Denkschrift 2005

1 Vorwort

Die Denkschrift stellt die wesentlichen Ergebnisse von Prüfungen des RH und der staatlichen Rechnungsprüfungsämter aus den Jahren 2004/2005 dar . Sie enthält damit die Informationen, die für die Entlastung der Landesregierung von Bedeutung sind. Die Denkschrift ist kein abschließender Bericht über die Tätigkeit der Finanzkontrolle in diesem Zeitraum. Sie enthält vielmehr eine Zusammenstellung wesentlicher Prüfungsergebnisse aus verschiedenen Bereichen der Landesverwaltung, die das Parlament und die Landesregierung in ihrem Bemü-hen unterstützen soll, die Wirtschaftlichkeit des Verwaltungshandelns weiter zu verbessern und finanzielle Nachteile für das Land zu vermeiden. Allgemeine Schlüsse zur Qualität der Landesverwaltung lassen sich aus den Einzeldarstellungen nicht herleiten.

In diesem Jahr können die vier staatlichen Rechnungsprüfungsämter, die 1995 aus den Vorprüfungsstellen der Regierungspräsidien hervorgegangen sind, auf zehn Jahre Prüfungstätigkeit zurückblicken. Die Einheitlichkeit der Finanzkontrolle und die damit verbundene Zusammenarbeit zwischen RH und staatlichen Rechnungsprüfungsämtern spiegeln sich auch in diesem Jahr in zahlreichen Beiträgen der Denkschrift wider.

Im Berichtszeitraum hat der RH vier Beratende Äußerungen vorgelegt. Am 08.10.2004 veröffentlichte er die Untersuchung „Kostenorientierte Optimierung der Wirtschaftsförderung in Baden-Württemberg“ (Drs. 13/3641), mit der eine Reihe von Maßnahmen zur Optimierung der Förderungspraxis und zur Reduzierung der Kosten vorgeschlagen werden. In dem Bericht „Bauunterhaltung und Sanierungsbedarf der Universitätsgebäude“ vom 05.11.2004 (Drs. 13/3725) stellt der RH fest, dass in den nächsten zehn Jahren rd. 2 Mrd. € in die Bestandserhaltung der Universitätsgebäude des Landes investiert werden müssen, und spricht eine Reihe von Empfehlungen zur kostengünstigen Umsetzung des erforderlichen Sanierungsprogramms aus. Außerdem stellte der RH am 15.12.2004 seine Untersuchungsergebnisse zur „Organisation und Aufgabener-ledigung der Kriminaltechnik in Baden-Württemberg“ (Drs. 13/3847) vor, die im Wesentlichen in einer Wertanalyse zusammen mit Mitarbeitern des Landeskriminalamts erarbeitet wurden. Darin legt er Konzepte zur Verbesserung der Aufbau- und Ablauforganisation der Kriminaltechnik bei der Polizei des Landes dar und schlägt vor, alle kriminaltechnischen Aktivitäten im Lande künftig vom Kriminaltechnischen Institut aus mittels moderner Datenverarbeitung zu steuern und zu koordinieren. Die Beratende Äußerung „Vergabe von Gutachten durch die Ministerien“ (Drs. 13/3960) wurde dem Landtag am 21.01.2005 vorgelegt. Darin fordert der RH die Ministerien auf, die Notwendigkeit externer Beratungen eingehender zu prüfen, die Verfahren zur Auswahl der einzelnen Gutachter transparenter zu gestalten und dabei durch öffentliche Ausschreibungen mehr Wettbewerb herzustellen.

Mit der Denkschrift 2005 legt der RH ein Spektrum an Maßnahmen und Empfehlungen dar, die zur Entlastung des Haushaltes beitragen können. Insgesamt können bei Umsetzung der Vorschläge mehr als 30 Mio. € eingespart werden. Der RH zeigt darüber hinaus weitere Möglichkeiten auf, Kostensenkungen zu erreichen oder den Ausfall von Steuereinnahmen zu vermeiden; das Volumen dort ist derzeit noch nicht zu beziffern.

Die finanzielle Lage des Landes Baden-Württemberg bleibt äußerst angespannt. Eine Konsolidierung des Landeshaushaltes ist weiterhin dringend geboten. Im Jahr 2004 betrug die haushaltsmäßige Nettokreditaufnahme des Landes rd. 2,04 Mrd. € und liegt damit wieder über der des Vorjahres (Nr. 3). Die Schulden des Landes einschließlich der verlagerten Verpflichtungen sind zum Ende des Jahres 2004 auf rd. 40 Mrd. € angewachsen. Infolge der Erhöhung des Schuldenstandes sind auch die Zinsausgaben auf rd. 1,9 Mrd. € im Jahre 2004 gestiegen. Der Schuldendienst schränkt den finanziellen Handlungsspielraum des Landes erheblich ein. Bei der Pro-Kopf-Verschuldung liegt das Land zwar weiterhin auf dem drittbesten Platz aller Flächenländer, sie stieg jedoch gegenüber dem Vorjahr um 4,8 % auf 3.507 €. Die mittelfristige Finanzplanung der Landesregierung weist für die Jahre 2005 bis 2008 weitere Nettokreditaufnahmen in Höhe von insgesamt mehr als 7 Mrd. € und darüber hinaus ab 2007 Deckungslücken aus. Das Ziel, Haushalte ohne eine Nettoneuverschuldung vorzulegen, ist in weite Ferne gerückt. Um diesem wichtigen und notwendigen Ziel näher zu kommen, sind die Bemühungen zur Haushaltskonsolidierung weiter zu verstärken. Dazu ist nicht nur ein restriktiver Haushaltsvollzug erforderlich, sondern auch ein Aufgabenabbau, das Durchforsten der zahlreichen Förderprogramme sowie eine konsequente Senkung der Sach- und Personalausgaben.

Zahlreiche Beiträge der Denkschrift zeigen Potenziale zur Kostensenkung auf und enthalten konkrete Vorschläge zur Umsetzung. Der RH hat festgestellt, dass die Lehrkapazitäten bei den vier theologischen Fakultäten des Landes nicht ausgelastet sind. Durch einen Abbau der dadurch bestehenden Überkapazität an Stellen könnten die betroffenen Universitäten Personalkosten in Höhe von 4,4 Mio. € je Jahr mittelfristig einsparen (Nr. 25). Auch sollten die bestehenden personellen Ressourcen an den Universitäten besser und zweckgerichteter genutzt werden; durch eine konsequente Anwendung und Durchsetzung der Lehrverpflichtungsverordnung könnten die Qualität der Lehre verbessert und 48 Personalstellen eingespart werden (Nr. 27). Rund 3 Mio. € je Jahr könnten durch verschiedene Umstrukturierungsmaßnahmen im Bereich der Gesund-heitsfürsorge für Gefangene im Justizvollzug eingespart werden (Nr. 10). Ebenso könnten durch organisatorische Maßnahmen das Mess- und Eichwesen (Nr. 14), die Gemeindefeuerwehren (Nr. 6) sowie das Landesverwaltungsnetz (Nr. 5) wirtschaftlicher werden. Einsparpotenziale bieten auch eine längere Nut-zungsdauer von DV-Geräten (Nr. 4) und eine sachgerechte Differenzierung der vom Land an die Landwirte zu zahlenden Pauschalbeträge als Ausgleich für Bewirtschaftungsbeschränkungen in Wasserschutzgebieten (Nr. 15).

Teilweise können Sach- und Personalausgaben erst eingespart werden, wenn zuvor Investitionen getätigt werden. Durch den Bau von Holzhackschnitzelheizungen könnten die Heizungskosten für Landesliegenschaften gesenkt werden, da diese insbesondere bei größeren Anlagen gegenüber den mit Heizöl und Erdgas betriebenen Heizungen wirtschaftlicher sind. Holzhackschnitzelanlagen bieten zudem ökologische Vorteile (Nr. 22). Bei der Landespolizei könnten die Investitionen in die elektronische Arbeitszeiterfassung von 3,2 Mio. € schon im ersten Jahr durch Effizienzgewinne aufgewogen werden (Nr. 7).

Der Aspekt künftiger Risiken für den Landeshaushalt steht im Mittelpunkt der Prüfung der Landesstiftung und der Ganztagesschulen. So verursacht die Finanzierung von Projekten der Zukunftsoffensive III aus dem regulären Landeshaushalt, soweit sie aus steuerrechtlichen Gründen von der Landesstiftung nicht realisiert werden konnten, schon jetzt eine erhebliche Haushaltsbelastung und birgt durch hohe Folgekosten Risiken für künftige Haushalte. Der RH fordert, das Vermögen der Landesstiftung in seiner Substanz zu erhalten, optimal zu verwalten und Folgelasten stärker in die Entscheidungen einzubeziehen (Nr. 11). Ein weiteres Haushaltsrisiko sieht der RH darin, dass die Finanzierung des laufenden Betriebs zusätzlicher Ganztagesschulen im Lande nicht gesichert ist. Auch wurden die vom Bund zur Verfügung gestellten Investitionsmittel bisher nicht effektiv verteilt (Nr. 8).

Ein Schwerpunkt der Denkschrift liegt in diesem Jahr im Zuwendungsbereich. Förderprogramme sollten regelmäßig auf ihre Notwendigkeit und Wirksamkeit hin überprüft, Förderkriterien und -ziele klar formuliert werden. Ferner sollte bei der Bereitstellung von Fördermitteln des Landes darauf hingewirkt werden, dass diese von den Empfängern zweckentsprechend und möglichst wirtschaftlich verwendet werden. Dass diese Vorgaben nicht immer beachtet werden, dokumentieren mehrere Beiträge. Die kritische Überprüfung des Nutzens von Förderprogrammen bis hin zu ihrer Einstellung empfiehlt der RH hinsichtlich der Förderung von Regionalmessen (Nr. 13), der Förderung der Außenwirtschaft (Nr. 12) sowie der Förderung der ambulanten Hilfen für Behinderte und ihre Angehörigen (Nr. 16). Die Gewährung von Zuwendungen an internationale Schulen muss auf eine ausreichende Rechtsgrundlage gestellt werden (Nr. 9).

Als sinnvolles Instrument zur Förderung der Wirtschaft bewertet der RH die Übernahme von Bürgschaften, wobei die bisherige umsichtige Praxis beibehal-ten werden sollte (Nr. 21). Teilweise führen mangelhafte bzw. überflüssig komplexe Organisationsstrukturen von Förderstellen sowie Fehler bei der konkreten Durchführung von Förderprogrammen zu unsachgemäßen Ergebnissen und stehen einer wirtschaftlichen Mittelverwendung entgegen. So sollte das Land sich bei der nach wie vor notwendigen Förderung von Wissenschaftlerinnen, die eine Fachholschulprofessur anstreben, auf wenige wirksame Förderinstrumente konzentrieren (Nr. 24). Anschauliche Beispiele für eine nicht zweckentsprechende Verwendung von Fördergeldern liefern die Beiträge, die sich mit Zuwendungen für den kommunalen Straßenbau (Nr. 17) und für die Gewässerentwicklung (Nr. 18) befassen. Die Frage nach der Zweckerreichung steht im Kern jeder Zuwendungsprüfung. Dies sollte auch für Zuwendungen der Landesstiftung gelten; deshalb fordert der RH, ihm ein Prüfungsrecht bei den Empfängern solcher Fördermittel einzuräumen (Nr. 11).

Erneut finden sich auch Beispiele dafür, dass die Datenverarbeitung in der Landesverwaltung wirtschaftlicher eingesetzt werden kann und muss. Der RH hat im Hinblick auf die fortschreitende Netztechnik und die Folgen der Verwaltungsstruktur-Reform die Wirtschaftlichkeit des Landesverwaltungsnetzes untersucht und schlägt zur Steigerung der Effektivität die Zusammenführung des staatlichen Netzes mit den kommunalen Datennetzen sowie eine Reihe organisatorischer Verbesserungen vor (Nr. 5). Die Bestrebungen, eine bundeseinheitliche DV für die Steuerverwaltung mithilfe der FISCUS-GmbH zu schaffen, unterstützt der RH. Er sieht aber die bisher unbefriedigende Entwicklung des Projekts sehr kritisch und empfiehlt, bei anhaltender Erfolglosigkeit die Haushaltsmittel dafür zu entziehen (Nr. 19). Die Einnahmen des Landes aus Steuern könnten weiter gesteigert werden, wenn das Festsetzungsverfahren verbessert würde, wie der Beitrag zum Halbeinkünfteverfahren zeigt (Nr. 20).

Das Bemühen der Finanzkontrolle um nachhaltige Wirkung spiegelt sich in der Denkschrift wider. Gestützt auf eine sorgfältige Sachverhaltsermittlung will es der RH nicht bei der Beanstandung von Missständen oder Unwirtschaftlichkeiten bewenden lassen, sondern Vermeidungsstrategien und Verbesserungsvorschläge bringen. Insbesondere empfiehlt er, den Wettbewerb bei Beschaffungen und der Suche nach der wirtschaftlichsten Lösung von Organisationsstrukturen verstärkt zu nutzen und Kooperationsmöglichkeiten mit Privaten oder anderen öffentlichen Trägern auszuloten. Beispiele hierfür finden sich in den Beiträgen Gesundheitsfürsorge im Justizvollzug (Nr. 10), Landesbetrieb Mess- und Eichwesen (Nr. 14), Zuwendungen an Gemeindefeuerwehren (Nr. 6), Dienstleistungen des Landesbetriebs Informatikzentrum Landesverwaltung Baden-Württemberg (Nr. 4) sowie Kunst am Bau (Nr. 23).

Es ist mehr denn je ein wichtiges Anliegen der Finanzkontrolle, dass ihre Vorschläge und Empfehlungen umgesetzt werden. Im Abschnitt IV geht der RH auf die Auswirkungen einiger Beiträge der vorangegangenen Denkschriften ein. So konnten z. B. im Rahmen der bundesweit koordinierten Prüfung der Wirtschaftlichkeit des öffentlichen Statistikwesens für Baden-Württemberg bisher Einsparungen in Höhe von 5 Mio. € haushaltswirksam umgesetzt werden. Die angestoßenen Veränderungsprozesse werden weiterhin vom RH konstruktiv begleitet.

2 Parlamentarische Beratung der Denkschrift 2004

Die parlamentarische Beratung der Denkschrift 2004 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes Baden-Württemberg mit Bemerkungen zur Landeshaushaltsrechnung 2002 (Drs. 13/3330) ist abgeschlossen. Der Landtag von Baden-Württemberg hat in seiner 89. Sitzung am 20.04.2005 der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zur Denkschrift 2004 (Drs. 13/4103) unverändert zugestimmt und die Landesregierung ersucht, bestimmte Maßnahmen zu treffen und ihm hierüber zu berichten (§ 114 Abs. 2 und 4 LHO). Der Verfahrensstand ergibt sich aus der Zusammenstellung der dem Landtag noch zuzuleitenden Berichte der Landesregierung, vgl. die Anlage zu dieser Denkschrift.

In dieser Sitzung hat der Landtag auch die in der Landeshaushaltsrechnung 2002 nachgewiesenen üpl. und apl. Ausgaben sowie die in der Übersicht 1 A dargestellten Abweichungen von den Stellenübersichten - unter Berücksichtigung etwaiger einschlägiger Feststellungen des RH - nachträglich genehmigt und der Landesregierung Entlastung erteilt (Drs. 13/4104).

Schließlich hat der Landtag in dieser Sitzung beschlossen, den Präsidenten des RH hinsichtlich der Rechnung des RH für das Hj. 2002 nach § 101 LHO zu entlasten (Drs. 13/4105).


Anhänge

Der Rechnungshof hat keine für die Entlastung der Landesregierung wesentlichen Abweichungen zwischen den in der Haushaltsrechnung 2003 und in den Büchern aufgeführten Beträgen festgestellt. Die geprüften Einnahmen und Ausgaben sind - von wenigen Einzelfällen abgesehen - ordnungsgemäß belegt.


1 Vorlage und Gestaltung der Haushaltrechnung des Landes

Gemäß Artikel 83 Abs. 1 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg und § 80 der Landeshaushaltsordnung für Baden-Württemberg (LHO) in Verbindung mit § 114 Abs. 1 der LHO hat das FM dem Landtag mit Schreiben vom 26.01.2005 die Haushaltsrechnung für das Hj. 2003 als Grundlage für die Entlastung der Landesregierung vorgelegt (Drs. 13/3986).

Die Haushaltsrechnung ist entsprechend den Vorschriften der §§ 81 - 86 LHO gestaltet. Sie enthält alle in § 81 Abs. 1 und 2 LHO vorgeschriebenen Angaben für den Nachweis der bestimmungsgemäßen Ausführung des Staatshaushaltsplans. Die finanziellen Gesamtergebnisse der Haushaltsführung sind in

  • einem kassenmäßigen Abschluss gemäß § 82 LHO (Ist-Ergebnisse ohne Haushaltsreste),
  • einem Haushaltsabschluss gemäß § 83 LHO (Ist-Ergebnisse zuzüglich Haushaltsreste) und
  • einer Gesamtrechnung (Soll-Ist-Vergleich, Gesamtsummen der Einzelpläne)

dargestellt.

Der kassenmäßige Abschluss, der Haushaltsabschluss und die Gesamtrechnung sind entsprechend § 84 LHO auf S. 13 der Haushaltsrechnung erläutert. Die in § 85 Abs. 1 LHO genannten Übersichten sind beigefügt (S. 1043 - 1060 und S. 1065 - 1067); weitere Erläuterungen über den Haushaltsvollzug enthalten die besonderen Übersichten auf den S. 51 - 93.

2 Ergebnisse der Haushaltsrechnung des Landes 2003

Der kassenmäßige Abschluss und der Haushaltsabschluss der Haushaltsrechnung sind in der Übersicht 1 zusammengefasst dargestellt.

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Die Gesamt-Mehrausgabe von 1.211 Mio. € wurde durch die am Ende des Hj. 2003 noch offen stehende Kreditermächtigung von 942 Mio. € nicht vollständig ausgeglichen. Zum 31.12.2003 ergibt sich deshalb als rechnungsmäßiges Gesamtergebnis ein Fehlbetrag von 269 Mio. €.

Die nach Artikel 84 Satz 1 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg erforderlichen Kreditermächtigungen ergeben sich aus § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 Staatshaushaltsgesetz 2002/03 in Verbindung mit § 18 Abs. 3 Satz 1 LHO.

3 Feststellungen des Rechnungshofs nach § 97 Abs. 2 Nr. 1 Landeshaushaltsordnung

Der RH hat die Ordnungsmäßigkeit der Haushaltsrechnung des Landes für das Hj. 2003 mit Unterstützung des StRPA Stuttgart geprüft. Die in der Haushaltsrechnung aufgeführten Beträge der Einnahmen und Ausgaben stimmen mit den in den Rechnungslegungsbüchern nachgewiesenen Beträgen überein. In den geprüften Rechnungen sind keine Einnahmen oder Ausgaben festgestellt worden, die nicht belegt waren; etwaige Ordnungsverstöße wurden mit den betroffenen Ressorts erörtert.

4 Druck- und Darstellungsfehler

Bei der Gesamtrechnungsprüfung hat der RH keine wesentlichen Druck- und Darstellungsfehler in der Haushaltsrechnung des Landes festgestellt.

5 Haushaltsüberschreitungen

Über- und außerplanmäßige Ausgaben bedürfen der vorherigen Zustimmung des FM, die nur im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses erteilt werden darf. Die üpl. Ausgaben samt Vorgriffen sowie die apl. Ausgaben sind in der Haushaltsrechnung einzeln nachgewiesen und in der Übersicht 1 zur Haushaltsrechnung (S. 1043 - 1060) zusammengestellt und begründet. Sie betragen insgesamt 591 Mio. €. Bereinigt um die apl. Ausgabe zum Ausgleich des kassenmäßigen Fehlbetrags des Haushalts 2002 in Höhe von 471 Mio. € summieren sich die Haushaltsüberschreitungen auf 120 Mio. € (Vorjahr: 101 Mio. €). Hiervon entfallen

  • 16 Mio. € auf Mehrausgaben wegen höherer Wohngeldleistungen,
  • 15 Mio. € auf Mehrausgaben wegen gestiegener Schülerzahl für gesetzliche Leistungen an Schulen,
  • 10 Mio. € auf Mehrausgaben wegen höherer Fallzahlen für gesetzliche Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz.

Der Anteil der Personalausgaben am Gesamtbetrag der üpl. und apl. Ausgaben sowie der Haushaltsvorgriffe des Hj. 2003 beträgt 9 Mio. € (Vorjahr: 6 Mio. €).

Mit Schreiben vom 04.08.2004 teilte das FM gemäß § 7 Abs. 4 Staatshaushaltsgesetz 2002/03 die üpl. und apl. Ausgaben des Kalenderjahres 2003 von mehr als 100.000 € im Einzelfall dem Landtag mit (Drs. 13/3490). Der Finanzausschuss des Landtags hat die Mitteilung in seiner 42. Sitzung am 23.09.2004 zur Kenntnis genommen.

Nach dem Ergebnis der Rechnungsprüfung lag bei den üpl. und apl. Ausgaben von 500 € und mehr im Hj. 2003 in 40 Fällen die Einwilligung des FM nicht vor. Die Summe dieser Haushaltsüberschreitungen beträgt 2 Mio. € (Vorjahr: 4 Mio. €). Davon entfallen auf Personalausgaben 200.000 € (Vorjahr: 1 Mio. €).

Die vom FM bewilligten Abweichungen von den Stellenübersichten sind in der Haushaltsrechnung, Übersicht 1 A, S. 1061 - 1063, dargestellt und begründet.

Die üpl. und apl. Ausgaben bedürfen nach Art. 81 Satz 3 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg der Genehmigung des Landtags. Diese wurde, zugleich für die Abweichungen von den Stellenübersichten, vom FM im Zusammenhang mit der Vorlage der Haushaltsrechnung (s. Pkt. 1) beantragt.

6 Buchungen an unrichtiger Stelle

Die Finanzkontrolle hat bei stichprobenweiser Prüfung Fälle von Buchungen an unrichtiger Haushaltsstelle - sog. Titelverwechslungen - festgestellt, die auf Versehen der Verwaltung beruhen (Verstöße gegen § 35 Abs. 1 LHO). Sie haben eine relativ geringe Bedeutung für das Gesamtbild des Landeshaushalts.

Die Titelverwechslungen sind - soweit dadurch die veranschlagten Mittel um mehr als 1.000 € über- oder unterschritten worden sind - in der Übersicht 2 dargestellt.

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Bei richtiger Buchung wären die in der Haushaltsrechnung nachgewiesenen üpl. und apl. Ausgaben um 39.879 € niedriger gewesen. Bei der Veränderung der Ausgaben um insgesamt 29.258 € handelt es sich um verdeckte Haushaltsüberschreitungen, weil bei richtiger Buchung Mehrausgaben entstanden wären; sie bedürfen ebenfalls der Genehmigung des Landtags, s. Pkt. 5.


Anhänge

Der Haushalt des Landes wurde im Haushaltsjahr 2003 nach den Vorgaben des Staatshaushaltsplans vollzogen.


1 Haushalts-Soll und Haushalts-Ist 2003

Der Haushaltsrechnung des Landes für das Hj. 2003 liegt das Gesetz über die Feststellung des Staatshaushaltsplans von Baden-Württemberg - Staatshaushaltsgesetz - für die Hj. 2002 und 2003 vom 06.02.2002 und das Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Staatshaushaltsplan für das Hj. 2003 vom 08.04.2003 zugrunde (Gesetzblatt für Baden-Württemberg 2002, S. 77 und 2003, S. 154).

Danach war der Staatshaushaltsplan 2003 in Einnahme und Ausgabe auf 31.548.950.600 € festgestellt. Aufgrund von § 5 Landeshaushaltsordnung für Baden-Württemberg (LHO) und § 15 Staatshaushaltsgesetz 2002/03 hat das FM mit Rundschreiben vom 05.03.2003 (Gemeinsames Amtsblatt des Landes Baden-Württemberg S. 163) die zur Ausführung des Staatshaushaltsplans 2003 erforderlichen Anordnungen erlassen.

Das rechnungsmäßige Jahresergebnis 2003 (Ist + Reste 2003) weist gegenüber dem Haushalts-Soll (Haushaltsansatz + Reste 2002) einen Fehlbetrag aus:

Mindereinnahmen 87.446.010,97 €
Mehrausgaben 108.003.874,10 €
Fehlbetrag 195.449.885,07 €

Wie sich die Mindereinnahmen und die Mehrausgaben aus den Teilergebnissen der Einzelpläne zusammensetzen, ergibt sich aus der Haushaltsrechnung, Anlage 1 zur Gesamtrechnung, S. 46 und 47, Spalte 9, sowie aus den Erläuterungen hierzu auf den S. 51 bis 58.

2 Jahresvergleich - einschließlich Vorschau auf das Haushaltsjahr 2004

Die Übersichten 1 und 2 zeigen die Entwicklung der Ausgabe-Ansätze, der Gesamt-Ist-Ausgaben sowie der Ist-Ausgaben je Hauptgruppe und je Einzelplan. Zur Übersicht 1 wird darauf hingewiesen, dass die Drittmittel der Universitäten seit dem Jahr 2000 nicht mehr im Soll veranschlagt sind. Die Gliederung nach Hauptgruppen entspricht dem für Bund und Länder einheitlichen Gruppierungsplan nach § 10 Abs. 2 des Gesetzes über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder - Haushaltsgrundsätzegesetz - und § 13 Abs. 2 LHO.

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Von 1995 bis 2004 stiegen die Gesamt-Ist-Ausgaben um 2,8 % und die Personalausgaben um 17,3 %.

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Erstmals ab dem Hj. 2004 wurden die Ausgaben für die Versorgungsbezüge der Beamten und Richter sowie ihrer Hinterbliebenen - bis auf Restbereiche - den Einzelplänen des jeweiligen Ressorts zugeordnet. Dies gilt ebenso für die Beihilfen der Versorgungsempfänger. Bis 2003 waren diese Ausgaben im Einzelplan 12 enthalten. Die besonders von Personalkosten geprägten Einzelpläne 04 und 11 erfahren dadurch eine überproportionale Steigerung (Einzelplan 04 +30 % und Einzelplan 11 +38 %).

3 Globale Minderausgaben

Für das Hj. 2003 waren globale Minderausgaben bei Kapitel 1212 Tit. 972 01 in Höhe von 138.048.800 € veranschlagt; sie verteilen sich auf die Einzelpläne, wie in der Übersicht 3 dargestellt.

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Die Einsparungen bei den Sachausgaben - Haushaltsgruppen 5 bis 8 - wurden von den Ressorts nachgewiesen.

4 Haushaltsreste und Vorgriffe

4.1 Haushaltsjahr 2003

Beim Abschluss der Haushaltsrechnung für das Hj. 2003 sind folgende Reste in das Hj. 2004 übertragen worden:

Einnahmereste 1.103.781.201,77 €
Ausgabereste 1.097.958.564,31 €
Mehrbetrag Einnahmereste 5.822.637,46 €

Die Einnahmereste umfassen fast ausschließlich noch nicht verbrauchte Kreditermächtigungen für das Projekt Neue Steuerungsinstrumente (161 Mio. €) und für Kreditmarktmittel (942 Mio. €), s. Beitrag Nr. 1, Haushaltsrechnung des Landes für das Hj. 2003, Übersicht 1. Wie sich die Ausgabereste zusammensetzen, ist auf den S. 59 - 62 der Haushaltsrechnung dargestellt.

Mit Schreiben vom 11.08.2004 hat das FM gemäß § 7 Abs. 5 Staatshaushaltsgesetz 2002/03 dem Finanzausschuss des Landtags die in das Hj. 2004 übertragenen Ausgabereste mitgeteilt. Der Finanzausschuss hat hiervon in seiner 42. Sitzung am 23.09.2004 Kenntnis genommen.

Wie in den Vorjahren war die Landesregierung nach § 9 Abs. 2 Staatshaushaltsgesetz 2004 ermächtigt, unverbrauchte Mittel aus übertragbaren Bewilligungen (Ausgabereste) in Abgang zu stellen; sie hat diese Ermächtigung im Umfang von 107 Mio. € ausgeschöpft.

4.2 Jahresvergleich

Die Übersichten 4 und 5 zeigen, wie sich die Haushaltsreste in den letzten Jahren entwickelt haben. Bei den Einnahmeresten handelt es sich im Wesentlichen um die noch nicht verbrauchten Kreditermächtigungen.

Die Höhe der Haushaltsreste 2004 stand bei Abschluss der Denkschriftberatungen des RH noch nicht fest.

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Anhänge

Die Schulden des Landes einschließlich der so genannten verlagerten Verpflichtungen sind zum Ende des Jahres 2004 auf rd. 40 Mrd. € angewachsen. Die haushaltsmäßige Nettokreditaufnahme belief sich im Haushaltsjahr 2004 wiederum auf rd. 2 Mrd. €.


1 Verschuldungslage

1.1 Schuldenzuwachs

Die Verschuldung des Landes ist auch im Hj. 2004 erheblich angestiegen. Die Landesschulden und verlagerten Verpflichtungen haben sich gegenüber dem Vorjahr, wie in Übersicht 1 dargestellt, verändert.

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Danach sind die Schulden einschließlich der verlagerten Verpflichtungen im Hj. 2004 um insgesamt 1.874,3 Mio. € (539,8 Mio. € weniger als im Vorjahr) gestiegen.

Die für die Pro-Kopf-Verschuldung maßgeblichen Kreditmarktschulden haben gegenüber dem Vorjahr um 1.877,5 Mio. € zugenommen.

Die im Jahr 2004 um 75,9 Mio. € reduzierten Schulden gegenüber dem Bund und dem Lastenausgleichsfonds für den Wohnungsbau sind finanzwirtschaftlich nicht von Bedeutung, weil den Schuldendienstverpflichtungen entsprechende Einnahmen von den Darlehensnehmern gegenüberstehen.

Die auf die Landeskreditbank Baden-Württemberg - Förderbank (L-Bank), die LEG Landesentwicklungsgesellschaft Baden-Württemberg mbH und die Finanzierungsgesellschaft für öffentliche Vorhaben des Landes Baden-Württemberg mbH verlagerten Verpflichtungen, für die das Land den Schuldendienst oder den Finanzierungsaufwand erstattet, haben sich um 72,6 Mio. € auf 879,2 Mio. € erhöht. Hierbei sind die Verpflichtungen für Straßenbauprogramme um 60,5 Mio. €, für das Projekt Neue Steuerungsinstrumente (NSI) um 41,7 Mio. € und für die so genannte BAföG-Vorfinanzierung um 7,5 Mio. € angestiegen sowie für die Programme des staatlichen Hochbaus gegenüber dem Vorjahr um 31,7 Mio. € zurückgegangen. Beim Schuldenstand des Landes sind nicht berücksichtigt die Verpflichtungen aus künftigen Versorgungsansprüchen der Beamten und Richter.

Im Laufe des Jahres 2004 nahm das Land aufgrund der Ermächtigung im Staatshaushaltsgesetz Kassenverstärkungskredite an 33 Tagen (Vorjahr 53 Tage) in Anspruch; mit 376,2 Mio. € war am 04.11.2004 der höchste Stand der Kassenkredite zu verzeichnen. Am 31.12.2004 betrugen sie 160 Mio. €.

Die Entwicklung der Landesschulden und der verlagerten Verpflichtungen in den letzten zehn Jahren zeigt Schaubild 1.

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1.2 Haushaltsmäßige Kreditaufnahme

Im Hj. 2004 sind am Kapitalmarkt 5.568 Mio. € neue Darlehen aufgenommen worden. Gleichzeitig wurden 3.529 Mio. € getilgt. Die haushaltsmäßige Nettokreditaufnahme (Schaubild 2) war folglich 2004 mit 2.039 Mio. € um 0,5 Mio. € höher als im Vorjahr (2.038,5 Mio. €). Die haushaltsgesetzliche Kreditermächtigung von 2.039 Mio. € wurde in vollem Umfang ausgeschöpft. Zum Ende des Hj. 2004 sind in Form von Einnahmeresten weiterhin noch 942,2 Mio. € nicht in Anspruch genommene Kreditermächtigungen früherer Haushaltsjahre verblieben. Im Übrigen ist für den Kreditbedarf der nachfolgenden Haushaltsjahre bedeutsam, dass der Landeshaushalt auch 2004 mit einem kassenmäßigen Fehlbetrag in Höhe von 112,3 Mio. € (Vorjahr 274,5 Mio. €) abgeschlossen hat.

Der gegenüber der Nettokreditaufnahme von 2.039 Mio. € um 161,5 Mio. € geringere Zuwachs der Kreditmarktschulden zum 31.12.2004 (1.877,5 Mio. €) ist darauf zurückzuführen, dass einerseits im Hj. 2004 gebuchte Kredite in Höhe von 250,5 Mio. € bereits im Hj. 2003 valutiert waren und andererseits von den im Jahre 2004 valutierten Krediten 89 Mio. € erst im Jahr 2005 haushaltsmäßig nachgewiesen werden.

Die Kreditfinanzierungsquote im Sinne des Anteils der Nettokreditaufnahme von 2.039 Mio. € an den bereinigten Gesamtausgaben (ohne die besonderen Finanzierungsvorgänge) in Höhe von 31.259,3 Mio. € hat sich gegenüber dem Vorjahr von 6,6 % auf 6,5 % geringfügig reduziert.

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2 Pro-Kopf-Verschuldung

Die Verschuldung des Landes am Kreditmarkt (einschließlich öffentliche Sondermittel) erhöhte sich zum 31.12.2004 auf 37.553,6 Mio. €. Die Pro-Kopf-Verschuldung betrug danach 3.507 € (Vorjahr 3.345 €) und ist gegenüber dem 31.12.2003 um 4,8 % gestiegen; in allen Flächenländern belief sie sich durchschnittlich - bei einer Steigerung um 6,3 % - auf 4.660 € (Vorjahr 4.383 €). Zur Pro-Kopf-Verschuldung im Einzelnen s. Schaubild 3 und Übersicht 2.

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Danach ist die Pro-Kopf-Verschuldung im Jahr 2004 wiederum in allen Ländern zum Teil drastisch gestiegen. Wie bisher liegt Baden-Württemberg auf dem drittbesten Platz aller Flächenländer und weiterhin auf dem zweitbesten Platz der acht alten Flächenländer. Der Abstand zu Bayern, das seit langem die günstigste Pro-Kopf-Verschuldung aufweist, ist gegenüber dem Vorjahr aber erneut größer geworden. Andererseits hat sich der Abstand zu den nachfolgenden Ländern zumeist deutlich vergrößert.

3 Kreditaufnahme und Schuldendienst

Die Entwicklung der jährlichen (haushaltsmäßigen) Brutto- und Nettokreditaufnahme sowie der Aufwendungen für den Schuldendienst in den letzten zehn Jahren zeigt Übersicht 3.

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Danach stieg - bei Bereinigung des Kreditbedarfs im Hj. 2001 für den Erwerb einer stillen Beteiligung an der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) - die Nettokreditaufnahme im Hj. 2004 auf eine Rekordmarke seit Gründung des Landes.

Die Ist-Ausgaben des Schuldendienstes für die Kreditmarktmittel (Zinsen und Tilgungsleistungen bei Kapitel 1206 Ausgabe-Tit.Gr. 86 - ohne Tit. 563 86 Ausgleichsstock -) sind im Hj. 2004 gegenüber dem Vorjahr um 515,7 Mio. € gestiegen. Dies ist im Wesentlichen auf höhere Tilgungsausgaben (+457 Mio. €) gegenüber dem Hj. 2003 zurückzuführen.

Außerdem sind die Zinsausgaben für die Kreditmarktschulden im Vergleich zum Hj. 2003 (1.808,9 Mio. €) um 58,7 Mio. € auf 1.867,6 Mio. € gestiegen (s. Übersichten 5 und 6). Danach betrug die Zinsausgabenquote als Verhältniszahl der Zinsausgaben zu den bereinigten Gesamtausgaben 6 % (Vorjahr 5,8 %).

Der Schuldendienst an die L-Bank und die Erstattung des Finanzierungsaufwands an die Finanzierungsgesellschaft für öffentliche Vorhaben des Landes Baden-Württemberg mbH sowie an die LEG beliefen sich im Hj. 2004 auf 147,2 Mio. €. Darin sind auch die Ersatzleistungen an die L-Bank für die Finanzierung des Darlehensanteils des Landes bei der Ausbildungsförderung für Studierende in Höhe von 20,2 Mio. € enthalten, die aus systematischen Gründen dem gesamten Schuldendienst zuzurechnen sind.

Die Ausgaben des Schuldendienstes für die Kreditmarktmittel und der Aufwand für die verlagerten Verpflichtungen beliefen sich im Hj. 2004 auf 5.543,8 Mio. €. Dementsprechend beträgt der Anteil des gesamten Schuldendienstes an den Gesamtausgaben (einschließlich der haushaltsmäßig nicht ausgewiesenen Tilgungsausgaben in Höhe von 3.529 Mio. €) des Landes 15,7 % (Vorjahr 14,4 %).

Der Aufwand für den Schuldendienst entsprach somit rd. einem Sechstel der Gesamtausgaben und war nach den Personalausgaben und den Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse nach wie vor der drittgrößte Posten im Landesetat.

4 Kreditaufnahme und Investitionen

Nach Art. 84 der Landesverfassung dürfen die Einnahmen aus Krediten die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen nicht überschreiten. Im StHPl. 2004 waren Ausgaben für Investitionen (Hauptgruppen 7 und 8) in Höhe von 2.594,6 Mio. € veranschlagt. Tatsächlich wurden im Hj. 2004 für Investitionen 2.602,9 Mio. € ausgegeben. Davon wurden 59,2 Mio. € aus Privatisierungserlösen des Landes finanziert. Nach Abzug der Zuweisungen des Bundes und der Gemeinden (Obergruppe 33) und der sonstigen Beiträge Dritter (Obergruppe 34) für Investitionen des Landes in Höhe von insgesamt 552,2 Mio. € beliefen sich die vom Land selbst finanzierten Investitionen, einschließlich der Zuwendungen für Investitionen an Kommunen und Dritte, im Hj. 2004 auf 2.050,7 Mio. €. Demgegenüber betrug die Nettokreditaufnahme 2.039 Mio. €. Das Land hat unter dieser einengenden Betrachtung des Investitionsbegriffs auch auf der Basis der Ist-Ergebnisse im Hj. 2004 die verfassungsmäßige Verschuldungsgrenze gerade noch eingehalten. Der in den vergangenen Jahren immer geringer gewordene Spielraum zwischen den Investitionsausgaben und den Nettokreditaufnahmen hat sich weiter verengt. Falls diese negative Tendenz nicht - wie in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen - gestoppt wird, droht ein verfassungswidriger Haushalt.

5 Kreditaufnahme - Steueraufkommen - Zinsen

Die Nettokreditaufnahmen und die Einnahmen aus Steuern haben sich in den letzten zehn Jahren, wie in Übersicht 4 dargestellt, entwickelt.

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Danach ist das Steueraufkommen im Hj. 2004 gegenüber dem Vorjahr um 308 Mio. € (+1,4 %) gestiegen und lag um 105,1 Mio. € (+0,5 %) über dem Haushaltsansatz. Bei Bereinigung des Haushaltssolls um die veranschlagten globalen Steuermehreinnahmen in Höhe von 54 Mio. € ergeben sich unter Berücksichtigung der Mehrausgaben im Länderfinanzausgleich in Höhe von 174 Mio. € (insgesamt 2.123,7 Mio. € im Hj. 2004) und der Minderausgaben im kommunalen Finanzausgleich in Höhe von 54 Mio. € netto Steuermindereinnahmen in Höhe von 69 Mio. € gegenüber dem ursprünglichen Haushaltssoll.

Die Steuerdeckungsquote, d. h. das Verhältnis der Steuereinnahmen zu den bereinigten Gesamtausgaben belief sich im Hj. 2004 auf 71,4 % (Vorjahr 70,9 %).

In der Übersicht 5 sind die Zinsausgaben für Kreditmarktschulden im Vergleich und im Verhältnis zu den Steuereinnahmen (Zins-Steuer-Quote) dargestellt. Danach musste im Hj. 2004 ein Anteil von 8,4 % des Steueraufkommens (Vorjahr 8,2 %) zur Deckung der Zinsverpflichtungen verwendet werden.

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Bemerkenswert ist, dass der Zinsaufwand trotz der beträchtlichen Neuverschuldung der vergangenen Jahre bisher nur relativ gering angestiegen ist. Dies ist vor allem dem historisch niedrigen Zinsniveau zuzuschreiben. Bei einer Erhöhung des Zinssatzes für sämtliche Schulden um nur einen Prozentpunkt würde die Zinslast um bis zu 400 Mio. € pro Jahr steigen.

6 Haushaltstruktur

Die Übersicht 6 zeigt die Entwicklung der wesentlichen Ausgabearten und die prozentualen Anteile an den bereinigten Gesamtausgaben des Landes in den letzten zehn Jahren.

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Die bereinigten Gesamtausgaben sind im Hj. 2004 gegenüber dem Vorjahr um 217 Mio. € (+0,7 %) auf 31.259 Mio. € gestiegen.

Da sich die Personalausgaben um 271 Mio. € (+2,1 %) erhöht haben, ist die Personalausgabenquote um 0,6 Prozentpunkte auf 41,8 % angewachsen.

Der Anteil der sächlichen Verwaltungsausgaben hat sich nominal um 47 Mio. € und prozentual von 5,7 % auf 5,5 % verringert.

Demgegenüber ist die Zinsausgabenquote durch die Erhöhung der Zinsausgaben um 59 Mio. € (+3,3 %) von 5,8 % auf 6 % gestiegen. Auch der Anteil der Zuweisungen und Zuschüsse einschließlich der Leistungen im Länderfinanzausgleich hat sich gegenüber dem Vorjahr um 230 Mio. € (+2 %) von 37,6 % auf 38,1 % erneut erhöht.

Die Verringerung der Investitionsausgaben hat sich auch im Hj. 2004 fortgesetzt. Im Vergleich zum Vorjahr sind sie wiederum um 314 Mio. € (-10,8 %) beträchtlich gesunken. Damit hat die Investitionsquote im Hj. 2004 mit 8,3 % einen absoluten Tiefstand erreicht.

7 Fazit

Die Entwicklung der Ausgabenstruktur zeigt, dass steigende Personal- und Zinsausgaben sowie Mehrausgaben im Länderfinanzausgleich bei netto weiter stagnierenden Steuereinnahmen im Wesentlichen nur durch Kürzung der Investitionsausgaben kompensiert wurden.

Nach der in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehenen Kreditlinie wird der Schuldenberg des Landes in den nächsten Jahren weiter drastisch wachsen. Angesichts der dadurch zwangsläufig weiter steigenden Ausgaben für den Schuldendienst, steigender Pensionsverpflichtungen und der permanenten Belastungen durch den Länderfinanzausgleich ist davon auszugehen, dass sich der finanzielle Handlungsspielraum des Landes in absehbarer Zeit kaum verbessern wird.

Da aufgrund der anhaltenden schwachen Konjunktur, der prekären Lage auf dem Arbeitsmarkt und der letzten Stufe der Steuerreform mit einer nachhaltigen Erhöhung des Steueraufkommens kaum zu rechnen ist, kann die dringend gebotene Haushaltskonsolidierung nur durch eine dauerhafte Reduzierung der Ausgaben gelingen.

An einer Reduzierung der Personalausgaben durch Aufgaben- und Stellenabbau wird kein Weg vorbei führen. Außerdem ist es unverzichtbar, alle Subventionen auf den Prüfstand zu stellen.

Strenge Ausgabendisziplin und äußerste Sparsamkeit sind weiterhin geboten.

8 Landesschuldbuch

Das Landesschuldbuch erbringt den ordnungsgemäßen Nachweis über die Buchschulden des Landes. Der RH hat die im Hj. 2004 in das Landesschuldbuch eingetragenen Schuldbuchforderungen geprüft. Die Prüfung hat keine Beanstandungen ergeben.


Anhänge

Die Übertragung des DV-Betriebs der Staatsanwaltschaften von den Oberlandesgerichten auf das Informatikzentrum der Landesverwaltung hat zu Mehrausgaben von jährlich 1,2 Mio. € geführt. Ob das Informatikzentrum die IuK-Dienstleistungen für die Landesverwaltung wirtschaftlich erbringt, kann noch nicht abschließend beurteilt werden. Der Rechnungshof schlägt die erneute Prüfung privatwirtschaftlicher Lösungen vor.


1 Vorgeschichte

Das Land Baden-Württemberg hat 1998 mit einer weltweit agierenden Gesellschaft für IuK-Dienstleistungen einen Rahmenvertrag über die Bereitstellung und Finanzierung von Servern, Arbeitsplatzgeräten sowie System- und Bürosoftware geschlossen. Diese Gesellschaft sollte als Generalunternehmer auch verschiedene Dienstleistungen übernehmen, insbesondere die Integration von Büro- und Fachanwendungen, den Betrieb der Server und Arbeitsplatz-PC, die Netzadministration und die Benutzerbetreuung.

Der Rahmenvertrag ging von bis zu 20.000 Arbeitsplätzen mit Bürokommunikations-Geräten aus. Unter Vertrag genommen wurden jedoch nur rd. 9.200 Arbeitsplätze aus den Geschäftsbereichen des KM (Ministerium und Schulverwaltung), des JuM (Ministerium und ordentliche Gerichtsbarkeit) und des MWK (Ministerium). Die dafür vereinbarte pauschale Vergütung betrug 95 € je Bildschirmarbeitsplatz und Monat.

Der RH begleitet die Aktivitäten des Landes hinsichtlich der Bürokommunikation durch Prüfung und Beratung. Über seine eigenen Erfahrungen und Prüfungserkenntnisse hat er in den Denkschriften 1998 (Beitrag Nr. 7, Outsourcing der Bürokommunikation im Rechnungshof) und 2002 (Beitrag Nr. 6, Kosten der IuK in Ministerien - Eigenbesorgung oder Outsourcing) berichtet.

Als zentrale Aussage ist festzuhalten, dass nur in einer Einzelfalluntersuchung entschieden werden kann, ob Leistungen zu privatisieren sind. Als Hilfestellung zur Entscheidungsfindung hat der RH zusammen mit dem Bundesrechnungshof „Leitsätze für die Prüfung von IT-Outsourcing“ entwickelt. Auch hat er den Ministerien empfohlen, einen systematischen und regelmäßigen Benchmarking-Prozess einzuführen. Weil sich die Ministerien unter Hinweis auf den Einführungsaufwand der neuen Steuerungsinstrumente dazu nicht in der Lage sahen, haben die staatlichen Rechnungsprüfungsämter Tübingen und Karlsruhe die in den vorausgegangenen Untersuchungen ermittelten Zahlen fortgeschrieben und die Erhebungen auf weitere Verwaltungszweige ausgedehnt.

2 Outsourcing der Bürokommunikation

2.1 Bisherige Erfahrungen mit dem Generalunternehmer

Bei Verhandlungen über den Abschluss weiterer Einzelverträge für die Staatsanwaltschaften, Notariate und weitere Teile der Kultusverwaltung erklärte der Generalunternehmer, dass die bisher geschlossenen Verträge für ihn nicht auskömmlich seien, er diese deshalb kündigen wolle und weitere Einzelverträge zur Ausfüllung des ausgeschriebenen Kontingents nur zu einem höheren Preis schließen könne. Die Landesverwaltung bestand auf Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen und Fortführung der laufenden Verträge. Weitere Einzelverträge wurden seit Ende 2001 aber nicht mehr geschlossen.

Die vertraglichen Regelungen sehen auch einen Geräteaustausch nach vierjähriger Betriebszeit durch den Generalunternehmer vor, welcher diese Gelegenheit dazu nutzte, höhere Outsourcing-Raten wegen Migration des Betriebssystems zu verlangen. Da die Einzelverträge für diesen Fall kein höheres Entgelt vorsahen, lehnten die Ministerien die Forderung ab. Eine daraus entstandene Auseinandersetzung mit dem Land über mehrere Millionen Euro wird derzeit noch in einem Schiedsverfahren behandelt.

2.2 Kostenentwicklung beim Pilotanwender Justizministerium

Im Jahre 2002 hatte der RH beim JuM IuK-Gesamtkosten je Bildschirmarbeitsplatz in Höhe von 247 € monatlich ermittelt. Diese konnten inzwischen auf 210 € zurückgeführt werden, im Wesentlichen weil geringere Kosten für die Fachanwendungen anfielen. Der darin enthaltene Anteil für die Bürokommunikation ist mit 170 € in etwa unverändert geblieben.

Als Folge von Leistungsverzögerungen des Unternehmens hat das JuM im Jahre 2003 geringere Outsourcing-Raten und Vertragsstrafen von zusammen 160.000 € durchgesetzt. Die alte Ausstattung lief ohne wesentliche Leistungseinschränkungen sechs Monate weiter; ähnliche Erfahrungen machte das MWK.

2.3 Nutzungsdauer der IuK-Geräte in der Landesverwaltung

Die Beispiele der verlängerten Nutzung bei JuM und MWK und eigene Erfahrungen der Finanzkontrolle mit dem Betrieb der Bürokommunikation belegen, dass die Begrenzung des Betriebs der IuK-Geräte auf vier Jahre nicht mehr zwingend ist. Eine längere Gerätenutzungsdauer einzuplanen, wurde auch vom Bundesrechnungshof für die Bundesbehörden verlangt .

Bei Verlängerung der Nutzungsdauer von vier auf fünf Jahre wären bei den Staatsanwaltschaften Einsparungen von etwa 1 Mio. € möglich.

3 Aufgabenübertragung an den Landesbetrieb Informatikzentrum Landesverwaltung Baden-Württemberg und deren Kosten

3.1 Entscheidungsfindung

Da der Generalunternehmer nicht mehr bereit war, weitere Einzelverträge zum ursprünglichen Basispreis des Rahmenvertrags zu schließen, gaben IM und JuM zunächst einer neuen Ausschreibung den Vorzug. Sie gingen aber davon aus, dass die Outsourcing-Raten steigen würden. Das FM lehnte es jedoch ab, hierfür zusätzliche Haushaltsmittel bereitzustellen. Die für eine neue Ausschreibung notwendige Finanzierung war somit nicht sicher gestellt. Das FM empfahl eine landesinterne Lösung beim Landesbetrieb Informatikzentrum Landesverwaltung Baden-Württemberg (IZLBW), dem früheren Zentrum für Kommunikationstechnik und Datenverarbeitung (ZKD).

Die Ministerien konnten allerdings zu keiner Zeit auf belastbare Daten über voraussichtliche Kosten zurückgreifen, die ein erneutes Outsourcing mit sich bringen würde. Die Annahmen für die erwarteten Marktpreise wurden während des Entscheidungsprozesses mehrfach nach oben korrigiert - auf zuletzt 240 € -, während gleichzeitig die Kosten einer internen Lösung durch das IZLBW gesenkt wurden. Letztlich wurde ein erwarteter Kostenvorteil von rd. 8 Mio. € bei zunächst 4.450 Bildschirmarbeitsplätzen für Staatsanwaltschaften, Notariate und Dienststellen der Kultusverwaltung zugunsten der Landeslösung dargestellt. Darauf gestützt, verständigten sich die drei Ministerien IM, FM und JuM im August 2002 darüber, dem IZLBW zunächst die Bürokommunikation für die Staatsanwaltschaften und für die Fachhochschule für Rechtspflege mit rd. 1.700 Arbeitsplätzen zu übertragen.

Der Landesbetrieb kalkulierte für die Staatsanwaltschaften die einmaligen Kosten für die Ausstattung und Inbetriebnahme (Projektphase) mit 6,8 Mio. € und die Kosten des laufenden Betriebs auf jährlich 1,215 Mio. € und errechnete daraus die zu erwartenden Kosten je Bildschirmarbeitsplatz mit 149 € monatlich.

3.2 Verwaltungsvereinbarung zwischen Justizministerium und Landesbetrieb sowie deren finanzielle Konsequenzen

Das JuM und das IZLBW haben in einer bis Ende 2007 geltenden Verwaltungsvereinbarung die Dienstleistungen beschrieben, die Höhe des Kostenersatzes und das Abrechnungsverfahren festgelegt (einmalig 7 Mio. € bis zur Inbetriebnahme sowie jährlich 1,215 Mio. € für den laufenden Betrieb) und bestimmt, dass das IZLBW nach vier Jahren auf Kosten des JuM einen vollständigen Austausch der vorhandenen gegen neue Geräte durchzuführen hat.

Die Auslieferung und Installation der IuK-Geräte bei den Staatsanwaltschaften begann im April 2003 und dauerte etwa ein Jahr. Das IZLBW hat 1.708 Bildschirmarbeitsplätze ausgestattet und weitere PC für Schulungszwecke und Reserven beschafft. Es stellt den IuK-Betrieb der Staatsanwaltschaften mit neun zusätzlichen Personalstellen sicher. Daneben betreibt es eine Servicestelle zur Benutzerbetreuung, wofür zusätzlich auch Personal der Staatsanwaltschaften und der DV-Stellen bei den Oberlandesgerichten bereitgehalten wird.

3.3 IuK-Gesamtkosten

Für einen realistischen Kostenvergleich mit einem möglichen externen Partner stehen nach wie vor keine aufgrund einer Ausschreibung oder eines Preisfindungsverfahrens gesicherten Daten zur Verfügung. Die von IM, JuM und FM als Marktpreise angenommenen Werte von bis zu 240 € beruhen auf unverbindlichen Angaben eines Unternehmens.

Lediglich die für das derzeitige Outsourcing im Justizbereich zu zahlenden Raten von rd. 100 € können zum Vergleich herangezogen werden. Die Landeslösung über das IZLBW verursacht mit aktuellen Kosten von 147 € je Bildschirmarbeitsplatz und Monat - bei im Wesentlichen vergleichbarer Leistung - 47 % Mehrkosten. Dabei ist jedoch zu beachten, dass der Generalunternehmer die Dienstleistungen zu dem bisherigen Preis nicht mehr übernommen hätte. Allerdings erreichen die Kosten des Landesbetriebs auch nicht die von den Ministerien als Vergleichsmaßstab angenommenen Marktpreise.

