbundförderung

2.1 Förderinstrumente wirken sich zu wenig aus

Das Erfordernis, Kooperationen einzugehen, konnten die Verbünde durch minimale Regelungen mit einem Nachbarverbund erreichen. Konkrete Vorteile für Fahrgäste sind aber fast nicht vorhanden. So sind Fahrkartenautomaten benachbarter Verbünde meist nur in den Haltestellen aufgestellt, die an den Nachbarverbund grenzen. An den übrigen Haltestellen sind Fahrkarten für den

benachbarten Verbund nicht erhältlich. Fahrgäste, die an diesen Haltestellen zusteigen, um ein Fahrtziel im benachbarten Verbund zu erreichen, sind gezwungen, an der Verbundgrenze auszusteigen, um eine weitere Fahrkarte zu kaufen. Das Ziel einheitlicher und nutzerfreundlicher Tarife wird damit deutlich verfehlt. Überdies konnte die Förderung nicht wie geplant, um weitere 5 Mio. Euro abgesenkt werden.

Auch die neu eingeführte Leistungskomponente bewirkte keine nennenswerte Umverteilung der Fördermittel. Trotz eines Millionenbetrags für die Leistungskomponente veränderte sich die Förderung nur bei zwei Verbünden: Einmal stieg sie um 30.000 Euro, einmal sank sie um 11.000 Euro.

2.2 Tarifregelungen sind uneinheitlich

In den Verbünden bestehen ganz unterschiedliche Tarifregelungen: Kinderaltersgrenze, Mitnahme von Hunden, Tages- und 24 Stundenkarten, Entwertung von Fahrscheinen und Fahrradmitnahme. Bei der Fahrradmitnahme reicht die Bandbreite von kostenloser Mitnahme, unterschiedlichen zeitlichen Einschränkungen bis hin zu einer Fahrradkarte für 4,50 Euro. So ist beispielsweise in einem Tarifverbund die Fahrradmitnahme kostenlos, im Nachbarverbund ist hingegen ein Beförderungsentgelt zu entrichten. Damit die Fahrgäste während ihrer Reise von A nach B nicht zu Schwarzfahrern werden, bieten die Fahrkartenautomaten in A Fahrradfahrkarten des Verbundes B an.

Ein solcher Tarifwirrwarr ist nicht kundenorientiert. In einem Land wie Baden-Württemberg, das touristenfreundlich sein will, ist dies erst recht nachteilig.

2.3 Verbundübergreifende Tarife für kürzere Fahrten fehlen

In Baden-Württemberg gibt es nur wenige landesweit gültige Verbund-Tarifangebote. Dies sind die Baden-Württemberg-Tickets, das Schülerferienticket und das Aboplus Baden-Württemberg. Alle sind auf große Distanzen ausgelegt.

Das Angebot ist nicht ausreichend. Es besteht eine Tariflücke bei kleinräumigen verbundübergreifenden Einzelfahrscheinen, Zeitkarten und Sonderangeboten, die zwischen 5 bis 15 % der Fahrgäste betreffen. So kann z. B. der Fahrgast mit einem Fahrschein des Heimatverbunds in das Oberzentrum des Nachbarverbundes das dortige Schienennahverkehrsangebot nutzen. Beim Umstieg auf den dortigen Stadtbus muss er jedoch eine weitere Fahrkarte lösen.

Der Fahrgast sollte in Baden-Württemberg verbundübergreifend jeden Ort mit einer Fahrkarte erreichen können.

3 Empfehlungen

3.1 Einheitliche Tarifbestimmungen bis hin zu einem Landesverbundtarif

Um zu landesweiten Lösungen zu kommen, sind in einem ersten Schritt die unterschiedlichen Tarifbestimmungen anzupassen. Das Land könnte als großer Mitfinanzier die Fördergelder daran knüpfen, die Tarife und Tarifbestimmungen zu vereinheitlichen. Die Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg mbH sollte gemeinsam mit den regionalen Verbünden solche Standards entwickeln. Sie verfügt über entsprechendes Fachwissen, um zeitnah entsprechende Vorschläge auszuarbeiten. Die Verbünde sollten dann vertraglich verpflichtet werden, diese umzusetzen.

Wenn eine einheitliche Architektur der Tariflandschaft aufgebaut ist, kann neben den regionalen auch ein Landesverbundtarif Baden-Württemberg eingeführt werden. Dieser würde nur für Fahrten über Verbundgrenzen hinweg gelten. Mit ihm können die bestehenden Tariflücken geschlossen werden. Jeder Fahrgast könnte dann im öffentlichen Personennahverkehr landesweit mit nur einem Fahrschein jedes beliebige Ziel erreichen. Besonders Fahrgäste, die auf vergleichsweise kurzen Strecken verbundübergreifend unterwegs sind, würden hiervon profitieren.

3.2 Verbundförderverträge

Die Jahresfördersumme für die neuen Verbundverträge sollte - wie ursprünglich vom Innenministerium beabsichtigt - um 5 Mio. Euro verringert werden. Der Rechnungshof empfiehlt nicht, den Betrag darüber hinaus abzusenken.

Weiter regt der Rechnungshof an, folgende Punkte zu berücksichtigen:

  • In den neuen Förderverträgen ist festzuschreiben, dass die Tarife der Verbünde zu standardisieren sind und mittelfristig zusätzlich ein Landesverbundtarif eingeführt wird.

 

  • Verbundförderverträge haben mangels einheitlicher Starttermine der regionalen Verbünde unterschiedliche Laufzeiten. Das Land sollte darauf achten, dass künftig alle Verträge zu einem Zeitpunkt enden. Dies würde die Position des Landes stärken, seine Förderziele umzusetzen.

 

  • Die Verkehrsverbünde im ländlichen Raum sollten stärker gefördert werden. Sie werden durch demografische Veränderungen und abnehmende Schülerzahlen besonders gefordert sein. Das Ministerium sollte deshalb überdenken, wie die Fördergelder zielgerichteter auf Verbünde im ländlichen Raum und auf Ballungsräume zu verteilen sind.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Innenministerium führt aus, dass bei verbundübergreifenden Verkehren grundsätzlich die Haustarife der Verkehrsunternehmen gelten sollten. Diese Verkehre umfassten lediglich zwischen 5 und 15 % des gesamten Fahrgastaufkommens im öffentlichen Personennahverkehr. Alle Verantwortlichen würden vielerlei Anstrengungen unternehmen, um auch diese Verkehre attraktiver zu gestalten. Es sehe keine Notwendigkeit, weitere Tarife zu schaffen. Vielmehr sollten Verbesserungen im Vertrieb erzielt und Vertriebskanäle, wie das Internet oder das Handy, für den verbundübergreifenden Verkehr nutzbar gemacht werden. So beabsichtige das Land, die Verbreitung elektronischer Fahrscheine zu unterstützen. Das Ministerium werde deshalb auf die personalintensive Einführung eines Landestarifs verzichten.

Geprüft werde hingegen die Anpassung der Vertragslaufzeiten der Förderverträge. Die Vereinheitlichung der Tarifbestimmungen werde angestrebt. Dies sei schwierig, wie ein gescheiterter Versuch gezeigt habe, die Kinderaltersgrenze landesweit auf einheitlich 14 Jahre festzusetzen. Verbünde hätten Fahrgeldausfälle von jährlich bis zu 300.000 Euro errechnet.

5 Schlussbemerkung

In Baden-Württemberg gibt es wesentlich mehr Verkehrsverbünde als in anderen Flächenländern. Kleinräumige Verbundstrukturen haben die Kunden vor Ort besser im Blick. Nachteile für den Fahrgast ergeben sich bei verbundübergreifenden Reisen durch einen kaum durchschaubaren Tarifwirrwarr.

Das Land ist gefordert, durch die Verbundförderverträge dem entgegenzuwirken. Es sollte Verbünde nur dann fördern, wenn seine Vorgaben zu den Tarifbestimmungen erfüllt werden. Gelingt dies, kann für die Fahrgäste die Qualität gesteigert werden. Es wäre dann auch möglich, einen Landesverbundtarif einzuführen. Ab Ende 2009 könnte mit der stufenweisen Umsetzung begonnen werden, da dann die ersten Verbundförderverträge der zweiten Generation auslaufen. Das Ziel eines Landesverbundtarifs könnte beispielsweise mit den Geldern verfolgt werden, die bei der Verbundförderung gekürzt werden.


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Die Umsetzung und Finanzierung des Generalverkehrsplans bleibt beim Bau von Landesstraßen weit hinter den Planungen zurück. Von den 1.300 Maßnahmen des vordringlichen Bedarfs sind erst 37 % realisiert. Am Ende der Laufzeit des aktuellen Generalverkehrsplans im Jahre 2012 werden mehr als 600 Baumaßnahmen nicht verwirklicht sein. Der neue Generalverkehrsplan sollte weniger, dafür aber realisierbare Projekte enthalten.


1 Landestraßenbau

1.1 Generalverkehrsplan

Vorgesehene Maßnahmen zum Aus- und Neubau des Landesstraßennetzes werden im Generalverkehrsplan dargestellt. Der derzeit geltende Generalverkehrsplan wurde von der Landesregierung am 17.07.1995 beschlossen. Er enthält die Grundlinien der Verkehrspolitik des Landes bis 2012. Die geplanten Aus- und Neubauvorhaben wurden in die Kategorien „vordringlicher“ Bedarf und „weiterer“ Bedarf unterteilt. Der vordringliche Bedarf umfasst den Überhang der bereits im vorangegangenen Generalverkehrsplan 1986 enthaltenen Maßnahmen mit einem Kostenvolumen von 1,1 Mrd. Euro. Hinzu kommen neue Maßnahmen von höchster Dringlichkeit mit einem Volumen von 1,3 Mrd. Euro. Zum weiteren Bedarf zählen Projekte mit niedriger Dringlichkeitsstufe, die erst nach dem Jahr 2012 verwirklicht werden sollen; das Gesamtvolumen dieser Maßnahmen beläuft sich auf 0,45 Mrd. Euro.

1.2 Bearbeitungsstand

Der aktuelle Generalverkehrsplan enthält 1.443 Baumaßnahmen. Davon sind 1.301 Maßnahmen in den vordringlichen Bedarf (90 %) und 142 Maßnahmen in den weiteren Bedarf eingestuft. Tabelle 1 zeigt den Bearbeitungsstand der Maßnahmen des vordringlichen Bedarfs Ende 2008.

2009-B07-Tab1.jpg

Von den 1.301 Maßnahmen des vordringlichen Bedarfs wurden von 1995 bis Ende 2008 nur 479 Maßnahmen (37 %) komplett fertiggestellt. Weitere 505 dieser Maßnahmen (39 %) sind noch ohne Planung bzw. sind inzwischen aus unterschiedlichen Gründen entfallen.

Die Bearbeitungsstände in den Regierungsbezirken weisen große Unterschiede auf. Während im Regierungsbezirk Stuttgart die Fertigstellungsquote bei nur 31 % liegt, hat der Regierungsbezirk Karlsruhe 42 % der Maßnahmen bereits realisiert. Bei den Maßnahmen in Bearbeitung liegen die Quoten zwischen 30 % in Karlsruhe und 20 % in Tübingen. Während also im Regierungsbezirk Karlsruhe 72 % der Maßnahmen fertiggestellt bzw. in Bearbeitung sind, liegt dieser Wert in den Regierungsbezirken Stuttgart und Tübingen bei 55 % bzw. 60 %.

Von den 142 Projekten des weiteren Bedarfs sind 109 noch ohne Planung. 19 Projekte des weiteren Bedarfs wurden fertiggestellt oder sind in Bau. Gleichzeitig wurden 19 Maßnahmen aus dem vordringlichen Bedarf, für die baureife Planungen vorliegen, aufgrund fehlender Mittel bisher nicht begonnen.

1.3 Finanzierung des Generalverkehrsplans

Bei der Verabschiedung des Generalverkehrsplans 1995 strebte das Land an, jährlich 60 Mio. Euro zur Erhaltung und 125 Mio. Euro (siehe Generalverkehrsplan Baden-Württemberg 1995, Seite 66) zum Um-, Aus- und Neubau des Landesstraßennetzes zur Verfügung zu stellen, also durchschnittlich insgesamt 185 Mio. Euro je Jahr.

Tatsächlich wurde 2004 bis 2008 nur etwas mehr als die Hälfte der geplanten Mittel für den Landesstraßenbau vom Land bereitgestellt, siehe Tabelle 2.

2009-B07-Tab2.jpg

Tabelle 2 zeigt die Realität des Landesstraßenbaus: Statt der nach

dem Generalverkehrsplan angestrebten 185 Mio. Euro stellte das Land in den letzten fünf Jahren im Durchschnitt nur 107 Mio. Euro je Jahr, also 58 % der im Generalverkehrsplan vorgesehenen Mittel zur Verfügung. Für den Um-, Aus- und Neubau von Straßen wurden nur etwas mehr als 40 % dieser Mittel tatsächlich bereitgestellt. Von 1995 bis 2003 lagen die Ausgaben für den Straßenbau im Durchschnitt sogar deutlich unter 50 %. Das Land erreichte nach Verabschiedung des Generalverkehrsplans zu keinem Zeitpunkt auch nur annähernd die eigenen Zielvorgaben. Daran ändert auch die folgende Maßnahme wenig: Um dringend anstehende Großprojekte mit Einzelprojektkosten von mehr als 10 Mio. Euro aus dem Generalverkehrsplan schneller verwirklichen zu können, erhielt der Landesstraßenbau 2008 aus dem Impulsprogramm Baden-Württemberg 60 Mio. Euro. Damit sollen vier Maßnahmen mit einem Kostenvolumen von 99 Mio. Euro begonnen werden. Die Mittel sind im Staatshaushaltsplan in Kapitel 1240 veranschlagt.

1.4 Bewertung

Der aktuelle Generalverkehrsplan gilt seit 14 Jahren. In dieser Zeit wurden 479 Maßnahmen des vordringlichen Bedarfs komplett fertiggestellt, das sind rund 34 Maßnahmen je Jahr. Im Generalverkehrsplan sind allerdings noch weitere 771 Maßnahmen des vordringlichen Bedarfs (ohne entfallene Maßnahmen) enthalten, für deren Realisierung weitere 23 Jahre benötigt würden.

Am Ende der Laufzeit des Generalverkehrsplans im Jahr 2012 werden noch mehr als 600 Maßnahmen nicht verwirklicht sein. Daran wird sich auch durch das Infrastrukturprogramm des Landes, das der Ministerrat am 16.03.2009 beschlossen hat, wenig ändern. Nach der bisherigen Praxis müssten „aus Gründen des Vertrauensschutzes gegenüber den Beschlüssen der Landesregierung und der Planungskontinuität“ alle diese Projekte ohne genauere Prüfung als „Altlast“ in den vordringlichen Bedarf des neuen Generalverkehrsplans übernommen werden. Dieser neue Plan, der bis 2025 gelten soll, würde weitgehend aus „Altlasten“ bestehen. Neue Maßnahmen könnten nicht aufgenommen werden. Eine nicht am Bedarf und an der aktuellen Dringlichkeit orientierte Planung ist keine sinnvolle Entscheidungsgrundlage.

Eine Rangfolge der Maßnahmen nach objektiven Kriterien konnte der Rechnungshof nicht feststellen. Die Reihenfolge, in welcher die Maßnahmen realisiert werden, erscheint eher willkürlich.

In der Denkschrift 2003, Beitrag Nr. 9 - Priorisierung von Straßenbauprojekten; Planungskosten, hatte der Rechnungshof für den Bundesstraßenbau die Vorteile eines objektiven und einheitlichen Bewertungsverfahrens aufgezeigt. Diese waren:

  • Planungssicherheit,
  • besserer Nutzen für die Allgemeinheit und
  • keine sachfremden Einflussnahmen.

Auf die damalige Empfehlung des Rechnungshofs hat das Land inzwischen für die Bundesstraßen eine Priorisierungsliste anhand von Nutzwertanalysen erstellt und veröffentlicht. Die Priorisierung auf Grundlage festgelegter Kriterien wird vom Bund akzeptiert und als Chance genutzt. Es ist nicht nachvollziehbar, dass das Land im eigenen Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich dieses Instrument nicht nutzt, es aber für Bundesstraßen positiv beurteilt und dessen Anwendung forciert.

1.5 Empfehlungen

Der neue, bis 2025 gültige Generalverkehrsplan darf nicht nach den „Strickmustern“ der letzten Jahrzehnte fortgeschrieben werden. Er muss weniger, dafür aber realisierbare Projekte enthalten. Bei der Fortschreibung des Generalverkehrsplans sind daher folgende Punkte zu beachten:

  • In den vordringlichen Bedarf dürfen nur die Maßnahmen aufgenommen werden, die im Hinblick auf den Planungszeitraum und auf die voraussichtlich zur Verfügung stehenden Mittel tatsächlich durchgeführt werden können. Zusätzlich kann eine angemessene Anzahl von Maßnahmen in den weiteren Bedarf aufgenommen werden. Diese können als „Nachrückmaßnahmen“ zum Zuge kommen, wenn vordringliche Projekte ausfallen oder zusätzliche Mittel bereitgestellt werden.

 

  • Die für Landesstraßen geplanten Maßnahmen sollten ähnlich wie die Planungen für Bundesstraßen nach den Grundsätzen einer Nutzwertanalyse priorisiert werden. Die Kriterien sowie deren Gewichtung sollten jedoch den landespolitischen Erfordernissen und Zielsetzungen angepasst werden. Dies gilt auch für die „Altlasten“ des aktuellen Generalverkehrsplans. Eine automatische Übernahme aller „Altprojekte“ darf nicht erfolgen.

2 Kennzahlen zur Steuerung von Bundes- und Landesstraßenprojekten

Seit der Einführung des SAP-Moduls Projektsystem in der Straßenbauverwaltung ist eine projektscharfe Ermittlung der Kosten möglich. Hieraus können Kennzahlen für die Planung und Ausführung von Straßenbaumaßnahmen gebildet und ein Kennzahlensystem aufgebaut werden. Diese Kennzahlen sollen der Planung und Steuerung der Ressourcen innerhalb der Regierungsbezirke und dem Benchmarking zwischen den Regierungsbezirken dienen.

Für das Benchmarking zwischen den Regierungspräsidien wurden 2007 die folgenden fünf Kennzahlen in einem definierten Kennzahlensteckbrief festgelegt:

  • Verhältnis der Ingenieurleistungen zu den Investitionen,
  • Privatisierungsgrad von Ingenieurleistungen,
  • Betreuungsaufwand für Leistungen externer Ingenieurbüros,
  • Umsatz je Mitarbeiter und
  • projektbegleitender Aufwand bei Straßenbauprojekten.

2.1 Feststellungen

Die in den Projekten enthaltenen Personalkosten wurden aus den Arbeitszeitbuchungen der Bediensteten der Straßenbauverwaltung in SAP erzeugt. Die Aussagekraft der hieraus abgeleiteten Kennzahlen setzt voraus, dass die Buchungen korrekt erfolgten. Diese Voraussetzung wurde in den zurückliegenden Jahren nicht erfüllt. Die Arbeitszeitbuchungen waren zum Teil unvollständig. Die Buchungsqualität hat sich 2008 verbessert.

Anmerkungen zu den Kennzahlen im Einzelnen:

Das Verhältnis der Ingenieurleistungen zu den Investitionen stellt den Anteil der Planungs- und Bauüberwachungskosten an den Gesamtprojektkosten dar. Dieser Anteil lag 2007 bei durchschnittlich 9 %. Auffällig ist die hohe Spannbreite von 7 % im Regierungsbezirk Karlsruhe bis 11 % im Regierungsbezirk Tübingen. Hätten im Sinne des Best Practice alle Regierungspräsidien den Kostenanteil des Regierungspräsidiums Karlsruhe erreicht, hätten bei den Planungs- und Bauüberwachungskosten rund 10 Mio. Euro eingespart werden können.

60 % aller Ingenieurleistungen werden vom Land eingekauft. Dieser hohe Privatisierungsgrad ist politisch gewollt und Folge des Personalabbaus. Gleichwohl ist der Privatisierungsgrad in den Regierungsbezirken unterschiedlich hoch. Er liegt zwischen 54 % in Karlsruhe und 69 % in Freiburg.

2007 entstand für die Betreuung der Leistungen externer Ingenieurbüros ein Aufwand von 3,1 Mio. Euro. Dies entspricht 35 Vollzeitäquivalenten. Dieser Betreuungsaufwand muss kritisch überprüft und möglichst reduziert werden. Er ist künftig verstärkt zu berücksichtigen, wenn zwischen Eigenerledigung und Fremdvergabe zu entscheiden ist.

Berechnet wird auch der durchschnittliche Umsatz (Investitionen für Bundes- und Landesstraßen) je Mitarbeiter der Baureferate Aus- und Neubau. Dieser Betrag liegt im Durchschnitt der Jahre 2005 bis 2007 je Mitarbeiter bei 960.000 Euro im Jahr bzw. bei 80.000 Euro im Monat. Die Werte differieren auch hier stark zwischen den einzelnen Regierungspräsidien: Der Wert für

Karlsruhe liegt um 33 % höher als für Tübingen. Insgesamt erscheint dem Rechnungshof ein zu betreuendes Umsatzvolumen je Mitarbeiter von 80.000 Euro im Monat sehr niedrig.

Der Rechnungshof empfiehlt, Vergleichszahlen anderer Bundesländer, großer Kommunen und Privatfirmen in die Bewertung und damit auch in die künftige Personalbemessung einzubeziehen. Ein deutlich höheres Umsatzvolumen je Mitarbeiter ist anzustreben.

In die Kennzahl zum projektbegleitenden Aufwand fließen alle internen Personalaufwendungen ein. Dazu zählen Bauherrenleistungen, Betreuung der Ingenieurbüros, Abstimmung mit Dritten, interne und externe Berichtspflichten, Grunderwerb, Vorbereitung von Spatenstich und Einweihungen. 2005 bis 2007 wurden dafür im Durchschnitt landesweit 11,2 Mio. Euro je Jahr aufgewandt. Allein 2007 entfielen auf den projektbezogenen Verwaltungsaufwand 12,6 Mio. Euro, also 21 % des Gesamtaufwands für alle Projekte. Da es sich überwiegend um Personalkosten handelt, ist rund ein Fünftel aller Arbeitskapazitäten für Aufgaben eingesetzt, die mit der Planung und Baudurchführung nichts zu tun haben. Dieser Aufwand muss im Detail analysiert und soweit möglich gesenkt werden.

2.2 Empfehlungen für die Nutzung der Kennzahlen

Die automatisierte Ermittlung von einheitlichen Kennzahlen für ein Benchmarking zwischen den Regierungspräsidien ist zielführend. Die ermittelten Benchmarking-Kennzahlen sollten in den produktorientierten Haushalt einfließen und dort abgebildet werden.

Die Daten müssen zuverlässig sein. Ansonsten ist ein sinnvoller und aussagefähiger Vergleich nicht möglich.

Folgende Punkte sind zu beachten:

  • Alle Buchungen (Haushalts- und Arbeitszeitbuchungen) müssen nach den vom Innenministerium erstellten Kontierungsrichtlinien erfolgen. Diese sind regelmäßig auf ihre Aktualität zu prüfen und müssen bei Bedarf angepasst werden.

 

  • Durch eine einheitliche und regelmäßige Qualitätskontrolle muss sichergestellt werden, dass die Buchungen entsprechend den Richtlinien erfolgen. Eine Fehlerkorrektur muss zeitnah stattfinden.

 

  • Es muss gewährleistet sein, dass die Arbeitszeitbuchungen vollständig und plausibel sind.

 

  • Die Kennzahlen werden ohne Umlagen berechnet. Bei sichergestellter Datenqualität ist dies für einen internen Vergleich zwischen den Regierungspräsidien ausreichend. Sobald eine Kennzahl zum Vergleich mit externen Kosten-Kennzahlen herangezogen wird, müssen Umlagekosten und Unterbringungskosten der Dienststelle berücksichtigt werden.

 

  • Die Kennzahlen müssen anders als bisher von den Führungskräften systematisch nachgefragt werden und als Steuerungsinformation bei Entscheidungen einfließen. Dies muss auf ministerieller Ebene beginnen und sich bis in die Straßenbauabteilung der Regierungspräsidien, beispielsweise in Form einer Zielvereinbarung, fortsetzen.

3 Erstattungen durch den Bund

Planung und Bau der Bundesfernstraßen binden erhebliche Personalkapazitäten der Bauverwaltung des Landes. Die Ausgaben für die Entwurfsbearbeitung und Bauaufsicht an Bundesfernstraßen werden vom Bund durch eine Pauschale abgegolten. Diese liegt seit 1972 unverändert bei 3 % der Baukosten.

Tabelle 3 gibt einen Überblick, wie hoch der vom Bund erstattete Anteil an den tatsächlichen Planungs- und Bauüberwachungskosten war.

2009-B07-Tab3.jpg

Insgesamt hat der Bund lediglich 35 % der dem Land tatsächlich entstandenen Kosten zurückerstattet. In den letzten Jahren mussten jährlich 26 Mio. Euro vom Land selbst getragen werden. Die pauschale Erstattungsquote des Bundes ist nur zulasten von Investitionsmitteln zu verändern. Daher muss die Straßenbauverwaltung selbst alles tun, um die Planungs- und Bauüberwachungskosten möglichst gering zu halten. Auf Vorratsplanungen bei Bundesstraßen muss verzichtet und der Priorisierung der Maßnahmen hohe Bedeutung beigemessen werden.

4 Anlagebuchhaltung für das unbewegliche Anlagevermögen

4.1 Umsetzung in der Straßenbauverwaltung

Die Anlagenbuchhaltung für das unbewegliche Anlagevermögen wurde in der Straßenbauverwaltung bisher noch nicht eingeführt. Sie wurde wegen Problemen bei der Bewertung und bei der Programmtechnik zurückgestellt.

Bisher wurden noch keine im SAP-Projektsystem gebuchten Kosten, wie in der Kosten- und Leistungsrechnung üblich, auf Fachprodukte bzw. Anlagen abgerechnet. Eine nachträgliche Abrechnung bereits geschlossener Geschäftsjahre ist in SAP in der Regel nur mit hohem Aufwand möglich.

4.2 Empfehlung

Die am 01.01.2009 in Kraft getretene überarbeitete Verwaltungsvorschrift „Anlagenbuchhaltung“ fordert die Einführung der Anlagenbuchhaltung für unbewegliches Anlagevermögen bis 2015.

Um den Aufwand nicht weiter zu erhöhen und um in absehbarer Zeit einen Anlagenspiegel über das unbewegliche Anlagenvermögen der Straßenbauverwaltung automatisiert erstellen zu können, ist ein entsprechendes Konzept zu erarbeiten und zeitnah umzusetzen.

5 Stellungnahme des Ministeriums

Das Innenministerium widerspricht der Auffassung des Rechnungshofs, wonach sich die hohe Anzahl der Projekte im Generalverkehrsplan nicht am Bedarf und an der Dringlichkeit orientiert habe. Die Maßnahmen seien nach einem einheitlichen Bewertungsverfahren und nach objektiven Kriterien ausgewählt worden. Die Anzahl der Projekte habe der technischen Notwendigkeit entsprochen. Außerdem treffe der Vorwurf, die Rangfolge für die Realisierung der Maßnahmen sei willkürlich und stark von momentanen politischen Einflüssen abhängig, schon deshalb nicht zu, weil jeder Maßnahme ein langjähriger Planungsprozess voranginge.

Die hohe Diskrepanz zwischen angestrebten und tatsächlich erbrachten Mitteln sei auf die allgemeine Finanzknappheit der öffentlichen Hand in den letzten Jahren zurückzuführen.

6 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof bleibt bei seiner Empfehlung, die Anzahl der Projekte des vordringlichen Bedarfs im neuen Generalverkehrsplan auf ein realistisches Maß zu begrenzen. Hierbei sind vor allem die voraussichtlich zur Verfügung stehenden Mittel zu beachten.

Die Analyse des aktuellen Generalverkehrsplans hat gezeigt, dass die bisherige Vorgehensweise weit an der Realität vorbeigeht.


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Die Straßenbauverwaltung hat die Forderungen des Landtags zum Rad- und Gehwegbau nur unzureichend umgesetzt. Der Rechnungshof empfiehlt, dass das Innenministerium den Regierungspräsidien verpflichtende Vorgaben macht und deren Einhaltung überprüft.


1 Ausgangspunkt

Der Rechnungshof hatte in der Denkschrift 2003, Beitrag Nr. 25 (Rad- und Gehwegbau im Zuge der Sonderprogramme Landesstraßenbau) den Rad- und Gehwegbau an Landesstraßen untersucht. Auf dieser Grundlage beschloss der Landtag am 17.12.2003, dass bei solchen Bauvorhaben

  • eine Prioritätenliste auf Basis von Kriterien wie Verkehrsstärke oder Unfallhäufigkeit zu erstellen und

 

  • ein Richtwert für Bauausgaben je m² heranzuziehen ist sowie

 

  • nur in begründeten Einzelfällen von den bundesweit gültigen Richtlinien für Mindestmaße - Wegebreite, Oberbau - abgewichen werden soll.

Die Landesregierung teilte im Dezember 2004 mit, dass die Regierungspräsidien gebeten wurden, entsprechend zu verfahren, Drucksache 13/3875. Als Richtwert der Bauausgaben für Ober- und Erdbau (ohne Kunstbauten) wurden 40 Euro je m² (Preisstand 2004) bzw. 50 Euro (Preisstand 2007) angesetzt.

Die Finanzkontrolle hat bei sieben für die Jahre 2008/2009 geplanten Radwegaus- und -neubauten geprüft, ob die Forderungen des Landtags umgesetzt werden. Die Vorhaben waren mit 6,25 Mio. Euro veranschlagt.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Bauvorhaben werden nicht priorisiert

Rad- und Gehwegvorhaben sollen nach definierten und gewichteten Kriterien priorisiert werden. Nur so kann objektiv entschieden werden, welche Vorhaben bei knappem Geld vorrangig zu realisieren sind. Beispielsweise kann ein Radweg touristisch bedeutsam, der verkehrliche Bedarf aber gering sein.

Die Prüfung ergab, dass eine Priorisierung der Vorhaben nach wie vor nicht erfolgt. Der Bau von Rad- und Gehwegen wird lediglich mit örtlichen Verhältnissen und den sich daraus ergebenden Gefahren oder mit einem potenziellen Radverkehrsaufkommen begründet. Mehrfach werden Kriterien nicht zusammenhängend betrachtet, sondern isoliert angeführt: Bei drei Vorhaben sollte die Verkehrssicherheit - vor allem im Freizeitverkehr - verbessert werden. Bei vier Vorhaben sollten Lücken in den Radwegverbindungen geschlossen werden, die sich aus örtlichen Radwegkonzepten ergaben.

2.2 Bedarfsnachweise fehlen häufig

Entlang von Landesstraßen sind Radwege besonders dann zu bauen, wenn der Verkehr wegen des hohen Kfz-Aufkommens oder aus Gründen der Verkehrssicherheit zu trennen ist.

Bis auf wenige Ausnahmen lagen keine Verkehrszählungen vor. Auch fehlten bei nahezu allen Vorhaben Zählungen je Spitzenstunde, aus denen der Bedarf abgeleitet werden kann. So wurde für vier Vorhaben unzureichend oder überhaupt nicht gezählt. Bei drei Vorhaben wurde das Verhältnis von Kraftfahrzeugen zu Radfahrern zwar erhoben, bei zwei dieser Bauvorhaben war es aber zu gering, um einen Radweg zu rechtfertigen.

2.3 Kalkulatorische Richtwerte für Bauausgaben werden nicht beachtet

Die Richtwerte der geprüften Vorhaben wurden anhand der veranschlagten Bauausgaben ohne Grunderwerbskosten und Ausgaben für Ingenieurbauwerke ermittelt.

Dabei zeigte sich, dass nur bei einem Vorhaben ein Richtwert von 50 Euro je m² eingehalten wurde. In den anderen Fällen lagen die Bauausgaben zwischen 87 Euro je m² und 154 Euro je m².

2.4 Ausbaustandard ist größtenteils überzogen

Bei den geprüften Vorhaben wurde grundsätzlich vom Standardaufbau abgewichen und eine stärkere Dimensionierung gewählt. Dadurch sollte eine bessere Ebenheit erzielt werden. Geringere Folgekosten oder eine längere Lebensdauer des Radwegs wurden damit nicht angestrebt. Die überzogenen Ausbaustandards haben bei den geprüften Vorhaben 300.000 Euro vermeidbare Mehrausgaben verursacht.

Die Wegebreite richtet sich nach den vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung erlassenen und vom Land übernommenen „Empfehlungen für die Anlage von Radwegen“ sowie der „Richtlinie für den Ausbau von Straßen - Querschnitt“. Danach ist außerorts eine Wegebreite von mindestens 2,25 m bis 2,50 m vorzusehen, wobei sich die Breite von 2,25 m in der Regel „als ausreichend bewährt“ habe. Das Land hat keine Wegebreite verbindlich vorgegeben. Auffallend ist jedoch, dass die Radwege im Regierungsbezirk Tübingen stets 2,25 m, im Regierungsbezirk Freiburg hingegen immer 2,50 m breit gebaut werden.

3 Folgerungen und Empfehlungen

Die Straßenbauverwaltung berücksichtigt bei der Planung von Rad- und Gehwegen die Forderungen des Landtags nur unzureichend. Sie hat weder überzogene Ausbaustandards aufgegeben noch den definierten Richtwert für Bauausgaben beachtet. Es fehlt nach wie vor das Kostenbewusstsein.

Der Rechnungshof empfiehlt dem Innenministerium, den Regierungspräsidien verpflichtende Vorgaben für den Rad- und Gehwegbau zu machen. Das Ministerium sollte durch Stichproben überprüfen, ob die Vorgaben beachtet werden.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Innenministerium ist der Auffassung, dass die Regierungspräsidien die Radwegvorhaben, ausgehend von Bedarfsnachweisen, nach Dringlichkeit richtig priorisiert hätten. Diese Dringlichkeit habe sich aber nicht ausschließlich an der Verkehrsstärke der Straßen zu orientieren. Es ist weiter der Ansicht, dass der Richtwert für Bauausgaben nur unter bestimmten Voraussetzungen in Betracht komme. Bei den vom Rechnungshof geprüften Vorhaben lägen diese nicht vor, da es sich um größere Projekte handele, bei denen aufwendige Erdarbeiten auszuführen seien. Es sagt zu, bei den Regierungspräsidien weiterhin darauf hinzuwirken, dass die Ausbaustandards eingehalten werden.

Angesichts der Sachlage könne das Ministerium keine Missachtung der Vorgaben der Landesregierung erkennen. Für die Regierungspräsidien sei deshalb nichts verpflichtend vorzugeben. Grundsätzlich sei aber bei den Geh- und Radwegen auf eine wirtschaftliche Ausführung zu achten.

5 Schlussbemerkung

Die Straßenbauverwaltung hält an einem unreflektierten „Weiter so“ fest. Sie vergibt damit die Chance, Rad- und Gehwege gut und dennoch kosteneffizient zu bauen.


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Die Kernstadt Riedlingen kann nicht in dem Maße entlastet werden, dass 9 Mio. Euro Fördermittel gerechtfertigt sind. Verkehrlich dringend notwendig ist nur der geplante Bauabschnitt, mit dem der höhengleiche Bahnübergang beseitigt werden soll. Er ist planerisch zu optimieren und damit kostengünstiger zu verwirklichen.


1 Ausgangspunkt

Die Stadt Riedlingen plant den Bau einer Umgehungsstraße, um die Kernstadt zu entlasten (Kernstadtentlastungsstraße). Die Finanzkontrolle hat den verkehrlichen Bedarf des Vorhabens geprüft.

Das Stadtgebiet wird über die Bundesstraßen B 311 und B 312 sowie die Landesstraßen L 275 und L 277 erreicht. Die neue Umgehungsstraße soll die Kernstadt an die Bundesstraße B 311 anbinden. Das Regierungspräsidium Tübingen nahm dieses Bauvorhaben 2007 in das Förderprogramm Kommunaler Straßenbau auf. Es hielt das Vorhaben für förderfähig, da das innerstädtische Hauptverkehrsnetz erheblich entlasten werden soll.

Die Bauausgaben sind mit 18 Mio. Euro veranschlagt. Das entspricht 5,3 Mio. Euro je Kilometer Straße. Die Landeszuwendung beträgt 9 Mio. Euro. Bund und Deutsche Bahn AG übernehmen für die Beseitigung des höhengleichen Bahnübergangs 5 Mio. Euro. Die Stadt Riedlingen wird demnach 4 Mio. Euro als Eigenanteil tragen.

Das Vorhaben ist in drei Bauabschnitte aufgeteilt (siehe nachfolgende Abbildung). Für sie liegen noch keine Planfeststellungsbeschlüsse vor:

  • Bauabschnitt I: Beseitigung des höhengleichen Bahnübergangs, der ein Nadelöhr für Fahrten in und aus der Kernstadt darstellt. Die Bauausgaben liegen bei 7,5 Mio. Euro.

 

  • Bauabschnitt II: Einmündung in die Landesstraße 277 bis Anschluss Tuchplatz mit Bauausgaben von 3,9 Mio. Euro.

 

  • Bauabschnitt III: Anschluss Tuchplatz bis Anschluss Römerstraße; dieser Bauabschnitt führt durch ein Flora-Fauna-Habitat-Gebiet. Die Bauausgaben betragen 6,6 Mio. Euro.

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2 Bevölkerungs-, Arbeitsplatz- und Mobilitätsentwicklung

Strukturdaten sind wichtige Einflussgrößen für die zu prognostizierende Verkehrsentwicklung. Nach dem Verkehrsgutachten 2006/2007 wird die Bevölkerung im Untersuchungsgebiet von 2006 bis 2020 um 1.700 Personen wachsen und die Arbeitsplätze werden um 1.500 zunehmen (siehe Tabelle 1).

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Nach Angaben des Statistischen Landesamtes ging die Bevölkerung von Riedlingen seit 2006 zurück. Von 2005 bis 2025 prognostiziert das Landesamt für Riedlingen ohne Bevölkerungswanderungen eine Abnahme der Bevölkerung um 2,9 %, mit Bevölkerungswanderungen eine Zunahme um 6,2 %. Selbst dann wird der im Gutachten 2006/2007 angenommene Bevölkerungsanstieg bei weitem nicht erreicht.

Ebenfalls rückläufig war nach den Daten des Statistischen Landesamts die Zahl der Arbeitsplätze, genauer: die Zahl der „sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am Arbeitsort“. Sie fiel von 2003 bis 2007 um 6 % auf 3.530 Arbeitsplätze. Der im Verkehrsgutachten 2006/2007 prognostizierte Anstieg der Arbeitsplätze um 1.500 oder 45 % bis 2020 ist nicht zu erwarten.

Die Mobilitätsentwicklung von 2006 bis 2020 wird demnach deutlich geringer ausfallen als im Gutachten angenommen. Daran werden wegen des demografischen Wandels weder Schulen und Dienstleistungseinrichtungen in der Kernstadt noch das Einzelhandelskonzept der Stadt etwas ändern.

3 Prognostizierte verkehrliche Entwicklung

In den Verkehrsgutachten wurde prognostiziert, wie stark die Kernstadt belastet sein wird und in welchem Umfang die neue Umgehungsstraße entlastend wirken kann. Hierzu wurde das Verkehrsaufkommen in einem interaktiven Gesamtverkehrsmodell anhand einer Verkehrsnachfragematrix auf das Straßennetz umgelegt. Mit diesem Modell können die Verkehrsbelastungen der verschiedenen Planungsalternativen und Wechselwirkungen im Straßennetz beurteilt werden.

Das Gutachten 2006/2007 nimmt an, dass bis 2020 der Durchgangsverkehr um 33 %, der Quell- und Zielverkehr um 21 % ansteigen werde. Diese Werte liegen weit über anderen Prognosen. Ein Forschungsprojekt des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung geht davon aus, dass der motorisierte Individualverkehr von 2004 bis 2025 bundesweit um 9 % steigt (siehe Tabelle 2).

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Real stieg die durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke auf Kreisstraßen in Baden-Württemberg zwischen 2001 und 2007 nach Angaben des Statistischen Landesamts um 2,0 %. Auch die Straßenbauverwaltung stellte 2002 bei Zählungen in einer der Zugangsstraßen zur Kernstadt Riedlingen fest, dass das Verkehrsaufkommen hinter den Prognosewerten zurückblieb.

Die Finanzkontrolle stellt aufgrund einer Plausibilitätskontrolle Folgendes fest:

  • Gesamtverkehrsaufkommen

Das Verkehrsaufkommen der nach und von Riedlingen führenden Straßen ist rechnerisch zutreffend dargestellt. Allerdings wirkt nur etwa ein Viertel dieses Verkehrs direkt auf das Verkehrsgeschehen in der Kernstadt ein.