Neben den Vergütungen an das IZLBW fallen aufseiten der Justiz weitere Personal- und Sachkosten für IuK an. In Abweichung zu einer umfassenden Gesamtkostenermittlung nach der so genannten TCO-Methode bleiben bei den Berechnungen des RH die nicht direkt dem Bürokommunikations-Arbeitsplatz zuzurechnenden Kosten außer Ansatz (z. B. Kosten für passive Netzkomponenten, Personal- und Sachkosten auf Nutzerseite).

Die Justizverwaltung musste für die Projektphase insgesamt 15,5 Vollzeitstellen mit Personalkosten von 1,2 Mio. € einsetzen. Für den laufenden IuK-Betrieb werden weiterhin 22 vorhandene Vollzeitstellen mit jährlichen Personalkosten von 1,6 Mio. € benötigt, die sich über die Laufzeit der Verwaltungsvereinbarung auf 6,5 Mio. € summieren. Hierin sind auch 6,5 Vollzeitstellen für den Betrieb der Bürokommunikation enthalten, obwohl diese Aufgabe vollständig auf das IZLBW übertragen wurde.

Für Sachkosten hat die Justiz, neben dem Kostenersatz an das IZLBW, in vier Jahren zusätzlich 5,1 Mio. € aufzuwenden. Außerdem sind für die Investitionsausgaben im Gesamtumfang von 5,4 Mio. € insgesamt kalkulatorische Zinsen in Höhe von 0,8 Mio. € zu berücksichtigen.

Die sich somit ergebenden IuK-Gesamtkosten je Bildschirmarbeitsplatz bei den Staatsanwaltschaften sind in der Übersicht dargestellt.

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Bei monatlichen Kosten je Bildschirmarbeitsplatz von 313 € und den hierin enthaltenen, dem IZLBW zu erstattenden Beträgen von 147 € fallen somit in der Justizverwaltung für die Staatsanwaltschaften noch eigene Kosten von 166 € je Bildschirmarbeitsplatz an (53 % der Gesamtkosten).

Mit Gesamtkosten von 313 € ist der jetzt über das IZLBW abgewickelte IuK-Betrieb um rd. 103 € teurer als die Gesamtkosten beim JuM auf Basis des noch laufenden Generalunternehmer-Rahmenvertrags. Auch wenn hierbei zugunsten der Staatsanwaltschaften ein hoher Kostenanteil für Fachverfahren berücksichtigt wird, verbleibt eine Kostenzunahme im Bereich der Bürokommunikation von 60 €.

3.4 Haushaltsmäßige Abwicklung

Obwohl für die Neuausstattung der Staatsanwaltschaften im StHPl. 2002 lediglich Haushaltsmittel für Outsourcing-Raten an ein externes Unternehmen in Höhe von 2,3 Mio. € bereitstanden, konnte die Justiz die gesamten Investitionsausgaben von 7 Mio. € noch im selben Jahr erbringen, weil sich andere etatisierte Projekte bei Software-Entwicklungen für Fachverfahren verzögert hatten. Dafür wurden Mittel innerhalb des Justizressorts zunächst umgelenkt. In den Folgejahren sind für diese Fachverfahren jedoch die Mittel erneut zu veranschlagen.

3.5 Fehlende Gegenfinanzierung für IuK-Mehrausgaben

Die interne Lösung führt zu haushaltswirksamen Mehrausgaben von 1,215 Mio. € jährlich für den laufenden Betrieb von jetzt 1.708 Bildschirmarbeitsplätzen. Schon vorher unterhielten die Staatsanwaltschaften 1.155 Bildschirmarbeitsplätze mit Bürokommunikation. Dieses Vorsystem hatte die Justiz mit eigenem Personal, welches nach wie vor vorhanden ist, eingerichtet, betrieben und betreut. Maßnahmen zur Gegenfinanzierung z. B. durch entsprechenden Personalabbau konnten bislang nicht festgestellt werden.

4 Möglichkeiten zur Kostensenkung

Die Gesamtkosten des Projekts hätten gesenkt werden können, wenn kostengünstigere Lösungen zur Sicherstellung des laufenden Bürokommunikations-Betriebs gewählt worden wären.

4.1 Unnötige Aussonderung vorhandener IuK-Geräte

Die Staatsanwaltschaften wurden komplett neu ausgestattet, ohne dass zuvor die Weiterverwendung nutzbarer Geräte geprüft worden war. Mehr als 1.100 Arbeitsplatzausstattungen mit über 3.000 - z. T. neuwertigen - IuK-Geräten wurden ausgesondert; darunter auch voll einsatzfähige Drucker, die durch baugleiche neue Geräte ersetzt wurden.

Für die Aussonderung der vorhandenen IuK-Geräte gab es keine Konzeption, sodass sie in sehr unterschiedlicher Weise vollzogen wurde. Geringe Stückzahlen konnten in der Landesverwaltung untergebracht werden, die Masse der Altgeräte wurde hingegen an Bedienstete veräußert. Die Preisgestaltung deckt eine weite Spannbreite vom Marktpreis bis zum Schnäppchen ab. So wurden 20 fast neue Drucker mit Beschaffungskosten zwischen 300 € und 700 € für lediglich 20 € und damit teilweise für unter 3 % des Einkaufspreises an Mitarbeiter verkauft. Bei einem solch geringen Preis ist von einem Verstoß gegen § 63 Abs. 3 LHO auszugehen, wonach entbehrliche Vermögensgegenstände nur zum vollen Wert abzugeben sind.

4.2 Vergaberecht

Die IuK-Arbeitsplatz-Ausstattung im Gesamtwert von rd. 4 Mio. € hat das IZLBW über einen ausgeschriebenen Vertrag des FM mit Öffnungsklausel gekauft. Die neben der eigentlichen Gerätebeschaffung in freihändiger Vergabe zusätzlich eingekauften Wartungsdienstleistungen und Garantieverlängerungen mit Kosten von 130.000 € bzw. 190.000 € hätten öffentlich ausgeschrieben werden müssen.

4.3 Wartungsverträge und Garantieverlängerungen

Das IZLBW hat sich zur Erreichung der mit der Justiz vereinbarten Service-Level mit Verträgen, die Wartungsdienstleistungen bei den Servern und Garantieverlängerungen bei Druckern regeln, über das Ausfallrisiko hinaus abgesichert.

Die Server-Wartungsverträge wurden beispielsweise zusätzlich zur gesetzlichen Garantie (zwei Jahre) geschlossen und verursachen Stand-by-Kosten von jährlich rd. 30.000 €. Bei einem Softwareausfall berechnet der Garantiegeber zudem eine Vergütung von 90 € je Einsatzstunde zuzüglich Mehrwertsteuer und ggf. zuzüglich Abend-, Samstag- und Feiertagzuschlägen. Vor dem Hintergrund der gesetzlichen Garantie und den bisher seltenen Serverausfällen sind die Ausgaben - vor allem hinsichtlich der Stand-by-Vergütung - für die externen Wartungsdienstleistungen kritisch zu überprüfen.

Um die Vor-Ort-Betreuung abzusichern, sollte die Landesverwaltung Behörden übergreifende Wartungskonzepte zumindest in den größeren Städten entwickeln. In Wirtschaftlichkeitsberechnungen wäre jeweils darzulegen, ob vorhandene Betreuungseinrichtungen größerer Behörden gegen Kostenersatz auch für andere Behörden am Ort tätig werden können oder ob diese Dienstleistungen an Private zu vergeben sind.

4.4 Software-Lizenzen

Zum Zwecke der Lizenzierung und Pflege der Bürokommunikations-Software hat das IZLBW mit einem Händler einen komplizierten mehrjährigen Lizenzvertrag geschlossen, der u. a. auch das Recht beinhaltet, ohne zusätzliches Entgelt ein vorhandenes Betriebssystem gegen eine aktuelle Version zu tauschen. Damit hätte das IZLBW auf den Kauf aktueller Betriebssysteme verzichten können. Vielmehr hätte es ausgereicht, eine ältere - und damit günstigere - Vorgängerversion zu beziehen und diese im Rahmen des Lizenzvertrags kostenfrei gegen die aktuelle Version zu tauschen.

Während das FM diese Umtauschmöglichkeit schon gekannt und genutzt hat, war diese dem IZLBW zum Zeitpunkt des Bezugs der PC offenbar noch nicht bekannt. Ältere Versionen eines Betriebssystems (z. B. Win 3.x oder Win 95) sind schon für 25 € zu beziehen, wohingegen die vom IZLBW beschaffte aktuelle Version um 170 € kostet. Bei knapp 1.800 Lizenzen sind daher vermeidbare Mehrausgaben von fast 260.000 € entstanden.

Außerdem plant das IZLBW, für das vierte Jahr der Nutzung Software-Pflege zu einem Preis von 320.000 € einzukaufen. Der RH empfiehlt, zumindest darauf zu verzichten. Die Funktionsfähigkeit der Bürokommunikations-Software ist in der Regel auch ohne Aktualisierung für ein weiteres Jahr sichergestellt.

Auch die Komplexität des Lizenzrechts spricht für die Forderung des RH, nicht nur die IuK-Geräte, sondern auch die Software zentral zu beschaffen und zu verwalten. Gerade bei der Beschaffung der IuK-Infrastruktur und deren Betrieb, die nicht zu den Kernaufgaben der Landesbehörden gehören, sollten ressorteigene Lösungen zugunsten eines Konzerndenkens mit intensivem Erfahrungsaustausch zurückgeführt werden.

4.5 Externe Unterstützungsleistungen

Für die Planungs- und die Roll-Out-Phase hat das IZLBW mittelständische Subunternehmer für fast 700.000 € beschäftigt. Zur Vermeidung einer weiteren Aufstockung des staatlichen Personals ist zeitlicher Zukauf externer Unterstützungsleistung zu begrüßen, soweit ein unabweisbarer, aber voraussichtlich nur temporärer Bedarf vorliegt und Landespersonal nicht zur Verfügung steht. Diese Situation kann hier während der Roll-Out-Phase angenommen werden. Das IZLBW hat deshalb sinnvollerweise den Lieferanten der IuK-Geräte auch mit den Installationsarbeiten bis zur betriebsbereiten Übergabe beauftragt.

Es hat jedoch darüber hinaus zur Unterstützung dieses Lieferanten auf Kosten des Projekts weitere Subunternehmer im Wege der Arbeitnehmerüberlassung eingekauft. Das Leihpersonal kostete bis zu 83 € in der Stunde und war u. a. mit Tätigkeiten befasst, wie Begehungen, Abklärungen vor Ort, Abnahme, Projektassistenz, Konzepte oder Beschaffungsunterlagen vorbereiten.

Der Einsatz externer Arbeitnehmer wäre bei ressortübergreifendem Denken und Handeln nicht, oder zumindest nicht in diesem Umfang, notwendig gewesen. Sobald das IZLBW erkannte, dass es anfallende Hilfsarbeiten für den Roll-Out nicht selbst leisten konnte, hätte es zunächst bei den beteiligten Ministerien Unterstützung anfordern müssen. So unterblieb die verwaltungsinterne Prüfung, ob beispielsweise die DV-Stellen bei den Oberlandesgerichten vorübergehend die benötigten zwei Personen hätten freistellen können, und es mussten 300.000 € für Fremdpersonal gezahlt werden.

Die Empfehlungen des RH aus der Beratenden Äußerung zur Vergabe von Gutachten vom Januar 2005 gelten hier analog. Unabhängig von der Einhaltung vergaberechtlicher Vorschriften sind bei der Prüfung der Notwendigkeit externer Unterstützungsleistungen strengere Maßstäbe anzulegen und die eigenen Handlungsmöglichkeiten umfassender auszuschöpfen.

4.6 Nicht benötigte Ausstattung von Schulungsräumen

Die Justiz verfügt über 15 IuK-Schulungsräume mit 156 IuK-Schulungsplätzen. Trotzdem wurde das IZLBW beauftragt, bei Staatsanwaltschaften drei Räume mit weiteren 33 Schulungs-Arbeitsplätzen auszustatten. Auch mehrere Monate nachdem der Bürokommunikations-Betrieb bei allen Staatsanwaltschaften begonnen hatte, waren diese Räume für Schulungen kaum genutzt worden.

Die zusätzliche Ausstattung von Schulungsräumen war mit Blick auf die in der Justizverwaltung in ausreichender Zahl vorhandenen Schulungsräume nicht notwendig, die damit zusammenhängenden Ausgaben von fast 230.000 € hätten nicht getätigt werden dürfen.

4.7 Summe der möglichen Kosteneinsparungen

Zusammengefasst hätten die Kosten bei diesem Pilotprojekt um rd. 2 Mio. € geringer ausfallen können. In diesem Umfang sollte das IZLBW vergleichbare Projekte künftig günstiger realisieren. Bezogen auf einen Bildschirmarbeitsplatz würden die dem Landesbetrieb zu erstattenden Kosten damit von 147 € auf 124 € sinken.

Als Zwischenergebnis der Untersuchung sind folgende Forderungen aufzustellen:

  • Das IZLBW muss Maßnahmen einleiten, um die Kosten je Bildschirmarbeitsplatz in den vom ihm bereits betreuten Verwaltungen deutlich zu senken.

 

  • Die Justiz muss die Mehrkosten auffangen, z. B. durch entsprechende Personaleinsparungen.

 

  • Unabhängig vom IuK-Betrieb durch Landesbehörden oder Firmen sollte angesichts der Haushaltslage eine längere Nutzungsdauer der IuK-Geräte angestrebt werden.

 

  • Jeder IuK-Neuausstattung hat eine Prüfung voranzugehen, welche vorhandenen Geräte in das neue System eingebunden werden können. Für die Verwertung der vorhandenen Infrastruktur sind Rahmenbedingungen zu schaffen.

 

  • Die Notwendigkeit zur Beschäftigung von Beratern und Subunternehmern für Dienstleistungen ist strenger zu prüfen, auch über Behördengrenzen hinweg.

5 Vergaberechtliche Überlegungen

Der hier beschriebene Beschaffungsvorgang weist eine Reihe von „handwerklichen Fehlern“ auf, die zu unnötigen Belastungen des Landes geführt haben und nachwirken werden. Aus der Sicht des RH würde es aber nicht ausreichen, wenn lediglich die hier beschriebenen Fehler vermieden und die Anregungen der Finanzkontrolle dazu aufgegriffen würden.

Vor allem muss das Pilotverfahren kritisch hinterfragt werden; denn die Ministerien planen die Ausstattung weiterer Behördenzweige als verwaltungsinterne Lösung durch das IZLBW. Die zentrale Frage nach der Wirtschaftlichkeit der IZLBW-Lösungen muss geklärt werden. Den Preisen des IZLBW stehen bisher nur Annahmen über denkbare Preise (s. Pkt. 3.1) oder unverbindliche Auskünfte gegenüber.

6 Chancen, Risiken und Ausgestaltung einer Parallelausschreibung

Die in § 7 Abs. 1 LHO niedergelegten Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verpflichten auch zur Prüfung, inwieweit staatliche Aufgaben durch Ausgliederung und Entstaatlichung oder Privatisierung erfüllt werden können. Die Landesregierung plant, Private-Public-Partnership-Lösungen auszuweiten, wenn diese wirtschaftlich sind. Damit kann meist auch Stellenabbau und Vermeidung weiterer Schuldenaufnahme erreicht werden. Um dies zu überprüfen, müssen dem Aufwand im Falle der Aufgabenerledigung in einer staatlichen Einrichtung realistische Marktpreise gegenübergestellt werden.

Diesen Anforderungen wird das hier gewählte Vorgehen der Stabsstelle für Verwaltungsreform nicht gerecht, auch wenn sie mittlerweile mit einem großen Anbieter Gespräche geführt hat und sich aufgrund einer Leistungsbeschreibung unverbindlich Preise nennen ließ.

Das IZLBW hat inzwischen hinreichend Erfahrung mit dem IuK-Betrieb für verschiedene Bereiche der Innenverwaltung und der Justiz. Die entstehenden Kosten sind bekannt bzw. können ermittelt werden.

Der Marktpreis sollte zweckmäßigerweise durch Ausschreibungen festgestellt werden. Diese können in Anlehnung an das staatliche Bauwesen als Parallel-Ausschreibungen (auch ABC-Ausschreibungen genannt) ausgestaltet sein. Dort werden im Rahmen einer Ausschreibung Entscheidungsgrundlagen über die Baukosten, über die Bauträgerschaft (Bauverwaltung oder privater Investor) wie auch über die Kosten der Eigen- oder Fremdfinanzierung bzw. Leasing einerseits sowie zu Alternativen der Gesamtabwicklung aus einer Hand durch einen Generalunternehmer für Bau, Finanzierung und ggf. Betrieb andererseits herbeigeführt. In den Verdingungsunterlagen wird schon eingangs klar zum Ausdruck gebracht, dass nur die wirtschaftlichste Alternative vergeben wird und daher Bieter für bestimmte Teile ohne Zuschlag bleiben werden.

Das IZLBW selbst darf als Landesbetrieb an diesen Ausschreibungen des Landes nicht als Bieter teilnehmen. Auch ist eine Ausschreibung ausschließlich für Zwecke der Ermittlung von Vergleichsanschlägen oder zur Markterkundung gemäß § 16 Nr. 2 Verdingungsordnung für Leistungen Teil A (VOL/A) verboten.

Bei Parallel-Ausschreibungen besteht der Wille zur Vergabe. Zumindest ein Teil der Ausschreibungen, nämlich der Kauf und die Installation der Hard- und Software, führt regelmäßig zur Auftragsvergabe.

Die Landesregierung sollte daher prüfen, welche Ausgestaltungen für eine solche Parallel-Ausschreibung, die in der Vergangenheit meist sehr wirtschaftliche Ergebnisse gebracht hat , in Frage kommen. Die Finanzkontrolle hat in anderen Bereichen festgestellt, dass bei einem ständigen Wettbewerb zwischen internen und externen Leistungen erhebliche Rationalisierungspotenziale erschlossen werden können.

Die Bedeutung dieser Forderung nach mehr Kostentransparenz erhält besonderes Gewicht, weil das Land neben den Staatsanwaltschaften weitere umfangreiche Neuausstattungen anderer Verwaltungen durch das IZLBW beschlossen hat. Hierbei geht es etwa um das zehnfache Volumen. Auch diese Projekte wurden nicht ausgeschrieben. Erste Personalanforderungen im Umfang von 65 zusätzlichen Stellen hat das IZLBW bereits erhoben.

7 Wertung und Vorschlag

Die Entscheidung der Landesregierung, das IZLBW mit der Neuausstattung von Landesdienststellen mit Bürokommunikationsgeräten und mit der Sicherstellung des laufenden Betriebs zu beauftragen, war vor dem Hintergrund der Weigerung des bisherigen Vertragspartners, neue Verträge zu den bestehenden Rahmenvertrags-Konditionen zu schließen, eine nahe liegende Alternative.

Um dem Gebot der Wirtschaftlichkeit, ggf. durch Privatisierung von Aufgaben, gerecht zu werden, sollte die Landesregierung anhand eines geeigneten Pilotprojekts echte Marktpreise durch öffentliche Ausschreibung im europaweiten Verfahren ermitteln. Diese sind dann bei der Entscheidung über weitere Projekte als Maßstab heranzuziehen.

8 Stellungnahme der Ministerien

Das IM und das JuM erheben gegen das von der Finanzkontrolle ermittelte Zahlenwerk keine Einwände.

Das IM weist auf rechtliche Risiken bei der Durchführung von Parallel-Ausschreibungen hin: Eine Ausschreibung nur zur Markterkundung oder zur Gewinnung von Vergleichsanschlägen ohne Vergabe sei unzulässig. Die Aufhebung einer solchen Ausschreibung würde möglicherweise Schadenersatzforderungen nach sich ziehen.

Das JuM will bei weiteren Projekten mit dem IZLBW darauf drängen, bereits vorhandene einsatzfähige IuK-Geräte möglichst in die Outsourcing-Maßnahme einzubinden. Auch will das Ministerium die Empfehlung des RH berücksichtigen, künftig Rahmenvorgaben hinsichtlich der Aussonderung von Altgeräten und der Preisfindung zu machen.

Das JuM bestätigt zwar, dass durch die auf den Landesbetrieb übergegangene Systembetreuung der ersten Stufe in der Justiz eine entsprechende Aufgabenreduzierung eingetreten sei. Zur Sicherstellung des laufenden Betriebs müssten nunmehr jedoch die betroffenen Mitarbeiter in den Dienststellen verstärkt als verlängerter Arm des IZLBW für technische Unterstützungsarbeiten eingesetzt werden.

Die Gegenfinanzierung der IuK-Mehrausgaben erfolge dadurch, dass vorhandene Personalkapazitäten entweder in die verwaltungstechnische Betreuung des Outsourcings oder in die Unterstützung bei der Einführung der Fachanwendung „web.sta“ aufgegangen sei.

Das JuM verweist auf Verzögerungen bei der Einführung von Fachverfahren bei den Gerichten und den Staatsanwaltschaften, die den Einsatz der zusätzlichen Schulungsräume bei den Staatsanwaltschaften mit zeitlichem Versatz notwendig werden lassen.

9 Schlussbemerkung

Die Folgen der „handwerklichen Fehler“ sind soweit noch möglich zu bereinigen und Chancen zur Schadensminimierung auszuschöpfen.

Generell muss erreicht werden, dass das ressorteigene IuK-Personal als Folge der Zentralisierung in Kompetenzzentren wie dem IZLBW und der zunehmenden Rationalisierung des Betriebs in den Fachabteilungen im nötigen Umfang abgebaut wird. Die Verlagerung des IuK-Betriebs der Staatsanwaltschaften hat beim IZLBW zur Schaffung von neun zusätzlichen Stellen geführt, während bei der Justiz kein Personal eingespart wurde. Der RH erwartet, dass die Landesregierung Anstrengungen unternimmt, um bei Aufgabenverlagerungen verstärkt Effizienzpotenziale bei ihrem IuK-Personal zu realisieren.

Das IZLBW ist aufgefordert, die Erfahrungen aus diesen Projekten zu nutzen, um die IuK-Kosten deutlich zu senken.

Der RH empfiehlt, das nächste geeignete Dienstleistungsprojekt nach Parallelausschreibungen zu vergeben. Dabei ist für diese pilothafte Parallelausschreibung eine Beteiligung des IZLBW ausgeschlossen.


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Das flächendeckende Datennetz der Landesverwaltung, dessen Betrieb einem Unternehmen übertragen ist, verursacht jährliche Kosten von 15,7 Mio. €. Der RH schlägt vor, den Netzbetrieb weiter zu bündeln und die Wirtschaftlichkeit der Zusammenführung des staatlichen Netzes mit den kommunalen Verwaltungsnetzen zu prüfen.


1 Vorbemerkung

Das Landesverwaltungsnetz (LVN) gewährleistet als Weitverkehrsdatennetz (WAN) die elektronische Kommunikation zwischen den Dienststellen und ermöglicht Zugriffe auf IuK-Anwendungen und -Verfahren der Landesverwaltung. Der RH hatte zuletzt 1989 und 1991 dieses Netz geprüft und darüber berichtet (Gutachten nach § 99 LHO, Drs. 10/1590; Denkschrift 1991, Beitrag Nr. 5).

Nach Änderung der Netzwerktechnik und der Vergabe des Betriebs im Jahr 2000 an ein Unternehmen hat sich der RH 2004 erneut über einzelne technische, organisatorische und wirtschaftliche Aspekte des LVN informiert und den Ministerien Anregungen zur intensiveren Befassung mit einer Reihe technischer und ökonomischer Fragen gegeben.

2 Struktur des Landesverwaltungsnetzes

Seit dem Outsourcing versteht das IM unter LVN die Gesamtheit aller Verträge des Landes zur Datenfernübertragung mit Telekommunikationsunternehmen. Ein Großteil der Datenfernübertragungsleitungen im LVN wird über ein modular aufgebautes multiprotokollfähiges Netz realisiert, das sich flächendeckend über Baden-Württemberg erstreckt und an das nahezu alle Dienststellen der Landesverwaltung angeschlossen sind. Das LVN ist weitgehend entfernungsunabhängig tarifiert. Der Preis richtet sich nach der Übertragungskapazität und sonstigen Merkmalen der in den Behörden installierten Datenübertragungseinrichtungen unabhängig vom Behördenstandort (Portmodell). Der Portpreis ist kapazitätsabhängig. Wegen der direkten Auswirkung auf die anfallenden Kosten ist in der Planungsphase das erwartete Datenvolumen möglichst genau zu schätzen. Während der Betriebsphase ist die tatsächlich übertragene Datenmenge laufend zu messen.

Der Outsourcing-Vertrag umfasst 1.930 Anschlusspunkte (Ports). Von diesen sind 1.778 ständig mit dem LVN verbunden; 152 sind Wählverbindungen, bei denen die angeschlossenen Behörden oder Telearbeitsplätze nur bei Bedarf eine Verbindung herstellen. Von den Festverbindungen werden 1.209 von den Behörden selbst betreut (unmanaged Ports) und 569 von dem Unternehmen (managed Ports). Von den 569 managed Ports sind wiederum 197 sog. Sprach-Daten-Ports, welche die Polizei einsetzt und die neben dem Datenverkehr auch für die Sprachkommunikation genutzt werden. Die Anschlüsse haben eine durchschnittliche Übertragungskapazität von 571 KBit/s. Das gesamte Netz hat eine Kapazität von 1.100 MBit/s.

Inzwischen hat sich die Anzahl der Anschlüsse aufgrund der Verwaltungsstrukturreform verändert. Etwa 600 Ports sind an die Kommunalseite übertragen worden. Insofern sind Rechenbeispiele zu Einsparpotenzialen im Licht der neuen Situation von den Ressorts neu zu bewerten.

3 Netzbetrieb

Für strategische Entscheidungen bezüglich des LVN ist das IM zuständig. Das zentrale Vertragsmanagement ist dem Landesbetrieb Informatikzentrum Landesverwaltung Baden-Württemberg (IZLBW, früher ZKD - Zentrum für Kommunikation und Datenverarbeitung) übertragen, der Dienste zur Sprach- und Datenübertragung zur Verfügung stellt, als verwaltungstechnische Schnittstelle zwischen den Behörden und dem Auftragnehmer fungiert und Beratung zu allen Netzfragen anbietet.

Die Datenleitungen und ein Teil der Netzanschlusscomputer wurden bei einem Unternehmen gemietet, welches das Netz auch betreibt und seine Verfügbarkeit im Rahmen definierter Service-Levels gewährleistet. Der Vertrag wurde nach einer europaweiten Ausschreibung mit anschließendem Verhandlungsverfahren am 25.11.1999 geschlossen. Ausgeschrieben waren die Modelle Outsourcing in Generalunternehmerschaft durch Externe und der Eigenbetrieb durch das IZLBW mit externer Unterstützung. Auch wenn damals beim Vergleich der künftigen Kostenentwicklung viele Annahmen getroffen werden mussten und die beiden Modelle rechnerisch praktisch gleichauf lagen, war das Vorgehen sachgerecht und das Zuschlagsergebnis nicht zu beanstanden.

Das IM hat, vom damaligen Preisniveau ausgehend, hohe Rabatte auf die Listenpreise ausgehandelt und vereinbart, dass der Vertragspartner eine Meistbegünstigungsklausel einräumt und seine Preiswürdigkeit auf Dauer durch belegte Vergleiche mit anderen Kundennetzen nachweisen muss. Überdies hat eine wirkungsvolle Pönaleregelung dem Land nennenswerte Einnahmen wegen teilweiser Nichterfüllung der Leistungen gebracht. Der Vertrag wurde inzwischen zehn Mal fortgeschrieben. Neue Ausprägungen von Port-Typen sind hinzugekommen, nicht mehr benötigte wurden entfernt.

Insgesamt gesehen hat das IM die Interessen des Landes bei Vertragsabschluss und durchführung wirkungsvoll vertreten. Die anlässlich der Vertragsänderungen neu vereinbarten Preise waren allerdings nicht Gegenstand von Ausschreibungen, sondern wurden frei verhandelt. Unter anderem deshalb spricht einiges dafür, die Notwendigkeit einer Neuausschreibung zu prüfen, um auf inzwischen eingetretene Technik und Marktveränderungen reagieren zu können.

Die Option einer neuen Vergabe sollte auch mit Blick auf ein einheitliches Datennetz der Landes- und der Kommunalverwaltung offen gehalten werden. Die Kommunen haben mehrere Verträge mit demselben Auftragnehmer und vergleichbarem Leistungsinhalt geschlossen. Die Stadt- und Landkreise auf Kommunalseite und die Regierungspräsidien und Ministerien auf Landesseite nutzen viele wichtige DV-Verfahren gemeinsam, die Daten werden aber über unterschiedliche Netze transportiert. Beide Seiten müssen jeweils eigene Sicherheitsmaßnahmen treffen und Regeln zum Datenverkehr für dieselben DV-Verfahren erarbeiten und anwenden. Daher sollte im Nachgang zur Verwaltungsstruktur-Reform die Zusammenführung des LVN mit den kommunalen Datennetzen unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten angestrebt werden.

4 Weitere Datenleitungen

Außerhalb des umfassenden Outsourcing-Vertrages mit knapp 2.000 Ports gibt es im Land eine Reihe weiterer Datennetze, insbesondere im Bereich des Einzelplans 10, z. B. als Teil des gewässerkundlichen Netzes und der Kernreaktorfernüberwachung.

Trotz Aufforderung des IM haben die Ministerien nicht alle weiteren Datenfernübertragungsleitungen dem IZLBW gemeldet. An keiner Stelle im Land besteht daher ein gesicherter Überblick über alle Datenfernleitungen der Landesverwaltung. Die Suche nach der wirtschaftlichsten Gesamtlösung wird dadurch behindert.

Datenleitungen außerhalb des großen LVN-Vertrages sind dann nicht zu beanstanden, wenn durch vollständige und realistische Kosten-Nutzen-Analysen deren Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit nachgewiesen sind. Dabei sind nicht nur die Mietkosten für die Datenleitungen und sonstigen Sachausgaben einzubeziehen, sondern es sind die Gesamtkosten für einen mehrjährigen Zeitraum einschließlich eigener Personalkosten für den Netzbetrieb zu ermitteln.

Das IZLBW ist stets zu informieren, wenn Datenleitungen außerhalb des LVN-Vertrages gemietet werden sollen. Denn es benötigt einen Gesamtüberblick, um ggf. Anpassungen des Outsourcing-Vertrages zu initiieren. Insbesondere anlässlich wesentlicher Änderungen in Struktur und/oder Technik der Netze sind alternative Lösungen zu prüfen und Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchzuführen; das Ergebnis ist zu dokumentieren und dem IZLBW mitzuteilen.

5 Bündelungsüberlegungen

5.1 Benutzergruppen

Das LVN ist in 20 logische Teilnetze gegliedert, die sog. Benutzergruppen. Im Zuge der Verwaltungsstruktur-Reform sollte eine deutliche Reduzierung angestrebt werden, um Kosten und Verwaltungsaufwand zu sparen. Auch die Stabsstelle befürwortet eine Reduzierung.

5.2 Netzübergänge und Netzzugänge

Aus dem LVN heraus existieren Übergänge zu den Datennetzen von externen Unternehmen, von Kommunen und von der EU sowie mehrere Übergänge zum Internet. Von außen gibt es etwa fünf verschiedene Zugangsmöglichkeiten zum LVN. An mehreren Stellen sind unterschiedliche Sicherheitsmechanismen mit jeweils spezieller und unterschiedlicher Hard- und Software eingerichtet, um die Übergänge zu sichern. Bei mehreren Dienststellen wird Spezialwissen hierfür vorgehalten.

Diese Vielfalt ist unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten kritisch zu hinterfragen. Die Ressorts begründen ihre eigenen Aktivitäten mit besonderen, von anderen Behörden abweichenden Sicherheitsbedürfnissen, ohne dafür aber tragfähige Gründe nennen zu können.

Nach dem Ergebnis dieser Erhebung beschäftigen sich im Land trotz Outsourcing zu viele Dienststellen mit dem Weitverkehrsdatennetz (WAN) und damit zusammenhängenden Sicherheitsfragen, wie z. B. dem Betrieb von Firewalls, die keineswegs zu ihren Kernaufgaben gehören. Die Aufgabenbündelung beim IZLBW sollte daher konsequenter vorangetrieben werden. Darüber hinaus könnten bei einem zentralen Internetzugang Kosten für Leitungen, Sicherheitstechnik und Personal eingespart werden.

6 Bemessung der Übertragungskapazität und Auslastung der Datenleitungen

Weder bei der Antragsstellung noch in der Betriebsphase wird die von den Behörden bestellte Portausstattung kritisch hinterfragt. Das IZLBW prüft die von den Ressorts erteilten Aufträge zwar auf Plausibilität, später jedoch in der Regel nicht mehr, wie die Datenleitungen ausgelastet sind.

Der RH hat den vom Auftragnehmer aufgezeichneten Datenverkehr maschinell ausgewertet und die Ministerien auf zum Zeitpunkt der Stichprobe zu wenig ausgelastete Datenleitungen hingewiesen.

6.1 Wählverbindungen

Der RH hat Ports identifiziert, die länger als zwölf Monate nicht genutzt wurden, aber Grundgebühren von 16.000 € verursachten.

Eine weitere Auswertung zeigt, dass es wirtschaftlich ist, Wählverbindungen ab einer bestimmten monatlichen Nutzungsdauer in Festverbindungen umzuwandeln.

6.2 Festverbindungen

Auch einige Festverbindungen wurden vorgefunden, über welche seit längerer Zeit offenbar keine Datenübertragung stattgefunden hat, teilweise bis zurück in den Juli 2001. Für diese Leitungen waren 80.000 € Gebühren zu entrichten.

Mehrere im Folgenden grob umrissene Modellrechnungen zeigen überdies, dass etliche der Festverbindungen offenbar nur schwach ausgelastet sind:

  • Spitzenwertbetrachtung: Ein Port gilt dann als überdimensioniert, wenn seine Auslastungsspitze nicht wenigstens einmal im Monat 67 % der möglichen Leitungskapazität erreicht.

 

  • Durchschnittsbetrachtung: Ein Port gilt als überdimensioniert, wenn er während der üblichen Bürostunden weniger als 20 % im Durchschnitt ausgelastet ist.

 

  • Kategoriebetrachtung: Ein Port gilt als überdimensioniert, wenn Daten nur wenige Stunden im Monat in den höheren der vom Auftragnehmer definierten Kategorien < 30 %, 30 % - 70 % oder > 70 % übertragen werden.

 

  • Übereinstimmungsgrad: Leitungen, die jeweils in allen drei genannten Rechnungen hängen blieben, wurden zur Einsparungsermittlung herangezogen.

Da die Modellrechnungen einen unterschiedlichen Ansatz verfolgen, hat die ermittelte Schnittmenge die notwendige Aussagekraft.

In den Modellrechnungen, die ohne Ansehen der einzelnen Dienststellen anonymisiert maschinell erstellt wurden, konnten nicht alle Besonderheiten bei der Nutzung einzelner Ports berücksichtigt werden. So gibt es beispielsweise Anschlüsse, die nur während weniger Tage im Monat zu bestimmten Tageszeiten stark genutzt werden, z. B. in Schulungsräumen. Ob in diesen Fällen Wählverbindungen nicht kostengünstiger wären, muss im Einzelfall untersucht werden. Auch war nicht restlos zu klären, wie zuverlässig und vollständig der Auftragnehmer den Datenverkehr aufgezeichnet hat. Zweifel an der Güte des dem RH überlassenen Datenmaterials sind aufgetaucht, weil in den sog. Access- und auch in den PVC-Statistiken einzelne angemietete Festverbindungsports nicht enthalten waren. Die Portbesitzer wurden daher aufgefordert, weitere Überprüfungen und Auswertungen zunächst selbst durchzuführen und ggf. zu reagieren.

Die Auswertungen des RH deuten darauf hin, dass immerhin 22 % der 1.776 Festverbindungsports überdimensioniert sein könnten. Bei Zugrundelegung der aus dienstlichen Gründen notwendigen kleineren Ports eröffnet sich ein (theoretisches) Einsparpotenzial von 1,04 Mio. € jährlich.

Das vom Auftragnehmer aufgezeichnete Datenmaterial ist unübersichtlich und zur Steuerung nur bedingt verwendbar, seine Auswertung ist umständlich und zeitaufwendig. Beispielweise beziehen sich Durchschnittsberechnungen des Auftragnehmers auf einen 24-Stunden-Betrieb, obwohl klar ist, dass die meisten Behörden üblichen Bürobetrieb haben. Es gehört aber zu den Kernaufgaben des IZLBW, den aufgezeichneten Datenverkehr in seinem Berichtswesen so aufzubereiten, dass die „Kunden“ ohne weiteren Aufwand die nötigen Schlüsse daraus ziehen können. Das IZLBW sollte den Auftragnehmer beauftragen, die Messungen des Datenverkehrs über eine verbesserte Berichtstechnik praxisgerechter zu liefern. Ein Controllingsystem zur Identifizierung wenig ausgelasteter oder auch überlasteter Datenleitungen ist unverzichtbar. Unabhängig davon, ob weitere Auswertungen die Ergebnisse der Berechnungen des RH erhärten oder relativieren, dürfte die Notwendigkeit einer eingreifenden Steuerungszentrale nicht zu bestreiten sein.

Das IZLBW versucht, Überkapazitäten auch mit dem Hinweis zu rechtfertigen, dass das LVN ursprünglich als Netz für Katastrophenfälle vorgesehen war, und daher auch den Charakter eines Vorhaltenetzes mit freier Kapazität habe. Um im Katastrophenfall ausreichend Übertragungskapazität für Nachrichten und Lenkungsinformationen zu haben, können die meisten Fachverfahren heutzutage aber kurzfristig vorübergehend stillgelegt werden. Das LVN ist dann zum Katastrophenmanagement mehr als ausreichend.

Der RH redet keineswegs einem langsamen Verwaltungsnetz das Wort. Die Behörden sollten sich aber am unverzichtbar Notwendigen ausrichten, wie das die Haushaltsvorschriften vorsehen. Das IZLBW sollte sie dabei unterstützen, die Betriebsstatistiken regelmäßig auszuwerten und das Ergebnis über ein definiertes und strukturiertes Berichtswesen zur Verfügung stellen.

7 Verfügbarkeit

Mit erheblichen Auswirkungen auf die Kosten können mit dem Auftragnehmer unterschiedlich hohe Netzverfügbarkeiten und unterschiedlich lange Entstörzeiten vereinbart werden. Die Spanne reicht mit mehreren Abstufungen von einer Verfügbarkeit von 98 % und einer garantierten Entstörzeit von 24 Stunden bis zur einer Verfügbarkeit von 99,5 % und einer Entstörzeit von nur vier Stunden, sodass die Ressorts die Möglichkeit haben, im Spannungsfeld zwischen Sicherheit, Verfügbarkeit und Sparsamkeit die jeweils wirtschaftlichste Stufe zu wählen.

Auch in diesem Zusammenhang hat der RH die Ministerien gebeten, jede Vereinbarung unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten noch einmal zu überdenken. Würde sich das Land entschließen, alle Ports in der geringsten garantierten Verfügbarkeitsstufe zu betreiben (die aber immer noch bei 98 % oder höher liegt), könnten theoretisch fast 700.000 € jährlich gespart werden, wobei die tatsächliche Verfügbarkeit in der Regel deutlich über der vereinbarten Verfügbarkeit liegt. Beispielsweise hätte die Benutzergruppe „Kultusministerium“ 24.000 € jährlich sparen können, wenn sie die garantierte Verfügbarkeit von 98,5 % um eine Stufe herabgesetzt hätte. Gravierende Nachteile wären dabei nicht zu erwarten gewesen. Solche Überlegungen müssen für jeden einzelnen Verwaltungszweig angestellt werden. Sicherheitsaspekte sind dabei selbstverständlich mitzuberücksichtigen. Die Konsequenzen für den Landeshaushalt dürfen aber nicht völlig aus dem Blickfeld geraten.

8 Betriebsvarianten

Bei der Betriebsvariante „managed Ports“ stellt der private Auftragnehmer seine Netzanschlussrechner in den einzelnen Dienststellen bereit (Router), richtet diese ein und überwacht ihre Funktion, während bei der Variante „unmanaged Ports“ diese Aufgaben den staatlichen Behörden obliegen. Im letzten Fall hält der Auftragnehmer im Wesentlichen nur die Übertragungsleitungen bereit.

Nach einer auf Angaben der Netznutzer beruhenden Vergleichsrechnung und gestützt auf eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung des FM für seinen Geschäftsbereich könnten jährlich etwa 1 Mio. € an Gebühren gespart werden, wenn die noch vorhandenen managed Ports in unmanaged Ports umgewandelt würden. In diesem Betrag sind bereits Mehrkosten für Personal berücksichtigt.

9 Kennzahlen

Die laufenden Gesamtkosten des durch den Outsourcingvertrag umfassten Netzbereichs betragen 15,7 Mio. € jährlich, davon sind 14,4 Mio. € Gebühren an den Auftragnehmer und der Rest sind eigene Personalkosten im IZLBW und bei den Behörden. Aus den erhobenen Daten lassen sich die in der Übersicht dargestellten groben Kennzahlen ableiten.

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Direkt vergleichbare Kennzahlen anderer Verwaltungsnetze sind dem RH nicht bekannt. Das IM ist aufgrund seines regelmäßigen informellen Erfahrungsaustausches und seiner Mitarbeit in Bund-Länder-Gremien überzeugt, dass Baden-Württemberg mit diesem Vertrag sein LVN sehr wirtschaftlich betreibt. Es stützt sich dabei auch auf vom Auftragnehmer überlassene anonymisierte Vergleichsrechnungen, mit denen dieser Teile des LVN mit Teilen anderer Kundennetze verglichen hat.

10 Arbeitsabläufe

Die Prüfung von Anschluss-, Löschungs- und Änderungsaufträgen für Ports verursacht dem IZLBW durchschnittlich einen Arbeitstag Aufwand je Auftrag. Der RH hat Hinweise zur Optimierung der Arbeitsabläufe gegeben.

Nicht vertretbar ist der Arbeitsaufwand zur Kontrolle der häufig fehlerhaften Abrechnungen des Auftragnehmers. Seit Beginn der Erhebungen durch den RH prüft das IZLBW die Abrechnungen intensiver, was bislang zu Gutschriften von rd. 100.000 € geführt hat. Das IM sollte auf korrekte Abrechnungen dringen und seinen Korrekturaufwand jeweils von den Rechnungsbeträgen absetzen. Das IZLBW hat vom IM inzwischen den Auftrag zur Suche nach Optimierungsmöglichkeiten erhalten, Gespräche mit dem Auftragnehmer hätten bereits stattgefunden.

11 Wertung und Vorschläge

Das Land Baden-Württemberg hat sich mit dem Vertrag zum LVN ein hoch verfügbares und leistungsfähiges Datenübertragungsnetz geschaffen, dessen Kapazität aber in Teilen überdimensioniert scheint. Soweit ersichtlich, hat das IM seine strategischen Aufgaben und das IZLBW seine betrieblichen Aufgaben sachgerecht wahrgenommen.

Dessen ungeachtet brachte die Erhebung Hinweise auf Einsparmöglichkeiten. Die getroffenen Entscheidungen müssen auf Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit überprüft werden (Leitungskapazität, Verfügbarkeitslevel, Vielfalt der Verträge). Sachverstand für dieses Spezialgebiet sollte soweit möglich im IZLBW gebündelt werden.

Defizite bestehen in der Steuerung und dem Controlling. Behörden, die mehr Leitungskapazität als notwendig in Auftrag geben, müssen in Begründungszwang kommen. Dazu bedarf es eines besseren Berichtswesens.

Fortschreitende Netztechnik und die Folgen der Verwaltungsstrukturreform mit der anzustrebenden Zusammenführung der staatlichen und kommunalen Datennetze lassen die Prüfung einer Kündigung und Neuausschreibung des Outsourcingvertrages ratsam erscheinen. Vorab sollte eine Markterkundung durchgeführt werden.

12 Stellungnahme der Ministerien

Gegen die Feststellungen selbst wurden keine gravierenden Einwände vorgebracht. Die Notwendigkeit, das Datenvolumen regelmäßig auszuwerten, die Leitungsart (Wähl- oder Festverbindung) und die Wirtschaftlichkeit der Betriebsart (managed oder unmanaged Ports) zu hinterfragen und ggf. anzupassen, wird von den Ministerien nicht in Abrede gestellt. Sie sind dazu auch bereit, erwarten aber vom IZLBW besser aufbereitete Statistiken. Das SM nutzt alle vom IZLBW angebotenen Dienstleistungen und ist damit sehr zufrieden. Andere Ressorts machen dagegen geltend, dass mit kompletter Zentralisierung des Know-How die momentane Dienstgüte nicht aufrecht zu erhalten wäre.

In einer mit den Ministerien abgestimmten Stellungnahme und in mehreren Gesprächen hat das IM weiter mitgeteilt:

  • Infolge der Einführung neuer Übertragungstechnik werden geänderte Preismodelle auf den Markt kommen. Das IM erwarte tendenziell sinkende Preise bei unverändert zu übertragendem Datenvolumen und wolle zunächst den Markt weiter intensiv beobachten.

 

  • Die Zusammenführung des LVN mit den kommunalen Verwaltungsnetzen wolle das IM prüfen. Dies sei in den Grundsätzen für die IuK-Technik bei der Verwaltungsstruktur-Reform (Konsenspapier) mit den Kommunen bereits vorgemerkt.

 

  • Die Reduzierung der unterschiedlichen Netzübergänge und Netzzugänge wolle das IM weiter verfolgen.

 

  • Die Wirtschaftlichkeit ihrer eigenen Lösungen hätten die Ministerien geprüft. Abweichende Lösungen begründen sie auch mit unterschiedlichem Sicherheitsbedarf.

 

  • Das IZLBW könne allenfalls bei der Beschaffung von Messdaten unterstützen, sofern es dafür einen Auftrag erhalte. Bewerten könne das Ergebnis nur das jeweilige Ressort, das letztlich auch die Kosten trage.

 

  • Ob freie Netzkapazitäten nach Abschaltung von DV-Fachanwendungen zum Katastrophenmanagement ausreichen würden, wäre noch zu verifizieren.

 

  • Auch bei einer - vom IM befürworteten - Konzentration des Netzsachverstandes im IZLBW müsse in den Behörden zumindest Basiswissen zur Unterstützung im Problemfall und für die Bewertung der Auslastungs- und Verfügbarkeitsstatistiken vorhanden sein.

 

  • In der Forderung des RH, teure managed Ports umzuwandeln und die Router selbst zu beschaffen und einzurichten, läge ein gewisser Zielkonflikt mit der Forderung nach Personalabbau vor Ort.

13 Schlussbemerkung

In den wesentlichen Punkten stimmen RH und IM überein. Die Prüfung der Zusammenführung der bisher getrennten Weitverkehrsnetze der Behörden in Baden-Württemberg sollte zügig durchgeführt werden. Probleme mit jetzt noch unterschiedlichen Techniken und Fragen der Betriebsorganisation sind lösbar. Die Wirtschaftlichkeit des vorhandenen LVN kann durch die vom RH vorgeschlagenen Maßnahmen weiter erhöht werden, insbesondere wenn die Dimensionierung der Datenleitungen regelmäßig überprüft wird.

Es ist Aufgabe des IM, seine Dienststelle IZLBW mit dem Aufbau eines zur Steuerung geeigneten Berichtswesens zu beauftragen.

Der vermutete Zielkonflikt bei Änderung der Portarten ist eher theoretischer Natur, wenn man davon ausgeht, dass der Routerbetrieb nicht vor Ort gesteuert werden soll, sondern vom IZLBW mit erledigt wird.

Zuzustimmen ist dem IM in seiner Aussage, dass das Notfallkonzept zu überprüfen ist. Der RH hat darauf hingewiesen, dass das Land in der IuK-Ausfallvorsorge Defizite hat. Vor allem wird die Wirksamkeit der angedachten Maßnahmen nicht oder zu wenig durch realistische Notfallübungen getestet.


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Einzelplan 03: Innenministerium

Bei der Förderung der Gemeindefeuerwehren sollte auf mehr Wirtschaftlichkeit der Feuerwehrinfrastruktur hingewirkt werden.


1 Ausgangslage

In der Denkschrift 1997, Beitrag Nr. 9 hat der RH den Landtag über Ergebnisse der Prüfung der Förderung des Feuerlöschwesens unterrichtet. Dabei wurden Rationalisierungspotenziale zur Entlastung der Haushalte (von Land und Kommunen) aufgezeigt.

In der Folgezeit hat der Arbeitskreis „Feuerwehr in der Zukunft“ des Landesfeuerwehrverbandes Baden-Württemberg in Zusammenarbeit mit dem IM die Hinweise zur Leistungsfähigkeit einer Gemeindefeuerwehr erstellt. Erstmalig wurde - wenn auch unverbindlich - bei der Bedarfsermittlung die Gesamtschau des regionalen Feuerwehrwesens angemahnt.

Zum 01.01.2004 hat das IM die Verwaltungsvorschrift über Zuwendungen für das Feuerwehrwesen (VwV-Z-Feu) novelliert. Das Fördersystem wurde vereinfacht, indem die vorhandenen Mittel auf die Projektförderung einerseits und eine Pauschale je aktivem Feuerwehrangehörigem andererseits konzentriert werden (Zwei-Säulen-Modell). Durch die Reduzierung der einzelnen Fördersätze können mehr Maßnahmen als bisher mitfinanziert werden. Nunmehr ist ausdrücklich geregelt, dass das örtliche Gefahrenpotenzial und die Infrastruktur benachbarter Feuerwehren als Fördervoraussetzung beachtet werden müssen (Nr. 4.1 VwV-Z-Feu).

2 Prüfungsumfang, Prüfungsziel

Mit der vom StRPA Tübingen in den Jahren 2003 und 2004 durchgeführten Prüfung sollte geklärt werden, inwieweit die Empfehlungen des RH im Feuerwehrwesen umgesetzt wurden und ob weitere Einsparungen möglich sind, ohne die Effektivität der Feuerwehren zu beeinträchtigen. Es wurde auch der Frage nachgegangen, inwieweit die Gemeinden von der Möglichkeit des Kostenersatzes für Feuerwehrleistungen Gebrauch machen und ob die für solche Feuerwehreinsätze von den Kommunen angesetzten Gebühren angemessen sind. In die Untersuchung wurden sämtliche Stadt- und Landkreise des Regierungsbezirks Tübingen einbezogen.

 

3 Organisation, Finanzierung und Aufgaben der Feuerwehren

 

Nach dem Feuerwehrgesetz Baden-Württemberg (Feuerwehrgesetz) hat jede Gemeinde auf ihre Kosten eine den örtlichen Verhältnissen entsprechende leistungsfähige Feuerwehr aufzustellen, auszurüsten und zu unterhalten. Das Feuerwehrgesetz unterscheidet zwischen Berufsfeuerwehren und freiwilligen Feuerwehren. In Gemeinden mit mehr als 100.000 Einwohnern ist grundsätzlich eine Abteilung Berufsfeuerwehr aufzustellen. Momentan gibt es in den Städten und Gemeinden des Landes 1.108 freiwillige Feuerwehren. Davon haben 8 eine Abteilung Berufsfeuerwehr. Ende 2003 waren insgesamt 109.219 aktive Feuerwehrangehörige gemeldet.

Die Kommunen werden durch das ehrenamtliche Engagement der freiwilligen Feuerwehren in besonderem Maß von den Kosten des Brandschutzes und sonstiger Gefahrenabwehr entlastet. Gleichwohl müssen im Land immer noch öffentliche Mittel in einer Größenordnung von 300 Mio. € je Jahr eingesetzt werden.

Die von den Gemeindefeuerwehren verursachten Kosten werden zum größten Teil von den Kommunen selbst aufgebracht. Das Land deckt einen Teil durch Zuwendungen aus dem Aufkommen der Feuerschutzsteuer in Höhe von zurzeit 45 Mio. €. Die Feuerschutzsteuer ist nach dem StHPl. für 2005/2006 auf 49 Mio. € (2005) bzw. 50 Mio. € (2006) geschätzt.

Das Aufgabenspektrum der Feuerwehren ist vielfältig und seit einigen Jahren sehr stark durch technische Hilfeleistungen geprägt, wie z. B. Einsätze nach Naturereignissen oder Verkehrsunfällen. Auch zum Schutz der Umwelt, z. B. vor ausgelaufenem Öl, Wasser gefährdenden oder giftigen Chemikalien, ist die Feuerwehr stark gefragt. Der Brandschutz hat zwar ebenfalls einen hohen Stellenwert, spielt aber - gemessen an der Gesamtzahl der Einsätze - seit Jahren mit 16 % bis 20 % Anteil eine geringere Rolle. Dies zeigt der Blick auf die Feuerwehrstatistik der vergangenen Jahre.

 

In den vier aufgezeigten Jahren sind mehr als 330.000 Einsätze nicht auf Brände zurückzuführen. Dies sind im Durchschnitt 83 % der insgesamt rd. 400.000 Einsätze und Alarmierungen. Allerdings dürfte die zeitliche Beanspruchung durch Brandbekämpfungen nach überschlägigen Schätzungen rd. 50 % der Gesamteinsatzzeit der Feuerwehren betragen. Auch hinsichtlich der Schadenshöhe spielen Brandschäden noch immer eine dominierende Rolle.

4 Ergebnisse der Prüfung

4.1 Vorgaben und Konzepte zur Feuerwehrinfrastruktur

Die inzwischen ergangenen Hinweise zur Leistungsfähigkeit einer Gemeindefeuerwehr dienen den feuerwehrtechnischen Beamten und den Aufsichtsbehörden als wichtige Planungshilfe. Sie sind jedoch nicht verbindlich und werden von den einzelnen Kreisbrandmeistern unterschiedlich ausgelegt. Die Gemeinden interpretieren die Hinweise tendenziell in ihrem Sinne, d. h. zur Begründung eines zusätzlichen Bedarfs an Ausstattung.

Das StRPA ist deshalb der Frage nachgegangen, inwieweit sich Gemeinden, Landkreise und der gesamte Regierungsbezirk mit ihren jeweiligen Nachbarkörperschaften zur Sicherstellung des Brandschutzes und des sonstigen Einsatzbedarfes absprechen. Dabei war festzustellen, dass nach wie vor integrierte, flächendeckende, über Gemeinde-, Kreis- und Bezirksgrenzen hinausgehende Konzepte fehlen. Meistens befürworteten Kreisbrandmeister die Bedarfsanmeldungen der Gemeinden ohne ausreichende Analyse der Infrastruktur benachbarter Gemeinden.

Nur wenige Städte und Gemeinden haben Synergieeffekte erschlossen, indem sie auf dem Wege kommunaler Zusammenarbeit Anforderungen an ihr Feuerwehrwesen gemeinsam gelöst haben. Die Zusammenarbeit beschränkt sich hauptsächlich auf die Abstimmung der Alarmierungs- und Ausrückeordnungen, die jedoch auf der vorhandenen, nicht abgestimmten, Ausstattung aufbauen.

Nur einzelne Gemeinden haben sich durch eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung nach § 25 des Gesetzes über kommunale Zusammenarbeit gegenseitig Aufgaben übertragen, z. B. in der Form, dass auf die Beschaffung von Ausrüstung verzichtet wird, weil der Partner hierüber verfügt und diese ggf. im Schadensfall zur Verfügung stellt. Dabei könnte es bei der hohen Siedlungsdichte des Landes, wie in diesen Fällen geschehen, zu deutlich mehr und Ausgabe mindernden Absprachen zwischen Kommunen kommen.

Das Land sollte deshalb auf die Verstärkung der interkommunalen Zusammenarbeit durch ein finanzielles Anreizsystem (beispielsweise durch erhöhte Fördersätze o. Ä.) hinwirken.

Das IM stimmt den Empfehlungen des RH im Grundsatz zu, weist aber auf das kommunale Selbstverwaltungsrecht und die dadurch eingeschränkte Einflussmöglichkeit des Landes hin. Es beabsichtige jedoch, die Schaffung eines finanziellen Anreizsystems zur Förderung der kommunalen Zusammenarbeit im Feuerwehrwesen in die Fortschreibung der VwV-Z-Feu einzubringen.

4.2 Einsatzverfügbarkeitsanalysen und Brandschutzbedarfspläne

Die Gemeindefeuerwehren ermitteln ihren Ausstattungsbedarf in aller Regel anhand der vorhandenen Fahrzeuge und Geräte. Wenn ein Fahrzeug alt oder nicht mehr nutzbar ist, wird ein neues, oft hochwertigeres Fahrzeug beantragt. Ergänzungsbedarf wird beispielsweise bei Ausweitung von Wohngebieten und Ausweisung neuer Industrieanlagen angemeldet. Soll-Konzepte, die einen am Risiko ausgerichteten Bedarf mit den zur Verfügung stehenden Einsatzkräften optimal in Einklang bringen, konnten in der Regel nicht vorgelegt werden.

Die Hinweise für die Gemeindefeuerwehren definieren eine Ausstattung, die den Brandschutz für einen „Standardbrand“ sicherstellt, gehen jedoch nicht auf regional unterschiedlich hohe Gefahrenpotenziale ein. Nach Ansicht der Kreisbrandmeister regen die Hinweise die Kommunen teilweise geradezu an, weiteren Ausstattungsbedarf zu reklamieren, da ein hundertprozentiger Brandschutz nach den Besonderheiten der örtlichen Gegebenheiten bisher regelmäßig nicht gegeben ist. Es sei jedoch einer gewichteten Ausstattung entsprechend den örtlichen feuerwehrtechnischen Risiken gegenüber einer Vollausstattung der Vorzug zu geben. Hierzu bedürfe es sachgerechter Brandschutzbedarfspläne, die die feuerwehrtechnisch notwendige Ausrüstung und das dazu notwendige Bedienungspersonal benennen.

Hinzu kommt, dass fast alle Gemeinden nicht erhoben haben, ob im Schadensfall überhaupt genügend Mannschaften zur Bedienung der Gerätschaften vorhanden sind. Bislang haben sich im Regierungsbezirk Tübingen lediglich einige wenige größere Gemeinden intensiver um das Gefahrenpotenzial und die tatsächliche Einsatzbereitschaft gekümmert. Dabei zeigte es sich, dass in vielen Fällen nicht einmal 20 % der Feuerwehrabteilungen tagsüber in der Lage sind, die erforderliche Einsatzbereitschaft herzustellen. Bei einer Großen Kreisstadt mit 17 Teilorten waren nur zwei Abteilungen der Gemeindefeuerwehr tagsüber in ausreichender Stärke verfügbar. Die Gemeinden mussten deshalb ihre Bedarfskonzepte überarbeiten und völlig veränderte, verfügbarkeitsorientierte Einsatzpläne entwickeln, z. B. in Form von sog. Ausrückebereichen für mehrere Abteilungen mit zentral vorgehaltener Ausrüstung. In diesem Fall wurde es möglich, auf mehrere Einzelfahrzeuge zugunsten eines hochwertigeren Fahrzeuges zu verzichten, was per saldo kostengünstiger ist.

Die Kenntnis der mangelhaften Einsatzbereitschaft macht es zwingend erforderlich, dass die Städte und Gemeinden - wie dies in anderen Bundesländern (z. B. Nordrhein-Westfalen) z. T. schon praktiziert wird - die vorhandene Einsatzstruktur flächendeckend analysieren und ihre Schlagkraft mit den bestehenden Risiken abgleichen.

Es war allerdings auch festzustellen, dass die wenigen bisherigen Einsatzverfügbarkeitsanalysen und Brandschutzbedarfspläne - ebenso wie übrigens auch die Hinweise zur Leistungsfähigkeit einer Gemeindefeuerwehr - zu sehr auf den reinen Brandschutz ausgerichtet sind. Die technischen Hilfeleistungen - obwohl zahlenmäßig von großem Gewicht - spielen bei diesen Analysen nur eine untergeordnete Rolle. Es wird deshalb empfohlen, den hierfür notwendigen Ausstattungsbedarf in die Einsatzkonzepte mit einzubeziehen, nicht zuletzt auch, um im Bereich der Rüst- und Vorausrüstwagen sowie bei sonstigen, für solche Einsätze notwendigen Ausrüstungsgegenständen die entsprechenden Planungsgrundlagen zu schaffen. In diesem Bereich war eine teilweise großzügige Ausstattung anzutreffen.

Die Landesregierung sollte die Förderung des Feuerwehrwesens künftig verstärkt von sachgerechten Brandschutzbedarfsplänen und Einsatzverfügbarkeitsanalysen abhängig machen, welche aber nicht ausschließlich brandschutzorientiert sein dürfen, sondern auch die technischen Hilfeleistungen mit einbeziehen müssen. Außerdem müssen die Erkenntnisse aus solchen Analysen und Konzeptionen in die vom jeweiligen Kreis- bzw. Bezirksbrandmeister vorzunehmende Prüfung der feuerwehrtechnischen Notwendigkeit von Maßnahmen einfließen. Das Prüfungsergebnis muss ausdrücklich und in nachvollziehbarer Weise aktenkundig gemacht werden, was bisher kaum geschah.

Nach Ansicht des IM ist das Grundrisiko bei einer verbesserten Zusammenarbeit innerhalb der Gemeindefeuerwehren oder mit anderen Gemeindefeuerwehren beherrschbar. Es stimmt dem RH darin zu, dass besonderen örtlichen Risiken mit Brandschutzbedarfsplänen begegnet werden muss.

Auf das Problem der mangelnden Einsatzbereitschaft von Feuerwehrabteilungen, insbesondere am Tage, geht das IM nicht ein.

4.3 Beschaffungen

Die von den Kommunen durchgeführten Beschaffungsmaßnahmen entsprachen vielfach nicht den Vorschriften des Vergaberechts. So wurde in zahlreichen Fällen das Gebot der öffentlichen Ausschreibung nicht beachtet. Nach Vergaberecht vorgeschriebene europaweite Ausschreibungen wurden z. T. nicht durchgeführt, weil es außerhalb von Deutschland angeblich keine kompetenten Lieferanten für Feuerwehrfahrzeuge gäbe. Vor allem kleinere Gemeinden sehen sich durch fehlenden Vergabesachverstand oder nicht ausreichende Personalkapazität daran gehindert, Ausschreibungen ordnungsgemäß durchführen zu können.

Die gemeinsame Beschaffung von Investitionsgütern, von Bekleidung und von Verbrauchsmaterial wurde nur sehr vereinzelt und in nicht nennenswertem Umfang praktiziert. Eine Standardisierung und Bündelung des Bedarfs mehrerer Gemeinden scheitert häufig an Sonderwünschen der Feuerwehren. Dies führt zu teilweisen hohen Preisspannen bei vergleichbaren Fahrzeugen. Fehlender Vergabesachverstand begünstigt zudem teure Einkäufe.

 

In zahlreichen Fällen hätten sich Gemeinden zusammenfinden können, um Fahrzeugbeschaffungen zu bündeln. Sogar Gemeinden einer Region nahmen nahezu gleichzeitig Einzelbeschaffungen vor, wie Übersicht 3 zeigt.

 

Als positives Beispiel ist hervorzuheben, dass ein Feuerlöschverband drei Fahrzeuge gemeinsam beschaffte und dabei einen Vorteil in Höhe der Hälfte des Preises eines Feuerlöschfahrzeugs erzielte.

Neben den Fahrzeugen hätten auch bei sonstigen Ausrüstungsgegenständen in viel größerem Umfang koordinierte Beschaffungen durchgeführt werden können, z. B. bei Dienstkleidung, Einsatzausrüstung, Funkgeräten usw. So haben sich die Kommunen u. a. bei der Einführung der digitalen Alarmierung nicht über die Landkreise hinaus auf einheitliche Funkmeldeempfänger verständigt.

Durch Bedarfsbündelungen, vergaberechtlich einwandfrei durchgeführte Beschaffungsmaßnahmen und ggf. auch durch die Entwicklung von Formen der zentralen Beschaffung (z. B. auf Kreisebene) ließen sich vor allem für kleinere und mittlere Kommunen noch erhebliche Einsparungen erzielen. Überdies würden die Gemeinden von zeitaufwendigen Vergabeprozessen entlastet.

Beschaffungen über das landeseigene Logistikzentrum Baden-Württemberg sollten - wie schon 1997 empfohlen - ebenfalls in Erwägung gezogen werden.

Die Bündelung von Beschaffungsmaßnahmen zur Erwirtschaftung von Kostenvorteilen und Preisnachlässen ist nach Auffassung des IM sinnvoll, könne jedoch nur im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung umgesetzt werden.

4.4 Kostenersatz für Leistungen der Feuerwehr

Die Gemeindefeuerwehren sollen bzw. können unter bestimmten Voraussetzungen des Feuerwehrgesetzes Kostenersatz für ihre Einsätze verlangen. Derzeit summiert sich der Kostenersatz in Baden-Württemberg auf insgesamt 20,3 Mio. € im Jahr. Der Umfang des erhobenen Kostenersatzes sowie die Abrechnungspraxis sind teilweise unzureichend und sollten verbessert werden. Bisher entgehen den Gemeinden jedoch erhebliche Einnahmen.

4.4.1 Höhe der Abrechnungssätze

Der Kostenersatz für Leistungen der Feuerwehr muss - wie andere kommunale Benutzungsgebühren auch - auf der Grundlage der jeweiligen tatsächlichen Kostensituation unter Einbeziehung der kalkulatorischen Kosten regelmäßig fortgeschrieben werden. Dieses Gebot ergibt sich aus § 78 Abs. 2 Nr. 1 Gemeindeordnung, wird jedoch hinsichtlich des Kostenersatzes für Feuerwehreinsätze stark vernachlässigt.

Nach Feststellungen der Finanzkontrolle sind nicht einmal in allen Gemeinden Satzungen oder Richtlinien über die Erhebung von Entgelten für die Leistungen der Feuerwehren vorhanden. Manche kleinen Gemeinden haben lediglich Satzungen über die Entschädigung der ehrenamtlich tätigen Angehörigen der Gemeindefeuerwehr (Feuerwehrentschädigungssatzungen). In diesen Satzungen sind keinerlei Kostenansätze für Feuerwehrfahrzeuge oder -geräte ausgewiesen.

Andere Gemeinden verfügen zwar über entsprechende Satzungen oder Richtlinien. Oft sind die darin enthaltenen Abrechnungssätze aber schon seit Jahren nicht mehr geändert oder angepasst worden. Außerdem weisen die in kommunalen Satzungen oder Richtlinien festgelegten Abrechnungssätze eine erhebliche Schwankungsbreite auf.

 

Insgesamt ist festzustellen, dass die Gebührensätze oft in keinem angemessenen Verhältnis zur Leistung der Feuerwehr und zu den damit verbundenen Kosten stehen. Dies führt zu nicht unerheblichen Einnahmeausfällen im kommunalen Feuerwehrhaushalt.

4.4.2 Abrechnungspraxis

Nicht nur bei den Abrechnungssätzen, sondern auch bei der Abrechnungspraxis - und damit letztendlich auch im Gebührenaufkommen der einzelnen Kommunen - wurden erhebliche Unterschiede festgestellt. Auffällig war insoweit die deutlich größere Sorgfalt und Stringenz bei der Gebührenerhebung durch budgetierende Kommunen.

In etlichen Fällen wurden keine Gebühren erhoben, obwohl eindeutig kostenpflichtige Tatbestände gegeben waren. In anderen Fällen waren unvertretbar lange Bearbeitungszeiten beim Gebühreneinzug festzustellen. Es dauerte mehrere Monate, bis Rechnungen erstellt wurden, obwohl die Verursacher bzw. Kostenträger feststanden.

Im Rahmen der Prüfung wurden in 17 verschiedenen Städten und Gemeinden insgesamt 4.685 Feuerwehreinsätze - dies entspricht etwa 20 % der im Regierungsbezirk Tübingen während eines Jahres anfallenden Einsätze - auf ihre Kostenpflicht hin untersucht. Insgesamt wären 2.709 (58 %) Einsätze kostenpflichtig gewesen, es wurde jedoch in 522 Fällen von der Erhebung eines Kostenersatzes abgesehen.

 

Im Jahr 2003 waren in Baden-Württemberg insgesamt 100.171 Feuerwehreinsätze zu verzeichnen. Geht man davon aus, dass hiervon ebenso 11 % zwar kostenpflichtig waren, aber tatsächlich nicht abgerechnet wurden, so hätten weitere rd. 11.000 Einsätze abgerechnet werden können. Bei durchschnittlich 435 € je Kostenbescheid errechnen sich hieraus Einnahmeverluste in einer Größenordnung von fast 5 Mio. € oder 24 % der bisher erzielten Einnahmen von 20,3 Mio. €.

Der nicht abgerechnete Kostenersatz verteilt sich entsprechend Übersicht 6.

 

Auch nach Auffassung des IM sollten die Kommunen den gesetzlichen Rahmen für einen adäquaten Kostenersatz ausnutzen, um damit Einnahmeverbesserungen zu erzielen.

Dabei ist allerdings darauf zu achten, dass die Feuerwehreinsätze wirtschaftlich erfolgen, also Personal und Ausrüstung bedarfsgerecht und dem jeweiligen Ereignis angemessen eingesetzt werden.

4.4.3 Mehreinnahmen durch eine Änderung des Feuerwehrgesetzes

Die Möglichkeit, bei Verkehrsunfällen Kostenersatz für Feuerwehreinsätze zu verlangen, ist in Baden-Württemberg gegenüber anderen Bundesländern (z. B. Bayern und Nordrhein-Westfalen) deutlich eingeschränkt, indem die Inanspruchnahme von Verursachern über die Gefährdungshaftung auf den Betrieb von Schienen-, Luft- und Wasserkraftfahrzeugen beschränkt ist und sich nicht auch auf Straßenkraftfahrzeuge erstreckt.

Von den Fahrzeugunfällen, welche einen Feuerwehreinsatz bedingen, entfallen nur rd. 3 % auf Schienen-, Luft- oder Wasserkraftfahrzeuge, hingegen 97 % auf Straßenkraftfahrzeuge.

Hier kann bislang kein Kostenersatz verlangt werden, soweit es sich um die Rettung bzw. Bergung von Menschen und die Bekämpfung von Pkw-Bränden handelt. Nicht kostenfrei ist hingegen die Beseitigung von Unfallfolgen durch die Feuerwehr (z. B. Ölspuren beseitigen, Straße reinigen, Fahrzeug bergen u. Ä.).

Eine Auswertung der untersuchten 4.685 Feuerwehreinsätze zeigt Übersicht 7.

 

Es stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, ob die Nichteinbeziehung der Halter von Straßenkraftfahrzeugen in den Tatbestand der Gefährdungshaftung nach § 36 Abs. 1 Nr. 2 Feuerwehrgesetz sachgerecht ist.

Ohne Zweifel würde eine entsprechende Ausweitung von § 36 Abs. 1 Nr. 2 Feuerwehrgesetz den Verwaltungsaufwand bei Abrechnungen erheblich reduzieren, da die Einsätze bei Verkehrsunfällen nicht mehr in kostenpflichtige und nicht kostenpflichtige Tatbestände aufgeteilt werden müssten. Abgesehen davon wäre es verursachungsgerechter, die Kosten solcher Feuerwehreinsätze nicht der Allgemeinheit, sondern den Fahrzeughaltern, die sich durch die Inanspruchnahme ihrer Kfz-Haftpflichtversicherung schadlos halten können, aufzubürden.

Wenn man die untersuchten Feuerwehreinsätze zugrunde legt, würden mehr als 3.000 Feuerwehreinsätze jährlich zusätzlich kostenpflichtig, und in weiteren rd. 10.000 Fällen würden Feuerwehrleistungen bei Verkehrsunfällen nicht mehr nur teilweise, sondern voll kostenpflichtig. Überschlägig könnte dadurch mit Mehreinnahmen in einer Größenordnung von 3,6 Mio. € gerechnet werden.

Das IM weist auf eine frühere, dem Anliegen des RH entsprechende, aber damals gescheiterte Gesetzesinitiative hin. Es prüft jedoch zurzeit einen erneuten Vorstoß zur Änderung des Feuerwehrgesetzes.

4.5 Weiteres Sparpotenzial

Nach Feststellungen des RH könnten noch in zahlreichen weiteren Bereichen öffentliche Mittel eingespart werden, wenn vorhandene Strukturen oder Verfahrensabläufe in einzelnen Landkreisen verbessert würden, wie z. B.

  • Optimierung der Alarmierungs- und Ausrückordnungen

Die Alarmierungsschleifen sind in einigen Gemeinden zu groß ausgelegt, weshalb bei Schadensfällen häufig zu viele Einsatzkräfte alarmiert werden. Hier würde sich beispielsweise die Einrichtung von Kleinalarmgruppen für Bagatelleinsätze anbieten.

Das IM geht davon aus, dass mit zunehmender Digitalisierung auch eine schadensspezifischere Alarmierung einhergehen wird.

  • Bildung weiterer integrierter Leitstellen und langfristig Schaffung sog. Regionalleitstellen

Noch sind in einigen Landkreisen die Leitstellen von Rettungsdienst und Feuerwehr getrennt. Durch konsequente Zusammenführung von Leitstellen, auch über die Kreisgrenzen hinaus, könnten bei Personal und Ausstattung weitere Synergien erschlossen und Kosten gespart werden.

Das IM weist darauf hin, dass es sich zusammen mit dem SM darum bemühe, in den noch ausstehenden Rettungsdienstbezirken des Landes sog. integrierte Leitstellen einzurichten. Hierzu hätten die Ministerien im Mai 2004 die „Gemeinsamen Grundsätze zur Weiterentwicklung der Struktur der Leitstellen für Rettungsdienst und Feuerwehr“ verabschiedet.

  • Reduzierung von Fehlalarmen

Durch Auflagen zur Modernisierung von Brandmeldeanlagen, z. B. mittels Mehr-Komponenten-Sensoren, könnten viele Fehlalarme vermieden werden.

  • Verstärkter Umstieg auf Wechsellader-Systeme

Der von einzelnen Gemeindefeuerwehren begonnene Einsatz von kostengünstigen Systemen mit auswechselbaren Aufbauten führt zur Einsparung von Sonderfahrzeugen und sollte konsequent gefördert werden.

5 Schlussbemerkung

Das Land muss als Zuwendungsgeber ein Interesse daran haben, dass die Mittel wirtschaftlich verwendet werden. Die Novellierung der VwV-Z-Feu geht in die richtige Richtung. Es besteht jedoch noch weiterer Handlungsbedarf.

Die Gemeindefeuerwehren könnten ihre Wirtschaftlichkeit durch Ausnutzung noch vorhandener Einsparpotenziale und durch konsequente Erhebung von Kostenersatz deutlich verbessern. Weitere Einnahmen könnten erschlossen werden, wenn der Gesetzgeber den Kostenersatz nach § 36 Abs. 1 Nr. 2 Feuerwehrgesetz nicht auf die Gefahr und den Schaden beim Betrieb von Schienen-, Luft- und Wasserkraftfahrzeugen beschränken, sondern auch auf den Betrieb von Straßenkraftfahrzeugen ausdehnen würde.

Das Land sollte die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Gemeindefeuerwehren dadurch unterstützen, dass es im Rahmen der Förderung hierfür finanzielle Anreize setzt.


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Die parlamentarische Behandlung finden Sie hier


Anhänge

Die Arbeitszeit der Bediensteten der Landespolizei sollte landesweit elektronisch erfasst werden. Den hierfür erforderlichen Investitionen in Höhe von 3,2 Mio. € stehen deutliche Effizienzgewinne gegenüber.


1 Ausgangslage

1.1 Denkschrift 1991

Bereits im Jahre 1991 hat sich der RH in seinem Denkschriftbeitrag Nr. 4 mit dem Thema „Arbeitszeit in der Landesverwaltung“ befasst. Schon damals hat er empfohlen, elektronische Zeiterfassungssysteme einzuführen, um dadurch die nicht mehr zeitgemäßen Selbstaufschriebe abzulösen. Unter Hinweis auf seine besonderen Arbeitszeitregelungen blieb damals der Polizeivollzugsdienst außen vor.

Im Verlauf der parlamentarischen Beratung des Denkschriftbeitrags, bei der das IM eine einheitliche Vorgehensweise in den Geschäftsbereichen der Ministerien für geboten hielt, bestand weitgehend Einigkeit darüber, dass die angestrebten und immer weiter fortschreitenden Arbeitszeitflexibilisierungen nur durch die entsprechende Installation von Zeiterfassungsgeräten möglich sind. Mit der Arbeitszeitverordnung vom 29.01.1996 wurde die Flexibilisierung der Arbeitszeit präzisiert und gleichzeitig bestimmt, dass die gleitende Arbeitszeit einschließlich der Pausen grundsätzlich durch Kontrollgeräte zu erfassen ist.

1.2 Denkschrift 1996

In seiner Denkschrift 1996, Beitrag Nr. 8, hat der RH dargelegt, dass Ende 1995 bei 89 Behörden mit rd. 18.000 Beschäftigten Zeiterfassungsanlagen in Betrieb waren. Die mittels Fragebogen eingeholten Auskünfte über Technik, Kosten und Erfahrungen haben gezeigt, dass die befragten Dienststellen die elektronische Zeiterfassung überwiegend positiv bewertet haben.

1.3 Denkschrift 2002

Bei der Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung einer größeren Polizeidienststelle im Jahr 2001, deren Ergebnisse auszugsweise in der Denkschrift 2002, Beitrag Nr. 8 dargestellt wurden, hat der RH festgestellt, dass dort die Einführung von Zeiterfassungsgeräten offenbar an fehlenden Haushaltsmitteln gescheitert ist, obwohl der Personalrat bereits 1996 im Vorfeld von Regelungen über flexible Arbeitszeiten der Installierung solcher Geräte zugestimmt hatte. Der Empfehlung des RH, ein elektronisches Zeiterfassungsgerät einzuführen, das neben der Aufzeichnung der geleisteten Arbeit eine integrierte Bearbeitung der gehalts- und dienstrelevanten Sachverhalte (z. B. Dienst zu ungünstigen Zeiten, Mehrarbeit) ermöglicht und durch das personelle Kapazitäten in den Revieren und in der Verwaltung sowie beim Pfortendienst eingespart werden können, hat sich das IM zwar angeschlossen. Es hat aber während der parlamentarischen Beratung des Denkschriftbeitrags Mitte 2004 u. a. mitgeteilt, dass die Polizeidienststelle „vor dem Hintergrund der bekannten Haushaltsrestriktionen, bis auf weiteres keine Möglichkeit sehe, Mittel für die Beschaffung eines elektronischen Zeiterfassungssystems anzusparen bzw. bereitzustellen“.

2 Aktuelle Erhebungen bei allen Polizeidienststellen

Der RH hat durch eine Umfrage und durch örtliche Erhebungen bei 41 Dienststellen (vier Regierungspräsidien mit ihren Landespolizeidirektionen, drei Polizeipräsidien und 34 Polizeidirektionen) die in der Übersicht 1 dargestellten Ergebnisse ermittelt. Bei den Zahlenangaben in der Spalte „Bedienstete“ sind die abgeordneten, beurlaubten oder in Elternteilzeit befindlichen Personen nicht berücksichtigt.

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Von den 41 Dienststellen mit insgesamt 25.948 Bediensteten erfassen bisher nur zwei Dienststellen (Polizeidirektionen Tuttlingen und Villingen-Schwenningen) mit 623 Bediensteten und 19 Geräten ihre Arbeitszeiten vollständig elektronisch. Die Polizeidirektion Offenburg wird bis März 2006 die elektronische Zeiterfassung ganz eingeführt haben, vier Dienststellen erfassen bisher nur teilweise elektronisch. Insgesamt weisen bisher 2.201 Bedienstete in sieben Dienststellen und 41 Gebäuden mit 57 Geräten ihre Arbeitszeit elektronisch nach. Davon arbeiten 778 Bedienstete im Wechselschichtdienst. Die Mehrzahl der Polizeidienststellen plant derzeit nicht die Einführung von Zeiterfassungsgeräten. Die prozentualen Anteile der elektronischen Zeiterfassungen sind in der Übersicht 2 dargestellt.

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Die Übersicht 2 zeigt, dass 94,8 % der Gebäude bisher nicht mit elektronischen Zeiterfassungsgeräten ausgestattet sind und dass deshalb 91,5 % der Bediensteten ihre Arbeitszeit anderweitig nachweisen müssen.

3 Ausgaben für die technischen Voraussetzungen zum Anschluss der Zeiterfassungsgeräte

Immer wieder werden von den Polizeidienststellen ohne elektronische Zeiterfassungsgeräte die Ausgaben für die Verkabelung sowie für die Beschaffung von Geräten und Programmen in den Vordergrund gerückt. Diesen Kosten müssen aber die Einsparungen gegenübergestellt werden, die durch den Wegfall der Zeiterfassung mittels der Selbstaufschriebe, deren Kontrolle durch Vorgesetzte und deren manuelle Auswertung entstehen. Hinzu kommen noch die nicht pekuniär ermittelbaren vielfältigen Vorteile der elektronischen Zeiterfassung.

Seit 1990 sind bei 37 Polizeipräsidien/Polizeidirektionen 27 Gebäude neu errichtet, umgebaut, erweitert oder angemietet worden. In diesem Zusammenhang, insbesondere aber seit 1999, hat die Staatliche Vermögens- und Hochbauverwaltung im Auftrag des IM für die Landespolizei die veralteten analogen Telefonanlagen im Rahmen des Technik-Zukunfts-Programms durch moderne und leistungsfähige digitale Euro-ISDN-Telekommunikationsanlagen/-systeme (TK-Anlagen) ersetzt und somit die strategische Grundverkabelung für eine Vernetzung bis auf Ebene der Polizeiposten verwirklicht. Die wirtschaftliche Weiterverwendung vorhandener digitaler TK-Anlagen verschiedener Hersteller konnte durch die Hochrüstung auf einen neutralen einheitlichen Standard erreicht werden. Mit diesem 11,5 Mio. € teuren Modernisierungsprogramm können seit 2002 alle Polizeidienststellen, vom IM bis zu den einzelnen Polizeiposten vor Ort, die Vorteile der Internet-Technologie und der Vernetzung untereinander nutzen.

Aufgrund des erreichten technischen Standards kann davon ausgegangen werden, dass Zeiterfassungs- und Zugangskontrollgeräte, für sich allein genommen, nicht mehr Auslöser für aufwendige und teure Verkabelungen sind, sondern dass die Geräte als Terminals ohne großen zusätzlichen technischen Aufwand an die vorhandenen Datennetze angeschlossen werden können. Zeiterfassungs- und Zugangskontrollsysteme lassen sich ohne nennenswerten baulichen oder elektronischen Mehraufwand und ohne Beeinträchtigung der Datensicherheit des Polizeinetzes über vorhandene achtadrige DV-Leitungen (vier Adern können für die Zeiterfassungsgeräte genutzt werden), über das Landesverwaltungsnetz (bis zur Revierebene) oder - mit einem nur geringen Umstellungsaufwand - über Telefonleitungen zu einem mit Modem ausgestatteten Rechner (bis Polizeipostenebene) installieren.

Das IM hat bestätigt, dass die Installation von Zeiterfassungs- und Zugangskontrollsystemen durchweg ohne nennenswerten zusätzlichen baulichen Verkabelungsaufwand möglich ist.

4 Vorhandene Zeiterfassungssysteme

Bei einem Regierungspräsidium ist die Landespolizeidirektion seit 1996 in drei Gebäuden mit acht Zeiterfassungsgeräten ausgestattet. Im Jahr 2004 wurden die Anlagen auf- bzw. nachgerüstet. Für die Hardware wurden insgesamt 18.433 € und für die Software insgesamt 7.641 € aufgewendet. Laufende Kosten oder Gebühren fallen nicht an. Als zusätzliche Funktionen sind die Erfassung und Nachweisung der Gleitzeit, Mehrarbeit, Urlaub, Sonder- und Zusatzurlaub sowie der Fehlzeiten (Krankheit, Abordnung, Ausbildung u. a.) zu nennen.

Drei Polizeidirektionen haben ihre Organisationseinheiten sukzessive an die elektronische Arbeitszeiterfassung angeschlossen. Sie können die geleistete Arbeitszeit ihrer Bediensteten und deren Fehlzeiten auf elektronischem Weg verwalten. Die Polizeidirektionen Offenburg und Tuttlingen verwenden das System Z, die Polizeidirektion Villingen-Schwenningen das System I. Beide Systeme sind im Wesentlichen in gleicher Weise auf einer Client-Server-Struktur aufgebaut. Die Polizeidirektionen Offenburg und Tuttlingen konnten ihre Systeme frei wählen, die Polizeidirektion Villingen-Schwenningen war an die vom Gebäudeinvestor vorgegebene Lösung gebunden.

Die Polizeidirektion Offenburg hat für die Einführung des Systems Z an Hard- und Softwareausstattung sowie für Transponder bis Ende 2004 rd. 82.500 € aufgewendet. Bis März 2006 werden für die vollständige Anbindung von 856 Bediensteten an 23 Standorten mit allen Polizeiposten rd. 93.000 € ausgegeben sein. Die Polizeiposten sind über eine Wählleitung an den Einwahlrechner bei der Polizeidirektion angeschlossen. Alle von den Polizeiposten eingespeisten Daten werden siebenmal am Tag durch den Einwahlrechner abgerufen. Bei den Polizeiposten werden die Arbeitszeiten über ein kleines Terminal (maximale Anschaffungskosten: 750 €) erfasst.

Die Polizeidirektion Villingen-Schwenningen hat in den Jahren 1999 bis 2004 für das bei ihr eingeführte System I für Hard- und Software mit Erweiterungen, Zutrittsausweise, Beratungen durch die Systemfirma, Ersatzteile und Systemwartung 56.300 € aufgewendet. Davon sind als größte Posten für die Hardware 23.600 € und für die Software mit Erweiterung 13.300 € angefallen.

5 Kostenermittlung

Anhand einer von der Polizeidirektion Tuttlingen erstellten Ausgabenübersicht können die etwaigen mit der Einführung der elektronischen Zeiterfassung verbundenen Ausgaben annähernd ermittelt werden. Danach betragen z. B. die Ausgaben für die datentechnische Grundausstattung einer Polizeidirektion mit rd. 300 Bediensteten etwa 26.000 €. Dazu kommen bei Bedarf noch Ausgaben für verschiedene Optionen.

Als Orientierung können die Mittelwerte der Ausgaben bei den drei mit Zeiterfassungsgeräten ausgestatteten Polizeidirektionen herangezogen werden; sie sind in der Übersicht 3 dargestellt.

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Unter Berücksichtigung der genannten Durchschnittswerte, der noch auszustattenden 746 Gebäude und der geschätzten 800 noch zu installierenden Geräte für 23.747 Bedienstete dürften nach einer überschlägigen Hochrechnung die Ausgaben für die Einführung von Zeiterfassungsgeräten im Bereich der Landespolizei einmalig bei 3,2 Mio. € liegen.

Angesichts der Vielzahl der Dienststellen mit unterschiedlicher räumlicher Unterbringung schätzt das IM die tatsächlichen Kosten für den Einbau der Technik eher höher ein. Es weist auch darauf hin, dass eine Finanzierung aus dem zentralen Budget des Landespolizeipräsidiums nicht möglich sei, da die Mittel insbesondere für die Modernisierung der elektronischen Datenverarbeitung und des Fuhrparks sowie für die Einführung des Digitalfunks benötigt würden.

Auch die dezentralen Budgets der Landespolizei seien vorrangig für den operativen Bereich (z. B. Ermittlungskosten) einzusetzen. Sollten die Dienststellen aber Einsparungen - ohne die operativen Aufgaben zu vernachlässigen oder einzuschränken - erwirtschaften können, bestünden keine Einwendungen, Zeiterfassungsgeräte zu beschaffen. Dies setze allerdings voraus, dass die angesparten Mittel auch als Ausgabereste in kommende Jahre übertragen werden dürfen.

Nach Auffassung des RH zeigt das Beispiel der Polizeidirektion Offenburg, dass die elektronische Zeiterfassung nicht in einem Schritt eingeführt werden muss. Die Ausgabenbelastung kann auf mehrere Jahre verteilt werden.

Darüber hinaus dürfen nach Ansicht des RH die mit Einführung der elektronischen Zeiterfassung verbundenen Einsparungen und sonstigen Verbesserungen nicht außer Acht gelassen werden.

6 Einsparungen

6.1 Erfahrungswerte von drei Polizeidirektionen

Auf der Basis von 710 Bediensteten, deren Arbeitszeit bislang elektronisch erfasst wird, hat die Polizeidirektion Offenburg den Zeitaufwand ohne und mit elektronischer Zeiterfassung ermittelt. Ausgehend von jährlich 207 Arbeitstagen mit 1.700 Dienststunden - dies entspricht einer Mitarbeiterkapazität (MAK) - und den verschiedenen Erfassungsschritten ergibt sich rechnerisch die in Übersicht 4 dargestellte Einsparung.

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Die Einsparung dürfte sogar noch höher sein als 5,20 MAK, weil im Zeitaufwand für die Selbstaufschriebe der nur schwer ermittelbare Aufwand für die Anträge auf Urlaub und dienstfreie Tage, die Berechnung von Zusatzurlaub im Schichtdienst sowie das Führen von Dienstplänen und Übersichten, nicht enthalten ist.

Die Polizeidirektion Villingen-Schwenningen hat bei ihrer Vergleichsrechnung mit 3,47 MAK vor und mit 1,60 MAK nach Einführung der automatischen Zeiterfassung eine rechnerische Einsparung von 1,87 MAK ermittelt. Unter Berücksichtigung aller erforderlichen Arbeitsschritte hat sie die jeweiligen Zeitanteile an der unteren Grenze angesetzt. In der täglichen praktischen Anwendung dürfte die Einsparung auch dort höher sein.

Auch die Polizeidirektion Tuttlingen hat bereits im Jahr 1990, vor Einführung der elektronischen Zeiterfassung, auf der Grundlage einer Befragung bei damals 200 Bediensteten gegenüber den Selbstaufschrieben ein Einsparpotenzial von 1,50 MAK ermittelt. Nach Einführung der elektronischen Zeiterfassung konnten durch eine zweckdienliche und gezielte Auswertung des vorhandenen Datenmaterials weitere Einsparpotenziale erschlossen werden.

6.2 Berechnung für die gesamte Landespolizei

Eine genaue Ermittlung der durch die Einführung der elektronischen Zeiterfassung im Bereich der Landespolizei insgesamt frei werdenden MAK ist nur schwer möglich. Bestimmte Größenordnungen erscheinen aber durchaus realistisch, wenn von den Erfahrungen der drei Polizeidirektionen ausgegangen wird. Ausgehend von den durchschnittlichen Werten und bei vorsichtiger Berechnung können rd. 3 MAK je Landespolizeidirektion der Regierungspräsidien, je Polizeipräsidium und je Polizeidirektion angesetzt werden. Bei einem Durchschnittsgehalt je Bedienstetem von 35.000 € der Besoldungsgruppe A 9 ergäbe dies einen Betrag von 4,3 Mio. € jährlich. Schon im ersten Jahr ließe sich die Einführung der elektronischen Zeiterfassung theoretisch in vollem Umfang finanzieren und sogar noch eine Einsparung von 1,1 Mio. € erzielen. Die jährlichen Folgeausgaben für die Pflege und Verbesserung der elektronischen Zeiterfassung sind angesichts des Einsparvolumens eher zu vernachlässigen.

Aus der rechnerisch ermittelten Freisetzung von MAK kann allerdings nicht gefolgert werden, es müssten entsprechende Stellen wegfallen. Das ist schon deshalb nicht möglich, weil sich die ermittelten Einsparungen durch den Wegfall der Selbstaufschriebe auf alle Bedienstete verteilen und insoweit die ermittelten MAK nicht in diesem Umfang als monetäre Entlastung gesehen werden können. Vielmehr können die frei werdenden MAK im Bereich der jeweiligen Dienststelle für andere polizeispezifische Aufgaben effizienter eingesetzt werden. Insoweit entfällt aber auch ein eventueller Bedarf an Neustellen.

Das IM teilt die Auffassung des RH.

7 Sonstige Auswirkungen der elektronischen Zeiterfassung

7.1 Arbeitszeitregelungen

Die Arbeitszeitregelungen mit ihren verschiedenen Arbeitszeitformen geben gerade bei der Polizei häufig Anlass zu unterschiedlichen Verfahrensweisen und Interpretationen. Zum einen werden oftmals die Vorgaben zur Anordnung und Abrechnung von Mehrarbeit nicht genau beachtet; zum anderen fehlen klare Abgrenzungen und Zuordnungen zwischen gleitender Arbeitszeit und Mehrarbeit sowie zwischen Mehrarbeit und Überstunden. Auch besteht bei Selbstaufschrieben vielfach die Gefahr, dass Beginn, Ende und Unterbrechung der Arbeitszeit nicht korrekt erfasst werden. Arbeitszeiten werden gerundet und Überschreitungen der (Mindest-) Mittagspause sowie Unterbrechungen aus privatem Anlass nicht oder nur unvollständig eingetragen. Im Interesse einer Gleichbehandlung aller Landesbediensteten ist schon aus den dargelegten Gründen eine elektronische Zeiterfassung unerlässlich.

7.2 Verwaltung der erfassten Zeiten

Mit den elektronischen Zeiterfassungsgeräten, die meistens gleichzeitig als Zugangskontrollsysteme verwendet werden können, ist es möglich, die Gleitzeit, alle Formen von Mehrarbeit, Urlaub, Urlaub ohne Bezahlung und solchem im Schichtdienst (in Stunden) sowie Sonderurlaub, die Zeit für Abordnungen, Krankheit mit Lohnfortzahlung, Überstundenabbau und Dienst zu ungünstigen Zeiten zu verwalten. Zur Berechnung des Zusatzurlaubs für den Schichtdienst und für den Tagesdienst können die Tage und Stunden, in denen Nachtdienst geleistet wurde, erfasst werden.

Über die Monatsabschlüsse Tagesdienst und Schichtdienst können z. B. die tatsächlich tagesbezogenen Arbeitszeiten, die Differenzen zur Sollarbeitszeit, Überstundenabbau, aufgeschlüsselte Dienste zu ungünstigen Zeiten bei Wechselschichtdienst, Saldogleitzeitenkonten, geleistete Mehrarbeiten, Fehlzeiten durch Krankheit, Freistellungen und Resturlaubsansprüche nachgewiesen werden.

7.3 Stammdatenpflege

Mittels einer dialogorientierten elektronischen Arbeitsweise können die Bediensteten ihre Stammdaten in den unterschiedlichen Tagesprogrammen selbst pflegen. Die Anträge, wie Urlaub oder Arbeitszeitkorrekturen, werden dem jeweiligen Vorgesetzten elektronisch gemeldet. Er bestätigt die geänderten Zeiten per Mausklick. Dabei ist aber nach Ansicht des IM zu berücksichtigen, dass auch die Datenpflege und die Bearbeitung von Tagesmodellen bei einem Systemadministrator zusammengeführt werden sollten, da es sich um eine Datenbank handelt, deren Bedienung Spezialwissen erfordert.

7.4 Zugangskontrollen

Die Kombination der elektronischen Zeiterfassung mit Zugangskontrollen für die Dienstgebäude hat den Vorteil, dass die Schlüsselverwaltung auf einen Bruchteil minimiert werden kann. So werden z. B. Zugangskarten bei Verlust einfach gesperrt. Beim Verlust von Schlüsseln müssen dagegen die Schließanlagen meist vollständig ausgetauscht werden.

7.5 Lageorientierter Personaleinsatz

Der schnelle Datentransfer vermittelt Vorgesetzten und Führungspersonen jederzeit einen aktuellen Überblick über das anwesende Personal und erleichtert durch die verfügbaren Stärkeübersichten den lageorientierten Personaleinsatz.

7.6 Weiche Faktoren

Auch die Vorteile der elektronischen Zeiterfassung, die nicht pekuniär darstellbar sind, dürfen nicht vernachlässigt werden. Sie tragen dazu bei, die Akzeptanz für die angestrebte landesweite Einführung der Zeiterfassung bei der Landespolizei zu steigern.

Bei den Dienststellen, die Zeiterfassungsgeräte eingeführt haben, schätzt die Mehrzahl der Bediensteten die Vereinfachung der Verfahrensabläufe und die damit verbundene Genauigkeit der Arbeitszeitnachweise. Insbesondere die Gleichbehandlung der Bediensteten wird als gerecht empfunden und führt zur Akzeptanz des Verfahrens. Die Bediensteten wissen, dass z. B. bei früherem Dienstbeginn die erfasste Zeit automatisch dem Zeitkonto zugeschrieben wird. Auch schätzen sie die flexiblere Handhabung der Arbeitszeiten. Die Korrektur- und Genehmigungsverfahren gestalten sich einfacher und sind weniger zeitraubend. Weitere Vorteile für die betrieblichen Abläufe und individuell für die Bediensteten sind die ständige Verfügbarkeit der eigenen Kontostände, das papierlose Büro für Anträge und Genehmigungen und die Möglichkeit der spontanen Auswertung aus dem Datenbestand, ohne dass gesonderte Erhebungen stattfinden müssen.

7.7 Jahresarbeitszeitkonto

Mit der elektronischen Zeiterfassung lässt sich ein auf die Bedürfnisse der Polizei zugeschnittenes Jahresarbeitszeitkonto der Bediensteten leichter verwirklichen. Das Jahresarbeitszeitkonto unterscheidet bei der Berechnung von Mehr- oder Minderstunden (Gleitzeit) nicht mehr zwischen Mehrarbeit, Rufbereitschaft und Wechselschichtergänzungsdienst. Mehr- oder Minderstunden können innerhalb des Kalendermonats, in dem sie angefallen sind, ausgeglichen werden. Sollte dies nicht möglich sein, wäre festzulegen, wie viele Stunden in die Folgemonate oder gar ins nächste Jahr übertragen werden können.

8 Schlussbemerkung

In Anbetracht der seit nunmehr 15 Jahren andauernden Bemühungen und der nachgewiesenen Vorteile der elektronischen Zeiterfassung sollten bei der Landespolizei zügig und landesweit Zeiterfassungsgeräte installiert werden.


Anhänge

Einzelplan 04: Ministerium für Kultus, Jugend und Sport

Die Verteilung der vom Bund finanzierten Mittel für Ganztagsschulen war weder problemorientiert noch sachgerecht. Die laufende Finanzierung weiterer Ganztagsschulen ist noch nicht gesichert.


1 Ausgangslage

Bereits in den 70er-Jahren wurden in Baden-Württemberg erste Ganztagsschulen genehmigt. Weitere kamen kontinuierlich dazu, wobei sich die bildungspolitische, nicht jedoch die rechtliche Grundlage für Ganztagsschulen im Laufe der Zeit änderte.

Der RH befragte alle 174 genehmigten Ganztagsschulen zu ihrer Konzeption, Stand September 2003. Das Untersuchungsergebnis, basierend auf den Antworten von 170 Ganztagsschulen, beschreibt deren gegenwärtige Situation, nennt die Kosten hierfür und stellt das Investitionsprogramm des Bundes mit seinen Wirkungen dar.

Im Zusammenhang mit dem „Investitionsprogramm des Bundes Zukunft, Bildung und Betreuung“ 2003 bis 2007 (IZBB) haben sich die Länder mit dem Bund auf Mindestkriterien für Ganztagsschulen geeinigt. 2004 übernimmt die Kultusministerkonferenz diese für ihre Definition der Ganztagsschule.

Unterscheidungs- und Klassifikationskriterien für Ganztagsschulen sind der Inhalt und die Organisationsform der zusätzlichen Angebote.

Ein ausreichendes Ganztagsschulangebot liegt vor, wenn an allen Tagen des Ganztagsbetriebs ein Mittagessen bereitgestellt wird und alle über den Pflichtunterricht hinausgehenden Angebote unter Aufsicht und Verantwortung der Schulleitung stehen. Diese Angebote sollen außerdem in einem konzeptionellen Zusammenhang mit dem vormittäglichen Unterricht stehen und müssen an wenigstens drei Tagen mindestens sieben Zeitstunden umfassen.

Organisatorisch wird zwischen „voll gebundener“, „teilweise gebundener“ und „offener“ Form differenziert.

  • In voll gebundener Form ist eine Ganztagsschule organisiert, wenn die Teilnahme am ganztägigen Angebot für alle Schülerinnen und Schüler obligatorisch ist.

 

  • Wird die verbindliche Anwesenheit auf bestimmte Klassen oder Jahrgangsstufen beschränkt, handelt es sich um die teilweise gebundene Form.

 

  • Eine offene Organisationsform ist schließlich gegeben, wenn Schüler an den zusätzlichen, über den regulären Unterricht hinausgehenden Veranstaltungen fakultativ teilnehmen können.

2 Genehmigte Ganztagsschulen in Baden-Württemberg

Den genehmigten Ganztagsschulen in Baden-Württemberg liegt eine engere Definition als die der Kultusministerkonferenz und die des Bundes im IZBB-Programm zugrunde: Ganztagsschulen in Baden-Württemberg müssen nach gegenwärtigem Stand an wenigstens vier Tagen ein ganztägiges Angebot von mindestens acht Zeitstunden (entspricht zehn Unterrichtsstunden) bereitstellen. Überwiegend handelt es sich hierbei um Hauptschulen mit besonderer pädagogischer und sozialer Aufgabenstellung (Brennpunktschulen).

Das KM trennt bei den Ganztagsschulkonzeptionen zwischen „Altversuch“, „Übergangskonzeption“ und „Neue Konzeption“. Unabhängig von der Konzeption werden Ganztagsschulen in Baden-Württemberg immer als Schulversuche genehmigt.

Während des Altversuches konnten noch Schulen aller Schularten einen Ganztagsbetrieb einrichten. Seit der Übergangskonzeption ist dies grundsätzlich nur noch Hauptschulen mit besonderer pädagogischer und sozialer Aufgabenstellung möglich.

Neben der Konzentration auf einen bestimmten Schultyp änderte sich die Finanzierung des zusätzlichen Ganztagsangebots. Bei den Altversuchen wird das gesamte Zusatzangebot der Schule auf Kosten des Landes von Lehrkräften betreut. Die Übergangskonzeption hat hingegen den zusätzlichen Ressourcenverbrauch des Landes auf fünf Lehrerwochenstunden (LWS) je Ganztagsklasse und inhaltlich auf Hausaufgabenbetreuung sowie verstärktes erweitertes Bildungsangebot begrenzt. Außerdem werden für die Betreuung während der Mittagsfreizeit vom Land je Ganztagsschule noch weitere zwölf LWS bereitgestellt, deren Finanzierung allerdings der kommunale Schulträger dem Land erstatten muss.

Die Finanzierung von LWS durch den kommunalen Schulträger wurde mit der so genannten Neuen Konzeption im Jahre 1994 aufgegeben. Ganztagsschulen erhalten seither auf Kosten des Landes bis zu sieben LWS je eingerichteter Ganztagsklasse für zusätzliche Angebote, wie z. B. Stütz- und Fördermaßnahmen, Hausaufgabenbetreuung, Projekte, erweiterte Bildungsangebote, Arbeitsgemeinschaften und Angebote zur Persönlichkeitsentwicklung einschließlich Integrationsförderung. Freizeitpädagogische Angebote sowie die Betreuung muss der Schulträger auf seine Kosten finanzieren und mit seinem Personal sicherstellen.

Von den 174 genehmigten Ganztagsschulen sind 22 als Altversuch, 14 als Übergangskonzeption und 138 nach der Neuen Konzeption genehmigt. In gebundener Form organisiert sind 31,2 %, in teilweise gebundener 24,7 % und in offener Form 44,1 % der Ganztagsschulen.

Außer den genehmigten Ganztagsschulen gibt es im Land weitere öffentliche und private Schulen verschiedener Schularten, die nachmittags Veranstaltungen anbieten. Diese Schulen erhalten hierfür keine zusätzlichen LWS. Die Angebote werden daher hauptsächlich vom Schulträger oder den Eltern finanziert. Legt man die Definition der Kultusministerkonferenz zugrunde, so gibt es im Schuljahr 2004/2005 laut KM insgesamt 504 Ganztagsschulen.

Im Weiteren geht es um die vom RH untersuchten 170 genehmigten Ganztagsschulen.

2.1 Angebotsstruktur

Jeder Schüler ist einer Jahrgangsstufe zugeordnet. Die Jahrgangsstufen sind das wesentliche Organisationselement von Schulen. Der Ganztagsbetrieb wird, wenn er nicht für die gesamte Schule verbindlich ist, nur für bestimmte Jahrgangsstufen angeboten. Dieses Angebot ist stufenbezogen entweder freiwillig oder verpflichtend. In Übersicht 1 wird die Häufigkeit der Jahrgangsstufen mit Ganztagsschule-Angebot und Ganztagsschule-Pflicht gegenübergestellt.

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Ein Ganztagsbetrieb wird hauptsächlich für die Jahrgangsstufen fünf bis neun angeboten; Gleiches gilt für die verpflichtende Teilnahme. Allerdings erstreckt sich diese nur auf etwa die Hälfte der an den Ganztagsschulen vorhandenen Jahrgangsstufen.

Ein weiteres Strukturmerkmal ist die Anzahl der Wochentage, an denen der Ganztagsbetrieb stattfindet. Die Verteilung, bezogen auf die Jahrgangsstufen, zeigt Übersicht 2.

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2.2 Beweggründe für die Einrichtung einer Ganztagsschule

Die Schulleitungen wurden nach den Motiven für die Einrichtung als Ganztagsschule befragt. Das Ergebnis ist getrennt nach Altversuch/Übergangskonzeption und Neue Konzeption in Übersicht 3 dargestellt.

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Bei den Ganztagsschulen der Typen Altversuch und Übergangskonzeption stehen die bessere Förderung der Schüler sowie die Umsetzung bestimmter pädagogischer Konzepte im Vordergrund. Von geringerer Bedeutung sind die Verbesserung des Sozialverhaltens der Schüler und ein hoher Ausländer- oder Aussiedleranteil. Bei Schulen nach Neuer Konzeption sind mit deutlichem Abstand die bessere Förderung und das Sozialverhalten der Schüler die entscheidenden Motive; auch die Kriterien hoher Ausländer- oder Aussiedleranteil und Umsetzung bestimmter pädagogischer Konzepte erhalten mehr als 75 % der Nennungen.

2.3 Ziele der Ganztagsschulen - Bedeutung und Zielerreichung

Unverzichtbares Element der pädagogischen Konzeption einer Ganztagsschule sind deren Ziele. Der RH hat wesentliche Ziele aus der Diskussion um die Ganztagsschulen zusammengestellt und die Schulleitungen gebeten, deren Bedeutung für ihre Einrichtung zu bewerten sowie den Zielerreichungsgrad anzugeben. Die Bedeutung eines Zieles konnte mit der Wertung „sehr wichtig“, „wichtig“ oder „weniger wichtig“ versehen werden. Der Zielerreichungsgrad war mit „erreicht“, „teilweise erreicht“ oder „noch nicht erreicht“ zu bewerten. Die Ergebnisse der Antworten sind gemäß ihren prozentualen Anteilen in Übersicht 4 dargestellt.

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Zwischen den verschiedenen Konzeptionen der Ganztagsschulen gibt es keine signifikanten Unterschiede bei der Zielgewichtung. Bei der Bewertung der Zielerreichung sind allerdings insoweit Unterschiede auszumachen, als bei den Altversuchen und bei der Übergangskonzeption die verlässliche Schülerbetreuung als erreicht bewertet wird, hingegen bei der Neukonzeption noch deutliche Defizite in der Begabtenförderung und der Elternbeteiligung gesehen werden.

2.4 Wirkung des Ganztagsbetriebs

Es wird allgemein davon ausgegangen, dass der schulische Ganztagsbetrieb spezifische Wirkungen auf Schüler, Lehrer und Eltern entfaltet. Die dem KM regelmäßig vorgelegten Erfahrungsberichte der genehmigten Ganztagsschulen enthalten allerdings keine systematische Evaluierung anhand von Zielkatalogen der verschiedenen Ganztagsschulkonzepte.

Der RH konnte und wollte mit seinen Erhebungen die Leistungsfähigkeit der verschiedenen Formen der Ganztagsschulen nicht feststellen. Allerdings hat er Wirkungen von Ganztagsschulen durch die Schulleitungen subjektiv einschätzen lassen und hierdurch einen ersten Eindruck erhalten. Die Schulleitungen wurden gebeten, die Situation ihrer Schule anhand der in einem Auswahlkatalog vorgegebenen Aussagen einzuschätzen. Sie konnten mit einer Skalierung von 1 (stimmt) bis 6 (stimmt nicht) angeben, inwieweit die Aussage als zutreffend eingeschätzt wird. In der Übersicht 5 sind die Ergebnisse im arithmetischen Mittel, getrennt nach den Konzeptionen der Ganztagsschulen, aufgezeigt.