  • Durchgangsverkehr

Nach Auswertung des Gutachtens 1999/2000 fuhr nur ein Viertel der Kraftfahrzeuge durch die Kernstadt. Der übrige Durchgangsverkehr bewegte sich auf den Bundesstraßen B 311 und B 312. Die Daten des Gutachtens 2006/2007 erlauben solche Auswertungen nicht. Die Verteilung des Durchgangsverkehrs von 13.450 Kfz je 24 Stunden dürfte aber im Vergleich mit den Zahlen des Gutachtens 1999/2000 unverändert sein.

  • Quell- und Zielverkehr

Das Gutachten 1999/2000 gibt einen Quellverkehr von 11.250 Kfz je 24 Stunden an. Dies sind Verkehrsbeziehungen mit Start innerhalb und Ziel außerhalb von Riedlingen. Der Zielverkehr wurde in den Verkehrsgutachten aufgrund von Gesetzmäßigkeiten im Tagesverkehrsaufkommen dem erfassten Quellverkehr gleichgesetzt. Vom Quellverkehr kommen nur 7.000 Kfz je 24 Stunden aus der Kernstadt, der übrige Quellverkehr berührt das Untersuchungsgebiet überhaupt nicht. Das neuere Gutachten 2006/2007 macht dazu keine Aussagen.

Die in den Verkehrsgutachten zu hoch angesetzten Verkehrs- und Strukturdaten führen zu prognostizierten Verkehrszunahmen für die Kernstadt, die weit über dem sonstigen Trend liegen. Sie sind weder durch räumliche noch durch demografische, verkehrliche oder andere Besonderheiten Riedlingens zu erklären.

4 Entlastungswirkung der geplanten Straße

Nach dem Gutachten 2006/2007 könnte die neue Umgehungsstraße die Kernstadt zum Prognosezeitpunkt 2020 um 7.180 Kfz je 24 Stunden entlasten.

Der Rechnungshof hat in einer vereinfachten Verkehrsumlegung die Plausibilität der Entlastungswirkung geprüft. Dabei wurde von den sich schwächer entwickelnden Bevölkerungs-, Arbeitsplatz- und Mobilitätszahlen sowie dem geringeren Verkehrsaufkommen der Kernstadt ausgegangen. Ferner wurde einbezogen, dass die neue Umgehungsstraße vorrangig Verkehrsströme der L 277 und teilweise der L 275 aufnehmen würde. Verkehr der B 311 sowie der B 312 ist für die Kernstadt nicht relevant - zumal sich die Stadt mit Wohn- und Gewerbegebieten in nord-östlicher Richtung entwickelt.

Die Verkehrsgutachten gehen von einer zu hohen Entlastungswirkung der Umgehungsstraße für den Quell- und Zielverkehr sowie den Binnenverkehr der Kernstadt aus. Abweichend von den Angaben in den Gutachten berücksichtigt die Plausibilitätsprüfung des Rechnungshofs die geringere Entlastung. Allein beim Quell- und Zielverkehr der nördlichen Stadtgebiete von Riedlingen (mit Krankenhaus, Berufsschule, nördlicher Hindenburgstraße) ist die Entlastung jeweils um 1.400 Kfz je 24 Stunden geringer als angenommen.

Die neue Umgehungsstraße wird die Kernstadt nach den Berechnungen des Rechnungshofs 2020 nur um 3.448 Kfz je 24 Stunden entlasten können (siehe Tabelle 3).

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5 Folgerungen und Empfehlungen

Die geplante Straße würde die Kernstadt Riedlingen entlasten, allerdings nur um etwa die Hälfte des in den Verkehrsgutachten dargelegten Umfangs.

Bei Förderungen im kommunalen Straßenbau muss der Verkehrsbedarf von der Bewilligungsstelle kritisch betrachtet werden. Dies umso mehr, wenn die Bauausgaben außerordentlich hoch sind. So hätten die Bauausgaben von 5,3 Mio. Euro je Kilometer Straße hinterfragt werden müssen, da diese erheblich über dem Durchschnittswert für Umfahrungen von 2,9 Mio. Euro je Kilometer Straße liegen.

Weder mit den zu hoch prognostizierten Daten der Verkehrsgutachten noch mit der vom Rechnungshof ermittelten Entlastungswirkung lässt sich begründen, dass die Fördermittel für die Kernstadtentlastungsstraße eingesetzt werden sollen.

Der Rechnungshof verkennt nicht, dass es verkehrlich notwendig ist, den höhengleichen Bahnübergang zu beseitigen (Bauabschnitt I). Die Planung der Bahnüberführung ist zu optimieren und damit kostengünstiger zu verwirklichen. Sie ist derzeit aufwendig geplant, um später die Bauabschnitte II und III anschließen zu können. Von der Bewilligung dieser beiden Bauabschnitte sollte abgesehen werden.

6 Stellungnahme des Ministeriums

Das Innenministerium führt aus, dass die Förderfähigkeit des Vorhabens eingehend geprüft worden sei. Dabei seien die Verkehrsuntersuchungen einbezogen worden, die ein renommiertes Ingenieurbüro erstellt habe. Die in den Gutachten prognostizierten Verkehrszunahmen würden von der Straßenbauverwaltung angesichts der Bevölkerungsvorausrechnung sowie der Flächennutzungs- und Siedlungsplanung der Stadt für plausibel gehalten. Dies treffe auch auf die ermittelte Entlastungswirkung zu. Dieser liege im Gegensatz zur vereinfachten Verkehrsumlegung des Rechnungshofs ein interaktives Gesamtverkehrsmodell zugrunde. Das Ministerium sieht es deshalb als geboten an, die Kernstadtentlastungsstraße zu fördern, wenn die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen.

Im Übrigen betrachte es die Entlastungsstraße und die Beseitigung des höhengleichen Bahnübergangs als ein Projekt. Aktuelle Planungsüberlegungen des Landes hätten aber gezeigt, dass die Bahnüberführung in Teilen einfacher mit dem bestehenden Straßennetz verknüpft werden könne.

7 Schlussbemerkung

Die vom Rechnungshof festgestellte geringere Entlastungswirkung der neuen Umgehungsstraße ist weniger durch das Verkehrsmodell begründet, sondern vielmehr auf abweichende Eingangsgrößen (Strukturdaten, Verkehrsbelastung der Kernstadt) zurückzuführen, die in den Verkehrsgutachten deutlich zu hoch sind.

Bei vielen Kommunen besteht der Wunsch, die Ortskerne durch Umfahrungen zu entlasten. Das Land als Zuwendungsgeber hat bei solchen Vorhaben darauf zu achten, dass der verkehrliche Bedarf tatsächlich gegeben ist und die zu fördernden Vorhaben priorisiert werden.

Dies hat der Landtag in seinem Beschluss zur Denkschrift 2007, Beitrag Nr. 15, Finanzierung der Ortsumfahrungen im Straßenbau (Drucksache 14/1994, Seite 48) unterstrichen. Er forderte, „auf eine konsequente Bedarfsorientierung und auf ein angemessenes Kosten-Nutzen-Verhältnis zu achten“.


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Einzelplan 04: Ministerium für Kultus, Jugend und Sport

Für außerunterrichtliche Veranstaltungen werden an den Gymnasien landesweit mindestens 340.000 Unterrichtsstunden aufgewendet. Der pädagogische Nutzen dieser Veranstaltungen muss sichergestellt werden.


1 Außerunterrichtliche Veranstaltungen

Die öffentlichen Schulen des Landes erfüllen ihren Erziehungs- und Bildungsauftrag vor allem durch schulische Veranstaltungen. Dies können Unterricht oder außerunterrichtliche Veranstaltungen sein. Die außerunterrichtlichen Veranstaltungen vertiefen, erweitern und ergänzen den Unterricht. Hierzu zählen u. a. bildungsfördernde Veranstaltungen, Projekttage, Lehr- und Studienfahrten sowie Schullandheimaufenthalte. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Entfaltung der gesamten Persönlichkeit des Schülers.

Untersucht wurden die außerunterrichtlichen Veranstaltungen des Schuljahres 2007/08 an 43 öffentlichen Gymnasien in allen Regierungsbezirken des Landes.

2 Untersuchungsergebnisse

2.1 Veranstaltungsarten

Die Gymnasien bestimmen den Inhalt ihrer außerunterrichtlichen Veranstaltungen weitestgehend selbst. Im Schuljahr 2007/08 haben die untersuchten Schulen mehr als 3.300 außerunterrichtliche Veranstaltungen durchgeführt.

Außerunterrichtliche Veranstaltungen finden während der Unterrichtszeit aber auch vollständig oder zum Teil, außerhalb der Unterrichtszeit statt. Die nachstehende Tabelle zeigt die Anzahl dieser Veranstaltungen sowie die dafür verwendeten Unterrichtsstunden.

2009-B010-Tab.jpg

2.1.1 Projekttage

In der Gesamtschau verbrauchten die Projekttage die meisten Unterrichtsstunden. Während dieser Veranstaltungen fand regelmäßig kein Unterricht statt und die Klassenstruktur war aufgelöst. Die Mehrzahl der geprüften Gymnasien verstehen die Projekttage als alternative Form des Unterrichts und nicht als außerunterrichtliche Veranstaltung. Ein Viertel der untersuchten Gymnasien führte allerdings keine Projekttage durch. Projekttage sind nach deren Auffassung nicht geeignet, die pädagogischen Ziele der außerunterrichtlichen Veranstaltungen zu befördern. Ein Gymnasium führte Projekttage in den letzten vier Schultagen vor den Sommerferien durch, damit die Lehrkräfte „Rückstände aufarbeiten konnten und sich der Schulbetrieb wieder normalisiere.“

2.1.2 Wanderungen und Jahresausflüge

Im Schuljahr können bis zu vier Wandertage durchgeführt werden, ersatzweise kann dafür eine bis zu einwöchige Wanderung stattfinden. Zusätzlich können die Gymnasien einen ganztägigen Jahresausflug durchführen, bei dem eine angemessene Wanderzeit gewährleistet sein soll. Der Wandertag ist ein Angebot für alle Klassenstufen, hat aber im Schulalltag zurückgehende Bedeutung.

2.1.3 Lehr- und Studienfahrten

Lehr- und Studienfahrten sowie Veranstaltungen im Rahmen der politischen Bildung können ab Klasse 8 durchgeführt werden und sollen nicht mehr als fünf Unterrichtstage dauern. Die Fahrten führten in nahezu jedes europäische Land, beispielsweise nach Irland, Spanien oder Malta. Sie dauerten bis zu acht Tage. Die Teilnehmer hatten hierfür bis zu 476 Euro aufzuwenden. Lehr- und Studienfahrten wurden bereits für die Jahrgangsstufen 5, 6 und 7 durchgeführt. Die Schulen begründeten dies mit der inzwischen auf acht Jahre verkürzten Schulzeit an Gymnasien.

2.1.4 Schullandheimaufenthalte

Die Verwaltungsvorschrift des Kultusministeriums sieht vor, dass jeder Schüler mindestens einmal an einem Aufenthalt im Schullandheim teilnimmt. Der Aufenthalt soll in einer ländlichen Gegend Baden-Württembergs stattfinden und sieben bis vierzehn Tage dauern. Die Schulen beachten bei dieser Veranstaltungsart häufig nicht die Vorgaben. So wurden oft Ziele weit über die Grenzen Baden-Württembergs hinaus gewählt, beispielsweise in Norddeutschland, aber auch in Österreich, in der Schweiz, in Italien und in den Niederlanden. Auch wurde der Mindestzeitrahmen mehrfach unterschritten. Die Schulen weichen bewusst von den Vorgaben ab, weil sie den Aufenthalt im Schullandheim nach ihren pädagogischen Vorstellungen selbst bestimmen möchten.

2.1.5 Lerngänge und Betriebserkundungen

Betriebserkundungen werden ab Klasse 8 für die Dauer einer Unterrichtswoche in Unternehmen, Behörden und Einrichtungen sowie in Instituten von Hochschulen und bei freiberuflich Tätigen durchgeführt. Einige Gymnasien beweisen großen Ideenreichtum, um ihre Schüler mit der Berufswelt bekannt zu machen (z. B. Sozialpraktika, Waldbegehungen, Höhlen-, Kunst- und Orgelexkursionen, Besuche von Kernkraftwerken, ortsansässigen Betrieben oder Bauernhöfen).

2.1.6 Sonstige außerunterrichtliche Veranstaltungen

Zu den sonstigen Veranstaltungen zählen alle, die nicht anderen Kategorien zugeordnet werden; beispielsweise Drogenprävention, Gewaltprävention, Verkehrserziehung, Kennenlerntage der Klassen 5, Lesenächte und verschiedene Wettbewerbe (Deutsch, Mathematik, Englisch, Physik usw.). Diese Veranstaltungen belasten den stundenplanmäßigen Unterricht verhältnismäßig gering. Sie finden in den meisten Fällen außerhalb des Stundenplans entweder nachmittags, abends oder an Wochenenden statt.

2.1.7 Chor-, Orchester- und Sporttage

Für Chor-, Orchester- und Sporttage können bis zu fünf Tage im Schuljahr eingesetzt werden. An diesen nehmen meist nur einzelne Schüler teil. Diese Veranstaltungen finden häufig außerhalb der regulären Unterrichtszeit statt. Dagegen werden Sporttage, meist als Bundesjugendspiele, während der Unterrichtszeit veranstaltet.

2.1.8 Bildungsfördernde Veranstaltungen

Bildungsfördernde Veranstaltungen können sehr unterschiedliche Inhalte haben. Besucht wurden Theater- und Konzertaufführungen sowie Museen, Zoos und Ausstellungen aller Art. Trotz der vielen Veranstaltungen war der reguläre Unterricht nur gering betroffen. Die Veranstaltungen lagen überwiegend in der unterrichtsfreien Zeit, vornehmlich nachmittags, abends oder an den Wochenenden. Daher wurden im Vergleich zur Veranstaltungsanzahl relativ wenige Unterrichtsstunden eingesetzt.

2.1.9 Schüleraustausch

Der Schüleraustausch mit dem Ausland gehört an den Gymnasien mittlerweile zum selbstverständlichen Bildungsangebot. Er wurde in allen Jahrgangsstufen mit unterschiedlicher Dauer, zum Teil für nur wenige Tage bis hin zu mehreren Wochen, in Anspruch genommen. Partnerländer sind neben den europäischen Nachbarn (Frankreich, Großbritannien, Spanien, Italien, Niederlande, Schweden und Finnland) auch Länder aus Übersee (USA, China und Japan). Die teilweise hohen Reisekosten trugen nahezu ausnahmslos die Eltern. Durch den Schüleraustausch sollen die Schüler mit denen der Partnerschulen in Kontakt kommen und ihre Sprachkenntnisse praktisch anwenden und erweitern. Diese Ziele können nur erreicht werden, wenn hierfür ausreichend Zeit zur Verfügung steht. Eine Mindestdauer von zehn Tagen ist vorgegeben. Trotzdem gibt es Schulen, die deutlich weniger Tage einsetzten. So führten beispielsweise Gymnasien einen Schüleraustausch für drei Tage mit Frankreich, für vier Tage mit Irland und für sechs Tage mit Italien durch.

2.1.10 Internationale Schülerbegegnungen

Das Kultusministerium unterstützt internationale Schülerbegegnungen mit Staaten Mittel- und Osteuropas. Dadurch sollen junge Menschen das kulturelle und gesellschaftliche Leben der Menschen in Mittel- und Osteuropa kennenlernen. Die Rahmenbedingungen sind in den Richtlinien des Kultusministeriums zur Förderung der außerschulischen Jugendbildung genannt. Die Schulen erhalten hierfür einen Zuschuss. Trotz der finanziellen Förderung haben von den 43 Gymnasien lediglich 17 Gymnasien solche Schülerbegegnungen realisiert.

2.2 Zusammenfassung und Bewertung

Die untersuchten Gymnasien haben im Schuljahr 2007/08 für Veranstaltungen 52.000 Unterrichtsstunden aufgewendet. Das entspricht 3 % der Unterrichtsstunden. Deshalb sollten außerunterrichtliche Veranstaltungen mit konkreter pädagogischer Zielsetzung und klarer konzeptioneller Dokumentation geplant und durchgeführt werden, zumal nach einer Stichprobe des Kultusministeriums 2007 der Unterrichtsausfall 4,3 % betrug.

Erst durch die Untersuchung des Rechnungshofs wurde vielen Schulleitungen bewusst, in welchem Umfang außerunterrichtliche Veranstaltungen an ihren Schulen durchgeführt wurden und welche vielfältigen pädagogischen Möglichkeiten solche Veranstaltungen bieten. Häufig fehlten konkret definierte pädagogische Ziele und eine ausreichende Dokumentation. Eine sachgerechte Dokumentation fördert die Transparenz und sichert die Qualität der außerunterrichtlichen Veranstaltungen.

Bereits während der Prüfung griffen einige Schulen diese Gedanken auf: Ein Schulleiter entschloss sich, die Praxis der außerunterrichtlichen Veranstaltungen an seiner Schule zu evaluieren. Eine andere Schule wurde durch die Untersuchung veranlasst, ihre Veranstaltungen in einer zentralen Datenbank zu erfassen. Damit soll ein Überblick über außerunterrichtliche Veranstaltungen geschaffen werden, um sie künftig besser steuern zu können.

3 Reisekosten der Lehrkräfte

3.1 Darstellung

Derzeit werden für außerunterrichtliche Veranstaltungen mehr Reisekostenmittel benötigt als zur Verfügung stehen. Einerseits sollen Dienstreisen nur im Rahmen der verfügbaren Mittel genehmigt werden, andererseits wird in der Praxis von den Lehrkräften erwartet, dass sie auf Reisekostenvergütungen verzichten. Um dennoch die gewünschten Reisen durchführen zu können, sehen sich die Schulen genötigt, in diesem Spannungsverhältnis Lösungen zu finden. Erschwert wird dies auch dadurch, dass Haushaltsjahr und Schuljahr nicht übereinstimmen. So müssen die Schulen bei ihrer internen Mittelverteilung bereits zu jedem Jahresanfang die Planungen für das neue Schuljahr berücksichtigen, das erst im August beginnt. Zu dieser Zeit sind die Verhältnisse (z. B. Lehrerzuweisung, Klassenzahl) des neuen Schuljahres noch nicht bekannt.

Die untersuchten Schulen hatten nicht genügend Mittel, um die Reisekostenvergütung für die geplanten Maßnahmen zu decken. Lehrkräfte verzichten daher regelmäßig auf ihre Erstattungen ganz oder zum Teil. So vereinbarte z. B. die Schulleitung eines Gymnasiums mit ihren Lehrkräften, dass diese Dienstreiseanträge zunächst ohne Reisekostenverzicht stellen. Gegen Ende des Haushaltsjahres vergleicht die Schulleitung die zur Verfügung stehenden Mittel mit der Summe der beantragten Reisekostenvergütung. Reichten die Mittel aus, würde die Auszahlung des gesamten Erstattungsbetrages veranlasst werden. Meist verzichten jedoch die Lehrkräfte anteilig auf Erstattungen. Andere Schulen quotierten in ähnlicher Weise oder legten fest, dass nur für bestimmte außerunterrichtliche Veranstaltungen Reisekostenvergütungen gewährt würden. Bei allen anderen Veranstaltungen verzichten die Lehrkräfte auf ihren Anspruch.

39 der untersuchten Schulen gaben an, im Schuljahr 2007/08 ein Budget für Reisekostenvergütungen von insgesamt 83.000 Euro erhalten zu haben. Der Bedarf lag bei geschätzten 238.000 Euro. Die Lehrkräfte verzichteten auf mindestens 155.000 Euro.

Eine Schule hatte ein Budget von 2.534 Euro. Davon nahm sie 356 Euro in Anspruch, gab jedoch an, 15.356 Euro zu benötigen. Die Schulleitung ging von einem generellen Verzicht des Kollegiums auf Reisekostenvergütung aus. Demgegenüber führte die Schulleitung einer anderen Schule keine außerunterrichtliche Veranstaltungen auf Kosten der Lehrkräfte durch. An dieser Schule wurden nur so viele Reisen genehmigt, bis das Budget von 1.636 Euro verbraucht war. An einer weiteren Schule wurden die Eltern gebeten, jeweils pauschal 30 Euro für die Dienstreiseaufwendungen der Lehrkräfte zu spenden.

3.2 Bewertung

Die Mittel für Reisekostenvergütungen reichen für die tatsächlich durchgeführten außerunterrichtlichen Veranstaltungen nicht aus. Lehrkräfte verzichten daher häufig ganz oder zum Teil auf ihre Erstattungen. An den untersuchten Schulen waren dies im Schuljahr 2007/08 mindestens 155.000 Euro.

Diese Praxis ist unbefriedigend. Angesichts der Bedeutung, die das Kultusministerium außerunterrichtlichen Veranstaltungen beimisst, müssen konsequenterweise ausreichende Haushaltsmittel für die Reisekosten bereitgestellt werden.

Der Rechnungshof hält die bisherige Bereitschaft der Lehrer, trotz fehlender Reisekostenmittel außerunterrichtliche Veranstaltungen durchzuführen, für besonders hervorhebenswert. Ihr pädagogisches Engagement soll erhalten werden.

4 Empfehlungen

Der Rechnungshof empfiehlt dem Kultusministerium

  • zu veranlassen, dass die Gymnasien konsequenter als bisher den pädagogischen Nutzen außerunterrichtlicher Veranstaltungen sicherstellen,

 

  • zu veranlassen, dass außerunterrichtliche Veranstaltungen ausreichend dokumentiert werden und

 

  • die notwendigen Haushaltsmittel für außerunterrichtliche Veranstaltungen bereitzustellen.

5 Stellungnahme des Ministeriums

Das Kultusministerium geht davon aus, dass die Schulleitungen aller Schularten in der Regel den pädagogischen Nutzen von außerunterrichtlichen Veranstaltungen im Verhältnis zum regulären Unterricht abwägen. Weiter teilt es die Auffassung des Rechnungshofs, wonach eine qualifizierte Dokumentation des Verlaufs und der Ergebnisse von außerunterrichtlichen Veranstaltungen sinnvoll sei. Angesichts der großen Bandbreite der Veranstaltungen erscheine es jedoch nicht als zielführend, den Schulen genaue beschriebene Dokumentationspflichten vorzugeben.

Das Kultusministerium möchte am derzeitigen Verfahren der Reisekostenvergütung für außerunterrichtliche Veranstaltungen festhalten. Sofern die Mittel nicht ausreichen, müsse die Schule nach Prioritätsgesichtspunkten darüber entscheiden, welche Veranstaltungen durchgeführt werden sollten. Im Übrigen sei der Teilverzicht bzw. Verzicht auf Reisekostenvergütung auf ausdrücklichen Wunsch der Lehrerschaft in die Verwaltungsvorschrift aufgenommen worden.

Das Ministerium gehe davon aus, dass mit den im jeweiligen Staatshaushaltsplan ausgewiesenen Mitteln der Grundbedarf bei den außerunterrichtlichen Veranstaltungen an den Schulen abgedeckt werden könne.


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Aufbaugymnasien mit Heim werden nicht mehr benötigt. Sie sollten in Gymnasien der Normalform überführt und der Internatsbetrieb eingestellt werden. Das Land könnte dadurch 2,9 Mio. Euro jährlich einsparen.


1 Allgemeines

Baden-Württemberg verfügt über vier staatliche Aufbaugymnasien mit Heim (Adelsheim, Künzelsau, Lahr und Meersburg). Sie unterscheiden sich in zwei wesentlichen Aspekten von den Gymnasien in der Normalform. Einerseits sollen vor allem Hauptschüler nach der Orientierungsstufe und Realschüler nach ihrem Abschluss die Möglichkeit erhalten, ins Gymnasium zu wechseln. Anderseits sollen Schüler, die schulortfern wohnen, im Internat untergebracht werden. Im Schuljahr 2007/08 besuchten 2.123 Schüler diese Aufbaugymnasien, davon wohnten 232 in den Internaten.

Die Aufbaugymnasien mit Heim wurden ursprünglich als schulisches Angebot für den ländlichen Raum eingerichtet. Sie ermöglichten den Wechsel von der Volksschule auf das Gymnasium und eröffneten den Jugendlichen auf dem Land zusätzliche Bildungschancen.

Wegen zurückgehender Schülerzahlen wurden in den Achtzigerjahren fünf Aufbaugymnasien mit Heim geschlossen und eines in kommunale Trägerschaft überführt. Verblieben ist in jedem Regierungsbezirk eine solche Schule.

2 Schulbetrieb

2.1 Nachfrage

Bei allen Aufbaugymnasien mit Heim stieg in den vergangenen Jahren kontinuierlich die Schülerzahl, seit dem Schuljahr 2001/02 um mehr als 42 %. Die Steigerung erklärt sich vor allem durch die Aufnahme von Schülern in die 5. Klassenstufe. Die Zahl der Internatsschüler stieg im selben Zeitraum lediglich um 18 %. Diese Entwicklung verdeutlicht, dass das schulische Angebot der Aufbaugymnasien ein deutlich höheres Interesse findet als die Internatsplätze.

2.2 Neuaufnahmen

Im Schuljahr 2007/08 wechselten 344 Schüler von einer Grund-, Haupt- oder Realschule in ein Aufbaugymnasium mit Heim. Nahezu die Hälfte (48 %) dieser aufgenommenen Schüler wechselten von der Grundschule in die 5. Klasse und sind faktisch Gymnasiasten der Normalform.

Mehr als ein Drittel (35 %) sind Schüler, die nach dem Abschluss der Sekundarstufe I ins Aufbaugymnasium mit Heim wechselten.

Lediglich 17 % der Schüler kommen nach der Orientierungsstufe an das Aufbaugymnasium mit Heim. Die Untersuchung ergab, dass fast alle Schüler der Aufbauform von der Realschule kamen. Nur zwei Schüler kamen von der Hauptschule.

2.3 Schulträgerschaft

Grundsätzlich sind die Kommunen Schulträger der Gymnasien und tragen die sächlichen Schulkosten. Schulträger der Aufbaugymnasien mit Heim ist ausnahmsweise das Land. Es trägt deshalb neben den Personalkosten auch die sächlichen Kosten dieser Schulen.

Die kommunalen Schulträger erhalten als Ausgleich einen Sachkostenbeitrag nach dem Finanzausgleichsgesetz. Der Sachaufwand ist regelmäßig höher als der Sachkostenbeitrag. Deshalb kann dieser Sachkostenbeitrag als Orientierungsgröße für die Kosten des Landes verwendet werden. Der gymnasiale Sachkostenbeitrag lag 2007 bei 548 Euro je Schüler. 2007 besuchten 2.123 Schüler ein Aufbaugymnasium mit Heim. Die Sachkosten des Landes betrugen somit insgesamt mindestens 1,1 Mio. Euro.

3 Internatsbetrieb

3.1 Einzugsbereiche der Internate

Die Aufbaugymnasien mit Heim hatten ursprünglich einen überörtlichen Einzugsbereich. Viele Schüler waren deshalb auf das Internat angewiesen. Heute kommen jedoch die meisten Schüler aus dem näheren Umkreis. Im Schuljahr 2007/08 betrug der Anteil der Internatsschüler an der Gesamtschülerzahl nur noch 11 %. Auffallend ist, dass selbst bei diesem geringen Anteil nicht alle Internatsschüler wegen der zu großen Entfernung ihres Wohnortes auf einen Heimplatz angewiesen sind. So wohnt z. B. nahezu die Hälfte der Internatsschüler des Aufbaugymnasiums Meersburg weniger als 50 km von der Schule entfernt. Bezogen auf alle Aufbaugymnasien mit Heim wohnen 63 Internatsschüler (28 %) im Einzugsbereich bis 50 km.

3.2 Weitere Gründe für die Internatsunterbringung

Die Entfernung zum Wohnort ist heute nur ein Grund neben anderen für die Internatsunterbringung. Von den Schulen wurden überwiegend familiäre oder persönliche Gründe genannt wie z. B. gescheiterte Schulkarrieren, Erziehungsprobleme, schwierige Familienkonstellationen. Diese Gründe zeigen, dass heute nicht mehr die Entfernung zum Wohnort, sondern persönliche Gründe für die Internatsunterbringung entscheidend sind.

3.3 Gebühren

Schüler müssen für die Unterkunft und Verpflegung im Internat eine Gebühr entrichten. Die jährliche Gebühr beträgt derzeit 5.400 Euro. Sie kann aus sozialen Gründen bis auf 4.200 Euro ermäßigt werden. Gebühren sollen nach dem Landesgebührengesetz kostendeckend sein.

3.4 Kostendeckung der Internatsgebühren

Bei der Kostenberechnung blieben zusätzliche Angebote der Schulen oder die Kosten angegliederter Einrichtungen, die von der vorhandenen Infrastruktur profitieren, unberücksichtigt.

Die Internatsplätze verursachten an den einzelnen Standorten sehr unterschiedliche Vollkosten. Sie lagen 2007 zwischen 9.539 Euro und 19.378 Euro.

Tabelle 1 zeigt die Vollkosten eines Internatsplatzes der einzelnen staatlichen Aufbaugymnasien.

2009-B011-Tab1.jpg

Die Internatsplätze an den vier Aufbaugymnasien mit Heim verursachten 2007 Gesamtkosten von 2,8 Mio. Euro. Die Gebühreneinnahmen betrugen 1,0 Mio. Euro. Sie deckten somit nur 35,7 % der Kosten.

Der Kostendeckungsgrad ist beim Aufbaugymnasium Adelsheim mit 22,3 % am geringsten und in Künzelsau mit 48,5 % am höchsten. Der gewichtete durchschnittliche Kostendeckungsgrad liegt bei 38,7 %.

In Tabelle 2 ist die Kostendeckung dargestellt.

2009-B011-Tab2.jpg

Die Kostendeckung wird auch durch die soziale Staffelung der Internatsgebühren beeinflusst. Nahezu die Hälfte der Schüler zahlt nur die geringste Gebühr.

4 Bewertung

4.1 Schulbetrieb

Die staatlichen Aufbaugymnasien mit Heim wurden für einen bestimmten schulischen Bedarf konzipiert und eingerichtet. Kennzeichnend sind der Beginn der gymnasialen Laufbahn nach der Orientierungsstufe und die Internatsunterbringung. Fraglich ist, ob für dieses spezielle Angebot weiterhin ein Bedarf besteht.

Zunächst ist festzuhalten, dass die Schülerzahlen der untersuchten Schulen entsprechend der allgemeinen Entwicklung stetig gestiegen sind. Dies gilt nicht für den Internatsbetrieb. Der Zuwachs der Internatsschüler blieb deutlich hinter dem der externen Schüler zurück.

Nahezu die Hälfte der Neuaufnahmen an den Aufbaugymnasien mit Heim kommt von der Grundschule und beginnt die gymnasiale Schullaufbahn in der 5. Klasse. Faktisch sind dies keine Schüler des Aufbaugymnasiums, sondern Schüler eines Gymnasiums der Normalform. Somit entwickeln sich die Aufbaugymnasien mit Heim zu Gymnasien der Normalform mit einem Aufbauzug. Darüber hinaus sind ein Drittel der Neuaufnahmen Absolventen der Sekundarstufe I. Diesen Schülern wird an 196 beruflichen Gymnasien (öffentliche und private) in allen Teilen des Landes ermöglicht, die allgemeine Hochschulreife in drei Jahren zu erreichen. Nur 17 % der Neueinsteiger der Aufbaugymnasien mit Heim kommen aus der 6. oder 7. Klasse einer anderen Schulart und sind Schüler, für die das Aufbaugymnasium ursprünglich konzipiert wurde.

Die Aufbaugymnasien mit Heim richteten sich ursprünglich an Schüler des ländlichen Raums. Sie hatten daher einen weiten Einzugsbereich. Aktuell wohnen 85 % der Schüler am Schulstandort oder im Landkreis. Der Einzugsbereich der Aufbaugymnasien mit Heim hat sich deutlich verkleinert.

4.2 Internatsbetrieb

Nur 11 % aller Schüler wohnen im Internat. Von diesen hat über ein Viertel den Wohnsitz im Einzugsbereich bis 50 km.

Der Kostendeckungsgrad des Internats liegt durchschnittlich bei 38,7 %. Somit subventioniert das Land in erheblichem Umfang die Internatsunterbringung.

4.3 Resümee

Es ist heute unbestritten, dass durch den Ausbau des Schulwesens für die Aufbaugymnasien mit Heim im ursprünglichen Sinn kein Bedarf mehr gegeben ist. In Baden-Württemberg besteht selbst im ländlichen Raum ein flächendeckendes Angebot an Gymnasien. Das spezielle Angebot, nach der Orientierungsstufe ins Aufbaugymnasium mit Heim zu wechseln, wird heute faktisch nicht mehr angenommen. Auch ist es wenig attraktiv, in einem Internat zu wohnen, wenn sich in der Nähe des Heimatorts ein gut erreichbares Gymnasium befindet. Weiterhin ist es nicht mehr notwendig, für die „Realschulaufsetzer“ (Absolventen der Sekundarstufe I) Aufbaugymnasien mit Heim vorzuhalten. Im Land gibt es eine Vielzahl beruflicher Gymnasien, die diesen Schülern die allgemeine Hochschulreife ermöglichen.

Die Aufbaugymnasien mit Heim wurden eingerichtet, um Schüler aus einem überörtlichen Einzugsgebiet aufzunehmen. Der weit überwiegende Teil musste deshalb im Internat wohnen. Dies ist nicht mehr notwendig. Beispielsweise ist am Aufbaugymnasium Adelsheim der Anteil der Internatsschüler von 98 % (Schuljahr 1974/75) auf heute nur noch 5 % (Schuljahr 2007/08) gesunken. Bemerkenswert ist, dass damals allein am Standort Adelsheim 303 Internatsschüler untergebracht waren und damit mehr als heute an allen vier Standorten zusammen.

Das Land ist Schulträger der Aufbaugymnasien mit Heim. Es hat daher - neben den Personalkosten - für den Schulbetrieb jährlich Sachkosten von mindestens 1,1 Mio. Euro zu tragen. Zusätzlich verursachen die nicht kostendeckenden Gebühren des Internatsbetriebs einen jährlichen Einnahmeausfall von 1,8 Mio. Euro. Somit entstehen dem Land als Schulträger der vier Aufbaugymnasien insgesamt zusätzliche Kosten von jährlich 2,9 Mio. Euro.

5 Empfehlungen

Der Rechnungshof empfiehlt dem Kultusministerium,

  • die staatlichen Aufbaugymnasien mit Heim in Gymnasien der Normalform zu überführen,
  • die Schulträgerschaft des Landes an einen öffentlichen oder privaten Schulträger abzugeben und
  • den Internatsbetrieb einzustellen.

6 Stellungnahme des Ministeriums

Das Kultusministerium merkt an, dass die Zahl der Neuaufnahmen in die staatlichen Aufbaugymnasien mit Heim nicht richtig erfasst sei, weil in allen Klassenstufen Schüler aufgenommen würden.

Die Vollkostenrechnung sei in Bezug auf die Kostendeckung nicht nachvollziehbar. Es sei nicht genau ersichtlich, wie sich die Kostenbausteine für Unterkunftskosten und Verpflegungskosten zusammensetzen würden. Außerdem ergebe sich ein falsches Bild über die Kostendeckung der Internatsplätze, da die zusätzlich anfallenden Kosten für das Landesschulzentrum für Umwelterziehung auf die Internatsplätze umgelegt würden. Nach einer Gegenrechnung des Aufbaugymnasiums Adelsheim würden sich Internatskosten in etwa hälftiger Höhe ergeben.

Der Rechnungshof differenziere bei seinen Schlüssen nicht zwischen den Aufbaugymnasien. So werde beispielsweise das Aufbaugymnasium Künzelsau sehr gut angenommen und würde eine relativ gute Kostenstruktur aufweisen. Auch sei hier die räumliche Nähe zu einem beruflichen Gymnasium nicht gegeben.

Der als Kostenfaktor aufgeführte Sachkostenbeitrag in Höhe von 1,1 Mio. Euro müsste in jedem Fall vom Land aufgebracht werden, auch wenn die Aufbaugymnasien einen anderen Träger als das Land bekommen würden.

7 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof bleibt bei seinen Empfehlungen.

Nahezu die Hälfte der in die staatlichen Aufbaugymnasien mit Heim aufgenommenen Schüler beginnen in der Klassenstufe 5. Daher entwickelten sich diese Schulen außer Künzelsau faktisch zu Gymnasien der Normalform. Schließlich verursachen die Heimunterbringung und die Schulträgerschaft hohe Kosten.

Die Argumente des Ministeriums widerlegen nicht die Prüfungsbewertung, wonach die staatlichen Aufbaugymnasien mit Heim mit ihrem ursprünglichen Konzept nicht mehr benötigt werden. Auch mit Blick auf die laufenden hohen finanziellen Belastungen des Landes ist eine Neuausrichtung zwingend geboten.


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Der besondere Sachkostenbeitrag für das Berufskolleg für Informatik ist nicht gerechtfertigt und deshalb aufzuheben.


1 Allgemeines

Die Stadt- bzw. Landkreise tragen die sächlichen Schulkosten der öffentlichen beruflichen Schulen. Die Schulkosten sind in den Kreisen unterschiedlich hoch. Zur Abgeltung der laufenden sächlichen Kosten erhalten die Kreise jährlich Sachkostenbeiträge.

Das wesentliche Element des Schullastenausgleichs ist der Sachkostenbeitrag. Dies ist ein Betrag je Schüler, den die Kreise bei der Verteilung der kommunalen Finanzmittel vorweg erhalten. Jeder Kreis erhält die Sachkostenbeiträge für die Schüler, die seine beruflichen Schulen besuchen.

Der Sachkostenbeitrag für das Berufskolleg für Informatik fällt aus zwei Gründen auf. Er ist deutlich höher als die übrigen Sachkostenbeiträge. Zudem wird das Berufskolleg für Informatik nur an einer Schule im Land angeboten.

2 System der Sachkostenbeiträge

Nach dem Finanzausgleichsgesetz soll der Sachkostenbeitrag die laufenden sächlichen Schulkosten der Kreise angemessen ausgleichen. Der Sachkostenbeitrag kann für jede Schulart, jeden Schultyp und jede Schulstufe verschieden hoch festgesetzt werden. Der Gesetzgeber wählte im Interesse der Verwaltungsvereinfachung ein pauschaliertes Verfahren.

Ausgangsgröße für die Sachkostenbeiträge sind die landesweiten Durchschnittskosten je Vollzeit- bzw. Teilzeitschüler. 90 % davon setzt das Land als künftige Sachkostenbeiträge für Vollzeit- bzw. Teilzeitschüler fest. Der Sachkostenbeitrag für das Berufskolleg für Informatik wird entsprechend der Steigerungsrate beim Sachkostenbeitrag für Vollzeitschüler errechnet. Die aktuellen Werte für die beruflichen Schulen betragen 938 Euro für Vollzeitschüler, 389 Euro für Teilzeitschüler und 2.571 Euro für Schüler des Berufskollegs für Informatik.

3 Besonderer Sachkostenbeitrag für das Berufskolleg für Informatik

1978 richtete das Land den Vollzeit-Bildungsgang „Berufskolleg für Informatik (dreijährig)“ ein. Er wird seither ausschließlich an einer Schule angeboten. 1987 forderte der Landkreis, zu dem die Schule mit dem Berufskolleg für Informatik gehört, einen erhöhten Sachkostenbeitrag. Seine Forderung begründete er mit den hohen Kosten.

Die beteiligten Ministerien standen der Forderung zunächst uneinig gegenüber, die kommunalen Landesverbände lehnten sie ab. Letztere wiesen darauf hin, dass es auch an anderen Standorten besonders teure Schulen gebe. Außerdem würde eine Sonderregelung das pauschalierte Verfahren gefährden. Der Landkreis drängte auf eine Entscheidung zu seinen Gunsten, andernfalls solle das Land die Trägerschaft übernehmen.

Schließlich führte das Land ab 1987 einen besonderen Sachkostenbeitrag für das Berufskolleg für Informatik ein. Es begründete seine Entscheidung mit den hohen Investitionskosten des Kreises und der besonderen landesweiten Bedeutung. Bereits 1988 erhöhte das Land die Sachkostenbeiträge für alle beruflichen Schulen zusätzlich, weil die Kreise in neue Technologien investieren mussten.