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Die Bewertung der Aussagen führt zu einer identischen Rangfolge der Wirkungsbeschreibungen für alle Konzeptionen. Jedoch fallen die Wertungen der Schulleitungen von Ganztagsschulen mit der Neuen Konzeption für jede Aussage deutlich schwächer aus.

Mit den besten Noten wurden die Aussagen über die Wirkung auf die Lehrkräfte bewertet. Im Mittelfeld finden sich die Werte mit Bezug auf die Schüler. Das Engagement der Eltern für die Schule sowie für die schulischen Belange ihrer Kinder wird unabhängig von der Ganztagsschulkonzeption äußerst kritisch gesehen.

Außerdem wurde gefragt, ob die praktizierte Form den aktuellen schulischen Herausforderungen gerecht wird. Die Schulleitungen der Ganztagsschulen in gebundener Form benoten mit 2,1 ihre praktizierte Form besser als die der beiden anderen Formen, welche die Note 2,5 vergeben.

Die Schulleitungen schätzen die Ressourcensituation ihrer Schule, unabhängig von der jeweiligen Konzeption, insgesamt nur als befriedigend ein. Am schlechtesten beurteilen sie die sächliche Ressourcensituation sowie den Umfang des bereitgestellten sonstigen Personals. Für beide Bereiche ist der Schulträger verantwortlich. Die einzelnen Werte sind der Übersicht 6 zu entnehmen.

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3 Kosten der Ganztagsschulen

Die Kosten der Ganztagsschule werden durch den Inhalt, den Umfang und die Qualität des Ganztagsangebots sowie den erforderlichen Sachaufwand bestimmt. Kostenfaktoren sind somit die Personalkosten für das Ganztagsangebot und die Sachkosten für Räume, Verpflegung und zusätzlichen Koordinations- und Leitungsaufwand.

3.1 Personalkostenstruktur

In Baden-Württemberg haben die genehmigten Ganztagsschulen an mindestens vier Tagen ein Angebot von wenigstens acht Zeitstunden bereitzustellen; dies entspricht etwa zehn Unterrichtsstunden bzw. LWS.

An einer Hauptschule sind laut Stundentafel durchschnittlich sechs Unterrichtsstunden je Tag und Klasse zu erteilen. Jede genehmigte Ganztagsschule erhält vom Land bis zu sieben LWS je Ganztagsklasse und ergänzt somit das Angebot um knapp zwei Unterrichtsstunden je Tag. Um die geforderte Öffnungszeit von zehn Unterrichtsstunden an vier Tagen zu realisieren, muss der Schulträger täglich mindestens zwei weitere Stunden auf seine Kosten beisteuern.

3.2 Personalkosten

Die 170 untersuchten Ganztagsschulen erhielten im Schuljahr 2003/2004 für den Ganztagsbetrieb insgesamt 12.883 LWS im Wert von 31 Mio. € (Berechnungsbasis: Beamte der Besoldungsgruppe A 12); in Vollzeitlehreräquivalente umgerechnet sind dies 477 Stellen.

Weiter stellten die Schulträger - nach der Erhebung des RH - umgerechnet insgesamt rd. 7.300 Unterrichtswochenstunden auf ihre Kosten zur Verfügung. Mit einem Anteil von 70 % werden diese Stunden vor allem durch Sozialarbeiter und Erzieher geleistet. Hierdurch entstanden den Schulträgern im Schuljahr 2003/2004 insgesamt Personalkosten für 142 Stellen mit einem geschätzten Wert von 7,8 Mio. € (Berechnungsbasis: Vergütung nach BAT Vb/IVb).

3.3 Schulgebäudekosten

Der Ganztagsschulbetrieb bedingt wegen seiner Freizeit- und Betreuungsangebote sowie der Bereitstellung eines Mittagstisches eine über die Halbtagsschule hinausgehende bauliche Infrastruktur. So können z. B. je nach Konzept der Ganztagsschule zusätzliche Aufenthalts-, Arbeits- und Freizeiträume wie auch Küchen und Mensen erforderlich sein. Allgemein verbindliche Richtlinien über den notwendigen Umfang und die Qualität solcher Infrastrukturmaßnahmen bestehen nicht. Der zusätzliche Raumbedarf wurde bisher von den Schulträgern finanziert. In besonderen, vom KM festgelegten Fällen hat sich das Land daran im Rahmen der Schulbauförderungsrichtlinien in der Regel mit einem Drittel der Kosten beteiligt.

Von den befragten Schulen gaben 102 an, dass für den Ganztagsbetrieb Baumaßnahmen vorgenommen wurden. Hiervon bezifferten 75 Schulen deren Gesamtwert auf 27,3 Mio. €, durchschnittlich 363.300 € je Schule. Hochgerechnet auf alle 102 Schulen mit Baumaßnahmen beläuft sich das Investitionsvolumen auf 37,1 Mio. €.

Für den Ganztagsbetrieb fallen zusätzlich erhebliche Bewirtschaftungskosten an. Da in den meisten Fällen der Schulträger die notwendigen Ausgaben direkt bezahlt, konnte praktisch keine der befragten Schulen hierzu qualifizierte Daten angeben.

106 Schulen haben weitere Baumaßnahmen geplant; davon bezifferten 84 Schulen die Kosten auf 55,8 Mio. €; das bedeutet im Durchschnitt 665.000 € je Schule. Wird der Durchschnittsbetrag auf die 106 Schulen hochgerechnet, ist mit Baumaßnahmen in einer Größenordnung von 70,5 Mio. € zu rechnen.

3.4 Sonstige Sachkosten

Für die Unterrichts- und Betreuungsangebote des Ganztagsbetriebs werden auch zusätzliche Lehr- und Lernmittel sowie Unterrichtsmaterialien benötigt. Die Kosten hierfür wurden von den Schulen durchschnittlich mit 5.600 € angegeben; je Schüler sind dies 34,95 €. Auf die untersuchten Ganztagsschulen hochgerechnet sind 1.245.000 € erforderlich.

3.5 Kostenübersicht

Die Übersicht 7 zeigt die gegenüber einer Halbtagsschule zusätzlichen jährlichen Kosten der genehmigten Ganztagsschulen auf der Basis der Werte des Schuljahres 2003/2004.

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3.6 Gegenwärtige Personalkosten der Formen des Ganztagsbetriebs

Von den untersuchten Schulen haben 170 Schulen ihren Personalaufwand angegeben. 53 dieser Schulen werden in gebundener Form, 42 in teilweise gebundener Form und 75 in offener Form geführt. Die einzelnen Formen verursachen einen unterschiedlich hohen Personalaufwand. In Übersicht 8 sind die Gesamtpersonalkosten und in Übersicht 9 die Personalkosten je Schule dargestellt.

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Grundlage der Kostenberechnung in Übersicht 8 sind die an die Schule gegebenen zusätzlichen LWS sowie die Kosten einer Lehrkraft in Besoldungsgruppe A 12 gemäß Planausschreiben des FM für das Hj. 2004. Einbezogen wurden die Dienstbezüge, die Beihilfe, die Versorgung sowie die Personalnebenkosten. Daraus ergibt sich ein Jahresbetrag von 65.020 €. Eine LWS ist demnach bei einem Vollzeitdeputat von 28 Stunden mit Kosten von jährlich 2.322,14 € anzusetzen.

Die Personalkosten des Schulträgers ergeben sich aus dem Einsatz der Honorarkräfte, der Sozialarbeiter, der Erzieher und der sonstigen Mitarbeiter sowie der Eltern. Insgesamt entstand ein Personalaufwand im Umfang von 141,7 Vollzeitäquivalenten. Berechnet wurden die Personalkosten auf der Grundlage der Entgelte eines Angestellten in Vergütungsgruppe BAT Vb bzw. IVb (gebündelte Stellen) einschließlich der Personalnebenkosten. Jährlich ergibt dies einen Betrag von 54.936 € je Vollzeitäquivalent.

Die durchschnittlichen Personalkosten der Betriebsformen je Schule zeigt Übersicht 9.

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Werden die vorstehenden Werte ins Verhältnis zur offenen Form (Wert = 1,00) der Ganztagsschule gesetzt, ergeben sich die Relationen aus Übersicht 10.

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Die Form der Ganztagsschule hat auf die zusätzlichen Personalkosten des Schulträgers keine signifikante Auswirkung. Das Land hingegen muss für die teilweise gebundene Form 20 % und für die gebundene Form nahezu 100 % mehr aufwenden als für die offene Form.

4 Finanzierung der genehmigten Ganztagsschulen

4.1 Gegenwärtige Finanzierungsstruktur

Die Kosten der genehmigten Ganztagsschulen werden vom Land, den Schulträgern und zu einem geringen Teil und nur vereinzelt von den Eltern getragen. Abhängig von der jeweiligen Genehmigungskonzeption trägt das Land die Personalkosten für die zusätzlichen LWS allein oder lässt sich einen Teil vom Schulträger erstatten. Die Finanzierung der baulichen wie sächlichen Infrastruktur obliegt dagegen dem Schulträger, der hierfür einen Zuschuss vom Land und neuerdings Investitionsmittel vom Bund erhalten kann. Außerdem ist der Schulträger für die Finanzierung der Freizeitbetreuung bzw. der freizeitpädagogischen Angebote zuständig. Das Land gab bisher hierzu auf Antrag einen Zuschuss zu den Personalkosten für die Schulsozialarbeit. Schließlich wird an sieben Schulen vom Schulträger ein Beitrag von den Eltern für die Teilnahme am Ganztagsbetrieb erhoben. Der Monatsbeitrag liegt zwischen 38,25 € und 127,82 €.

Die Genehmigung des Ganztagsbetriebs an einer Schule setzt u. a. voraus, dass der Schulträger für die notwendige bauliche Infrastruktur sorgt und sich zur Übernahme der Kosten für die vorgesehenen Betreuungskräfte sowie der zusätzlichen Sachkosten verpflichtet.

4.2 Weitere Finanzierungskomponenten

Das Land förderte die Jugendsozialarbeit an Schulen durch einen Personalkostenzuschuss. Hier konnten auch Ganztagsschulen für die Dauer von höchstens drei Schuljahren Mittel von bis zu 7.500 € jährlich erhalten. Das Land stellt diese Förderung ab dem Schuljahr 2005/2006 ein.

Die kommunalen Betreuungsangebote an Ganztagshauptschulen werden vom Land je Schuljahr mit einem Betrag von 295 € je betreuter Wochenzeitstunde bezuschusst.

Schließlich stehen den Schulen begrenzt Mittel nach dem Lehrbeauftragtenprogramm zur Verfügung. Hierdurch sollen Erfahrungen und Kompetenzen, die außerhalb der Schule vorhanden sind, von entsprechend qualifizierten Personen für die schulische Erziehung nutzbar gemacht werden. Lehraufträge kommen insbesondere für freiwillige Unterrichtsangebote in Betracht.

Mehr als 40 % der Schulen erhalten jährlich Spenden von insgesamt 97.300 €. Spender sind vor allem der jeweilige Förderverein der Schule und gemeinnützige Einrichtungen. Direkte Elternspenden sind mit einem Anteil von 3,3 % sehr gering.

5 Investitionsprogramm des Bundes

5.1 Zweck und Inhalt

Der Bund unterstützt die Schaffung von Infrastrukturen im Ganztagsschulbereich und will Anstöße geben für ein bedarfsorientiertes Angebot. Seit Anfang 2003 stehen dem Land Baden-Württemberg gemäß einer Verwaltungsvereinbarung mit dem Bund zum IZBB insgesamt 528,3 Mio. € für den Aufbau neuer und die Weiterentwicklung bestehender Ganztagsschulen zur Verfügung. Gefördert werden Bau- und Renovierungsinvestitionen an Grundschulen und weiterführenden Schulen der Sekundarstufe I.

Der Zuschuss beträgt 90 % der festgestellten erforderlichen Investitionen von mindestens 5.000 €. Die verbleibenden 10 % sind vom Schulträger zu erbringen.

5.2 Bewilligungsverfahren in Baden-Württemberg

Das Investitionsprogramm des Bundes wird von den Ländern durchgeführt. Förderanträge sind daher an die Landesbehörden zu richten. Diesen obliegt es auch, die Vorhaben auszuwählen sowie das Verfahren zu regeln und durchzuführen.

Das Land hat im Mai 2003 die Voraussetzungen einer Zuwendungsgewährung sowie das Antrags- und Bewilligungsverfahren geregelt: Die Bewilligungsbehörden (seit 01.01.2005 die Regierungspräsidien) entscheiden über die Anträge in der Reihenfolge ihres Eingangs und erteilen den Bewilligungsbescheid. Hierbei ist lediglich zu prüfen, ob die geltend gemachte Investition im Sinne der Regelung erforderlich ist und ob die übrigen Voraussetzungen des Investitionsprogramms erfüllt sind.

5.3 Bewilligungsergebnisse in Baden-Württemberg

Im Schuljahr 2003/2004 gab es in Baden-Württemberg 3.833 öffentliche und 292 private Schulen. Bis zum 30.06.2004 wurden von den Regierungspräsidien insgesamt 392 Anträge von öffentlichen und privaten Schulen mit einem Finanzvolumen von 359,7 Mio. € bewilligt. Davon erhielten

  • Schulträger von bereits genehmigten Ganztagsschulen rd. 18 % der Fördersumme (64,7 Mio. €),
  • Träger von Privatschulen rd. 23 % (82,7 Mio. €) und
  • sonstige öffentliche Schulträger rd. 59 % (212,2 Mio. €).

Damit sollen in Baden-Württemberg mehr als 69.000 neue Ganztagsschulplätze geschaffen werden.

Von den IZBB-Mitteln waren am 30.06.2004 bereits 68 % gebunden. Im Untersuchungsbereich der Prüfung, also von öffentlichen allgemein bildenden Schulen ohne Sonder- und Privatschulen, gab es dazu 303 Anträge mit einem Bewilligungsvolumen von 255,3 Mio. €. Die Verteilung dieser Mittel, bezogen auf die Anzahl der antragstellenden Schulen und das Finanzvolumen, ist in Übersicht 11 dargestellt.

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Übersicht 11 zeigt, dass die Schulen im Bezirk Tübingen deutlich überproportional IZBB-Mittel erhalten haben. Dies führt zu einer Ungleichverteilung des künftigen Ganztagsschulangebots im Land. Dieses Ergebnis wäre nur dann sachgerecht, wenn sich der gesellschaftliche Bedarf an weiteren Ganztagsangeboten auf den Regierungsbezirk Tübingen konzentrieren würde. Davon ist in Anbetracht der annähernd gleichen Lebensverhältnisse in allen Regierungsbezirken des Landes nicht auszugehen.

Nach dem 30.06.2004 haben weitere 505 öffentliche wie private Schulen einen Antrag auf IZBB-Mittel gestellt. In Anbetracht des begrenzten Fördervolumens werden - abgesehen von Sonderschulen und Privatschulen - voraussichtlich nur noch 136 öffentliche Schule Fördermittel erhalten können. Werden deren laufende Anträge zusätzlich zu den bis zum 30.06.2004 bewilligten in die Betrachtung mit einbezogen, so ergibt sich die in Übersicht 12 aufgezeigte Verteilung der Mittel auf die Regierungsbezirke.

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Die deutliche überproportionale Verteilung der Fördermittel zugunsten des Bezirks Tübingen bleibt auch unter Berücksichtigung der noch nicht bewilligten Anträge bestehen.

Eine im Landesinteresse effektivere Verteilung der Bundesmittel wäre möglich gewesen, wenn das KM nach einer Analyse des konkreten Bedarfs bestimmte Verteilungsquoten für die einzelnen Regierungsbezirke festgelegt hätte. Zudem wäre bei begrenzten Mitteln ein Auswahlwettbewerb nach Bedarf und nach Qualität des jeweiligen Konzepts der Ganztagsschulen denkbar. Die Chance einer gezielten Steuerung der Mittelverteilung im Interesse des Landes hat das KM bisher nicht genutzt. Hierbei ist unbeachtlich, dass es sich nicht um Landesmittel, sondern um Bundesmittel handelt.

5.4 Risiken für den Landeshaushalt

5.4.1 Landeshaushalt und genehmigte Ganztagsschulen

Gegenwärtig wird das über die Stundentafel hinausgehende Angebot an den genehmigten Ganztagsschulen vom Land und vom Schulträger finanziert. Dieser kommt vor allem für die Betreuung und die freizeitpädagogischen Veranstaltungen auf; das Land stellt für das zusätzliche schulische Angebot bis zu sieben LWS je Ganztagsklasse zur Verfügung. Die genehmigten Ganztagsschulen benötigen hierfür jährlich etwa 31 Mio. €. Dieser Betrag wird sich mit weiteren Einrichtungsgenehmigungen entsprechend erhöhen.

Allerdings erhalten nach der zurzeit praktizierten Neuen Konzeption vor allem Hauptschulen mit besonderen pädagogischen Herausforderungen eine Genehmigung. Nach Aussage des KM sollen etwa 200 dieser Schulen als Ganztagsschulen eingerichtet werden. Da hiervon bereits 174 bestehen, ist nur noch mit wenigen weiteren Genehmigungen zu rechnen. Jedoch können die bestehenden Schulen ihr Angebot an Ganztagsklassen erweitern und erhalten somit einen Anspruch auf zusätzliche LWS.

5.4.2 Landeshaushalt und Investitionsprogramm des Bundes

Die Begrenzung auf Brennpunkt-Hauptschulen findet sich nicht in der Bekanntmachung des KM vom 21.05.2003 über das Investitionsprogramm des Bundes (IZBB). Das KM fordert nur die Mindestkriterien des Bundes bzw. der Kultusministerkonferenz. Abgesehen von den beruflichen Schulen, werden grundsätzlich alle Schulen, welche ein bestimmtes ganztägiges Angebot vorhalten, als Ganztagsschulen im Sinne dieser Vorschrift angesehen. Das Land verwendet somit in seiner Verwaltungspraxis zwei unterschiedliche Definitionen von Ganztagsschulen.

Bereits 199 Schulen verschiedenster Schularten, die keine Brennpunktschulen sind, haben Mittel aus dem Investitionsprogramm des Bundes für die Einrichtung oder Erweiterung der baulichen und sächlichen Infrastruktur für einen Ganztagsbetrieb beantragt oder erhalten. Diese Schulen beabsichtigen daher die Bereitstellung neuer Ganztagsangebote, die finanziert werden müssen. Mögliche Kostenträger hierfür sind der Schulträger, die Eltern und das Land.

Bis zum 30.06.2004 wurden mit Bundesmitteln die infrastrukturellen Voraussetzungen für einen Ganztagsbetrieb von 1.625 Schulklassen geschaffen. Würde jede dieser Schulklassen hierfür fünf LWS erhalten, müsste das Land zusätzlich 8.125 LWS bzw. 301 Lehrervollzeitstellen im Wert von 19,6 Mio. € finanzieren.

5.5 Finanzierung

Auf der Grundlage der bisherigen Praxis werden bei einer weiteren Ausdehnung der Ganztagsschulen zusätzliche LWS benötigt. Finanziert werden können diese nur durch Einsparungen an anderer Stelle oder durch zusätzliche Einnahmen.

Solche Einnahmen können nur über Entgelte erzielt werden, die von den Eltern entrichtet werden. Geklärt werden muss, ob diese auch zur Finanzierung von LWS herangezogen werden können.

6 Empfehlungen

Die Ergebnisse der Untersuchung zur aktuellen Situation der Ganztagsschulen zeigen in verschiedener Hinsicht Handlungsbedarf auf. Der RH empfiehlt,

  • zu prüfen, wie erfolgreich im Sinne eines konkreten Zielkataloges die verschiedenen Formen der Ganztagsschulen sind (Evaluation);

 

  • zu entscheiden, welche Formen der Ganztagsschule als leistungsfähig eingestuft werden und in welcher Weise diese vom Land gefördert werden sollen;

 

  • sicherzustellen, dass bei künftigen ähnlichen Programmen die Vergabe von Bundesmitteln bzw. von Fördergeldern allgemein nicht nach dem „Windhundprinzip“ gehandhabt, sondern von vorne herein u. a. nach der Dringlichkeit des Bedarfs und nach der Qualität des Konzepts zielgerichtet geplant und gesteuert wird.

7 Stellungnahme des Ministeriums

Das KM vertritt im Wesentlichen eine gegenteilige Auffassung. Es führt insbesondere aus, dass die Ausgestaltung des pädagogischen Konzepts einer Ganztagsschule die konkreten Verhältnisse sowie Bedürfnisse und die strukturellen Voraussetzungen der einzelnen Schule berücksichtigen müsse. Die Evaluation der Schulen des Landes, auch der Ganztagsschulen, sei konzipiert und werde derzeit vorbereitet bzw. eingeführt. Eine für alle Schulen verbindliche Form der Ganztagsschule sei weder problemorientiert noch zielführend. Dies gelte gleichermaßen für Ganztagsschulen nach dem Landeskonzept wie auch für Ganztagsschulen im IZBB.

Das vom RH empfohlene Verfahren der IZBB-Mittelverteilung begründe neben einem unverhältnismäßig hohen und nicht vertretbaren Verwaltungsaufwand ein erhebliches Prozessrisiko. Der Antragssteller habe ein Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung bei der Auswahl der förderfähigen Vorhaben durch die Verwaltung. Das gewählte Verfahren orientiere sich am Bedarf vor Ort und berücksichtige das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen, die auch die Last der Kofinanzierung und der Folgekosten zu tragen hätten. Eine systematische Planung von Ganztagsschulangeboten wäre insbesondere von der kommunalen Seite nicht akzeptiert worden, und die rasche Umsetzung des IZBB innerhalb des vorgegebenen Förderzeitraums wäre auch kaum möglich gewesen. Im Übrigen sei bekannt, dass auch zahlreiche andere Bundesländer ähnlich verfahren würden.

Das Ministerium erklärt schließlich die überproportionale Zuweisung von IZBB-Mittel an Schulen im Regierungsbezirk Tübingen damit, dass größere Baumaßnahmen für Ganztagsangebote an Sonderschulen und Schulzentren eher im ländlichen Bereich durchgeführt werden.

8 Schlussbemerkung

Der RH bleibt bei seiner Auffassung. Insbesondere ist eine Verteilung von Fördermitteln in dieser Größenordnung nach dem „Windhundprinzip“ weder problemorientiert noch sachgerecht.


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Internationale Schulen ergänzen das öffentliche Schulangebot. Sie wurden vom Land im Jahr 2004 entgegen den Regelungen des Privatschulgesetzes in Höhe von 2,4 Mio. € gefördert. Hierbei wurde die finanzielle Leistungsfähigkeit der Schulen nicht berücksichtigt. Der Rechnungshof schlägt vor, eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Förderung der internationalen Schulen zu schaffen oder die Zuwendungen einzustellen.


1 Untersuchungsgegenstand

Der RH hat geprüft, nach welchen Grundsätzen das Land internationale Schulen in freier Trägerschaft, die zu keinem deutschen Schulabschluss führen, fördert. In die Untersuchung einbezogen wurden die Erkenntnisse aus Prüfungen der staatlichen Rechnungsprüfungsämter Stuttgart und Tübingen.

2 Internationale Schulen

2.1 Geförderte internationale Schulen

Das Land wandte in den letzten zehn Jahren zur laufenden Förderung internationaler Schulen insgesamt 15 Mio. € auf.

Im Jahr 2004 förderte das Land solche Schulen mit insgesamt rd. 2,4 Mio. €. Zuschüsse erhielten

  • die International School of Stuttgart e. V. in Höhe von 1.721.000 €,
  • die Toin Gakuen Schule Deutschland Stiftung (japanische Schule in Saulgau) in Höhe von 263.000 € sowie
  • der Ausbildungsgang „Salem International College“ an der Schule Schloss Salem in Höhe von 413.000 €.

Die Unterrichtsprache ist Englisch oder Japanisch. Die International School of Stuttgart und das Salem International College schließen mit dem Schulabschluss International Baccalaureat (IB) ab, die Schulabschlussprüfung an der japanischen Schule kann nur an der Mutterschule in Japan abgelegt werden. Das jährliche Schulgeld beträgt zwischen 7.000 € und 26.000 €, abhängig von der Klassenstufe und davon, ob die Schüler im Internat untergebracht sind.

Die Verhältnisse an den internationalen Schulen weichen erheblich von denen an öffentlichen Schulen ab. So lagen beispielsweise an der International School of Stuttgart e. V im Schuljahr 2003/04 die Lehrer-Schüler-Relation bei 1:9 und die durchschnittliche Klassengröße bei 18 Schülern. An öffentlichen Gymnasien dagegen betrugen die Lehrer-Schüler-Relation lediglich 1:15 und die durchschnittliche Klassengröße 27 Schüler.

Die Förderung der Einrichtungen beruht auf Einzelfallentscheidungen des Ministerrats. Nach den Bewilligungsbescheiden gelten die Bestimmungen für Zuwendungen zur institutionellen Förderung nach der LHO. Die Höhe der Zuschüsse orientiert sich an den Regelungen des Privatschulgesetzes (PSchG) zur Förderung allgemein bildender Gymnasien in freier Trägerschaft.

Die Schule Schloss Salem ist eine anerkannte Ersatzschule in freier Trägerschaft. Sie erhält daher eine staatliche Finanzhilfe nach den Bestimmungen des Privatschulgesetzes. Die Zuschüsse für den Ausbildungsgang „Salem International College“ werden zusätzlich und erstmals seit dem Schuljahr 2002/2003 gewährt.

Ab dem Hj. 2004 wurden die Zuschüsse gegenüber den Beträgen für Schüler an als Ersatzschulen anerkannten Gymnasien auf 90 % und ab dem Hj. 2005 auf 50 % reduziert.

2.2 Nicht geförderte internationale Schulen

Neben den geförderten bestehen zwei weitere internationale Schulen im Land; eine andere befindet sich in der Planung.

  • Heidelberg International School

2004 hat sie die Verleihung der Eigenschaft einer staatlich anerkannten Ergänzungsschule beantragt. Das pädagogische Konzept der Schule entspricht nach Auffassung des Staatlichen Schulamts Heidelberg dem der International School of Stuttgart. Die Schule erhebt im Schuljahr 2004/2005 eine Aufnahmegebühr von 4.920 € und ein jährliches Schulgeld von 8.500 € bis 10.500 €. Sie erhält bisher vom Land keine Fördermittel.

  • Internationale Schule im Raum Ulm/Neu-Ulm

Ab Herbst 2005 soll im Raum Ulm/Neu-Ulm eine internationale Schule ihren Schulbetrieb aufnehmen. Die Unterrichtssprache soll Englisch und der Schulabschluss soll das IB sein. Es ist vorgesehen, ein jährliches Schulgeld von rd. 10.000 € zu erheben. Die Anschubfinanzierung soll durch Spenden international ausgerichteter Unternehmen aus dem Einzugsbereich der Schule sichergestellt werden.

  • Außenstelle der International School of Stuttgart e. V.

In Sindelfingen unterhält die International School of Stuttgart e. V. eine Außenstelle. Die Zahl der hier unterrichteten Schüler darf nach Vorgabe des KM nicht in die Zuschussberechnung des Hauptstandortes einbezogen werden. Derzeit ist offen, ob sich daraus eine weitere selbstständige internationale Schule entwickeln wird.

2.3 Prognose

Mit Blick auf die Internationalisierung der Wirtschaft und auf die stark exportorientierten Unternehmen des Landes ist mit weiteren Schulgründungen zu rechnen. Die Entwicklung der letzten Jahre bestätigt dies. Das KM geht in seiner Vorlage für den Ministerratsbeschluss vom 23.10.2001 zur Förderung der Schule Schloss Salem ebenfalls von dieser Überlegung aus.

2.4 Rechtslage

Das Angebot an öffentlichen Schulen wird im Land durch zahlreiche Schulen in freier Trägerschaft ergänzt. Entspricht eine solche Schule in ihrer inneren wie äußeren Gestaltung einer öffentlichen Schule, kann sie als Ersatzschule anerkannt werden. Dasselbe gilt für Schulen, die gegenüber vergleichbaren öffentlichen Schulen als gleichwertig betrachtet werden. Alle anderen Schulen in freier Trägerschaft sind Ergänzungsschulen.

Genehmigte Ersatzschulen haben einen Anspruch auf staatliche Finanzhilfe, wenn sie einer in § 17 Abs. 1 PSchG genannten Schulart zugerechnet werden können. Außerdem können bestimmte berufliche Ergänzungsschulen nach Maßgabe des StHPl. einen Zuschuss erhalten. Für allgemein bildende Ergänzungsschulen ist keine staatliche Finanzhilfe vorgesehen.

Die staatliche Finanzhilfe für die Schulen in freier Trägerschaft ist detailliert in § 17 PSchG geregelt. Die dort normierten Bestimmungen regeln die Förderung sowohl der Ersatz- als auch der Ergänzungsschulen und beschränken diese auf ganz bestimmte Schularten bzw. Schultypen. Es ist daher davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit § 17 PSchG eine abschließende Regelung für finanzielle Zuschüsse an Schulen in freier Trägerschaft getroffen hat. Diese Regelung sieht keine Finanzhilfe für allgemein bildende Ergänzungsschulen vor; sie enthält auch keine allgemeine Ermächtigung für Zuschüsse an Schulen in freier Trägerschaft. Allgemein bildenden Ergänzungsschulen darf folglich keine Zuwendung nach allgemeinem Haushaltsrecht gewährt werden, die sich am Regelungsinhalt des Privatschulgesetzes orientiert.

Abgesehen vom Vorrang des Privatschulgesetzes dürfen Zuwendungen nach § 44 Abs. 1 LHO nur unter den Voraussetzungen des § 23 LHO gewährt werden. Wesentliche Tatbestandsmerkmale des § 23 LHO sind das erhebliche Interesse an dem geförderten Zweck und die Bedingung, dass dieser Zweck nicht oder nicht im notwendigen Umfang ohne die Zuwendung befriedigt werden kann.

3 Bewertung und Empfehlung

Grundlage für die Förderung der internationalen Schulen sind Ministerratsbeschlüsse, der Haushaltsansatz bei Kap. 0435 Tit. 684 14 im StHPl. und § 44 LHO. Die betreffenden Ergänzungsschulen erhielten bisher eine Zuwendung entsprechend den Kopfsätzen für allgemein bildende Gymnasien in freier Trägerschaft (Ersatzschulen) ebenso wie der internationale Zweig der betreffenden Ersatzschule. Eine Prüfung, ob die internationalen Ergänzungsschulen auch ohne Zuwendung ihren Betrieb aufrechterhalten könnten, wurde und wird nicht durchgeführt. Da § 17 PSchG, der die Förderung nicht zulässt, insoweit abschließend ist, kann das Staatshaushaltsgesetz alleine keine Grundlage für die Förderung von Privatschulen bilden. Deshalb ist diese Förderung nach geltendem Recht nicht zulässig.

Es ist daher geboten, eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Förderung der internationalen Schulen zu schaffen oder die Zuwendungen einzustellen.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das KM teilt mit, dass es der Rechtsauffassung des RH hinsichtlich des § 17 PSchG nicht folgen könne. Im Falle der in Frage stehenden Schulen erfolge eine Förderung nicht im Sinne einer Förderung von Ergänzungsschulen, sondern unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftsförderung. Rechtsgrundlage sei daher nicht das Privatschulgesetz, sondern §§ 23 und 44 LHO. Nach § 23 LHO dürfen Zuwendungen nur veranschlagt werden, wenn das Land an der Erfüllung ein erhebliches Interesse hat, das ohne die Zuwendung nicht oder nicht im notwendigen Umfang befriedigt werden kann.

Am Fortbestand der internationalen Schulen bestehe im Hinblick auf eine Sicherung bzw. Stärkung des Wirtschaftsstandorts Baden-Württemberg weiterhin ein besonderes Landesinteresse. Zur Verwirklichung dieses Interesses sei es erforderlich, diesen Schulen mit der Förderung einen notwendigen Anreiz für deren Betrieb im Land zu geben. Würde die Bezuschussung eingestellt werden, müssten die Schulen ein wesentlich höheres Schulgeld erheben. Inwieweit die internationalen Schulen ihren Betrieb dann in Baden-Württemberg noch aufrechterhalten könnten und würden, könne nicht abschließend beurteilt werden. In diesem Spannungsfeld zwischen dem gegebenen Landesinteresse einerseits sowie dem Zwang zu verstärkten Einsparungen anderseits, seien bereits Zuschusskürzungen vorgenommen worden.

Das KM werde auch weiterhin das Vorliegen der Fördervoraussetzungen dem Grund und der Höhe nach einer Prüfung unterziehen.

5 Schlussbemerkung

Der RH bleibt bei seiner Rechtsauffassung. Nach seiner Beurteilung handelt es sich nicht um Wirtschaftsförderung, wenn Schulen Landesmittel für den dauerhaften Schulbetrieb erhalten. Die Zuschüsse an internationale Schulen dienen hauptsächlich dem Schulbetrieb. Daher beurteilt sich die staatliche Finanzhilfe allein nach den Bestimmungen des Privatschulgesetzes.

Der RH empfiehlt, eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Förderung der internationalen Schulen zu schaffen oder die Zuwendungen einzustellen.


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Einzelplan 05: Justizministerium

Bei der Gesundheitsfürsorge für die Gefangenen im Justizvollzug besteht ein jährliches Einsparpotenzial von rd. 3 Mio. €. Vor der Entscheidung über einen Neubau für das Justizvollzugskrankenhaus sollten Kooperationen mit öffentlichen Krankenhäusern intensiver geprüft werden.


1 Ausgangslage

Gefangene haben nach dem Strafvollzugsgesetz Anspruch auf Krankenbehandlung. Für die Art und den Umfang der Leistungen zur Krankenbehandlung gelten nach § 61 Strafvollzugsgesetz die entsprechenden Vorschriften des Sozialgesetzbuchs V (SGB V) - Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) - und die aufgrund dieser Vorschriften getroffenen Regelungen.

Die rd. 8.500 Gefangenen im baden-württembergischen Justizvollzug werden primär im Justizvollzugskrankenhaus Hohenasperg und in den Krankenabteilungen der 18 Justizvollzugsanstalten (JVA) medizinisch versorgt. In Notfällen und bei Spezialindikationen werden Gefangene auch in öffentlichen Krankenhäusern behandelt. Für die medizinische Versorgung der Gefangenen sind landesweit etwa 260 Bedienstete eingesetzt. Der Gesamtaufwand für die Gesundheitsfürsorge der Gefangenen betrug im Jahr 2003 rd. 21 Mio. €.

Für das Justizvollzugskrankenhaus soll ein Neubau am Standort Stuttgart-Stammheim mit einem Kostenaufwand von 53 Mio. € errichtet werden. Diese Planungen und die allgemeine Kostenentwicklung im Gesundheitswesen waren für den RH Anlass, diesen Bereich gemeinsam mit dem StRPA Tübingen in einer Querschnittsprüfung zu untersuchen.

2 Justizvollzugskrankenhaus Hohenasperg

2.1 Struktur

Das Justizvollzugskrankenhaus Hohenasperg gliedert sich in drei Krankenabteilungen (s. Übersicht 1).

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Weiter ist beim Justizvollzugskrankenhaus eine Schule für Krankenpflege und Krankenpflegehilfe (Krankenpflegeschule) eingerichtet.

2.2 Suchtstation

In der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Neurologie wird eine Station für Suchtbehandlung betrieben. Diese - bundesweit in dieser Form einmalige - Station verfügt über 18 Behandlungsplätze. In der Suchtstation sind unmittelbar acht Bedienstete beschäftigt, für die jährliche Kosten von 0,6 Mio. € anfallen.

Die Therapiedauer in der Suchtstation wurde 2002 wegen massiver Motivationseinbrüche bei den Gefangenen von 1,5 bis 2,5 Jahren auf ein Jahr verkürzt. Die Behandlungserfolge sind jedoch auch bei der neuen Therapieform enttäuschend. Von 14 bis zum Erhebungszeitpunkt entlassenen Patienten des Aufnahmejahrgangs 2003 wurde nur einer nach einjähriger Behandlung in eine JVA zurückverlegt, ein weiterer ging in den Freigang; zwölf Gefangene wurden wegen Rückfalls oder aus disziplinarischen Gründen vorzeitig in eine JVA zurückverlegt.

Der RH hält es für angezeigt, die Schließung dieser Station zu prüfen.

2.3 Abteilung Chirurgie

Die Abteilung Chirurgie kooperiert seit Oktober 2001 mit einem öffentlichen Krankenhaus, das seither chirurgische Eingriffe vornimmt. Größere chirurgische Eingriffe werden spätestens seit diesem Zeitpunkt vom Justizvollzugskrankenhaus nicht mehr durchgeführt.

Die verbliebenen meist kleineren Eingriffe und die Nachsorgemaßnahmen rechtfertigen die Aufrechterhaltung einer chirurgischen Abteilung im Justizvollzugskrankenhaus nicht. Die Abteilungen Innere Medizin und Chirurgie sollten zusammengefasst und zwei Stellen für Chirurgen im Rahmen der Fluktuation abgebaut werden. Dies entspricht einem Einsparpotenzial von 0,2 Mio. €.

2.4 Krankenpflegeschule

In der 1989 eingerichteten Krankenpflegeschule absolvieren regelmäßig Beamte des allgemeinen Vollzugsdienstes eine weitere Ausbildung zum Krankenpfleger (drei Jahre) oder Krankenpflegehelfer (ein Jahr). Für die justizinterne Zusatzausbildung entstehen jährliche Gesamtkosten von 1,3 Mio. €. Hiervon entfallen allein 1,1 Mio. € auf die Bezüge der „fortzubildenden“, durchschnittlich 18 Justizbeamten. Die jährlichen Ausbildungsvergütungen für Krankenpfleger würden zum Vergleich etwa 0,2 Mio. € betragen. Die Schule verfügt über 1,5 hauptamtliche Kräfte. Der Unterricht wird weit überwiegend von Justizpersonal geleistet.

Des RH empfiehlt, die justizinterne Krankenpflegeschule aufzugeben. Stattdessen können bereits ausgebildete Krankenpfleger und Krankenpflegehelfer für den Pflegedienst im Justizvollzug eingestellt werden. Die kostenintensive Zweitausbildung bei vollen Dienstbezügen erscheint wirtschaftlich nicht vertretbar. Die ausgebildeten Pfleger könnten ggf. noch die Ausbildung zum allgemeinen Vollzugsdienst absolvieren, soweit dies aus vollzuglicher Sicht erforderlich erscheint. Daneben kommt auch eine Einstellung von Krankenpflegern im Angestelltenverhältnis in Betracht. Dies wird von einzelnen JVA bereits mit Erfolg praktiziert.

Das JuM wurde gebeten, ein Konzept für die Schließung der justizinternen Krankenpflegeschule zu erarbeiten.

2.5 Neubauplanung für das Justizvollzugskrankenhaus

Das sanierungsbedürftige Justizvollzugskrankenhaus Hohenasperg kann nach Auffassung des JuM mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand am bisherigen Standort nicht auf den heutigen medizinischen Stand gebracht werden. Nach den Planungen des JuM und des FM soll ein neues Justizvollzugskrankenhaus am Standort der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim mit einem Kostenaufwand von 53 Mio. € gebaut werden. Das neue Krankenhaus soll eine Größe von 150 Krankenhausbetten und 50 multifunktionalen Plätzen aufweisen. Die Krankenhausbetten verteilen sich auf 100 Plätze für Psychiatrie und 50 Plätze für Innere Medizin und Chirurgie. Im chirurgischen Bereich ist weiterhin eine Kooperation mit einem öffentlichen Krankenhaus vorgesehen. Aus finanziellen Gründen sind konkrete Planungen für den Neubau frühestens im Jahr 2009 zu erwarten.

Die Festungsanlage auf dem Hohenasperg soll nach Verlagerung des Krankenhauses weiter für die Zwecke der ebenfalls auf diesem Gelände befindlichen Sozialtherapeutischen Anstalt genutzt und entsprechend ausgebaut werden. Hierfür sind weitere Investitionen in Höhe von 16 Mio. € erforderlich. Auf dem Areal sollen 120 Plätze (derzeit 61 Plätze) in der Sozialtherapie geschaffen werden.

Das JuM hatte vor der Auswahl des Standorts Stuttgart-Stammheim mehrere Alternativen für ein Justizvollzugskrankenhaus untersucht. Insbesondere wurde in einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung auch eine stationäre Versorgung der Gefangenen in öffentlichen Krankenhäusern für die Bereiche Innere Medizin und Chirurgie geprüft (sog. Outsourcing-Alternative). Bei dieser Outsourcing-Alternative wurde von einer dezentralen Einzelunterbringung der Gefangenen ausgegangen; sie wurde insbesondere wegen der hohen Kosten für die Einzelbewachung der Gefangenen verworfen.

Die Ausgangsbasis für eine mögliche Zusammenarbeit mit öffentlichen Krankenhäusern hat sich deutlich verändert. In den nächsten Jahren ist in Baden-Württemberg mit gravierenden Umwälzungen der Krankenhauslandschaft und einem massiven Bettenabbau zu rechnen. Diese Situation sollte vom Justizvollzug genutzt werden, um die Kooperationsbereitschaft von Krankenhausträgern nochmals intensiver auszuloten. Vor einer Entscheidung über einen Krankenhausneubau sollte insbesondere folgendes Alternativ-Szenario näher untersucht werden:

  • Die Bereiche Innere Medizin und Chirurgie des Justizvollzugskrankenhauses werden aufgegeben. Für diese Bereiche wird mit einem Krankenhausträger über eine Kooperation nach folgendem Modell verhandelt:

 

  • Einrichtung von besonders gesicherten Hafträumen in einem öffentlichen Krankenhaus auf der Basis einer langfristigen Nutzungsvereinbarung.

 

  • Die Bewachung und pflegerische Betreuung wird vom Vollzugspersonal sichergestellt. Die ärztliche Betreuung übernehmen Ärzte des Krankenhauses.

 

  • Auf dem Hohenasperg werden die Bereiche Psychiatrie und Sozialtherapie zu einer organisatorischen Einheit zusammengeführt.

3 Ambulante Krankenbehandlung in den Justizvollzugsanstalten

3.1 Personal

Die ambulante ärztliche Versorgung in den 18 Anstalten und den Außenstellen wird von hauptamtlichen und vertraglich verpflichteten Kräften wahrgenommen. Bei Bedarf werden die Gefangenen vom Anstaltsarzt an externe Fachärzte überwiesen. Im Erhebungszeitraum waren in den JVA (ohne Krankenhaus) zwölf hauptamtliche Ärzte sowie 69 Vertragsärzte in einem Gesamtumfang von etwa 17 Arbeitskraftanteilen tätig.

Die Pflege der Gefangenen wird vom Krankenpflegedienst übernommen. Dort kommen ausschließlich hauptamtliche Kräfte im Beamten- oder Angestelltenverhältnis zum Einsatz. Im Pflegedienst der Anstalten war landesweit Personal mit insgesamt 163 Arbeitskraftanteilen beschäftigt.

Das JuM hat den Personalbedarf für die Ärzte und den Pflegedienst bislang nicht analytisch ermittelt. Landesweite oder anstaltsspezifische Kennzahlen liegen nicht vor. Die vom RH - trotz unzureichender Datenlage - ansatzweise durchgeführte Kennzahlenbildung weist auf Differenzen in der Personalausstattung hin, die nicht allein auf die unterschiedliche Gefangenenstruktur zurückgeführt werden können.

Der RH hält die systematische Erhebung aussagekräftiger Kennzahlen über den Personaleinsatz in der Gesundheitsfürsorge für erforderlich. Das JuM wurde gebeten, den Ärzte- und Pflegekräfteeinsatz auf der Basis dieser Kennzahlen zu überprüfen.

3.2 Vertragsärzte

Im Justizvollzug waren im Jahr 2003 landesweit 69 Vertragsärzte tätig. Ihre Vergütung betrug auf der Basis eines Stundensatzes von rd. 46 € insgesamt etwa 0,5 Mio. €. Neben ihrer vertraglichen Stundenvergütung erhielten 25 dieser Vertragsärzte weitere - regelmäßig höhere - Vergütungen nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) für Einsätze außerhalb der vertraglich vereinbarten Sprechstundenzeiten. Insgesamt wurden an diese 25 Ärzte 225.155 € als Vertragsarzthonorar und daneben 184.112 € nach GOÄ ausgezahlt. Zwei Ärzte liquidierten bei Vertragsarztvergütungen von zusammen rd. 30.000 € weitere GOÄ-Vergütungen von knapp 96.000 €.

Der RH hat angeregt, die Abrechnungspraxis mit dem Ziel einer Reduzierung der GOÄ-Vergütungen zu ändern. Einsparungen von jährlich 0,1 Mio. € scheinen möglich.

3.3 Zahnärztliche Versorgung

Im Jahr 2003 wurden für die zahnärztliche Behandlung der Gefangenen einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz 1,1 Mio. € ausgegeben. An 26 Standorten (JVA und Außenstellen) sind komplette Zahnbehandlungsräume vorhanden. In den anderen Fällen werden die Gefangenen in Praxen niedergelassener Zahnärzte ausgeführt. Die zahnärztliche Behandlung der Gefangenen wird grundsätzlich mit Vertragszahnärzten abgedeckt. Die JVA haben mit 32 Zahnärzten Verträge abgeschlossen. Das Hilfspersonal wird nur teilweise von den Zahnärzten gestellt.

Die Vertragszahnärzte werden regelmäßig auf der Grundlage des Bewertungsmaßstabs für die kassenzahnärztlichen Leistungen (BEMA) - mit unterschiedlichen Abschlägen für die vom Land gestellte Infrastruktur - vergütet. Die auf Initiative des JuM von den Anstalten ausgehandelten BEMA-Abschläge haben nur in Ausnahmefällen das angestrebte Niveau erreicht.

Der Justizverwaltung liegen keine aktuellen Basisdaten über die zahnärztlichen Leistungen vor. Der RH hat überschlägige Kennzahlen zur zahnärztlichen Versorgung für das Jahr 2003 ermittelt, die in Übersicht 2 dargestellt sind.

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Die vom RH ermittelten erheblichen Bandbreiten können nicht nur auf die unterschiedliche Gefangenenstruktur zurückgeführt werden. Die Differenzen deuten auch auf ein stark divergierendes Behandlungs- und Abrechnungsverhalten der Zahnärzte hin.

Nach einer Modellrechnung des RH könnten bei einer Durchführung der Zahnbehandlung mit Landesbediensteten - bereits ohne Optimierung der Behandlungspraxis - rechnerische Einsparungen von 0,3 Mio. € erzielt werden. Diesen Betrag sieht der RH als Zielgröße für das mögliche Einsparvolumen in diesem Bereich an. Als Sofortmaßnahmen zur Kostenreduzierung hat der RH vorgeschlagen,

  • mit den Vertragszahnärzten über einen höheren Abschlag von der BEMA-Vergütung zu verhandeln und ggf. das Vertragsverhältnis zu beenden,

 

  • die Sprechstunden in den JVA mit überdurchschnittlichen Einsatz- und Behandlungszeiten zu verkürzen und

 

  • bei Auffälligkeiten Plausibilitätsprüfungen der Rechnungen über zahnärztliche Leistungen vorzunehmen.

Mittelfristig sollte nach einer Erhebung gesicherter Basis- und Leistungsdaten - zumindest in den JVA mit überdurchschnittlichen Ausgaben - eine Ausschreibung der zahnärztlichen Leistungen nach festen Stundensätzen bei gleichzeitiger Begrenzung der Einsatzzeit erfolgen.

3.4 Arzneimittel

Im Jahr 2003 betrugen die Gesamtausgaben für Arzneimittel, einschließlich Sanitätsverbrauchsmaterial, 2,5 Mio. €. Sie sind gegenüber 1996 bei konstanter Gefangenenzahl um 42 % gestiegen. Die JVA beschaffen die benötigten Arzneimittel bislang dezentral über öffentliche Apotheken oder Krankenhausapotheken.

Trotz entsprechender Aufforderung des JuM im Jahr 1999 bezogen 2003 nur sechs von 18 JVA sowie das Justizvollzugskrankenhaus ihren Bedarf über Krankenhausapotheken. Die Ausgaben je Gefangenen lagen bei Bezug über öffentliche Apotheken um 46 % über den Ausgaben bei Bezug über Krankenhausapotheken. Dies entspricht Mehrkosten von mehr als 0,3 Mio. €. Ein systematischer Einsatz kostengünstiger Medikamente (sog. Generika) war bei den meisten JVA nicht festzustellen.

Das JuM hat bislang hinsichtlich des Medikamentensortiments im Justizvollzug keine zentrale Steuerung vorgenommen. Eine systematische Analyse der im Justizvollzug landesweit beschafften Arzneimittel ist nicht erkennbar. Trotz jahrelanger positiver Erfahrungen anderer Bundesländer erfolgte keine zentrale Ausschreibung der Arzneimittel.

Während der Prüfung hat das JuM im Dialog mit dem RH eine europaweite Ausschreibung des landesweiten Arzneimittelbedarfs eingeleitet. Weiter hat der RH eine Optimierung des Arzneimittelsortiments (Streichung teurer Medikamente, Beschränkung auf Festpreismedikamente, Identifikation nicht apothekenpflichtiger und nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel) und die Erstellung einer sog. Positivliste mit bevorzugt zu verordnenden Arzneimitteln empfohlen.

4 Kostenbeteiligung der Gefangenen an medizinischen Leistungen

4.1 Zuzahlungen

Während die gesetzlich Versicherten nach den Bestimmungen des SGB V seit 01.01.2004 diverse Zuzahlungen zu leisten haben, sind die Gefangenen nach einer Regelung des JuM von Zuzahlungen befreit. Bislang leisten sie z. B. keine Zuzahlungen zu Arzneimitteln, keine Praxisgebühr und keine Eigenbeteiligung bei einem Krankenhausaufenthalt.

Der Verzicht auf Zuzahlungen entspricht nicht der Grundsystematik des § 61 Strafvollzugsgesetz, wonach sich der Leistungsumfang nach den Bestimmungen des SGB V richtet. Das JuM wurde aufgefordert, mit möglichst geringem Verwaltungsaufwand für eine wirkungsgleiche Übertragung der in der GKV geltenden Zuzahlungsregelungen auf den Justizvollzug Sorge zu tragen. Wenn lediglich die arbeitenden Gefangenen Zuzahlungen bis zur Belastungsgrenze leisten würden, ergäbe sich ein maximaler Zuzahlungsbetrag von 0,3 Mio. €. Daneben wird eine erhöhte Kostensensibilität der Gefangenen erwartet, die einen Rückgang der Arzneimittelausgaben und der Arztbesuche zur Folge hat.

4.2 Leistungsausschlüsse

In der GKV gelten grundsätzlich Leistungsausschlüsse für nicht apothekenpflichtige und nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel. Obwohl das JuM für den Bereich des Justizvollzugs diese Leistungsausschlüsse weitgehend übernommen hat, erhalten Gefangene teilweise auch solche Arzneimittel unentgeltlich. Dem JuM und den JVA ist der Umfang der den Gefangenen verordneten Arzneimittel nicht bekannt, die von den Mitgliedern der GKV selbst zu zahlen sind. Bereits eine überschlägige Durchsicht der vorhandenen Arzneimittellisten nach wenigen Produkten ergab Ausgaben für Arzneimittel in Höhe von 36.000 €, die nach den geltenden Bestimmungen nicht vom Justizvollzug zu tragen wären. Darunter waren z. B. Weizenkleie oder Erkältungstee.

Das JuM wurde gebeten, die JVA auf die Einhaltung der bestehenden Regelungen hinzuweisen. Weiter sollte der Umfang der beschafften nicht apothekenpflichtigen und nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel systematisch festgehalten werden.

5 Stellungnahme des Ministeriums

Das JuM hat zu den Empfehlungen des RH hinsichtlich des Justizvollzugskrankenhauses wie folgt Stellung genommen:

  • Die Suchtstation bietet für eine bestimmte Gefangenengruppe die einzig verbleibende Therapiemöglichkeit und soll daher weiter geführt werden. Die Entlassungspraxis soll aber überprüft werden.

 

  • Die Abteilungen Innere Medizin und Chirurgie im Justizvollzugskrankenhaus sollen in spätestens drei Jahren zusammengefasst werden. Die beiden frei werdenden Stellen werden nicht mehr mit Chirurgen besetzt.

 

  • Die Aufgabe der Krankenpflegeschule wird bis zum Abschluss des laufenden Krankenpflegerlehrgangs geprüft. Das JuM hält die anderweitige Deckung des Bedarfs in Anbetracht der veränderten Arbeitsmarktlage für nicht mehr ausgeschlossen.

 

  • Die vom RH als Alternative zum Neubau eines Justizvollzugskrankenhauses vorgeschlagene Kooperation mit bestehenden Krankenhäusern ist in der Vergangenheit von angefragten Kliniken abgelehnt worden. Es ist nicht zu erwarten, dass dieses Modell an anderer Stelle im Land realisierbar ist.

Im Bereich der ambulanten Krankenbehandlung in den JVA will das JuM die Vorschläge des RH im Wesentlichen umsetzen:

  • Die geforderte systematische Erhebung von Kennzahlen zur Festlegung des Ärzte- und Pflegerbedarfs wird grundsätzlich für sinnvoll erachtet. Künftig werden regelmäßige Auswertungen im Rahmen des Projekts Neue Steuerungsinstrumente durchgeführt.

 

  • Bei den Vertragsärzten sieht das JuM gleichfalls ein - wenn auch geringeres - Einsparungspotenzial durch individuelle Vertragsanpassungen.

 

  • In der zahnärztlichen Versorgung wird das JuM die Vorschläge des RH zur Kostenreduzierung aufgreifen. Insbesondere in Anstalten mit überdurchschnittlichen Ausgaben soll der Aufwand gesenkt werden.

 

  • Durch die europaweite Ausschreibung des Arzneimittelbedarfs erwartet das JuM jährliche Einsparungen zwischen 0,5 Mio. € und 0,7 Mio. €. Weitere Ausgabensenkungen verspricht sich das Ministerium nach Optimierung des Arzneimittelsortiments durch eine Kommission und die restriktivere Abgabe nicht verschreibungspflichtiger Medikamente.

Bei der Kostenbeteiligung der Gefangenen hat das JuM eine zum 01.01.2005 beabsichtigte landesweite Zuzahlungsregelung für Arzneimittel wegen des befürchteten hohen Verwaltungsaufwands mit Einzelabrechnungen vorläufig zurückgenommen. Es wird zunächst ein Modellversuch bei einer JVA durchgeführt. Weiter will sich Baden-Württemberg voraussichtlich der Bundesratsinitiative eines anderen Landes anschließen, die pauschale Zuzahlungen der Gefangenen ermöglichen soll. Praxisgebühren für Arztbesuche und Zuzahlungen zu Krankenhausaufenthalten möchte das JuM aus rechtlichen und praktischen Gründen nicht einführen. Das Ministerium strebt an, die Abgabe nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Gefangene zu minimieren.

6 Schlussbemerkung

Das JuM will die meisten Vorschläge des RH aufgreifen oder hat zumindest deren Prüfung zugesagt. Der RH erwartet, dass die aufgezeigten Einsparungspotenziale bei der weiteren Umsetzung konsequent realisiert werden.

Vor einer Entscheidung über den Neubau eines Justizvollzugskrankenhauses sollten nochmals Alternativen geprüft werden. Die Kooperationsbereitschaft von Krankenhausträgern dürfte angesichts der aktuellen Umbrüche im Krankenhausbereich inzwischen deutlich gestiegen sein. Der weitere Betrieb der Suchtstation im Justizvollzugskrankenhaus sollte von einer positiven Entwicklung der Therapieerfolge abhängig gemacht werden.


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Anhänge

Einzelplan 06: Finanzministerium

Das Vermögen der gemeinnützigen Landesstiftung sollte optimal verwaltet werden und auf Dauer erhalten bleiben. Die Zukunftsoffensive III hat negative Folgen für den Landeshaushalt.


1 Ausgangslage

Die zu 100 % dem Land gehörende Landesbeteiligungen Baden-Württemberg GmbH (Landesholding) hielt insbesondere eine Beteiligung an der Energie Baden-Württemberg AG (EnBW). Im Zusammenhang mit der Privatisierung dieses Energieversorgungsunternehmens war es erklärtes Ziel der Landesregierung, den absehbaren Veräußerungsgewinn von etwa 2 Mrd. € nicht versteuern zu müssen und das Geld für gemeinnützige Zwecke einzusetzen. Deswegen wurden die Beteiligungen, bei denen eine Steuerentstrickung (durch Überführung in die Gemeinnützigkeit) nicht möglich war, auf die neu gegründete Beteiligungsgesellschaft des Landes Baden-Württemberg GmbH übertragen und die Landesholding in die gemeinnützige Landesstiftung Baden-Württemberg GmbH (Landesstiftung) umgewidmet. Diese hat mit Zufluss des Veräußerungserlöses für das EnBW-Aktienpaket im Jahr 2001 die ersten Fördermittel ausgereicht.

Der RH prüfte die Betätigung des Landes als Gesellschafter der Landesstiftung unter Beachtung kaufmännischer Grundsätze (sog. Betätigungsprüfung nach § 92 LHO) und führte dabei auch Erhebungen bei diesem Unternehmen durch.

2 Erhaltung des Gesellschaftsvermögens

2.1 Vermögensumschichtungen

Im Geschäftsjahr 2002 veräußerte die Landesstiftung ihre Beteiligungen an der Gasversorgung Süddeutschland GmbH (GVS). In diesem Zusammenhang beschloss der Aufsichtsrat, dass mit einem Teil des Veräußerungserlöses Schulden der Landesstiftung getilgt werden, der übersteigende Betrag - abzüglich der Veräußerungskosten - dem Vermögensstock zugeführt wird und für eine Biotechnologieoffensive im Land dem Vermögensstock Mittel in Höhe von 29 Mio. € entnommen werden.

Angesichts der Entnahme von 29 Mio. € aus dem Vermögensstock ist darauf hinzuweisen, dass die Gesamtumstände des EnBW-Verkaufs und der damit zusammenhängenden Umwidmung der Landesholding in die Landesstiftung dafür sprechen, dass es ein Anliegen des Landes war, nur die Vermögenserträge der Landesstiftung für gemeinnützige Zwecke auszureichen, das Vermögen selber aber im Bestand zu behalten. Auch die im Gesellschaftsvertrag vorgeschriebene Rücklagenbildung, durch welche die Entwertung des „Vermögens der Gesellschaft“ ausgeglichen werden soll, zeigt eindeutig in diese Richtung.

Da der Verkauf der GVS-Anteile lediglich eine Umschichtung des Vermögens der Landesstiftung darstellt (Hingabe der Beteiligung/Zufluss entsprechender liquider Mittel), ist die Verwendung des Veräußerungserlöses teils zur Schuldentilgung und teils als Vermögensstock konsequent. Dies gilt allerdings nicht bezüglich der Entnahme der Mittel für die Biotechnologieoffensive im Land. Mit der Entnahme von 29 Mio. € aus dem Vermögensstock für diese Offensive wird in gleicher Höhe das Vermögen der Landesstiftung gemindert, d. h. Vermögenssubstanz aufgezehrt.

Der RH plädiert deswegen dafür, dass das Vermögen der Landesstiftung uneingeschränkt erhalten wird. Künftige Vermögensumschichtungen - sei es durch den Verkauf von Beteiligungen, von Grundstücken u. a. - sollten nicht nochmals zum Anlass genommen werden, für Zwecke gleich welcher Art Vermögenssubstanz der Landesstiftung zu verbrauchen.

2.2 Bildung von Rücklagen

Nach dem Gesellschaftsvertrag soll die Landesstiftung - wenn und soweit für die Steuervergünstigung unschädlich - den Überschuss der Einnahmen über die Kosten aus Vermögensverwaltung mindestens in dem Umfang einer freien Rücklage (Gewinnrücklage) zuführen, wie dies notwendig ist, um die Entwertung des Vermögens der Gesellschaft durch Inflation auszugleichen. Entsprechend den steuerlichen Gemeinnützigkeitsbestimmungen war es zulässig, jedes Jahr bis zu einem Drittel des Überschusses der Einnahmen über die Kosten aus Vermögensverwaltung in die Gewinnrücklage einzustellen.

Die von der Landesstiftung geplanten, die steuerlich höchstmöglichen und die tatsächlichen Rücklagezuführungen sind in der Übersicht dargestellt.

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Die um mehr als 3 Mio. € unter dem steuerlichen Höchstbetrag liegende Dotierung der Rücklage im Geschäftsjahr 2001 trägt den Vorgaben im Gesellschaftsvertrag nicht genügend Rechnung, wonach - im steuerlichen Rahmen - der Gewinnrücklage mindestens der Teil des Einnahmenüberschusses zugeführt werden soll, der zum Ausgleich der Entwertung des Gesellschaftsvermögens durch Inflation notwendig ist. Zudem verwehrt die Vorgabe nicht, dass die Landesstiftung innerhalb der steuerlichen Höchstgrenze höhere Beträge als den Inflationsausgleich in die Rücklage einstellt.

Der im Geschäftsjahr 2001 in die Gewinnrücklage eingestellte Betrag wurde insoweit zu niedrig bemessen, als die unterstellte Inflationsrate nur auf das aus dem Verkauf der EnBW-Anteile zugeflossene Nettovermögen bezogen wurde. Nach dem Gesellschaftsvertrag soll die Zuführung zur Rücklage aber die Entwertung „des Vermögens der Gesellschaft" ausgleichen. Dieses dürfte infolge stiller Reserven mehrere hundert Millionen Euro höher als das aus dem Verkauf der EnBW-Aktien stammende Nettovermögen sein. Schon von daher hätte die Rücklage zum 31.12.2001 deutlich höher dotiert werden sollen.

Zu einer höheren Rücklagendotierung hätte im Geschäftsjahr 2001 auch deswegen Anlass bestanden, weil steuerlich nicht ausgenutzte Zuführungsbeträge in späteren Jahren nicht nachgeholt werden dürfen. Daher hätte bei der Dotierung der Rücklage im Geschäftsjahr 2001 nicht nur auf die Verhältnisse dieses Jahres abgestellt, sondern vorausschauend auch die Verhältnisse der folgenden Jahre (für die sehr geringe steuerliche Zuführungsbeträge absehbar waren) ins Blickfeld einbezogen werden sollen.

Der RH empfiehlt, der Rücklage künftig grundsätzlich die steuerlich höchstmöglichen Beträge zuzuführen und zwar mindestens so lange, bis die Rücklage genügend hoch ist, um die bis dahin durch Inflation eingetretene Entwertung des Gesamtvermögens der Gesellschaft auszugleichen.

3 Geldanlagen

3.1 Allgemeines

Der am 27.02.2001 zugeflossene Erlös aus dem Verkauf des EnBW-Aktienpakets wurde teilweise zur Tilgung von alsbald fälligen Verbindlichkeiten der Landesstiftung verwendet und der Großteil (2,2 Mrd. €) noch am selben Tag in mehrere von Kapitalanlagegesellschaften geführte Spezialfonds eingezahlt. In der Folgezeit hat die Landesstiftung in anderem Zusammenhang weitere Fondsanteile gezeichnet bzw. Anteilsscheine veräußert, sodass die in Fonds eingezahlten Mittel am Ende des Jahres 2004 per saldo knapp 2 Mrd. € ausmachen. Der RH hat einzelne Punkte dieses für die Landesstiftung existenziell wichtigen Teils ihres Vermögensbereiches untersucht.

3.2 Alternativen zur Fondsanlage

Als Alternative zu der Auflage von Spezialfonds mit dem Ziel, eine möglichst optimale Rendite zu erzielen und die Verwaltung des Vermögens möglichst kostengünstig zu halten, hätte zumindest für einen Teil des Kapitalvermögens eine Verwaltung durch die beim FM für das Geldmanagement des Landes zuständige Stelle durchaus in Erwägung gezogen werden sollen, z. B. für die Anlage in festverzinslichen Wertpapieren. Da auch die Fonds in sehr großem Umfang in solche Wertpapiere investierten, diese aber wohl ebenso gut, jedoch kostengünstiger durch das FM hätten verwaltet werden können, hätte die Landesstiftung einen beträchtlichen Teil der Verwaltungskosten einsparen können. Auch hätte ein Teil des Geldes dem Land darlehensweise verzinslich zur Verfügung gestellt werden können. Dies wäre für die Landesstiftung nicht nur eine sichere, gut rentierliche Anlage gewesen, sondern hätte dem Land im Vergleich mit anderen Schuldaufnahmen Zinsaufwand erspart, ohne dass die Landesstiftung ihre eigenen Belange hätte zurückstellen müssen. Anders als bei den Fonds hätte die Landesstiftung zudem keinerlei Kursrisiko - das sich in Zukunft durchaus kritischer entwickeln könnte - zu tragen.

3.3 Kosten der Fondsverwaltung

Die von den Kapitalanlagegesellschaften den Fonds berechneten und im Ergebnis von der Landesstiftung zu tragenden Aufwendungen für die Vermögensverwaltung waren erheblich (in den ersten drei Geschäftsjahren insgesamt fast 11 Mio. €) und bei den einzelnen Fonds höchst unterschiedlich. Beim teuersten Fonds waren sie mit 2,33 Mio. € mehr als 5-mal so hoch wie beim günstigsten Fonds (0,45 Mio. €). Dabei boten die hohen Verwaltungskosten keine Gewähr für eine entsprechend bessere Performance der Fonds; diese lag beim kostengünstigsten Fonds mehr als 1½-mal so hoch wie beim teuersten Fonds. Der große Unterschied zwischen den Vergütungen ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil bei der Auswahl der Kapitalanlagegesellschaften die Höhe der Vergütung ein wesentliches Kriterium war. Im Übrigen hätten sich die Kosten der Vermögensverwaltung wohl auch dadurch reduzieren lassen, dass Alternativen zur Beauftragung der Kapitalanlagegesellschaften angegangen worden wären (s. Pkt. 3.2).

3.4 Performance der Fonds

Der RH hat durch eine Gegenüberstellung der von der Landesstiftung in die Fonds investierten Gelder und dem Tageswert der Fondsanteile am 31.12.2004 - unter Berücksichtigung zwischenzeitlicher Fondsausschüttungen - die bis zu diesem Termin erzielte Performance der Fonds ermittelt. Diese betrug, bezogen auf das durchschnittlich investierte Kapital, 4,5 % im Jahr, von denen der kleinere Teil ausgeschüttet wurde, der größere Teil aber in Form von noch nicht realisierten Wertsteigerungen entstanden ist. Angesichts der Tatsache, dass den Fonds zwar durchaus Chancen für weitere Wertsteigerungen innewohnen, die Risiken aber - wie die Landesstiftung in den Jahren vor 2004 selber feststellen musste - nicht unterschätzt werden dürfen, stellt sich diese Geldanlage als nicht so überzeugend dar, dass Alternativen nicht ernsthaft geprüft werden müssten (s. Pkt. 3.2). Dies gilt erst recht wegen der höchst unterschiedlichen Performance der einzelnen Fonds. So lag die Performance von fünf nahezu uneingeschränkt vergleichbaren Fonds der Landesstiftung bis zum 31.12.2004 absolut zwischen 53,0 Mio. € und 22,8 Mio. €. Eine solche Abweichung nach unten - zudem gemessen über einen Zeitraum von fast vier Jahren - sollte zu Alternativüberlegungen Anlass geben.

3.5 Empfehlung des Rechnungshofs

Der RH empfiehlt, mit dem Ziel einer möglichst optimalen Performance die Form der Kapitalanlage auf den Prüfstand zu stellen. Die unter Pkt. 3.2 aufgezeigten Alternativen zu den Fondsanlagen sollten ernsthaft erwogen werden. Soweit sich danach eine Fondsanlage als die wirtschaftlichere Alternative darstellt, sollten die bisher wenig erfolgreichen Fonds kritisch bewertet und ggf. rechtzeitig aussortiert werden. Auch die Realisierung von Kursgewinnen durch verstärkte Verkaufsaktivitäten sollte dabei stets erwogen werden.

4 Zukunftsoffensive III

4.1 Allgemeines

Das bedeutendste Fördervorhaben der Landesstiftung ist die Zuwendung an das Land für die so genannte Zukunftsoffensive III (ZO III) in Höhe von 562 Mio. €. Diese Zuwendung stammt aus dem Veräußerungserlös für das EnBW-Aktienpaket und ist Teil des Gesamtkonzepts der Landesstiftung.

4.2 Haushaltsbelastungen durch nicht förderfähige Projekte

Die bei der Veröffentlichung der ZO III genannten Projekte wurden erst später unter gemeinnützigkeitsrechtlichen Aspekten geprüft. Dabei wurde festgestellt, dass mit 148 Mio. € mehr als ein Viertel des ZO III-Volumens auf steuerschädliche Maßnahmen entfiel, die deswegen nicht über die Zuwendung der Landesstiftung finanziert werden konnten.

Von den steuerschädlichen Maßnahmen entfielen 71 Mio. € auf Bauprojekte aus den Bereichen Berufsakademien, Fachhochschulen und Universitäten. Da der Ministerrat bereits alle Projekte der ZO III im Grundsatz gebilligt hatte, kamen das StM und das FM überein, dass auch die steuerschädlichen Bauprojekte zügig realisiert und durch die Finanzierungsgesellschaft für öffentliche Vorhaben des Landes Baden-Württemberg mbH finanziert werden sollten. Der Frage, ob die Projekte notwendig oder zumindest aufschiebbar waren, wurde nicht nachgegangen. Anhaltspunkte sprechen dafür, dass stattdessen der Wunsch, alle in der ZO III verkündeten Maßnahmen umzusetzen, bei den Entscheidungen im Vordergrund stand.

Im Zuge der Realisierung dieser (steuerschädlichen) Baumaßnahmen werden zwingend Kosten für die Erstausstattung in Höhe von 11 Mio. € anfallen, über die nach einem Ministerratsbeschluss „zu gegebener Zeit im Rahmen künftiger Planaufstellungsverfahren entschieden wird“. Im Klartext bedeutet dies wohl eine weitere Belastung künftiger Landeshaushalte um den genannten Betrag.

Die ersatzweise Finanzierung der in der ZO III angekündigten, jedoch steuerschädlichen Bauprojekte sowie deren Erstausstattung haben erhebliche Belastungen des Landeshaushalts zur Folge. Ursächlich hierfür war letztlich der Wunsch, die angekündigte ZO III ohne Abstriche zu vollziehen.

4.3 Weitere Haushaltsbelastungen und -risiken

Die Projekte der ZO III werden laufende Betriebskosten und Folgekosten (z. B. für nicht befristet eingestelltes Personal, für Unterhaltskosten der Gebäude usw.) nach sich ziehen. Diese dürfen aus steuerlichen Gründen nicht von der Landesstiftung finanziert werden, sondern sind zwingend aus dem Landeshaushalt zu bezahlen. Das FM, das bei Erörterung der ZO III-Projekte mit den jeweiligen Ressorts immer wieder auf das Problem der laufenden Betriebs- und der Folgekosten hingewiesen hat, schätzte bereits im Jahr 2001 die über den Landeshaushalt zu finanzierenden Betriebs- und Folgekosten für die Jahre bis einschließlich 2006 auf durchschnittlich mindestens 20 Mio. €, für die folgende Zeit auf mindestens 15 Mio. € je Jahr.

Das gemeinnützige Wirken der Landesstiftung hat schon jetzt beachtliche finanzielle Folgen für das Land. Der Landeshaushalt wird auf Dauer mit den Kosten des laufenden Betriebs und den Folgekosten - die erfahrungsgemäß weiter steigen dürften - belastet.

Ein weiteres Risiko für den Landeshaushalt ergibt sich daraus, dass sich die Landesstiftung - wie bei allen anderen Zuwendungen - auch bei der Zuwendung an das Land für die ZO III ein Rückforderungsrecht für den Fall einer steuerschädlichen Verwendung vorbehalten hat. Eine abschließende steuerliche Bewertung wird aber möglicherweise erst Jahre nach der Realisierung der Projekte durchgeführt werden, sodass es auch noch in vielen Jahren zu Rückforderungsansprüchen der Landesstiftung kommen kann. Dieses finanzielle Risiko für den Landeshaushalt ist zwar nur schwer kalkulierbar, darf aber nicht vernachlässigt werden.

4.4 Fazit

Mit der ZO III hat sich das Land Risiken aufgebürdet, die zuvor nicht bestanden und die eine schon jetzt sichere Belastung des Landeshaushalts zur Folge haben werden; weitere Risiken sind der Lösung immanent.

5 Steuerliche Risiken

Bereits im Zusammenhang mit der Umwidmung der Landesholding in die Landesstiftung hat der RH darauf hingewiesen, dass diese Konstruktion fragil sei, weil die Mittelverwendung stets unter den steuerrechtlichen Begriff „gemeinnützig“ zu subsumieren sein muss. Die strikte Einhaltung der Gemeinnützigkeitsregelungen ist für die Landesstiftung von eminenter Bedeutung, da sich ansonsten steuerliche/finanzielle Folgen in nahezu bestandsgefährdender Höhe ergeben könnten. Mit diesem immensen finanziellen Risiko müssen die Landesstiftung und das Land als ihr Gesellschafter konstruktionsbedingt auf Dauer leben.

Gleichwohl ist das Maß der Aktivitäten, die das Land und die Landesstiftung im Hinblick auf die Wahrung der Gemeinnützigkeit entwickelten, aus Kostengründen nur schwer mit kaufmännischen Grundsätzen zu vereinbaren. So hat die Landesstiftung nicht nur alle von ihr selbst durchgeführten Projekte, sondern auch die von anderen Trägern durchgeführten Projekte, bei denen die Landesstiftung lediglich Zuwendungen gewährte, durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bewerten lassen, was ihr beträchtlichen Aufwand verursachte (Honorarzahlungen in den Jahren 2001 bis 2003: mehr als 1,6 Mio. €). Zusätzlich ließ sie einzelne Maßnahmen durch die Steuerabteilung des FM bewerten. Dabei ist bei einem Großteil der Projekte, insbesondere bei den Zuwendungen an das Land für die ZO III, eine steuerschädliche Verwendung - auf der Basis der steuerrechtlichen Bewertung durch das FM - de facto ausgeschlossen, weil sich die Landesstiftung für diesen Fall entsprechende Rückforderungsrechte vorbehalten hat.

Das bisherige, für die Landesstiftung und das Land sehr kostenintensive Verfahren zur Einhaltung der Gemeinnützigkeit sollte mit dem Ziel einer Kostenreduzierung vereinfacht werden. Die Prüfung der Gemeinnützigkeit von Projekten gehört zum operativen Geschäft der Landesstiftung und sollte in der Regel von ihr selber wahrgenommen werden; ein Steuerberater sollte nur im Ausnahmefall eingeschaltet werden. Dies gilt primär für die vielen Projekte, bei denen die Landesstiftung lediglich Zuwendungen gewährt und eine gegen die Gemeinnützigkeitsbestimmungen verstoßende Mittelverwendung, so das FM, wegen der Rückzahlungsverpflichtung faktisch ausgeschlossen ist.

Es ist grundsätzlich nicht Aufgabe der Steuerabteilung des FM, für das privatrechtlich organisierte Unternehmen Landesstiftung die Gemeinnützigkeitsfragen zu klären (schon gar nicht wie bisher z. T. in redundanter Weise).

6 Anwendung haushaltsrechtlicher Zuwendungsbestimmungen

Bei der Gewährung ihrer Fördermittel verfährt die Landesstiftung nur teilweise analog den bei der Gewährung von Landeszuwendungen üblichen Bedingungen. So enthalten die mit den Empfängern abgeschlossenen Zuwendungsverträge in Bezug auf Nachweispflichten, Rückzahlungsverpflichtungen usw. zwar durchaus Regelungen, wie sie auch für die vom Land direkt gewährten Zuwendungen gelten. Hingegen fehlen in den Zuwendungsverträgen z. B. folgende Bedingungen und Auflagen, die bei Zuwendungsbescheiden des Landes üblich sind (§ 44 LHO sowie die in der Verwaltungsvorschrift Nr. 5 zu § 44 LHO enthaltenen Nebenbestimmungen):

  • Besserstellungsverbot (der Zuwendungsempfänger darf seine Beschäftigten finanziell nicht besser stellen als vergleichbare Landesbedienstete; keine höheren Vergütungen als nach den tariflichen Bestimmungen BAT oder MTArb; keine sonstigen über- und außertariflichen Leistungen),

 

  • Auftragsvergabe nach den Verdingungsordnungen (VOL/VOB), sofern die Zuwendung mehr als 25.000 € beträgt.

Die Auflage, wonach die Zuwendung wirtschaftlich und sparsam zu verwenden ist, nimmt die Landesstiftung inzwischen in die Zuwendungsverträge auf.

Dies hat zur Folge, dass erst in jüngerer Zeit die Empfänger ausdrücklich angehalten werden, die von der Landesstiftung gewährten Zuwendungen wirtschaftlich und sparsam einzusetzen. Die Zuwendungsempfänger haben weiterhin weder das Besserstellungsverbot zu beachten noch ihre Aufträge öffentlich auszuschreiben. Insoweit unterliegen die von der Landesstiftung bedachten Zuwendungsempfänger nicht den Restriktionen, denen die vom Land direkt bedachten Zuwendungsempfänger sinnvoller Weise unterliegen.

Der RH hält es für angebracht, dass die Landesstiftung die Regelungen zur Projektförderung nach § 44 LHO - namentlich die in der Verwaltungsvorschrift Nr. 5 zu § 44 LHO enthaltenen Nebenbestimmungen - vollumfänglich in die Zuwendungsverträge aufnimmt.

7 Prüfungsrechte des Rechnungshofs bei den Zuwendungsempfängern

Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass es im Folgenden ausschließlich um die Einräumung von Prüfungsrechten des RH bei den Empfängern der von der Landesstiftung gewährten Zuwendungen geht. Dagegen geht es nicht um die Einräumung eines vollen Prüfungsrechts des RH bei der Landestiftung selber; ein dahingehender politischer Antrag ist vom Parlament abgelehnt worden (Drs. 13/464, 13/1855, Pkt. 4 und Plenarprotokoll 13/42, S. 2891).

In der Annahme, dass es nicht gewollt sein kann, dass die vom Land gewährten Zuwendungen der Prüfung durch den RH und damit der öffentlichen Finanzkontrolle unterliegen, die von der Landesstiftung gewährten Zuwendungen dagegen nicht, hatte der RH dem FM frühzeitig Wege aufgezeigt, die gewährleisten könnten, dass die öffentliche Finanzkontrolle auch die Zuwendungen der Landesstiftung umfasst. Hierzu teilte das FM mit, dass es bei der derzeitigen Rechtslage keine rechtlich unbedenkliche Möglichkeit sehe, dem RH Prüfungsrechte bei den Empfängern der von der Landesstiftung gewährten Zuwendungen zu verschaffen.

Zu dem parlamentarischen Antrag, wonach dem RH ein volles Prüfungsrecht bei der Landesstiftung einzuräumen sei, hat das FM dahingehend Stellung genommen, dass es nicht beabsichtige, der Landesstiftung den Abschluss einer Prüfungsvereinbarung mit dem RH zu empfehlen; insbesondere deswegen nicht, weil eine Mitwirkung des RH bei der Mittelvergabe nicht gefordert werden könne. Hierzu ist festzuhalten, dass eine Mitwirkung des RH bei der Mittelvergabe weder vom RH noch von anderer Seite eingefordert wurde. Auch hat sich die Stellungnahme des FM lediglich mit der Prüfung der Landesstiftung durch den RH befasst; auf die Prüfung bei den Empfängern der Zuwendungen wurde nicht eingegangen.

Im Zuge der örtlichen Unterrichtung bei dem Unternehmen hat der RH festgestellt, dass die Fördertätigkeit der Landesstiftung verfahrensmäßig mit der direkten Fördertätigkeit des Landes weitgehend übereinstimmt. Ein bedeutender Unterschied ist jedoch insoweit gegeben, als der RH bei den direkten Zuwendungen des Landes ein Prüfungsrecht hat, bei den Zuwendungen der Landesstiftung dagegen nicht. Deswegen durfte der RH der wohl wichtigsten Frage des gesamten Förderwesens, nämlich der Frage nach der Zielerreichung, nicht nachgehen. Es musste offen bleiben, ob die Projekte und sonstigen Maßnahmen der Landesstiftung effektiv (vorgegebene Ziele und angestrebte Ergebnisse erreicht?), effizient (günstiges Kosten-/Leistungsverhältnis gegeben?) und nachhaltig (Wirkung über ihre Dauer hinaus?) waren.

Weil der RH bisher nicht der Frage nach der Zielerreichung nachgehen darf, können das Parlament und die Öffentlichkeit nicht mit den Mitteln der Finanzkontrolle in Erfahrung bringen, ob die von der Landesstiftung mit der Zuwendung verfolgten Ziele erreicht wurden. Auch die Landesstiftung selber, namentlich der die Programme beschließende und damit die Zuwendungen erst ermöglichende Aufsichtsrat, begibt sich damit einer wichtigen Erkenntnisquelle, nämlich der Projektbeurteilung durch die unabhängige Instanz der Finanzkontrolle. Dabei zeigen nicht zuletzt die jährlichen Denkschriften des RH anhand anderer Förderprojekte auf, dass zwischen den Intentionen eines Zuwendungsgebers und der tatsächlichen Zielerreichung, d. h. der Realisierung eines Projekts, oft große Diskrepanzen bestehen können.

Der RH hält es daher nach wie vor für erforderlich, dass ihm im Interesse des Landes ein Prüfungsrecht bei den Empfängern der von der Landesstiftung gewährten Zuwendungen eingeräumt wird; rechtlich zweifelsfreie Wege hierfür hat er aufgezeigt.

8 Stellungnahme des Ministeriums; Auffassung des Rechnungshofs

Das FM vertritt im Wesentlichen eine gegenteilige Auffassung. Der RH bleibt bei seiner dargelegten Auffassung.

8.1 Vermögensumschichtungen

Das FM weist darauf hin, dass nach dem Gesellschaftsvertrag „Teile des Vermögens an das Land für eine Zukunftsoffensive“ ausgeschüttet werden dürften. Es sei von Anfang an nicht Wille des Gesellschafters gewesen, Zuwendungen aus dem Vermögen auszuschließen.

Die vom FM zitierte Vertragspassage betrifft auch ausweislich ihrer Überschrift allein die Mittelverwendung. Sie stellt klar, dass auch das Land - im Rahmen einer Zukunftsoffensive - in den Genuss steuerbegünstigter Mittel der Landesstiftung kommen können sollte. Auf die Frage nach der Herkunft dieser Mittel (aus den laufenden Erträgen oder dem Vermögen) geht die Regelung dagegen nicht ein. Die Verwendung des Singulars „eine Zukunftsoffensive“ im Vertragstext ist vielmehr ein weiteres Indiz dafür, dass es ein Anliegen des Landes war, nicht über die ZO III hinaus Vermögenssubstanz der Landesstiftung zu verbrauchen.

8.2 Bildung von Rücklagen

Laut FM hat die Landesstiftung in der Anlaufphase wegen des damit einhergehenden geringen Mittelbedarfs die laufenden Einnahmen durch eine entsprechende Ausschüttungspolitik der Fonds bewusst niedrig gehalten. Deswegen seien zunächst formal nur geringere Rücklagen gebildet worden, was allerdings sukzessive mit zunehmendem Mittelbedarf und damit verbundenen steigenden Ausschüttungen zeitversetzt nachgeholt werde. Im Übrigen sei die Einbeziehung von Grundstücken und Beteiligungen bei der Rücklagenbemessung nicht sachgerecht, da Sachwerte keiner inflationsbedingten Wertminderung unterlägen.

Hierzu hält der RH fest, dass die Landesstiftung in den Jahren bis einschließlich 2003 wegen steuerlicher Höchstgrenzen insgesamt wesentlich geringere Beträge als von ihr geplant den Rücklagen zuführen konnte. Einer zeitversetzten Nachholung der im Geschäftsjahr 2001 möglichen, aber nicht ausgenutzten Rücklagenzuführungen steht das Steuerrecht entgegen. Da Sachwerte eine von der Inflationsrate unabhängige Entwicklung nehmen können, die selbst Wertverluste einschließt, hält es der RH für sachgerecht, bei der Bemessung des Inflationsausgleichs entsprechend dem Wortlaut des Gesellschaftsvertrags auf das (gesamte) Vermögen der Landesstiftung abzustellen und nicht Teile davon auszunehmen. Ein Abstellen ausschließlich auf das in Fonds investierte Vermögen ist nicht sachgerecht, weil auch die Fonds und deren Kapitalanlagen sich unabhängig von der Inflationsrate entwickeln können. Folgte man der Sachwertargumentation des FM, so müsste konsequenterweise auch für den in Fonds angelegten Teil des Gesellschaftsvermögens, soweit es sich um Aktien handelt, eine Rücklagenbildung ausscheiden.

8.3 Geldanlagen

Da eine angemessene Rendite nicht allein durch eine festverzinsliche Anlage erzielbar sei, sondern eine Beimischung von Aktien voraussetze, seien weder eine (teilweise) Verwaltung des Kapitalvermögens durch das FM noch eine Darlehensgewährung an das Land eine wirkliche Alternative zu der Anlage in Spezialfonds. Die Kosten der Fondsverwaltung dürften nicht losgelöst von den Ergebnissen der Fonds gesehen werden; auch seien die Kosten gemessen am Anlagevermögen bei allen Fonds nicht zu hoch. Eine stichtagsbezogene Vermögensbetrachtung sei für eine seriöse Ermittlung der Performance ungeeignet; auch sei zu berücksichtigen, dass die Fonds nicht mit dem Ziel aufgelegt worden seien, möglichst viel Rendite zu erwirtschaften, sondern gemessen an einem vertretbaren Risiko die Finanzierung der gemeinnützigen Fördertätigkeit der Landesstiftung sicher zu stellen.

Da die Spezialfonds einen großen Teil ihrer Mittel in festverzinsliche Anlagen investierten, vertritt der RH weiterhin die Auffassung, dass insoweit eine Verwaltung durch das FM bzw. eine Darlehensgewährung an das Land wirtschaftlich sinnvolle Alternativen sein könnten. Die Kosten der Fondsverwaltung hat der RH ausdrücklich in Kontext zu den Ergebnissen (Performance) der Fonds gesetzt. Es bleibt die Tatsache, dass die Kosten der Fonds untereinander extrem differieren und hohe Kosten keine Gewähr für eine bessere Performance bieten. Die in den knapp vier Jahren bis zum 31.12.2004 erzielte Performance, die bei den vergleichbaren Fonds absolut zwischen 53,0 Mio. € und 22,8 Mio. € differiert, zeigt einen Bedarf an Alternativüberlegungen genügend auf. Dabei sollte - gleiche Risikolage vorausgesetzt - eine möglichst hohe Rendite bzw. Performance als Ziel gesetzt werden.

8.4 Zukunftsoffensive III

Ausschlaggebend für die Realisierung der steuerschädlichen Bauprojekte sei nicht deren Benennung in der ZO III, sondern der landespolitisch definierte Bedarf gewesen. Der Landesanteil an den Bauprojekten und die Kosten der Erstausstattung seien mit 71 Mio. € bzw. 11 Mio. € zwar grundsätzlich zutreffend beziffert; aufgrund der Leasingfinanzierung eines Projekts und von Einsparungsmöglichkeiten u. a. ergäben sich derzeit nur Mehrbelastungen des Landes von 36 Mio. € für Baumaßnahmen und 6 Mio. € für die Erstausstattung. Die Betriebs- und Folgekosten hätten nicht zwangsläufig eine entsprechende Belastung des Landeshaushalts zur Folge; Folgekosten seien vielmehr grundsätzlich durch Umschichtungen im Rahmen der Einzelpläne abzudecken. Zur Vermeidung von Rückforderungen durch die Landesstiftung sei durch organisatorische Maßnahmen größtmögliche Vorsorge getroffen worden.

Aufgrund eindeutiger Anhaltspunkte geht der RH weiterhin davon aus, dass das politisch Gewünschte und nicht der unaufschiebbare Bedarf für die Realisierung der nicht förderfähigen Projekte ausschlaggebend war. Der RH kann die vom FM genannten Beträge zur derzeitigen Haushaltsbelastung nicht nachvollziehen; ausgehend von den Investitionssummen dürfte die Haushaltsbelastung letzten Endes eher eine Größenordnung von 80 Mio. € erreichen. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Betriebs- und Folgekosten tatsächlich durch Umschichtungen abgedeckt werden können. Jedenfalls werden sie vom Land zu tragen sein und deswegen den Landeshaushalt belasten. Trotz der Vorsorge gegen Rückforderungen durch die Landesstiftung verbleibt ein nicht zu vernachlässigendes finanzielles Risiko für das Land.

8.5 Steuerliche Risiken

Das FM hält die Vorschläge des RH zur Kostenreduzierung für nicht umsetzbar und für unwirtschaftlich. Es sieht keine Anhaltspunkte dafür, dass Fragen redundant (durch das FM und den Wirtschaftsprüfer) behandelt wurden.

Der RH hält seine Vorschläge für sachgerecht, umsetzbar und zu wirtschaftlichen Ergebnissen führend. Es ist nachweisbar, dass zumindest in Einzelfällen Fragen redundant behandelt wurden.

8.6 Anwendung haushaltsrechtlicher Zuwendungsbestimmungen

Ausgehend vom Kreis der Zuwendungsempfänger misst das FM dem Besserstellungsverbot keine wesentliche praktische Bedeutung zu. Eine Auftragsvergabe nach den Verdingungsordnungen sei wegen der Verpflichtung zur wirtschaftlichen und sparsamen Mittelverwendung entbehrlich.

Der RH bleibt bei seiner Auffassung. Ein Unterschied zwischen Förderungen des Landes einerseits und der Landesstiftung andererseits ist insoweit nicht begründbar.

8.7 Prüfungsrechte des Rechnungshofs bei den Zuwendungsempfängern

Das FM sieht diese Frage als parlamentarisch abschlägig entschieden an.

Der RH ist dagegen der Auffassung, dass gerade das FM ein Interesse daran haben müsste, ein Prüfungsrecht des RH bei den Zuwendungsempfängern zu befürworten. Die spezifische Frage dieses Prüfungsrechts hat nach Auffassung des RH der Landtag noch nicht abschließend erörtert.


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Die parlamentarische Behandlung finden Sie hier


Anhänge

Einzelplan 07: Wirtschaftsministerium

Bereits vor der Einplanung von Mitteln muss die Notwendigkeit einer Förderung unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität gründlicher als bisher geprüft werden. Bei fehlendem oder zu geringem Eigeninteresse der geförderten Marktteilnehmer sollte eine Förderung eingestellt werden.


1 Ausgangslage

Das Land fördert die Durchführung außenwirtschaftlicher Maßnahmen. Ziel der Fördermaßnahmen des Landes ist es, die außenwirtschaftlichen Beziehungen baden-württembergischer Unternehmen zu unterstützen.

Im Mittelpunkt der Aktivitäten des Landes stehen Veranstaltungen zur Erschließung ausländischer Märkte. Hierzu gehören die mit den Wirtschaftsorganisationen abgestimmten Beteiligungen an Auslandsmessen sowie technische Symposien und Kooperationsbörsen im Rahmen von Wirtschaftsdelegationsreisen.

Der RH hat die Umsetzung solcher Fördermaßnahmen und deren Effektivität unter Berücksichtigung der Beteiligung der Wirtschaft untersucht.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Projektstelle Umwelt

2.1.1 Gründung der Projektstelle

Der Landesverband der baden-württembergischen Industrie e. V. (LVI) hat im Jahr 1997 auf Initiative des WM die Trägerschaft für das Projekt Erschließung von Auslandsmärkten für Umwelttechnologien und dienstleistungen (Exportoffensive Umwelt) übernommen. Er hat zur Umsetzung dieses Projekts die Projektstelle Umwelt (PU) gegründet und diese innerhalb seiner LVI-Beratungs und Service-GmbH (LVI GmbH) angesiedelt.

Die PU sollte die Erschließung von Auslandsmärkten für Umweltschutztechnologien aus Baden-Württemberg unterstützen. Damit verbunden waren das Angebot der integrierten Beratungshilfe an die chinesischen Partnerprovinzen Jiangsu und Liaoning sowie der Einsatz von Umweltexperten in ausgewählten Ländern. In der Projektkonzeption des LVI vom 20.12.1996 wurde die Laufzeit des Projekts vorläufig auf zwei Jahre mit der Option einer Verlängerung begrenzt. Mit Bewilligungsbescheiden vom 18.05.1999 (Projektphase II), 03.05.2001 (Projektphase III) und vom 28.01.2004 (Projektphase IV) wurde die Projektlaufzeit jeweils verlängert.

Neben den Fördermitteln für die PU als solche erhielt sie auch Mittel für außenwirtschaftliche Maßnahmen sowie für die Einzelprojekte

  • Bildung von Arbeitsgemeinschaften zwischen Umwelttechnologie-Unternehmen aus Baden-Württemberg mit unterstützendem Umweltexperteneinsatz (ARGE-Umweltexperte) und

 

  • Bildung von Arbeitsgemeinschaften zwischen Umwelttechnologie-Unternehmen aus Baden-Württemberg (Projektmoderator).

Mit der Durchführung dieser Projekte beauftragte die PU die Gesellschaft für internationale wirtschaftliche und wissenschaftliche Zusammenarbeit mbH (BWI).

Insgesamt bewilligte das WM dafür Zuschüsse in Höhe von 4,657 Mio. € (s. Übersicht 1).

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2.1.2 Finanzierung der Projektstelle Umwelt

Bei der Finanzierung der PU gingen der Landesverband und das WM von einer Beteiligung der Wirtschaft aus mit dem mittelfristigen Ziel, die anteilige Förderung des Landes zulasten einer stärkeren finanziellen Beteiligung der Wirtschaft sukzessive zurückzufahren.

Das WM hat dazu selbst festgestellt, dass dieses Ziel auch nach fünf Jahren der PU-Förderung noch nicht erreicht sei. Entgegen der Zielsetzung betrug die Förderung des WM auch in der Projektphase III im Durchschnitt immerhin noch 76 %, wobei die Beteiligungsquote der Wirtschaft von 24 % im Jahr 2003 vier Prozentpunkte geringer war als im Jahr 2001, obwohl eine höhere finanzielle Beteiligung gefordert war.

Aufgrund von Finanzierungsproblemen der Projektphase III beantragte die PU die Bewilligung weiterer Mittel in Höhe von 54.184 €. Dies wurde u. a. damit begründet, dass im Jahr 2002 ein Fehlbetrag in Höhe von 17.000 € entstanden sei, weil die beabsichtigte Erhebung eines jährlichen Mitgliedsbeitrags von 170 € nicht umgesetzt werden konnte. Für das Jahr 2003 hat die PU zwar den jährlichen Mitgliedsbeitrag in Höhe von 170 € zuzüglich Mehrwertsteuer erhoben, allerdings mit dem Ergebnis, dass im März 2003 die Anzahl der Mitglieder von bisher 250 auf 86 Unternehmen, also um 65 %, zurückging. Dadurch konnten die geplanten Einnahmen vonseiten der Wirtschaft nicht realisiert werden. Es entstand ein weiterer Fehlbetrag in Höhe von 8.500 €.

Mit Bewilligungsbescheid vom 05.08.2003 wurden zur Deckung des Gesamtfehlbetrags in Höhe von rd. 54.000 € nachträglich Fördermittel in Höhe von 50.000 € bereitgestellt.

Übersicht 2 zeigt für die Projektphase III, wie sich die relative Förderung je Unternehmen erhöht hat, nachdem der Versuch gescheitert war, die Unternehmen stärker zu beteiligen.

2005-B012-Üb2.jpg

2.1.3 Bildung von Arbeitsgemeinschaften

Der PU wurden im Jahre 2002 für die Bildung von Arbeitsgemeinschaften zwischen Umwelttechnologie-Unternehmen des Landes (Projektmoderator) im Rahmen der Projektförderung als Vollfinanzierung eine Zuwendung in Höhe von 47.560 € bewilligt. Die Gesamtkosten des Projekts betrugen 46.864 €.

Ziel des geförderten Projekts war die Heranführung von baden-württembergischen Umweltfirmen an Umweltprojekte im Ausland. Da dieses, insbesondere wegen der Struktur der Umweltbranche mit vielen kleinen und mittelständischen Anbietern von Umwelttechnologien und -dienstleistungen, als äußerst schwierig angesehen wurde, sollten die mittelständischen Unternehmen leistungsfähige Arbeitsgemeinschaften bilden. Da Versuche der Wirtschaft, die Initiative zur Bildung von Arbeitsgemeinschaften der Unternehmen selbst zu organisieren, scheiterten, wurde im Rahmen des Förderprojekts ein erfahrener und neutraler Projektmoderator beauftragt, entsprechende Vorleistungen zu erbringen.

Die Erfahrungen, die der Projektmoderator bei der Durchführung des Projekts machte, hat er in einem Bericht zusammengefasst. Der Bericht enthält aufschlussreiche Anmerkungen, wie die nachstehenden Auszüge belegen:

„… Bereits die Übernahme von kleineren Kostenpaketen, wie z. B. die Vorbereitung der Präsentationen usw., die nur über eine zentrale Stelle sinnvoll ist, wurde nicht von allen Unternehmen vorbehaltlos mitgetragen. Durch die schweren wirtschaftlichen Randbedingungen sind die finanziellen Polster der beteiligten Unternehmen zwar generell sehr dünn, andererseits muss für ein Engagement in neuen Märkten die Bereitschaft zur Übernahme von Anlaufkosten gegeben sein. …

… Im Laufe des Projekts wurde von den Beteiligten immer wieder die Frage nach weiteren staatlichen Förderungen laut. Trotz der Hinweise, dass das WM und der LVI bereits in beträchtlichem Ausmaß in Vorleistung gegangen sind mit den bisherigen Projektvorbereitungen, hielt sich die Erwartungshaltung bei einigen Unternehmen hartnäckig. …

… Aufgrund dieser Randbedingungen erscheint es angebracht, den weiteren Fortgang des Projekts abzuwarten, bevor mit weiteren vergleichbaren Aktionen andere Projekte angegangen werden. Es hat sich gezeigt, dass die ARGE-Bildung ein sehr schwieriger Prozess ist, obwohl bereits von Anfang an großes Interesse seitens der beteiligten Firmen bestand. Ohne eine Moderation des gesamten Vorgangs und insbesondere ohne die tatkräftige personelle und finanzielle Unterstützung durch den LVI und das WM wäre dieses Projekt nicht möglich gewesen. ...“

2.1.4 Mitnahmeeffekte

Die beiden Förderbeispiele lassen erkennen, dass die Zielgruppen die Fördermaßnahmen nicht als Hilfe zur Selbsthilfe sehen und entsprechende Aktivitäten vermissen lassen. Vielmehr scheinen Mitnahmeeffekte im Vordergrund zu stehen.

So konnte die PU (s. Pkt. 2.1.2) ihren Finanzierungsplan für die Projektphase III nicht einhalten, da die eingeplanten Mitgliedsbeiträge im Jahr 2002 nicht erhoben wurden und die Einführung der Mitgliedsbeiträge im Jahr 2003 zu einem rapiden Mitgliederschwund führte. Folge war, dass zur Finanzierung der Projektstelle weitere Zuwendungen beim WM beantragt und auch bewilligt wurden. Das WM hat zwar eine höhere Eigenbeteiligung der Wirtschaft eingefordert, dieses Ziel aber verfehlt.

Bei dieser Sachlage hätte nach Auffassung des RH geprüft werden müssen, inwieweit unter Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips (§ 23 LHO) eine Weiterförderung der Maßnahme überhaupt noch zu rechtfertigen war bzw. ob nicht zumindest die Förderquote hätte reduziert werden müssen.

Auch bei der Fördermaßnahme Projektmoderator wurde das Subsidiaritätsprinzip nicht beachtet, sondern das Projekt wurde mit Fördermitteln voll finanziert. Ähnlich bemerkenswert wie beim Projekt Umweltexperte sind die Feststellungen im Erfahrungsbericht zu der Maßnahme Projektmoderator. Danach trugen Unternehmen bereits die Übernahme von kleinen Kostenpaketen nicht vorbehaltlos mit, sondern forderten weitere staatliche Förderung ein. Offensichtlich waren die Unternehmen von der Bedeutung des Projekts wenig überzeugt und haben das für sie kostenlose Angebot nur mitgenommen. Für den RH drängt sich daher der Eindruck auf, dass die Projektvorbereitung und die Abschätzung der Interessenslage nicht ausreichend waren. Bei einer lediglich anteiligen Förderung des Projekts durch das WM hätte sich sehr rasch das Desinteresse der Unternehmen gezeigt, sodass die Fördermittel nicht - wie zu befürchten - wirkungslos verpuffen.

2.1.5 Abwicklung außenwirtschaftlicher Maßnahmen

Der LVI beauftragte in den Jahren 2001 bis 2003 jeweils die BWI mit der Abwicklung der außenwirtschaftlichen Maßnahmen. Die dafür entstandenen Aufwendungen wurden gegenüber dem WM nachgewiesen. Zusätzlich wurden vom LVI für Verwaltungs- und Betreuungsaufwand weitere 101.650 € geltend gemacht.

Im Kostennachweis zur Verwendung der Zuwendungen an den LVI zur Finanzierung der Projektstelle wurde bereits ein Pauschalbetrag für Verwaltungs- und Betreuungsaufwand der LVI GmbH in unterschiedlicher Höhe gegenüber dem WM angegeben. In den Jahren 2001 bis 2003 ergab sich ein Betrag von 68.000 €.

Der Verwaltungs- und Betreuungsaufwand der LVI GmbH beinhaltete im Wesentlichen den Betreuungsaufwand der Geschäftsführung und des Vorstands, die Zuarbeiten aus den Referaten, die projektbezogene Buchhaltung, die Steuerberatungskosten und den projektbezogenen Bilanzierungsanteil mit Haftungsabsicherung für das PU-Projekt, der offensichtlich auch Grundlage für die Berechnung des Verwaltungs- und Betreuungsaufwands für die außenwirtschaftlichen Maßnahmen war.

Ab dem Jahr 2004 wurde der Zahlungsweg umgestellt. Die Fördermittel, die bisher der PU gewährt wurden, werden seit 2004 an die BWI ausgezahlt. Aufgrund einer Kooperationsvereinbarung übernimmt die BWI als Veranstalter die Durchführung der außenwirtschaftlichen Maßnahmen für den Sektor Umwelttechnologie. Die Branchenzuständigkeit für die Entwicklung des Sektors Umwelttechnologie in Baden-Württemberg verbleibt bei der LVI GmbH/PU. In der Vereinbarung wurde zudem festgelegt, dass die BWI der PU die entstandenen Aufwendungen für PU-Leistungen im Zusammenhang mit der Durchführung der Maßnahmen (keine Honorarkosten für PU-Personal) erstattet. Dies bedeutet, dass die PU ihren Aufwand (Verwaltungs- und Betreuungsaufwand LVI GmbH) nicht mehr wie früher gegenüber dem WM geltend macht, sondern nun gegenüber der BWI abrechnet.

Nach Auffassung des RH hätten in den Jahren 2001 bis 2003 zumindest Teile der dargestellten Kosten nicht in die Abrechnung mit einbezogen werden dürfen, um eine Doppelförderung zu vermeiden. Unabhängig von der Problematik einer Doppelförderung, stellt sich die Frage, inwieweit es vor der Kooperationsvereinbarung einer Umwegfinanzierung der außenwirtschaftlichen Maßnahme von WM über PU an die BWI bedurfte und welchen Sinn, trotz nunmehr unmittelbarer Zahlung der Fördermittel und Durchführung der Maßnahmen durch die BWI, die Einschaltung der LVI GmbH überhaupt noch haben soll.

Für den RH erschließt sich die Notwendigkeit dieser Umwegfinanzierung nicht. Sie führt zu zusätzlichem Aufwand und verursacht zusätzliche Kosten. Die Verfahrensweise entspricht nicht den Intentionen der Landesregierung und des Landtags, die Außenwirtschaft und das internationale Standortmarketing bei der BWI zu bündeln.

2.2 Kontaktbüros der baden-württembergischen Wirtschaft

2.2.1 Frühere Fördermaßnahmen

Der Aufbau des Zentrums für Management und Marketing in St. Petersburg (ZMM) und des Mittelstandsförderungszentrums des Gebiets Sverdlovsk in Jekaterinburg (MFZ) wurde bereits früher mit erheblichen Landesmitteln gefördert. So erhielt das ZMM im Zeitraum von 1988 bis 1997 Fördermittel in Höhe von 2,5 Mio. €; das MFZ wurde im Zeitraum von 1993 bis 1999 mit rd. 5 Mio. € bis 6 Mio. € gefördert.

Der RH hatte über diese Fördermaßnahmen in seiner Denkschrift 1997, Beitrag Nr. 13, Notwendigkeit und Umfang der besonderen Fördermaßnahmen im Bereich der Außenwirtschaft, berichtet.

In der Stellungnahme der Landesregierung vom 04.01.1999 zu diesem Beitrag wurde mitgeteilt, „dass es mit der vertraglich fixierten Kooperation zwischen ZMM und BWI sowie mit der demnächst erfolgenden Einrichtung eines Förderkreises ZMM der Wirtschaft mit der Trägerschaft des Bildungswerkes der Baden-Württembergischen Wirtschaft e. V. gelungen sei, die Partnerschaft unserer Wirtschaft mit dem ZMM zu verselbstständigen.“ Diese Kooperation beinhaltete die Intensivierung (Unterstützung) bilateraler Kontakte der Unternehmen, der Stadt St. Petersburg und Baden-Württembergs. Eine entsprechende Vereinbarung wurde auch zwischen der BWI und dem MFZ geschlossen. Hinsichtlich der Gültigkeitsdauer der Vereinbarung zwischen BWI und MFZ wurde festgelegt, dass sich diese nach dem 31.12.1999 jeweils um ein Kalenderjahr verlängert, sofern sie nicht mit einer 6-monatigen Kündigungsfrist geändert oder beendet wird.

2.2.2 Einrichtung von Kontaktbüros

Trotz dieser bestehenden Kooperation erteilte das WM mit Schreiben vom 19.06.2001 der BWI den Auftrag, Kontaktbüros der baden-württembergischen Wirtschaft beim ZMM und MFZ einzurichten.

Durch die Einrichtung des Kontaktbüros sollten die Chancen der Unternehmen des Landes erhöht werden, sich auf dem nach wie vor schwierigen russischen Markt zu etablieren und zu behaupten. Es wurde davon ausgegangen, dass die Unternehmen zur Ausweitung ihrer Auslandsaktivitäten in der Russischen Förderation einen kompetenten Ansprechpartner und eine zuverlässige Einrichtung vor Ort benötigten. Die wesentlichen Aufgaben der Einrichtungen bestanden in unentgeltlichen Dienstleistungen, wie z. B. Bearbeiten von Anfragen, Anbahnung und Unterstützung von Unternehmenskontakten, Bereitstellung von Informationen bzw. entgeltlichen Dienstleistungen, wie die Organisation von Firmenbesuchen, Vorbereitung von Kooperationsgesprächen oder die Erhebung und Bereitstellung von Marktanalysen und Recherchen.

Die Förderung der Kontaktstellen war auf eine Gesamtlaufzeit von zwei Jahren ausgelegt, die sich in zwei Förderphasen von 6 bzw. 18 Monaten aufteilte. Zur Finanzierung der Maßnahme wurden der BWI rd. 153.000 € ausgezahlt.

In der Anlaufphase übernahm das WM einen pauschalierten Finanzierungsanteil, der sich an den Einrichtungs- und Anlaufkosten orientierte und ebenfalls den Aufwand (Personal- und Bürokosten) umfasste, der für kostenfreie Leistungen an baden-württembergische Unternehmen anfiel. Nach Ablauf der Projektzeit war eine völlige Kostendeckung durch entgeltpflichtige Dienstleistungen beabsichtigt. Innerhalb von 21 Monaten wurden insgesamt 244 unentgeltliche Dienstleistungen erbracht, und zwar beim Kontaktbüro im MFZ 114 Anfragen und beim ZMM 130 Anfragen.