4 Aktuelle Entwicklungen beim Berufskolleg für Informatik

Die Schule mit dem Berufskolleg für Informatik ist selbst innerhalb des Kreises nicht die teuerste berufliche Schule. Trotzdem erhält der Kreis immer noch, also seit mehr als 20 Jahren, den besonderen Sachkostenbeitrag. 2008 waren dies rund 350.000 Euro zusätzlich. Im Schuljahr 2007/08 besuchten 221 Schüler das Berufskolleg für Informatik, vor 15 Jahren waren es mehr als 400 Schüler.

5 Bewertung und Empfehlung

Der Sachkostenbeitrag kann nach dem Gesetz für jede Schulart, jeden Schultyp und jede Schulstufe verschieden hoch festgesetzt werden. Das Berufskolleg für Informatik gehört zur Schulart Berufskolleg und zum kaufmännischen Schultyp. Es ist keine eigenständige Kategorie, für die ein Sachkostenbeitrag festgesetzt werden kann. Der besondere Sachkostenbeitrag hat keine Rechtsgrundlage im Finanzausgleichsgesetz.

Es gibt auch keine sachlichen Gründe, eine Rechtsgrundlage für den besonderen Sachkostenbeitrag zu schaffen. Das Land ermittelte keine Vergleichswerte anderer teurer Bildungsgänge. In allen beruflichen Schulen wird

anspruchsvolle Hard- und Software eingesetzt. Eine solche Entwicklung deutete sich schon an, als dieser Sachkostenbeitrag eingeführt wurde. Von einer besonderen landesweiten Bedeutung kann aufgrund der Höhe und der Entwicklung der Schülerzahl keine Rede sein.

Der besondere Sachkostenbeitrag ist weder rechtlich noch sachlich gerechtfertigt. Nach den Angaben des Landes wurde die nach den Vorwegentnahmen verbleibende Finanzausgleichsmasse in den letzten 20 Jahren um durchschnittlich 400.000 Euro je Jahr zugunsten des betroffenen Landkreises verringert.

Der Rechnungshof empfiehlt, den besonderen Sachkostenbeitrag für das Berufskolleg für Informatik aufzuheben.

6 Stellungnahme des Ministeriums

Das Kultusministerium nahm im Einvernehmen mit dem Innenministerium und dem Finanzministerium Stellung. Die Ministerien wollen die Angelegenheit in die Gespräche mit den kommunalen Landesverbänden für die Festsetzung der Sachkostenbeiträge 2010 einbringen.


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Einzelplan 05: Justizministerium

Die Justizverwaltungen der Länder wenden ein neues bundeseinheitliches Personalbedarfsberechnungssystem an. Das System sollte für länderübergreifende Benchmark-Vergleiche genutzt werden.


1 Ausgangslage

Den Justizverwaltungen der Länder steht ein bundeseinheitliches System (PEBB§Y) für die Personalbedarfsermittlung bei den ordentlichen Gerichten, Staatsanwaltschaften und Fachgerichten zur Verfügung. Es beruht im Wesentlichen auf Selbsteinschätzungen der Mitarbeiter. PEBB§Y hat das seit den Siebzigerjahren genutzte sogenannte Pensensystem abgelöst und die Basis für eine objektivere Berechnung des Personalbedarfs geschaffen.

PEBB§Y verfolgt die Ziele,

  • eine transparente und damit für alle Beteiligten nachvollziehbare Personalbedarfsermittlung auf einer analytisch gesicherten Basis durchzuführen,

 

  • eine Orientierungs- und Entscheidungshilfe für den Haushaltsgesetzgeber bezüglich angemessener Personalausstattung zu schaffen,

 

  • das genehmigte Personal in der Justiz nach objektiven Kriterien zu verteilen.

PEBB§Y ermöglicht es, den Personalbedarf mit einem modernen System auf mathematisch-analytischer Basis zu ermitteln. Grundlage für dieses System sind Gutachten von 2002 und 2005 für die ordentlichen Gerichte und die Staatsanwaltschaften (PEBB§Y I und II) sowie für die Fachgerichte (PEBB§Y-Fach). In den Gutachten wurden die Aufgaben in Geschäfte gegliedert und die Berechnungsgrundlagen dafür festgelegt. PEBB§Y wurde in den Ländern zu unterschiedlichen Zeitpunkten eingeführt. In Baden-Württemberg wurden bereits ab dem 01.07.2003 flächendeckend alle Verfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Staatsanwaltschaften nach der PEBB§Y-Geschäftsgliederung erfasst.

2 Anlass, Ziel und Durchführung der Prüfung

Die Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder hat 2005 eine gemeinsame länderübergreifende PEBB§Y-Prüfung initiiert. Mit einem Soll-Ist-Vergleich sollten zusätzliche Erkenntnisse zur Bewertung des Personalbemessungssystems gewonnen werden. Für die Prüfung wurde eine Arbeitsgruppe unter Federführung des Rechnungshofs Baden-Württemberg gebildet. Weitere Mitglieder der Arbeitsgruppe waren die Rechnungshöfe der Länder Bayern, Berlin, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein. Die Prüfung erstreckte sich auf den Personalbedarf für die Richter, Staats- und Amtsanwälte, Rechtspfleger sowie die Beschäftigten des mittleren Dienstes und des Schreibdienstes der ordentlichen Gerichte und der Staatsanwaltschaften. Das Personalvolumen lag bei 32.000 Vollzeitäquivalenten.

Die Arbeitsgruppe stellte die Prüfungsergebnisse in ihrem Bericht den übrigen Rechnungshöfen zur Verfügung. Auf dieser Grundlage planen die Rechnungshöfe weitere länderübergreifende Prüfungen in Teilbereichen der Justiz.

3 Erhebungsgrundlagen und methodische Vorgehensweise

Grundsatzentscheidungen zu PEBB§Y trifft die Kommission der Landesjustizverwaltungen zu Fragen der Personalbedarfsberechnung (Pensenkommission). In ihr sind alle Länder vertreten. Im Gegensatz zu dem früheren Pensensystem ist eine objektivere Personalbedarfsberechnung mit durchschnittlichen Bearbeitungszeiten (Basiszahlen) und sonstigen Kennzahlen möglich. PEBB§Y ist grundsätzlich anpassungs- und fortschreibungsfähig. So wurde die Anzahl der Geschäfte gegenüber den PEBB§Y-Gutachten um 114 auf 412 erhöht. Die durchschnittlichen Bearbeitungszeiten von 73 PEBB§Y-Geschäften wurden angepasst.

Bei organisatorischen und rechtlichen Änderungen sind jedoch neue, teilweise umfassende Daten zu erheben, um die Berechnungsgrundlagen fortzuschreiben oder PEBB§Y insgesamt anzupassen.

Grundlagen für die Prüfung der Rechnungshöfe bildeten die bundeseinheitlich definierten PEBB§Y-Geschäfte und die Festlegungen zur Berechnung des Personalbedarfs (Systemliste). Dieser Katalog wurde um länderspezifische Geschäfte ergänzt. Der Personalbedarf wurde auf Grundlage der vorhandenen PEBB§Y-Berechnungen erhoben. Dem Personaleinsatz lagen die Personalübersichten der Justiz von 2006 zugrunde. Die Systemliste und die Personalübersichten wurden zu einem einheitlichen Aufgabenkatalog zusammengeführt. Der Rechnungshof Baden-Württemberg hat eine elektronische Anwendung entwickelt, damit die Daten in den Ländern erfasst werden konnten. Die daraus berechneten Kennzahlen wurden qualitätsgesichert.

4 Feststellungen

4.1 Personalbedarfsermittlung

Die bundeseinheitlichen Festlegungen zu PEBB§Y lassen es zu, dass auch länderspezifische Besonderheiten in der Personalbedarfsberechnung berücksichtigt werden. Danach können die Länder von Basiszahlen abweichen oder die PEBB§Y-Geschäfte nur zu einem Teil für die Personalbedarfsberechnung nutzen. Daneben können die Länder eigene Geschäfte in die Personalbedarfsberechnung einbeziehen.

Die angepassten Basiszahlen haben sich in den untersuchten sechs Ländern unterschiedlich ausgewirkt. Im Ergebnis bewegten sich Baden-Württemberg und ein weiteres Land geringfügig unterhalb der Personalbedarfszahlen, wie sie unter Verwendung der bundeseinheitlichen Vorgaben ermittelt wurden. Für die anderen Länder wurden im Vergleich zu diesen Vorgaben tendenziell höhere Personalbedarfszahlen festgestellt.

Die Rechnungshöfe empfehlen, PEBB§Y transparenter zu machen. Dazu sind die landesspezifischen Geschäfte zu analysieren und soweit möglich verbindlich in die bundesweit gültige Systemliste zu integrieren. Länderspezifische Sondergeschäfte sind nur in Ausnahmefällen und möglichst nur temporär zu verwenden. Um Ländervergleiche zu bewerten, sollten die länderspezifischen und die tatsächlich verwendeten PEBB§Y-Geschäfte der Systemliste sowie die Auswirkungen der Anpassung von Basiszahlen in den Ländern bekannt sein.

Für 38 % der PEBB§Y-Geschäfte werden keine analytisch ermittelten Basiszahlen, sondern der tatsächliche Personaleinsatz für die Personalbedarfsberechnung herangezogen. Dies entsprach 9 % (3.214 Vollzeitäquivalenten) des berechneten Personalbedarfs der Länder.

Der Anteil des nicht mit Basiszahlen ermittelten Personalbedarfs sollte überprüft und möglichst reduziert werden.

4.2 Ländervergleiche

Zwischen den Justizverwaltungen der Länder finden bisher nur Vergleiche durch den Austausch der länderintern ermittelten Quoten für den Personaleinsatz/Personalbedarf (PEBB§Y-Deckungsgrade) über die Pensenkommission statt. Baden-Württemberg nimmt an diesem Kennzahlenaustausch nicht teil. Diese länderspezifischen Deckungsgrade sind für einen sinnvollen Ländervergleich auch nicht geeignet. Obwohl PEBB§Y mit hohem Zeit- und Kostenaufwand angewendet und weiterentwickelt wird, wurden bisher keine verwertbaren Vergleichszahlen durch die Länder ermittelt und ausgetauscht.

Die Rechnungshöfe sind übereinstimmend der Auffassung, dass PEBB§Y wegen des bundesweiten Ansatzes auch für gezielte Ländervergleiche auf der Grundlage einheitlicher Maßstäbe herangezogen werden muss. Sie haben daher eine neue länderübergreifende Vergleichssystematik entwickelt und eigene Vergleichsberechnungen zu den PEBB§Y-Deckungsgraden durchgeführt. Dabei wurden die bundesweit vorgegebenen Basiszahlen und alle in den Ländern verwendeten PEBB§Y-Geschäfte zugrunde gelegt. Die Ergebnisse für alle Dienststellen und Funktionsgruppen wurden den Justizverwaltungen der Länder zur Verfügung gestellt. In den folgenden Tabellen sind exemplarische Ergebnisse zu den Deckungsgraden des Personalbedarfs der Dienststellen und einzelner Funktionsgruppen dargestellt. Diese PEBB§Y-Deckungsgrade wurden auf Basis der bundeseinheitlichen Vorgaben berechnet.

2009-B013-Tab1.jpg

2009-B013-Tab2.jpg

Der Ländervergleich ergibt bereits auf Dienststellenebene Unterschiede bei den Deckungsgraden von bis zu 30 %-Punkten. Die Ergebnisse der einzelnen Länder zeigen für die Oberlandesgerichte durchgängig Deckungsgrade unter 100 % auf.

Die von den Rechnungshöfen ermittelten Deckungsgrade für die Funktionsgruppen weisen ebenfalls zum Teil sehr große Spannbreiten auf.

Aus Deckungsgraden unter 100 % kann nicht der Schluss nach fehlendem Personal abgeleitet werden. Vielmehr ergeben sich aus diesen Auswertungen Hinweise, dass für die ordnungsgemäße Aufgabenerledigung in der Justiz grundsätzlich kein PEBB§Y-Deckungsgrad von 100 % erforderlich ist. Es drängt sich die Frage auf, ob die Berechnungsgrundlagen und die sonstigen Bezugsgrößen für die Bemessung des Personalbedarfs tendenziell nicht zu großzügig bemessen sind. Hierfür gibt es eine Fülle von Anhaltspunkten. Ins Gewicht fällt dabei vor allem, dass die Basiszahlen vielfach auf der Grundlage nicht optimierter Organisationsstrukturen, Prozessabläufe und inzwischen weiter verbesserter DV-Systeme ermittelt wurden.

Die ermittelten Kennzahlen liefern konkrete Ansatzpunkte dafür, welche Aufgabenbereiche davon besonders betroffen und näher zu betrachten sind.

Als Beispiel werden nachfolgend die Deckungsgrade für ausgewählte Produktbereiche des mittleren Dienstes und des Schreibdienstes bei den Amtsgerichten dargestellt. Allein in Baden-Württemberg werden für die genannten Aufgaben in den Amtsgerichten 1.548 Vollzeitäquivalente eingesetzt. Dies entspricht 49 % des Personals der Amtsgerichte.

2009-B013-Tab3.jpg

Die Spannbreiten der Deckungsgrade bei den in Tabelle 3 herangezogenen personalintensiven Produktgruppen liegen zwischen 28 und 80 %-Punkten. Aus den hohen Spannbreiten der ermittelten Deckungsgrade ergeben sich Anhaltspunkte für vertiefende Analysen. Im mittleren Dienst und bei den Schreibdiensten wurde nahezu durchgängig mehr Personal eingesetzt, als es nach den Basiszahlen notwendig gewesen wäre. Auch für Baden-Württemberg gibt es Hinweise auf einen zu hohen Personaleinsatz. Während für die Dienststellen insgesamt die Deckungsgrade (siehe Tabelle 1) unter 100 % liegen, stellt sich die Situation in den personalintensiven Aufgabenfeldern der Amtsgerichte deutlich anders dar. In diesen Bereichen sind die der Personalbemessung zugrundeliegende Basiszahlen vorrangig weiter zu untersuchen. Hier ist zu erwarten, dass sich die Abläufe und die DV-Unterstützung verbessern und damit die Basiszahlen reduzieren lassen.

4.3 Benchmark-Vergleiche

Die Rechnungshöfe haben auf Grundlage der bundeseinheitlichen Vorgaben einen Benchmark-Vergleich zwischen den Ländern für die ordentlichen Gerichte und Staatsanwaltschaften durchgeführt. Dabei wurde der jeweils niedrigste PEBB§Y-Deckungsgrad für die Dienststellen als Basis verwendet. Die Qualität der Aufgabenerledigung wurde nicht berücksichtigt. Dieser Vergleich gibt für die Dienststellen erste Hinweise auf mögliche Stelleneinsparungen, die erst nach Detailanalysen konkretisiert werden können.

2009-B013-Tab4.jpg

Der Benchmark-Vergleich der beteiligten Länder zeigt bei den ordentlichen Gerichten und Staatsanwaltschaften ein rechnerisches Optimierungspotenzial von 2.624 Vollzeitäquivalenten auf. Der Anteil Baden-Württembergs beträgt 443. Davon entfallen 247 Vollzeitäquivalente auf die Amtsgerichte; dies entspricht 8 % des dort eingesetzten Personals. Ein Benchmark-Vergleich der Produktgruppen würde ein noch höheres Optimierungspotenzial aufzeigen. Das beim Ländervergleich aufgezeigte Optimierungspotenzial gibt Hinweise auf einen effizienteren Personaleinsatz. Durch das Lernen vom „Besten“ und durch Detailanalysen können die Organisationsstrukturen weiter verbessert und die Prozessabläufe optimiert werden. Hierdurch kann der aktuell notwendige Personalbedarf ermittelt werden. Die jetzt dargestellten Optimierungspotenziale können sich durch Detailanalysen noch erhöhen oder verringern.

5 Empfehlungen

Der Rechnungshof Baden-Württemberg hat gemeinsam mit fünf anderen Landesrechnungshöfen das Personalbedarfsberechnungssystem der Justizverwaltungen der Länder untersucht. Das bundeseinheitliche System zur Personalbedarfsermittlung ist grundsätzlich zur Steuerung des Personaleinsatzes und für länderübergreifende Benchmark-Vergleiche geeignet. Die dargestellten Ergebnisse und die hohen Spannbreiten bei den Deckungsgraden machen deutlich, dass sich durch länderübergreifende Vergleiche Optimierungspotenziale erkennen lassen. Mit PEBB§Y wurden auf überwiegend analytischer Basis Kennzahlen entwickelt und das bisher gültige Pensensystem abgelöst. Dieser Schritt wird vom Rechnungshof ausdrücklich begrüßt. Gleichwohl haben sich Hinweise ergeben, dass die auf Grundlage nicht optimierter Abläufe ermittelten Basiszahlen teilweise zu großzügig bemessen sind.

Zur Weiterentwicklung und Anwendung des Personalbedarfsberechnungssystems werden folgende weitere Maßnahmen empfohlen:

1. Die von den Rechnungshöfen erarbeiteten Übersichten zu den Deckungsgraden für die einzelnen Dienststellen, Funktions- und Produktgruppen sind weiterzuentwickeln.

2. In die Bewertung der Kennzahlen sind Leistungs- und Qualitätsmerkmale (z. B. Verfahrensdauer, Rückstände) verstärkt einzubeziehen.

3. Die Ablaufprozesse und die DV-Unterstützung in den personalintensiven Aufgabenfeldern sollten optimiert und die Basiszahlen reduziert werden. Die im Bericht der Arbeitsgruppe enthaltenen vielfältigen Kennzahlen liefern den Justizverwaltungen konkrete Anhaltspunkte dafür, welche Bereiche sie bevorzugt betrachten sollten.

4. Das Personalbedarfsberechnungssystem, dessen Struktur und Berechnungsgrundlagen bundeseinheitlich festgelegt wurden, muss für länderübergreifende Analysen und Benchmarking-Vergleiche genutzt werden.

5. Die in diesen Vergleichen aufgezeigten Optimierungspotenziale müssen durch Detailanalysen verifiziert, der Personaleinsatz anschließend angepasst werden.

6 Stellungnahme des Ministeriums

Das Justizministerium stimmt der Grundaussage des Rechnungshofs zu, dass dem Benchmarking in der Justiz eine wichtige Funktion zukomme. Es äußert Bedenken gegen die geforderten länderübergreifenden Benchmark-Vergleiche auf Grundlage von PEBB§Y. Zur Begründung wird angeführt, dass es sich dabei um mathematische Zahlenvergleiche handle, bei denen die qualitativen Aspekte der Aufgabenerledigung, die unterschiedliche Aufbau- und Ablauforganisation sowie sonstige Erfahrungswerte der Länder nicht berücksichtigt würden. Unmittelbare Schlüsse zu Personaleinsparungen könnten daraus nicht abgeleitet werden. Grundsätzlich seien Benchmark-Vergleiche nur landesintern auf Behördenebene sinnvoll, da dort die hierfür relevanten Entscheidungen getroffen werden könnten. Das Ministerium halte ein länderübergreifendes Benchmarking bei Behörden für sinnvoll, denen ein geeigneter Vergleichspartner innerhalb des Landes fehle. Es habe solche Vergleiche bereits auf Bundesebene initiiert. Deckungsgrade von unter 100 % seien kein Hinweis darauf, dass die Basiszahlen zu hoch sind. In diesen Bereichen bestehe eine Personalunterversorgung.

7 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof bleibt bei seinen Empfehlungen. Dies gilt besonders für die Forderung nach länderübergreifenden Benchmark-Vergleichen auf der

Grundlage bundesweit gültiger Basiszahlen. Ein bundeseinheitliches Personalbedarfsberechnungssystem muss nutzbare länderübergreifende Vergleiche ermöglichen. Das insoweit vorhandene Potenzial von PEBB§Y wird bisher nicht genutzt. Die Benchmark-Vergleiche ergeben zwar keine unmittelbar bezifferbaren Personaleinsparungen, sie liefern jedoch wichtige Hinweise auf Optimierungspotenziale. Die auffälligen Aufgabenbereiche sind zu untersuchen, die Basiszahlen anzupassen.

Der Rechnungshof sieht die Steuerung des Personaleinsatzes in der Justiz mit PEBB§Y als positives Beispiel für die Landesverwaltung. Das Personal kann auf die Dienststellen ausgewogen verteilt werden. In die ermittelten Basiszahlen zur Personalbemessung haben bislang aufbauorganisatorische Gesichtspunkte, Prozessabläufe und unterschiedliche IuK-Strukturen nur eingeschränkt Eingang gefunden. Diese Aspekte spiegeln sich in den hohen Spannbreiten der

Deckungsgrade wider. Zukünftig sollte bei der Anwendung von PEBB§Y-Basiszahlen verstärkt auf optimierte Verfahrensabläufe Wert gelegt werden.


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Das Defizit im Justizhaushalt ist seit 2003 um 87 Mio. Euro gestiegen. Statt die Einnahmen um 7 Mio. Euro zu verbessern, brachte das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz zusätzliche Ausgaben von 34 Mio. Euro. Der Bundesgesetzgeber sollte die Gerichtsgebühren erhöhen und die Auslagen in Rechtssachen begrenzen.


1 Entwicklung des Justizhaushalts

Der Rechnungshof hat die Entwicklung des Justizhaushalts seit 2003 analysiert. Das Ergebnis ist in Tabelle 1 dargestellt.

2009-B014-Tab1.jpg

Das jährliche Defizit stieg zwischen 2003 und 2008 um 87 Mio. Euro. Der Deckungsgrad sank von 55 % auf 51 %.

2 Gebühren

Die Justiz erhebt für ihre Dienstleistungen grundsätzlich Gebühren.

Der Rechnungshof hat in der ordentlichen Gerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten untersucht, ob die Kosten von den Gebühren gedeckt werden können. Außer Betracht blieben der Justizvollzug und der Notariats- und Grundbuchbereich.

Gebühren sollen regelmäßig die Kosten decken. Dabei ist der verfassungsrechtliche Justizgewährungsanspruch zu beachten. Danach hat der Einzelne einen Anspruch darauf, seine Rechte durch unabhängige Richter feststellen zu lassen. Die Prozesskostenhilfe ermöglicht mittellosen Betroffenen den Gang vor ein Gericht. Sie sichert damit auch den Justizgewährungsanspruch.

Die Gebühren dürfen nach dem Äquivalenzprinzip in keinem Missverhältnis zu der vom Staat gebotenen Leistung stehen. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit, die Gebühren nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Rechtsuchenden unterschiedlich auszugestalten.

Gerichtsgebühren sind, wie die Rechtsanwaltsgebühren, im Grundsatz Wertgebühren. Sie steigen mit dem Streitwert. Die Abbildung zeigt den Vergleich zwischen den Gebühren nach dem Gerichtskostengesetz und den Gebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.

2009-B014-Abb.jpg

Die Gebühren der Rechtsanwälte liegen bei Streitwerten bis 500.000 Euro höher als die vom Staat erhobenen Gebühren. Bis zu einem Streitwert von 50.000 Euro steigen die Gerichtsgebühren wesentlich geringer als die Anwaltsgebühren. Der Bundesgesetzgeber könnte die Gerichtsgebühren den Rechtsanwaltsgebühren annähern, ohne den Justizgewährungsanspruch zu verletzen.

Die Gebühren sind je nach Verfahren unterschiedlich hoch. Die Justiz erhebt bei Zivilverfahren mit einem Streitwert von bis zu 300 Euro eine Gebühr von 75 Euro. In Familiensachen beträgt die entsprechende Gebühr 50 Euro. Die Gebührentabelle wurde zuletzt zum 01.07.1994 angepasst. Mit dem Kostenrechtsmodernisierungsgesetz wurden zum 01.07.2004 lediglich ausgewählte Gebühren erhöht.

3 Gerichtsgebühren in einzelnen Bereichen

In den untersuchten Bereichen hat der Rechnungshof unterschiedliche Defizite und Deckungsgrade festgestellt (siehe Tabelle 2).

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Ein Deckungsgrad von 100 % wurde in keinem Bereich erreicht. Die Prozesskostenhilfe verursacht nur einen Teil des Defizits.

Der Rechnungshof sieht in folgenden Bereichen Handlungsbedarf:

  • In Zivilsachen wurde ein Deckungsgrad von 69 % erreicht. Das Defizit betrug 41 Mio. Euro.

 

  • Die Gerichtsgebühren für Bußgeldverfahren in Verkehrssachen deckten 12 % der Kosten. Die Gebühren betragen derzeit 10 % der Geldbuße. Der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid wird häufig zurückgenommen. Bis zur Hauptverhandlung ist die Rücknahme gebührenfrei.

 

  • Bei den Gerichtsvollziehern ergab sich ein Defizit des Landes von 26 Mio. Euro.

 

  • In der Sozialgerichtsbarkeit besteht weitgehende Kostenfreiheit. Der Deckungsgrad betrug 13 %. Mehrere Gesetzesinitiativen des Bundesrats zur Einnahmeverbesserung waren bislang erfolglos.

 

  • Die Gerichtsgebühren in der Arbeitsgerichtsbarkeit sind niedriger als in Zivilverfahren. Die Mindestgebühr für ein Gerichtsverfahren beträgt 50 Euro. Die Verfahren endeten zu 62 % mit einem Vergleich. Bei Vergleichen entstehen keine Gerichtsgebühren.

 

  • In der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit lag der Deckungsgrad der Gerichtsgebühren bei 19 % bzw. 20 %. In der Finanzgerichtsbarkeit fallen keine Gebühren an, wenn die Klage Erfolg hat. Eine Kostendeckung wird auch ohne Berücksichtigung dieser Verfahren nicht erreicht.

4 Auswirkungen des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes

Die Höhe der Gerichtsgebühren hängt fast vollständig von Bundesgesetzen ab. Bei den Justizausgaben werden die Auslagen in Rechtssachen bundesgesetzlich geregelt. Das sind beispielsweise die Prozesskostenhilfe sowie die Ausgaben für Pflichtverteidiger, Sachverständige, Dolmetscher, Zeugen und Betreuer. Die Auslagen in Rechtssachen machen 16 % der Justizausgaben aus. Ein Teil dieser Auslagen wird dem Land von den Kostenschuldnern erstattet.

Der Bundesgesetzgeber hat die Gerichtsgebühren und die Auslagen in Rechtssachen zum 01.07.2004 mit dem Kostenrechtsmodernisierungsgesetz teilweise angepasst. Mit diesem Gesetz sollte die Finanzsituation der Länder um 55 Mio. Euro verbessert werden. Die Länder forderten im Gesetzgebungsverfahren deutlich höhere Einnahmeverbesserungen, konnten diese aber nicht durchsetzen.

Die Bundesregierung hat im Gesetzgebungsverfahren eine Überprüfung der vorausberechneten Auswirkungen angekündigt. Das Bundesministerium der Justiz hat 2006 eine Länderumfrage durchgeführt. Eine Auswertung der Umfrage liegt dem Justizministerium Baden-Württemberg nicht vor.

Ein Vergleich der dem Rechnungshof vorliegenden Einzelmeldungen von 14 der 16 Länder zeigt, dass sich das Defizit 2005 gegenüber 2003 um 177 Mio. Euro erhöht hat. Per saldo ergab sich gegenüber der Prognose bei diesen Ländern ein Finanzierungsdefizit von 232 Mio. Euro. In Baden-Württemberg erhöhte sich das Defizit um 34 Mio. Euro. Gegenüber den prognostizierten Mehreinnahmen von 7 Mio. Euro ergibt sich per saldo ein Fehlbetrag von 41 Mio. Euro. Es sind bislang keine Initiativen ersichtlich, diese Fehlentwicklung zu korrigieren.

5 Auslagen des Landes in Rechtssachen

Die Auslagen in Rechtssachen sind stark gestiegen:

  • Die Ausgaben für die Prozesskostenhilfe sind in der ordentlichen Gerichtsbarkeit zwischen 1981 und 2007 von 9 Mio. Euro auf 47 Mio. Euro gestiegen.

 

  • Im gleichen Zeitraum erhöhten sich die Ausgaben für die Beratungshilfe von 0,1 Mio. Euro auf 9,3 Mio. Euro.

 

  • Die Betreuerausgaben sind von 1992 bis 2007 von 0,3 Mio. Euro auf 41 Mio. Euro gestiegen. Dazu trug auch die Betreuungsrechtsreform 2005 bei. Eine Evaluation der Reform steht an.

 

  • Die Ausgaben für Pflichtverteidiger und in Strafverfahren beigeordnete Rechtsanwälte stiegen zwischen 2003 und 2007 von 7,8 Mio. Euro auf 16,5 Mio. Euro.

Der Bundesgesetzgeber hat bei den Auslagen in Rechtssachen Initiativen der Länder (noch) nicht umgesetzt, mit denen die Ausgaben begrenzt werden sollen:

  • Der Bundesrat hat im Mai 2006 den Entwurf eines Prozesskostenhilfebegrenzungsgesetzes in den Bundestag eingebracht. Eine abschließende Behandlung im Bundestag steht noch aus.

 

  • Der Bundesrat hat 2008 den Gesetzentwurf zur Kostenbegrenzung in der Beratungshilfe in den Bundestag eingebracht. Der Bundestag hat bislang nicht darüber beraten.

Andere Gesetzesänderungen, die beschlossen sind oder noch beraten werden, lassen höhere Ausgaben erwarten:

  • Beim Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind Ausgabensteigerungen nicht auszuschließen.

 

  • Das Gesetz zur Neuordnung der Entschädigung von Telekommunikationsunternehmen für die Heranziehung im Rahmen der Strafverfolgung lässt weitere Ausgabensteigerungen befürchten.

 

  • Die Sachverständigengebühren nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz werden derzeit überprüft. Ausgabensteigerungen sind nicht auszuschließen.

6 Empfehlungen des Rechnungshofs

Der Rechnungshof fordert, das Defizit im Justizhaushalt deutlich zu reduzieren. Das Land sollte sich auf Bundesebene mit Nachdruck dafür einsetzen, dass Gebühren erhöht und Ausgaben bei den Auslagen in Rechtssachen begrenzt werden. Dabei sollte mindestens das Finanzvolumen erreicht werden, das dem durch das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz verursachten zusätzlichen

Defizit entspricht. Dieses Defizit summiert sich bei 14 der 16 Länder auf 232 Mio. Euro, siehe Punkt 4, letzter Absatz.

Im Einzelnen schlägt der Rechnungshof vor:

  • Die Wert- und Festgebühren in der Justiz sollten allgemein angehoben werden. Dem steht der Justizgewährungsanspruch nicht entgegen.

 

  • Die Gebühren in Zivilverfahren sollten die Kosten decken. Lediglich die durch Prozesskostenhilfe entstehenden Defizite sind hinzunehmen. Prozesskostenhilfe wird nur in 5 % der Verfahren bewilligt.

 

  • Die Gebühren in Bußgeldverfahren sind deutlich zu erhöhen. Wenn ein Einspruch vor der Hauptverhandlung zurückgenommen wird, sollte eine Gebühr erhoben werden. Insbesondere in Verkehrssachen sind kostendeckende Gebühren zu erheben.

 

  • Die zuletzt 2001 festgesetzten Gebühren der Gerichtsvollzieher sollten erhöht werden.

 

  • Die Kostenfreiheit in der Sozialgerichtsbarkeit sollte entsprechend den vom Bundesrat beschlossenen Gesetzentwürfen aufgegeben werden.

 

  • In der Arbeitsgerichtsbarkeit sollte die Gebührenabsenkung beseitigt und die völlige Gebührenfreiheit bei Vergleichen aufgehoben werden.

 

  • Der Deckungsgrad in der Verwaltungsgerichtsbarkeit und der Finanzgerichtsbarkeit ist zu erhöhen.

 

  • Die Gesetzentwürfe zur Kostenbegrenzung in der Prozesskostenhilfe und der Beratungshilfe sollten weiter verfolgt werden.

 

  • Im Betreuungsrecht sind Kosten dämpfende Maßnahmen zu beschließen.

 

  • Ein weiterer Anstieg der Auslagen in Rechtssachen muss vermieden werden.

7 Stellungnahme des Ministeriums

Das Justizministerium führt aus, es stimme mit dem Rechnungshof überein, dass die Finanzlage des Justizhaushalts verbessert werden sollte. Es habe bereits in der Vergangenheit gegenüber dem Bundesgesetzgeber zahlreiche Initiativen hierzu ergriffen.

8 Schlussbemerkung

Die Länder unternehmen erhebliche Anstrengungen, ihre Haushalte zu konsolidieren. Gleichwohl räumt Baden-Württemberg einer leistungsfähigen Justiz einen hohen Stellenwert ein und hat die Justiz - im Gegensatz zu anderen Bereichen - von weiteren Personaleinsparungen weitgehend ausgenommen. Die finanzielle Leistungsfähigkeit der Länder stößt aber dann an ihre Grenze, wenn die Gebühreneinnahmen in der Justiz nicht angemessen erhöht werden und die Auslagen in Rechtssachen weiter explodieren. In Baden-Württemberg ist durch das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz gegenüber der Prognose ein Finanzierungsdefizit von 41 Mio. Euro entstanden. Dieser Betrag entspricht den Kosten von fast 500 Richterstellen, berechnet auf Basis der Verwaltungsvorschrift des Finanzministeriums VwV-Kostenfestlegung.

Wenn der Bundesgesetzgeber eine leistungsfähige Justiz erhalten will, müssen die Vorschläge der Länder in den Gesetzgebungsverfahren angemessen berücksichtigt werden. Das Justizministerium sollte zudem eine Initiative auf Bundesebene ergreifen, um das durch das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz entstandene Finanzierungsdefizit auszugleichen.


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Einzelplan 07: Wirtschaftsministerium

Das Land sollte die Vertragsforschungseinrichtungen zielorientiert fördern. Ihre finanzielle Abhängigkeit vom Land als Zuwendungsgeber ist zu verringern, indem verstärkt Industrieaufträge akquiriert werden. Die Institute müssen intensiver zusammenarbeiten. Öffentlichkeitsarbeit und Controlling sind zu optimieren.


1 Ausgangslage

Die wirtschaftsnahe Forschung und Entwicklung ist ein Kernbereich der Mittelstandsförderung. Das Land fördert wirtschaftsnahe Forschungseinrichtungen und Vorhaben der wirtschaftsnahen Forschung und technischen Entwicklung sowie deren Umsetzung in die betriebliche Praxis (§ 12 des Gesetzes zur Mittelstandsförderung). Hierzu zählen die Vertragsforschungseinrichtungen an Universitäten - sogenannte An-Institute -. Sie sollen dazu beitragen, die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) wettbewerbsfähig zu machen.

Die Wirkung der Landesförderung von 1990 bis 1997 hatte der Rechnungshof 1999 untersucht. In seiner Beratenden Äußerung an den Landtag vom 20.12.1999 empfahl er der Landesregierung insbesondere, auf Basis einer Fachevaluation ein strategisches Handlungskonzept zu erarbeiten. Er hat weiter vorgeschlagen, dass sich die Institute zu höchstens einem Drittel durch institutionelle Förderung (Betriebskostenzuschuss) und zwei Dritteln durch Einnahmen aus Forschungs- und Entwicklungsaufträgen finanzieren. Der Anteil aus Industrieaufträgen sollte auf mindestens ein Drittel der Gesamtfinanzierung erhöht werden. Der Landtag folgte den Empfehlungen des Rechnungshofs und hat den Bericht der Landesregierung über deren Umsetzung am 06.05.2004 zur Kenntnis genommen.

Aufgrund einer Fachevaluation und der schwierigen Haushaltslage hat sich das Land 2004 aus der Förderung zweier Institute zurückgezogen. Diese wurden daraufhin geschlossen.

2 Feststellungen

2.1 Prüfungszeitraum und Prüfungsgegenstand

Die Prüfung erstreckte sich auf die Jahre 1998 bis 2007.

Auf Grundlage der früheren Empfehlungen des Rechnungshofs und der Zusagen der Landesregierung wurde gefragt: Wie setzen sich die Einnahmen zusammen? Wie hat sich der Anteil der industriellen Aufträge verändert? Konnte der Technologietransfer in die mittelständische Wirtschaft gesteigert werden? Wie hoch ist der künftige Investitionsbedarf? Wie wurde in den Instituten das Controlling aufgebaut und weiter entwickelt?

Geprüft wurden folgende Vertragsforschungseinrichtungen, die technologisch unterschiedlich ausgestattet und finanziell und organisatorisch verschieden strukturiert sind:

  • das Forschungszentrum Informatik an der Universität Karlsruhe (FZI),

 

  • das Institut für Mikroaufbautechnik in Stuttgart der Hahn-Schickard-Gesellschaft für angewandte Forschung e. V. (HSG-IMAT),

 

  • das Institut für Mikro- und Informationstechnik in Villingen-Schwenningen der Hahn-Schickard-Gesellschaft für angewandte Forschung e. V. (HSG-IMIT),

 

  • das Institut für Lasertechnologien in der Medizin und Messtechnik an der Universität Ulm (ILM),

 

  • das Institut für Mikroelektronik Stuttgart (IMS),

 

  • das Naturwissenschaftliche und Medizinische Institut an der Universität Tübingen in Reutlingen (NMI),

 

  • das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg in Stuttgart und Ulm (ZSW).

2.2 Struktur der Finanzierung

Die Institute finanzieren sich durch institutionelle Förderung des Landes (Betriebskostenzuschuss sowie bei Bedarf Investitionskostenzuschüsse), Forschungs- und Entwicklungsaufträge öffentlicher und industrieller Auftraggeber sowie sonstige Einnahmen. Einzelne Institute erhalten zusätzlich Beiträge von Stifterfirmen und Mitgliedern. Öffentliche Auftraggeber können sein die Europäische Union, der Bund, das Land und Andere.

Von 1990 bis 2007 haben die sieben Vertragsforschungseinrichtungen (ohne die beiden 2004 geschlossenen Institute) insgesamt 850 Mio. Euro Einnahmen erzielt. Mehr als 600 Mio. Euro sind öffentliche Mittel, davon 380 Mio. Euro

Landesmittel. Knapp 250 Mio. Euro stammen aus Industrieaufträgen, von Stifterfirmen, aus Mitgliedsbeiträgen und sonstigen Einnahmen. Im aktuellen Prüfungszeitraum 1998 bis 2007 wurden 540 Mio. Euro Gesamteinnahmen erzielt. Diese setzen sich zusammen aus 360 Mio. Euro öffentlichen Mitteln, 150 Mio. Euro Industrieaufträgen und 30 Mio. Euro von Stifterfirmen, Mitgliedsbeiträgen und sonstigen Einnahmen. In den öffentlichen Mitteln sind 250 Mio. Euro Landesmittel enthalten für Betriebskostenzuschüsse 175 Mio. Euro, Investitionskostenzuschüsse 50 Mio. Euro und für Projektförderung 25 Mio. Euro.

Die Entwicklung der Einrichtungen 1990 bis 2007 zeigt Tabelle 1.

2009-B015-Tab1.jpg

Wenn der Quotient der Einnahmen aus Forschungs- und Entwicklungsaufträgen und Betriebskostenzuschuss (Tabelle 1, Spalte 3) gleich oder größer als 2 ist, ist die Forderung nach Drittelfinanzierung erfüllt. Diese Zielsetzung wurde im gesamten aktuellen Prüfungszeitraum von drei Instituten (HSG-IMIT, ILM, IMS) nicht durchgängig erfüllt. Allerdings haben ab dem Jahr 2004 das HSG-IMIT und das IMS ihre Einnahmen gesteigert und die Vorgabe erfüllt.

Die weitere Empfehlung des Rechnungshofs, die Industrieeinnahmen sollten mindestens dem Betriebskostenzuschuss entsprechen, ist dann erfüllt, wenn der Quotient gleich oder größer als 1 ist. Obwohl der Mittelwert bei den Instituten zum Teil noch unter 1 liegt - beim ILM nur bei 0,5 - hatten 2007 bis auf dieses Institut alle diese Forderung erfüllt (Tabelle 1, Spalte 3, Werte in Klammern).

Die finanzielle Abhängigkeit der Institute von öffentlichen Mitteln konnte verglichen mit dem früheren Untersuchungszeitraum verringert werden. Die Einnahmen von der öffentlichen Hand stiegen zwar von durchschnittlich 31 Mio. Euro auf 36 Mio. Euro jährlich. Da die Einnahmen aus Industrieaufträgen um durchschnittlich 9 Mio. Euro jährlich stiegen, konnte der Finanzierungsanteil der öffentlichen Hand gegenüber dem früheren Untersuchungszeitraum von 81 % auf 67 % verringert werden. Beim NMI und HSG-IMIT ging dieser Anteil sogar um mehr als 20 Prozentpunkte zurück. Nur beim ILM erhöhte er sich um mehr als fünf Prozentpunkte (Tabelle 1, Spalte 4).