Das WM hielt es aufgrund des Interesses und der Inanspruchnahme des Angebots der Kontaktbüros für sinnvoll und angebracht, nur beim ZMM eine Anlaufstelle für die Unternehmen beizubehalten. In einer gemeinsamen Erklärung vom 27.11.2003 des WM, der BWI und des ZMM wurde auf der Grundlage der bisherigen Vereinbarungen vom 21.05.1998 (Intensivierung - Unterstützung - bilaterale Kontakte der Unternehmen der Stadt Sankt Petersburg und Baden-Württembergs) sowie der Vereinbarung vom 21.06.2001 (Kontaktbüros) geregelt, die Zusammenarbeit auch in Zukunft fortzusetzen.

In der gemeinsamen Erklärung sagte das WM zudem seine grundsätzliche Bereitschaft zu, unter der Voraussetzung, dass Haushaltsmittel zur Verfügung stehen, die Tätigkeit des Kontaktbüros in Zusammenarbeit mit der BWI auch in Zukunft zu unterstützen. Auf der Grundlage dieser Erklärung hat das WM die BWI beauftragt, mehrere Einzelmaßnahmen in Zusammenarbeit mit dem ZMM durchzuführen. Die Aufträge vom 13.05.2004 und 18.05.2004 hatten ein Volumen von 51.393 €.

Der RH hält auch die Förderung der Einrichtung von Kontaktbüros der baden-württembergischen Wirtschaft beim ZMM und MFZ für problematisch, zumal beide Einrichtungen bereits früher mit umfangreichen Fördermitteln des Landes eingerichtet wurden. Die Förderung der Kontaktbüros sollte vereinbarungsgemäß zum 30.06.2003 enden. Über diesen Zeitpunkt hinaus wurde jedoch in einer gemeinsamen Erklärung vom 27.11.2003 die grundsätzliche Bereitschaft des WM erklärt, die Tätigkeit des Kontaktbüros (ZMM) in Zusammenarbeit mit der BWI bei bestimmten Maßnahmen - ohne die Fixierung einer zeitlichen Begrenzung - weiterhin zu unterstützen.

Unabhängig von der Beurteilung der Förderung nach dem Grundsatz der Subsidiarität ist dabei insbesondere zu berücksichtigen, dass die Landesregierung in ihrer Stellungnahme vom 04.01.1999 zu dem genannten Denkschriftbeitrag an den Landtag u. a. mitteilte, dass es „gelungen sei, die Partnerschaft unserer Wirtschaft mit dem ZMM zu verselbstständigen.“ Diese Äußerung der Landesregierung steht nach Auffassung des RH in deutlichem Widerspruch zu den neuerlichen Fördermaßnahmen. Auch die Zusage des WM in der gemeinsamen Erklärung, über den fixierten Zeitraum von zwei Jahren hinaus Tätigkeiten des Kontaktbüros weiterhin finanziell zu unterstützen, widerspricht seiner Absichtserklärung, die Förderung auf zwei Jahre zu beschränken; danach sollten sich die Büros durch entgeltliche Dienstleistungen selbst tragen.

Auch bei diesem Förderprojekt ist es bisher nicht gelungen, den Übergang von der Staatsfinanzierung zur Eigenfinanzierung durch die begünstigten Unternehmen zu schaffen. Nach Ansicht des RH ist es ordnungspolitisch und fiskalisch verfehlt, solche Projekte weiterzufördern, wenn nach angemessener Zeit kein genügendes Eigeninteresse der Wirtschaft festzustellen ist. Die Förderungen haben dann ihr Ziel verfehlt.

3 Empfehlungen

Der RH verkennt nicht die Bedeutung der Unterstützung des Standortmarketings und der Auslandsmarkterschließung durch das WM. Er hält es aber angesichts der finanziellen Situation des Landes für zwingend, die vorhandenen Ressourcen zielgerichtet und unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit einzusetzen. Der RH bemängelt, dass in den dargestellten Fördermaßnahmen diese Grundsätze nicht im erforderlichen Maße berücksichtigt wurden. Zudem fehlen klar definierte zeitliche und inhaltliche Ziele sowie Vereinbarungen über eine degressive Förderung.

Die Fördermaßnahmen zeigen erneut die Problematik der staatlichen Subventionen der Wirtschaft, wie sie der RH bereits in seiner Beratenden Äußerung Kostenorientierte Optimierung der Wirtschaftsförderung in Baden-Württemberg (Drs. 13/3641 vom 01.10.2004) aufgezeigt hat. Es ist erneut erkennbar, dass es unabdingbar ist, bereits im Vorfeld der Einplanung von Fördermitteln eingehend die Notwendigkeit unter den Aspekten des Subsidiaritätsprinzips und der Wirkung auf die Marktwirtschaft zu prüfen.

Der RH hält es für erforderlich,

  • vor Auflegung von Förderprogrammen oder der Förderung von Projekten kritisch ihre zwingende Notwendigkeit zu prüfen und dabei insbesondere das Subsidiaritätsprinzip sowie die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten,

 

  • eindeutige, messbare und zeitlich abgegrenzte Ziele zu definieren und eine degressive Förderung festzuschreiben,

 

  • die Förderung dann einzustellen, wenn die Ziele nicht erreicht werden oder der Zuwendungsempfänger seine Finanzierungsbeteiligung nicht erfüllt.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das WM stimmte dem RH darin zu, dass die Eigenbeteiligung der Wirtschaft, und insbesondere der Unternehmen, an den Kosten der PU und der durchgeführten Maßnahmen nicht in dem ursprünglich erwarteten Umfang erreicht werden konnte. Dies liege überwiegend an dem schwierigen Umfeld des Exports von Umwelttechnik und in der Struktur der beteiligten Unternehmen. Das WM habe die Förderung in Höhe von 203.000 € im Jahr 2003 auf 163.000 € im Jahr 2004 reduziert; dadurch habe sich der Gesamtbeitrag der Wirtschaft, insbesondere des LVI, auf 30 % erhöht. Eine weitere Reduzierung oder ein Abbruch der Förderung hätte die erfolgreiche Arbeit der PU auf einen Schlag beendet und die weitere Unterstützung der Markterschließung im Ausland nur noch im Rahmen des für alle Unternehmen geltenden Instrumentariums der BWI möglich gemacht. Das WM wolle die Förderung für das Jahr 2005 aufrecht erhalten und sie wegen der weiteren Haushaltsrestriktionen ab dem Jahr 2006 erheblich zurückfahren. Darüber hinaus wolle es die Arbeit der PU und des LVI in diesem Bereich auf eine andere organisatorische Grundlage stellen. In Anbetracht der Haushaltslage werde es zudem prüfen, inwieweit die Aufgaben und Dienstleistungen der PU ab 2007 vom LVI bzw. der LVI GmbH selbst und - vor allem im Bereich der operativen Markterschließung - vollständig von der BWI durchgeführt werden können, sodass die Förderung der PU bzw. der LVI GmbH sukzessive verringert werden könnte.

Zu den einzelnen kritisch bewerteten Projektfördermaßnahmen bemerkt das WM:

  • Die Förderung der Bildung von Arbeitsgemeinschaften zwischen Umwelttechnologie-Unternehmen sei vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Gewinnung von Umwelt-Projekten im Ausland für die kleinen und die mittelständischen Unternehmen ein nahezu unlösbares Problem darstelle, wenn sie nicht stärker untereinander kooperieren und ihre Angebote gemeinsam als Gesamtangebot präsentieren könnten. Immerhin hätten als Ergebnis dieser Bemühungen zwei Präsentationen in China im Dezember 2003 und im Oktober 2004 zur Gewinnung von Kläranlage-Projekten stattgefunden, für die die beteiligten Unternehmen erhebliche Beteiligungsbeiträge geleistet hätten. Die vom RH zitierten Äußerungen des Projektmoderators bestätigten die Schwierigkeiten dieses Prozesses und würden die Förderung rechtfertigen.

 

  • Die Auffassung, bei der Förderung der Durchführung von Markterschließungsmaßnahmen im Ausland auf dem Gebiet der Umwelttechnik läge eine „Umwegfinanzierung“ und eine „Doppelförderung“ der PU vor, treffe nicht zu, vielmehr hätten die konzeptionelle Entwicklung, konkrete Ausgestaltung, Akquisition und Nachbearbeitung für durchschnittlich 4 - 5 jährlich durchzuführende Markterschließungsmaßnahmen nicht im Rahmen des vom WM geförderten Zeit-Budgets der PU geleistet werden können. Der Verwaltungs- und Betreuungsaufwand sei zusätzlich entstanden und hätte gesondert den entsprechenden Zuschussanträgen zugrunde gelegt werden müssen.

 

  • ZMM und MFZ seien von Anfang an auch als Anlaufstellen für baden-württembergische Unternehmen konzipiert und hätten ihre Dienstleistungen bis zum Jahr 1999 unentgeltlich erbracht. Um ZMM und MFZ nachhaltig als Anlaufstelle für baden-württembergische Unternehmen zu sichern, den Einrichtungen den Charakter einer offiziellen Anlaufstelle zu geben und damit einen Nachhaltigkeitseffekt der für den Aufbau eingesetzten Mittel zu erzielen, habe das WM innerhalb des ZMM und des MFZ „Kontaktbüros der baden-württembergischen Wirtschaft“ eingerichtet. Sie sollten sich nach einer Anlaufphase selbst finanzieren. Als nach dieser Phase keine ausreichende Nachfrage für kostenpflichtige Dienstleistungen bestand, wurde im Juni 2003 die Finanzierung von Sach- und Personalkosten der Kontaktbüros eingestellt. Im Hinblick auf die wachsende Bedeutung der Russischen Föderation als Handelspartner Baden-Württembergs sollte eine Anlaufstelle für baden-württembergische Unternehmen und für Regierungskontakte - auch ohne unmittelbare Beteiligung an den Bürokosten - aufrechterhalten werden, die beim ZMM eingerichtet wurde. Dabei handle es sich nicht um eine Fördermaßnahme, sondern um ein Auftragsverhältnis, bei dem das ZMM für das Land Baden-Württemberg gegen Entgelt Dienstleistungen erbringe. Alle einzelbetrieblichen Maßnahmen des ZMM für baden-württembergische Unternehmen sollten nur noch gegen kostendeckendes Entgelt erfolgen.

Abschließend führte das WM aus, dass es die Feststellungen des RH zum Anlass nehmen werde, bei künftigen Förderprogrammen oder Fördermaßnahmen im Bereich der Außenwirtschaft die Notwendigkeit, die Ziele und die Messgrößen zur Zielerreichung noch eindeutiger und klarer zu formulieren als bisher und deren Einhaltung zeitnah zu kontrollieren.

5 Schlussbemerkung

Der RH hält an seiner Forderung fest, eine Förderung dann einzustellen, wenn die Ziele nicht erreicht werden oder die Eigenbeteiligung eines Zuwendungsempfängers nicht erbracht wird. Trotz der Schwierigkeiten in der Struktur der Produkte und der Unternehmen im Bereich der Umwelttechnik hält der RH eine Beteiligung der Wirtschaft an der PU in Höhe von 30 % nach einer achtjährigen Förderdauer (1997 bis 2004) nicht für ausreichend. Der RH begrüßt zwar die Absicht des WM, durch sukzessiven Abbau der Fördermittel eine höhere Eigenbeteiligung zu erreichen, er erkennt aber nicht, was zu der Hoffnung Anlass gibt, dass nach einer weiteren Förderphase die PU allein durch die Wirtschaft finanziert würde. Die Förderung sollte eingestellt werden.

Die Ausführungen des WM zur Doppelförderung überzeugen nicht. Die gesondert abgerechneten administrativen Kosten für die Abwicklung außenwirtschaftlicher Maßnahmen gehören nach Auffassung des RH zum ohnehin geförderten Dienstleistungsangebot der PU. Das ergibt sich aus den Bewilligungsbescheiden.

Der RH verkennt auch nicht die Notwendigkeit von Anlaufstellen für die baden-württembergische Wirtschaft. Es ist jedoch nicht nachvollziehbar, weshalb für eine Maßnahme, für die früher umfangreiche Fördermittel aufgewendet wurden und bei der nach der Stellungnahme der Landesregierung an den Landtag (s. Pkt. 2.2.1), das Förderziel, einer Verselbstständigung und damit die finanzielle Unabhängigkeit von Fördermitteln bereits eingetreten sein soll, in neuem Gewand nochmals Landesmittel eingesetzt werden.


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Anhänge

Das Wirtschaftsministerium hat entgegen gutachterlichen Empfehlungen in erheblichem Umfang zusätzliche Ausstellungsflächen in Messehallen gefördert. Die Förderung von Multifunktionshallen hat im umkämpften Marktsegment für kulturelle und sportliche Veranstaltungen zu einem verschärften Wettbewerb beigetragen.


1 Ausgangslage

1.1 Förderkonzeption

Das Land gewährt Finanzhilfen für die Regionalmessen, um die regionalen Messeplätze in ihrer Bedeutung für den Standort Baden-Württemberg zu stärken und die Konkurrenzfähigkeit der Messelandschaft in Baden-Württemberg zu sichern.

Auf der Basis eines externen Gutachtens, nachfolgend Messe-Gutachten genannt, hat der Ministerrat am 17.02.1997 das Förderkonzept für Regionalmessen und die allgemeinen Grundsätze für die Förderung der Messestandorte Freiburg, Karlsruhe, Mannheim, Offenburg, Sindelfingen, Sinsheim, Ulm und Villingen-Schwenningen beschlossen. Die Messe in Friedrichshafen wurde vom Land wegen ihrer zum großen Teil internationalen Ausrichtung zwar außerhalb des Regionalmessenkonzepts gefördert, die Ministerratsbeschlüsse aus den Jahren 1999 und 2002 waren jedoch sehr eng mit dem regionalen Förderkonzept verwoben. Deshalb hat der RH den Messestandort Friedrichshafen mit in seine Untersuchungen einbezogen.

1.2 Mitteleinsatz

Aufgrund der o. a. Ministerratsbeschlüsse sind für die Förderung der Regionalmessen einschließlich erforderlicher Gutachten in den Einzelplänen des WM und der Allgemeinen Finanzverwaltung insgesamt Landesmittel in Höhe von rd. 65 Mio. € bereitgestellt worden (s. Übersicht 1).

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Im StHPl. 2005/06 sind für die Haushaltsjahre 2005 und 2006 Haushaltsmittel in Höhe von insgesamt 6,5 Mio. € und außerdem für die Jahre 2007 und 2008 Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von insgesamt 3,5 Mio. € ausgewiesen.

Zuständig für die Abwicklung des Bewilligungsverfahrens und die Prüfung der Verwendungsnachweise war das ehemalige Landesgewerbeamt. Mit Wirkung vom 01.01.2005 ging die Zuständigkeit auf das WM über. Adressaten der Bescheide sind teils die Kommunen, teils private oder kommunale Messegesellschaften.

1.3 Das Regionalmessenkonzept

Das Messe-Gutachten wurde im September 1997 unter dem Titel „Konzept für Regionalmessen in Baden-Württemberg“ vorgestellt. Darin wurden u. a. Messeangebot (Messen und Ausstellungen) und Messenachfrage (regional, überregional und international) gegenübergestellt; das Gutachten differenzierte zwischen den Veranstaltungstypen „Fachmesse“ und „Publikumsmesse (Verbraucherschauen oder -ausstellungen)“.

Die Gutachter kamen zu dem Ergebnis, dass

  • Fachmessen Aufgaben der Wirtschaftsförderung für einzelne Unternehmen sowie für die Gesamtwirtschaft erfüllten,

 

  • bei Verbraucherausstellungen eher (lokal-)wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Aufgaben im Vordergrund stünden,

 

  • bei einer Wertung, welche für die baden-württembergische Wirtschaft die wichtigere Funktion sei, eindeutig den Fachmessen die erste Priorität zukomme und diese deshalb bevorzugt zu fördern seien,

 

  • im Zeitpunkt der Analyse bereits ein großes Angebot vorhanden gewesen sei und somit kein großer Markt mehr für neue Messeveranstaltungen bestanden habe,

 

  • daher nicht davon ausgegangen werden könne, dass größere Veränderungen in dem damals festgestellten räumlichen Muster der Messelandschaft angezeigt seien,

 

  • eine qualitative Verbesserung der Messelandschaft angestrebt werden solle,

 

  • ein quantitativer Ausbau nur durch eine Ausweitung des Messeprogramms zu amortisieren wäre, dafür bei derzeit gesättigtem Markt allerdings keine Erfolgschancen gesehen würden.

Mit Blick auf die damals beobachtete Stagnation bei den vermieteten Hallenflächen der Regionalmessen empfahlen die Gutachter deshalb, dem qualitativen Ausbau den Vorrang zu geben, um eine moderne Infrastruktur für attraktive und wirtschaftlich zu betreibende Messen zu schaffen.

Für die Förderkonzeption des WM entwickelten die Gutachter ein idealtypisches Messeleitbild, das sich in vier Zielkomplexe, die im Idealfall einer entwicklungsfähigen Messe alle erfüllt werden sollten, aufteilte und Grundlage für die Bewertung von Förderanträgen der Messestandorte sein sollte:

Zielkomplex 1:

Regionale Fachmessen sowie Verbraucherausstellungen in Baden-Württemberg sind unter den verschiedensten Gesichtspunkten Veranstaltungen von sehr hohem Bedeutungsgrad. Ein ausgewogenes Verhältnis dieser verschiedenen Typen erscheint sinnvoll.

Den regionalen Fachmessen bzw. den Standorten dieser Messen ist jedoch unbedingt Priorität einzuräumen.

Zielkomplex 2:

Eine Förderung darf den Marktgesetzen nicht entgegenwirken. Ziel muss sein, etablierte Messethemen und Messestandorte zu stärken anstatt neue zu schaffen. Erfolgreiches privates Engagement sollte deshalb durchaus unterstützt werden.

Qualitatives Wachstum muss vor quantitativem stehen, Ausbau vor Neubau.

Zielkomplex 3:

Vorrangig sind die Messeplätze zu behandeln, deren Potenzial möglichst hoch ist. Hier sind die besten Entwicklungsmöglichkeiten gegeben.

Zielkomplex 4:

Um als Messeplatz entwicklungs- und konkurrenzfähig und damit förderfähig zu sein, muss ein Mindestmaß an Messe-Hardware vorhanden sein, wobei die konkreten Kriterien auch vom Einzelfall abhängen. Als wesentliche Aspekte sind hierbei die qualitative Ausstattung und die Multifunktionalität zu sehen.

Die thematische Ausrichtung und die Art der Präsentation der Messen sollen an keine bestimmten Restriktionen gebunden sein, da sonst eventuell gegen die Marktkräfte gehandelt würde.

1.4 Die geförderten Messestandorte

Aufgrund der eingangs erwähnten Ministerratsbeschlüsse sind acht Messestandorte in Baden-Württemberg gefördert worden. Diese und die mit ihnen konkurrierenden Standorte sind im Schaubild 1 dargestellt.

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Die geförderten Messestandorte sind zwar über das ganze Land verteilt, allerdings mit einer Konzentration entlang der Rheinschiene. Die dortigen Standorte stehen nicht nur untereinander im Wettbewerb, sie konkurrieren z. T. auch mit den Messestandorten im benachbarten Ausland. Die Grenznähe eröffnet aber auch neue Chancen, z. B. durch grenzüberschreitende Kooperationen, wie sie zwischen den Messen Offenburg und Strasbourg ab 2005 vereinbart und in der Oberrhein-Region angedacht sind.

2 Feststellungen und Bewertungen

2.1 Umsetzung des Regionalmessenkonzepts

Die Kriterien des ersten Zielkomplexes, die Abwägung zwischen Veranstaltungstypen und eine Priorisierung von Fachmessen, denen nach gutachterlicher Aussage die wichtigere Funktion gegenüber den Verbraucherausstellungen für die baden-württembergische Wirtschaft zugewiesen wurde, spielten keine Rolle bei der Bewertung der Messestandorte und bei der Vergabe der Fördermittel. Die Antragsunterlagen enthielten diesbezüglich kaum verwertbare Angaben. Das WM hatte diese veranstaltungstypischen Daten bei den Messestandorten abgefragt.

Der zweite Zielkomplex enthielt die Empfehlung, dass die Landesförderung nicht den Marktgesetzen entgegenwirken dürfe und deshalb ein qualitatives Wachstum vor quantitativem, Ausbau vor Neubau erfolgen müsse. Diese Empfehlung wurde nicht hinreichend beachtet. Am Ende war ein Flächenzuwachs von über 100.000 m² an festen Messehallen gefördert worden (s. Übersicht 2). Dabei ist der geplante Neubau zweier Messehallen in Villingen-Schwenningen mit zusammen 3.000 m² nicht berücksichtigt worden, da deren Realisierung längerfristig verschoben worden ist.

Unberücksichtigt bei der weiteren Betrachtung des Förderkonzepts blieb der Messestandort Sindelfingen; für ihn sind keine Fördermittel beantragt worden.

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Die durchschnittliche Mehrfläche aller acht geförderten Messestandorte beträgt 66 % des Ausgangswerts, wobei einzelne Messestandorte eine Zuwachsrate von bis zu 180 % gegenüber der ursprünglichen Hallenfläche aufweisen. Ein Flächenzuwachs wäre lt. Messe-Gutachten nur durch eine Ausweitung des Messeprogramms zu amortisieren gewesen. Selbst hierfür hatten die Gutachter bei dem damals wie heute gesättigten Messemarkt keine Erfolgschancen gesehen.

Der dritte Zielkomplex sah vor, Messeplätze vorrangig zu fördern, deren Potenzial an Wirtschaft und Bevölkerung und damit an Ausstellern und Besuchern möglichst hoch ist. Diese gutachterliche Vorgabe wurde bei den acht für die Landesförderung ausgewählten Messestandorten erfüllt.

Im vierten Zielkomplex setzten die Gutachter für die Idealmesse ein Mindestmaß an Hardware voraus und subsumierten darunter u. a. die qualitative Ausstattung und die Multifunktionalität eines Messestandortes. Der Aspekt der Multifunktionalität sollte eine bessere Auslastung der Einrichtungen bei Regionalmessen erreichen. Mit der Förderung multifunktional - u. a. für sportliche und kulturelle Events - nutzbarer Messehallen wurde ein Überangebot an festen Hallenflächen für diesen Veranstaltungssektor geschaffen. Hier griff das Land in den Wettbewerb auf dem Messemarkt ein und dürfte mit seiner Förderung, insbesondere entlang der Rheinschiene, einen defizitären Wettbewerb unter den Messestandorten begünstigt haben. Eine Förderung multifunktionaler Messebauten mag zwar unter strukturpolitischen Gesichtspunkten zur Stärkung eines Messestandortes beitragen. Eine Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen im Sinne des Mittelstandsförderungsgesetzes sind die bewilligten Landesmittel für solche Neubauten zum Zweck der Durchführung von Fernseh-Shows, Konzert- und Sportveranstaltungen jedoch nicht.

Nach Auffassung des RH ist dies ein ureigener kommunaler Aufgabenbereich. Die Folgen des mit Landesmitteln geförderten quantitativen Ausbaus bzw. Neubaus der Messen sind absehbar. Die wettbewerblichen Auswirkungen dürften zu einem Rückgang der Auslastungsgrade und zu größeren Defiziten in den Jahresabschlüssen führen.

2.2 Förderverfahren

Das WM ging zu Beginn der Förderaktivitäten davon aus, dass in einem Förderzeitraum von fünf Jahren, beginnend ab 1997, lediglich eine Anschubfinanzierung durch das Land für dringend gebotene Verlegungs- oder Modernisierungsmaßnahmen erfolgen sollte. Der tatsächliche Zeitraum von der beschlossenen Förderkonzeption bis zur Bewilligung dauerte jedoch oft Jahre. Für einige Vorhaben ist bis heute noch nicht einmal die Bewilligung erfolgt. Bei verschiedenen Förderprojekten konnte der lange Verfahrenszeitraum nur durch Unbedenklichkeitsbescheinigungen für einzelne Bauabschnitte überbrückt werden, teilweise ohne vorherige Beteiligung der parlamentarischen Gremien. Der Wirtschaftsausschuss des Landtags sah in dieser Verfahrensweise eine Missachtung des Budgetrechts des Parlaments und rügte diese Praxis u. a. in seiner Sitzung am 24.11.2004.

Die Gründe für die zähe Verfahrensabwicklung waren bei den Messeträgern selbst und deren fehlenden Planungen oder deren schwieriger Finanzlage zu suchen. Oft waren die Konzeptionen der Messestandorte noch nicht soweit ausgereift, dass sie den Anforderungen eines detaillierten Förderantrags gerecht werden konnten, oder aber die kommunalen Entscheidungen über Messeinvestitionen wurden durch private Messeveranstalter fremdbestimmt, um z. B. die angedrohte Verlegung von Messeveranstaltungen durch Erweiterungsvorhaben zu verhindern. Außerdem hatte das WM mit seiner Bedarfsermittlung bei den Messeträgern Begehrlichkeiten geweckt und wurde dann von den angemeldeten, teils auf jahrzehntelangen Sanierungs- und Modernisierungsstaus beruhenden Maßnahmenkatalogen regelrecht überrollt.

Zwar war im Förderkonzept für die Regionalmessen aus dem Jahr 1997 explizit ausgeführt, dass reine Unterhaltungsmaßnahmen und Schönheitsreparaturen nicht gefördert werden. An verschiedenen Messestandorten hat der RH jedoch festgestellt, dass nicht nur Unterhaltungsmaßnahmen in Hallen, am Hallendach und -boden, in Küchen und Sanitäranlagen gefördert, sondern sogar Straßenunterhaltungsmaßnahmen auf dem Messegelände in die förderfähigen Kostenpositionen aufgenommen worden waren. So wurden Ersatzbeschaffungen und Erhaltungsaufwand gefördert, obwohl die Kriterien für die Ausgrenzung solcher Aufwendungen zwischen RH und WM bereits in früheren Prüfungsverfahren geklärt worden waren.

Parallel zu den Begehrlichkeiten, die das WM mit seiner Abfrage weckte, stieg mit den eingehenden Bedarfsmeldungen auch der Bedarf an Landesmitteln. War zunächst die in der Koalitionsvereinbarung 1996 vorgesehene Unterstützung für Investitionen regionaler Messen aus der Zukunftsoffensive II „Chancen für die junge Generation“ mit rd. 38 Mio. €, davon allein rd. 15 Mio. € für die Verlegung der Internationalen Messe Friedrichshafen, dotiert, mussten bereits im Mai 2000 mit der Ministerratsentscheidung über die Verlegung der Messe Karlsruhe Teilbeträge aus dem Einzelplan des WM bereitgestellt werden. Durch die dritte und letzte Förderrunde im Januar 2004 sind die bereitgestellten Haushaltsmittel auf nunmehr rd. 65 Mio. € erhöht worden. Seit 1996 ist die Landesförderung also um rd. 70 % ausgeweitet worden.

2.3 Baufachliche Aspekte

Aus der baufachlichen Prüfung entwickelte der RH unter der Prämisse des geringsten Aufwands und einer maximalen Planungssicherheit zielgerichtete Vorschläge für eine künftige Förderung. Diese sollte auf Richtflächen und Richtwerten aufgebaut und nach Neubau- und Umbauvorhaben unterschieden werden.

Das Raster für die Kostenermittlung von Neubauvorhaben sieht für die einzelnen Kostengruppen aufgrund des von den Messeträgern vorgelegten Raumprogramms (Gebäude- und Freiflächen) die in Übersicht 3 dargestellte Bewertung vor.

2005-B013-Üb3.jpg

Anhand dieses Rasters können die maximale Höhe der förderfähigen Kosten ermittelt und mit dem vorgegebenen Fördersatz (z. B. 15 %) die Zuwendung des Landes als Festbetrag berechnet werden.

Eine Vergleichsberechnung mit dem o. a. Raster am Projekt Messe Freiburg ergab fast annähernd dieselbe Fördersumme, die Jahre zuvor in einem aufwendigen Verfahren unter Einbeziehung der baufachlichen Beratung durch öffentliche und private Stellen ermittelt worden war.

Für Umbau- oder Erweiterungsmaßnahmen schlägt der RH folgende Vorgehensweise vor:

  • Die Kosten werden nach DIN für die Kostengruppen 300 bis 600, begrenzt auf maximal 70 % des o. g. Neubauwerts (s. Übersicht 3), ermittelt;

 

  • Die Baunebenkosten (Kostengruppe 700) werden mit 15 % angesetzt;

 

  • Bei Umbaumaßnahmen wird für unterlassene Instandhaltung eine Pauschale in Höhe von 10 % abgezogen.

Die so ermittelte Summe der förderfähigen Kosten wird mit dem vorgegebenen Fördersatz (z. B. 15 %) multipliziert und die Zuwendung des Landes als Festbetrag abschließend berechnet.

Anhand des baufachlich entwickelten Rasters können die Höhe der förderfähigen Kosten einfach ermittelt und die erforderlichen Fördermittel schnell berechnet werden. Der RH erwartet davon einerseits für den Zuwendungsempfänger u. a. weniger Antragsaufwand, schnellere Förderzusagen, Stärkung der Eigenverantwortung, Planungssicherheit und Sparanreize. Für den Zuwendungsgeber könnten andererseits u. a. ein geringerer Prüfungsaufwand im Antragsstadium, eine einheitliche Grundlage und einheitliche Fördersätze, ein Verzicht auf Förderrichtlinie, baufachtechnische Beratung und Prüfung, der Wegfall einer Vielzahl von Auflagen und erhebliche Verwaltungsvereinfachung eintreten.

2.4 Zukunft der Messen

Nach Publikationen der Fachpresse vermieten deutsche Messeträger jedes Jahr weniger Flächen; dennoch werde die Hallenkapazität weiter ausgebaut. Das führe nicht nur zu Überkapazitäten und zu vermehrt leer stehenden Hallenflächen. Es heize überdies den Wettbewerb unter den Messestandorten an und wirke sich auf die Quadratmeterpreise bei der Vermietung aus. Dies wiederum erschwere es den Veranstaltern, auskömmliche Ergebnisse zu erreichen.

Diese Aussagen werden durch die bundesweiten Trends für die Regionalmessen, die der Ausstellungs- und Messe-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft e. V. in Berlin (AUMA) auf der Basis der Jahre 1999 bis 2003 erstellt hat, (s. Schaubilder 2 bis 5) untermauert.

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Nach den Ausführungen des AUMA mussten im Jahr 2003 Veranstaltungen mit regionalem Einzugsgebiet im Vergleich zu den Vorjahren nochmals Rückgänge ihrer wichtigsten Kennzahlen hinnehmen, wobei sich allerdings die Besucherzahlen stabilisiert haben. Von Aussteller- und Flächenrückgängen betroffen waren vor allem Fachbesucherveranstaltungen, insbesondere in bau- und handwerksnahen Branchen. Allgemeine Verbraucherausstellungen und themenspezifische Ausstellungen für den Verbraucher konnten sich im Schnitt relativ gut behaupten. Die bundesweiten Zahlen für die Regionalmessen zeigen ab dem Jahr 2001 eine deutliche Abwärtsbewegung. So reduzierte sich die Zahl der Aussteller im Jahr 2003 gegenüber dem Jahr 2001 um 14 %, die vermietete Fläche um 19 %, die Zahl der Besucher um 15 % und die der Messeveranstaltungen um 21 %.

In dieser Situation würden die meisten Messestrategien auf eine Optimierung des Geschäfts hinauslaufen und seien in vier Bereiche einzuteilen. Wachstumsfelder sollen erstens durch neue Messen, zweitens durch Teilung bestehender Veranstaltungen, drittens durch Schaffung von neuen lokalen oder regionalen Events und viertens durch Fusion und Akquisitionen erschlossen werden.

Dem ist nach den Feststellungen des RH noch eine fünfte Kategorie hinzuzufügen, nämlich die Abwerbung von erfolgreichen Veranstaltungen bei den Messekonkurrenten. So ist für die Eröffnung der neuen Landesmesse eine Großveranstaltung vorgesehen, die bisher in einer anderen Messestadt stattfindet und von dort nach Stuttgart gezogen werden solle. Die Messe Karlsruhe holte im Jahr 2004 die Fachmesse Resale von Nürnberg nach Karlsruhe und wird im Jahre 2005 die Fachmesse KomCom von Mannheim nach Karlsruhe holen. Bereits im Jahre 2003 wurde die Pforzheimer Schmuckmesse Interjuwel nach Karlsruhe verlegt. Von Pforzheim warb Freiburg Jahre zuvor auch die Fachmesse Intersolar ab, die nun am Messestandort Freiburg an ihre räumlichen Grenzen stieß.

Das WM bewertet solche Abwanderungen von Themen und Veranstaltungen als normale Vorgänge, wobei sich dieser „Verschiebebahnhof“ innerhalb des baden-württembergischen Messemarktes ausgleichen würde. Schließlich könnten auch Messen von anderen Bundesländern abgeworben werden. Dieselbe Argumentation nimmt aber auch die Messe Nürnberg für sich in Anspruch. Sie hat im Jahr 2002 den Ausbau der Ausstellungsfläche auf dann 160.000 m² beschlossen, wodurch eine weitere Konkurrenzsituation für die Messen des Landes entsteht.

Die Marktentwicklung könnte sich durch einen von vielen Experten prognostizieren Verlagerungsprozess in den asiatischen Raum noch verschärfen. Zudem ist nach diesen Prognosen zu erwarten, dass sich die fortschreitende Nutzung des Internets zur Präsentation der Produktpaletten und der mittelständischen Firmen negativ auf den Messemarkt auswirken könnte. Zwar werden nach Ansicht der Experten die regionalen Fachmessen als Fenster der mittelständischen Wirtschaft übrig bleiben; es würden aber weniger Flächen benötigt.

3 Gesamtbewertung und Empfehlung

Zusammengefasst muss festgestellt werden, dass die Ziele des baden-württembergischen Messeleitbildes allenfalls eingeschränkt erreicht und die vom WM hierzu aufgestellten Kriterien nur teilweise erfüllt worden sind. Die Abweichung von der ursprünglichen Konzeption, das teilweise Ignorieren des Expertenrats und die vielfach auf Druck der Kommunen zustande gekommene Förderung nach dem „Gießkannenprinzip“ führen zu einer Wettbewerbssituation, in der geförderte Messestandorte einen schweren Stand haben und gefährdet sind.

Der RH ist der Auffassung, dass angesichts der Zukunftsprognosen für die Messelandschaft insgesamt eine künftige Förderung nur dann vertretbar ist, wenn eine vorherige sorgfältige Analyse des Messemarktes und der Wettbewerbssituation unter Berücksichtigung betriebswirtschaftlicher Rentabilitätsbeurteilungen zu einem eindeutig positiven Ergebnis führt und wenn ein besonderes strukturpolitisches und wirtschaftliches Interesse des Landes besteht. Dabei sollten Fördermaßnahmen auch unter stringenter Beachtung der Zielsetzungen des Mittelstandsförderungsgesetzes beurteilt werden. Der Neubau von Multifunktionshallen dürfte diesen Zielsetzungen nicht entsprechen und im alleinigen Interesse der Kommunen bzw. der Betreibergesellschaften liegen.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das WM macht geltend, Leitbild und Förderkonzept würden angesichts der Individualität der einzelnen Messeplätze und ihrer verschiedenen Veranstaltungen keine zwingend zu beachtenden Einzelkriterien enthalten, sondern einen relativ offenen Orientierungsrahmen mit vier Zielkomplexen zugeordneten abwägungsfähigen Gesichtspunkten darstellen. Es handele sich dabei um idealtypische Anforderungen, die auf die real vorhandenen Messestandorte nicht schematisch angewandt werden können.

Der Ministerrat habe sich deshalb 1997 in seinem Grundsatzbeschluss dafür entschieden, die konkreten Förderentscheidungen aufgrund abwägender Einzelfallprüfungen vorzunehmen, um bestehende individuelle Defizite so abzubauen, wie es die realen Verhältnisse (unter Berücksichtigung der idealtypischen Anforderungen) erforderten. Der Umstand, dass das Messeleitbild und das Förderkonzept als relativ offener Orientierungsrahmen gefasst worden seien, habe es ermöglicht, am Messemarkt gut eingeführte Messestandorte flexibel bei der notwendigen Weiterentwicklung zu unterstützen und damit insgesamt die bewährte dezentrale Messelandschaft Baden-Württembergs zu erhalten. Hätte man die Zielkomplexe und ihre Einzelaspekte absolut genommen (als zwingend notwendige, nicht abwägungsfähige Fördervoraussetzungen), wäre die Förderung der Messen Freiburg, Mannheim, Sinsheim, Villingen-Schwenningen und Ulm nicht möglich gewesen, da hier jeweils einzelne Gesichtspunkte der idealtypischen Anforderungen nicht erfüllt gewesen seien.

Die Behauptung, die Priorisierung von Fachmessen habe keine Rolle bei der Vergabe der Fördermittel gespielt, treffe nicht zu; insoweit sei auf die ausführlichen gutachterlichen Untersuchungen zu jedem Messestandort zu verweisen. Beim Aspekt „Ausbau vor Neubau“ übersehe der RH, dass damit keineswegs Flächenerweiterungen eine Absage erteilt worden sei (das Messe-Gutachten habe solche sogar gefordert), sondern raumordnerischen Überlegungen, die darauf zielten, zur Förderung der Gleichwertigkeit von Lebensbedingungen zusätzliche Messestandorte in den Räumen aufzubauen, in denen sich am Markt keine Regionalmessen durchgesetzt hatten. Der vom RH kritisierte Flächenzuwachs, bei dem insbesondere auch zur Qualitätssicherung Zelthallen durch feste Hallen ersetzt worden seien, beziehe sich auf einen mehr als zehnjährigen Zeitraum (1997 bis 2008); die wirtschaftliche Tragfähigkeit der jeweiligen Ausbaupläne sei dabei jeweils sorgfältig geprüft worden. Gemessen an der wirtschaftlichen Leistungskraft Baden-Württembergs gebe es, wie auch der Vergleich mit anderen Bundesländern zeige, heute und auch nach 2008 keinesfalls ein Übermaß an Messeflächen. Hinsichtlich der im Leitbild und Förderkonzept ausdrücklich verankerten Förderung von sog. multifunktionalen Messehallen vermag sich das WM der Auffassung des RH nicht anzuschließen. Zum einen würden sie vorteilhafte zusätzliche Möglichkeiten zur Durchführung von Kongressmessen eröffnen, zum anderen würde ihre Förderung auch unter strukturpolitischen Gesichtspunkten zur Stärkung eines Messestandortes beitragen. Regionalmessen benötigten neben dem, aus Landessicht vorrangig wichtigen, Messegeschäft für eine betriebswirtschaftlich erfolgreiche Auslastung der Hallen auch ein starkes Geschäft im Event-Bereich. Auch das Messe-Gutachten spreche klar aus, dass die Regionalmessen für ihre Weiterentwicklung multifunktional nutzbare Hallen benötigen.

Zugestimmt werden könne der Auffassung des RH, dass an dem sportliche und kulturelle Events betreffenden Teil des regionalen Messengeschäftes kein originäres, wirtschaftspolitisches Interesse des Landes bestünde. Diesem Umstand wäre aber ausreichend durch die limitierte Höhe des Fördersatzes Rechnung getragen worden. Ohne die Förderung von auch multifunktional nutzbaren Messehallen wäre gerade das begünstigt worden, was der RH nicht wolle, nämlich ein defizitärer Wettbewerb unter den Messestandorten.

Richtig sei die Aussage des RH, dass es zum Zeitpunkt der Erstellung des Messeleitbildes und des Förderkonzeptes einen jahrzehntelangen Sanierungs- und Modernisierungsstau bei den Regionalmessen gegeben habe und dass die Anlagen veraltet und teilweise marode gewesen seien. Gerade diese vorgefundene Sachlage habe die Landesregierung veranlasst, fördernd einzugreifen, um die Messeträger, die hier dem Land gegenüber zu nichts verpflichtet waren, zu Investitionen zu bewegen, an denen das Land ein eigenes struktur- und wirtschaftspolitisches Interesse hatte und hat. Die einzelnen Projekte würden dabei (trotz der verschlechterten kommunalen Haushaltslage) zum größten Teil innerhalb des 1997 vom Ministerrat für Antragstellung und Realisierung in Aussicht genommenen neunjährigen Zeitraumes bis 2006 umgesetzt sein. Der bauliche Zustand der Regionalmessen habe ein höheres Maß an Fördermitteln als zunächst geplant erfordert; für den Ministerrat und insbesondere für das Parlament, das sukzessive jeweils die Finanzmittel bereitgestellt habe, sei jedoch die Erreichung des struktur- und wirtschaftspolitischen Ziels, die dezentrale Messelandschaft Baden-Württembergs konkurrenzfähig zu erhalten, wichtiger gewesen als ein starres Festhalten an den finanziellen Annahmen von 1997.

Soweit der RH darauf hingewiesen habe, dass im Förderkonzept für die Regionalmessen von 1997 reine Unterhaltungsmaßnahmen und Schönheitsreparaturen nicht förderfähig sind, sei dies richtig. Gefördert worden seien aber auch nur entweder der komplette Neubau von Messeanlagen oder aber umfassende Maßnahmen zur grundlegenden Erneuerung der Messeanlagen, bei denen Unterhaltungsmaßnahmen und Schönheitsreparaturen untrennbarer, aber nur nachrangiger Teil des Gesamtprojektes waren und deshalb angesichts des Wortlautes des Förderkonzeptes und des limitierten Fördersatzes von der Förderung auch nicht ausgeschlossen wurden. Das WM sei im Übrigen gerne bereit, die - auf Neubauvorhaben bzw. Umbau- oder Erweiterungsmaßnahmen beschränkte und damit nicht das gesamte Spektrum der Hardware-Investitionen der Regionalmessen umfassende - Empfehlung des RH zur Ermittlung der förderfähigen Kosten aufzugreifen, soweit sie sich als umsetzbar erweise. Dies hänge davon ab, ob es der Oberfinanzdirektion als baufachlicher Prüfungsstelle möglich sei, den „Richtwert“ festzulegen, den die Berechnungsmethode des RH voraussetze.

Die skeptische Einschätzung des RH zur künftigen Entwicklung des deutschen Messemarktes, die sich im Wesentlichen auf drei Aspekte, nämlich die kurzfristige Entwicklung der letzten Jahre sowie auf Annahmen über einen „Verlagerungsprozess in den asiatischen Raum“ und eine „fortschreitende Nutzung des Forums Internet“ stütze, greife nach Auffassung des WM zu kurz. Das WM legt ausführlich dar, dass es die Situation insoweit optimistischer einschätze. Die Bedeutung der Messen werde nach seiner Einschätzung auch in Zukunft nicht geringer werden. Für die deutschen Unternehmen würden Messebeteiligungen zu den wichtigsten Instrumenten der Business-to-Business-Kommunikation gehören. Nach wie vor seien die Ausführungen des Messe-Gutachtens richtig, dass „Messen mit ihren intensiven und höchstwertigen Informations- und Kommunikationsfunktionen eine zentrale Schlüsselrolle bei der Wirtschaftsförderung einnehmen und als Infrastruktureinrichtung einen wichtigen Standortfaktor für die Wirtschaft darstellen“ würden.

Das WM sei insgesamt der Auffassung, dass die Ziele des 1997 als Orientierungsrahmen beschlossenen Messeleitbildes und Förderkonzeptes und die dort genannten abwägungsbedürftigen Einzelaspekte bei der Umsetzung der Regionalmessenförderung durch Einzelfallentscheidungen des Ministerrates durchweg - einschließlich des Expertenrates des Gutachters - beachtet worden seien. Dadurch sei es gelungen, das struktur- und wirtschaftspolitische Ziel zu erfüllen, die bewährte dezentrale Messelandschaft Baden-Württembergs zu erhalten und konkurrenzfähig weiterzuentwickeln. Dass ein besonderes struktur- und wirtschaftspolitisches Interesse des Landes an den Regionalmessen bestehe, sei mit dem verbindlichen Landesentwicklungsplan 2002 positiv entschieden.

5 Schlussbemerkung

Der RH vermag der Argumentation des WM nicht zu folgen, dass die Förderung der baden-württembergischen Messelandschaft eine originäre Aufgabe des Landes sein muss, auch wenn die Standortsicherung aus strukturpolitischer Sicht in den Landesentwicklungsplan aufgenommen wurde. Darunter kann insbesondere nicht die Förderung von Multifunktionshallen für kulturelle und sportliche Events in der Region subsumiert werden. Nach Auffassung des RH handelt es sich bei Bau, Unterhaltung und Betrieb von Messen um eine Aufgabe, die vorrangig von Kommunen oder Privaten wahrzunehmen ist.

Das vom WM angeführte Argument, dass auch andere Bundesländer über große Messeflächen verfügen, ist nicht geeignet, die staatliche Förderung von weiteren Flächen, die am Markt nicht ausreichend nachgefragt werden, zu begründen.

Der RH bleibt bei seiner abschließenden Bewertung, dass das Land durch die Regionalmessenförderung mit einem Mitteleinsatz von rd. 65 Mio. € und der damit finanzierten erheblichen Zunahme von Hallenflächen eine Wettbewerbssituation geschaffen hat, die die geförderten Messestandorte letztendlich gefährden könnte; dies gilt insbesondere für die konzentrierte Förderung von Multifunktionshallen entlang der Rheinschiene.


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Anhänge

Der Landesbetrieb Mess- und Eichwesen erwirtschaftete in den Jahren 2001 bis 2003 einen Gesamtverlust von insgesamt rd. 10 Mio. €. Durch organisatorische Änderungen der Aufbau- und Ablauforganisation sowie durch eine Einnahmesteigerung sollte die Wirtschaftlichkeit verbessert werden. Das Wirtschaftsministerium sollte darauf hinwirken, dass die bevorstehende Privatisierung von Eichaufgaben nicht zu einer zusätzlichen Belastung des Landeshaushalts führt, sondern mindestens mittelfristig eine Entlastung bewirkt.


1 Vorbemerkung

Für das Mess- und Eichwesen hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz (Art. 73 Nr. 4 Grundgesetz), die er mit dem Gesetz über Einheiten im Messwesen, dem Eichgesetz und dem Medizinproduktegesetz wahrgenommen hat. Durch Koordinierung in Gremien, wie dem Bund-Länder-Ausschuss für „Gesetzliches Messwesen“, wird ein einheitlicher Vollzug durch die Länder gewährleistet, so insbesondere durch die Abstimmung von Verwaltungsvorschriften und durch Beschlüsse zum einheitlichen Vorgehen in konkreten Einzelfällen. Daneben bestehen EU-Richtlinien.

In den Ländern werden die Aufgaben des gesetzlichen Messwesens durch Eichbehörden wahrgenommen. In Baden-Württemberg war die Eichverwaltung bis 31.12.1999 eine Abteilung des Landesgewerbeamts Baden Württemberg. Sie wurde zum 01.01.2000 in einen Landesbetrieb Mess- und Eichwesen Baden-Württemberg (MEBW) nach § 26 LHO umgewandelt. Nach dem Verwaltungsstrukturreformgesetz ist der MEBW mit einer Eichdirektion und neun Eichämtern mit Wirkung vom 01.01.2005 organisatorisch dem RP Tübingen zugeordnet.

Bei der Eichverwaltung handelt es sich um eine Eingriffsverwaltung mit polizeilichen Befugnissen im gesetzlichen Messwesen. Nach der heutigen Rechtslage sind das Eichen eichpflichtiger Geräte, die Kontrolle von Füllmengen bei Fertigpackungen usw., das gesetzlich verankerte Bereithalten von Maßen aller Art sowie die Überwachung der privaten Stellen und die Überwachung der Messgeräte beim Verwender (Nachschau) hoheitliche Aufgaben und bilden den Schwerpunkt der Arbeit der Eichbehörde. Zu den weiteren Aufgaben gehört auch die Zertifizierung von Qualitätsmanagementsystemen bei Waagenherstellern, die selbst eichen wollen, die Anerkennung und Beaufsichtigung von Prüfstellen in der Energie- und Wasserversorgung, die Überwachung medizinischer Labors auf die Einhaltung der vorgeschriebenen Qualitätskontrollen und die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten nach dem Einheiten-, Eich- und Medizinproduktegesetz.

Der RH hat, unterstützt durch die StRPÄ Freiburg, Karlsruhe und Stuttgart, untersucht, welche Auswirkungen die Neustrukturierung der Eichverwaltung auf die Haushalts- und Wirtschaftsführung hatte und inwieweit Effizienz und Effektivität gesteigert werden konnten. Er hat sich auch mit der Frage befasst, inwieweit die Aufbau- und Ablauforganisation optimiert und der künftigen Entwicklung des Mess- und Eichwesens, bedingt durch anstehende Gesetzesänderungen und Privatisierungsabsichten, angepasst werden sollte.

Die Erkenntnisse aus der Prüfung geben Anlass, auf eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und mittelfristig auf eine Optimierung der Organisationsstruktur hinzuwirken.

2 Ziele des Landesbetriebs

Mit der Umwandlung der Eichverwaltung in einen Landesbetrieb wurde im Wesentlichen das Ziel verfolgt, ein selbstständigeres und wirtschaftlicheres Arbeiten, die umfassende Kontrolle der Einnahmen und Ausgaben sowie eine Kostentransparenz zu ermöglichen. Weitere Parameter zur Beurteilung von Erfolg oder Misserfolg des Landesbetriebs wurden nicht festgeschrieben.

Vor der Errichtung eines Landesbetriebs nach § 26 LHO müssen jedoch eindeutige Festlegungen getroffen werden, welche operativen Ziele verfolgt werden. Zur Beurteilung des Erfolgs sind geeignete Messgrößen für den Ist- und Sollzustand zu definieren, um den Umwandlungsprozess zeitnah prüfen zu können. Es sind also, z. B. in einem Business-Plan, Zielgrößen zu fixieren, die zu einem bestimmten Zeitpunkt erreicht werden müssen (z. B. Reduzierung der Personalkosten oder Erhöhung der Einnahmen um eine bestimmte Größe oder das Erreichen konkreter anderer betriebswirtschaftlicher Kennzahlen oder Festlegen des Break-even-Points). Nur wenn solche Ziele festgeschrieben werden, macht die Umwandlung fiskalisch einen Sinn. Spätere konkrete Aussagen über eine wirtschaftlich erfolgreiche oder misslungene Umwandlung sind ohne solche Ziele nicht möglich . Das WM hat zwar vor der Entscheidung über die Umwandlung der Eichverwaltung in einen Landesbetrieb pauschale operative Ziele definiert, konkrete betriebswirtschaftliche Kennzahlen wurden aber nicht vorgegeben. Der RH verkennt nicht, dass die Umwandlung vor diesem Beschluss vollzogen wurde.

Der Landesbetrieb definiert inzwischen in seinen Jahresberichten, die er zusammen mit den Jahresabschlüssen dem WM zur Genehmigung vorlegen muss, strategische Ziele und den erreichten Zustand. Die vom Landesbetrieb vorgelegten Jahresabschlüsse und Lageberichte der Jahre 2001 bis 2003 sind vom WM nicht zeitgerecht, sondern erst zu Beginn des Jahres 2005 formal genehmigt worden. Auf die Prüfung durch einen externen Abschlussprüfer wurde aus Kostengründen verzichtet.

3 Struktur

Nach der Umwandlung der Eichverwaltung in den MEBW wurde zum 01.05.2003 als weiterer Schritt der Strukturänderung der einstufige, organisatorische Aufbau des Eichwesens umgesetzt. Durch diese Organisationsform mit flexibler Personalsteuerung und landesweitem Einsatz des spezialisierten Personals der Eichverwaltung ohne Verletzung von Zuständigkeitsvorschriften wurden eine gebietsmäßig optimierte Aufteilung der Aufgaben sowie ein gleichmäßiger Stand der Arbeitserledigung im operativen Geschäft im ganzen Land angestrebt.

Die Struktur des Mess- und Eichwesens gibt - Stand 31.12.2003 - das Schaubild wieder.

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Der MEBW besteht aus der Eichdirektion Stuttgart als Verwaltungs- und Steuerungseinheit sowie den neun Betriebsstätten (ehemals Eichämter) Albstadt, Fellbach, Freiburg, Heilbronn, Karlsruhe, Mannheim, Ravensburg, Ulm und Wertheim mit vier Außenstellen und zwei Normalgerätelagern. Zum 01.01.2004 wurde die Außenstelle Konstanz des Eichamtes Freiburg dem Eichamt Albstadt zugeordnet. Nach Abschluss von Sanierungsmaßnahmen in der Außenstelle Donaueschingen des Eichamts Albstadt wird die bisherige Außenstelle Konstanz im Lauf des Jahres 2005 aufgelöst. Die drei Mitarbeiter werden zur Außenstelle Donaueschingen versetzt, die Immobilie in Konstanz ist zum Verkauf vorgesehen.

Bei der Eingliederung des MEBW in das RP Tübingen als Abteilung 10 zum 01.01.2005 wurden die bisherigen vier Geschäftsbereiche (Referate) der Eichdirektion um einen weiteren Geschäftsbereich (Referat) erweitert. Die Struktur der Eichämter, wie sie sich zum 01.01.2004 darstellte, wurde dagegen unverändert beibehalten.

4 Kostenbetrachtungen

4.1 Personalbestand und -kosten

Der MEBW verfügte im Jahr 2003 im Jahresdurchschnitt über insgesamt 227 Mitarbeiter. Die Kosten für diese Mitarbeiter betrugen im Jahr 2003 insgesamt 9,21 Mio. € und waren um 6,5 % höher als im Jahr 2001 (8,65 Mio. €).

4.2 Finanzielle Gesamtergebnisse

4.2.1 Gewinn- und Verlustrechnung des Landesbetriebs Mess- und Eichwesen

Der MEBW hat nach seinen Gewinn- und Verlustrechnungen (GuV) der Jahre 2001 bis 2003 Verluste in Höhe von insgesamt rd. 5 Mio. € erwirtschaftet; die Jahresverluste bewegen sich zwischen 1,2 Mio. € und 2 Mio. €.

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Der MEBW hat danach in den Jahren 2001 bis 2003 eine durchschnittliche Kostenunterdeckung von rd. 15 % erzielt. Das im Jahr 2002 gegenüber 2001 deutlich geringere Defizit wurde durch die Erhöhung der Eichgebührensätze zum 01.09.2001 und die dadurch deutlich höheren Gebühreneinnahmen wesentlich beeinflusst.

Im Geschäftsjahr 2003 konnten zwar die Erträge nochmals um rd. 60.000 € gesteigert werden, gleichzeitig stiegen jedoch die Aufwendungen um rd. 493.000 €, sodass insgesamt ein Verlust von 1.677.800 € erwirtschaftet wurde, d. h. gegenüber dem Vorjahr erhöhte sich das Defizit um rd. 35 %.

Bei einem fiktiven Ansatz der für den öffentlichen Bereich nach § 8 Verwaltungskostengesetz erbrachten gebührenfreien Eichungen verringert sich zwar die Kostenunterdeckung, sie beträgt aber im Durchschnitt aller drei dargestellten Jahre immer noch rd. 10 %.

4.2.2 Fiktive Vollkostenrechnung

Die GuV des MEBW erfasst nur einen Teil der Kosten. Nicht berücksichtigt sind die Gebäudebewirtschaftungskosten, z. B. Mieten, Fremdreinigungs-, Energie- und Gebäudeunterhaltungskosten, sowie Personalkosten für eine Vollkraft für die Personalverwaltung aller Mitarbeiter des MEBW, für Rechtsberatung, für den Postversand und für die Tätigkeit des Beauftragten für den Haushalt.

Um eine annähernde Vollkostenrechnung erstellen zu können, hat der RH die Gebäudebewirtschaftungskosten des Jahres 2003 nach Angaben des örtlich zuständigen Vermögens- und Bauamts mit insgesamt 1,625 Mio. € errechnet. Hinzu kommen noch Personalaufwendungen von rd. 50.000 €, sodass Gesamtaufwendungen in Höhe von jährlich mindestens 1,675 Mio. € in der GuV bisher nicht erfasst worden sind.

Unterstellt man die für 2003 dargestellten Kosten auch für 2001 und 2002, so erhöht sich der Gesamtverlust für diesen Zeitraum von rd. 5 Mio. € auf rd. 10 Mio. € (Unterdeckung 25,8 % statt 14,7 %).

Der RH hat auch anhand der Ergebnisse des Jahres 2003 untersucht, wie sich die Gewinne bzw. Verluste der Eichdirektion und der Eichämter darstellen, wenn die bisher der Eichdirektion belasteten Overhead-Kosten und die oben angeführten kalkulatorischen Kosten von 1,675 Mio. € auf die Eichämter umgelegt werden, und welcher Kostendeckungsgrad jeweils erreicht wird. Dabei wurden fiktive Einnahmen aus nach § 8 Verwaltungskostengesetz „gebührenfreien Eichungen“ in Höhe von rd. 623.000 € berücksichtigt (s. Übersicht 2).

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Danach erzielen nur die beiden Eichämter Karlsruhe und Ravensburg positive Ergebnisse, während sich bei den übrigen Einrichtungen teilweise eine erhebliche Kostenunterdeckung ergibt. Die höchste Kostenunterdeckung unter den Eichämtern erzielt das Eichamt Wertheim mit 58,6 %. Diesen Wert übertrifft nur noch die Eichdirektion mit einer Kostenunterdeckung von rd. 68 % oder 1,027 Mio. €.

Nach den Berechnungen des RH musste der MEBW im Jahr 2003 für 1 € Gebühren- und Entgelteinnahmen durchschnittlich 1,26 € aufwenden.

Bei dieser Kostendeckungsrechnung wurde nicht berücksichtigt, dass der MEBW zusätzlich zu den gebührenfreien Eichungen nach § 8 Verwaltungskostengesetz im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags weitere nicht gebührenfähige Leistungen erbringt, wie z. B. polizeiliche Kontrollen (Nachschau) und Vollzugsmaßnahmen. Einschließlich des Zeitaufwands für die Bearbeitung von Ordnungswidrigkeiten entstanden dafür im Jahr 2003 je nach Zuordnung der einzelnen Kostenträger Aufwendungen in der Größenordnung zwischen rd. 752.000 € und 915.000 €. Diese Beträge, vermindert um die Einnahmen aus Buß- und Verwarnungsgeldern (im Jahr 2003 rd. 280.000 €), relativieren den vom RH errechneten Jahresfehlbetrag des MEBW.

Der RH verkennt nicht, dass Standortvorteile, wie z. B. die räumliche Nähe des Eichamts Karlsruhe zur Raffinerie, der wirtschaftliche Wert der Dienstleistung, die altersbedingte Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter usw., den Kostendeckungsgrad des einzelnen Amtes beeinflussen können. Unabhängig davon lassen die sehr divergierenden Zahlen aber auf Optimierungspotenziale schließen.

5 Verbesserung der Wirtschaftlichkeit des Landesbetriebs Mess- und Eichwesen

5.1 Aufbau- und Ablauforganisation

Die frühere „Amtsstruktur“ der Eichverwaltung wurde zwar mit der Aufhebungsanordnung vom 25.02.2003 formal abgeschafft, faktisch bestehen aber nach wie vor die alten Strukturen der Eichverwaltung. Die mit der Schaffung des einstufigen Aufbaus des MEBW verfolgten Ziele, u. a. eine gebietsmäßig optimierte Aufteilung der Aufgaben und die Erzielung eines gleichmäßigen Stands der Aufgabenerledigung im operativen Bereich des landesweit arbeitenden MEBW, wurden insgesamt noch nicht erreicht.

So wurde beispielsweise seit Jahren das hoch defizitäre Eichamt Wertheim (bei einem Kostendeckungsgrad von 41,4 % im Jahr 2003 betrug der nominale Verlust 346.110 €) weitergeführt. Die Aufhebung der Eichpflicht für Kühlthermometer im Jahr 1994, die Einführung von Konformitätsprüfungen für Volumenmessgeräte im Jahr 1988 und für medizinische Thermometer im Jahr 1995 sowie die Konkurrenzsituation mit einem anderen Eichamt außerhalb von Baden-Württemberg brachten das auf Glasmessgeräte spezialisierte Eichamt in diese prekäre finanzielle Lage. Trotz der Reduzierung der Zahl der Arbeitskräfte besteht nach wie vor eine erhebliche Überkapazität. Mögliche anderweitige Zuweisungen von Eichaufgaben erfolgten nicht; vielmehr wurde die Spezialisierung des Eichamts als „Glas-Eichamt“ aufrechterhalten. Die vom RH im Verlauf der Prüfung aufgezeigten Möglichkeiten der Übertragung von allgemeinen Eichaufgaben wurden von der Eichdirektion geprüft und als wirtschaftlich zweifelhaft beurteilt. Die Auflösung soll jetzt in die Wege geleitet werden.

Es stellt sich auch die Frage, aus welchen Gründen in relativ geringer räumlicher Entfernung zwei Standorte des MEBW aufrechterhalten werden müssen, nämlich für die Eichdirektion in Stuttgart und für das Eichamt in Fellbach. Eine Zusammenführung könnte zu erheblichen Synergieeffekten führen.

Generell ist die Dichte des Netzes der Eichämter in Frage zu stellen. Dies zeigt sich etwa daran, dass nach den Feststellungen des RH bei den Außenstellen Konstanz und Donaueschingen des Eichamts Albstadt nahezu 90 % der Leistungen vor Ort und nicht am Standort erbracht werden. Durch noch intensivere Nutzung neuer technischer Möglichkeiten (Laptop, Internet) kann der Bedarf an Bürokapazität weiter reduziert werden, weil noch mehr Teile der Arbeit außerhalb von Behördenbauten abgewickelt werden können. Zugleich können die Arbeitsabläufe weiter optimiert werden.

Auch solche Veränderungen bei der Aufgabenerledigung erfordern Überlegungen zu einer Neuorganisation. Gerade bei den unterschiedlich hohen Defiziten der einzelnen Betriebsstätten muss hinterfragt werden, ob einzelne Standorte - auch bei Berücksichtigung des hoheitlichen Auftrags des MEBW - wirtschaftlich zu rechtfertigen sind.

Unter diesen Gesichtspunkten ist die Erweiterung der Aufbauorganisation der Eichdirektion mit bisher vier Geschäftsbereichen (Referaten) auf fünf Referate, wie sie sich aus dem Organigramm des RP Tübingen zum 01.01.2005 ergibt, kritisch zu bewerten. Dem RH erschließt sich die Notwendigkeit dieser Erweiterung nicht; sie verursacht zusätzliche Personalkosten und widerspricht dem Bestreben, die Organisationsstruktur zu straffen und die Wirtschaftlichkeit zu verbessern.

5.2 Steuerungs- und Unterstützungsleistungen

Der RH hat auch untersucht, inwieweit bei den Steuerungs- und Unterstützungsleistungen (Querschnittsaufgaben) des MEBW Rationalisierungspotenziale bestehen. Anlass hierfür war eine Auswertung der Kostenträgerrechnung des Jahres 2003, bei der sich für den produktiven Bereich (Fachaufgaben) ein Anteil von rd. 64 % und für den Bereich der Steuerungs- und Unterstützungsleistungen ein Anteil von rd. 36 % ergab, was für einen produktiven Betrieb, wie ihn die Eichverwaltung darstellt, relativ hoch ist.

Untersucht wurden die Eichdirektion und stellvertretend für alle Eichämter die Eichämter Fellbach, Karlsruhe, Mannheim, Ravensburg und Wertheim. Von 227 Mitarbeitern des MEBW wurden 128, also rd. 56 %, in die Erhebungen einbezogen, davon 36 Mitarbeiter bei der Eichdirektion und 92 Mitarbeiter bei den Eichämtern.

Die Gesamtergebnisse der Eichämter weichen kaum voneinander ab. Der Anteil der Querschnittsaufgaben am Gesamtaufwand liegt zwischen 14,2 % und 14,9 %, der der Fachaufgaben zwischen 85,1 % und 85,8 %.

Bei der Betrachtung einzelner Aufgabenbereiche gibt es jedoch größere Abweichungen. So hat das Eichamt Fellbach einen relativ geringen Aufwand für Leitungsaufgaben, während beim Eichamt Mannheim der Aufwand für diese Aufgaben mehr als zehnmal so hoch ist. Gar elfmal höher liegt der Aufwand für die Erledigung von IuK-Aufgaben beim Eichamt Karlsruhe als beim Eichamt Mannheim. Die Ursachen dieser Abweichungen können unterschiedlicher Art sein und z. B. durch Fehleinschätzungen bei der Erfassung, durch amtspezifische Aufgabenschwerpunkte oder durch amtsinterne personelle Besonderheiten entstanden sein. Grundsätzlich sollten jedoch solche Abweichungen bei Betrieben mit relativ gleichen Aufgabenstellungen nicht vorkommen.

Bei der Betrachtung des Zeitaufwands für Querschnittsaufgaben der Mitarbeiter der Eichdirektion ist deren Aufgabenstruktur zu berücksichtigen. Sie erfasst drei Wirkungskreise, nämlich allgemeine Steuerungs- und Unterstützungsfunktionen (allgemeiner Wirkungskreis), Dienstleistungen gegenüber den Eichämtern (interner Wirkungskreis) und operative Geschäfte (externer Wirkungskreis). Die zeitlichen Anteile verteilen sich wie folgt:

  • allgemeiner Wirkungskreis = 55,1 %
  • interner Wirkungskreis = 15,2 %
  • externer Wirkungskreis = 29,7 %

Auf der Basis dieser Zeitanteile waren danach, ausgehend von einem fiktiven Gesamtzeitaufwand in Höhe von 30.064 Stunden im Jahr 2003, 18,15 Vollzeitäquivalente (VZÄ) der Eichdirektion mit Querschnittsaufgaben beschäftigt, davon rd. 10 VZÄ für die allgemeinen Steuerungs- und Unterstützungsleistungen, 2,75 VZÄ für den internen Wirkungskreis und 5,4 VZÄ für den externen Wirkungskreis.

In der Gesamtbetrachtung des MEBW liegen die Schwerpunkte der Querschnittsaufgaben nicht bei den Leitungs- und Organisationsaufgaben, sondern bei den Unterstützungsleistungen, wie Innerer Dienst, Haushaltswesen und IuK-Aufgaben.

Beim externen Wirkungskreis wurde für Leitungsaufgaben kein Zeitaufwand gebucht; dieser wurde wohl dem MEBW zugeschrieben. Besonders auffallend ist auch hier der hohe Zeitaufwand für den Inneren Dienst, der 3,25 VZÄ entspricht. Die Eichämter setzen hierfür zwischen 0,4 VZÄ und 1,9 VZÄ ein.

Beim allgemeinen Wirkungskreis fällt der hohe Anteil des Zeitaufwands für IuK-Aufgaben (= rd. 3 VZÄ) auf, wobei der Anteil für die Querschnittsaufgabe „Haushaltswesen“ (= 4,6 VZÄ) mit Blick auf die Aufgabenstellung des MEBW angemessen sein dürfte.

Die Auswirkungen der Ergebnisse der Untersuchung der Querschnittsaufgaben auf den Gesamtbetrieb MEBW sind in Übersicht 3 dargestellt. Dazu wurden die in der Kosten- und Leistungsrechung (KLR) erfassten Stunden der nicht untersuchten Eichämter einbezogen und mit den Durchschnittsverhältniszahlen der Untersuchung bewertet.

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Bei diesem Gesamtvergleich ergibt sich ein Unterschied zwischen den KLR-Daten und den Untersuchungsergebnissen in Höhe von 13,9 %. Während die KLR-Daten auf einen Anteil der Querschnittsaufgaben von 36,1 % hindeuten, liegt dieser Anteil nach den Untersuchungsergebnissen nur bei 22,2 %. Dies bedeutet eine Differenz von rd. 40.272 Stunden oder 24,3 VZÄ. Davon entfallen auf die Eichdirektion 9,3 VZÄ und auf die Eichämter rd. 15 VZÄ.

Die erhebliche Differenz zwischen der Untersuchung des RH und der KLR sollte Anlass dafür sein, die KLR kritisch zu hinterfragen. Nach Auffassung des RH sollten die KLR-Richtlinien für diese Bereiche überarbeitet und transparenter werden.

Dabei verkennt der RH nicht, dass sich die KLR noch immer im Aufbau befindet und deshalb gewisse Mängel unvermeidlich sind. Er anerkennt auch die Optimierungsbemühungen des MEBW.

Zu empfehlen ist aber, die Kostenträger so zu definieren, dass zumindest bei den Schwerpunkttaufgaben eine verlässliche Kennzahlenbildung für interne Betriebsvergleiche möglich ist. Dazu gehören z. B. die Bildung vergleichbarer Produkte, die weitergehende Aufschlüsselung der Leitungs- und Verwaltungsaufgaben und die genaue Erfassung von extern und intern wirkenden Beratungstätigkeiten.

5.3 Gebührenfreie Eichungen

Für den Vollzug von Bundesgesetzen hat der Bund die Erhebung von Verwaltungskosten im Verwaltungskostengesetz und in der Eichkostenverordnung geregelt. Das Land Baden-Württemberg nimmt für den Bund die Aufgaben des gesetzlichen Mess- und Eichwesens wahr und bedient sich bei der Ausführung des MEBW. Die Erhebung der durch Amtshandlungen des MEBW veranlassten Gebühren und Auslagen unterliegt danach dem Verwaltungskostengesetz des Bundes und nicht dem Landesgebührenrecht.

Danach ist juristischen Personen des öffentlichen Rechts von Amts wegen Gebührenfreiheit zu gewähren, soweit nicht bestimmte Ausnahmetatbestände zutreffen. Dahinter verbirgt sich der Grundsatz, dass Behörden untereinander bei öffentlich-rechtlicher Verwaltungstätigkeit und bei Ausführung von Bundesrecht keine Gebühren zahlen sollen.

Die Gebührenfreiheit im Eichwesen wurde bereits in der Denkschrift 1994, Beitrag Nr. 9, behandelt. Nach einem Beschluss des Landtags zu diesem Beitrag hatte die Landesregierung einen Gesetzesantrag im Bundesrat zur Aufhebung der persönlichen Gebührenfreiheit im Eichwesen initiiert, der keinen Erfolg hatte. Die Bundesregierung hielt es für systemwidrig, den Katalog von Einrichtungen des Bundes (dazu gehört z. B. die Physikalisch-technische Bundesanstalt in Braunschweig), die bereits jetzt berechtigt sind, von anderen Behörden Gebühren zu erheben, um die Eichverwaltungen der Länder zu erweitern.

In den Jahren 2001 bis 2003 sind dem MEBW durch gebührenfreie Eichungen Einnahmen in Höhe von 1,7 Mio. € entgangen. Sie vermindern nicht unerheblich den Kostendeckungsgrad des MEBW, der restriktiv nur dort Gebührenfreiheit gewährt, wo sie nach Verwaltungsrecht gefordert wird. Es sollte aber geprüft werden, ob eine erneute Bundesratsinitiative sinnvoll ist.

6 Privatisierung

Die Entwicklung des Mess- und Eichwesens in der Bundesrepublik wird schon seit 1986, initiiert durch das Land Baden-Württemberg, von Privatisierungsgedanken begleitet. Der Abbau verzichtbarer staatlicher Aufgaben im Eichwesen wurde als ein Gebot marktwirtschaftlicher Politik erachtet. Die technische Entwicklung und das Qualitätsbewusstsein der Industrie ermöglichen es, im traditionellen Eichwesen auf die Ersteichung und die Nacheichung zu verzichten.

Als beliehene Unternehmen sind staatlich anerkannte Prüfstellen bereits für die Eichung von Messgeräten für Elektrizität, Wasser, Gas und Wärme zuständig.

Der Rat der EU hatte sich ebenfalls mit der Privatisierung von Aufgaben im Eichwesen beschäftigt und eine EU-Messgeräterichtlinie verabschiedet, die eine Umsetzungsfrist innerhalb der EU-Länder bis 30.04.2006 vorsieht. Danach sollen die Ersteichung und die behördliche Erstzulassung (Bauartzulassung) durch eine Konformitätsprüfung des Herstellers mit Qualitätsmanagement-System oder einer benannten Stelle ersetzt werden. Die EU-Messgeräterichtlinie tangiert aber nicht die Nacheichung und Kontrolle der im Verkehr befindlichen Geräte. Dies bleibt in der Verantwortung der Mitgliedstaaten.

Im Zusammenhang mit der Umsetzung der EU-Messgeräterichtlinie ist eine weitergehende Modernisierung des Eichrechts vorgesehen. Aufgrund eines vom Bund-Länder-Ausschuss für „Gesetzliches Messwesen“ im Jahr 2003 im Auftrag der Länderwirtschaftsministerkonferenz verfassten Berichts zur Privatisierung des Eichwesens hat die Länderwirtschaftsministerkonferenz im Dezember 2004 beschlossen, die Privatisierung von technischen Prüfaufgaben für die einzelnen Messgerätearten im Rahmen eines abgestimmten Stufenmodells vorzusehen, das den finanziellen Möglichkeiten der Länder gerecht wird und einen Kosten sparenden Abbau staatlicher Verwaltungsstrukturen ermöglicht. In einem ersten Schritt ist nun geplant, die EU-Messgeräterichtlinie bis zum 30.04.2006 umzusetzen und auf der Basis der aus dieser ersten Stufe gewonnenen Erfahrungen die Freigabe weiterer Messgerätearten zu erörtern.

Nach Auffassung des RH sind die Privatisierungsvorhaben zwar ordnungspolitisch folgerichtig, werden aber nach derzeitiger Einschätzung negative Auswirkungen auf den Landeshaushalt haben. Nach Modellrechnungen des MEBW - allerdings noch basierend auf der Beschlusslage der Länderwirtschaftsministerkonferenz vom 10./11.12.2002 - könnte eine Privatisierung auf Jahre zu einem Zuschussbedarf führen, der je nach Privatisierungsgrad den zurzeit vom Land zu erbringenden Zuführungsbedarf von rd. 1 Mio. € bis zum Sechsfachen dieses Betrags steigen lassen wird.

Durch das inzwischen von der Länderwirtschaftsministerkonferenz beschlossene stufenweise Umsetzen der Privatisierungsmaßnahmen relativieren sich die Berechnungen des MEBW möglicherweise. Konkrete finanzielle Auswirkungen sind jedoch erst nach Festlegung der einzelnen Schritte bezifferbar. Unabhängig davon sollte beachtet werden, dass Privatisierungsmaßnahmen nach Auffassung des RH nur dann einen Sinn machen, wenn sie den Haushalt des Landes letztlich finanziell entlasten.

7 Empfehlungen

Die Prüfungsfeststellungen zur aktuellen Situation des MEBW zeigen in verschiedener Hinsicht Handlungsbedarf auf. Der RH empfiehlt,

  • kurzfristig in einem Business-Plan Zielgrößen zu definieren und den Zeitrahmen der Umsetzung festzulegen. Vorrangiges Ziel sollte es dabei sein, den Zuführungsbetrag des Landes mittelfristig deutlich zu reduzieren,

 

  • auf eine Optimierung der Aufbau- und Ablauforganisation auf der Basis der Prüfungsergebnisse des RH hinzuwirken,

 

  • zu überprüfen, ob alle vorhandenen Gebührentatbestände ausgeschöpft werden und ob weitere Leistungen als gebührenpflichtig definiert werden können,

 

  • zu überprüfen, inwieweit einzelne Standorte unter Berücksichtigung der gegebenen Kommunikationsmöglichkeiten und möglicher Schwerpunktbildungen bei einzelnen Betriebsstätten sowie des Kostendeckungsgrads aufgegeben werden können,

 

  • den Raumbedarf aufgrund der Aufgabenentwicklung und der Einsatzmöglichkeit neuer Techniken zu überprüfen,

 

  • durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die Privatisierung letztlich auf Dauer zu einer finanziellen Entlastung des Landeshaushalts führen wird.

8 Stellungnahme des Ministeriums

Das WM weist darauf hin, dass im Vorfeld der Umwandlung des Mess- und Eichwesens in einen Landesbetrieb Alternativen für die Neuorganisation analysiert worden seien. Allerdings sei ein Business-Plan, wie er vom RH gefordert werde, bisher nicht erstellt worden. Ein solcher Plan mit definierten Zielgrößen und Zeitrahmen für die Umsetzung werde auch vom WM als notwendig und zwingend angesehen. Er soll im Zusammenhang mit der Eingliederung des Landesbetriebs in das RP Tübingen erstellt werden.

Das WM macht hinsichtlich des Kostendeckungsgrads des MEBW geltend, dass dieser von verschiedenen Faktoren beeinflusst werde, wie nicht gebührenfähigen hoheitlichen Aufgaben, gebührenfrei zu erbringenden Leistungen oder unterschiedlichen Strukturen und Aufgaben der Eichämter. Zudem seien zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit landesweite Schwerpunkte definiert und Zuständigkeiten neu geordnet worden (Beispiel: Auflösung Außenstelle Konstanz). Weitere Maßnahmen seien umgesetzt oder geplant. Das WM weist auch darauf hin, dass die Zusammenlegung des Eichamts Fellbach mit der Eichdirektion bereits vor Jahrzehnten aufgrund der sich zweifelsfrei ergebenden Synergieeffekte angedacht worden, aber letztlich politisch nicht zu verwirklichen gewesen sei. Der einmalige hohe finanzielle Aufwand bei einer Zusammenlegung sei derzeit haushaltsmäßig nicht darstellbar.

Hinsichtlich der vom RH festgestellten, seit Jahren andauernden sehr schlechten wirtschaftlichen Situation eines Eichamtes, verweist das WM auf hohe Einnahmeverluste, die durch die Abwerbung von Kunden durch ein Eichamt eines anderen Bundeslandes entstanden seien. Da eine Rückgewinnung der Kunden nicht zu erwarten sei und die Übertragung von Aufgaben anderer Eichämter aus wirtschaftlichen Erwägungen ausscheide, hält man, wie der RH, eine Schließung des Amtes für notwendig, sobald eine sozialverträgliche Lösung für das Personal gefunden sei.

Das WM teilt die Auffassung des RH, dass der in der KLR auf nicht produktive Tätigkeiten verbuchte Zeitanteil für eine technische Fachverwaltung relativ hoch ist. Es macht aber geltend, bei der Gliederung der Kostenträger sei der unmittelbare produktive Bereich zwecks Leistungsvergleichen der Eichämter untereinander im Vordergrund gestanden; nicht direkt zuordenbare Zeiten seien auf den Kostenträger „Leitung und Verwaltung“ gebucht worden. Der MEBW habe entsprechend den Anregungen des RH ab 01.01.2005 zur deutlicheren Erfassung der Zeiten Kostenträger neu definiert. Zu den festgestellten unterschiedlichen Einschätzungen der Zeitanteile für Querschnittsaufgaben bei der Erhebung E 1 beruft sich der MEBW auf offensichtliche Missverständnisse bei der Zuordnung der Zeitanteile für die einzelnen Aufgaben.

Zu den vom RH empfohlenen Änderungen der Aufbau- und Ablauforganisation des MEBW verweist das WM darauf, dass der MEBW ständig bestrebt sei, diese zu verbessern, und bewertet daher auch die Anregungen des RH positiv. Es weist aber in diesem Zusammenhang auf die anstehenden Privatisierungsbestrebungen hin. Der MEBW sei sich auch bewusst, dass mit modernen Kommunikationseinrichtungen der Raumbedarf mittelfristig verringert werden und die Nutzung dieser Möglichkeiten zu einer Vereinfachung und Straffung der Arbeitsabläufe führen könne. Angesichts der hohen Investitionskosten und der dafür erforderlichen hohen Arbeitskapazität sollte zunächst eine Klarstellung der künftigen Entwicklung des Eichwesens abgewartet werden. Unabhängig davon arbeite der MEBW bereits jetzt an neuen Konzepten mit Notebooks.

Die Erweiterung der Leitung der Aufbauorganisation im Rahmen der Eingliederung des MEBW in das Regierungspräsidium Tübingen auf fünf Referate verursache keine zusätzlichen Personalkosten, weil das in der Personalunion mit der Leitung eines Eichamts geführte Referat u. a. die gleichmäßige, wirtschaftliche und effektive Erledigung der Aufgaben bei den Betriebsstellen koordinieren und mittels Benchmarking deren Arbeitsweise verbessern würde.

Nach Auffassung des WM wird die geplante Privatisierungsmaßnahme zu keiner Entlastung des Landeshaushalts führen. Die geplanten Maßnahmen würden zu einem defizitären Überwachungsbereich zulasten des Landes und zu einem lukrativen Prüfbereich führen. Unter den politischen Vorgaben der Privatisierung der technischen Aufgaben sei eine Reduzierung des Zuführungsbetrags an den MEBW in keinem Fall möglich. Im Gegenteil werde durch eine Trennung des nicht gebührenfähigen, gesetzlich vorgegebenen Überwachungsbereichs vom gebührenfähigen Prüfbereich mit einer deutlichen Erhöhung zu rechnen sein. Auch die vom RH geforderte Verbesserung der Einnahmesituation durch verstärkte Akquisition - die möglich wäre - widerspräche der politisch angestrebten Privatisierung der technischen Prüfungen.

9 Schlussbemerkung

Die bisherigen Bemühungen des MEBW um eine Steigerung der Effizienz und Effektivität verdienen Anerkennung, sind aber nicht ausreichend. Der Raumbedarf kann reduziert werden, weitere Standort-Zusammenführungen sind möglich. Im Hinblick auf die Zusammenlegung der Betriebsstellen Fellbach und Stuttgart überzeugt das Argument mangelnder Haushaltsmittel nicht, weil eine baldige Amortisation dieser Kosten erwartet werden kann. Die eingesetzten betriebswirtschaftlichen Instrumente sind ausbau- und verbesserungsfähig.

Die vorgesehene Privatisierung wurde bisher nicht ausreichend unter Kostengesichtspunkten betrachtet. Das WM sollte darauf hinwirken, dass Privatisierungsmaßnahmen im Eichwesen mit Blick auf ihre Kostenauswirkungen auf den Landeshaushalt geprüft werden, bevor sie vollzogen werden. Zusätzliche Belastungen für den Landeshaushalt sind zu vermeiden.


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Anhänge

Einzelplan 08: Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum

Die pauschalen Ausgleichsleistungen für Bewirtschaftungsbeschränkungen in Wasserschutzgebieten führen häufig zu Überzahlungen. Daher sollten die Pauschalen künftig differenzierter festgelegt und den tatsächlichen Einkommenseinbußen der Landwirte angepasst werden.


1 Einführung und Entwicklung der Schutzgebiets- und Ausgleichs-Verordnung für Wasserschutzgebiete

Die EU (damals: Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) erließ im Jahr 1980 die „Richtlinie über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch“ . Sie reagierte damit auf die zunehmende Belastung des Grundwassers und legte erstmals Grenzwerte für Nitrat (50 mg/l) und Pflanzenschutzmittelrückstände (0,1 Nanogramm/l) im Trinkwasser fest. Der Bund setzte mit der Verordnung über Trinkwasser und über Wasser für Lebensmittelbetriebe (Trinkwasserverordnung) am 01.10.1986 diese europäische Richtlinie in nationales Recht um. Auf Landesebene wurde zum 01.01.1988 die Verordnung über Schutzbestimmungen und die Gewährung von Ausgleichsleistungen in Wasser- und Quellenschutzgebieten (Schutzgebiets- und Ausgleichs-Verordnung - SchALVO) in Kraft gesetzt, um die Vorgaben der EU und des Bundes einzuhalten.

Die Anwendung der SchALVO setzt ein ausgewiesenes oder geplantes Wasserschutzgebiet voraus. Wasserschutzgebiete werden entsprechend ihres Gefahrenpotenzials für den Quellbereich in folgende drei Schutzzonen gegliedert:

  • ZONE I umfasst den unmittelbaren Quellbereich;

 

  • ZONE II umfasst die hygienisch bedeutsame 50-Tage-Linie, d. h., das Wasser aus diesem Bereich kann innerhalb von 50 Tagen in die Quellfassung gelangen;

 

  • ZONE III umfasst das gesamte Einzugsgebiet der Quelle.

Mit der SchALVO trat ein Bündel von Vorschriften zur Düngung und Bodenbearbeitung in Kraft. Außerdem wurde die Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln in Wasserschutzgebiete eingeschränkt und die Umwandlung von Grünland in Ackerland grundsätzlich verboten.

Als Ausgleich für die in der SchALVO vorgeschriebenen Bewirtschaftungsbeschränkungen wurde eine pauschale Ausgleichszahlung in Höhe von 158,50 €/ha festgelegt. Für den begründeten Einzelfall wurde die Möglichkeit eines höheren Ausgleichs (Einzelausgleich) geschaffen. Zur Umsetzung der SchALVO wurden bei den Ämtern für Landwirtschaft, Landschafts- und Bodenkultur insgesamt 68 Berater für Wasserschutzgebiete eingestellt.

Die SchALVO wurde erstmals 1991 novelliert; die zweite, umfassendere Novelle trat 2001 in Kraft. Seitdem wird bei den Bewirtschaftungsauflagen in Abhängigkeit von der Nitratbelastung des Grundwassers differenziert. Dabei wurden die Wasserschutzgebiete wie folgt klassifiziert:

  • Nitratsanierungsgebiete (> 50 mg/l),
  • Nitratproblemgebiete (35 - 50 mg/l) und
  • Nitratnormalgebiete (< 35 mg/l).

Die relativ gering belasteten Wasserschutzgebiete mit einem Nitratgehalt von weniger als 35 mg/l wurden von den Auflagen der SchALVO befreit, sofern bei der Nitratkonzentration im Grundwasser kein steigender Trend festgestellt wurde. Damit entfiel auch die Verpflichtung des Landes, für Bewirtschaftungsbeschränkungen auf diesen Flächen Ausgleichsleistungen zu zahlen. Es wird nur noch ein Ausgleich für die stärkere zeitliche Beschränkung der Wirtschaftsdüngerausbringung in der Zone II gezahlt.

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2 Haushaltspolitische Gesichtspunkte

Vor Einführung der SchALVO wurden das (Bundes-) Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushaltes (Wasserhaushaltsgesetz) und das Wassergesetz Baden-Württemberg so geändert, dass die Ausgleichspflicht für Einschränkungen der Land- und Forstwirtschaft vom Wasserversorgungsunternehmen auf das Land verlagert werden konnte. Außerdem wurden die rechtlichen Voraussetzungen für die Erhebung eines Wasserentnahmeentgelts für die Nutzung von Gewässern geschaffen. Eine Zweckbindung für die Verwendung dieses Entgelts besteht nicht.

Die Höhe des Wasserentnahmeentgelts, das auch als „Wasserpfennig“ bezeichnet wird, richtet sich nach dem Entnahmezweck: Öffentliche Wasserversorger führen 5,1 Eurocent je m³ entnommenen Wassers ab; die Energieversorger mussten bis 1998 ein Entgelt in Höhe von 0,5 Eurocent/m3 entrichten; seitdem führen sie 1,0 Eurocent/m3 ab. Aufgrund der wesentlich größeren Entnahmemenge entrichten die Energieversorger seit 1998 in der Summe mehr Wasserentnahmeentgelt als die Wasserversorger an das Land.

Schaubild 1 zeigt, dass die Einnahmen aus dem Wasserentnahmeentgelt stets deutlich höher waren als die Kosten der SchALVO. Schwankungen auf der Einnahmeseite sind vor allem durch schwankende Entnahmemengen der Energieversorger verursacht. In den Jahren 1993 bis 1995 und 1998 bis 2001 beliefen sich die Kosten der SchALVO auf rd. 60 Mio. € im Jahr; davon entfielen rd. 54 Mio. € auf Ausgleichsleistungen und rd. 6 Mio. € auf Personal- und Sachkosten, wobei insbesondere die Sachkosten überwiegend durch die umfangreichen Nitratkontrollproben im Herbst bedingt waren. In den Jahren 1996 und 1997 wurden deutlich geringere Beträge ausgezahlt, weil der Auszahlungsmodus in zwei Schritten vom Antragsjahr auf das der Antragsstellung folgende Jahr umgestellt wurde.

Die im Verhältnis zu den Ausgaben im Zusammenhang der SchALVO höheren Einnahmen aus dem Wasserentnahmeentgelt fließen vor allem in Maßnahmen des Marktentlastungs- und Kulturlandschaftsausgleichs (MEKA).

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Der Rückgang der Ausgleichszahlungen ab dem Jahr 2002 ist nachhaltig, weil mit der Novellierung der SchALVO im Jahr 2001 für rd. 60 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Wasserschutzgebieten die Bewirtschaftungsauflagen aufgehoben wurden. Die Ausgleichsleistungen gingen von rd. 54 Mio. € im Jahr 2001, dem letzten Auszahlungsjahr nach der alten SchALVO, auf rd. 22 Mio. € im Jahr 2003 zurück. Da infolge der weiter sinkenden Nitratkonzentration im Grundwasser seit dem 01.01.2005 rd. 48.000 ha, davon über 26.000 ha landwirtschaftlich genutzte Flächen, von der Kategorie Problemgebiet in die Kategorie Normalgebiet umgestuft wurden, entfallen für diese Flächen künftig die Ausgleichsleistungen, sodass ab dem Jahr 2006 nur noch maximal 18 Mio. € Ausgleichsleistungen für Bewirtschaftungsbeschränkungen in Wasserschutzgebieten zu leisten sind.

Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass im Landeshaushalt bei Tit. 683 90, wo neben den Ausgleichsleistungen im Rahmen der SchALVO auch die Mittel für die Biotopgestaltung und -pflege veranschlagt sind, in den vergangenen Jahren regelmäßig erhebliche Haushaltsreste angefallen sind, z. B. 9,5 Mio. € im Jahr 2003, dem letzten Jahr mit abgeschlossener Haushaltsrechnung.

Titel 683 90 ist im Doppelhaushalt 2005/2006 wiederum mit 32,5 Mio. € bzw. 33,5 Mio. € ausgestattet, obwohl die durch die SchALVO bedingten Ausgleichsleistungen in den beiden Jahren nur 22 Mio. € bzw. 18 Mio. € betragen werden. Auch wenn man berücksichtigt, dass z. B. für Biotopgestaltung bei diesem Titel ein höherer Mittelbedarf als in den Vorjahren besteht, liegen die Haushaltsansätze für 2005 und 2006 offensichtlich um mehrere Millionen Euro über dem tatsächlichen Bedarf. In einem Nachtrag zum Staatshaushaltsplan 2005/06 sollten diese Ansätze daher korrigiert werden.

3 Entwicklung der Wasserqualität

Seit der Bund im Jahr 1991 die Pflanzenschutzmittelverordnung geändert hat, geht die Belastung des Grundwassers durch Pflanzenschutzmittel stetig zurück. Die heutige Generation von Pflanzenschutzmitteln wird schnell abgebaut, sodass diese Mittel nur noch sehr selten nachgewiesen werden können. Sofern im Grundwasser noch Pflanzenschutzmittel vorkommen, handelt es sich überwiegend um „Altlasten“, d. h. um Reste von älteren, sehr schwer abbaubaren Mitteln, die seit vielen Jahren nicht mehr eingesetzt werden dürfen.

Nach dem In-Kraft-Treten der SchALVO im Jahr 1988 gingen die Nitratwerte im Boden relativ schnell zurück; seit Mitte der 90er-Jahre ist eher eine Stagnation mit erheblichen jährlichen Schwankungen festzustellen. Im Grundwasser erreichte die Nitratkonzentration ihren Höhepunkt erst im Jahr 1994; seitdem ist eine leicht sinkende Tendenz sowohl innerhalb als auch außerhalb der Wasserschutzgebiete festzustellen (s. Schaubild 2). In dem Zehnjahreszeitraum 1994 bis 2003 gingen die Werte innerhalb der Wasserschutzgebiete um 0,44 mg/l im Jahr zurück, außerhalb der Wasserschutzgebiete sogar um 0,68 mg/l im Jahr. Die Nitratkonzentration im Grundwasser nimmt also nicht nur in Anbetracht der strengen Bewirtschaftungsauflagen für Wasserschutzgebiete ab, sondern auch außerhalb dieser Gebiete, d. h. flächendeckend.

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4 Ausgleichsleistungen

Bis zur Novellierung der SchALVO im Jahr 2001 wurde für Flächen in Wasserschutzgebieten ein pauschaler Ausgleich in Höhe von 158,50 €/ha gezahlt. Die Höhe des Ausgleichs wurde vor allem mit Mindererträgen, die sich aus der reduzierten Stickstoffdüngung ergeben, und mit dem Mehraufwand für Grundwasser schonenden Pflanzenschutz begründet. Die Voraussetzungen für die damals berechneten und von der EU notifizierten Ausgleichsleistungen änderten sich jedoch wenige Jahre nach dem In-Kraft-Treten der SchALVO. Zum einen sanken als Folge der Agrarreform von 1991 die Erzeugerpreise für die wichtigsten landwirtschaftlichen Kulturen drastisch, und damit auch die Verluste durch Mindererträge in Wasserschutzgebieten, zum anderen wurde als Folge der Änderung des Pflanzenschutzrechts im Jahr 1991 nur noch für wenige Kulturen ein Mehraufwand für Grundwasser schonenden Pflanzenschutz erforderlich. Zwar wurde mit der Pflicht zur Begrünung von Ackerflächen nach der Ernte eine neue, mit Kosten verbundene Auflage eingeführt; dennoch ergab sich für den größten Teil der Fläche (Grünland, Getreide) bei den Ausgleichsleistungen eine deutliche Überzahlung. Angesichts der gravierend veränderten Rahmenbedingungen hätten die Beträge für die pauschalierten Ausgleichsleistungen angepasst werden müssen.

Ab dem Kalenderjahr 2001 wurden pauschale Ausgleichsleistungen in Höhe von 165 €/ha festgesetzt. Dieser Betrag setzt sich nach den Berechnungen des MLR aus den in Übersicht 2 aufgeführten Teilbeträgen zusammen.

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Zusätzlich zu dem Pauschalausgleich in Höhe von 165 €/ha wird in Sanierungsgebieten ein Sonderzuschlag von 15 €/ha gewährt; Vieh haltende Betriebe mit Flächen in Schutzzone II können einen speziellen Zuschlag von bis zu 160 €/ha erhalten, wobei die konkrete Höhe dieses Zuschlags vom Flächenanteil des Betriebs in der Schutzzone II abhängt.

Der RH hat auch die Berechnung dieses Pauschalausgleichs geprüft und festgestellt, dass der pauschale Ausgleichsbetrag von 165 €/ha wohlwollend - z. T. sogar weit mehr als auskömmlich - kalkuliert ist. Offensichtlich ist dieser Ausgleichsbetrag so bemessen, dass damit sogar besonders hohe Mehraufwendungen abgedeckt sind, die eigentlich im Rahmen eines Einzelausgleichs geregelt werden müssten. Es fällt jedenfalls auf, dass seit der Novellierung der SchALVO nur noch wenige Anträge auf eine über den Pauschalausgleich hinausgehende Zahlung (Einzelausgleich) gestellt werden.

Wesentliche Mängel bei der Berechnung des Pauschalausgleichs sind:

  • Die finanziellen Einbußen als Folge der Bewirtschaftungsbeschränkungen sind stark von der angebauten Kultur abhängig. Ein Pauschalausgleich für alle Nutzungsarten weicht deshalb zwangsläufig in vielen Fällen weit von den tat-sächlichen Einbußen ab.

 

  • Der Pauschalausgleich in Höhe von 165 €/ha bedeutet in vielen Fällen eine erhebliche Überkompensation; beispielsweise betrüge ein gesonderter Pauschalausgleich für Grünland nach den vorgelegten Berechnungsgrundlagen lediglich 35 €/ha. Eine Überkompensation ist nach den Vorgaben der EU jedoch nicht zulässig .

 

  • Für eine zusätzliche zeitliche Beschränkung bei der Ausbringung von Wirtschaftsdüngern werden pauschal 39 €/ha gewährt, obwohl 36 % der Betriebe kein Vieh halten und somit kein Wirtschaftsdünger anfällt und obwohl viele Betriebe mit Viehhaltung in Wasserschutzgebieten keine finanziellen Nachteile haben, weil sie über ausreichend Flächen außerhalb des Wasserschutzgebietes verfügen.

 

  • Die zusätzlich mögliche Pauschale von bis zu 160 €/ha für Betriebe mit Viehhaltung und Flächen in Schutzzone II hängt in ihrer Höhe ausschließlich vom Anteil der Betriebsfläche in dieser Zone ab. Betriebe mit einem geringen Viehbesatz verfügen jedoch meist über genügend Flächen außerhalb der Schutzzone II und können dort den anfallenden Wirtschaftsdünger ganzjährig und ohne Einkommenseinbußen verwerten. Eine zusätzliche Pauschale ist in einem solchen Fall also nicht gerechtfertigt.

 

  • Für die Anpassung der Fruchtfolge werden pauschal 20 €/ha berechnet, obwohl die SchALVO nicht konkret vorgibt, unter welchen Bedingungen die Fruchtfolge angepasst werden muss, und obwohl nicht bekannt ist, in wie vielen Fällen eine obligatorische Anpassung der Fruchtfolge von den Landwirtschaftsbehörden vorgeschrieben wird.

Eine Pauschalierung der Ausgleichsleistungen ist grundsätzlich richtig, weil eine Einzelfallbewertung mit erheblichem Verwaltungsaufwand verbunden wäre. Aufgrund der sehr unterschiedlichen finanziellen Auswirkungen auf die einzelnen Kulturen sollten jedoch einige wenige differenzierte Pauschalausgleichsbeträge festgelegt werden. Zwingend geboten ist z. B. ein separater Pauschalausgleichsbetrag für Grünland; allein diese Anpassung würde zu jährlichen Einsparungen in Höhe von 2,2 Mio. € führen.

5 Sanierungsgebiete

Im Anhang 7 der SchALVO-Novelle 2001 waren ursprünglich 171 Sanierungsgebiete ausgewiesen; inzwischen sind es noch 140. Landesweit gibt es derzeit für 15 Wasserschutzgebiete einen verbindlichen Sanierungsplan; für weitere drei Sanierungsgebiete wird ein Sanierungsplan vorbereitet. Die Erstellung eines Sanierungsplans liegt im Verantwortungsbereich des Wasserversorgers.

Bereits Anfang der 90er-Jahre wurden Projekte zur Sanierung von stark nitratbelastetem Grundwasser initiiert. Diese Projekte wurden vom MLR finanziert und unter der Leitung des Technologiezentrums Wasser am Engler-Bunte-Institut der Universität Karlsruhe in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftsverwaltung und anderen örtlichen Behörden umgesetzt.

Projektziel war, innerhalb eines Zeitraums von fünf bis sieben Jahren eine deutliche Abnahme des Nitratgehalts im Entnahmebrunnen zu erreichen. Beide Projekte wurden nach sechs Jahren beendet. Vor Ort ergaben sich nicht die erwarteten Verbesserungen. Ein leichter Rückgang der Nitratbelastung war zwar erkennbar; er stand jedoch in einem ungünstigen Verhältnis zu dem hohen Aufwand. In sechs Jahren hat das Land für die beiden Projekte insgesamt 1,7 Mio. € ausgegeben; das entspricht 3.295 €/ha und Jahr.

Beide Projekte haben gezeigt, dass es an manchen Standorten sehr schwierig ist, den Nitratgehalt nachhaltig auf weniger als 35 mg/l (Normalgebiet) abzusenken. Da in manchen Wasserschutzgebieten die Erneuerung des Grundwassers länger als 30 Jahre dauert, ist die Sanierung ein langwieriger Prozess, der einen hohen finanziellen Aufwand erfordert, bevor ein möglicher Erfolg eintritt. Deshalb sollte künftig bei Sanierungsprojekten unbedingt im Vorfeld kritisch untersucht werden, wann mit dem erhofften Sanierungserfolg zu rechnen und welcher finanzielle Aufwand zur Erreichung dieses Erfolgs erforderlich ist. Gegebenenfalls ist das betreffende Wasserschutzgebiet aufzulösen, mit der Konsequenz, dass aus diesem Gebiet kein Trinkwasser mehr gewonnen wird. Selbstverständlich müssen anschließend trotzdem die für eine ordnungsgemäße Landwirtschaft geltenden Grundsätze und Fachgesetze eingehalten werden.

6 Stellungnahme des Ministeriums

In seiner mit dem Umweltressort abgestimmten Stellungnahme führt das MLR aus, der Erfolg der SchALVO-Maßnahmen werde durch den vorliegenden Bericht bestätigt.

Auf die Feststellung des RH, dass die Einnahmen aus dem Wasserentnahmeentgelt stets deutlich höher gewesen seien als die Kosten der SchALVO und dass seit dem Jahr 2002 ein nachhaltiger Rückgang der Ausgleichszahlungen zu verzeichnen sei, erwidert das MLR, seit dem Jahr 2002 seien die in der SchALVO eingesparten Mittel im MEKA vorrangig für grundwasserrelevante Maßnahmen eingesetzt und durch die Kofinanzierung der EU verdoppelt worden. Insgesamt würden damit seit der Novellierung der SchALVO im Jahr 2001 mehr Mittel für eine Grundwasser schonende Landbewirtschaftung eingesetzt als zuvor.

Ein politisches Motiv für die Einführung des Wasserentnahmeentgelts sei die Finanzierung der Ausgleichszahlungen an die Landwirte für Beschränkungen in Wasserschutzgebieten. Dessen ungeachtet bestehe keine gesetzliche Zweckbindung. Inzwischen sei die Erhebung eines Wasserentnahmeentgelts sogar EU-rechtlich und bundesrechtlich (§ 42 Wasserhaushaltsgesetz) geboten.

Im Übrigen habe das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1995 die Zulässigkeit der Erhebung des Wasserentnahmeentgelts durch das Land Baden-Württemberg bestätigt; die knappe natürliche Ressource Wasser sei ein Gut der Allgemeinheit.

Das MLR hält die Schlussfolgerungen hinsichtlich der Auswirkungen auf den Haushalt für falsch. Insbesondere berücksichtige die titelscharfe Darstellung für das Haushaltsjahr 2003 nicht die engen Verzahnungen im Rahmen der Deckungsfähigkeit mit anderen Titeln. Des Weiteren werde der geringere Abfluss an Kassenmitteln aufgrund von Sonderfaktoren, wie z. B. Zahl der Sanierungspläne und der Umsetzung von Natura 2000, nicht entsprechend gewürdigt. Die Aussage, dass im Haushaltsjahr 2005 und 2006 Mittel entsprechend den Ausführungen des RH nicht benötigt würden, sei nicht zutreffend. Die veranschlagten Mittel würden neben den Ausgleichsleistungen für die SchALVO insbesondere für die Biotopgestaltung und pflege nach der Landschaftspflegerichtlinie und für die Umsetzung von Natura 2000 benötigt. Bei Natura 2000 bestehe nach der Realisierung der Pflege und Entwicklungspläne ein erheblicher Mehrbedarf.

Ferner vertritt das MLR die Auffassung, dass sich die zusätzlichen Auflagen durch die Novellierung der SchALVO im Jahr 1991 und durch die Auswirkungen der Agrarreform 1992 bezüglich ihrer Relevanz für den Ausgleich weit gehend aufgehoben hätten; eine Anpassung sei somit nicht erforderlich gewesen.

Bei Ausgleichszahlungen über einen Pauschalbetrag könnten, bezogen auf den Einzelfall, Über- und Unterbezahlungen auftreten, bei einer Gesamtbetrachtung führe die gegenwärtige Pauschale jedoch nicht zu einer Überzahlung.

Der Vorschlag des RH, eine mögliche Aufsplittung der Pauschale vorzunehmen, könne zwar zu mehr Einzelfallgerechtigkeit führen; die Einspareffekte würden vom MLR jedoch als eher gering eingeschätzt und seien mit einem stark erhöhten Verwaltungsaufwand erkauft.

Die Erkenntnisse der Modellprojekte seien in die Novellierung der SchALVO eingeflossen und dienten, zusammen mit den bisherigen Erfahrungen bei der Umsetzung, der Weiterentwicklung des Wasserschutzes in Baden-Württemberg.

7 Schlussbemerkung

Der RH sieht keinen Dissens zwischen seinen Äußerungen zum Wasserentnahmeentgelt und denen der beteiligten Ministerien.

Der RH bleibt bei seiner Auffassung, dass aufgrund der Konzentration der Bewirtschaftungsbeschränkungen auf die tatsächlichen Problem- und Sanierungsgebiete infolge der Novellierung der SchALVO im Jahr 2001 die Ansprüche auf Ausgleichszahlungen erheblich zurückgingen. Die Tatsache, dass trotz des reduzierten Haushaltsansatzes bei Titel 683 90 stets mehrere Millionen Euro am Jahresende als Haushaltsrest übrig blieben, zeigt, dass diese Ansätze zu hoch waren. Auch bei deckungsfähigen Titeln sollten die Anschläge möglichst titelgenau erfolgen. Insofern ist der Haushaltsansatz des Titels 683 90 für die Jahre 2005/2006 offensichtlich zu hoch.

Das Ministerium hat in seiner Stellungnahme zum Pauschalausgleich weder die vom RH nachgewiesenen Überzahlungen widerlegt, noch das Argument, es werde teilweise zu wenig bezahlt, durch entsprechende Zahlen oder Beispiele untermauert. Da bekanntermaßen kaum noch Anträge auf Einzelausgleich gestellt werden, kann davon ausgegangen werden, dass der Pauschalausgleich in zahlreichen Fällen mehr als auskömmlich ist. Eine Neuberechnung differenzierterer Pauschalausgleichsbeträge hält der RH daher für geboten. Im Übrigen sieht der RH hierbei keinen zusätzlichen Verwaltungsaufwand auf das Land zukommen, da sämtliche hierfür erforderliche Daten bereits im sog. Gemeinsamen Antrag erfasst sind.

Der Aussage des MLR, dass Erkenntnisse aus den Modellprojekten in die Novellierung der SchALVO eingeflossen seien, stimmt der RH zu. Die Modellprojekte haben aber auch gezeigt, wie wichtig es ist, vor dem Start eines aufwendigen Projekts die zu erwartenden Kosten und die voraussichtlichen Erfolgsaussichten kritisch gegeneinander abzuwägen.


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Einzelplan 09: Ministerium für Arbeit und Soziales

Infolge unklarer Regelungen und einer wenig konsequenten Förderpraxis erhielten Träger jahrelang überhöhte Zuwendungen. Die Förderung von ambulanten Hilfen für Behinderte und ihre Angehörigen ist eine kommunale Aufgabe. Einer ergänzenden Landesförderung bedarf es nicht mehr. Sollte sie dennoch fortgeführt werden, sind die Förderbedingungen eindeutig zu bestimmen.


1 Ausgangslage

Die Betreuung und Pflege von behinderten Menschen im häuslichen Bereich wird meist im Rahmen der Familiensolidarität erbracht. Häufig übersteigt dies die Selbsthilfekräfte der Familien, sodass ihnen Hilfe von außen zur Verfügung gestellt werden muss. Für derartige Hilfen gewährte das Land Zuwendungen von jährlich 2,7 Mio. €. Der RH untersuchte die Ordnungsmäßigkeit der Landesförderung und ihre Wirkung.

Örtliche Erhebungen wurden beim SM, bei den vier Regierungspräsidien und bei 31 kirchlichen und freien Trägern vorgenommen. Für das Hj. 2002 wurden alle Verwendungsnachweise ausgewertet.

2 Förderrahmen und -verfahren

Förderrahmen und -verfahren werden maßgeblich durch die Richtlinien des Ministeriums für Zuwendungen zu ambulanten Hilfen für Behinderte und ihre Angehörigen vom 25.06.1991, die jährlichen ministeriellen Zuweisungserlasse und Dienstbesprechungen mit den Regierungspräsidien bestimmt.

Zunächst konnten Träger gefördert werden, die für Behinderte u. a. ambulante und mobile Betreuung und Pflege, Kurzzeit- und Wochenendbetreuung oder ambulante Freizeiten anboten. Die Maßnahmen sollten insbesondere Pflegende (Familien, Angehörige, Partner und Wohngemeinschaften) entlasten.

Mit der Einführung der Pflegeversicherung 1994/1995 wollte das SM Einzelmaßnahmen, die von den gesetzlichen Sozialleistungsträgern zu finanzieren sind, nicht mehr durch Förderprogramme des Landes bezuschussen. Deshalb legte das Ministerium mit Schreiben vom September 1995 an die Regierungspräsidien, den Landkreis- und Städtetag, die Liga der freien Wohlfahrtspflege, den Landesverband für Körper- und Mehrfachbehinderte Baden-Württemberg usw. übergangsweise für das Folgejahr fest, die Förderung von Individualmaßnahmen stufenweise abzubauen und auf gruppenbezogene Maßnahmen umzustellen. Neu in die Förderung einbezogen wurden ambulante tagesstrukturierende Maßnahmen für alte behinderte Menschen sowie Ferienfreizeiten. Der begünstigte Personenkreis wurde später noch mehrfach geändert. Seit 1998 sollen die Maßnahmen nur körperlich Behinderten und geistig Behinderten zugute kommen.