2.3 Deckung der Personal- und Sachkosten durch Einnahmen aus Forschungs- und Entwicklungsaufträgen

Aufträge müssen mindestens kostendeckend kalkuliert sein. Bei öffentlichen Aufträgen erhält ein Institut keine 100 %-Finanzierung, sondern es bedarf weiterer Deckungsmittel. Vielfach werden diese dem Betriebskostenzuschuss des Landes entnommen. Der Kostendeckungsgrad ist bei den einzelnen Instituten unterschiedlich. Insgesamt betrachtet konnten die Institute im Untersuchungszeitraum im Jahresdurchschnitt ihre Personal- und Sachkosten durch Forschungs- und Entwicklungsaufträge zu 75 % decken. Dieser Wert liegt um 14 Prozentpunkte über dem des früheren Untersuchungszeitraums. Das ZSW trug zu dieser Steigerung wesentlich bei. Es konnte den Kostendeckungsgrad um 42 Prozentpunkte gegenüber dem früheren Untersuchungszeitraum steigern. Ausgenommen ILM und HSG-IMAT zeigten sämtliche Institute ab 2005 erhebliche Verbesserungen (Tabelle 1, Spalte 5).

2.4 Technologietransfer in die mittelständische Wirtschaft

Die Institute sollen ihr Know-how möglichst breit und zügig in die Wirtschaft, insbesondere in die mittelständische Industrie übertragen. Der Transfer von Wissen auf diese Unternehmen geschieht durch deren Beteiligung an Forschungs- und Entwicklungsprojekten oder an Industrieaufträge. Das können Einzel- oder Verbundprojekte sein. Nur bei den beiden Instituten der Hahn-Schickard-Gesellschaft und dem FZI entfallen über die Hälfte der Auftragswerte von Industrieaufträgen auf kleine und mittlere Unternehmen. Das ZSW nimmt insoweit eine Sonderstellung ein, als seine Forschungsbereiche eine Vernetzung mit größeren Unternehmen erfordern. Bei den übrigen Instituten waren zwar bei mehr als der Hälfte der Industrieaufträge kleine und mittlere Unternehmen beteiligt. Doch der Auftragswert betrug nur ein Viertel des Wertes aller Industrieaufträge. Das deutet auf eine Vielzahl von Kleinaufträgen hin. In der Summe aller Institute (ohne ZSW) macht der Anteil der kleinen und mittleren Unternehmen an den Einnahmen aus Industrieaufträgen 46 % aus. Bei den Auftragszahlen liegen alle Institute deutlich über 50 % (Spalte 6).

2.5 Investitionen

Die Institute haben einen erheblichen Investitionsbedarf. Ihre Ausstattung muss sich auf neuestem technischen Stand und auf höchstem Standard befinden, damit sie leistungs- und wettbewerbsfähig bleiben.

Von 1998 bis 2007 erhielten die Institute vom Land 50 Mio. Euro Investitionskostenzuschüsse, durchschnittlich 5 Mio. Euro je Jahr. Von 1990 bis 1997 waren es 44 Mio. Euro, durchschnittlich 5,5 Mio. Euro je Jahr. Die Gesamtsumme aller Investitionskostenzuschüsse von 1990 bis 2007 beträgt 94 Mio. Euro. Zusätzlich hat die Landesstiftung Baden-Württemberg gGmbH Investitionskostenzuschüsse gewährt. Steuerliche Regelungen führten hier allerdings zu Bindungen an gemeinnützige Projekte, die die Institute in ihrem Handlungsspielraum einengten. Die wirtschaftliche Nutzung der Investitionen wurde dadurch beeinträchtigt.

Die Institute haben für den Zeitraum 2008 bis 2012 einen Investitionsbedarf von knapp 70 Mio. Euro prognostiziert. Zudem ist beim IMS nach 2012 eine Ersatzbeschaffung von 12,5 Mio. Euro notwendig.

Tabelle 2 zeigt den Investitionsbedarf der einzelnen Institute, der ohne Unterstützung des Landes nicht finanzierbar ist.

2009-B015-Tab2.jpg

2.6 Controlling

Die Qualität des Controllings in den einzelnen Instituten ist sehr unterschiedlich. Die HSG-Institute und das NMI haben vorbildliche Lösungen entwickelt. Insbesondere das Projektcontrolling wurde dort gut gelöst. Ihr optimiertes Controlling ermöglicht, die Projektabwicklung transparent darzustellen. Bei anderen Instituten gestaltet es sich teilweise schwierig und langwierig, die erforderlichen Kennzahlen und Wirtschaftsdaten in Einzelfällen zu erheben.

3 Fachevaluation

Nach Absprache mit dem Rechnungshof beauftragte das Wirtschaftsministerium erneut eine Gutachterkommission mit der Fachevaluation der Institute. In ihrem Gutachten vom August 2008 bestätigte sie den Instituten eine besondere Funktion in der baden-württembergischen Forschungslandschaft. Im Interesse der Wirtschaft seien sie notwendig. Damit sie wettbewerbsfähig blieben, müssten unter anderem die Grundfinanzierung erhöht und nötige Investitionen vorgenommen werden. Die Öffentlichkeitsarbeit solle intensiviert und koordiniert werden. Die Vermarktung sei noch verbesserungsfähig. Insgesamt sollten die Institute verstärkt zusammenarbeiten und sich über erfolgreiche Strategien und Controllingaktivitäten austauschen.

4 Empfehlungen

4.1 Allgemein

Der Rechnungshof hat sich in Einzelberichten an die Institute zu grundsätzlichen Problemen geäußert und Empfehlungen gegeben. Einige Empfehlungen aus der Beratenden Äußerung des Rechnungshofs von 1999 und der ersten Fachevaluation von 2000 waren auch 2008 noch nicht voll umgesetzt. Dies wurde durch die Fachevaluation vom August 2008 bestätigt.

4.2 Mehr industrielle Aufträge akquirieren

Das Wirtschaftsministerium sollte seine Förderung davon abhängig machen, dass die Institute mehr industrielle Aufträge akquirieren. Daran sollten die kleinen und mittleren Unternehmen verstärkt beteiligt werden. Einen Anreiz dafür könnte eine der Haushaltssituation angepasste Variante der vom Ministerium seinerzeit vorgeschlagenen Bonus-/Malusregelung bieten.

4.3 Zusammenarbeit verstärken und Marketing verbessern

Indem die Institute intensiv mit der lokalen und regionalen Industrie zusammenarbeiten und öffentlich erkennbare Allianzen bilden, können sie ihr forschungspolitisches Gewicht stärken. Sie sollten ihre Erfahrungen und Leistungen austauschen und gemeinsame Problemlösungen anstreben. So können Doppelarbeiten verhindert und Schwachpunkte ausgeglichen werden.

Die Institutsleistungen wurden im Untersuchungszeitraum in unterschiedlichem Maße vermarktet. Auf der Grundlage der früheren Empfehlungen des Rechnungshofs und der Fachevaluation hatten die Institute zwar einen Maßnahmenkatalog erstellt. Dennoch ist die Außendarstellung weiter zu optimieren. Besonders für die lokale und regionale Industrie müssen die Industrieleistungen noch deutlicher sichtbar und wahrnehmbar werden.

4.4 Nötige Mittel für institutionelle Förderung sichern und strategisch verteilen

Das Wirtschaftsministerium sollte - gegebenenfalls unter Einbeziehung des so genannten Konjunkturpakets II - ein Konzept erstellen, wie die institutionelle Förderung (Betriebskostenzuschuss) und die Finanzierung nötiger Investitionen dauerhaft gesichert werden können. Sollten die Mittel nicht für alle Institute ausreichen, müsste gegebenenfalls die Förderung für einzelne eingestellt werden, um nicht die gesamte Forschungslandschaft zu gefährden.

4.5 Controlling vereinheitlichen und verbessern

Das Wirtschaftsministerium sollte darauf hinwirken, dass Institute sich auf ein einheitliches integriertes Rechnungslegungssystem (Finanzbuchhaltung, Kalkulation, Controlling, Personalbuchhaltung) verständigen. Als Vorbild könnte die Lösung der Institute der Hahn-Schickard-Gesellschaft dienen. Sollte die Anschaffung einer neuen einheitlichen Software wirtschaftlicher sein, ist diese Lösung zu bevorzugen.

5 Stellungnahme des Ministeriums

Das Wirtschaftsministerium hebt hervor, die Forschungseinrichtungen hätten sich im Jahr 2007 in der Innovationsallianz Baden-Württemberg zusammengefunden. Ziel sei, ihre Zusammenarbeit zu stärken und die Leistungen besser zu vermarkten. Die Institute hätten die ihnen erteilten Empfehlungen zur Verbesserung der Außendarstellung im Großen und Ganzen berücksichtigt. Die Außendarstellung zu verbessern, bleibe Daueraufgabe der Institute.

Bezogen auf den Prüfungszeitraum 1998 bis 2007 seien deutliche Verbesserungen der Finanzierungsstruktur der Institute festzustellen. Der Zweidrittelanteil Eigenfinanzierung aus der Industrie und wettbewerblicher Forschungsmittelvergabe sei mit einer Ausnahme mittlerweile überall erreicht und sogar übertroffen.

Das Ministerium weist im Zusammenhang einer Einnahmensteigerung aus Industrieaufträgen auf die möglichen steuerrechtlichen Probleme der Gemeinnützigkeit hin. Es sieht zudem die Gefahr, dass die Institute in die reine Auftragsforschung abdriften könnten und dadurch die Vorlaufforschung als zentrales Alleinstellungsmerkmal der Institute gefährdet werde.

Ein Bonus-Malus-System könne bei der knapp bemessenen „Grundfinanzierung“ nur mit zusätzlichen Mitteln verwirklicht werden. Ein wirksames Anreizsystem dürfe die Leistungsfähigkeit von Instituten nicht durch zu geringe finanzielle Ausstattung gefährden. Es könne nur darin bestehen, dass „die erfolgreichen mehr und die weniger erfolgreichen weniger belohnt“ würden, „ohne sie zu bestrafen“. Im Haushaltsjahr 2004 seien zusätzlich bereitgestellte Fördermittel (KMU-Prämie) nach dem Umfang der Aufträge und Industrieeinnahmen von kleinen und mittleren Unternehmen bis 500 Beschäftigten an die Institute verteilt worden. Entsprechend sei in den Haushaltsjahren 2007 und 2008 mit zusätzlich bereitgestellten Mitteln verfahren worden.

Das Ministerium bewertet Kleinaufträge positiv für den Technologietransfer in die kleinen und mittleren Unternehmen. Sie seien Türöffner, häufig standardisierbar und würden in der Regel administrativ nicht überproportional belasten.

Die Haushaltspolitik des Wirtschaftsministeriums sei darauf ausgerichtet, die Grundfinanzierung der außeruniversitären Forschungseinrichtungen zu sichern und die Leistungsfähigkeit durch notwenige Investitionen zu gewährleisten. Für die Institute der Innovationsallianz habe die Landesregierung im Herbst 2008 eine Innovationsoffensive gestartet. Die Möglichkeiten des Konjunkturpakets II sollen hierzu genutzt werden. Mit den Förderungen aus dem Zukunftsinvestitionsprogramm und aus dem Europäischen Fond für regionale Entwicklung (EFRE) könne der Investitionsstau bei den Instituten wesentlich vermindert werden. Gleichzeitig würde damit auch die Möglichkeit eröffnet, neue strategische Felder zu erschließen.

Das Wirtschaftsministerium teilt die Auffassung des Rechnungshofs, dass ein stärker vereinheitlichtes integriertes Rechnungslegungssystem bei den Instituten wünschenswert sei. Die aus ersten Maßnahmen gewonnenen Erkenntnisse sollen einer weiteren Optimierung dieses Verfahrens dienen. Angestrebt werde, Verfahren und Standards zu vereinheitlichen.

6 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof anerkennt die Bemühungen, seine Empfehlungen und die der Gutachterkommission umzusetzen. Er sieht aber nach wie vor Optimierungsbedarf und möglichkeiten bei den Einnahmen aus Industrieaufträgen. Eine verstärkte Akquisition von Industriemitteln könnte dazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit der Institute zu erhalten.

Nach Auffassung des Rechnungshofs besteht durch die immer weitere Öffnung der Hochschulen in Richtung wirtschaftsnahe Forschung eine Konkurrenzsituation. Sie belegen auch Geschäftsfelder, die bisher die Institute allein abgedeckt haben. Das Wirtschaftsministerium wird daher kritisch zu prüfen haben, inwieweit einzelne Institute ihre spezifischen Aufgaben (Alleinstellungsmerkmale) als Wirtschaftsfördermaßnahme wirksam erfüllen.


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Das Förderverfahren dauert zu lange, ist zu kompliziert und verursacht zu hohe Kosten. Der Rechnungshof schlägt konkrete Verbesserungen vor.


1 Vorbemerkung

Das Denkmalschutzgesetz Baden-Württemberg verpflichtet Eigentümer und Besitzer, ihre Kulturdenkmale zu erhalten und pfleglich zu behandeln. 2007 bewilligte das Land für denkmalbedingte Mehrkosten Zuwendungen von 13,5 Mio. Euro. Bis Mitte der Neunzigerjahre waren dies jährlich bis zu 30,9 Mio. Euro.

Antragsteller müssen ihre Zuwendungsanträge vor Beginn der Maßnahme beim zuständigen Regierungspräsidium einreichen. Die Anträge werden dort konservatorisch geprüft, die denkmalpflegerische Priorität der Maßnahme wird nach Punkten bewertet. Das Wirtschaftsministerium stellt auf der Grundlage der Programmvorschläge der Regierungspräsidien das jährliche Förderprogramm auf. Danach bewilligen die Regierungspräsidien die Zuwendungen.

Die Finanzkontrolle untersuchte landesweit die Förderung zur Erhaltung und Pflege von Kulturdenkmalen.

2 Unwirtschaftliches Förderverfahren

Die Verteilung der Fördermittel ist zeitintensiv und verursacht hohe Kosten.

Wesentliche Gründe dafür sind, dass

  • für Anträge nur ein Stichtag im Jahr eingerichtet ist und die Bewilligung dann in nur zwei Tranchen je Jahr erfolgt,

 

  • Förderanträge, die den Regelsatz überschreiten, sowohl von den Regierungspräsidien als auch vom Landesamt für Denkmalpflege geprüft werden sowie

 

  • die denkmalbedingten Mehrkosten aufwendig ermittelt werden.

Landesweit sind bei den vier Regierungspräsidien 12 Mitarbeiter mit dem Förderverfahren befasst. Jährlich könnten Personalkosten von mindestens 230.000 Euro vermieden werden. In einem der Regierungspräsidien werden etwa doppelt so viele Anträge wie jeweils bei den anderen bewilligt, bei nahezu gleicher Personalausstattung. Obwohl sich die Zuwendungen seit Mitte der Neunzigerjahre von 30,9 Mio. Euro auf 13,5 Mio. Euro verringert haben, blieb die personelle Besetzung in den Regierungspräsidien unverändert.

Die Regierungspräsidien arbeiten mit veralteten und unterschiedlichen DV-Programmen. Lediglich ein Regierungspräsidium kann mit seiner Software Auswertungen vornehmen. Derzeit entwickelt ein Regierungspräsidium eine einheitliche und zeitgemäße Förderdatenbank.

3 Unzulängliche Fördervorgaben

3.1 Bagatellgrenzen

Die festgelegten Bagatellgrenzen sind zu niedrig. Kommunen und Kirchen erhalten Zuwendungen, wenn die denkmalbedingten Mehraufwendungen 15.000 Euro übersteigen. Bei Privaten beträgt diese Grenze 1.500 Euro. Die Zahl der jährlichen Bescheide ließe sich deutlich verringern, wenn die Bagatellgrenzen angehoben würden.

Kleine Maßnahmen mit geringen denkmalbedingten Mehrausgaben, wie beispielsweise Wegkreuzen und Bildstöcken, verursachten den gleichen Verwaltungsaufwand wie Fördermaßnahmen mit hohen denkmalbedingten Mehrausgaben.

3.2 Eigenleistungen der Kirchen

Das Wirtschaftsministerium versäumte es, in den Fördervorgaben die Eigenleistungen der Kirchen zu regeln. Nach den Vorstellungen des Ministeriums sollen für Kirchen die Vorgaben für die Gemeinden analog gelten. Leistungen der Kirchenbauämter für Planung und Bauleitung sollen als zuwendungsfähige Ausgaben in Höhe des Tariflohns abzüglich 25 % anerkannt werden.

3.3 Vorbewilligungen

Ohne Rücksicht auf den Stichtag werden auch Maßnahmen im Jahr des Antrageingangs ins Förderprogramm aufgenommen und Zuwendungen bewilligt - Vorbewilligungen -. Sie sollen in der Regel für besonders kostenintensive Kulturdenkmale mit einer hohen Punktebewertung erteilt werden.

Das Wirtschaftsministerium nahm 2007, in Absprache mit dem Finanzministerium, fast ausschließlich kommunale Maßnahmen als Vorbewilligungen in das Förderprogramm auf. Der Grund für diese Auswahl war, dass die Mittel des kommunalen Finanzausgleichs um 1,2 Mio. Euro zulasten der Kommunen gekürzt wurden. Deshalb sollten 2007 die erhöhten Denkmalfördermittel von 1,2 Mio. Euro den Kommunen zugutekommen.

Diese kommunalen Maßnahmen waren geringer bewertet, als andere Maßnahmen von Privaten und Kirchen, welche trotz entscheidungsreifer Unterlagen nicht berücksichtigt wurden.

3.4 Münsterbauhütten

Die Aufwendungen der Münsterbauhütten Freiburg, Schwäbisch Gmünd und Ulm werden nach speziellen Grundsätzen und nicht nach den Förderrichtlinien gefördert. Die Förderungen sind teilweise nicht plausibel und uneinheitlich. Seit 2009 liegen die speziellen Fördervoraussetzungen für die Münsterbauhütte Schwäbisch Gmünd nicht mehr vor, da die Arbeiten am Münster 2008 beendet worden sind.

4 Fehlerhafte Umsetzung der Fördervorgaben

4.1 Denkmalpflegerische Priorität

In Einzelfällen bewerten die Regierungspräsidien die beantragten Fördermaßnahmen nicht objektiv nach dem denkmalpflegerischen Interesse und der Dringlichkeit der Maßnahme. In einem Fall beurteilte ein Regierungspräsidium die Maßnahme zunächst als nicht besonders dringlich. Zwei Wochen danach wurde die gleiche Maßnahme als „unaufschiebbar wegen drohenden Verlusts an historischer Substanz“ beurteilt.

4.2 Unbedenklichkeitsbescheinigungen

Die Regierungspräsidien stimmten in den meisten Fällen dem Beginn der Maßnahmen vor Bewilligung der Zuwendung zu und erteilten eine Unbedenklichkeitsbescheinigung. Damit ist die Ausnahme zur Regel geworden. Bereits 2001 und 2004 hat der Rechnungshof diese Praxis beanstandet.

4.3 Vorzeitiger Beginn einer Maßnahme

Einige Antragsteller bzw. Zuwendungsempfänger begannen mit der Maßnahme vor Bewilligung der Zuwendung oder vor Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung.

Erkannten die Regierungspräsidien solche Regelverstöße, lehnten sie weder die Anträge ab noch forderten sie die Zuwendungen in voller Höhe zurück. Stattdessen verminderten sie die zuwendungsfähigen Ausgaben lediglich um die Rechnungsbeträge, die vor dem Bewilligungsbescheid oder der Unbedenklichkeitsbescheinigung entstanden waren.

In einem Fall stellte ein Regierungspräsidium fest, dass eine Zuwendung von 43.100 Euro für die Restaurierung einer Orgel zu Unrecht bewilligt worden war. Der Zuwendungsempfänger hatte bereits vor der Unbedenklichkeitsbescheinigung einen Orgelbauvertrag abgeschlossen und eine erste Teilzahlung geleistet. Das Regierungspräsidium zahlte die restliche Zuwendung dennoch aus. Das ehemalige Landesdenkmalamt hatte hierzu Weisung gegeben.

4.4 Verminderung der zuwendungsfähigen Ausgaben

Verminderten sich nachträglich die zuwendungsfähigen Ausgaben, entschieden die Regierungspräsidien über Rückforderungen irrtümlich nach den Nebenbestimmungen der Landeshaushaltsordnung statt nach den besonderen Nebenbestimmungen der Förderung der Denkmalpflege. Deshalb verzichteten sie auf eine Rückforderung, wenn sich die Zuwendungen bei Privaten bis zu 1.000 Euro und bei Kommunen bis zu 2.500 Euro verminderten.

In einem der geprüften Fälle wurde mehr Fördergeld ausgezahlt, als zuwendungsfähige Kosten entstanden waren.

4.5 Eigenleistungen der Kommunen und Kirchen

Einige Kommunen und die Kirchen rechneten ihre Eigenleistungen nicht richtig ab. Die Regierungspräsidien beanstandeten die Verwendungsnachweise nicht. Entgegen den Fördervorgaben berechneten sie anstelle des Tariflohns die (höheren) ortsüblichen Entgelte oder das entsprechende Honorar für freiberuflich Tätige. Überdies wurde der Abzug von 25 % des Tariflohns dabei teilweise unterlassen.

5 Parallelität von Landesförderung und Steuerbegünstigung

Die Einkommens- und Vermögenssituation der Zuwendungsempfänger ist für die Entscheidung über die Förderanträge unerheblich. Der Regelfördersatz beträgt bei Zuwendungen an Private die Hälfte und bei Kirchen sowie bei Kommunen ein Drittel der denkmalbedingten Mehrkosten.

Neben der Landesförderung gibt es die - vor allem für Gutverdienende interessante - Förderung nach dem Einkommensteuergesetz. Danach werden nicht nur die denkmalbedingten Mehrkosten, sondern die Herstellungskosten für Baumaßnahmen insgesamt steuerlich besonders begünstigt, wenn sie nach Art und Umfang erforderlich sind, um das Gebäude als Baudenkmal zu erhalten oder sinnvoll zu nutzen. Auch Erhaltungsaufwendungen können steuerlich geltend gemacht werden. Zuschüsse aus öffentlichen Kassen vermindern die nach dem Einkommensteuergesetz geltend gemachten Kosten.

6 Empfehlungen

Die Untersuchungsergebnisse zeigen Handlungsbedarf. Der Rechnungshof hält es für notwendig,

  • das Förderverfahren zu vereinfachen, zu beschleunigen und mit weniger Personal durchzuführen,
  • die vorhandenen Landesmittel zielgerichteter einzusetzen sowie
  • die Fördervorgaben klar zu definieren und deren Einhaltung sicherzustellen.

Der Rechnungshof empfiehlt im Einzelnen,

  • mehrere Stichtage im Jahr festzulegen und Bewilligungen in mehr als zwei Tranchen je Jahr vorzunehmen,

 

  • auf Doppelprüfungen zu verzichten,

 

  • Kleindenkmale mit einem pauschalen Festbetrag und einem vereinfachten Verfahren zu fördern,

 

  • das Förderprogramm verwaltungsmäßig zentral abzuwickeln und so ein Viertel des Personals einzusparen,

 

  • die Bagatellgrenzen für Private auf 5.000 Euro sowie für Kirchen und Kommunen auf 50.000 Euro anzuheben,

 

  • die denkmalbedingten Mehrkosten auf der Grundlage der einschlägigen DIN 276 zu ermitteln und pauschal festzusetzen,

 

  • zu prüfen, inwieweit die Parallelität von Landesförderung und steuerlicher Förderung vermieden werden kann (z. B. Ausschluss der Landesförderung bei Inanspruchnahme der steuerlichen Möglichkeiten),

 

  • die Münsterbauhütten nach gleichen Grundsätzen zu fördern und die Zuwendungen für die Münsterbauhütte Schwäbisch Gmünd ab 2009 einzustellen.

7 Stellungnahme des Ministeriums

Das Wirtschaftsministerium beabsichtigt, bei der Neufassung der Verwaltungsvorschrift Denkmalförderung, die Anregungen des Rechnungshofs für ein schnelleres und effizienteres Verfahren umzusetzen.

Das Ministerium will alle Anstrengungen unternehmen, um die Personalintensität des Förderverfahrens zu verringern, um so auch möglichst Kapazitäten für die seit Jahren unterbesetzte Inventarisation und Datenerfassung umzuschichten. Zusammen mit einer vereinfachten Verwaltungsvorschrift Denkmalförderung könne die Fehlerhäufigkeit minimiert werden.

Das Förderverfahren für die Münsterbauhütten werde vorbehaltlich bestehender vertraglicher Abreden vereinheitlicht.

Das Ministerium werde den Vorschlag prüfen, inwieweit die Parallelität von Landesförderung und steuerlicher Förderung vermieden werden könne.


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Einzelplan 09: Ministerium für Arbeit und Soziales

Die neun Zentren für Psychiatrie halten in beträchtlichem Umfang Wohnraum für Bedienstete, Zivildienstleistende, Pflegeschüler und externe Mieter vor. Das jährliche Defizit von 2,7 Mio. Euro wird durch Zuschüsse aus dem Landeshaushalt vollständig gedeckt. Der Rechnungshof schlägt vor, den Bestand von Wohneinheiten deutlich zu reduzieren, die Kosten der Bewirtschaftung zu senken, die Auslastung und die Erlöse zu verbessern und auf diese Weise das Defizit zu halbieren.


1 Ausgangslage

Alle neun Zentren für Psychiatrie (Zentren) stellen ihren Beschäftigten sowie Schülern, Zivildienstleistenden und Gästen Wohnraum in Wohnheimen und in Ein- und Mehrfamilienhäusern zur Verfügung.

Anfang 2008 verfügten die Zentren über insgesamt 919 Wohneinheiten in Wohnheimen und über 71 Wohnungen in Ein- und Mehrfamilienhäusern. Sie verteilen sich auf 21 eigene Gebäude mit 206 Wohneinheiten und 34 angemietete Gebäude mit 784 Wohneinheiten.

Der Aufwand für die Bewirtschaftung des Wohnraums betrug 2007 insgesamt 4,9 Mio. Euro. Diesem Aufwand standen Erlöse in Höhe von 2,2 Mio. Euro gegenüber. Damit erwirtschafteten die Zentren durch das Vorhalten von Wohnraum ein Defizit von insgesamt 2,7 Mio. Euro.

Das Land leistet zum Ausgleich dieses Defizits einen jährlichen Zuschuss, der 2007 insgesamt 2,9 Mio. Euro betrug.

Der Rechnungshof hat 2008 die Bewirtschaftung dieser Wohneinheiten und Wohnungen geprüft. Ziel der Prüfung war es, Potenziale zur Verringerung des Defizits und damit auch des Landeszuschusses zu ermitteln.

2 Gründe für das Vorhalten des Wohnraums

In der Entstehungszeit der psychiatrischen Landeskrankenhäuser wurden auf deren Gelände Wohnheime und Wohnungen gebaut. Es gibt aber auch aktuelle strategische und operative Gründe dafür, bei den Kliniken Wohnraum bereitzuhalten:

  • Im Wettbewerb um Pflegekräfte und Ärzte kann das Angebot schnell verfügbaren und kostengünstigen Wohnraums den Ausschlag dafür geben, dass sich ein Bewerber für eine Beschäftigung in der jeweiligen Klinik entscheidet.

 

  • Die Zentren sind verpflichtet, für die von ihnen beschäftigten Zivildienstleistenden unentgeltliche Unterkünfte zur Verfügung zu stellen.

 

  • Krankenpflegeschüler aus somatischen Kliniken verbringen wenige Wochen ihrer Ausbildungszeit in einer psychiatrischen Klinik. In dieser Zeit müssen sie untergebracht werden. Zwischen den Kliniken besteht eine Vereinbarung, dass diese Unterbringung auf Gegenseitigkeit unentgeltlich erfolgt.

 

  • Personal, das auf dem Betriebsgelände wohnt, ist für Notfalleinsätze (Brandfall oder Entweichen eines Patienten) schnell verfügbar.

Schwer nachvollziehbar ist es dagegen, dass die Zentren Wohnraum vorhalten, damit er von ehemaligen Bediensteten oder von ehemaligen Patienten genutzt wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die von diesen Bewohnern geleisteten Mietzahlungen den Aufwand für die jeweilige Wohneinheit nicht decken.

3 Wesentliche Feststellungen

3.1 Bestand an Wohneinheiten und Wohnungen

Der vorgehaltene Wohnraum verteilt sich wie folgt auf die einzelnen Zentren für Psychiatrie:

2009-B017-Tab1.jpg

Eigentümerin der angemieteten Gebäude ist in den meisten Fällen die Landesbank Baden-Württemberg. In Calw gehören die angemieteten Gebäude der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (Versorgungsanstalt). Die meisten Mietverträge sind auf lange Frist oder auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.

Die Qualität des vorgehaltenen Wohnraums ist unterschiedlich: Während es sich bei den Einfamilienhäusern und den Wohnungen in der Regel um zeitgemäßen Wohnraum handelt, differiert die Qualität in den Wohnheimen stark. Etwa 70 % der Wohneinheiten in den Wohnheimen verfügen über eine eigene Kochgelegenheit und eigene sanitäre Anlagen. Starke Einschränkungen in der Qualität weisen vor allem die Wohnheime in Weinsberg, in Emmendingen und in Reichenau auf, zum Teil auch in Winnenden.

3.2 Auslastungsquote der Wohnheime

Die Auslastung der Wohnheimplätze errechnet sich aus dem Quotienten zwischen tatsächlichen und theoretisch möglichen Belegungstagen. Diese Quote ist an den einzelnen Standorten unterschiedlich.

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Die vergleichsweise guten Auslastungsquoten in Calw, Reichenau und Weissenau konnten nur dadurch erzielt werden, dass auch aktuelle oder ehemalige Patienten in den Wohneinheiten untergebracht wurden.

3.3 Kosten und Erlöse

Für die einzelnen Standorte ergeben sich folgende Kosten und Erlöse:

2009-B017-Tab3.jpg

Die monatlichen Kosten je m² Wohnraum bewegen sich in den Wohnheimen der Zentren zwischen 10,08 Euro (Wiesloch) und 19,47 Euro (Winnenden), bei den Wohnungen zwischen 5,15 Euro (Weinsberg) und 12,82 Euro (Wiesloch).

Die monatlichen Erlöse je m² Wohnraum betragen dagegen in den Wohnheimen zwischen 6,22 Euro (Calw) und 11,66 Euro (Weissenau), in den Wohnungen zwischen 4,01 Euro (Weinsberg) und 9,44 Euro (Wiesloch).

3.4 Zuschuss des Landes

Den erwirtschafteten Defiziten stehen bei den einzelnen Zentren feste Zuschüsse des Landes gegenüber, die sich an der Höhe der zu erwartenden Defizite orientieren.

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Soweit die einzelnen Zentren Zuschüsse erhalten, die die erwirtschafteten Defizite übersteigen, werden sie für allfällige Investitionen in den Folgejahren verwendet. Soweit die Zuschüsse hinter den Defiziten zurückbleiben, muss die Differenz aus dem Betriebsergebnis ausgeglichen werden.

4 Potenziale zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit

Die Prüfung hat folgende Potenziale ergeben, um die Wirtschaftlichkeit zu verbessern:

4.1 Wohnraumbestand reduzieren

Da jede Wohneinheit weniger Erlöse erbringt, als sie Kosten verursacht, ist die wichtigste Maßnahme zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit, den Bestand an Wohnraum zu reduzieren. Das Verhältnis von Erlösen und Kosten wird sich wegen des an allen Standorten offenkundigen Instandsetzungs- und Reinvestitionsbedarfs ohne Korrekturen eher noch verschlechtern.

An allen Standorten werden mehr Wohneinheiten vorgehalten, als sie aus rechtlichen und sozialen Gründen notwendig wären (z. B. für Zivildienstleistende oder Schüler). Dass ein beachtlicher Anteil der Wohnungen von ehemaligen Bediensteten und sogar von externen Dritten bewohnt wird, zeigt, dass auch die aus Gründen der Personalwerbung vorgehaltenen Wohnungen an Bedeutung verlieren.

Der Rechnungshof empfiehlt den Zentren für Psychiatrie, in den nächsten Jahren im Durchschnitt 40 % des vorgehaltenen Wohnraums abzubauen. Bei angemieteten Objekten müssen die Mietverhältnisse gekündigt werden. Bei eigenen Objekten ist eine Veräußerung der Wohnungen in Erwägung zu ziehen.

In jedem Einzelfall ist zu prüfen, ob das Vorhalten von Wohnraum noch zu rechtfertigen ist.

Wird der Wohnraumbestand um 40 % reduziert, könnten nach Berechnungen des Rechnungshofs per saldo 1,4 Mio. Euro jährlich eingespart werden.

4.2 Kosten senken

Um die Kosten effektiv steuern zu können, bedarf es einer belastbaren Kosten- und Leistungsrechnung, die es erlaubt, die Kosten der Wohneinheiten hinreichend genau zu bestimmen. Die Voraussetzungen dafür sind nicht an allen Standorten vorhanden. Probleme gibt es insbesondere in Calw.

Die von den Zentren an die Eigentümer entrichteten Mieten liegen teilweise deutlich über dem ortsüblichen Niveau. Das gilt umso mehr, wenn die schlechte Qualität vieler Wohnungen mit in Betracht gezogen wird. Soweit die Zentren Wohnungen angemietet haben und die Mietverhältnisse nicht ohnehin beendet werden sollen, müssen Verhandlungen über die Vereinbarung niedrigerer Mieten aufgenommen werden. In den drei oberschwäbischen Zentren für Psychiatrie konnten auf diese Weise bereits 2004 beachtliche Mietkostenreduzierungen erreicht werden.

Bei den Reinigungskosten für die gemeinschaftlich genutzten Anlagen in den Wohnheimen sind nach den Erfahrungen des Rechnungshofs ebenfalls noch deutliche Kostenreduzierungen möglich.

4.3 Erlöse verbessern

Die Personalwohnungen und Wohnheimplätze unterliegen nicht dem Tarifvertrag über Personalunterkünfte, da es sich nicht um Dienstwohnungen handelt. Die Zentren könnten daher anstelle der nach dem Tarifvertrag bemessenen Warmmiete eine ortsübliche Kaltmiete und die im Mietrecht üblichen Nebenkosten vereinbaren. Dazu zählen auch die bisher von den Zentren getragenen Reinigungskosten für die Gemeinschaftsflächen. Bei bestehenden Mietverhältnissen kann die Miete nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen bis zur ortsüblichen Miete erhöht werden.

Der Rechnungshof verkennt nicht, dass an einigen Standorten die ortsübliche Miete nicht wesentlich höher liegt als die bisher in Rechnung gestellten Beträge. Hier muss im Einzelfall geprüft werden, ob Mehreinnahmen möglich sind.

Weitere Erlössteigerungen sind möglich, wenn die Kosten des unentgeltlich vorzuhaltenden Wohnraums für einzelne Nutzer (z. B. Zivildienstleistende) der Abteilung in Rechnung gestellt werden, in der sie beschäftigt sind (interne Leistungsverrechnung).

Außerdem empfiehlt der Rechnungshof, die Auslastung der Wohneinheiten zu verbessern. Ein Zielwert von 85 % Auslastung (10 Monate Belegung) müsste bei einem entsprechenden Vermietungsmanagement an allen Standorten erreichbar sein.

4.4 Landeszuschuss reduzieren

Das Land ist nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen nicht verpflichtet, die durch die Wohnraumbewirtschaftung entstehenden Defizite bei den Zentren für Psychiatrie in voller Höhe zu tragen. Nach der seither geübten Praxis wurden die Defizite weitgehend aus Landesmitteln abdeckt. Deshalb hatten die Zentren nur einen begrenzten Anreiz, eigene Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit zu treffen.

Da die aufgezeigten Wirtschaftlichkeitspotenziale jedenfalls mittelfristig das Defizit auf die Hälfte reduzieren können, empfiehlt der Rechnungshof, die Zuschüsse aus dem Landeshaushalt beginnend ab 2012 in wenigen Schritten auf 50 % der 2009 gewährten Beträge zu reduzieren. Um die notwendige Planungssicherheit für die Zentren zu gewährleisten, sollte allerdings das System fester Zuschüsse beibehalten werden.

Dadurch ergibt sich im Landeshaushalt eine Einsparung in einer Größenordnung von 1,4 Mio. Euro jährlich. Zugleich erhalten die Zentren für Psychiatrie die notwendigen wirtschaftlichen Anreize, ihre Defizite im Bereich der Wohnraumbewirtschaftung nachhaltig abzusenken.

5 Besondere Situation in Calw

Eine wirtschaftlich besonders schwierige Situation hat sich beim Zentrum für Psychiatrie Calw ergeben. Das dort erwirtschaftete Defizit übersteigt die Defizite der anderen Zentren bei weitem. Nahezu 30 % des Landeszuschusses fließen deshalb nach Calw.

Die wesentliche Ursache des hohen Defizits sind Verträge, die das Land 1974 und 1975 mit der Versorgungsanstalt abgeschlossen hat und die für das Land rechtlich und wirtschaftlich sehr nachteilig sind. Das Ministerium für Arbeit und Soziales, das diese Verträge seinerzeit abgeschlossen hat, vereinbarte mit der Versorgungsanstalt, dass das Land nicht nur jährliche Mietzahlungen in beträchtlicher Höhe leistet (derzeit 800.000 Euro), sondern dass sich diese Mietzahlungen alle fünf Jahre um die Hälfte des gestiegenen Lebenshaltungsindexes erhöhen. Zudem hat das Land alle Instandhaltungen einschließlich notwendiger Investitionen in „Dach und Fach“ zu tragen. Obwohl das Land (jetzt das Zentrum für Psychiatrie Calw) als Mieter auf diese Weise die Substanz der Mietsache erhält, muss es nach Ablauf des Mietverhältnisses die Mietobjekte zum aktuellen Sachwert erwerben. Als Ende des Mietverhältnisses ist das Jahr 2024 vereinbart.

Bei einer Investitionssumme von 9,4 Mio. Euro erzielt die Versorgungsanstalt als Vermieterin nicht nur eine garantierte Rendite von nahezu 9 % jährlich, sondern sie erhält auch den vom Land geschaffenen bzw. erhaltenen Sachwert am Schluss noch einmal und damit doppelt vergütet.

Diese ungewöhnliche Vertragsgestaltung benachteiligt das Zentrum für Psychiatrie Calw, das in die Verträge als Rechtsnachfolger des Landes eingetreten ist, in unangemessener Weise. Wäre das Land bzw. dieses Zentrum ein privater Mieter, so müsste erwogen werden, ob der Inhalt des Vertrages nicht gegen die guten Sitten verstieße und deshalb nichtig wäre.

Das Land hätte einen solchen Vertrag nicht abschließen dürfen.

Um wenigstens eine minimale Restwirtschaftlichkeit zu erreichen, empfiehlt der Rechnungshof, mit der Versorgungsanstalt über eine schnelle Beendigung dieses unangemessenen Vertragsverhältnisses zu verhandeln und die Wohnungen so schnell wie möglich zu einem möglichst günstigen Preis zu erwerben.

Damit müsste das Zentrum in Calw die Wohneinheiten zwar weiter bewirtschaften, aber das jährliche Defizit ließe sich, auch unter Berücksichtigung notwendiger Finanzierungskosten, deutlich reduzieren.

Hilfsweise müsste versucht werden, mit der Versorgungsanstalt über eine Anpassung des Mietvertrages an heute übliche Konditionen zu verhandeln.

Wenn es gelingt, zu einer solchen Neuordnung der Verhältnisse in Calw zu kommen, erscheint auch hier eine Reduzierung des Landeszuschusses ab 2012 um bis zu 50 % möglich und vertretbar.

6 Stellungnahme des Ministeriums

Das Ministerium für Arbeit und Soziales weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass die Vermietung von Personalunterkünften an Externe (z. B. ehemalige Bedienstete) dazu diene, Leerstände zu vermeiden und Deckungsbeiträge für die laufenden Kosten der Wohnanlagen zu erwirtschaften. Soweit sie zur Patientenversorgung genutzt werden, machen sie die Anmietung anderer Räumlichkeiten entbehrlich.

Im Übrigen begrüßt das Ministerium grundsätzlich die vom Rechnungshof unterbreiteten Vorschläge zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Personalunterkünfte. Es merkt jedoch an, dass der Umfang, in dem von den Zentren für Psychiatrie künftig Wohnraum vorgehalten wird, von verschiedenen (auch regional unterschiedlichen) Faktoren abhängt und deshalb einer kritischen Prüfung durch die Zentren bedarf. Zu berücksichtigen sei dabei insbesondere, dass aufgrund bundesrechtlicher Vorgaben in nächster Zukunft eine Aufstockung des Personals der Zentren zu erwarten sei.

Frühere Bemühungen der Zentren für Psychiatrie zur Reduzierung des Wohnraums seien häufig an der ablehnenden Haltung der Gebäudeeigentümer und bei eigenen Objekten an der fehlenden Kaufnachfrage gescheitert.

Bei der vorgeschlagenen Verbesserung der Mieterträge sei zu beachten, dass der Wohnraum aus den vom Rechnungshof genannten strategischen Gründen für Bedienstete auch in finanzieller Hinsicht attraktiv bleiben sollte.

Die vom Rechnungshof vorgeschlagene Reduzierung der Landeszuschüsse wäre nur in dem Maße zu befürworten, in dem es gelingt, den vorhandenen Wohnraum wieder abzugeben, weiterzuveräußern oder zu besseren Konditionen zu vermieten.

Der vom Rechnungshof vorgeschlagene Erwerb der Wohnungen auf dem Gelände der Klinik in Calw-Hirsau sei in der Vergangenheit schon Gegenstand von Verhandlungen gewesen, die allerdings an der ablehnenden Haltung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder gescheitert seien. Gleichwohl werde die Empfehlung des Rechnungshofs erneute Bemühungen gegenüber der Versorgungsanstalt unterstützen. Vorsorglich weist das Ministerium darauf hin, dass die für den Erwerb der Wohnungen erforderlichen Mittel in der mittelfristigen Finanzplanung bislang nicht veranschlagt seien.


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Einzelplan 10: Umweltministerium

Die Ortschaften am Strudelbach sollen vor Hochwasser geschützt werden. Der Rechnungshof empfiehlt, das Konzept zu optimieren. Dabei sind auch Rückhaltemöglichkeiten zu realisieren, die beim Kreuzbach geschaffen werden können. Drei Brückenneubauten könnten eingespart werden.


1 Ausgangslage

Der Strudelbach entspringt bei Weissach im Ortsteil Flacht (Landkreis Böblingen). Er fließt durch einige Ortschaften und mündet bei Vaihingen im Ortsteil Enzweihingen (Landkreis Ludwigsburg) in die Enz. In den Ortschaften ist der Strudelbach eingezwängt oder verdolt. Größere Hochwasser können nicht schadlos abfließen (siehe Abbildung).

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Der Zweckverband „Hochwasserschutz Strudelbachtal“ hat 1999 von einem Ingenieurbüro ein Gesamtkonzept für den Hochwasserschutz erstellen lassen. Die Konzeption sieht vor, die Ortschaften vor einem 50-jährlichen Hochwasser zu schützen. Das Gefahren- und Schadenspotenzial soll durch Hochwasserrückhalt, Gewässerausbau und Objektschutzmaßnahmen an gefährdeten Gebäuden minimiert werden. 11 Mio. Euro sind zu investieren. Das Land beteiligt sich mit einem Fördersatz von 70 % an den zuwendungsfähigen Ausgaben.

Die Finanzkontrolle hat die Hochwasserschutzkonzeption geprüft.

2 Hochwasserschutz optimieren

Oberhalb von Enzweihingen mündet der Kreuzbach in den Strudelbach. Bei einem 50-jährlichen Hochwasser steigt der Abfluss im Strudelbach nach der Einmündung von 24 m³ je Sekunde auf 45 m³ je Sekunde an. Nach dem Zusammenfluss fließt der Strudelbach durch Enzweihingen und mündet in die Enz. Zeitgleich auftretende Enzhochwasser hindern den Abfluss in die Enz. In Enzweihingen beeinträchtigen das eingeengte Bachbett und die zu kleinen Durchflussquerschnitte von drei Brücken die Abflusssituation. In den vergangenen Jahren führte dies dazu, dass der Strudelbach ausbordete und tiefer liegende Gebiete überflutete.

Für Enzweihingen sind folgende Hochwasserschutzmaßnahmen geplant:

  • Zwei Rückhaltebecken im Strudelbachtal oberhalb des Kreuzbachzuflusses,
  • drei Brückenbauwerke (Brücke Bundesstraße B 10, zwei Feldwegbrücken).

Einen Hochwasserrückhalt im Kreuzbachtal untersuchte das Ingenieurbüro nicht.

Der Rechnungshof empfiehlt, das Gewässersystem - Strudel- und Kreuzbach - ganzheitlich zu betrachten. Für den Hochwasserschutz in Enzweihingen ergeben sich weitere Rückhaltevarianten. Das Hochwasser könnte in potenziellen Stauräumen im Kreuzbachtal zurückgehalten werden. Mit Rückhalteräumen in beiden Tälern könnte der Schutz für Enzweihingen optimiert werden. Mit großer Wahrscheinlichkeit könnten dann die geplanten Brückenneubauten eingespart werden. Diese Varianten sind in die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung einzubeziehen.

3 Wirtschaftlichkeit sachgerecht untersuchen

Das Nutzen-Kosten-Verhältnis dient als Maßstab für die Wirtschaftlichkeit. Ist es größer als eins, überwiegt der Nutzen die Kosten. Investitionen, Reinvestitionen sowie Kosten für Betrieb und Unterhalt der Hochwasserschutzmaßnahmen werden dem Nutzen gegenübergestellt. Der Nutzen von Hochwasserschutzmaßnahmen wird dadurch erreicht, dass die Schadenserwartung gemindert wird.

Das Ingenieurbüro ermittelte, dass mit den geplanten Hochwasserschutzmaßnahmen ein Schaden von 50 Mio. Euro verhindert werden könnte. Das Nutzen-Kosten-Verhältnis wurde mit vier angegeben. Das Vorhaben hätte eine hohe Förderpriorität. Die Berechnung berücksichtigt jedoch nicht die lange Nutzungsdauer der Hochwasserschutzanlagen. Außerdem wurde ein methodischer Ansatz zur Schadensberechnung angewandt, der in der Wasserwirtschaft nicht gebräuchlich ist.

Der Rechnungshof verkennt dabei nicht, dass es aufwendig ist, Schadenserwartungen zu ermitteln.

Das Regierungspräsidium Stuttgart (Bewilligungsstelle) ermittelte daraufhin den abwendbaren Schaden auf 25 Mio. Euro. Es bezog veränderte Randbedingungen durch Variation von Kalkulationszinssatz und Nutzungsdauer ein. Das Nutzen-Kosten-Verhältnis liegt dadurch deutlich niedriger bei zwei. Dies bedeutet eine geringere Förderpriorität.

Der Rechnungshof empfiehlt, die in der Wasserwirtschaft eingeführte und allgemein anerkannte Methode der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung sachgerecht anzuwenden. Die Ergebnisse sind dann untereinander so vergleichbar, dass Förderprojekte priorisiert werden können. Das Landesgeld für den Hochwasserschutz kann mit größtmöglicher Wirksamkeit eingesetzt werden.

4 Oberflächenentwässerung verbessern

Teile der Ortschaften Eberdingen und Riet wurden mehrfach überflutet. Das Hochwasser des Strudelbachs war nicht der ausschließliche Grund. Infolge Stark- und Gewitterregen strömte vor allem Oberflächenwasser aus den seitlichen Hanglagen des Strudelbachtals in die beiden Ortschaften. Es gehört zu den kommunalen Pflichtaufgaben, dafür Entwässerungsanlagen zu errichten und zu betreiben. Die Kommunen erhalten für diese Aufgaben keine Zuwendungen.

Das Oberflächenwasser von Außengebieten kann beispielsweise durch angepasste landwirtschaftliche Flächennutzung verringert werden. Entwässerungs-technisch können Schlamm- und Geröllfänge sowie Regenrückhaltebecken (Seitenretention) eingesetzt werden.

Der Rechnungshof empfiehlt, in der Hochwasserschutzkonzeption konzeptionelle und technische Mängel der Oberflächenentwässerung aufzuzeigen und Lösungsansätze zu benennen. Die betroffenen Gemeinden haben diese umzusetzen.

5 Stellungnahme des Ministeriums

Das Umweltministerium teilt die Auffassung des Rechnungshofs, wonach die Hochwasserschutzkonzeption im Hinblick auf eine Optimierung überprüft werden soll. Ob und in welcher Weise ein Hochwasserrückhalt im Kreuzbachtal möglich ist und wie sich dieser finanziell auswirkt, könne erst nach dieser Prüfung entschieden werden.

Die Jährlichkeit des Hochwassers, gegen das geschützt werden soll, bzw. der Hochwasserschutzgrad werde inzwischen regelmäßig durch eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung überprüft (Nutzen-Kosten-Untersuchung). Im Fall der untersuchten Hochwasserschutzkonzeption seien für den vorgesehenen 50-jährlichen Hochwasserschutzgrad die Grundannahmen unzulänglich gewesen. Das Regierungspräsidium Stuttgart habe sie deshalb berichtigt. Dennoch ergebe sich eine Wirtschaftlichkeit des vorgesehenen Konzepts.

6 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof stellt nicht infrage, dass ein Hochwasserschutz für das Strudelbachtal erforderlich ist. Die Hochwasserschutzkonzeption muss auch unter Einbeziehung des Kreuzbachs optimiert werden.

Im Kern geht es bei diesen Maßnahmen grundsätzlich darum, durch Nutzen-Kosten-Untersuchungen aus den möglichen Varianten die optimale Konzeption zu ermitteln. Um eine sachgerechte Priorisierung der Fördervorhaben zu ermöglichen, müssen die Nutzen-Kosten-Untersuchungen transparent, nachvollziehbar und vergleichbar sein.


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Einzelplan 12: Allgemeine Finanzverwaltung

Jeder dritte Einkommensteuerbescheid, bei dem Unterhaltszahlungen berücksichtigt wurden, war in diesem Punkt fehlerhaft. Der Steuerausfall im Veranlagungszeitraum 2005 betrug 16 Mio. Euro.


1 Ausgangslage

Die Finanzkontrolle prüfte 2008 landesweit den Abzug von Unterhaltszahlungen als außergewöhnliche Belastung.

Unterhaltszahlungen können bis zu einem jährlichen Höchstbetrag von 7.680 Euro je unterhaltener Person bei der Einkommensteuer abgezogen werden. Dieser Abzug als außergewöhnliche Belastung setzt u. a. voraus, dass für den Unterhaltsempfänger kein Anspruch auf Kindergeld besteht. Des Weiteren darf er kein oder nur geringes Vermögen besitzen. Eigene Einkünfte des Unterhaltsempfängers mindern den abzugsfähigen Höchstbetrag, soweit sie 624 Euro im Jahr übersteigen.

Unterhaltszahlungen an im Ausland lebende Personen (kurz: Auslandsunterhalt) sind grundsätzlich genauso zu behandeln wie Unterhaltszahlungen an Personen, die im Inland leben (Inlandsunterhalt). Allerdings werden beim Auslandsunterhalt erhöhte Anforderungen an den Nachweis der Bedürftigkeit der unterhaltenen Person sowie an den Nachweis der Unterhaltszahlungen gestellt. Dazu sind umfangreiche Verwaltungsanweisungen ergangen.

Bis zum Veranlagungszeitraum 2005 waren für einen Antrag auf Abzug von Unterhaltszahlungen wenige Zeilen in der Einkommensteuererklärung vorgesehen. Ab 2006 ist stattdessen eine neue, vierseitige „Anlage Unterhalt“ der Steuererklärung beizufügen.

2 Ablauf und Methode der Prüfung

Die Finanzkontrolle wertete zunächst landesweit die Steuerdaten aller Fälle des Veranlagungszeitraums 2005 aus, bei denen sich Unterhaltszahlungen von mindestens 1.000 Euro steuerlich ausgewirkt haben. Durch Zufallsauswahl wurden danach die Prüffälle bei acht Finanzämtern bestimmt. Sofern bei diesen Fällen auch in den Folgejahren entsprechende Unterhaltszahlungen angesetzt waren, wurden sie mit geprüft.

Ergänzend zur Fallprüfung wurden die Bediensteten von vier dieser acht

Finanzämter gebeten, Arbeitsaufzeichnungen zu führen. Aufgezeichnet wurde dabei der Aufwand, der für die Bearbeitung der geltend gemachten Unterhaltszahlungen angefallen ist.

3 Prüfungsfeststellungen

3.1 Fiskalische Bedeutung der Unterhaltszahlungen

Die abgezogenen Unterhaltszahlungen wirken sich erheblich auf das Steueraufkommen aus. Im Veranlagungszeitraum 2005 wurden landesweit in mehr als 75.000 Fällen Unterhaltszahlungen abgezogen. Die gesamte steuerliche Auswirkung betrug 82,5 Mio. Euro, das entspricht 1.090 Euro je Fall.

3.2 Bearbeitungsqualität bei Unterhaltsfällen

3.2.1 Gesamtergebnis

Von den geprüften 1.019 Einkommensteuerbescheiden waren 339 Bescheide hinsichtlich der Unterhaltszahlungen zu beanstanden. Dies entspricht einer Quote von 33 %, d. h. jeder dritte Steuerbescheid war in diesem Bereich fehlerhaft.

Bei mehr als der Hälfte der geprüften Bescheide war Auslandsunterhalt abgezogen worden. Hier wurden 44 % der Steuerbescheide beanstandet. Das sind doppelt so viele wie beim Inlandsunterhalt (22 %).

Die bei der Prüfung festgestellten Steuerausfälle belaufen sich auf

210.000 Euro. Je beanstandetem Fall sind das im Durchschnitt 619 Euro. Beim Auslandsunterhalt beträgt der Steuerausfall je beanstandetem Fall 631 Euro, beim Inlandsunterhalt 591 Euro.

3.2.2 Zeitliche Entwicklung

Aufgrund der Fallauswahl ist das Ergebnis für den Veranlagungszeitraum 2005 landesweit repräsentativ. Dies gilt für 2006 und 2007 nur eingeschränkt. Dennoch lassen sich aus der zeitlichen Entwicklung der Beanstandungsquoten über die Veranlagungszeiträume 2005 bis 2007 Tendenzen ableiten. Die Tabelle zeigt diese Entwicklung auf.

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Beim Inlandsunterhalt scheint sich die Bearbeitungsqualität tendenziell zu verbessern. Demgegenüber zeichnet sich beim Auslandsunterhalt keine Besserung ab. Die Beanstandungsquote von 68 % für den Veranlagungszeitraum 2007 lässt vielmehr befürchten, dass sich die Bearbeitungsqualität weiter verschlechtert hat.

Bei den Steuerausfällen je geprüftem Steuerbescheid zeigen sich die gleichen Tendenzen wie bei den Beanstandungsquoten. Beim Inlandsunterhalt mindern sich die Steuerausfälle im Betrachtungszeitraum von 156 Euro auf 72 Euro, während sie sich beim Auslandsunterhalt von 259 Euro auf 598 Euro erhöhen.

3.2.3 Fehlerursachen

Bei den beanstandeten Steuerbescheiden wurden insgesamt 400 Fehler festgestellt. Davon betreffen 284 Fehler (71 %) die Einkommensteuerbescheide mit Auslandsunterhalt. Häufigste Fehlerursache war, dass die Bedürftigkeit des Unterhaltsempfängers oder die geleisteten Zahlungen unzureichend nachgewiesen wurden. So wurden beispielsweise vielfach

  • Unterhaltsempfänger als bedürftig angesehen, ohne dass die jeweils notwendige amtliche Bescheinigung der ausländischen Behörde vorlag;

 

  • geltend gemachte Barzahlungen berücksichtigt, obwohl nicht nachgewiesen war, dass der Unterhaltsleistende überhaupt entsprechende Mittel hatte.

Die 190 Fehler im Nachweisbereich verursachten Steuerausfälle von 119.000 Euro.

Beim Inlandsunterhalt war Fehlerschwerpunkt, dass Einkünfte oder Vermögen der Unterhaltsempfänger unzutreffend berücksichtigt wurden. Auf diese Ursache entfallen 66 Fehler, die zu einem Steuerausfall von insgesamt 38.000 Euro führten.

3.3 Landesweite finanzielle Auswirkung (Hochrechnung)

Die Bearbeitungsqualität bei den Unterhaltsfällen führte im Veranlagungszeitraum 2005 landesweit zu Steuerausfällen von 16 Mio. Euro. 19 % der gesamten Steuerentlastung aus diesem Bereich wurden zu Unrecht gewährt. Der Steuerausfall für den Veranlagungszeitraum 2006 dürfte sich in einer ähnlichen Größenordnung bewegen.

3.4 Weitere Erkenntnisse

3.4.1 Auswirkung des Risikomanagementsystems

Erklärtes Ziel der Steuerverwaltung ist, dass die Bediensteten der Finanzämter künftig nur noch solche Sachverhalte prüfen, die von einem (maschinellen) Risikomanagementsystem als risikobehaftet erkannt werden.

Das Risikomanagementsystem stufte auch solche Fälle als nur punktuell risikobehaftet oder sogar als nicht risikobehaftet ein, bei denen sich Sachverhalte mit Unterhaltszahlungen steuerlich erheblich auswirkten. In der Folge wurden die Voraussetzungen für den Abzug von Unterhaltszahlungen nur unvollständig oder überhaupt nicht mehr von Sachbearbeitern geprüft.

3.4.2 Maßnahmen der Verwaltung zur Verbesserung der Arbeitsqualität

Über aktuelle Entwicklungen im Bereich der Unterhaltszahlungen wurden die Finanzämter bei den jährlichen Veranlagungsfortbildungen informiert.

Anfang 2006 gab das Bundesfinanzministerium neu gefasste Verwaltungsanweisungen bekannt, die ab dem Veranlagungszeitraum 2007 anzuwenden waren. Die Oberfinanzdirektion nahm das zum Anlass, im März 2008 eine Umfrage bei den Finanzämtern durchzuführen. Diese gaben an, dass beim Auslandsunterhalt die Anlage Unterhalt durchgängig mangelhaft ausgefüllt werde. Zudem seien die dort gemachten Angaben kaum überprüfbar. Häufig müsse bezweifelt werden, ob die amtlichen Bestätigungen aus dem Ausland echt seien. Die Finanzämter regten an, für die Bearbeitung von Fällen mit Auslandsunterhalt eine Checkliste einzuführen. Des Weiteren sollten Fälle mit Unterhaltszahlungen grundsätzlich vom Risikomanagementsystem zur manuellen Prüfung ausgesteuert werden.

Als Reaktion auf die Umfrageergebnisse wies die Oberfinanzdirektion die Finanzämter im November 2008 ausdrücklich darauf hin, dass die in den Anweisungen des Bundesfinanzministeriums enthaltenen Beweislast- und Nachweisregeln zwingend zu beachten seien. Dies gelte umso mehr, weil die fehlenden Kontrollmöglichkeiten beim Auslandsunterhalt „derzeit nicht zu beheben“ seien. Um die Arbeit der Finanzämter zu erleichtern, werde die Oberfinanzdirektion eine Checkliste erstellen. Hinsichtlich des Risikomanagementsystems sehe sie keinen Handlungsbedarf. Bei Unterhaltszahlungen sollten auch künftig nur risikobehaftete Sachverhalte zur manuellen Prüfung ausgesteuert werden.

3.4.3 Arbeitsaufzeichnungen

Die Finanzämter zeichneten bei 502 Einkommensteuerveranlagungen des Veranlagungszeitraums 2007 auf, wie viel Zeit und wie viele Arbeitsschritte sie für das Bearbeiten von Unterhaltszahlungen benötigten.

Die Bearbeitungsdauer für Unterhaltszahlungen war beim Auslandsunterhalt mit 23 Minuten wesentlich höher als beim Inlandsunterhalt (14 Minuten). Bemerkenswert war, dass beim Auslandsunterhalt keine zusätzlichen Arbeitsschritte aufgewendet wurden. Da in dieser Fallgruppe häufig Angaben und Nachweise fehlen, ist zu vermuten, dass die notwendigen Ermittlungsmaßnahmen vielfach unterblieben. Es ist deshalb zu befürchten, dass die ab dem Veranlagungszeitraum 2007 geltenden Verwaltungsanweisungen nicht besser beachtet werden als die Vorschriften für die früheren Veranlagungszeiträume.

4 Bewertung und Empfehlungen

Die Bearbeitungsqualität von Einkommensteuerfällen mit Unterhaltszahlungen ist unbefriedigend. Angesichts der hohen Fallzahlen ist allein in Baden-Württemberg von jährlichen Steuerausfällen in zweistelliger Millionenhöhe auszugehen. Insoweit besteht Handlungsbedarf.

4.1 Fortbildungen beim Inlandsunterhalt erforderlich

Wesentliche Fehlerursache beim Inlandsunterhalt war, dass die Einkommens- und Vermögenslage beim Unterhaltsempfänger nicht zutreffend berücksichtigt wurde. Hierzu sollten die Bediensteten gezielt fortgebildet werden. Damit wäre in absehbarer Zeit eine zufriedenstellende Bearbeitungsqualität zu erreichen.

4.2 Weisungslage beim Auslandsunterhalt bis Veranlagungszeitraum 2006

Mit einer Fehlerquote von mehr als 42 % ist die Bearbeitungsqualität bei den Einkommensteuerbescheiden mit Auslandsunterhalt bis einschließlich dem Veranlagungszeitraum 2006 völlig unzureichend.

Der weit überwiegende Teil der Fehler beim Auslandsunterhalt betrifft den Nachweis der Bedürftigkeit und der geleisteten Unterhaltszahlungen. Diese Fehler sind nach Auffassung des Rechnungshofs darauf zurückzuführen, dass

  • den Bediensteten die Zeit fehlt, alle erforderlichen Ermittlungen vorzunehmen, und
  • die im Ausland erstellten Bescheinigungen und Nachweise kaum verifiziert werden können.

Dies ist nicht allein durch neue oder wiederholte Verwaltungsanweisungen zu lösen.

4.3 Weisungslage beim Auslandsaufenthalt ab Veranlagungszeitraum 2007

Die Weisung der Oberfinanzdirektion an die Finanzämter, wonach die bundeseinheitlichen Vorgaben konsequent umzusetzen sind, ist sinnvoll. Gleiches gilt für die jüngst herausgegebene Checkliste. Fraglich ist jedoch, ob beide Maßnahmen ausreichen. Zu denken geben insoweit die Aussagen der Finanzämter zum Erklärungsverhalten, zur Nachweisproblematik und zur Verifizierbarkeit der eingereichten Bescheinigungen und Nachweise. Diese lassen den Schluss zu, dass die Finanzämter vor ähnlichen Problemen stehen, wie sie auch beim Verfahren bis zum Veranlagungszeitraum 2006 gestanden haben. Zu befürchten ist deshalb, dass die Bearbeiter aus Zeitmangel und wegen fehlender Überprüfungsmöglichkeiten auch die neuen Verwaltungsanweisungen wohl nicht konsequent umsetzen werden. Die Ergebnisse aus den Arbeitsaufzeichnungen liefern hierfür erste Anhaltspunkte.

Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, dass die Verwaltung bis Ende des Jahres 2009 die Bearbeitungsqualität beim Auslandsunterhalt überprüft. Ergibt die anschließende Evaluierung, dass auch die ab dem Veranlagungszeitraum 2007 geltenden Verwaltungsvorschriften in der Praxis nicht umgesetzt werden, muss infrage gestellt werden, ob die entsprechenden Regelungen überhaupt in der täglichen Praxis umsetzbar sind. In diesem Fall sollte die Problematik zeitnah auf Bundesebene erörtert werden. Ziel müsste es dabei sein, eine Regelung zu finden, die von den Finanzämtern mit vertretbarem Aufwand vollzogen werden kann. Dazu könnten auch Gesetzesänderungen in Betracht zu ziehen sein.

Als Sofortmaßnahme hält es der Rechnungshof für erforderlich, das Risikomanagementsystem im Hinblick auf Zahl und Qualität der auszusteuernden Fälle zu optimieren. Wegen des hohen Risikos und der bundeseinheitlichen Weisungslage ist sicher zu stellen, dass nur Unterhaltszahlungen mit geringer steuerlicher Auswirkung ungeprüft bleiben.

5 Stellungnahme des Ministeriums

Das Finanzministerium erhebt keine Einwände gegen die Sachdarstellung und die vertretene Rechtsauffassung. Es sieht ebenfalls Handlungsbedarf und sagt zu, alle Empfehlungen des Rechnungshofs umzusetzen. Es habe bereits damit begonnen.

Das Ziel, eine verbesserte Arbeitsqualität zu erreichen, werde allerdings zu einer zeitlichen Mehrbelastung der Bediensteten führen. Ferner bestünde trotz der erhöhten formellen Nachweisauflagen ab dem Veranlagungszeitraum 2007 das Grundproblem fort. Nach wie vor könnten die Finanzämter mangels hoheitlicher Befugnisse oftmals nicht feststellen, ob die Voraussetzungen für den Abzug von Auslandsunterhalt tatsächlich vorliegen. Insoweit seien auch die neuen Verwaltungsanweisungen betrugsanfällig.

Vor diesem Hintergrund prüfe derzeit eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe gesetzgeberische Maßnahmen, um die steuerliche Berücksichtigung von Auslandsunterhalt zu vereinfachen. Das Finanzministerium werde wie empfohlen überprüfen, ob die neuen Verwaltungsvorschriften konsequent umgesetzt werden. Das Ende 2009 vorliegende Ergebnis werde dann in diese Arbeitsgruppe eingebracht.

6 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof verkennt nicht, dass eine bessere Arbeitsqualität beim Auslandsunterhalt voraussichtlich mit einer zeitlichen Mehrbelastung der Bediensteten verbunden ist. Diese lässt sich jedoch aufgrund der bundeseinheitlichen Weisungslage nicht vermeiden. Im Übrigen hält der Rechnungshof die vom Finanzministerium dargelegte Vorgehensweise für sinnvoll.


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Für Sanierungsmaßnahmen wurden Steuervorteile von durchschnittlich 10.000 Euro je geprüftem Fall zu Unrecht gewährt. Zwei Drittel der untersuchten Großfälle waren zu beanstanden.


1 Vorbemerkung

Hauseigentümer, die ihre Gebäude modernisieren oder instand setzen, können besondere Steuervorteile erhalten. Bei einem vermieteten Gebäude sieht das Einkommensteuergesetz (EStG) für solche Baumaßnahmen erhöhte Gebäudeabschreibungen von bis zu 10 % der Herstellungskosten jährlich vor (§ 7h). Nutzt der Eigentümer sein Gebäude selbst, darf ein entsprechender Betrag wie Sonderausgaben abgezogen werden (§ 10f). Voraussetzung ist in beiden Fällen, dass

  • das Gebäude in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet oder einem städtebaulichen Entwicklungsgebiet liegt,
  • im Sinne des Baugesetzbuchs (§ 177) modernisiert und instand gesetzt wurde und
  • die Gemeinde dies einschließlich der hierfür angefallenen Kosten in einer Steuerbescheinigung förmlich bestätigt.

Bei der Steuerbescheinigung handelt es sich um einen Grundlagenbescheid. Das Finanzamt ist somit an die Entscheidung der Gemeinde gebunden. Dies gilt selbst dann, wenn von der Gemeinde Baumaßnahmen bescheinigt wurden, bei denen die gesetzlichen Voraussetzungen offensichtlich nicht vorliegen. Hält das Finanzamt eine Steuerbescheinigung für fehlerhaft, kann es grundsätzlich nur bei der Gemeinde anregen, die Bescheinigung zurückzunehmen (Remonstration).

Ein eigenständiges Prüfungsrecht haben die Finanzämter lediglich zur Frage, ob ein Neubau oder ein bautechnisch neues Gebäude erstellt wurde. Die besonderen Steuervorteile nach §§ 7h oder 10f EStG kommen für solche Baumaßnahmen nicht in Betracht.

2 Gegenstand und Umfang der Prüfung

Die Finanzkontrolle hat stichprobenweise 88 Einkommensteuerfälle untersucht, bei denen im Jahr 2004 eine Steuerbegünstigung von mindestens 20.000 Euro gewährt wurde. Betroffen waren dabei Sanierungsmaßnahmen der Jahre 1995 bis 2004 mit einem Gesamtvolumen von 26 Mio. Euro. Geprüft wurde, ob die Finanzämter die Vorschriften zur Inanspruchnahme der Steuervorteile korrekt umgesetzt hatten.

3 Prüfungsfeststellungen

Die von den Finanzämtern gewährte Steuerbegünstigung war in 64 % der geprüften Fälle zu beanstanden:

3.1 Steuerbescheinigungen und Kostenzusammenstellungen fehlen

In sieben Fällen ließen die Finanzämter erhöhte Gebäudeabschreibungen zum Abzug zu, obwohl über die Sanierungsmaßnahme keine Steuerbescheinigung vorgelegen hatte.

In weiteren zehn Fällen fehlte die von den Gemeinden geprüfte Kostenzusammenstellung, die notwendiger Bestandteil der Steuerbescheinigung ist.

Die beantragte Steuerbegünstigung hätte versagt werden müssen.

3.2 Finanzämter unterlassen Remonstration

Mehrfach ließen die Finanzämter Hauseigentümer auch dann in den Genuss des Steuervorteils kommen, wenn die Bescheinigung der Gemeinde offensichtlich fehlerhaft war:

Aus den untersuchten Akten der Finanzämter war in sechs Fällen ersichtlich, dass die Gemeinden vermutlich auch nichtbescheinigungsfähige Kosten in die Steuerbescheinigung aufgenommen hatten. Hierzu zählen Kosten für Neubauteile, den Ausbau von Dachgeschossen, den Anbau von Balkonen oder für Außenanlagen. Bescheinigungsfähig sind grundsätzlich nur solche Maßnahmen, durch die Mängel beseitigt oder Missstände eines Gebäudes behoben werden. Die Maßnahmen dürfen im Regelfall auch nicht dazu führen, dass sich die Fläche erweitert oder die bisherige Nutzung des Gebäudes ändert. Soweit die Steuerbescheinigungen offensichtlich fehlerhaft waren, hätten die Finanzämter die Gemeinden auffordern müssen, die Bescheinigung zurückzunehmen. Sie unterließen dies jedoch in allen entsprechenden Fällen.

3.3 Finanzämter üben eigenes Prüfungsrecht nicht aus

In 13 weiteren Fällen gewährten die Finanzämter die Steuervorteile, obwohl durch die Baumaßnahme ein selbstständiges Wirtschaftsgut - zum Beispiel eine Tiefgarage - neu geschaffen wurde. Die Steuerbegünstigung darf in solchen Fällen grundsätzlich nicht gewährt werden. Dies gilt auch dann, wenn die Gemeinden die Aufwendungen zu Unrecht bescheinigt haben. Insoweit machten die Finanzämter von ihrem Prüfungsrecht nicht ausreichend Gebrauch.

3.4 Besonderheiten bei Erwerbermodellen

Die unter Pkt. 3.3 genannten Fälle betrafen ausschließlich Erwerbermodelle. Dabei wird ein Gebäude von einem Bauträger erworben, in Wohneigentum oder Teileigentum aufgeteilt und anschließend an verschiedene Erwerber verkauft. Gegenstand des Kaufvertrags mit dem Erwerber ist, dass der Bauträger die einzelnen Einheiten modernisiert und in saniertem Zustand übergibt.

Bei solchen Erwerbermodellen stellten die Gemeinden die Steuerbescheinigungen mehrfach nicht den einzelnen Erwerbern, sondern direkt dem Bauträger gegenüber aus. Zudem beachteten sie regelmäßig nicht, dass Modernisierungsmaßnahmen nur dann steuerbegünstigt sind, wenn diese nach Abschluss des Kaufvertrags mit dem einzelnen Erwerber durchgeführt wurden. Die Finanzämter akzeptierten mehrfach solche fehlerhaften Bescheinigungen und gewährten in der Folge zu hohe Steuervorteile.

Des Weiteren rechneten die Finanzämter häufig die Funktionsträgergebühren (Betreuungskosten) in vollem Umfang den begünstigten Sanierungsaufwendungen zu. Der anteilig auf den Grund und Boden sowie auf die Altbausubstanz entfallende Teil ist jedoch nicht steuerbegünstigt.

Damit bei Erwerbermodellen nicht mehrere Wohnsitzfinanzämter den gleichen Sachverhalt ermitteln müssen, gilt seit 2002 eine Neuregelung: Die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen obliegt für alle Erwerber dem Finanzamt, das für den Bauträger zuständig ist. Dies wurde von den Finanzämtern überwiegend nicht beachtet.

3.5 Unbefristete Antragsmöglichkeit

Der Antrag auf Erteilung einer Steuerbescheinigung ist an keine Frist gebunden. Steuerbescheinigungen können daher noch Jahre nach Abschluss der Maßnahme beantragt und von den Gemeinden ausgestellt werden. Dies führt bei den Finanzämtern nicht selten zu erheblichem Mehraufwand, da Steuerbescheide für sämtliche betroffenen Altjahre nachträglich geändert werden müssen.

4 Finanzielles Ergebnis der Prüfung

Als Folge der Prüfung durch die Finanzkontrolle erzielten die öffentlichen Haushalte bisher zusätzliche Steuereinnahmen von 580.000 Euro. Aus verfahrensrechtlichen Gründen konnten jedoch nicht alle fehlerhaften Steuerbescheide geändert werden. Neben den realisierten Mehrsteuern kam es daher zu Steuerausfällen von bisher 300.000 Euro. Das Prüfungsverfahren bei den Finanzämtern ist noch nicht abgeschlossen. Auf der Grundlage des bisherigen finanziellen Ergebnisses wurden somit Steuervorteile von durchschnittlich 10.000 Euro je geprüftem Fall zu Unrecht gewährt.

5 Bewertung und Empfehlungen

Die Feststellungen zeigen, dass erheblicher Handlungsbedarf besteht. Die Arbeitsqualität sollte nachhaltig verbessert werden. Der Rechnungshof empfiehlt,

  • die Regelungen des Leitfadens der Oberfinanzdirektion Karlsruhe über die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen bei Erwerbermodellen konsequent umzusetzen,

 

  • den Leitfaden um eine Checkliste zu ergänzen und

 

  • den Finanzämtern praxisgerechte Hinweise für das Remonstrationsverfahren zu geben.

Um eine zutreffende steuerliche Beurteilung herbeizuführen, hält es der Rechnungshof jedoch auch für erforderlich, das Bescheinigungsverfahren zu optimieren. Er empfiehlt,

  • die Bescheinigungsrichtlinien zu überarbeiten mit dem Ziel, durch klare Regelungen den Gemeinden Sicherheit im Umgang mit dem Verfahren zu geben,

 

  • die Mustervordrucke so zu ergänzen, dass die Antragsteller zur Erklärung sämtlicher entscheidungserheblicher Angaben (zum Beispiel An- und Ausbauten, Außenanlagen) veranlasst werden,

 

  • in der Kostenzusammenstellung neben dem jeweiligen Rechnungsdatum auch die Angabe vorzusehen, wann die Baumaßnahme durchgeführt wurde,

 

  • neben den Zuschüssen aus Sanierungs- und Entwicklungsfördermitteln in die Steuerbescheinigung auch sämtliche weiteren Zuschüsse aus öffentlichen Kassen aufzunehmen (diesen kommt im Besteuerungsverfahren die gleiche Bedeutung zu) und

 

  • die Erteilung einer Steuerbescheinigung von einer Antragsfrist abhängig zu machen.

6 Stellungnahme des Ministeriums

In den meisten der aufgegriffenen Punkte sieht auch das Finanzministerium Handlungsbedarf. Es hat zugesagt, sich für eine präzisere Fassung der Bescheinigungsrichtlinien einzusetzen und die vom Rechnungshof empfohlene Checkliste einzuführen. Es beabsichtige außerdem, die Finanzämter nochmals auf die Beanstandungsschwerpunkte hinzuweisen.

Für nicht sinnvoll hält das Finanzministerium hingegen, die Finanzämter in verstärktem Maße zu Remonstrationsverfahren zu veranlassen. Sie müssten im Regelfall vielmehr auf die inhaltliche Richtigkeit der Steuerbescheinigung vertrauen dürfen. Eine Ausnahme gelte lediglich für klare, ins Auge springende Fehler in den Bescheinigungen. Im Übrigen weist das Finanzministerium darauf hin, wie schwierig es sei, die Gemeinden zur Aufhebung erteilter Bescheinigungen zu veranlassen. Dies liege zum einen daran, dass die Kommunen Amtshaftungsansprüche vermeiden möchten. Zum anderen verfolgten die Kommunen auch andere Interessen als die Finanzverwaltung. Es entstehe oftmals der Eindruck, dass Steuerbescheinigungen sehr bereitwillig und großzügig erteilt werden, um damit sanierungsbedürftige Gebäude für private Investoren interessanter zu machen. Vor diesem Hintergrund lehnt das Finanzministerium vermehrte Remonstrationsverfahren ab. Den erfolgversprechenderen Weg sieht es in einer präziseren Fassung der Bescheinigungsrichtlinien.

Das Finanzministerium weist außerdem darauf hin, dass lediglich Großfälle untersucht worden seien. Wegen des dort vorhandenen höheren Fehlerpotenzials dürfe die Fehlerquote von 64 % nicht verallgemeinert werden. Es sei nicht anzunehmen, dass die Finanzämter in zwei Drittel aller Fälle die Vorschriften nicht korrekt umgesetzt hätten.

7 Schlussbemerkung

Die Finanzkontrolle hat die Untersuchung bewusst auf Großfälle konzentriert. Im Rahmen eines effektiven Risikomanagements sind die Finanzämter gehalten, gerade solche Fälle mit besonderer Sorgfalt zu prüfen. Dass dennoch knapp zwei Drittel dieser Großfälle zu beanstanden waren, hält der Rechnungshof für nicht hinnehmbar.

Die unterlassene Remonstration wurde ausschließlich bei offensichtlich fehlerhaften Bescheinigungen beanstandet. Die entsprechenden Prüfungsfeststellungen wurden von den untersuchten Finanzämtern daher auch in jedem Fall akzeptiert.

Ungeachtet dessen kommen - aufgrund der Darlegungen des Finanzministeriums - Zweifel auf, ob vermehrte Remonstrationsverfahren zielführend wären. Fraglich ist jedoch ebenfalls, ob präziser gefasste Bescheinigungsrichtlinien für sich allein Abhilfe schaffen. Letztlich bliebe die Interessenlage der Gemeinden dadurch unverändert, sanierungsbedürftige Gebäude durch sehr bereitwillig und großzügig erteilte Bescheinigungen für Investoren interessanter zu machen. Um sicherzustellen, dass solche Interessen nicht zu weiteren Steuerausfällen führen, müsste die Zuständigkeit für das Bescheinigungsverfahren auf eine Landesbehörde übertragen werden.


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Die zunächst freigegebenen Gesamtbaukosten von 9,1 Mio. Euro für das Gebäude des Höchstleistungsrechners in Stuttgart-Vaihingen wurden um mehr als 1,5 Mio. Euro überschritten. Diese Mehrkosten wären vermeidbar gewesen. Ursachen sind: überdimensionierte Flächen, zu hohe Standards bei den Ausbaugewerken und der Gebäudetechnik sowie mangelnde Kostendisziplin.


1 Ein neues Gebäude für den Höchstleistungsrechner

Die Universität Stuttgart betreibt seit vielen Jahren Höchstleistungsrechner, die von Hochschulen, wissenschaftlichen Einrichtungen und der Industrie in Anspruch genommen werden.

Im Jahr 2005 wurde ein Höchstleistungsrechner der neuesten Generation in Betrieb genommen. Für die Unterbringung dieses Rechners und der zugehörigen Büro- und Seminarräume plante das Universitätsbauamt 2001 ein eigenes Gebäude auf dem Campus in Stuttgart-Vaihingen, das ab 2003 auf einem landeseigenen Grundstück verwirklicht wurde. Das Gebäude wurde an die Universität als Nutzerin im April und im Oktober 2005 übergeben.

Die Baumaßnahme wurde von der damals zuständigen Oberfinanzdirektion Stuttgart im März 2002 mit Gesamtbaukosten von 9,9 Mio. Euro genehmigt. Unter Berücksichtigung des Abschlags von 8 % wegen zu erwartender günstiger Submissionsergebnisse (Baumarktfaktor) hätten 9,1 Mio. Euro ausgegeben werden dürfen. Tatsächlich betrugen die Gesamtbaukosten des Objekts am Ende 10,6 Mio. Euro.

Der Rechnungshof hat geprüft, ob das Gebäude wirtschaftlich und sparsam geplant und realisiert wurde sowie ob und gegebenenfalls aus welchen Gründen Einsparpotenziale ungenutzt blieben.

2 Das Ergebnis der Prüfung

Bei dem Gebäude handelt es sich um ein architektonisch anspruchsvolles Bauwerk. Der hohe Anspruch führte allerdings auch zu hohen, in Teilen vermeidbaren Kosten.

Die Ursachen liegen in teilweise überhöhten Standards und in Verfahrensmängeln. Einsparmöglichkeiten, die sich im Verfahren ergaben, wurden nicht genutzt. Aus den geprüften Unterlagen waren keine Versuche ersichtlich, während der Realisierung Baukosten einzusparen.

Stattdessen kam es in der Bauphase zu kostenträchtigen Änderungen am Entwurf. Die Mehrkosten wurden jedoch nicht durch Einsparungen an anderer Stelle ausgeglichen, sondern aus ohnehin zu hoch angesetzten Kostengruppen durch Umschichtung gedeckt oder als Mehrkosten genehmigt.

Auch bei anspruchsvollen Bauaufgaben ist es möglich, die allgemein geltenden Kostenobergrenzen einzuhalten, wenn neben technischen und ästhetischen Gesichtspunkten auch wirtschaftliche Aspekte angemessen berücksichtigt werden.

Nach Auffassung des Rechnungshofs hätte das Gebäude mit Gesamtbaukosten von nur 9,1 Mio. Euro verwirklicht werden können, ohne die Funktion des Gebäudes einzuschränken.

3 Verfahrensmängel

Die genehmigten Gesamtbaukosten von 9,92 Mio. Euro waren nur in Höhe von 92 % (9,12 Mio. Euro) freigegeben, da das Universitätsbauamt verpflichtet war, den Baumarktfaktor abzuziehen.

Im September 2004 genehmigte die Betriebsleitung des Landesbetriebs Vermögen und Bau Baden-Württemberg die Überschreitung der freigegebenen Kosten bis zur Höhe von 9,92 Mio. Euro. Der Baumarktfaktor wurde für Mehrkosten durch Standarderhöhungen und weitere Nutzeranforderungen in Anspruch genommen. Gleichwohl genehmigte die Betriebsleitung im August 2005 einen weiteren Nachtrag von 750.000 Euro und damit Gesamtbaukosten von 10,67 Mio. Euro.

Aus den geprüften Unterlagen ergibt sich, dass die Inanspruchnahme des Baumarktfaktors für Mehrkosten von dem Universitätsbauamt von Anfang an in Betracht gezogen wurde. Außerdem wurden Maßnahmen, deren Verzicht zur Diskussion stand, durch Umschichtung aus großzügig bemessenen Kostengruppen ermöglicht, anstatt daraus Einsparungen zu generieren.

Auffällig war, dass der Bauantrag ein Architektenhonorar von 500.000 Euro vorsah, obwohl von Anfang an das Universitätsbauamt selbst die Planung übernehmen sollte. Die dadurch eingesparten Honorarkosten wurden in andere Kostengruppen umgeschichtet.

Die in der Nachtragsbauunterlage enthaltenen Maßnahmen waren allenfalls zur Hälfte unvorhersehbar.

Zahlreiche nachträglich erteilte Aufträge beruhten auf Planungsfehlern oder unzureichendem Controlling und hätten bei sorgfältiger Planung vermieden werden können.

4 Nicht genutzte Einsparpotenziale

4.1 Flächenbemessung

Maßgebliche Leitlinie für Planungen der staatlichen Hochbauverwaltung sind die Richtlinien für Baukostenplanung. Sie werden im Bereich des Hochschulbaus durch Kostenkennwerte nach dem Bund-Länder-Rahmenplan für den Hochschulbau ergänzt.

Bei der Bemessung der Flächen hat das Universitätsbauamt die in diesen Vorschriften vorgegebenen Richtwerte nicht beachtet. Die Verkehrsfläche ist überdimensioniert. Ihr Anteil liegt mit 48 % um elf Prozentpunkte über dem Richtwert nach den Richtlinien für Baukostenplanung. Ursachen sind das zu große Foyer, das für die Nutzung des Gebäudes weitgehend ohne Bedeutung ist, und die teilweise einspännige Anordnung der Büroräume.

Dieses Missverhältnis von Nutzfläche und Verkehrsfläche war von der Oberfinanzdirektion bereits anlässlich der Genehmigung des Gebäudes moniert worden. Es verschlechterte sich aber im weiteren Verlauf der Baumaßnahme noch weiter.

4.2 Fassade

Der gesamte Baukörper wird durch eine gläserne Fassade aus bedrucktem Verbundsicherheitsglas umschlossen. Der Gebäudeteil, in dem der Rechner untergebracht ist, besteht jedoch aus einem Kubus mit massiven Außenwänden. Die gläserne Fassade ist allein aus gestalterischen Gründen angebracht worden und ist funktionell nicht notwendig. Eine herkömmliche Dämmfassade für diesen Gebäudeteil hätte zu Einsparungen von 250.000 Euro geführt.

Im Institutsteil des Gebäudes mussten für die Büroräume und die Bibliothek nachträglich Verschattungseinrichtungen angebracht werden. Dadurch entstanden vermeidbare Mehrkosten in Höhe von 100.000 Euro.

4.3 Gestaltung des Innenhofs

Im Innenhof des Institutsteils wurde anstelle einer Bepflanzung ein künstlerisch gestalteter Glasboden installiert, der überdies wegen Rutschgefahr die Nutzung des Innenhofs stark einschränkt. Wäre der Innenhof - wie ursprünglich geplant - bepflanzt worden, hätten 150.000 Euro eingespart werden können.

4.4 Technische Gebäudeausrüstung

Die Hochdruckwassernebellöschanlage ist so nicht erforderlich. Der notwendige Brandschutz wäre durch eine weniger kostspielige Lösung zu realisieren gewesen. Der für diese Anlage vorgesehene Trinkwasseranschluss hätte durch einen unterirdischen Wasserspeicher ersetzt werden können. Eine weniger umfangreiche, aber ausreichende Wärmeversorgungsanlage hätte 50.000 Euro weniger gekostet. Auch für die elektrotechnische Ausstattung hat das Universitätsbauamt nicht die günstigste Variante gewählt.

Für die Sanitärräume und die Teeküchen wurde während der Bauphase eine höherwertige Ausstattung vorgesehen, durch die Mehrkosten von mindestens 30.000 Euro verursacht wurden.

Bei wirtschaftlicher Planung und Bemessung der Wasser- und Abwasseranlagen, der Heizungs-, Lüftungs- und elektrischen Anlagen hätten nach Berechnungen des Rechnungshofs insgesamt über 400.000 Euro eingespart werden können.

5 Empfehlung

Der Rechnungshof empfiehlt, künftig auch bei Gebäuden mit besonderer Nutzung die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit stärker zu beachten. Nicht jeder Nutzeranforderung muss Folge geleistet werden, insbesondere sind die Standards bei den Ausbaugewerken und der Gebäudetechnik auf das funktionell notwendige Maß zu beschränken.

Die Gesamtbaukosten sollten sich regelmäßig in dem genehmigten und nach Abzug des Baumarktfaktors freigegebenen Rahmen halten. Der Baumarktfaktor, d. h. die durch günstige Submissionsergebnisse erzielte Einsparung, muss dem Landeshaushalt zugutekommen und darf nicht dazu dienen, unnötige Standarderhöhungen oder zurückgestellte Nutzeranforderungen zu realisieren.

Der Umfang von Nachtragsaufträgen kann bei sorgfältiger Planung und effektivem Controlling deutlich reduziert werden.

6 Stellungnahme des Ministeriums

Das Finanzministerium bestreitet, dass das Gebäude ohne Einschränkungen seiner Funktionalität mit einem Mitteleinsatz von 9,1 Mio. Euro hätte realisiert werden können. Der Baumarktfaktor, auf den sich der Rechnungshof berufe, sei ausdrücklich nicht anzuwenden, wenn die Submissionsergebnisse eines Vorhabens über den durch den Faktor reduzierten Gesamtbaukosten liegen. Dies sei jedoch hier der Fall gewesen. Hätte die Betriebsleitung die Baumittel bis zur Höhe der Gesamtbaukosten von 9,92 Mio. Euro nicht freigegeben, hätte das vom Nutzer geforderte und genehmigte Leistungsprogramm eingeschränkt werden müssen.

Zusätzliche vom Wissenschaftsministerium genehmigte Nutzeranforderungen hätten dann im August 2005 zu einer Anhebung der Gesamtbaukosten auf 10,67 Mio. Euro geführt.

Dieser Verfahrensablauf sei regelgerecht, die vom Rechnungshof behaupteten Verfahrensmängel lägen nicht vor.

Bei der Flächenbemessung sei zu berücksichtigen, dass das Gebäude von Anfang an auf Erweiterung und direkten Anschluss eines Baukörpers an der Ostseite angelegt gewesen sei. Die Planungen dafür seien mittlerweile eingeleitet. Vor diesem Hintergrund sei die Bemessung der Flächen wirtschaftlich gewesen.

Die einheitliche Fassadengestaltung sei aus Sicherheitsgründen erforderlich gewesen. Man habe die Fassadengestaltung in Absprache mit dem Landeskriminalamt und weiteren Polizeidienststellen so festgelegt, dass für einen möglichen Sabotageangriff von außen nicht ersichtlich sei, in welchem Gebäudeteil der Rechner untergebracht sei.

Der vom Rechnungshof bemängelte Sonnenschutz sei erforderlich, um den sommerlichen Wärmeschutz zu gewährleisten. Er sei erst nach Genehmigung der erhöhten Gesamtbaukosten finanzierbar gewesen und deshalb erst nachträglich in Auftrag gegeben worden.

Die kritisierte Löschanlage sei kostengünstiger als die vom Rechnungshof vorgeschlagenen Alternativen. Wärmeversorgung und elektrotechnische Ausstattung seien unter Berücksichtigung der künftigen Büroerweiterung geplant worden.

Schließlich bekräftigt das Finanzministerium, dass Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit vorrangige Ziele der staatlichen Vermögens- und Hochbauverwaltung seien. Bei sehr speziellen und anspruchsvollen Bauaufgaben seien der Standardisierung und der Realisierung einfacher Lösungen jedoch Grenzen gesetzt.

Entgegen der Auffassung des Rechnungshofs sei es zulässig, Einsparungen aus günstigen Vergaben im weiteren Bauverlauf zum Ausgleich ungünstiger Vergaben einzusetzen, solange der Leistungsumfang der genehmigten Bauunterlage und die genehmigten Gesamtbaukosten nicht überschritten werden und der Baumarktfaktor dafür freigegeben werde.

7 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof bestreitet nicht, dass sich das Bauvorhaben zuletzt innerhalb der nachträglich genehmigten erhöhten Baukosten bewegte. Es wird vielmehr kritisiert, dass diese erhöhten Kosten und die Inanspruchnahme des Baumarktfaktors nicht erforderlich waren und die nachträgliche Genehmigung erhöhter Baukosten im Sinne einer sparsamen Haushalts- und Wirtschaftsführung nicht hätte erteilt werden dürfen.

Der Rechnungshof hat in seiner Prüfungsmitteilung im Einzelnen dargelegt, dass 9,12 Mio. Euro zur Umsetzung des Leistungsprogramms ausgereicht hätten.

Nicht richtig ist, dass der Baumarktfaktor wegen ungünstiger Submissionsergebnisse in Anspruch genommen wurde. Aus den eingesehenen Unterlagen ergibt sich vielmehr, dass die Differenz von 9,12 Mio. Euro zu 9,92 Mio. Euro unter anderem für abgehängte Decken und Montagetrennwände benötigt wurde, die in die ursprüngliche Kostenberechnung vom Universitätsbauamt nicht einberechnet worden waren.

Auch die 2005 nachträglich genehmigten Mehrkosten entfielen mindestens teilweise auf notwendige Gewerke, die von Anfang an hätten eingeplant werden müssen. Für den besonderen Sonnenschutz hat dies das Finanzministerium selbst eingeräumt. Die Erhöhung der Gesamtbaukosten wurde nicht mit zusätzlichen Nutzerwünschen, sondern weitgehend mit der Unverzichtbarkeit zunächst zurückgestellter Gebäude- und Ausstattungselemente begründet.

Für die Behauptung, das Gebäude sei von vorneherein auf eine mögliche Erweiterung hin angelegt worden, weshalb die Flächenbemessung großzügiger und die Wärmeversorgung und Elektroinstallation aufwendiger gestaltet worden seien, finden sich in den vom Rechnungshof ausgewerteten Akten keine Hinweise. Auch bei den Gesprächen vor Ort ist dieser Gedanke nie genannt worden. Er tauchte erstmals in der schriftlichen Erwiderung auf die Prüfungsmitteilung im März 2009 auf.

Die Behauptung, die einheitliche Glasfassade sei aus Sicherheitsgründen notwendig gewesen, ist ebenfalls nur schwer nachvollziehbar. Es ist nicht zu erklären, warum die Vermögens- und Bauverwaltung ein Gebäude, dessen strategische Bedeutung und innere Struktur potenziellen Störern verborgen bleiben sollen, in einem frei erhältlichen, ansprechend gestalteten und sehr informativen Vierfarbprospekt der interessierten Öffentlichkeit vorstellt. Ein Widerspruch ergibt sich auch zu der im Prüfungsschriftverkehr von der Betriebsleitung vorgetragenen Behauptung, das Foyer sei im Hinblick auf viele (auch große) Besuchergruppen großzügig gestaltet worden.


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Die Mehrzahl der vom Rechnungshof geprüften Grundstücksverkäufe durch die Vermögens- und Bauämter entsprach den rechtlichen Vorgaben und brachte gute wirtschaftliche Ergebnisse. In einigen Einzelfällen wurden Grundstücke unter dem Verkehrswert veräußert, ohne dass dies gerechtfertigt war.


1 Ausgangslage

Der Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg (Landesbetrieb) hat 2005 bis 2007 insgesamt 1.280 im Eigentum des Landes stehende Liegenschaften verkauft und dafür rund 380 Mio. Euro erlöst.

Als Folge der zum 01.01.2005 in Kraft getretenen Verwaltungsreform konnten zahlreiche Büro-, Verwaltungs- und Wohngebäude zum Verkauf angeboten werden, die das Land zur Erfüllung der auf die Landratsämter übergegangenen Aufgaben nicht mehr benötigte. Die Landkreise haben die frei werdenden Gebäude nur teilweise übernommen, vielmehr im Interesse der von ihnen zu erbringenden Effizienzrendite häufig auf vorhandene oder neue Büroflächen zurückgegriffen, die eine Konzentration der Behörden an einem Ort möglich machten.

Die Finanzkontrolle hat 58 Immobilienverkäufe, die durch die Verwaltungsreform möglich wurden, geprüft. Die Verkäufe wurden von 12 Vermögens- und Bauämtern (Ämter) betreut und erbrachten einen Erlös von insgesamt 43 Mio. Euro. Damit wurden die nach dem verwaltungsinternen Verkaufsprogramm in diesen Fällen zu erwartenden Erlöse um 6 Mio. Euro übertroffen.

Ziel der Prüfung war es, festzustellen, ob die haushaltsrechtlichen Vorschriften eingehalten wurden, ob sich das dabei praktizierte Verfahren bewährt hat und ob Optimierungspotenziale bestehen.

2 Ergebnis der Prüfung

Die Mehrzahl der geprüften Verkaufsfälle erfüllte die rechtlichen und wirtschaftlichen Anforderungen, die an den Verkauf von Landesimmobilien zu stellen sind.

2.1 Zügige Abwicklung

Die Verkaufsverfahren nahmen im landesweiten Durchschnitt sechs Monate in Anspruch und wurden mithin zügig abgewickelt, obwohl die Arbeitsbelastung der zuständigen Referate durch verschiedene Verkaufsprogramme 2005 bis 2007 höher war als in den Vorjahren.

In der Regel genügte eine Ausschreibung, um die Immobilie zu veräußern. Im strukturschwächeren ländlichen Raum waren in einigen Fällen weitere Ausschreibungen erforderlich, um Interessenten für die Grundstücke zu finden. Dort waren dann auch Abschläge auf die ermittelten Verkehrswerte notwendig.

Solche Abschläge waren möglicherweise auch der Preis für die haushaltspolitische Vorgabe, innerhalb eines fixen Zeitraumes eine angestrebte Summe zu erreichen.

2.2 Verfahren

Der Landesbetrieb veräußert die landeseigenen Grundstücke grundsätzlich freibleibend gegen Höchstgebot nach einer öffentlichen Ausschreibung. In 14 der untersuchten Fälle wurden die Grundstücke ohne Ausschreibung direkt an Gemeinden, Landkreise oder den jeweiligen Mieter veräußert.

Bewährt hat sich in einigen Ämtern ein formalisiertes Nachgebotsverfahren, bei dem die Kaufinteressenten, denen das bisherige Höchstgebot mitgeteilt wurde, nach Art einer Submission im verschlossenen Umschlag Nachgebote abgeben können. Dieses Verfahren zeichnet sich durch ein hohes Maß an Transparenz aus, beugt Manipulationen vor und erbringt, wie die untersuchten Fälle zeigen, regelmäßig deutliche Mehrerlöse gegenüber einem Zuschlag unmittelbar nach der Ausschreibung.

2.3 Veröffentlichung der Verkaufsangebote

Die Betriebsleitung des Landesbetriebs hat ihren Internetauftritt 2008 grundlegend überarbeitet. Die Verkaufsangebote des Landes werden dort übersichtlich präsentiert und sind mit einem abrufbaren Kurzexposé versehen. Auf Anfrage erhalten die Interessenten ein ausführliches gedrucktes Exposé.

Eine Verknüpfung mit kommerziellen Immobilienangeboten ist bislang nicht erfolgt, weil die einschlägigen Anbieter regelmäßig auf Exklusivität bestanden haben, die der Landesbetrieb nicht zusagen konnte und wollte.

Darüber hinaus wurden die verkaufsreifen Immobilien in regionalen Zeitungen und amtlichen Mitteilungsblättern angeboten. Die Kosten für die Veröffentlichung der Ausschreibung bewegen sich bei 0,2 % der später erzielten Verkaufserlöse und sind nicht zu beanstanden.

Grundstücksmakler werden vom Landesbetrieb regelmäßig nicht beauftragt.

3 Angemessenheit der Verkaufspreise

In der Regel erfolgten die Grundstücksverkäufe zum vollen Wert (Marktwert), wie es die Landeshaushaltsordnung vorschreibt.

In einigen Einzelfällen wurde der Marktwert jedoch in einer nicht vertretbaren Größenordnung unterschritten.

3.1 Verkauf des Forstamts Karlsruhe

Das ehemalige Forstamt Karlsruhe ist eine 1905 errichtete und 1988 umfassend sanierte denkmalgeschützte Stadtvilla in zentraler Lage. Das Grundstück grenzt unmittelbar an den Karlsruher Schlossgarten. Das Gebäude wurde nach der Verwaltungsreform für landeseigene Zwecke nicht mehr benötigt.

Villa und Grundstück wurden im Juli 2005 zum Preis von 600.000 Euro an den Landkreis Karlsruhe verkauft. Der Landkreis hat in das Gebäude 240.000 Euro an Umbau- und Renovierungskosten investiert und es nach kurzer Nutzungszeit im Dezember 2007 zum Preis von 1,525 Mio. Euro an einen privaten Dritten weiterveräußert.

Schon diese Weiterveräußerung beweist, dass das Land das Gebäude im Juli 2005 unter dem Verkehrswert verkauft hat. Das zuständige Amt hatte sich damals auf ein Gutachten gestützt, das die Grundstücksbewertungsstelle der Stadt Karlsruhe (die selbst an einem Erwerb des Grundstücks interessiert war) erstellt hatte. Das Gebäude hätte nicht ohne neutrales Gutachten und ohne Ausschreibung veräußert werden dürfen.

Außerdem hätte das Amt bei Abschluss des Kaufvertrags darauf bestehen sollen, eine Nachzahlungs- bzw. Abschöpfungsklausel in den Kaufvertrag aufzunehmen. In diesem Falle wäre der bei der Weiterveräußerung erzielte Mehrerlös ganz oder teilweise dem Land zugutegekommen.

Bei einem professionelleren Vorgehen des Amtes wäre für das Land eine Mehreinnahme in einer Größenordnung von 700.000 Euro möglich gewesen.

3.2 Verkauf des ehemaligen Vermessungs- und Forstamts Schramberg

Bei dem ehemaligen Vermessungs- und Forstamt Schramberg handelt es sich um eine denkmalgeschützte Jugendstilvilla (Baujahr 1909), die von 1993 bis 1996 vom Land für 640.000 Euro saniert wurde.

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Bevor es zum Verkauf angeboten wurde, wurde der Verkehrswert vom zuständigen Vermögens- und Bauamt nach der Ertragswertmethode mit 620.000 Euro ermittelt.

Nachdem zwei Ausschreibungen im Jahr 2005 kein Gebot erbracht hatten, das dem Verkehrswert nahe gekommen wäre, wurde der geschätzte Verkehrswert vom Amt auf 50 % reduziert. Der Zuschlag wurde schließlich im April 2006 zum Preis von 209.000 Euro - und damit um 35 % unter dem bereits reduzierten Verkehrswert - erteilt.

Nachdem das Angebot über 209.000 Euro vorlag, hat es das Amt versäumt, der Stadt Schramberg noch einmal den Erwerb zum reduzierten Verkehrswert von 320.000 Euro anzubieten. Außerdem ergibt sich aus den vom Rechnungshof ausgewerteten Akten, dass zwei weitere Kaufinteressenten vom Amt mit dem Argument, dass bereits eine Zusage erteilt sei, zurückgewiesen wurden.

Auch hier hätte der Verkauf, der deutlich unter dem vom Amt selbst geschätzten Verkehrswert lag, so nicht erfolgen dürfen. Dem Land ist dadurch eine mögliche Mehreinnahme in einer Größenordnung von 100.000 Euro entgangen.

3.3 Verkauf des Forstamts Steinheim am Albuch

Der Verkehrswert des ehemaligen Forstamtsgebäudes in Steinheim am Albuch (Landkreis Heidenheim) wurde von einem Sachverständigen nach der Sachwertmethode mit 300.000 Euro ermittelt. Auf dem Grundstück ist eine weitere Baumöglichkeit vorhanden, deren Wert mit mindestens 60.000 Euro anzusetzen ist. Außerdem hatte das Land 2001 und 2002 insgesamt 210.000 Euro für Sanierungs- und Umbaumaßnahmen investiert.

Bei der Ausschreibung des Grundstücks (einschließlich des Bauplatzes) gingen nur zwei Gebote ein, darunter das Gebot der im Hause wohnenden Mieterin in Höhe von 240.000 Euro. Ohne eine weitere Ausschreibung in Erwägung zu ziehen, wurde das Grundstück zu diesem Preis (also 20 % unter dem Verkehrswert) an die Bewerberin veräußert.

In diesem Fall bestand kein Zeitdruck. Eine zweite Ausschreibung hätte wahrscheinlich ein günstigeres Ergebnis erbracht.

4 Weitere Defizite und Verbesserungspotenziale

Die Prüfung des Rechnungshofs hat weitere Verbesserungspotenziale für künftige Verkaufsfälle ergeben.

4.1 Unterschiedliche Qualität der Wertermittlung

Die Wertermittlung der angebotenen Grundstücke war von unterschiedlicher Qualität. Während die Immobilienabteilungen der Ämter die Ertragswerte der Grundstücke in der Regel sachgerecht und kompetent bestimmten, wiesen die Sachwertermittlungen in einigen Fällen Fehler und Unsicherheiten auf. Nicht alle Ämter verfügen über die zur Ermittlung von Sachwerten erforderliche Kompetenz.

Es bietet sich daher an, die Sachwertermittlung bei Grundstücken innerhalb der Vermögens- und Bauverwaltung zu konzentrieren.

4.2 Wertermittlung durch Dritte

Es spricht nichts dagegen, die fehlende Kompetenz des jeweiligen Vermögens- und Bauamtes bei der Wertermittlung dadurch zu kompensieren, dass Dritte (z. B. Sachverständige oder die örtlichen Gutachterausschüsse) mit der Wertermittlung beauftragt werden.

Allerdings sollten diese Wertgutachten vom Amt stets auf Plausibilität überprüft werden. Gutachten, die von Erwerbsinteressenten stammen oder von diesen in Auftrag gegeben wurden, eignen sich als Grundlage eines Verkaufs grundsätzlich nicht.

4.3 Kaufpreisfälligkeit

Nach der Verwaltungsvorschrift zu § 64 Landeshaushaltsordnung ist der Landesbetrieb gehalten, die Kaufverträge so abzuschließen, dass der Kaufpreis bei Vertragsabschluss in einer Summe zu entrichten ist.

In zwei Drittel der geprüften Verkaufsfälle ist die Verwaltung von dieser Vorschrift abgewichen und hat den Käufern Zahlungsziele eingeräumt. Gründe für diese Abweichungen waren in den Akten nicht dokumentiert.

Die Vereinbarung von Zahlungszielen führte zu einem Zinsverlust von insgesamt 32.000 Euro.

4.4 Aktenführung und Dokumentation

Die Aktenführung dreier Ämter und die Dokumentation der Verkaufsfälle waren in einigen Fällen unzureichend. Dies erschwert es, die einzelnen Entscheidungen und die ihnen zugrunde liegenden Motive nachzuvollziehen. Es begünstigt mögliche Manipulationen und erschwert bei schädigendem Verhalten die Möglichkeit des Rückgriffs auf die handelnden Mitarbeiter.

Die Betriebsleitung des Landesbetriebs sollte daher auf eine vollständige Aktenführung bei den Ämtern hinwirken.

5 Empfehlungen

Aufgrund der bei der Prüfung gewonnenen Erkenntnisse empfiehlt der Rechnungshof der Vermögens- und Bauverwaltung,

  • die Entscheidung über die Entbehrlichkeit des zum Verkauf anstehenden Grundstücks in jedem Einzelfall zu dokumentieren,

 

  • bei erstmaliger Ausschreibung von der Angabe von Mindestgeboten oder Schätzpreisen abzusehen, um so Raum für den am Markt höchst erzielbaren Preis zu geben,

 

  • nach erfolgter Ausschreibung die Bieter zur Abgabe eines schriftlichen Nachgebots aufzufordern (dabei hat sich das in den meisten Ämtern praktizierte Umschlagverfahren und die Gebotsöffnung nach dem Vier-Augen-Prinzip bewährt),

 

  • alle Möglichkeiten der Veröffentlichung der Verkaufsangebote offensiv zu nutzen,

 

  • die Fälligkeit des Kaufpreises entsprechend den geltenden Vorschriften auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses festzusetzen und

 

  • in der Regel eigene Wertermittlungen durchzuführen und die dafür erforderliche Kompetenz innerhalb des Landesbetriebs zu schaffen und an ein bis zwei Stellen zu konzentrieren. Wertermittlungen Dritter sollten stets auf ihre Plausibilität geprüft werden.

6 Stellungnahmen des Landesbetriebs und des Ministeriums

Der Landesbetrieb weist darauf hin, dass die vom Rechnungshof ausgewählten 58 Verkaufsfälle weniger als 5 % der im geprüften Zeitraum abgeschlossenen Grundstücksgeschäfte betreffen und die dabei gewonnenen Erkenntnisse deshalb nicht verallgemeinert werden dürften. Gleichwohl werde die Prüfung des Rechnungshofs zum Anlass genommen, einige ohnehin beabsichtigte Verbesserungen in der Aufbau- und Ablauforganisation zu realisieren.

Das Finanzministerium hält die Aussage des Rechnungshofs für nicht zutreffend, in den genannten Einzelfällen sei der Marktwert in nicht vertretbarer Größenordnung unterschritten worden.

Die beiden Objekte in Steinheim und in Schramberg seien öffentlich ausgeschrieben worden. Der Verkauf sei dann jeweils zu dem am Markt erzielbaren Höchstgebot erfolgt.

Der Verkauf des ehemaligen Forstamts in Karlsruhe sei auf der Grundlage eines Verkehrswertgutachtens der Grundstücksbewertungsstelle der Stadt Karlsruhe erfolgt. Mit 600.000 Euro habe der Verkaufspreis sogar um 100.000 Euro über dem im Wertgutachten genannten Preis von 500.000 Euro gelegen. Eine öffentliche Ausschreibung sei nicht geboten gewesen, da Grundstücksverkäufe unter Gebietskörperschaften regelmäßig ohne vorherige Ausschreibung erfolgen. Auch ein Grund für die Vereinbarung einer Abschöpfungsklausel sei nicht ersichtlich gewesen. Der Rechnungshof habe nicht ausreichend gewürdigt, dass sich die planungsrechtliche Situation des Grundstücks zwischen den beiden Verkaufsfällen grundlegend verändert habe.

Im Übrigen wendet sich das Finanzministerium gegen die Empfehlung des Rechnungshofs, bei erstmaliger Ausschreibung von Grundstücken von der Angabe eines Mindestgebots abzusehen. Bei Objekten, die zur Eigennutzung durch private Erwerber in Betracht kommen, habe sich die Nennung eines Mindestgebots als hilfreich für die potenziellen Interessenten erwiesen und zu einer Stärkung der Nachfrage geführt.

7 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof bleibt bei seiner Bewertung der drei genannten Einzelfälle. Bei den Objekten in Steinheim und Schramberg hätte durch weitere Verkaufsbemühungen mit hoher Wahrscheinlichkeit ein besserer Preis erzielt werden können. Beim Verkauf des Karlsruher Forstamtsgebäudes reichen die Argumente des Ministeriums keinesfalls aus, um die enorme Differenz zwischen den beiden Verkaufsfällen zu erklären. Der Verzicht auf die Vereinbarung einer Abschöpfungsklausel ist nicht plausibel erklärt.

Auch im Übrigen bleibt der Rechnungshof bei seinen Empfehlungen, die sich auf die Auswertung der Akten der an den Verkaufsfällen beteiligten Vermögens- und Bauämter stützen.

Abschließend weist der Rechnungshof auf Folgendes hin: Die zügige Abwicklung von Immobiliengeschäften ist anzuerkennen. Sie sollte jedoch nicht zulasten möglicher Erlöse gehen.


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Einzelplan 14: Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst

Die Abfallwirtschaft an den Universitäten des Landes birgt Optimierungspotenziale. Durch konsequente Abfalltrennung, die Vergabe von Entsorgungsdienstleistungen im Wettbewerb und technische Verbesserungen lassen sich landesweit mindestens 25 % der Sachausgaben einsparen.


1 Ausgangslage

Die Abfallwirtschaft an den neun Universitäten des Landes verursacht jährliche Sachausgaben von 2,6 Mio. Euro und Personalkosten in einer Größenordnung von 1 Mio. Euro. Zu den Sachausgaben gehören die Gebühren und Entgelte für die Entsorgung der Abfälle, aber auch die Ausgaben für den Erwerb und das Vorhalten von Abfallbehältern für Restmüll und Gefahrstoffe.

Der Aufwand, den die Universitäten und das Land für die Entsorgung von Abfällen betreiben müssen, hängt einerseits von der Größe der Hochschule, andererseits von ihrer fachlichen Ausrichtung ab. An den sozial- und geisteswissenschaftlichen Fakultäten sind vor allem Papier und Restmüll zu entsorgen. Die technischen und naturwissenschaftlichen Fakultäten und Institute produzieren vielfältige Abfallarten, zu denen auch Gefahrstoffe und radioaktive Abfälle gehören. Die räumliche Konzentration einer Universität auf einem Campus wirkt kostenreduzierend. Universitäten, die räumlich in der ganzen Stadt verteilt sind, haben höhere abfallwirtschaftliche Kosten.

Die Finanzkontrolle hat 2007 und 2008 die Abfallwirtschaft an den Universitäten im Querschnitt geprüft und Potenziale zur Einsparung von Sachkosten ermittelt. Die Personalkosten waren nicht Gegenstand der Untersuchung.

2 Feststellungen zur Organisation der Abfallwirtschaft

2.1 Abfallkonzepte und Schulungen

Sieben der neun Universitäten verfügen über ausformulierte Abfallkonzepte, die den Umgang mit Abfällen und die verschiedenen Entsorgungswege regeln. An sieben Universitäten werden jährliche Abfallberichte erstellt, die das Aufkommen und die Art der Entsorgung ganz oder teilweise dokumentieren.

2.2 Keine landesweite Koordination

Die Abfallwirtschaft der Universitäten wird im Wesentlichen vor Ort gestaltet. Ein organisierter landesweiter Austausch über Vorgehensweisen und Optimierungsmöglichkeiten findet allenfalls in Einzelfällen statt.

2.3 Gespaltene Zuständigkeit vor Ort

An den einzelnen Standorten wird die Abfallwirtschaft teilweise von den technischen Abteilungen der Universitäten, teilweise von den betroffenen Instituten selbst und teilweise vom Landesbetrieb Vermögen und Bau verantwortet.

Die gespaltene Zuständigkeit zwischen den Universitäten und dem Landesbetrieb führt dazu, dass einzelne Optimierungspotenziale ungenutzt bleiben, weil die handelnde Organisationseinheit nicht mit der Organisationseinheit identisch ist, die von möglichen Einsparungen profitiert. Den betroffenen Universitäten Stuttgart, Hohenheim und Karlsruhe lagen deshalb keine vollständigen Informationen über Abfallmengen und Abfallkosten vor. Die finanziellen Anreize zur Optimierung der Abfallentsorgung sind an diesen Standorten begrenzt.

2.4 Ausschreibung und Vergabe von Versorgungsleistungen

Soweit die Universitäten nicht aufgrund örtlicher Satzungen zur Andienung der Abfälle bei örtlichen Entsorgungsträgern verpflichtet sind, gelten für Aufträge an Entsorgungsunternehmen die allgemeinen Vergabebestimmungen. Während diese Vergabevorschriften von einzelnen Universitäten (Heidelberg und Tübingen) akkurat eingehalten werden, vergeben andere ihre Entsorgungsleistungen weitgehend freihändig. Sie lassen die wirtschaftlichen Potenziale, die der Wettbewerb bietet, ungenutzt und setzen sich der Gefahr von Sanktionen wegen Verstößen gegen das Vergaberecht aus. In Heidelberg und Tübingen führte die öffentliche Ausschreibung der Entsorgungsdienstleistungen zu günstigeren Preisen als an den anderen Universitäten.

3 Feststellungen zur Entsorgung der einzelnen Abfallarten

3.1 Hausmüllähnlicher Restmüll

Der hausmüllähnliche Restmüll wird von den Universitäten teilweise über die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger, teilweise über private Unternehmen entsorgt. Die Entsorgungswege werden in diesem Bereich häufig von örtlichen Vorschriften bestimmt, an die die Universitäten gebunden sind.

Die Restmüllmenge und die Restmüllentsorgungskosten je Mitglied (Beschäftigte und Studierende) an den einzelnen Universitäten differieren stark. Sie ergeben sich aus der Tabelle.

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Die Restmüllmenge kann von den Universitäten über die Qualität der Abfalltrennung und durch Maßnahmen der Abfallvermeidung gesteuert werden. Da die Entsorgung von Restmüll in der Regel höhere Kosten verursacht als die Entsorgung von (getrennten) Wertstoffen, liegt in der Abfalltrennung ein wichtiges Potenzial zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit.

An den Universitäten Freiburg und Konstanz werden in größerer Zahl Presscontainer eingesetzt. Sie tragen, wie die Ergebnisse zeigen, zu einer besseren Wirtschaftlichkeit der Restmüllentsorgung bei. In Tübingen und Heidelberg sind die günstigen Ergebnisse einer konsequenten Abfalltrennung und der Vergabe der Entsorgung im Wettbewerb zu verdanken.

Die Tabelle zeigt, dass vor allem bei den Universitäten Hohenheim, Mannheim und Stuttgart noch ungenutzte Wirtschaftlichkeitspotenziale bestehen.

3.2 Papierabfall

Während die meisten Universitäten Altpapier und Restmüll trennen, ergab die Prüfung, dass die Universität Mannheim diese Bestandteile nicht ausreichend sorgfältig trennt. Es wurde festgestellt, dass große Mengen des anfallenden Altpapiers als Restmüll entsorgt werden. Dadurch entstehen vermeidbare Mehrkosten, denn das (getrennte) Altpapier kann in der Regel unentgeltlich entsorgt werden.

3.3 Biomüll

Die Universitäten trennen den Biomüll in der Regel nur bei wenigen Liegenschaften vom Restmüll. Im Übrigen wird der Biomüll als Restmüll entsorgt, wodurch vermeidbare Mehrkosten entstehen.

3.4 Gefahrstoffe

An allen Universitäten (außer in Mannheim) fallen Gefahrstoffe an, die unter Beachtung der geltenden Vorschriften fachgerecht entsorgt werden. Die Verantwortung dafür ist in manchen Fällen den Instituten übertragen, an denen die Abfälle entstehen. An fünf Universitäten sind zentrale Einrichtungen mit der Beseitigung der Gefahrstoffe betraut.

3.5 Andere Abfallarten

Die Universitäten Heidelberg, Tübingen, Konstanz, Ulm und Hohenheim haben zentrale Wertstoffhöfe eingerichtet, bei denen Abfall, der zugleich Wertstoff ist, abgegeben werden kann.

4 Empfehlungen

4.1 Allgemeine Empfehlungen

4.1.1 Abfallkonzept und Abfallberichte

Alle Universitäten sollten über ausgearbeitete Abfallkonzepte verfügen und die Abfallmengen und Entsorgungswege in regelmäßigen Abfallberichten dokumentieren. Konzepte und Berichte sind eine unverzichtbare Grundlage, um die Abfallmengen zu steuern und die Entsorgungskosten zu optimieren.

Die Universitäten sollten sich über ihre Erfahrungen und Vorgehensweisen bei der Abfallentsorgung landesweit austauschen.

4.1.2 Einsparung bei den Restmüllkosten

Das größte Einsparpotenzial besteht bei den Kosten der Restmüllentsorgung. Der Restmüll ist (neben den Gefahrstoffen) die teuerste Abfallart. Deshalb zahlt sich hier Abfallvermeidung und intensive Abfalltrennung besonders aus. Auch durch Ausschreibung und Vergabe der Entsorgungsdienstleistungen können Kosten reduziert werden.

Wenn es den Universitäten mit überdurchschnittlichen Restmüllkosten gelingt, diese Kosten auf den durchschnittlichen Wert von 8,50 Euro je Mitglied zu reduzieren, können landesweit 400.000 Euro jährlich eingespart werden.

Anzustreben ist auch eine bessere Trennung von Bio- und Restmüll.

4.1.3 Einsatz von Presscontainern statt Müllgroßbehältern

Im Unterschied zu Müllgroßbehältern, die regelmäßig auch dann (kostenpflichtig) geleert werden, wenn sie (z. B. in vorlesungsfreien Zeiten) nicht gefüllt sind, werden Presscontainer bedarfsgerecht entsorgt. Presscontainer sind nach den Feststellungen der Finanzkontrolle besonders wirtschaftlich, wenn sie im Eigentum der Universität stehen. Sie amortisieren sich regelmäßig bereits nach wenigen Jahren.

Der Rechnungshof empfiehlt deshalb allen Universitäten, weitere Presscontainer zu beschaffen und zur Entsorgung von Restmüll einzusetzen.

4.1.4 Einsatz von Mehrwegbehältern bei der Gefahrstoffentsorgung

Es ist in der Regel wirtschaftlicher, Gefahrstoffe in Mehrwegbehältern statt in Einwegbehältern zu entsorgen.

Der Rechnungshof empfiehlt, Mehrwegbehälter einzusetzen.

4.2 Empfehlungen für einzelne Universitäten

Der Universität Mannheim wird empfohlen, ein Abfallkonzept zu erarbeiten, das eine stärkere Abfalltrennung und eine Verbesserung der Sortenreinheit des Restmülls vorsieht. Die Kosten für die Entsorgung des anfallenden Altpapiers können deutlich reduziert werden.

Die Universität Ulm kann Wirtschaftlichkeitspotenziale erschließen, wenn sie dazu übergeht, Entsorgungsdienstleistungen auszuschreiben und im Wettbewerb zu vergeben.

An den Universitäten Stuttgart und Hohenheim werden die (hohen) Kosten für die Entsorgung des Restmülls weitgehend vom Landesbetrieb Vermögen und Bau getragen. Nach Auffassung der Finanzkontrolle liegt darin eine wesentliche Ursache dafür, dass die Optimierungspotenziale im Bereich des Restmülls bislang nicht genutzt wurden. Die finanzielle Verantwortung sollte deshalb von den Universitäten getragen werden.

5 Stellungnahme des Ministeriums

Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst erhebt keine Einwendungen gegen die Sachdarstellung und die vom Rechnungshof ausgesprochenen allgemeinen Empfehlungen.

Es werde auf die Universitäten einwirken, damit künftig ein landesweiter Austausch über die Erfahrungen und Vorgehensweisen bei der Abfallentsorgung stattfindet und auf diese Weise weitere Optimierungsmöglichkeiten erschlossen werden.

Soweit für die Universitäten Stuttgart und Hohenheim die Kosten für die Entsorgung des Restmülls (teilweise) noch vom Landesbetrieb Vermögen und Bau bezahlt werden, werde das Wissenschaftsministerium zusammen mit dem Finanzministerium prüfen, wie eine einheitliche Verfahrensweise realisiert werden kann.


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Der Landeszuschuss an die drei Landesbühnen sollte neu berechnet werden, um dem gewandelten Charakter der Bühnen Rechnung zu tragen und Anreize für eine verstärkte Gastspieltätigkeit zu schaffen. Bei den Landesbühnen bestehen personelle Einsparpotenziale von bis zu 33 Stellen, die verwirklicht werden können, ohne dass die Leistungen der Theater eingeschränkt werden müssen.


1 Geschichte und Aufgabenstellung der drei Landesbühnen

Baden-Württemberg hat eine breit gefächerte Theaterlandschaft: Die beiden Staatstheater, die neun Kommunaltheater und eine Vielzahl von privaten und kommunalen Kleintheatern bieten vor allem in den größeren Städten ein anspruchsvolles Programm für die Bürger dieser Städte und ihres unmittelbaren Einzugsbereichs.

Um auch in den ländlichen Regionen ein attraktives Theaterangebot zu gewährleisten, fördert das Land seit vielen Jahren drei Landesbühnen. Es handelt sich um die Badische Landesbühne Bruchsal (BLB Bruchsal), die Württembergische Landesbühne Esslingen (WLB Esslingen) und das Landestheater Württemberg-Hohenzollern Tübingen Reutlingen (LTT Tübingen). Nach der Kunstkonzeption des Landes haben sie die Funktion, dass sie nicht nur ihren Sitzort bespielen, sondern in erster Linie die Region der theaterlosen Städte und Gemeinden nach dem Prinzip der Wanderbühnen mit Theaterproduktionen versorgen.

1.1 Badische Landesbühne Bruchsal

Träger der BLB Bruchsal ist ein eingetragener Verein mit Sitz in Bruchsal, dem das Land und 20 Kommunen aus dem nordbadischen Raum angehören. Die Badische Landesbühne hat in der Spielzeit 2007/2008 insgesamt 422 Vorstellungen gegeben. Das Ensemble besteht aus 17 Schauspielern.

Die Landesbühne hat in Bruchsal keine eigene Spielstätte, sondern sie nutzt für Aufführungen in Bruchsal den großen Saal des Bürgerzentrums.

Sie versteht sich nach eigenen Angaben als kulturelles Dienstleistungsunternehmen für die Mitgliedskommunen. Das Kinder- und Jugendtheater, auf das ein Drittel der Vorstellungen entfällt, hat in den Augen der Theaterleitung denselben Stellenwert wie der Abendspielplan. Die Besucherzahlen liegen seit Jahren konstant zwischen 60.000 und 70.000.

1.2 Württembergische Landesbühne Esslingen

Die WLB Esslingen wurde bereits 1919 als eines der ersten deutschen Landestheater gegründet. Sie ist als Anstalt des öffentlichen Rechts organisiert und hat ihren Sitz in Esslingen am Neckar. Vorsitzender des Verwaltungsrats ist traditionell der Oberbürgermeister der Stadt Esslingen.

Dort verfügt sie seit 1982 über ein neu gebautes Schauspielhaus mit 461 Plätzen. Mit der Studiobühne am Zollberg und dem als Kinder- und Jugendtheater genutzten Podium II hat sie zwei weitere Spielstätten in Esslingen.

Die WLB Esslingen, deren Ensemble 24 Schauspieler umfasst, präsentierte in der Spielzeit 2007/2008 insgesamt 593 Vorstellungen. Die Mehrzahl der Gastspiele findet in Städten und Gemeinden des Regierungsbezirks Stuttgart statt. Die jährlichen Besucherzahlen bewegen sich seit Jahren um die 100.000.

Der Abendspielplan hat seinen Schwerpunkt in den klassischen Texten der Weltliteratur, umfasst aber auch moderne Stücke, Komödien und eine musikalische Produktion je Spielzeit. Daneben wird Kinder- und Jugendtheater mit mindestens vier Neuinszenierungen je Spielzeit angeboten.

1.3 Landestheater Württemberg-Hohenzollern Tübingen Reutlingen

Das LTT Tübingen wurde nach dem Zweiten Weltkrieg ebenfalls als Anstalt des öffentlichen Rechts mit Sitz in Tübingen gegründet. Vorsitzender des Verwaltungsrates ist der Minister für Wissenschaft, Forschung und Kunst.

Das Landestheater verfügt am Sitz in Tübingen über die Räume einer zum Theater umgebauten ehemaligen Fabrik mit großer und kleiner Bühne. Das Ensemble besteht aus 24 Schauspielern.

Die Besucherzahlen in Tübingen und die Nachfrage nach Gastspielen sind gegenüber dem Anfang dieses Jahrzehnts deutlich zurückgegangen und liegen nunmehr konstant bei etwa 115.000 Besuchern je Spielzeit, von denen 100.000 auf eigene Produktionen entfallen. In der Spielzeit 2007/2008 präsentierte das LTT Tübingen insgesamt 714 eigene Vorstellungen.

Bemerkenswert ist der Zuschnitt des Spielplans: Werke der zeitgenössischen Dramatik stehen im Vordergrund; aus dem Kanon der Weltliteratur werden auch weniger bekannte und wiederentdeckte Stücke aufgeführt.

Daneben verfügt auch das LTT Tübingen über eine weitgehend eigenständige Sparte Kinder- und Jugendtheater. Auch dort stehen zeitgenössische Stücke und die Auseinandersetzung mit aktuellen Themen im Vordergrund.

2 Wirtschaftliche Situation der Landesbühnen

2.1 Ausgaben

Die drei Landesbühnen geben insgesamt 16,6 Mio. Euro jährlich aus, wovon 4,0 Mio. Euro auf Sachausgaben und 12,6 Mio. Euro auf Personalausgaben entfallen. Die Entwicklung der Gesamtausgaben in den Haushaltsjahren 2002 bis 2007 ergibt sich aus Tabelle 1.

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Während die BLB Bruchsal ihre Ausgaben 2007 gegenüber 2002 um 2 % reduziert hat, liegen die Ausgaben 2007 beim LTT Tübingen um 2 %, bei der WLB Esslingen um 11 % über dem Niveau von 2002.

2.2 Eigene Einnahmen

Zu den eigenen Einnahmen gehören die Entgelte, die das Publikum bzw. bei Gastspielen der Veranstalter an die Landesbühnen bezahlt, in geringerem Umfang aber auch Erträge aus Werbung, Sponsoring und der Vermietung der theatereigenen Räume.

Die Entwicklung der Einnahmen wird aus Tabelle 2 deutlich.

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Während die eigenen Einnahmen der BLB Bruchsal und des LTT Tübingen 2007 geringer sind als 2002, sind sie bei der WLB Esslingen um 17 % höher.

2.3 Zuschüsse des Landes und der Kommunen

Das Defizit wird durch Zuschüsse des Landes und der beteiligten Kommunen gedeckt. Bei der BLB Bruchsal entrichten alle Mitgliedskommunen einen Beitrag. Dagegen werden die kommunalen Zuschüsse der beiden anderen Landesbühnen im Wesentlichen von den Sitzstädten Esslingen und Tübingen getragen.

Der Gesamtzuschuss je Vorstellung (nur eigene Produktionen) differiert zwischen den drei Landesbühnen:

  • 6.832 Euro am LTT Tübingen;
  • 7.533 Euro bei der BLB Bruchsal;
  • 9.729 Euro bei der WLB Esslingen.

Der deutlich höhere Zuschussbedarf je Vorstellung bei der WLB Esslingen ist Folge des dort besonders hohen Ausgabenniveaus.

Die öffentlichen Zuschüsse insgesamt ergeben sich aus Tabelle 3.

2009-B024-Tab3.jpg

2.4 Ziel der Prüfung des Rechnungshofs

Das Ziel des Rechnungshofs war es, Effizienz und Wirtschaftlichkeit der Arbeit der Landesbühnen zu vergleichen und bei gegebener Leistung Einsparpotenziale bei den Personalausgaben aufzuzeigen. Weiter sollten Hinweise zur Verbesserung der Einnahmen gegeben werden. Außerdem hat der Rechnungshof die Höhe des Landeszuschusses vor dem Hintergrund der geringeren Zuschüsse für Kommunaltheater hinterfragt.

3 Einsparpotenziale bei der Personalausstattung

Der Prüfung liegt ein Vergleich des Personaleinsatzes der einzelnen Bühnen, gegliedert nach Aufgabenbereichen, zugrunde. Dabei wurden die Besonderheiten der einzelnen Theater berücksichtigt, insbesondere wurde das kleinere Theater in Bruchsal nicht als Maßstab für die beiden größeren Bühnen herangezogen. Gut vergleichbar ist dagegen der Personaleinsatz bei der WLB Esslingen und beim LTT Tübingen, da sich die Leistung beider Theater zahlenmäßig in der gleichen Größenordnung bewegt.

3.1 Personalausstattung insgesamt

Die drei Landesbühnen verfügen aufgrund ihrer Stellenausstattung zusammen über 299 Vollzeitäquivalente, die sich auf die Theater und deren Aufgabenbereiche entsprechend Tabelle 4 verteilen.

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Die BLB Bruchsal hat seit 2002 bereits 6,25 Vollzeitäquivalente abgebaut, während das Personal des LTT Tübingen im gleichen Zeitraum um 1,4 und das Personal der WLB Esslingen um 12,6 Vollzeitäquivalente vermehrt wurde.

3.2 Einsparpotenziale

Der Rechnungshof hat durch Vergleich der Personalausstattung für 41 Aufgabenbereiche Leistungskennzahlen gebildet, aus denen sich die notwendige Personalausstattung bei gegebener Leistung errechnen lässt.

Bei der BLB Bruchsal ergaben sich geringfügige Überkapazitäten in den Bereichen Sekretariat und Requisite (insgesamt 1,1 Vollzeitäquivalente).

Bei der WLB Esslingen zeigten sich Überkapazitäten in 13 Aufgabenbereichen, vor allem im Reinigungsdienst, bei der Schneiderei, der Bühnentechnik und der Maske. Die vom Rechnungshof ermittelten Einsparpotenziale summieren sich auf 23,1 Vollzeitäquivalente.

Beim LTT Tübingen ergab die Prüfung Einsparmöglichkeiten von 8,8 Vollzeitäquivalenten, die sich gleichmäßig auf die Bereiche Verwaltung, technischer Dienst und künstlerische Mitarbeiter verteilen.

Der Rechnungshof schlägt nicht vor, die Zahl der Schauspieler zu reduzieren.

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Danach beträgt das Gesamtpotenzial bei allen drei Landesbühnen rund 33 Vollzeitäquivalente. Bei vollständiger Realisierung der Vorschläge würden die WLB Esslingen über 101,5 Vollzeitäquivalente und das LTT Tübingen über 100,4 Vollzeitäquivalente verfügen.

4 Verbesserung der Einnahmen

Die eigenen Einnahmen je Besucher unterscheiden sich zwischen den drei Bühnen. Während in Bruchsal durchschnittlich eigene Einnahmen von 8,06 Euro je Besucher erzielt werden, sind dies in Tübingen 9,98 Euro und in Esslingen 12,14 Euro.

Dem stehen Zuschüsse des Landes je Besucher zwischen 37,22 Euro (Bruchsal) und 43,77 Euro (Esslingen) gegenüber. Tübingen liegt mit seinem Landeszuschuss je Besucher von 40,05 Euro in der Mitte. Dazu kommen die Zuschüsse der Kommunen.

Die Eigenfinanzierungsquote beträgt bei der BLB Bruchsal 14,5 %, bei der WLB Esslingen 19,2 % und beim LTT Tübingen 18,7 %. Die scheinbar besonders niedrige Eigenfinanzierungsquote in Bruchsal ist der Tatsache geschuldet, dass die Mitgliedskommunen als Gegenleistung für die von ihnen geleisteten Zuschüsse einen Anspruch auf einige unentgeltliche Vorstellungen der Landesbühne haben.

Der Rechnungshof verkennt nicht, dass diese Eigenfinanzierungsquoten einem bundesweiten Vergleich mit anderen Theatern gleicher Größenordnung durchaus standhalten. Der Rechnungshof hält dennoch eine Eigenfinanzierungsquote von mindestens 20 % für fiskalisch erforderlich. Die Theaterstatistik zeigt, dass leistungsstärkere Theater mindestens ein Fünftel ihrer Ausgaben durch eigene Einnahmen decken können. Langfristig sollten sogar höhere Eigenfinanzierungsquoten möglich sein.

Neben der Realisierung von Einsparpotenzialen bieten sich zur Verbesserung der Eigenfinanzierungsquote folgende Maßnahmen an:

  • Regelmäßige Anpassung der Eintrittspreise

Die hohe Qualität, die die Landesbühnen bei ihren Vorstellungen unbestritten bieten, darf sich auch im Preis niederschlagen.

  • Professionalisierung des Sponsorings

Die Einwerbung von Sponsoren ist keine Aufgabe, die vom Intendanten nebenbei erledigt werden kann, wie es an vielen Theatern üblich ist. Notwendig ist vielmehr der Einsatz von Spezialisten, die über das notwendige Know-how und ausreichende Kontakte verfügen. Beispiele aus dem Ausland zeigen, dass die Theater in Baden-Württemberg das Potenzial in diesem Bereich nicht ausschöpfen.

  • Nachfrageorientierung des Spielplans

Für die Nachfrage nach Gastspielen ist die Gestaltung des Spielplans von großer Bedeutung.

5 Bemessung des Landeszuschusses

Die vom Rechnungshof erhobenen Zahlen zeigen, dass von den drei Landesbühnen lediglich die BLB Bruchsal ihrem Auftrag im Sinne der Kunstkonzeption von 1990 gerecht wird. Bei dieser Landesbühne stehen die Gastspiele im nordbadischen Raum auch zahlenmäßig im Vordergrund: Rund 66 % der Vorstellungen finden außerhalb von Bruchsal statt. 72 % der Theaterbesucher der BLB Bruchsal kommen zu Gastspielen außerhalb Bruchsals.

Die beiden anderen Landesbühnen haben sich dagegen zunehmend von ihrem Auftrag gelöst und zu Kommunaltheatern mit regionaler Zusatzaufgabe gewandelt.

So präsentiert die WLB Esslingen etwa 55 % ihrer Vorstellungen in Esslingen und nur 45 % außerhalb. Der Anteil der Besucher bei den Gastspielen liegt mit 36 % noch darunter.

Noch drastischer ist das Verhältnis beim LTT Tübingen: Die Landesbühne spielt 73 % der Vorstellungen am Sitzort und erreicht damit 72 % ihrer Besucher in Tübingen. Nur 27 % der Vorstellungen finden außerhalb von Tübingen statt. Damit kommen nur 28 % der Besucher zu den Vorstellungen in der Region.

Das vom Land angestrebte Verhältnis des Landeszuschusses zum kommunalen Zuschuss von 70 % zu 30 %, das gegenwärtig allenfalls in Esslingen erreicht wird, steht dazu im Widerspruch. Die Diskrepanz zur Förderung baden-württembergischer Kommunaltheater, bei denen der Zuschuss des Landes nur ein Drittel des Defizits abdeckt, ist bei dieser Sachlage nicht zu rechtfertigen. Die Städte Tübingen und Esslingen verfügen mit den Landesbühnen de facto über attraktive Kommunaltheater, deren Kosten weitgehend vom Land getragen werden.

Der Rechnungshof schlägt deshalb vor, die Landeszuschüsse neu zu bemessen und dabei die beiden Arbeitsbereiche der Landesbühnen (Wanderbühne und Kommunaltheater) rechnerisch zu trennen:

Für das Defizit aus der Tätigkeit als regionale Wanderbühne sollte das Land mit seinem Zuschuss voll einstehen, für das Defizit aus der Tätigkeit am jeweiligen Sitzort sollte dagegen der bei den Kommunaltheatern landesweit angewendete Zuschussschlüssel (Kommunalzuschuss 2/3, Landeszuschuss 1/3) herangezogen werden.

Um langwierige Abrechnungen zu vermeiden, schlägt der Rechnungshof vor, dieses System zu pauschalieren, indem von einem mittleren Gesamtzuschussbedarf je Vorstellung von 7.500 Euro ausgegangen wird. Da Gastspiele in der Regel aufwendiger sind als Vorstellungen am Sitzort, werden diese mit einem Zuschlag von 20 %, also auf einen Zuschussbedarf von 9.000 Euro, veranschlagt. Bei den Vorstellungen am Sitzort wird von einem um 20 % verminderten Zuschussbedarf, also von 6.000 Euro je Vorstellung, ausgegangen.

Damit errechnet sich der künftige Landeszuschuss auf der Grundlage der durchschnittlichen Vorstellungszahlen der letzten fünf Jahre entsprechend Tabelle 6.

2009-B024-Tab6.jpg

Damit würde sich der Zuschuss an die BLB Bruchsal gegenüber 2007 um 195.000 Euro erhöhen, während die Landeszuschüsse an die WLB Esslingen um 940.000 Euro jährlich und an das LTT Tübingen um 580.000 Euro jährlich reduziert werden könnten.

Die WLB Esslingen könnte die Reduzierung des Landeszuschusses allein durch die Realisierung der vom Rechnungshof aufgezeigten Einsparvolumina kompensieren. Darüber hinaus stehen für eine Übergangszeit auch noch beträchtliche Rücklagen zur Verfügung, die das Theater in den letzten Jahren gebildet hat. Außerdem käme auch eine Erhöhung des kommunalen Zuschusses der Stadt Esslingen in Betracht, die in hohem Maße von der künstlerischen Leistung der Landesbühne profitiert.

Das LTT Tübingen könnte, um die Reduzierung des Landeszuschusses auszugleichen, einerseits die aufgezeigten Einsparpotenziale realisieren, andererseits die Eigeneinnahmen erhöhen. Auf lange Sicht müsste geprüft werden, ob sich nach dem Vorbild der Badischen Landesbühne Bruchsal nicht auch im südwürttembergischen Raum weitere Kommunen, außer der Sitzstadt Tübingen, an laufenden Kosten des Theaters beteiligen könnten und ob der Zuschuss der Stadt Tübingen selbst nicht nach oben angepasst werden müsste.

6 Stellungnahme des Ministeriums

Das Wissenschaftsministerium weist darauf hin, dass der Rechnungshof bei seiner Betrachtung die unterschiedlichen Produktions- und Arbeitsbedingungen der einzelnen Bühnen zu wenig berücksichtigt habe. Schlussfolgerungen hätten nur gezogen werden dürfen, wenn die konzeptionelle Ausrichtung der Häuser, die Größe der Bühnen, die Lage der Werkstätten, die Probemöglichkeiten, das Angebotsspektrum, das Einzugsgebiet und die Situation der Sitzkommune mit in Erwägung gezogen worden wären.

Der vom Rechnungshof in Betracht gezogene Zeitraum sei zu kurz, um den Leistungen der Landesbühnen gerecht zu werden. Ein Vergleich mit den Zahlen der frühen Neunzigerjahre hätte gezeigt, wie sehr sich die Leistungen der Landesbühnen seit damals positiv entwickelt haben. Anhand der Kennzahl „Vorstellungen je Mitarbeiter“ hätte diese Entwicklung deutlich gemacht werden können.

Bei der Darstellung der wirtschaftlichen Situation sei nicht berücksichtigt, dass der Landeszuschuss seit vielen Jahren gedeckelt sei und die wenigen Erhöhungen nicht einmal die Tarifsteigerungen abgedeckt hätten, wohingegen die Städte Esslingen und Tübingen ihre Zuschüsse jeweils erheblich verbessert hätten.

Das vom Rechnungshof benannte hohe Ausgabenniveau an der WLB Esslingen sei auch dem Umstand geschuldet, dass insbesondere 2007 Anschaffungen und Investitionen vorgenommen worden seien, die aus erhöhten Eigeneinnahmen und erhöhten kommunalen Zuwendungen finanziert worden seien.

Das Ministerium widerspricht der These des Rechnungshofs, die Leistungen der WLB Esslingen und des LTT Tübingen bewegten sich in der gleichen Größenordnung. Allenfalls lägen die vom Rechnungshof ermittelten Vollzeitäquivalente in der gleichen Größenordnung, nicht jedoch die Leistungen, die im Gegenteil deutlich differierten.

Das Ministerium verweist auf die Kunstfreiheit und auf seine Praxis, in die internen und autonomen Entscheidungen der Intendanz deshalb nicht einzugreifen. Solange sich die Theaterleitung innerhalb des zugestandenen Finanzierungsbudgets bewege, werde die Schwerpunktsetzung der Theaterleitung bei der Personalplanung und beim Personaleinsatz akzeptiert. Im Übrigen hätten die einzelnen Theater die vom Rechnungshof aufgezeigten Abweichungen beim Personalbedarf plausibel gerechtfertigt.

Die Forderungen des Rechnungshofs zur Verbesserung der Einnahmen ließen die Realität im Bereich öffentlich getragener Theater völlig außer Acht. Von 143 Theatern, die in der Theaterstatistik des Deutschen Bühnenvereins genannt sind, erreichten gerade 31 eine Eigenfinanzierungsquote von über 20 %, meist Opernhäuser oder besondere Betriebsformen. Noch höhere Quoten seien nur in den touristenstarken Stadtstaaten zu realisieren.

Die vom Land angestrebte Förderquote von 70 % Landesanteil zu 30 % Kommunalanteil sei das Ergebnis langer Verhandlungen zwischen den Sitzkommunen und dem Land. Die vom Rechnungshof vorgeschlagene Finanzierungsquote würde dazu führen, dass die Finanzierungspartner sich auf Absprachen mit dem Land nicht mehr verlassen könnten. Für zwei der Landesbühnen wären die Kürzungen nach Auffassung des Ministeriums sogar existenzbedrohend. Eine Kompensation der Einsparvolumina wäre ohne Verminderung des Angebots und ohne erhebliche Qualitätseinbußen nicht zu leisten.

7 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof hat bei seiner vergleichenden Betrachtung die Besonderheiten der einzelnen Landesbühnen durchaus berücksichtigt. So wurden die bei der BLB Bruchsal vorgefundenen geringeren Personalbedarfe nicht als Maßstab für die beiden größeren Landesbühnen herangezogen. Soweit die Theaterleitungen die Unterschiede in der personellen Ausstattung nachvollziehbar erklären konnten, wurden diese akzeptiert. Es bleiben aber Differenzen, die durch Unterschiede in der Effizienz der Arbeit erklärt werden und deshalb Hinweise auf Einsparpotenziale geben.

Der Rechnungshof hat an keiner Stelle gefordert, in die künstlerische Autonomie der Theaterleitungen einzugreifen.

Die Verlässlichkeit des Landes als Finanzierungspartner der Sitzgemeinden ist ein hoher Wert. Diese Erkenntnis entbindet den Rechnungshof aber nicht von seiner Pflicht, auf den sparsamen Umgang mit den Haushaltsmitteln des Landes und dabei insbesondere auf eine sachgerechte Abgrenzung zwischen der Zuständigkeit der Kommunen und des Landes für die Finanzierung ihrer jeweiligen Aufgaben hinzuwirken und Fehlentwicklungen zu benennen.


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Bei der Vergabe und der Abwicklung von Transportleistungen für Ausstellungen der Landesmuseen zeigten sich zahlreiche Defizite. Für die Museen sollte vergaberechtliche Fachkompetenz aufgebaut, die Gestaltung der Leih- und Transportverträge verbessert und eine Qualitätsnorm für Kunsttransporte geschaffen werden.


1 Ausgangslage

In den Landesmuseen finden regelmäßig Sonderausstellungen statt, bei denen Ausstellungsgegenstände präsentiert werden, die aus privaten Beständen oder aus Beständen anderer Museen im In- und Ausland zusammengetragen werden. Sie haben für die Positionierung der Landesmuseen im Wettbewerb der kulturellen Einrichtungen eine wichtige strategische Bedeutung und sind als Besuchermagnete unverzichtbar.

Neben den Personalkosten der Ausstellungskuratoren fallen dabei in erster Linie Kosten für den Transport der präsentierten Ausstellungsgegenstände an. Auf den Transport von Kunstgegenständen und wertvollen historischen Gegenständen haben sich wenige Speditionen spezialisiert, die sich eine beachtliche Marktposition verschafft haben.

Der Rechnungshof hat sich im Rahmen verschiedener Prüfungen mit der Frage befasst, welche Einspar- und Optimierungspotenziale beim Transport von Ausstellungsgegenständen bestehen. Dabei erwiesen sich die Ausstellungen der kleineren Landesmuseen als weniger problematisch als die großen Sonderausstellungen der Staatsgalerie Stuttgart, der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, des Archäologischen Landesmuseums und des Badischen Landesmuseums.

Die wesentlichen Erkenntnisse aus diesen Prüfungen wurden den Direktoren der Landesmuseen und dem Wissenschaftsministerium im September 2006 erstmals präsentiert. Das Ministerium hat daraufhin die vom Rechnungshof aufgezeigten Probleme mit den Museumsleitungen erörtert und erste Verbesserungsmaßnahmen eingeleitet.

Da die Landesregierung plant, vermehrt Haushaltsmittel für große Landesausstellungen zur Verfügung zu stellen, hat die Frage nach möglichen Optimierungspotenzialen zunehmende Bedeutung.

2 Wesentliche Prüfungsfeststellungen

2.1 Vorbereitung der Sonderausstellungen

Bei einzelnen Sonderausstellungen der Landesmuseen wurde festgestellt, dass für die Vorbereitung der Ausstellungen zu wenig Zeit vorgesehen war. Nicht immer hatten die Verantwortlichen die Komplexität der Transportaufgabe richtig eingeschätzt. In einem Fall war der Auftrag des Landes, eine Landesausstellung durchzuführen, so spät erteilt worden, dass eine sachgerechte Organisation des Transports der Ausstellungsgegenstände für das Museum faktisch unmöglich war.

Durch den entstehenden Zeitdruck wurde die sorgfältige (juristische und organisatorische) Vorbereitung des Transports von Ausstellungsgegenständen erschwert. Die Budgetplanung erschöpfte sich in der Regel in groben Schätzungen. Bei mehreren der untersuchten Ausstellungen wurden die vorgesehenen Budgets deutlich überschritten.

Oft wurden Ausstellungsgegenstände erst wenige Wochen oder Tage vor Ausstellungsbeginn akquiriert, sodass rein faktisch keine Alternative zur freihändigen Beauftragung von Transportunternehmen mehr bestand. In einigen untersuchten Fällen haben die ausländischen Leihgeber ihre Zusagen trotz rechtzeitiger Anfrage erst so knapp vor Ausstellungsbeginn gegeben, dass die Mehrkosten für kurzfristige Transportaufträge für die Landesmuseen nicht vermeidbar waren.

Die Ausstellungsgegenstände wurden von den Museen nach künstlerischen bzw. historischen Gesichtspunkten ausgewählt. Aus den Akten war nicht immer ersichtlich, dass für die Objektauswahl auch wirtschaftliche Aspekte maßgeblich waren.

2.2 Ausschreibung und Vergabe von Transportleistungen

2.2.1 Keine öffentliche Ausschreibung und fehlende vergabh4. erechtliche Kompetenz

Obwohl bei mehreren der untersuchten Ausstellungen die gesetzlichen Schwellenwerte überschritten waren, wurden die Transportleistungen in keinem der geprüften Fälle öffentlich ausgeschrieben. Vergeben wurde entweder freihändig oder in Einzelfällen aufgrund einer beschränkten Ausschreibung.

Keines der Landesmuseen verfügte über die für eine ordnungsgemäße Ausschreibung von Transportleistungen notwendige Fachkompetenz. Auch die für Museen zuständige Abteilung des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst hatte nicht das notwendige Know-how, um die Museen bei den schwierigen Fragen des Vergaberechts zu beraten und anzuleiten.

Eine europaweite Ausschreibung der Transportleistungen wurde erstmals für die Monet-Ausstellung der Staatsgalerie 2006 durchgeführt. Mangels ausreichenden eigenen Sachverstandes musste ein Rechtsanwalt mit der juristischen Betreuung der Ausschreibung beauftragt werden, dessen Honorar schließlich 10 % des Ausstellungsetats in Anspruch nahm.

2.2.2 Fehler im Ausschreibungsverfahren

Die den Transportunternehmen von den Museen überlassenen Unterlagen stellten in vielen Fällen keine geeignete Kalkulationsgrundlage dar. Dies führte zu Änderungen und Nachträgen der Transportleistungen und in der Folge zu Kostensteigerungen.

In einem der untersuchten Fälle wurde ein Transportunternehmen als Projektant an der Vorbereitung der Vergabe beteiligt. Dasselbe Unternehmen erhielt dann im Rahmen einer beschränkten Ausschreibung den Zuschlag für die Mehrzahl der bei dieser Ausstellung zu erbringenden Transportleistungen. Dieses Vorgehen kann zu Wettbewerbsverzerrungen führen und benachteiligt konkurrierende Anbieter.

In vielen Fällen waren die Vergabeentscheidungen anhand der Akten nicht nachzuvollziehen.

2.3 Gestaltung der Leihverträge

Die Landesmuseen schließen, wenn sie fremde Ausstellungsgegenstände in eigenen Ausstellungen präsentieren wollen, Leihverträge mit den Einrichtungen ab, denen die Objekte gehören.

2.3.1 Benennung des Transportunternehmens im Leihvertrag

In Leihverträgen wird dabei häufig das Unternehmen namentlich bestimmt, das den Transport der Ausstellungsgegenstände übernehmen soll. Das Motiv dafür ist, die Transportqualität zu sichern. Wenn private oder ausländische Eigentümer dies zur Bedingung für die regelmäßig unentgeltliche Leihe machen, dann ist das Landesmuseum gehalten, den Vertrag entsprechend abzuschließen, will es den begehrten Ausstellungsgegenstand tatsächlich erhalten.

Nicht nachvollziehbar ist dagegen, dass Museen, die der öffentlichen Hand oder sogar dem Land gehören, den leihnehmenden Museen die Auswahl des Transportunternehmens vorschreiben. Dadurch wird in rechtlich bedenklicher Weise Wettbewerb zwischen den Speditionen unterbunden und es werden wirtschaftlichere Lösungen durch Vergabe im Wettbewerb verhindert.

2.3.2 Versicherung des Ausstellungsgutes

Problematisch ist die in vielen Leihverträgen vorgesehene Klausel, wonach das Land die entliehenen Ausstellungsgegenstände gegen Beschädigung zu versichern bzw. die Versicherungsprämie zu tragen habe. Wirtschaftlich günstiger ist es, wenn das Land eine Garantie für die unbeschädigte Rückgabe des Leihguts übernimmt (Prinzip der Selbstversicherung). Diese Landeshaftung wird von den Leihgebern offenbar nicht immer akzeptiert. Das Motiv kann mangelnde Information oder blinde Routine auf der Seite des Leihgebers sein. Nach Recherchen des Rechnungshofs können jedoch auch wirtschaftliche Motive im Spiel sein, wenn die Leihgeber die von den Sachversicherungen regelmäßig angebotenen Rückerstattungen bei Schadensfreiheit als außerordentliche Erträge vereinnahmen können. Die Museen sollten beim Abschluss der Leihverträge darauf bestehen, dass solche Rückerstattungen dem Land gutgeschrieben werden. Dadurch würde der Anreiz für die Leihgeber gemindert, private Versicherungen zu verlangen.

2.3.3 Ungewöhnliche Gegenleistungen

Bei Leihverträgen mit ausländischen Staaten wurde in zwei Fällen festgestellt, dass die zuständigen ausländischen Stellen ungewöhnliche Gegenleistungen für die Entleihe der Ausstellungsgegenstände erbeten haben (z. B. umfangreiche Besuchsaufenthalte in Deutschland oder Sachgeschenke). Die Museen sollten bemüht sein, die im Inland üblichen Standards zur Vermeidung der Vorteilsnahme durch öffentliche Bedienstete auch gegenüber ausländischen Regierungsvertretern konsequent anzuwenden.

2.4 Gestaltung der Transportverträge

Die Verträge mit den Transportunternehmen sehen in der Regel vor, dass die beim Transport der Ausstellungsgegenstände anfallenden Reisekosten der begleitenden Kuriere zunächst vom Transportunternehmen getragen und später vom leihnehmenden Museum als Auslagen erstattet werden.

Durch diese Art der Vertragsgestaltung ist die Höhe der anfallenden Reisekosten für die begleitenden Kuriere nicht Gegenstand der Ausschreibung und damit auch nicht verbindlich definiert.

Die Prüfung der Abrechnungen hat ergeben, dass die als Auslagen geltend gemachten Reisekosten in der Regel deutlich über den beim Land üblichen Spesensätzen liegen. Bei der Abrechnung der Flugkosten werden in der Regel Preise der Business Class zugrundegelegt. Rabatte und eventuell anfallende Bonusmeilen verbleiben bei dem Transportunternehmen und werden nicht offengelegt.

In einigen Fällen, in denen Ausstellungsgegenstände aus dem Ausland zu beschaffen waren, wurden lediglich die Preise für die vom Transportunternehmen selbst erbrachten Leistungen vereinbart, während das Unternehmen berechtigt war, Leistungen von ausländischen Subunternehmen als Auslagen in Rechnung zu stellen.

Diese Vertragsgestaltung hat den Nachteil, dass die Kosten der Subunternehmer (z. B. für den Transport innerhalb des Herkunftslandes) prinzipiell nach oben offen und nicht wirklich überprüfbar sind. Die Subunternehmerleistungen sollten deshalb in die im Wettbewerb ermittelten Gesamtentgelte integriert werden.

2.5 Abrechnung der Transportverträge

Häufig gab es für die als Auslagen in Rechnung gestellten Subunternehmerleistungen und Reisekosten keine prüfbaren Belege. Diese Praxis öffnet Missbrauchsmöglichkeiten für die Vertragspartner und führt gegebenenfalls zu vermeidbaren Mehrkosten.

Es ist kein Grund ersichtlich, warum die Museen beim Transport von Ausstellungsgegenständen von den im staatlichen Haushaltsrecht vorgeschriebenen Standards abweichen sollten. Dies gilt umso mehr, als es sich bei den Beträgen, die ohne ausreichenden Beleg ausbezahlt wurden, nicht um Bagatellbeträge handelte.

3 Empfehlungen

3.1 Aufbau der notwendigen juristischen Kompetenz

Beim Wissenschaftsministerium und bei den Landesmuseen ist die notwendige Kompetenz für die ordnungsgemäße Ausschreibung und Vergabe von Transportdienstleistungen aufzubauen.

Angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung der Ausschreibung, der Vergabe und der Gestaltung der Verträge empfiehlt der Rechnungshof, im Geschäftsbereich des Wissenschaftsministeriums eine zentrale Stelle (Kompetenzzentrum) einzurichten, die über das notwendige juristische Spezialwissen und die praktische Erfahrung verfügt. Die Leitung der Landesmuseen und die Ausstellungskuratoren sollten dann die Dienstleistung dieser zentralen Stelle in Anspruch nehmen. Bis ein solches Kompetenzzentrum geschaffen ist, sollten die Erfahrungen anderer Ressorts (beispielsweise des Landesbetriebs Schlösser und Gärten) genutzt werden.

3.2 Rechtzeitige Vorbereitung der Ausstellungen

Die großen Sonderausstellungen der Landesmuseen sollen so rechtzeitig vorbereitet werden, dass der Transport mit der gebotenen Sorgfalt organisiert werden kann und wirtschaftlich günstige Lösungen gestaltet werden können.

Das schließt nicht aus, dass bei besonders begehrten Ausstellungsgegenständen, deren Eigentümer sich wenig kooperativ zeigen, im Einzelfall auch kurzfristige Entscheidungen getroffen werden müssen.

3.3 Beachtung des Vergaberechts

Die Museen müssen bei Ausschreibung und Vergabe von Transportdienstleistungen das Vergaberecht beachten, da anderenfalls Schadensersatzansprüche unterlegener Bewerber drohen.

3.4 Gestaltung der Leihverträge

Die Leihverträge mit den Eigentümern der Ausstellungsgegenstände sollten in der Regel so abgeschlossen werden, dass

  • das Landesmuseum über die Vergabe der Transportdienstleistungen entscheidet und selbst den Auftrag vergibt,

 

  • auf eine spezielle Versicherung des Ausstellungsguts bei einer privaten Versicherung verzichtet wird und das Land stattdessen eine Garantie für die unbeschädigte Rückgabe des Ausstellungsguts übernimmt,

 

  • die Reisekosten eventuell notwendiger Kuriere, die die Ausstellungsstücke begleiten, nicht vom Transportdienstleister, sondern unmittelbar vom leihnehmenden Museum bezahlt werden und

 

  • keine persönlichen Gegenleistungen für die handelnden Amtsträger ausländischer Staaten vereinbart werden.

3.5 Gestaltung und Abwicklung der Transportverträge

Bei der Ausschreibung und dem Abschluss der Transportverträge ist darauf zu achten, dass ein Gesamtentgelt vereinbart wird und keine der Höhe nach unbestimmten Auslagen des Transportdienstleisters zu ersetzen sind.

Die Transportleistungen sind von den Museen eindeutig und erschöpfend zu beschreiben.

Bei der Abwicklung der Transportverträge müssen alle Zahlungen, die das Landesmuseum zu leisten hat, ordnungsgemäß belegt und die Belege auf ihre sachliche und rechnerische Richtigkeit geprüft werden.

3.6 Schaffung einer Qualitätsnorm Kunsttransporte

Die (wettbewerbsbehindernde) Benennung der Transportunternehmen in den Leihverträgen ist offenbar von der Motivation getragen, die Qualität des Kunsttransports auf höchstem Niveau zu sichern. Deshalb bietet es sich an, eine Qualitätsnorm Kunsttransporte zu schaffen, auf die dann in den Verträgen Bezug genommen werden kann.

In Betracht kommt (ähnlich, wie dies in Österreich bereits praktiziert wird) eine nationale oder eine speziell baden-württembergische Qualitätsnorm für Kunsttransporte.

Das Ministerium müsste dazu einen Katalog von Anforderungen zusammenstellen, die an einen sicheren und sachgerechten Transport von wertvollen historischen und künstlerischen Ausstellungsgegenständen zu richten sind. Diese Norm könnte dann sowohl bei Leihverträgen angewendet werden, die baden-württembergische Museen als Entleiher abschließen, als auch bei Leihverträgen mit in- und ausländischen Entleihern.

Auf die verbindliche Vereinbarung eines bestimmten Transportunternehmens könnte dann verzichtet werden.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Wissenschaftsministerium hat - angestoßen durch die Feststellungen des Rechnungshofs und durch einschlägige Anfragen der EU-Kommission - noch im Jahr 2006 die Landesmuseen auf die Rechtslage bei binnenmarktrelevanten Vergaben von Kunsttransporten hingewiesen. Es hat namens der Landesmuseen gegenüber dem federführenden Wirtschaftsministerium zugesagt, dass bestimmte von der EU-Kommission beanstandete binnenmarktrelevante Direktvergaben von Kunsttransporten in Baden-Württemberg künftig unterbleiben. Die Museen seien in der Folgezeit mehrfach angehalten worden, die rechtlichen Vorgaben und die vom Rechnungshof vorgetragenen Beanstandungen zu beachten.

Parallel dazu hätten beim Deutschen Museumsbund und im Arbeitskreis der Deutschen Kunstmuseen Gespräche mit dem Ziel stattgefunden, die rechtliche Situation bei der Vergabe von Kunsttransporten zu klären und zu bundesweiten Handlungsanleitungen zu kommen. Dieser Prozess sei aufgrund der hohen Komplexität des Problems bis heute nicht abgeschlossen. Noch nicht abschließend geklärt sei, ob Vergaben im Einzelfall dadurch erleichtert werden könnten, dass zuvor im Wege der Ausschreibung eine Rahmenvereinbarung für Kunsttransporte mit einem Unternehmen abgeschlossen wird. Auch die Frage, wie mit den verbindlichen Vorgaben von Leihgebern außerhalb der Europäischen Union europarechtskonform umzugehen ist, sei noch offen.

Ein baden-württembergischer Sonderweg, etwa durch die Schaffung einer eigenen Landesqualitätsnorm für Kunsttransporte, sei vor diesem Hintergrund gegenwärtig nicht erfolgversprechend.

Das Ministerium teilt die Auffassung des Rechnungshofs, dass bei den Landesmuseen zusätzliche Kompetenz für die ordnungsgemäße Ausschreibung und Vergabe von Transportdienstleistungen aufzubauen sei. Das Ministerium strebe eine Bündelung von Aufgaben bei den Verwaltungen der Landesmuseen an. In diesem Zusammenhang werde auch zu entscheiden sein, wo und wie die zusätzliche Fachkompetenz für die Vergabe von Transportaufträgen aufgebaut werden kann. Darüberhinaus könnten die Museen heute schon die Unterstützung des Logistikzentrums der Landesverwaltung bei anspruchsvollen Ausschreibungen in Anspruch nehmen.

5 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof und das Wissenschaftsministerium stimmen in der Zielsetzung im Wesentlichen überein. Der Vorschlag, eine Qualitätsnorm für Kunsttransporte zu schaffen, ist vom Rechnungshof nicht als Erschwerung der ohnehin komplizierten Vergabe gedacht. Diese Qualitätsnorm soll vielmehr die Ausschreibung erleichtern, indem künftig bei der Definition der Leistungsstandards in einer Ausschreibung nicht mehr auf die Leistungen eines konkreten Unternehmens, sondern einfach auf diese Norm verwiesen werden kann.


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Das Archäologische Landesmuseum muss professioneller betrieben und wirtschaftlicher geführt werden. Seine Akzeptanz beim Publikum ist zu gering. Die auf mehrere Standorte verteilte Organisation erschwert die Führung des Hauses. Das Museum und seine Verwaltung am Standort Konstanz sind zu konzentrieren und die Verflechtung mit dem Landesamt für Denkmalpflege ist aufzuheben.


1 Die Geschichte des Archäologischen Landesmuseums

Die Landesregierung hat im Juni 1989 beschlossen, ein archäologisches Landesmuseum einzurichten. Die Umsetzung sollte in drei Stufen erfolgen.

Die erste Stufe wurde im März 1992 in Konstanz realisiert: Im ehemaligen Konventgebäude des Klosters Petershausen wurde die „Außenstelle des Archäologischen Landesmuseums“ mit 3.000 m² Ausstellungsfläche eröffnet.

Die Leitung des Archäologischen Landesmuseums wurde in Personalunion dem Präsidenten des Landesdenkmalamts (heute: Landesamt für Denkmalpflege) übertragen. Leitung und Verwaltung befinden sich in den Räumen des

Landesamts für Denkmalpflege in Esslingen am Neckar. Die Fachaufsicht liegt beim Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst.

Als zweite Stufe wurde im Juni 1999 im ehemaligen Festungslazarett in Rastatt das Zentrale Fundarchiv als weitere Außenstelle des Archäologischen Landesmuseums in Betrieb genommen. Es sammelt und erschließt alle archäologischen Funde aus Baden-Württemberg und fungiert als Dienstleistungsbetrieb für alle Museen und Ausstellungsstätten, die archäologische Funde aus Baden-Württemberg präsentieren.

Die dritte Ausbaustufe, die Einrichtung eines zentralen Archäologischen Landesmuseums in Stuttgart und die Integration der archäologischen Abteilungen des Badischen Landesmuseums und des Landesmuseums Württemberg in dieses Zentralmuseum, ist bis heute nicht realisiert. Aus den Akten ergibt sich, dass die Landesregierung von dieser Planung Abstand genommen hat.

2003 wurde dem Archäologischen Landesmuseum die Verantwortung für die Zweigmuseen in Bad Buchau, Aalen, Osterburken, Oberriexingen und Rottweil übertragen. Bei ihnen handelt es sich um kommunale Einrichtungen, die vom Landesmuseum fachlich und wissenschaftlich betreut werden.

Der Rechnungshof hat 2008 erstmals den Museumsbetrieb und die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Archäologischen Landesmuseums geprüft.

2 Die Organisation des Archäologischen Landesmuseums

Das Archäologische Landesmuseum ist stark dezentral organisiert. Leitung und Verwaltung sitzen in Esslingen am Neckar, die Mehrzahl der Mitarbeiter im

Museum in Konstanz und ein weiterer Teil des Personals im Zentralen Fundarchiv in Rastatt. Insgesamt verfügt das Landesmuseum über 21 Stellen für Beamte und Tarifbeschäftigte, weitere 17 teilzeitbeschäftigte Mitarbeiter des Aufsichtsdienstes werden aus Haushaltsmitteln bezahlt.

Die dezentrale Struktur verursacht vermeidbare Doppelarbeiten im Bereich der Haushalts- und Wirtschaftsführung und erschwert eine führungsstarke Leitung des Museums.

Innerhalb der Landesregierung bestehen über die künftige Organisation des Archäologischen Landesmuseums unterschiedliche Auffassungen.

3 Stärken und Verbesserungspotenziale des Museumsbetriebs

Bei der Prüfung des Museumsbetriebs zeigten sich Stärken vor allem bei den Zweigmuseen. Verbesserungspotenziale wurden vor allem im Museum in Konstanz offenbar.

3.1 Die Zweigmuseen

Die Zweigmuseen erfreuen sich eines hohen Publikumszuspruchs. Die jährlichen Besucherzahlen bewegen sich seit Jahren ziemlich konstant um 100.000.

Das Federseemuseum in Bad Buchau wird jährlich von 37.000 Menschen besucht. Es präsentiert bedeutende Funde aus 14.000 Jahren Menschheitsgeschichte. Ein gelungenes museumspädagogisches Konzept, das im Freigelände auch für Kinder und Jugendliche ansprechende Angebote aus dem prähistorischen Alltagsleben umfasst, sorgt für eine hohe Attraktivität und macht das Museum zu einem regional bedeutsamen touristischen Anziehungspunkt.

Das Limesmuseum in Aalen präsentiert auf dem Gelände eines römischen Reiterkastells die Geschichte der obergermanischen römischen Provinzen und das militärische und zivile Leben am Limes. Es wird jährlich von 46.000 Interessierten besucht. Seit Anfang 2008 befindet sich auch das Limes-Informationszentrum im Gebäude des Aalener Museums.

Das Römermuseum Osterburken, das in einem von der Landesstiftung Baden-Württemberg mitfinanzierten Neubau residiert, wird seit der Wiedereröffnung jährlich von 10.000 Menschen besucht.

Die weiteren Zweigmuseen (das Römerhaus in Walheim, der Römische Weinkeller in Oberriexingen und die römische Abteilung des Dominikanermuseums in Rottweil) weisen geringere Besucherzahlen auf.

Die Aufteilung der Verantwortung zwischen den kommunalen Trägern vor Ort, die für die personellen und sächlichen Ressourcen sorgen, und dem Archäologischen Landesmuseum, das seinen wissenschaftlichen Sachverstand beisteuert, hat sich bewährt. Die Zweigmuseen veranschaulichen wichtige Phasen der Geschichte unseres Landes und tragen durch ihren lokalen Bezug zur Identitätsbildung in der Region bei.

Die zwischen dem Land und den Trägern der Zweigmuseen getroffenen Vereinbarungen sollten aktualisiert werden. An der bewährten Aufgabenteilung sollte festgehalten werden.

3.2 Das Museum in Konstanz

Das Museum in Konstanz wird in gewöhnlichen Jahren durchschnittlich von 33.000 Menschen besucht. Deutlich höhere Besucherzahlen ergaben sich allerdings in den Jahren, in denen die großen Landesausstellungen des Archäologischen Landesmuseums „Troja“ und „Imperium Romanum“ in Stuttgart präsentiert wurden.

Von den 2007 gezählten 37.890 Besuchern haben lediglich 5.878 vollen Eintritt bezahlt, 16.776 erhielten ermäßigten Eintritt und 15.236 Besucher genossen freien Eintritt.

Die Prüfung des Rechnungshofs hat ergeben, dass diese vom Konstanzer Museum gemeldeten offiziellen Besucherzahlen nicht valide sind. Das Museum hat auch jene Menschen als Museumsbesucher gezählt, die lediglich den Museumsshop besuchten, eine Information an der Kasse erfragten oder nur die Toiletten in Anspruch nahmen.

Mit durchschnittlich 12,7 Besuchern je Öffnungsstunde liegt das Archäologische Landesmuseum in Konstanz deutlich hinter allen anderen Landesmuseen zurück. So weist etwa das Badische Landesmuseum je Öffnungsstunde durchschnittlich 77 Besucher, das Landesmuseum Württemberg 83 Besucher aus.

Mit einem Landeszuschuss von 48,48 Euro je Besucher liegt das Museum deutlich über dem Durchschnitt aller Landesmuseen von 29,23 Euro je Besucher. Der Kostendeckungsgrad liegt bei lediglich 3,8 %, während beispielsweise das Badische Landesmuseum einen Kostendeckungsgrad von 33,3 % erreicht.

Die Ursachen für die unzureichende Attraktivität des Konstanzer Museums sind vielfältig: Zu der besonderen geografischen Lage kommen Defizite in der Konzeption der Dauerausstellung und eine in Teilen unzureichende technische Ausstattung (z. B. fehlende Audioguides). Einigen vielversprechenden museumspädagogischen Innovationen der letzten Jahre (z. B. der Kinderausstellung im oberen Stockwerk) fehlt die Nachhaltigkeit. Auch die Öffentlichkeitsarbeit des Museums schöpft die gegebenen Potenziale nicht aus.

4 Defizite der Haushalts- und Wirtschaftsführung

4.1 Personalwesen

Für keinen der Bediensteten des Archäologischen Landesmuseums liegt eine Tätigkeitsbeschreibung vor. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, nach welchen Kriterien die Tarifbeschäftigten in die einzelnen Entgeltgruppen eingruppiert wurden. Die Beamten sind in den letzten zehn Jahren nicht mehr beurteilt worden.

Der Aufsichtsdienst ist überdimensioniert. Außerdem wurde bei der Beschäftigung der Aufsichtskräfte gegen zwingende arbeitsrechtliche Vorgaben verstoßen. Die vereinbarten Befristungen der Arbeitsverhältnisse sind mindestens teilweise unwirksam.

Die von den einzelnen Mitarbeitern geleisteten Arbeitszeiten wurden unzureichend dokumentiert, einzelne Belege wiesen unrealistische Stundenzahlen auf.

Nebentätigkeiten werden nicht sorgfältig überwacht. Auch bei der Abrechnung von Reisekosten wurden einige Fehler festgestellt.

Bis 2007 hat das Landesmuseum seine Abgabenpflicht nach der Künstlersozialversicherung nicht erfüllt. Auf einen entsprechenden Hinweis des Ministeriums hin wurden die Beiträge mittlerweile nachentrichtet.

4.2 Haushaltswesen und Buchhaltung

Die Buchhaltung des Archäologischen Landesmuseums entspricht in weiten Teilen nicht dem geltenden Haushalts- und Kassenrecht. Bei vielen Ausgaben fehlten ordnungsgemäße Belege, die Prüfung der sachlichen Richtigkeit der eingegangenen Rechnungen war häufig nicht dokumentiert.

In einzelnen Fällen wurden sachliche Fehler festgestellt: So wurden beispielsweise Skonti nicht abgezogen. Eingegangene Rechnungen wurden vollständig bezahlt, obwohl sie als unrichtig zu erkennen waren.

Im Zentralen Fundarchiv wird ohne Rechtsgrundlage eine Kasse geführt, deren Bestand nur unregelmäßig und teilweise nicht nachvollziehbar abgerechnet wurde. Die Prüfung ergab einen zwar kleinen, jedoch nicht erklärbaren Fehlbestand. An allen drei Standorten wurden Kassen geführt, die zu keiner Zeit unvermutet geprüft worden sind.

4.3 Beschaffungen und Materialverwaltung

Bei einigen Beschaffungsvorgängen der letzten Haushaltsjahre wurde gegen das Vergaberecht verstoßen. In mehreren Fällen wurde die falsche Vergabeart angewendet. Zum Teil beruhten diese Entscheidungen auf einer offenkundig fehlerhaften Bestimmung des jeweiligen Auftragswertes. Vergabeentscheidungen waren in manchen Fällen nicht mehr nachvollziehbar, weil sie nicht dokumentiert waren.

Bei der Beschaffung von DV-Geräten wurde nicht immer, wie vorgeschrieben, das Logistikzentrum Baden-Württemberg in Anspruch genommen.

Das Archäologische Landesmuseum verfügt über einen Bestand an Katalogen und Schriften mit einem theoretischen Verkaufswert von 468.000 Euro. Teilweise stammen die Kataloge noch aus den Neunzigerjahren und sind praktisch nicht mehr verkäuflich.

Die Bestandsprüfung ergab bei mehreren Publikationen nicht nachvollziehbare Fehlbestände, in einigen Fällen einen unerklärlichen Mehrbestand. Die Aufbewahrung der Kataloge führt zu vermeidbaren Lagerkosten.

Noch während der Prüfung des Rechnungshofs hat die Verwaltung des Landesmuseums eine Neuorganisation des Kataloglagers angekündigt. Im Zuge dieser Neuorganisation soll auch über die weitere Verwendung der unverkäuflichen Restbestände entschieden werden. Der Rechnungshof hat angeregt, die unverkäuflichen Exemplare der Kataloge öffentlichen Bibliotheken und Schulen zur Verfügung zu stellen.

5 Empfehlungen

5.1 Behebung der festgestellten Defizite

Die Leitung des Archäologischen Landesmuseums muss die festgestellten Defizite in der Haushalts- und Wirtschaftsführung und im Personalwesen zeitnah beheben. Die Abläufe sind den für Landeseinrichtungen geltenden Regeln anzupassen. Die einschlägigen Rechtsvorschriften sind künftig zu beachten.

Die Kosten- und Leistungsrechnung ist so weiterzuentwickeln, dass sie künftig valide Zahlen über die wirtschaftliche Situation des Museums liefert und die Vereinbarung messbarer Ziele möglich macht.

Notwendig ist ein neues Konzept für den Museumsbetrieb in Konstanz, bei dem didaktische und museumspädagogische Aspekte mehr Gewicht bekommen sollten. Es muss gelingen, das Museum in Konstanz zu einer konkurrenzfähigen Bildungsstätte weiterzuentwickeln und es zugleich auch für erwachsene Besucher attraktiv zu gestalten.

Für diese Entwicklungen bedarf es strategischer Zielvorgaben des Ministeriums und für einen Übergangszeitraum auch einer engeren Führung des Museums, aber auch eines ausreichenden operativen Spielraums für den verantwortlichen Leiter des Landesmuseums, der die notwendigen Innovationen ermöglicht.

5.2 Neuorganisation des Archäologischen Landesmuseums

5.2.1 Konzentration des Museums in Konstanz

Die dezentrale Struktur des Museums, die für die festgestellten Defizite im Museumsbetrieb und in der Haushalts- und Wirtschaftsführung mitursächlich ist, muss bereinigt werden.

Die Personalunion zwischen dem Präsidenten des Landesamts für Denkmalpflege und dem Leiter des Archäologischen Landesmuseums ist aufzuheben. Die Leitung und Verwaltung des Museums sollte in Zukunft allein in Konstanz residieren und die Einrichtung unter museumspolitischen und -pädagogischen Vorzeichen zeitgemäß weiterentwickeln.

Das Museum in Konstanz sollte nicht länger als Außenstelle eines zur Utopie gewordenen zentralen Archäologiemuseums firmieren, sondern das Archäologische Landesmuseum in Baden-Württemberg sein, das zusammen mit dem Badischen Landesmuseum, dem Landesmuseum Württemberg und den Zweigmuseen den Ertrag der Landesarchäologie präsentiert.

5.2.2 Zuordnung des Zentralen Fundarchivs zum Landesamt für Denkmalpflege

Das Zentrale Fundarchiv in Rastatt steht von seiner Aufgabenstellung dem Landesamt für Denkmalpflege näher als dem Archäologischen Landesmuseum. Seine umfangreichen Bestände werden überwiegend zu wissenschaftlichen Zwecken aufbewahrt und erschlossen. Die mögliche Präsentation der Fundstücke in einem Museum hat dabei nicht die erste Priorität. Außerdem erbringt das Fundarchiv seine Serviceleistungen nicht nur gegenüber dem Archäologischen Landesmuseum, sondern in gleicher Weise gegenüber den anderen Landesmuseen und den in großer Zahl vorhandenen kommunalen Museen.

Der Rechnungshof empfiehlt deshalb, das Zentrale Fundarchiv künftig dem Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart zuzuordnen und aus der Organisation des Archäologischen Landesmuseums auszugliedern.

5.2.3 Betreuung der Zweigmuseen durch das Archäologische Landesmuseum

Die archäologischen Zweigmuseen sollten weiterhin durch die Mitarbeiter des Landesmuseums betreut werden.

5.2.4 Ressortzuständigkeit

Die Ressortzuständigkeit für das Archäologische Landesmuseum sollte wie die Zuständigkeit für die anderen Landesmuseen beim Wissenschaftsministerium bleiben. Dort ist der notwendige museumspolitische Sachverstand vorhanden und eine Abstimmung der Arbeit der verschiedenen Landesmuseen gewährleistet.

Die vom Regierungspräsidium Stuttgart in die Diskussion gebrachte Lösung, das Archäologische Landesmuseum vollständig in das Landesamt für Denkmalpflege zu integrieren und in die fachliche Verantwortung des Wirtschaftsministeriums zu überführen, würde zwar einige der festgestellten Defizite beheben können, wäre aber gegenüber der vom Rechnungshof vorgeschlagenen nur die zweitbeste Lösung.

5.2.5 Verzicht auf Umwandlung in einen Landesbetrieb

Die Landesregierung plant, das Archäologische Landesmuseum zum 01.01.2010 in einen Landesbetrieb nach § 26 Landeshaushaltsordnung umzuwandeln.

Das Landesmuseum ist nach Größe und vorhandener Verwaltungskraft nicht geeignet, die mit der Umwandlung in einen Landesbetrieb verbundenen zusätzlichen Herausforderungen zu bewältigen. Es ist auch nicht ersichtlich, welche Vorteile die neue Organisationsform für das Landesmuseum hätte, die nicht auch im Rahmen eines klassischen Regiebetriebes realisiert werden könnten. Das wirtschaftliche Volumen ist angesichts der stagnierenden Besucherzahlen ohnehin so gering, dass sich durch die Umwandlung keine neuen Spielräume ergeben würden.

5.3 Weitere Verbesserungen der Wirtschaftlichkeit

Das wirtschaftliche Ergebnis des Museums könnte weiter verbessert werden, wenn der Aufsichtsdienst an private Dritte vergeben wird und die Zahl der Fälle, in denen unentgeltlicher Eintritt gewährt wird, deutlich reduziert wird.

Bei einer Zusammenfassung der Verwaltung am Standort Konstanz könnten durch Wegfall von Doppelarbeiten und einen verminderten Koordinationsaufwand eineinhalb Personalstellen eingespart werden.

Durch realitätsnähere Druckauflagen der Publikationen können Herstellungs- und Lagerkosten eingespart werden.

Weitere Einsparungen sind möglich, wenn bei Beschaffungen wie vorgesehen die Unterstützung des Logistikzentrums Baden-Württemberg in Anspruch genommen wird.

6 Stellungnahme des Ministeriums

Das Wissenschaftsministerium weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass sich das Museum insbesondere durch seine großen Landesausstellungen national und international ein beachtliches Ansehen verschafft habe.

Es teilt mit, das Archäologische Landesmuseum habe bereits erste Schritte eingeleitet, um die festgestellten Defizite in der Haushalts- und Wirtschaftsführung zu beheben und ähnliche Fehler in Zukunft zu vermeiden. Das Ministerium teile die Auffassung des Rechnungshofs, dass zur Steuerung der Landesmuseen eine verbesserte Kosten- und Leistungsrechnung erforderlich sei. Das Controlling-Konzept werde im Rahmen des Neuen Steuerungsmodells weiterentwickelt.

Der Museumsbetrieb in Konstanz könne nur gerecht beurteilt werden, wenn er an der von vorneherein begrenzten Aufgabenstellung des als Außenstelle konzipierten Museums gemessen werde. Eine flächendeckende Darstellung der Landesarchäologie sei in Konstanz nie beabsichtigt gewesen und aufgrund der räumlichen Gegebenheiten auch nicht möglich. Gleichwohl sei es dem Ministerium ein großes Anliegen, die vom Rechnungshof festgestellten Defizite im Museumsbetrieb in Konstanz baldmöglichst zu beheben und die Attraktivität für Besucher deutlich zu erhöhen. Es seien deshalb Veränderungen in der Struktur des Archäologischen Landesmuseums vorgesehen, bei denen das Ministerium das Museum eng begleiten werde.

Auch das Ministerium wolle das Archäologische Landesmuseum und das Landesamt für Denkmalpflege entflechten. Das Landesmuseum solle durch eine konsequente Ausrichtung auf einen musealen Betrieb vorangebracht werden und in der öffentlichen Wahrnehmung Anschluss an die anderen Landesmuseen finden. Dies solle auch in Zukunft in der Ressortverantwortung des Ministeriums geschehen.

Die vom Rechnungshof vorgeschlagene Zuordnung des Zentralen Fundarchivs zum Landesamt für Denkmalpflege wäre nach Auffassung des Ministeriums für das Land eher nachteilig. So müsste dann die eingeleitete enge Zusammenarbeit mit dem Badischen Landesmuseum und dem Landesmuseum Württemberg rückabgewickelt werden und in diesen beiden Museen müssten wieder zusätzliche Depotflächen geschaffen werden. Auch sei zu bedenken, dass es sich beim Sammeln und Bewahren um originäre Aufgaben jedes Museums handele. Ohne das Fundarchiv würde das Archäologische Landesmuseum seine restauratorische Fachkompetenz weitgehend verlieren und wäre in seiner Ausstellungsarbeit völlig auf Dritte angewiesen. Die Zweigmuseen sollten auch künftig von Rastatt aus betreut werden.

Dem Vorschlag des Rechnungshofs, auf die Umwandlung des Landesmuseums in einen Landesbetrieb zu verzichten, könne nicht gefolgt werden. Allerdings sei das Ministerium bereit, den Zeitpunkt der Umwandlung noch einmal zu überdenken.

Die Vorschläge des Rechnungshofs zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit würden in den nächsten Monaten gemeinsam mit der Leitung des Museums eingehend geprüft. Erste Überlegungen seien bereits angestellt, konkrete Lösungen würden bis zum Herbst 2009 und dann zusammen mit der Neuorganisation des Museums umgesetzt.

7 Schlussbemerkung

Zwischen Ministerium und Rechnungshof besteht weitgehende Einigkeit über die Ziele der anstehenden Veränderungen in der Aufbau- und Ablauforganisation.

Die strittige Frage der Zuordnung des Zentralen Fundarchivs zum Landesamt für Denkmalpflege oder zum künftigen Archäologischen Landesmuseum hat aus Sicht des Rechnungshofs keine zentrale strategische Bedeutung. Die besseren Argumente sprechen allerdings für die Zuordnung zum Landesamt für Denkmalpflege.


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Die Staatliche Kunsthalle Baden-Baden hatte mit ihren Ausstellungen in den letzten Jahren nur mäßigen Publikumserfolg. Die Prüfung ergab Verbesserungspotenzial, aber auch schwerwiegende Verstöße gegen das Haushaltsrecht. Langfristig müssen das Engagement des Landes und die Organisationsform des Museums überdacht werden. Neben der Kommunalisierung oder der Privatisierung kommt eine Fusion mit einer anderen Kunsteinrichtung des Landes in Betracht.


1 Die Entwicklung der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden

Die Staatliche Kunsthalle Baden-Baden wurde 1909 als private Einrichtung gegründet und 1927 in öffentliche Trägerschaft überführt.

Als einziges der elf Landesmuseen verfügt sie über keine eigene Sammlung, sondern dient allein als Ausstellungshalle zur Präsentation zeitgenössischer Kunst. Mit heute 672 m² Ausstellungsfläche ist die Kunsthalle das bei weitem kleinste Landesmuseum.

Bis 2004 erreichte die Kunsthalle mit ihren fünf bis sieben Ausstellungen jährlich etwa 13.000 Besucher. Seit der Eröffnung des unmittelbar benachbarten Museums Frieder Burda stiegen die Besucherzahlen auf durchschnittlich 28.000 Besucher jährlich. Dies entspricht etwa 15 Besuchern je Öffnungsstunde.

Die jährlichen Ausgaben für das Museum, einschließlich der Gebäudebewirtschaftungskosten, bewegen sich zwischen 1,0 Mio. Euro und 1,25 Mio. Euro. Davon wird etwa ein Fünftel durch eigene Einnahmen (Zuwendungen, Verkaufserlöse, Eintrittsgelder) gedeckt. Die Einnahmen aus Eintrittsgeldern deckten in den letzten Jahren stets weniger als 10 % der Ausgaben.

Der Landeszuschuss je Besucher beläuft sich auf 30 Euro. Dieser Betrag liegt über dem Niveau der Staatsgalerie Stuttgart, die dem Besucher allerdings deutlich mehr zu bieten hat.

Die Leitung der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden lag bis Oktober 2005 in den Händen eines Kunsthistorikers, seit September 2006 amtiert eine neue Direktorin. Dazwischen war die Position des Leiters ein Jahr lang unbesetzt.

Zum 01.01.2008 wurde die Kunsthalle in einen Landesbetrieb nach § 26 Landeshaushaltsordnung umgewandelt.

2 Die Prüfung des Rechnungshofs

Der Rechnungshof hat die Staatliche Kunsthalle Baden-Baden geprüft. Schwerpunkt der Prüfung waren die Haushaltsjahre 2003 bis 2007.

Dabei zeigten sich - wie bei anderen vom Rechnungshof geprüften staatlichen Museen - deutliche Defizite in der Verwaltung des Museums und eine unzureichende Aufsicht und Führung durch das zuständige Ministerium. Außerdem wurden zahlreiche Rechtsverstöße des früheren Museumsleiters festgestellt, die mittlerweile zu Schadensersatzforderungen des Landes geführt haben.

Beim Umbau des Museumsgebäudes im Jahr 2007 hat die neue Leitung das Haushaltsrecht nicht beachtet. Die Folge waren vermeidbare Mehrausgaben von mindestens 37.000 Euro.

3 Wesentliche Prüfungsfeststellungen

3.1 Fehlverhalten des früheren Leiters der Kunsthalle

Die rechtlich schwerwiegendsten Feststellungen betrafen das Fehlverhalten des früheren Leiters der Kunsthalle.

Das Wissenschaftsministerium hatte diesem Bediensteten gegen das Votum des Finanzministeriums eine pauschale Überstundenvergütung im Umfang von zwanzig Stunden monatlich bewilligt, da nach seinen Angaben die vereinbarte Arbeitszeit nicht ausreichte, um seine Aufgaben als Leiter der Kunsthalle zu erfüllen. Dazu steht im Widerspruch, dass er 2004 und 2005 eine weitere hauptamtliche Beschäftigung im Umfang von 75 % der vollen Arbeitszeit bei einer hessischen Hochschule ausübte. Um die Anstellung an dieser Hochschule zu erlangen, hatte er eine Bescheinigung der Verwaltung der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden vorgelegt, wonach er zur Wahrnehmung seiner Hochschultätigkeit als Leiter des Museums beurlaubt worden sei. Gegenüber dem Wissenschaftsministerium deklarierte er diese Hochschultätigkeit als „Lehrauftrag“. Im Internet gab er bekannt, er sei auf eine Professur an der hessischen Hochschule berufen worden.

Weitere Nebentätigkeiten zeigte der Bedienstete entgegen den geltenden arbeitsrechtlichen Bestimmungen nicht oder verspätet beim Wissenschaftsministerium an.

Unregelmäßigkeiten ergaben sich auch bei der Überprüfung seiner Reisekostenabrechnungen. Unter anderem waren die Ausschlussfristen bei der Reisekostenerstattung nicht beachtet worden, die abgerechneten Verkehrsmittel waren nicht in allen Fällen erstattungsfähig und es wurden Reisen im Rahmen der Nebentätigkeiten als Dienstreisen abgerechnet.

Weiterhin wurde festgestellt, dass in beträchtlichem Umfang Privatgespräche über das dienstliche Mobiltelefon geführt und aus dem Haushalt der Kunsthalle bezahlt wurden.

Der Rechnungshof hat den durch das festgestellte Fehlverhalten entstandenen Schaden für das Land auf mindestens 44.000 Euro beziffert. Ein beträchtlicher Teil dieses Schadens wurde mittlerweile vom Betroffenen auf der Grundlage eines zivilrechtlichen Vergleichs ersetzt.

Die pauschale Überstundenvergütung und weitere übertarifliche Leistungen hätten vom Wissenschaftsministerium nicht bewilligt werden dürfen, zumal das Finanzministerium widersprochen hatte.

3.2 Personalausstattung

Die Kunsthalle hat zu viel Personal. Neben der Stelle der Leiterin, für die jetzt eine außertarifliche Vergütung vorgesehen ist, enthält der Haushaltsplan weitere neun Stellen für Beamte und Tarifbeschäftigte.

Ein Museum dieser Größenordnung benötigt keine drei Vollzeitstellen im wissenschaftlichen Dienst, die in der Regel noch durch drei Volontäre ergänzt werden. Nicht nachvollziehbar ist, dass das Museum einen eigenen Schreiner und einen Mitarbeiter beschäftigt, der im Wesentlichen mit der Verwaltung und dem Versand von Katalogen und dem Postversand befasst ist.

3.3 Personalwirtschaft

Der Rechnungshof hat weitere Haushalts- und Rechtsverstöße bei der Eingruppierung der Mitarbeiter festgestellt.

So lagen lediglich für zwei Beschäftigte die notwendigen Tätigkeitsbeschreibungen vor. Für die weiteren Beschäftigten ist nicht nachvollziehbar, ob sie tarifgerecht eingruppiert sind.

Die ausgesprochenen Höhergruppierungen entsprachen ebenfalls nicht den geltenden Tarifverträgen.

Die Arbeitszeit wurde bei allen Beschäftigten durch eigene Aufschriebe erfasst. Diese wurden durch die Verwaltung nicht überprüft. Der Rechnungshof stellte auch hier zahlreiche Unregelmäßigkeiten fest: So wurde die Mittagspause regelmäßig der Arbeitszeit zugeschlagen, bei mehreren Mitarbeitern lagen über Monate keine Arbeitszeitnachweise vor.

3.4 Vorhalten eines Dienstfahrzeugs

Die Kunsthalle hält einen Transporter als Dienstfahrzeug vor, der nur wenig genutzt wird.

3.5 Kassenwesen

Der Rechnungshof fand kein geordnetes Kassenwesen vor. Die Tageseinnahmen wurden über Nacht jeweils auf dem Schreibtisch deponiert. Von 2003 bis 2005 wurden zahlreiche Barauszahlungen aus der Kasse vorgenommen, die den zulässigen Umfang des Bargeldverkehrs deutlich überschritten. Der Kassenbestand war jahrelang nicht durch Aufsichtsbeamte geprüft worden.

Das Kassenwesen wurde noch während der Prüfung des Rechnungshofs neu organisiert.

3.6 Katalogverwaltung

Die zum Teil aufwendig gestalteten Veranstaltungskataloge fanden nicht immer das erwartete Interesse der Öffentlichkeit: So wurden im Zeitraum 2003 bis 2006 lediglich 23 % der Auflage verkauft. Die übrigen Exemplare wurden entweder als Freiexemplare abgegeben oder eingelagert. Die Inventur der Katalogbestände ergab einen Fehlbestand von 682 Katalogen mit einem Verkaufswert von 19.000 Euro.

3.7 Räumliche Ausstattung des Museums

Auch die räumliche Ausstattung des Museums lässt Einsparungspotenziale erkennen.

So hält die Staatliche Kunsthalle Baden-Baden im Ortsteil Steinbach ein Lager und eine Werkstatt vor, die größtenteils nicht benötigt werden.

Bis 2007 unterhielt die Kunsthalle unweit ihres Hauptgebäudes ein angemietetes Büro, in dem die Wissenschaftler und die Bibliothek des Museums untergebracht waren. Diese Flächen sind mittlerweile aufgegeben worden. Der Wunsch der Museumsleitung, dort nach Verlagerung der Büros ins Hauptgebäude Übernachtungsmöglichkeiten für Gäste des Museums einzurichten, wurde vom Ministerium abgelehnt.

3.8 Gebäudebewirtschaftung

Einsparpotenziale bei der Gebäudebewirtschaftung blieben ungenutzt, insbesondere die Handhabung der Klima- und Lüftungsanlage lässt sich optimieren.

Im Übrigen hatte es der Landesbetrieb Vermögen und Bau jahrelang versäumt, die Mietnebenkosten mit den früheren Pächtern der Cafeteria abzurechnen.

4 Haushaltsverstöße beim Umbau

Die Kunsthalle wurde in den letzten Jahren mehrfach modernisiert: 2003 und 2004 wurde das Foyer umgestaltet und die gesamte Heizungs-, Lüftungs- und Elektrotechnik erneuert.

Die neue Direktorin entschloss sich unmittelbar nach ihrem Amtsantritt zu erneuten baulichen Veränderungen: Um die räumlich ausgelagerten Arbeitsplätze des wissenschaftlichen Dienstes in die Kunsthalle zurückzuholen, sollte der 2003 für 25.000 Euro umgestaltete Ausstellungsraum im Erdgeschoss in ein Großraumbüro umgewandelt werden.

Noch bevor die notwendige Zustimmung des Wissenschaftsministeriums und des Finanzministeriums auch nur beantragt war, beauftragte die Kunsthalle einen österreichischen Architekten und einen österreichischen Künstler mit der Konzeption und Planung des Großraumbüros. Die nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure vorgesehenen Honorarsätze wurden dabei deutlich überschritten.

Die Aufträge an die beteiligten Bauunternehmen wurden von der Leitung der Kunsthalle im April und Mai 2007 verbindlich erteilt. Die notwendige Zustimmung des Wissenschaftsministeriums erfolgte im Mai 2007. Die mit Auflagen versehene Zustimmung des Finanzministeriums ging erst am 19.06.2007 bei der Kunsthalle ein. Die Realisierung des Projekts war zu diesem Zeitpunkt bereits in vollem Gange.

Die Umbaumaßnahme wurde nicht - wie bei Baumaßnahmen üblich - aus dem Einzelplan 12 finanziert, sondern durch Umwidmung von Haushaltsmitteln, die für Ausstellungen vorgesehen waren, aber nicht benötigt wurden. Die Gesamtkosten der Baumaßnahme betrugen 165.000 Euro.

Die Möbel des Großraumbüros wurden aufgrund von Entwürfen eines österreichischen Künstlers speziell für die Kunsthalle Baden-Baden angefertigt. Die für Landesbehörden vorgesehenen Richtsätze wurden dabei nicht beachtet.

Die Realisierung dieses Projekts verstieß in mehrfacher Hinsicht gegen die Vorschriften des staatlichen Haushaltsrechts. Nach Berechnungen des Rechnungshofs hätten mindestens 37.000 Euro eingespart werden können, wenn das Projekt ordnungsgemäß geplant und durchgeführt worden wäre.

5 Empfehlungen

5.1 Behebung der festgestellten Defizite

Die neue Leitung der Kunsthalle ist bestrebt, die vom Rechnungshof festgestellten Defizite zu beheben.

Notwendig sind:

  • eine den haushalts-, reisekosten- und kassenrechtlichen Vorschriften entsprechende Ablauforganisation und Verwaltungspraxis,

 

  • eine dem an den objektiv notwendigen Bedarf angepasste personelle und räumliche Ausstattung,

 

  • eine tarifgerechte Bezahlung (nötigenfalls mit Hilfe von Änderungskündigungen) und

 

  • die Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie der Regeln für kleinere und größere Baumaßnahmen.

Die Professionalität könnte deutlich verbessert werden, wenn die Verwaltung der Kunsthalle mit der Verwaltung eines der staatlichen Museen in Karlsruhe zusammengefasst werden würde.

Außerdem bedarf eine Einrichtung dieser Größe einer intensiveren Führung durch das zuständige Ministerium - dies ist auch nach der Umwandlung in einen Landesbetrieb möglich.

5.2 Langfristige Perspektiven

Die Bedeutung der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden und ihr allenfalls mäßiger Publikumserfolg in den letzten Jahren legen die Frage nahe, ob eine solche Einrichtung das finanzielle Engagement des Landes in diesem Umfang rechtfertigt. Sie nimmt seit vielen Jahren eine Sonderstellung unter den Kunstmuseen des Landes ein und fällt durch einen überdurchschnittlichen Zuschussbedarf je Besucher aus dem Rahmen.

Wo immer in Baden-Württemberg vergleichbare Museen als reine Ausstellungsflächen betrieben werden, befinden sie sich in kommunaler oder privater Trägerschaft.

Daher empfiehlt der Rechnungshof, zu prüfen,

  • ob eine Überlassung des Gebäudes der Kunsthalle Baden-Baden an die Stadt Baden-Baden und die Kommunalisierung des Betriebs möglich sind und

 

  • ob eine Privatisierung oder eine Nutzungsüberlassung des Museums an Private in Betracht kommt: Hier bietet sich insbesondere die Trägerstiftung des benachbarten Museums Frieder Burda als möglicher Betreiber der Kunsthalle an.

Wenn eine Kommunalisierung oder Privatisierung der Kunsthalle an der fehlenden Bereitschaft der Stadt Baden-Baden oder privater Interessenten scheitern sollte, dann sollte eine Fusion der Einrichtung mit der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe oder mit dem Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Betracht gezogen werden. Diese Einrichtungen würden im Zuge einer Fusion Ausstellungsfläche gewinnen. Die Kunsthalle könnte von der höheren Leistungsfähigkeit dieser Einrichtungen im wissenschaftlichen und administrativen Bereich und von den dort vorgehaltenen Sammlungsbeständen profitieren.

6 Stellungnahme des Ministeriums

Das Wissenschaftsministerium trägt vor, die vom Rechnungshof festgestellten Defizite in der Haushalts- und Wirtschaftsführung seien sukzessive behoben worden oder würden derzeit behoben. Das Ministerium habe von den festgestellten Verstößen erst durch den Rechnungshof erfahren und daraufhin sofort reagiert. Die Kritik des Rechnungshofs an unzureichender Aufsicht und Führung durch das Ministerium sei deshalb nicht nachvollziehbar.

Die Leistungsfähigkeit der Museumsverwaltung werde als Folge der Umwandlung in einen Landesbetrieb weiter steigen. Ob durch eine Zusammenlegung der Verwaltung mit einem Karlsruher Museum weitere Synergien zu erzielen sind, werde derzeit geprüft.

Die Feststellungen des Rechnungshofs zum Fehlverhalten des früheren Museumsleiters hätten dazu geführt, dass dieser auf Betreiben des Ministeriums im Dezember 2008 Schadensersatz in beträchtlicher Höhe geleistet habe. Das auf Anregung des Ministeriums von der Staatsanwaltschaft eingeleitete Strafverfahren sei noch nicht abgeschlossen.

Die Vorschläge des Rechnungshofs zur Reduzierung des Museumspersonals und zur Korrektur der Eingruppierung würden derzeit geprüft, ebenso die Vorschläge zur Verbesserung der Gebäudebewirtschaftung.

Nicht gefolgt werde dagegen den Vorschlägen des Rechnungshofs hinsichtlich des Dienstfahrzeugs und der Lagerhalle im Ortsteil Steinbach. Beide hätten sich nach Prüfung als notwendig erwiesen, um anderenfalls notwendige höhere Mietkosten zu ersparen. Man bemühe sich allerdings, die Wirtschaftlichkeit des Fahrzeugs und der Halle durch eine Kooperation mit einem in unmittelbarer Nachbarschaft neu eröffneten privaten Museum weiter zu verbessern.

Die vom Rechnungshof gerügten Haushaltsverstöße beim Umbau im Jahr 2006 werden eingeräumt, seien aber nur formaler Natur. In der Sache habe sich der Umbau bewährt. Der multifunktional ausgestattete Raum werde mittlerweile auch als „Festsaal“ etwa bei Ausstellungseröffnungen genutzt und gelegentlich auch an private Unternehmen vermietet. Die Ausstattung eines solchen multifunktionalen Raumes dürfe daher nicht an den für reine Büroräume vorgesehenen Ausstattungsrichtlinien des Landes gemessen werden. Überdies müsse berücksichtigt werden, dass es sich bei der Gestaltung des Raumes in Wahrheit um ein Kunstprojekt handele, für das ohnehin andere Maßstäbe gälten. Unter diesen Vorzeichen wäre nach Auffassung des Ministeriums auch bei formell ordnungsgemäßem Ablauf die vom Rechnungshof genannte Einsparung nicht möglich gewesen.

Dem Vorschlag des Rechnungshofs, eine Kommunalisierung, Privatisierung oder Fusion der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden in Betracht zu ziehen, werde das Ministerium nicht folgen. Die lebendige Nachbarschaft zwischen der Kunsthalle und dem Museum Frieder Burda hält es für ein gelungenes Beispiel einer Public-Private-Partnership, welche für beide Seiten einen Mehrwert generiere und die Stadt Baden-Baden und die Region spürbar aufwerte. Angesichts der großen Bedeutung der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden und den stark gestiegenen Besucherzahlen wolle man an der bisherigen Organisationsform als Landesmuseum festhalten.

7 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof bleibt bei seinen Empfehlungen.


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