Die Bindung der sog. Ersatzpflege an den häuslichen Bereich (individuelle Betreuung) wurde durch das Erste Sozialgesetzbuch XI-Änderungsgesetz vom Juni 1996 aufgehoben. Damit standen auch für die vom Land geförderten gruppenbezogenen Maßnahmen, Ferienfreizeiten usw. Mittel der Pflegekassen zur Verfügung. Die vom SM beabsichtigte klare Abgrenzung zwischen Landesförderung und Leistungen der Sozialleistungsträger wurde damit hinfällig.

Die Förderrichtlichtlinien passte das SM den jeweiligen Veränderungen nicht an. Sie sind seit 1998 nicht mehr gültig, neue wurden bisher nicht erlassen. Zwar bewilligten 2002 alle Regierungspräsidien die Zuwendungen nach Maßgabe dieser Richtlinien, jedoch setzten sie die übrigen Vorgaben des Ministeriums verschieden um. Beispielsweise waren nach den Bewilligungsbescheiden eines RP die Maßnahmen nicht vorwiegend gruppenbezogen durchzuführen, während ein anderes in seinen Bewilligungsbescheiden verfügte, die Zuwendungen vorwiegend für gruppenbezogene Maßnahmen zu verwenden.

Die Zuwendung wird als Projektförderung im Wege der Anteilsfinanzierung gewährt. Sie bemisst sich bisher nur nach der Höhe der Aufwendungen der Träger und beträgt 50 % des auf 51.129 € jährlich gedeckelten Gesamtaufwandes. Für die Höhe der von den Trägern angesetzten Aufwendungen gelten keine objektiven leistungsbezogenen Kriterien, die den Aufwand je Maßnahme sachgerecht begrenzen, wie z. B. Personalkostenniveau, Personalschlüssel, Zeitaufwand, Teilnehmerzahl usw.

Nach Weisungen des SM von 1993 und 1998 setzen derzeit alle Regierungspräsidien von den Personalkosten der Träger nur die Erstattungen des Bundesamtes für Zivildienst ab. Allerdings geht heute das Ministerium davon aus, dass von den Personalkosten auch die übrigen Einnahmen, einschließlich der Leistungen der Sozialleistungsträger, abgesetzt werden - mit Ausnahme der kommunalen Zuschüsse. Folglich haben die Regierungspräsidien jahrelang in erheblichem Umfang (2002 mehr als 0,5 Mio. €) überhöhte Zuwendungen gewährt.

3 Einzelne Feststellungen

Nahezu drei Viertel der geprüften Verwendungsnachweise waren nicht korrekt. Angaben waren geschätzt, Einnahmen zu niedrig und Ausgaben zu hoch angegeben, Einnahme- bzw. Ausgabepositionen fehlten vollständig oder Maßnahmen wurden unzutreffend zugeordnet. Die Träger begründeten diese Fehler regelmäßig damit, dass Unklarheiten bei den Förderregelungen bestünden, eine klare Abgrenzung ihrer verschiedenen Aktivitäten schwer möglich sei und bei ihnen der Förderhöchstbetrag bei eindeutig zum geförderten Maßnahmenbereich gehörenden Aktivitäten ohnehin überschritten werde.

3.1 Mängel mit Bezug auf die zu fördernden Maßnahmen

  • Zwei Träger verwendeten die Landesmittel für Maßnahmen außerhalb des Förderbereichs der Richtlinien. Darunter gab es auch eine Doppelförderung. Daher sind von diesen Trägern für die Jahre 2001 bis 2003 Fördermittel in Höhe von rd. 77.000 € zurückzufordern.

 

  • Gemäß den jährlichen Zuweisungserlassen des SM haben die Regierungspräsidien bei der Förderung „vorwiegend gruppenbezogene Maßnahmen zu berücksichtigen“. Ein Drittel der geprüften Träger führte demgegenüber keine bzw. nicht vorwiegend gruppenbezogene Maßnahmen durch.

 

  • Tagesstrukturierende Maßnahmen für alte behinderte Menschen, die laut Vorgaben des SM zu fördern waren, wurden von den Trägern im Rahmen des Förderprogramms nicht durchgeführt.

 

  • Ein Förderkriterium ist die Entlastung der mit der (körperlich oder geistig) behinderten Person zusammenlebenden Pflegepersonen. Bei drei Trägern lebten über 50 % der Teilnehmer, bei sechs zwischen 20 % und 50 % und bei weiteren sechs bis zu 20 % der betreuten Personen nicht mit den Pflegenden zusammen. Gleichwohl wurden diese Träger gefördert.

 

  • Ferienfreizeiten für Behinderte sind förderfähig. Zwei Drittel der Träger haben allerdings die auf solche Maßnahmen entfallenden Einnahmen und Ausgaben im Verwendungsnachweis nicht oder nur unvollständig angegeben. Zum Teil wurden Ferienfreizeiten angeboten, deren Preise für einkommensschwache Betroffene nicht erschwinglich waren und damit eine Teilnahme verhinderten.

3.2 Sonstige Mängel der Förderpraxis

  • Entgegen den Vorgaben der Richtlinien erhebt ein Teil der Träger, insbesondere bei den stundenweisen Gruppenmaßnahmen, kein Entgelt von den Teilnehmern. Das SM wies bereits 1992 darauf hin, dass es genüge, wenn der Träger im Antragsformular einen Betrag einsetze; ob das vorgesehene Entgelt tatsächlich erhoben oder bei bestimmten Angeboten darauf verzichtet werde, solle das RP nicht prüfen.

 

  • Für alle vom Land geförderten Maßnahmen haben Pflegebedürftige (im Sinne der Pflegeversicherung) Ansprüche gegenüber Sozialleistungsträgern. Allein rd. 80 % der Landesmittel sind Personen mit Ansprüchen gegenüber Pflegekassen zugute gekommen. Verschiedenen Trägern waren diese Ansprüche nicht bekannt. Insbesondere wussten sie nicht, dass die Teilnahme an ambulanten stundenweisen Gruppenmaßnahmen als Verhinderungspflege abgerechnet werden kann und auch bei Betreuungen unter acht Stunden das volle Pflegegeld gewährt wird.

3.3 Aufgabenverteilung zwischen Kommunen und Land

Die Kommunen sind im Rahmen der Daseinsvorsorge selbst verpflichtet, die zur Ausführung von Sozialleistungen erforderlichen sozialen Dienste und Einrichtungen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung zu stellen. Das Land unterstützt seit über 20 Jahren diese kommunale Aufgabe der ambulanten Hilfen für Behinderte und ihre Angehörigen, um gleichwertige Lebensverhältnisse im Land zu schaffen. Seit mehr als zehn Jahren ist aus Sicht des SM das Ziel einer flächendeckenden Grundversorgung nahezu erreicht.

Gleichwohl förderte das Land diese Maßnahmen im Jahre 2002 mit insgesamt 2,70 Mio. €, während der Anteil der Kommunen an der Förderung nur 1,47 Mio. € betrug.

Landesweit wies lediglich rd. die Hälfte der Verwendungsnachweise des Jahres 2002 kommunale Zuwendungen aus. Ihre Auswertung ergab, dass die Kommunen in den Regierungsbezirken unterschiedlich förderten. Der Anteil lag - bis auf den Regierungsbezirk Stuttgart - deutlich unter 50 %. Nur bei 18 % der Verwendungsnachweise war die kommunale Förderung gleich hoch oder höher als die Landeszuwendung.

4 Beurteilung und Empfehlungen

Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass die Rahmenbedingungen der bisherigen Förderung unzureichend sind. Mangelhafte Regelungen, unterlassene Dokumentationen von grundlegenden Besprechungsergebnissen sowie unterschiedliche Interpretationen sind die relevanten Gründe für die höchst unbefriedigende Fördersituation. Die dadurch verursachten Fehler bei der Umsetzung des Förderprogramms hätten vermieden werden können.

Die Höhe der Landeszuwendung bemisst sich bislang nur nach den deklarierten Aufwendungen der Träger, nicht aber nach objektiven leistungsbezogenen Kriterien, also nicht danach, ob die Aufwendungen für die jeweiligen Maßnahmen sachlich gerechtfertigt sind. Im Interesse einer gerechten Verteilung der Fördermittel hält der RH für die Festsetzung der Zuwendungen leistungsbezogene Kriterien für unabdingbar.

Da das ursprüngliche Ziel einer flächendeckenden Grundversorgung seit vielen Jahren nahezu erreicht ist, sollte das Land auch mit Blick auf die aktuelle Haushaltslage kritisch prüfen, ob das freiwillige Engagement für diese kommunale Aufgabe weiterhin aufrechterhalten werden soll.

Sollte das Land diesen Bereich allerdings weiter fördern wollen, empfiehlt der RH,

  • eine klare Abgrenzung der Landesförderung zur vorrangigen Verantwortung der Kommunen in diesem Bereich vorzunehmen;
  • anwendungssichere Förderrichtlinien zu erlassen, insbesondere

die Förderkonditionen neu zu bestimmen, vor allem den begünstigten Personenkreis sowie die Maßnahmen eindeutig festzulegen und die Zuschussberechnung unmissverständlich zu regeln;

im Interesse transparenter Förderstrukturen die Abgrenzung zwischen den von gesetzlichen Sozialleistungsträgern zu finanzierenden und vom Land geförderten Maßnahmen vorzunehmen;

  • das Förderprogramm so zu bestimmen, dass Doppelförderungen ausgeschlossen sind;
  • für die Förderung leistungsbezogene Kriterien vorzuschreiben, welche auch eine Evaluation ermöglichen;
  • wesentliche Änderungen in der Förderpraxis künftig zu dokumentieren.

5 Stellungnahme des Ministeriums

Das SM teilt mit, dass die Förderrichtlinien des Landes aus dem Jahre 1991 bewusst weit gefasst worden seien, um dem heterogenen Personenkreis der behinderten Menschen mit seinem unterschiedlichen Hilfebedarf gerecht zu werden. Aufgrund zurückgehender Haushaltsmittel wirke das SM seit Ende der 90-er Jahre darauf hin, dass zunehmend Gruppenbetreuungen angeboten werden sollten. Je nach den Gegebenheiten und Hilfestrukturen vor Ort konnten von den Regierungspräsidien unterschiedliche Förderschwerpunkte gesetzt werden, die in ihrer Zielrichtung mit dem SM in den jährlichen Förderbesprechungen teilweise einzeln abgestimmt worden seien.

Das Ministerium habe die in der Liga der freien Wohlfahrtspflege zusammengeschlossenen Verbände bereits gebeten, die Projektträger auf die Notwendigkeit sowohl der korrekten Mittelverwendung als auch der Inanspruchnahme von Leistungen der Pflegeversicherung hinzuweisen.

Das SM beabsichtige die Förderrichtlinien insoweit neu zu formulieren, als es zur weiteren Verdeutlichung des Gewollten geboten erscheine. Dabei sollen die Richtlinien entsprechend den Vorschlägen des RH konkreter, aber dennoch so offen gefasst werden, dass dem unterschiedlichen Hilfebedarf der behinderten Menschen weiterhin Rechnung getragen werden könne. Das SM halte es für sinnvoll, die Landesförderung von einer Komplementärförderung der Kommunen als zuständige Sozialhilfeträger abhängig zu machen.

6 Schlussbemerkung

Der RH hält vorrangig eine Einstellung der Landesförderung für angezeigt. Will das Land sie dennoch aufrechterhalten, sollten die Vorschläge des RH berücksichtigt werden.


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Einzelplan 10: Umweltministerium

Im kommunalen Straßenbau wurden Vorhaben gefördert, die den Charakter reiner Anliegerstraßen haben oder sogar wegen Absperrungen für den gesamten Straßenverkehr überhaupt nicht nutzbar sind. Die Bewilligungsstellen müssen die Vorgaben für Förderungen konsequenter beachten.


1 Förderung nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz

Nach der Verwaltungsvorschrift zum Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (VwV-GVFG) kann der Neu-, Um- oder Ausbau kommunaler Verkehrswege mit derzeit bis zu 70 % der zuwendungsfähigen Ausgaben vom Land bezuschusst werden. Hierfür standen beispielsweise 2004 Fördermittel in Höhe von rd. 135 Mio. € zur Verfügung; im Jahr 2005 werden es rd. 118 Mio. € sein. Vorrangig handelt es sich bei diesen Fördermitteln um Bundesfinanzhilfen, welche die Länder aus dem Mineralölsteueraufkommen, zweckgebunden für Investitionen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Kommunen, erhalten.

Gefördert werden können u. a. folgende Verkehrswege und -anlagen:

  • Verkehrswichtige innerörtliche Straßen, z. B. Hauptverkehrsstraßen, deren Funktion entsprechend der Gemeindegröße in einem Generalverkehrsplan oder einem gleichwertigen Plan definiert ist,

 

  • Verkehrswichtige zwischenörtliche Straßen in zurückgebliebenen Gebieten, z. B. Gemeindeverbindungsstraßen, soweit sie der Schaffung und Verbesserung notwendiger Verkehrsverbindungen dienen.

Anlieger- und Erschließungsstraßen sind dabei ausdrücklich von einer Förderung ausgenommen.

2 Förderpraxis

Der RH und die StRPÄ Freiburg und Stuttgart haben in den Jahren 2003 und 2004 mehr als 90 Vorhaben geprüft, die in das Förderprogramm nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) aufgenommen und nach dessen Regelungen gefördert wurden. Hierbei wurde festgestellt, dass die Antragsunterlagen zur Aufnahme in das Förderprogramm bei nahezu der Hälfte der geprüften Vorhaben unvollständig oder nicht ausreichend waren. Ungeachtet dessen wiesen die Bewilligungsstellen in der Regel keinen Antrag zurück, sondern stellten vielmehr auf dieser Grundlage die Förderfähigkeit der Vorhaben fest. Häufig reichte es aus, dass das Vorhaben einem in der VwV-GVFG vorgegebenen Fördergegenstand zugeordnet wurde. Eine Prüfung der Abgrenzung zu nicht förderfähigen Tatbeständen sowie der Notwendigkeit und Dringlichkeit unterblieb jedoch weitgehend. Dies hatte zur Folge, dass sich nach der Bewilligung häufig wesentliche Änderungen, Abweichungen vom ursprünglichen Fördergegenstand der Vorhaben oder Ausgabeerhöhungen ergaben, ohne dass dies finanzielle Konsequenzen hatte.

2.1 Förderung einer Anliegerstraße als verkehrswichtige innerörtliche Straße

Das vom StRPA Freiburg geprüfte Vorhaben zum Ausbau einer als innerörtlich bezeichneten Straße hatte das RP im April 2000 in das Förderprogramm aufgenommen. Das Vorhaben mit zuwendungsfähigen Ausgaben von rd. 210.000 € wurde umgesetzt und mit rd. 146.500 € bezuschusst.

Bereits im März 1997 hatte das zuständige Straßenbauamt dem Vorhabensträger mitgeteilt, dass die beantragte Ausbaumaßnahme nicht zuwendungsfähig sei. Nach Abstimmungen mit dem Vorhabensträger legte das Straßenbauamt im August 1997 dann doch den Förderantrag zur Beurteilung der Zuwendungsfähigkeit dem RP vor.

Die Fördervoraussetzungen wurden dadurch geschaffen, dass die früheren Ablehnungsgründe ausgeräumt wurden. So sollten, neben dem Verzicht auf den Einbau von Pflasterungen, die den Charakter einer Anlieger-/Wohnstraße unterstrichen hätten,

  • die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h auf 50 km/h heraufgesetzt,
  • das Verbot für Kraftfahrzeuge über 2,8 t Gesamtgewicht aufgehoben und
  • die Regelausbaubreite von 5,5 m auf 6,0 m erhöht werden.

Diese als verkehrswichtig bezeichnete innerörtliche Straße war nicht in einem Plan enthalten. Sie nimmt keinen stärkeren Durchgangsverkehr auf und ist nicht gegenüber kreuzenden Straßen bevorrechtigt. Da die Straße die Kriterien einer verkehrswichtigen innerörtlichen Straße nicht erfüllt, war die Aufweitung der Straße auf 6,0 m Breite aus verkehrlichen Gründen nicht erforderlich. Sie hatte auch ohne Pflasterung der Fahrbahnfläche zu jeder Zeit den Charakter einer Anliegerstraße und behielt ihn auch nach dem Ausbau. Die Aufweitung diente allein dazu, die Fördervoraussetzungen formal zu erfüllen.

In Wirklichkeit wurde die Straße in der Form gebaut, wie sie zur Ablehnung des ursprünglichen Förderantrags geführt hatte: Sie unterliegt einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h (s. Bild 1), und sie ist gemäß Beschilderung für Kraftfahrzeuge über 2,8 t Gesamtgewicht gesperrt (s. Bild 2). Die Straße ist damit das geworden, was der Vorhabensträger von vorneherein angestrebt hatte: eine nur Anliegern vorbehaltene Wohnstraße.

Die Zuwendung nach dem GVFG in Höhe von 146.500 € hätte also nicht gewährt werden dürfen. Wegen Verstoßes gegen die Förderbedingungen ist zu prüfen, ob der Bewilligungsbescheid aufzuheben ist.

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2.2 Neubau einer Brücke als Anbindung an eine nicht vorhandene Gemeindeverbindungsstraße

Die Förderfähigkeit eines ebenfalls vom StRPA Freiburg geprüften Vorhabens wurde vom zuständigen Straßenbauamt damit begründet, dass es der Verbesserung der Verkehrsverhältnisse für eine Gemeindeverbindungsstraße diene. Zweck des 2002 abgerechneten (Verkehrsfreigabe 1998) und mit rd. 383.000 € geförderten Vorhabens war der Neubau einer Brücke über ein Gewässer, womit der Anschluss an die Gemeindeverbindungsstraße verbessert werden sollte. Außerdem sollte die Brücke auch vom Schwerlastverkehr genutzt werden können.

Der Aus- bzw. Neubau der Brücke für eine uneingeschränkte Nutzung durch den Schwerverkehr war ursprünglich im Rahmen des Ausbaus einer höher klassifizierten Straße als Möglichkeit einer Förderung nach dem GVFG in den Planfeststellungsbeschluss aufgenommen worden. Voraussetzung dafür wäre jedoch u. a. gewesen, dass von der Gemeinde eine vorhandene andere Zufahrt zur höher klassifizierten Straße geschlossen wird, da nur dann der neue Anschluss und eine Brückenerneuerung überhaupt notwendig gewesen wären.

Die Fördervoraussetzungen wurden vom Vorhabensträger nicht erfüllt, da die bestehende andere Zufahrt - abweichend von seiner Zusage - nicht geschlossen wurde.

Weiter sind die Verkehrswege nach der Brücke reine Anliegerstraßen, die ein Freibad, ein Unternehmen, eine Trafostation und zwei abgelegene Gehöfte erschließen. Außerdem erfüllt die Straße nicht die Funktion einer Gemeindeverbindungsstraße, zumal sie zwar zu einem Baugebiet führt, aber lediglich den Charakter eines Wirtschaftsweges hat und zudem mit einer Schranke abgesperrt ist (s. Bild 3). Nach Aussage der Gemeinde soll es hier auch keinen Durchgangsverkehr geben.

2005-B017-Bild3.jpg

Der tatsächliche Zustand entspricht nicht den Grundlagen für die damalige Bewilligung. Aus Sicht des RH sind der Zuwendungsbescheid aufzuheben und die Zuwendungen zurückzufordern.

3 Bewertungen und Empfehlungen

Die Fördergegenstände „verkehrswichtige innerörtliche bzw. zwischenörtliche Straßen“ sind in der Verwaltungsvorschrift deshalb nicht näher eingegrenzt, um in der Praxis den örtlichen Verkehrsverhältnissen sowie den Unterschieden zwischen Ballungsräumen und ländlichen Gebieten Rechnung tragen zu können. Daher sind derartige Vorhaben stets in Abhängigkeit von den örtlichen Gegebenheiten, der Gemeindegröße und den Wirkungen im gesamten Straßenverkehrsnetz zu betrachten.

Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass Gemeindestraßen mit Blick auf die Förderfähigkeit - z. B. durch entsprechende Darstellung im Straßennetz - als verkehrswichtige Straße bezeichnet werden, obgleich sie eindeutig den Charakter von Anlieger- oder Erschließungsstraßen haben. Derartige Verfahrensweisen sind selbst bei großzügiger Interpretation von Fördergegenständen nicht durch die gesetzliche Regelung gedeckt.

Die Bewilligungsstellen haben mehrfach - so auch bei den dargestellten Fällen - das „Aufrüsten“ eines Vorhabens zur vermeintlichen Förderfähigkeit wohlwollend begleitet, eine anschließende Erfolgskontrolle jedoch nicht vorgenommen. Sie hätten aber in jedem Fall prüfen und ggf. durch einen Ortstermin verifizieren müssen, ob die beantragten und bewilligten Förderziele und -zwecke erreicht wurden. So aber wurde den Vorhabensträgern die Möglichkeit eröffnet, ihre nicht förderfähigen Vorstellungen umzusetzen.

Die Bewilligungsstellen sollten daher einer sorgfältigen Abgrenzung förderfähiger Straßen gegenüber nicht förderfähigen Anlieger- und Erschließungsstraßen deutlich mehr Beachtung schenken. Außerdem sollten sie stärker als bisher ihre Aufgabe wahrnehmen; sie reicht von der Antragsprüfung über die Abrechnung bis zur Erfolgskontrolle der Vorhaben.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Im Falle der Anliegerstraße (s. Pkt. 2.1) bestätigt das Ministerium, dass das Straßenbauamt zunächst Bedenken hatte und den Förderantrag dann dem RP zur Beurteilung vorgelegt habe. Im Rahmen der folgenden Abstimmungen mit der Stadt sei vereinbart worden, die vorgesehenen Beschränkungen aufzuheben, zumal die Straße als Entlastungsstraße eingestuft worden sei. Erst im Zuge der Prüfung durch das StRPA Freiburg habe die Straßenbauverwaltung erfahren, dass die damals getroffenen Vereinbarungen seitens der Stadt nicht eingehalten worden seien. Das RP habe daraufhin die Stadt aufgefordert, die angeordneten Beschränkungen umgehend zu beseitigen; ansonsten müsse die Bewilligung widerrufen werden. Die Stadt habe sich Ende Februar 2005 bereit erklärt, die Verkehrsbeschränkungen endgültig aufzuheben.

Zu der Brücke (s. Pkt. 2.2) teilt das Ministerium die Auffassung des RH, dass hier die Fördervoraussetzungen nach dem GVFG nicht vorlägen; es habe daher die Rücknahme des Bewilligungsbescheids veranlasst.

Das Ministerium widerspricht zwar der Folgerung des RH, dass die dargelegten Vorhaben bezeichnend seien für die generelle Förderpraxis, will jedoch die Regierungspräsidien erneut auf die Abgrenzungsproblematik hinweisen und um strikte Beachtung der Regelung bitten, wonach Anlieger- und Erschließungsstraßen ausdrücklich von einer Förderung ausgenommen sind. Ferner führt das Ministerium aus, dass mit der Fortschreibung der VwV-GVFG bereits begonnen worden sei. Im Rahmen dieser Arbeiten würden auch Anregungen des RH berücksichtigt, insbesondere zur Erfolgskontrolle.

5 Schlussbemerkung

Das Ministerium als Aufsichtsbehörde hat in den beiden Fällen auf die Feststellungen des RH sachgerecht reagiert. Die Aufnahme der Beispiele in die Denkschrift zielt vor allem darauf ab, die Bewilligungsstellen zu einem sorgfältigeren Umgang mit öffentlichen Mitteln zu veranlassen und ihnen die Grenzen ihres Handlungsspielraums bewusst zu machen. Dieser Gedanke sollte auch bei der vom Ministerium begonnenen Überarbeitung und Aktualisierung der Verwaltungsvorschrift verstärkt berücksichtigt werden.


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Infolge unzureichender Prüfung durch die Fachverwaltung wurden Fördermittel in erheblicher Höhe fehlgeleitet und für andere Zwecke eingesetzt. Um eine sachgerechte und wirtschaftliche Mittelverwendung sicherzustellen, sollten für Gewässerentwicklungspläne Mindeststandards entwickelt werden. Die Anträge sind künftig kritischer auf Förderfähigkeit zu prüfen.


1 Vorbemerkung

Mit der seit 1994 möglichen Förderung nach den Förderrichtlinien Wasserwirtschaft sollen bei nicht naturnah ausgebauten Gewässern die Voraussetzungen für eine ökologische Entwicklung geschaffen werden. Naturnahe Gewässer können auch dazu beitragen, Hochwasser in Teilen zurückzuhalten oder zu dämpfen; insofern kommt ihnen zusätzliche Bedeutung zu.

Die naturnahe Entwicklung eines Gewässers kann u. a. folgende Elemente beinhalten:

  • eine Anwendung naturgemäßer Bauweisen zur Böschungs- und Ufersicherung,
  • eine auf die Typologie des Gewässers abgestimmte naturnahe Umgestaltung,
  • eine standortgerechte Bepflanzung von Gewässerrandstreifen.

Die naturnahe Entwicklung der Gewässer wird über den Gewässerentwicklungsplan gesteuert, anhand dessen die detaillierte Planung für den örtlichen Bereich erfolgt. Auf der Grundlage von übergeordneten fachlichen Entwicklungskonzepten beteiligt sich die Wasserwirtschaftsverwaltung an der Aufstellung der örtlichen Gewässerentwicklungspläne und nimmt die Priorisierung der Maßnahmen vor.

Die Kommunen als Baulastträger für die Gewässer II. Ordnung werden sowohl bei der Entwicklung der Gewässerentwicklungspläne als auch bei der Bauausführung vom Land mit einem Fördersatz von bis zu 70 % der zuwendungsfähigen Ausgaben unterstützt.

Das Ministerium hatte 2004 für Fördermaßnahmen des Wasserbaus und der Gewässerökologie - mit dem Schwerpunkt Hochwasserschutz - Mittel in Höhe von rd. 35 Mio. € veranschlagt. Für Maßnahmen der Gewässerökologie wird ein Förderkorridor frei gehalten, der etwa 10 % der veranschlagten Fördermittel umfasst, also 3,5 Mio. €.

Der RH hat zusammen mit den StRPÄ Freiburg und Stuttgart 34 Maßnahmen des Wasserbaus und der Gewässerökologie geprüft und dabei festgestellt, dass bei über der Hälfte der geprüften Maßnahmen von einer „naturnahen Gewässerentwicklung“ kaum die Rede sein kann; nur bei einem Viertel ergaben sich keinerlei Beanstandungen.

2 Prüfung der Förderanträge und Überwachung der Ausführung

Die Antragsprüfungen und fachlichen Begleitungen durch die technischen Fach-behörden (in der Regel Gewässerdirektionen) und ausführenden Ingenieurbüros wurden weit gehend unkritisch und wenig fachbezogen durchgeführt. Grundsätzlich wurden

  • Maßnahmen ohne nachvollziehbare und transparente Kriterien für eine Priorisierung gefördert,
  • evtl. kostengünstigere Alternativvorschläge bei der Planungsprüfung nicht oder nur teilweise erarbeitet,
  • Abweichungen zwischen Planung und Bauausführung nicht erkannt,
  • Mehrausgaben während der Bauausführung nicht eingehend genug hinterfragt,
  • nach Beendigung der Baumaßnahmen in der Regel keine oder nur oberflächliche Erfolgskontrollen durchgeführt.

Außerdem kamen bei manchen Vorhaben nicht ökologische, sondern konventionelle Bauweisen zum Einsatz. Nachstehend werden drei Maßnahmen beispielhaft dafür dargestellt, dass ein beträchtlicher Anteil der knappen Mittel nicht zielgerichtet eingesetzt wurde.

Beispiel 1

Ausbau eines Bachs entlang einer Bundesstraße

Die Förderfähigkeit der Maßnahme begründete die Gewässerdirektion mit der Verbesserung des gewässerökologischen Zustands des Bachs. Eine Verbesserung der Ökologie des Bachs ist aber nicht erkennbar (s. Bild 1).

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Das zuständige RP räumte zwar ein, dass sich die Gewässerdirektion in der Definition des Fördertatbestands „offensichtlich irrte“, vertritt aber die Meinung, dass ein Gewässerausbau in jedem Fall förderfähig war. Der RH ist jedoch der Ansicht, dass die inzwischen realisierte Maßnahme weder einem wasserwirtschaftlichen noch einem naturnahen Ausbau des Bachs dient. Vielmehr ist sie als Folge des dreispurigen Ausbaus der Bundesstraße zu sehen, in dessen Verlauf die abgängige bestehende Verdolung umverlegt werden musste.

Beispiel 2

Renaturierung eines Bachs in der Gemeinde A

Der ökologische Zustand des Bachs konnte zwar in Teilen verbessert werden. So wurde die Verdolung streckenweise geöffnet und der feste Verbau durch Absenkung der Ufermauer entfernt. Weitere ökologische Verbesserungsmöglichkeiten, wie das Überlassen der an das Bachbett angrenzenden Flächen zur Eigenentwicklung des Bachs, hat der Vorhabensträger aber nicht genutzt. Dessen primäres Interesse galt offensichtlich der Ortskernsanierung und weniger der Renaturierung des Bachbetts. Bauweise und Ausgestaltung der Maßnahme zeigen jedenfalls eine eindeutige Ausrichtung auf die Ortskernverschönerung (s. Bild 2).

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Beispiel 3

Renaturierung eines Bachs in der Gemeinde B

Bei dieser Maßnahme wurde keine Renaturierung im Sinne der Förderrichtlinie Wasserwirtschaft durchgeführt, da mit der Maßnahme keine eigendynamische naturnahe Entwicklung geschaffen wurde.

So wurde keine Verbesserung in der naturfernen Grundstruktur des Bachs vorgenommen. Obwohl Möglichkeiten zur ökologischen Aufwertung, beispielsweise durch Profilmodellierungen im öffentlichen Gelände, gegeben waren, wurden der geradlinige Verlauf und das trapezförmige Abflussprofil beibehalten. Auch erfolgte keine naturverträgliche Nutzung des Gewässerrandstreifens (u. a. durch Flächenstilllegung). Der Grunderwerb für den Gewässerrandstreifen wurde zwar bezuschusst, doch reicht die landwirtschaftliche Nutzung nach wie vor an das Bachbett heran. Dadurch fehlt die Pufferfunktion gegen Düngung und Ähnliches; außerdem wird dadurch der Bachlauf in seiner Eigenentwicklung erheblich behindert.

Es ist nicht nachvollziehbar, woraus die Bewilligungsstelle die Förderfähigkeit und Priorität für diese „Renaturierungs“-Maßnahme ableitete.

3 Folgerungen für die Förderung

Dem naturnahen Gewässerausbau kommt im gesamten ökologischen Gefüge eine wichtige Funktion zu. Nur noch rd. 20 % der Gewässer sind als weit gehend naturnah eingestuft, während 30 % als beeinträchtigt und ca. 50 % sogar als naturfern gelten. Die Gewässerentwicklung wird daher auch zukünftig ein zentrales Aufgabenfeld der Wasserwirtschaft darstellen.

Zwar standen auch in der Vergangenheit schon Leitlinien der Landesanstalt für Umweltschutz zur Gewässerentwicklungsplanung zur Verfügung. Dass dennoch unter dem Etikett des Fördertatbestands „ökologische Gewässerentwicklung“ zahlreiche Vorhaben gefördert wurden, die weit entfernt sind von einem naturnahen Gewässerausbau und vielfach eher dessen Gegenteil darstellen, mag daran gelegen haben, dass der Ökologie in der Praxis von den Fachbehörden und den Ingenieurbüros keine ausreichende Bedeutung zugemessen wurde.

Zugleich aber belegt der Umstand, dass bei mehr als der Hälfte der unter dem Stichwort „Gewässerökologie“ geprüften Maßnahmen völlig andere Tatbestände als die naturnahe Gewässerentwicklung bezuschusst wurden, einen fachlich wenig konsequenten Umgang der Fachbehörden mit den Förderrichtlinien. Häufig wären diese Fördertatbestände als nicht prioritär einzustufen gewesen, mit der Folge keiner oder einer verzögerten Förderung.

Mit der Verwaltungsstruktur-Reform übernehmen nun die Stadt- und Landkreise die Zuständigkeit für die fachtechnische Prüfung und die fachliche Begleitung der Gewässerentwicklung. In Anbetracht dieser Veränderungen und auch wegen zunehmender Anforderungen aus der Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie wird es umso dringender, dass einheitliche und leicht anwendbare Arbeitsgrundlagen zu geschaffen werden.

Der RH empfiehlt daher, in Umsetzung der fachlichen Ziele verbindliche Mindeststandards zur Ausarbeitung von Gewässerentwicklungsplänen zu definieren. Nur so können die künftig notwendigen Qualitätsanforderungen bei gleichzeitiger Verwaltungsvereinfachung gewährleistet werden. Die Mindeststandardkataloge für Gewässerentwicklungspläne in Form von „Handlungsanweisungen“ sollen dann die wesentliche Basis für eine nachvollziehbare Priorisierung der Maßnahmen darstellen und nach kritischer Prüfung eine Förderentscheidung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ermöglichen.

Auf diese Weise können die ohnehin mit überschlägig 3,5 Mio. € je Haushaltsjahr knappen Mittel für wirklich wichtige Maßnahmen der naturnahen Gewässerentwicklung ziel- und zweckentsprechend eingesetzt werden.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Ministerium teilt im Grundsatz die Feststellungen des RH. Der RH bemängle zu Recht, dass der Priorisierung und wirtschaftlichen Betrachtung von Maßnahmen in der Praxis nicht ausreichend Bedeutung beigemessen werde. Die Regierungspräsidien als Bewilligungsstellen werden deshalb vom Ministerium aufgefordert, zukünftig ein besonderes Augenmerk auf die fachliche Begleitung zu legen und ggf. lenkend einzugreifen. Außerdem beabsichtige das Ministerium, bei Fortbildungsveranstaltungen die fachlichen Grundlagen intensiver zu behandeln.

Auch wolle das Ministerium insbesondere darauf hinweisen, dass durch geeignete Unterhaltungsmaßnahmen bereits mit wenig Aufwand viel erreicht werden könne. So sollen Betreuer vor Ort u. a. im Zuge der Gewässernachbarschaften den Verantwortlichen der kommunalen Bauhöfe Grundlagen für eine naturnahe Unterhaltung und Gestaltung der Gewässer mit einfachen Mitteln veranschaulichen.

Von einer im Vorjahr in Auftrag gegebenen Studie erwarte das Ministerium Aussagen darüber, wie künftig die Gewässerentwicklungspläne besser für die Bewirtschaftungsplanung gemäß der europäischen Wasserrahmenrichtlinie genutzt werden können. In die danach ggf. erforderliche Überarbeitung des bestehenden Leitfadens sollen die Anregungen des RH im Detail eingearbeitet werden.

5 Schlussbemerkung

Der RH hat an drei Beispielen den Verbesserungsbedarf bei der Förderung von Maßnahmen des Wasserbaus und der Gewässerökologie aufgezeigt und daraus allgemeine Empfehlungen abgeleitet. Mit der vom Ministerium beabsichtigten Verfahrensweise zur Verbesserung der Sachlage ist der RH einverstanden.


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Einzelplan 12: Allgemeine Finanzverwaltung

Der Rechnungshof hält eine bundeseinheitliche DV-Unterstützung der Steuerverwaltung für zweckmäßig. Aufgrund der bisher unbefriedigenden Entwicklung bestehen jedoch erhebliche Zweifel, ob das Projekt FISCUS dieses Ziel in einem angemessenen Zeitraum und mit vertretbarem Aufwand erreichen kann. Die Länderparlamente sollten die Maßnahmen der Exekutive verstärkt kritisch hinterfragen und bei weiterer Erfolglosigkeit dem Projekt die erforderlichen Haushaltsmittel entziehen.


1 Vorbemerkung

Die Länder führen die Steuergesetze des Bundes in eigener Personal- und Organisationshoheit aus. Hierdurch haben sich in den einzelnen Bundesländern unterschiedliche DV-Strukturen entwickelt. Mit der wachsenden Bedeutung der DV im Bereich der Steuerverwaltung etwa seit den 70er Jahren wurde zunehmend die Notwendigkeit erkannt, aus Gründen der Wirtschaftlichkeit die DV-Strukturen und Programme möglichst bundesweit einheitlich zu gestalten. Auf der Basis dieser Einsicht entwickelten sich Kooperationen von Bundesländern, die durchaus zu gewissen Wirtschaftlichkeitseffekten führten. Gleichwohl bauten alle Bundesländer in der Folgezeit eigenständig umfangreiche DV-Entwicklungs- und Servicebereiche auf, die in den letzten 20 Jahren zu großen Personalkörpern anwuchsen und jährlich bundesweit mehrere 100 Mio. € kosten dürften. Genaue und verlässliche Zahlen zu den bundesweiten DV-Kosten im Bereich der Steuerverwaltung sind dem RH nicht bekannt. Allein in Baden-Württemberg arbeiten - Stand Ende 2004 - im DV-Bereich der Steuerverwaltung rd. 600 Mitarbeiter, was jährlichen Kosten in einer Größenordnung von 30 Mio. € entspricht.

2 Projektverlauf

Anfang der 90er Jahre führte die Befürchtung der allmählichen Funktionsunfähigkeit der in die Jahre gekommenen Steuerfestsetzungs- und Erhebungsprogramme, vor allem aber die Erkenntnis, dass aus Gründen der Wirtschaftlichkeit die DV-Unterstützung für die Steuerverwaltungen der Länder vereinheitlicht werden sollte, zu einem Beschluss der Finanzministerkonferenz, der - 1992 - den Startschuss für das Projekt FISCUS bedeutete. Mit den seitherigen Programmen war und ist eine länderübergreifende DV-gestützte Zusammenarbeit kaum möglich. Ziel des Projekts war es, die Automatisationsunterstützung der Länder zu vereinheitlichen und arbeitsteilig zu realisieren. Alle Bundesländer beteiligten sich an dem Projekt.

Auf eine Darstellung der Projektplanung und -durchführung von FISCUS in den Folgejahren bis einschließlich dem Jahr 2000 verzichtet der RH. Festzuhalten ist nur das Ergebnis: Im Jahr 2000 existierte noch kein einziges Produkt, das in den Steuerverwaltungen der Länder einheitlich hätte eingesetzt werden können. Das Projekt FISCUS blieb bis dahin ohne verwertbare Ergebnisse. Zu den Kosten für das Land Baden-Württemberg s. Pkt. 3.

Nicht zuletzt auch wegen kritischer Anmerkungen von Rechnungshöfen zu dieser unbefriedigenden Zwischenbilanz zog sich das Land Bayern Ende 2000 aus dem Projekt FISCUS zurück und gründete gemeinsam mit allen fünf neuen Bundesländern und dem Saarland den Programmverbund EOSS ; die Zielsetzung dieses Verbundes unterschied sich von der seitherigen FISCUS-Zielsetzung insofern, als die vorhandenen (bayerischen) DV-Programme zu einem bundesweit anwendbaren Programm weiterentwickelt werden sollten, während FISCUS das Ziel einer gänzlich neuen Lösung verfolgt hatte, die - unabhängig von der jeweiligen DV-Vergangenheit des Bundeslandes - überall einsetzbar sein sollte. Der „revolutionäre“ Ansatz von FISCUS sollte durch einen evolutionären Weg ersetzt werden.

Alle Länder mit Ausnahme Bayerns gründeten zusammen mit dem Bund zum 01.01.2001 die FISCUS-GmbH, die nunmehr als Auftragnehmerin der Länder aufgrund klarer Aufträge und Zielvorgaben bundeseinheitlich verwendbare Software-Produkte herstellen sollte. Die neue Organisationsform des FISCUS-Projekts mit einer Auftraggeber-Auftragnehmer-Struktur sollte die seitherigen Defizite beseitigen.

Auch diese GmbH brachte - obwohl zumindest zeitweise 300 Mitarbeiter stark - bis zum Zeitpunkt der Drucklegung der Denkschrift noch kein Produkt hervor, das für die Steuerverwaltung einsetzbar gewesen wäre.

3 Projektkosten

Der bisherige Aufwand des Landes für dieses Projekt lässt sich nur grob schätzen. Auf der Basis einer entsprechenden Auskunft des FM hat der RH den in der Übersicht dargestellten Aufwand errechnet (gerundete Beträge).

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Der bisherige Aufwand des Landes summiert sich demnach auf mehr als 35 Mio. €, ohne dass diesem Aufwand auch nur die Spur eines Ertrags gegenüberzustellen wäre. Die auf der Auskunft des FM basierende Schätzung dieser Kosten stellt die untere Grenze dar; z. B. wurde der Aufwand der Fachabteilungen von FM und Oberfinanzdirektionen, der Querschnittsreferate (Personal, Haushalt, Organisation) und der politischen Führung nicht berücksichtigt.

4 Rolle der Rechnungshöfe

Die Rechnungshöfe des Bundes und der Länder hatten das Projekt FISCUS von Beginn an in ihren Bund-Länder-Arbeitskreisen „Steuer“ und „Informationstechnik“ kritisch begleitet. Die Zielsetzung einer einheitlichen DV in allen Ländern wurde stets positiv bewertet; einzelne Prüfungen in Teilbereichen des Projekts vor Gründung der GmbH zeigten aber immer wieder Defizite auf, die letztlich auch die unter Pkt. 2 dargestellten Folgen hatten. Nach Gründung der GmbH schlossen die Rechnungshöfe eine Prüfungsvereinbarung ab, wonach den Rechnungshöfen des Bundes, Bayerns und Nordrhein-Westfalens die Prüfung der FISCUS-GmbH übertragen wurde. Prüfungen des Bundesrechnungshofs und des Landesrechnungshofs Nordrhein-Westfalen fanden auch statt, die Ergebnisse waren im Hinblick auf einen zeitnahen Erfolg des Gesamtprojekts aber ernüchternd bis pessimistisch.

Der RH Baden-Württemberg, der 1999/2000 eine Prüfung des Teilprojekts „Grunderwerbsteuer“ durchgeführt hatte, ging ab Mitte 2003 im Hinblick auf die anhaltende Erfolglosigkeit des Projekts der Frage einer weiteren Beteiligung bzw. Mitfinanzierung des Landes sowie möglicher Alternativen nach.

5 Sachstand und Perspektive Anfang 2005

Wegen der wenig positiven Perspektiven der bisherigen Strategie und der zunehmend kritischen Haltung der Rechnungshöfe zu dem Gesamtprojekt, vor allem aber auch wegen Bestrebungen des Bundesfinanzministeriums, die Verwaltung der Steuern von den Ländern auf den Bund zu verlagern, hat die Finanzministerkonferenz im Juli 2004 eine neue Strategie beschlossen. Sie läuft im Wesentlichen auf eine Reduzierung der FISCUS-GmbH und eine Rückverlagerung der Entwicklungszuständigkeiten in die (großen) Bundesländer hinaus (bei entsprechender Unterordnung der kleineren und finanzschwächeren Bundesländer). Der Beschluss der Finanzministerkonferenz, dem alle Bundesländer - also auch Bayern, das Saarland und die neuen Bundesländer - zugestimmt haben, lautet wie folgt:

„1. Die Finanzminister(innen) der Länder bekräftigen, in einem abgestimmten neuen Verfahren einheitliche Software für das Besteuerungsverfahren gemeinsam entwickeln, beschaffen und einsetzen zu wollen.

Hierzu bestimmen und verantworten allein die Länder die Strategie und Architektur der Informationstechnik der Steuerverwaltungen. Dabei wird wie bisher auch künftig geprüft, ob die eigene Entwicklung ganz oder teilweise durch den Erwerb von Standardsoftware ersetzt werden kann. Die Länder stellen sich der Verantwortung für die Schaffung der organisatorischen Voraussetzungen für den Einsatz zur einheitlichen Software.

2. Die Finanzminister(innen) der Länder beschließen im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen - ausgehend vom Bericht der Arbeitsgruppe - hierzu die nachstehenden Maßnahmen:

a) Sie beauftragen die Länder Niedersachsen und Bayern, gemeinsam ein neues, in allen Ländern einsetzbares Erhebungsverfahren eigenverantwortlich zu entwickeln. Dabei soll die beim Projekt EOSS angewandte Vorgehensweise sowie die bereits geleisteten Vorarbeiten der Länder im Projekt FISCUS als Basis dienen. Die FISCUS-GmbH wird hierbei im Rahmen ihrer neuen Aufgabenzuordnung (Software Dienstleistung) in die Realisierung der Programme einbezogen.

b) Sie beauftragen das Land Bayern, gemeinsam in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg die Altverfahren für die Steuerfestsetzung im Bereich der Veranlagungssteuern zu vereinheitlichen.

3. Die Finanzminister(innen) der Länder bitten im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen die Abteilungsleiter Organisation (Steuerverwaltung), zum 30.06.2005 eine Evaluierung vorzulegen. Ab diesem Zeitpunkt wird die Steuerungsfunktion für die Strategie und Architektur der Informationstechnik der Steuerverwaltungen durch die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen unter Mitwirkung des Bundes einvernehmlich bestimmt und verantwortet. In die Erarbeitung der steuerlichen Fachkonzepte und die Abnahme der Programme bleiben die Länder einbezogen.“

In einem Sachstandsbericht zur Umsetzung dieses Beschlusses hat das FM dem RH Anfang 2005 im Wesentlichen mitgeteilt, dass die FISCUS-GmbH ihre Personalkapazität bis Ende 2005 auf 170 Personalstellen reduzieren soll und hierdurch frei werdende Mittel in den Ländern zur eigenen Entwicklung eingesetzt werden sollen.

Ein Produkt (Version 1) für die Steuererhebung - Stundung und Erlass - solle im 1. Quartal 2005 in Niedersachsen pilotiert werden. Zu dem wesentlich bedeutsameren Bereich „einheitliche Festsetzung der Veranlagungssteuern“ wird berichtet, dass hierzu die Länder Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen zusammenarbeiten. Zeitliche Perspektiven hierzu gibt es nicht. Beim Produkt „Buß- und Strafsachenstelle, Steuerfahndungsinnendienst“ solle die Zusammenarbeit zwischen dem Pilotland Schleswig-Holstein und der FISCUS-GmbH wie bisher weiterlaufen.

Auf der operativen Ebene sei im 1. Halbjahr 2005 die Erstellung einer Gesamtplanung für das Projekt die vorrangige Aufgabe. Die Arbeiten hierzu hätten Anfang 2005 begonnen.

6 Bewertung

Der RH ist nach wie vor der Auffassung, dass die Steuerverwaltungen der Länder mit einheitlicher DV arbeiten sollten. Zwar hat noch niemand das hierdurch mögliche Einsparpotenzial bei den Finanzämtern, vor allem aber im gesamten DV-Bereich der Länder, genau (s. Drs. 12/3760) ermittelt; es ist gleichwohl offensichtlich, dass bundesweit eine vierstellige Zahl von Stellen eingespart werden könnte, wenn nicht eine Vielzahl von DV-Entwicklungen parallel stattfinden würde.

Gerade wegen des prinzipiell erschließbaren erheblichen Einsparpotenzials kann der RH nur schwer nachvollziehen, dass es in mittlerweile eineinhalb Jahrzehnten nicht gelungen ist, wenigstens für einige Bereiche der Steuerverwaltung bundesweit einsetzbare Software zu entwickeln. Während dieser Zeit haben sich sowohl die Methoden und Techniken zur Software-Entwicklung und zur Datenspeicherung als auch die Computertechnik im engeren Sinne fortlaufend verändert. FISCUS lief dieser Entwicklung permanent hinterher.

Die jüngsten Beschlüsse der Finanzministerkonferenz lesen sich für den RH nicht so, als wäre nur noch eine Entwicklung abzuschließen; vielmehr erwecken sie den Eindruck, dass jetzt - nachdem bundesweit mehrere 100 Mio. € ausgegeben worden sind - praktisch neu begonnen werden müsste.

Nach Auffassung des RH müssen die Länderparlamente als Haushaltsgesetzgeber die Maßnahmen der Exekutive verstärkt kritisch hinterfragen. Wenn keine sichtbaren, die Wirtschaftlichkeit von Steuerfestsetzung und -erhebung in definierten Zeiträumen verbessernden Ergebnisse vorgelegt werden können, sollten die Bemühungen durch Entzug der Mittel eingestellt werden. Der RH hält nach der Vorgeschichte die Vorgabe eines Zeitraums von maximal drei Jahren für die Herstellung bundesweit einsetzbarer Produkte im Erhebungsbereich und im Festsetzungsbereich für geboten. Sollte auch diese Frist ergebnislos verstreichen, müssten die Bemühungen um eine bundesweit einsetzbare DV durch die Verwaltungen selbst aufgegeben werden; es bliebe dann noch der Versuch, ein Privatunternehmen zu beauftragen, was bisher nicht ernsthaft als Alternative geprüft wurde, sowie die verfassungsrechtliche Lösung zulasten der Länderzuständigkeit.

7 Empfehlung

Der RH empfiehlt, dass sich der Landtag jährlich über die konkreten Fortschritte und die weitere zeitliche Planung zur Entwicklung einer bundeseinheitlichen DV im Steuerbereich berichten lässt. Auf der Basis dieser Berichte sollte jeweils entschieden werden, ob weitere Mittel in dieses Projekt investiert werden. Spätestens im Jahr 2008 sollten keine Aufwendungen mehr erforderlich sein. Stattdessen müsste die Amortisationsphase mit rückläufigen Kosten und Personalstellen im Bereich der DV-Entwicklung beginnen.

8 Stellungnahme des Ministeriums

Das FM erhebt gegen die Sachdarstellung (s. Pkt. 1 - 5) keine Einwendungen. Es ist auch bereit, dem Landtag jährlich über den Entwicklungsstand des Projekts zu berichten. Zu den Bewertungen und Empfehlungen des RH (s. Pkt. 6 und 7) äußert sich das FM wie folgt:

  • Im Bereich der Steuererhebung werde die bisherige Arbeit der FISCUS GmbH weitergeführt, bis zum Jahr 2007 könne eine landesweit einsetzbare Software für diesen Bereich vorhanden sein. Im Hinblick auf den Festsetzungsbereich gebe es bisher nur eine grobe Zeitplanung; eine Aussage ob in drei Jahren für diesen Bereich eine bundesweit einsetzbare Software vorliege, sei nicht möglich.

 

  • Zur vom RH als Alternative genannten Beauftragung eines Privatunternehmens teilt das FM mit, dass bei diesbezüglichen Sondierungsgesprächen in der Vergangenheit eine Zurückhaltung möglicher Auftragnehmer erkennbar gewesen sei; des Weiteren verweist das FM auf die Notwendigkeit einer Ausschreibung, das Problem der Abhängigkeit von einem Privatunternehmen und die - offenbar ungeklärte - Frage der Zulässigkeit eines Outsourcings.

 

  • Die verfassungsrechtliche Lösung zulasten der Länderzuständigkeit sei keine Lösung, weil die Aufgabe unabhängig von der Organisationsform sei.

 

  • Die Auffassung des RH, dass ab 2008 keine finanziellen Aufwendungen mehr erforderlich sein sollten, teilt das FM nicht. Das Ministerium sieht auch keine gravierenden Einsparmöglichkeiten nach Einführung einer bundeseinheitlichen Software, weil dann zwar weniger Personal im Bereich der Entwicklung benötigt würde, gleichzeitig aber wegen komplexer Technik und wegen des höheren Automationsgrads der Aufwand für Pflege und Service höher werde.

 

  • Wegen bestehender Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern sowie Verträgen mit Dritten sei eine Entscheidung über die Mittelgewährung von Jahr zu Jahr nicht möglich.

9 Schlussbemerkung

Der RH bleibt vor dem Hintergrund des Projektverlaufs von FISCUS, der als geradezu exemplarische Misserfolgs-Geschichte bewertet werden muss, bei seiner Empfehlung, abschließende Fristen für das Engagement des Landes vorzugeben. Völlig unbefriedigend ist es, dass nach eineinhalb Jahrzehnten noch nicht einmal ein Zeitpunkt für die Fertigstellung der Software für den - zentralen und entscheidenden - Bereich der Steuerfestsetzung genannt wird. Kritisch zu bewerten ist auch, dass trotz bisher fehlender Ergebnisse des Projekts die Alternative einer privatwirtschaftlichen Lösung nicht intensiv genug geprüft wurde.

Der RH bleibt auch bei seiner Auffassung, dass bundeseinheitliche Software-Lösungen erhebliche Einsparpotenziale in den DV-Bereichen der Länder ergeben müssen, ohne diese allerdings (bisher) qualifizieren zu können. Es wäre wohl kaum zu vertreten, das jetzt in mehreren Ländern für DV-Entwicklung vorgesehene Personal beim Vorhandensein bundeseinheitlicher Lösungen in vollem Umfang für Pflege und Service einzusetzen.

Nach den Prüfungsergebnissen anderer Rechnungshöfe liegt ein erheblicher Teil der Schwierigkeiten, die für die bisherige Erfolglosigkeit ursächlich sind, auch in unterschiedlichen Interessen, Anforderungen und Organisationsformen der Länder. Der RH hält schließlich auch an seiner Empfehlung fest, ab 2008 keine Mittel mehr zur Verfügung zu stellen, es sei denn, bis zu diesem Zeitpunkt sei die Herstellung verwertbarer Produkte unmittelbar vor der Einsatzfähigkeit. Soweit dem RH bestehende Vereinbarungen vorgelegt wurden, sind diese bis dahin kündbar oder laufen ohnehin aus. Auch der Gesellschaftsvertrag ist ggf. rechtzeitig kündbar.


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Das Halbeinkünfteverfahren wurde von den Finanzämtern vielfach unzutreffend angewendet. Allein durch zu Unrecht anerkannte Spekulationsverluste in Höhe von mehr als 60 Mio. € entstehen Steuermindereinnahmen in Millionenhöhe.


1 Vorbemerkung

Mit der Einführung des sog. Halbeinkünfteverfahrens wurde insbesondere die Besteuerung von laufenden Erträgen und Veräußerungserlösen im Zusammenhang mit Aktien durchgreifend geändert. In der Folge waren Steuererklärungsvordrucke und DV-Systeme anzupassen sowie die Bediensteten der Finanzämter im neuen Recht umfassend zu schulen. Die komplizierte Neuregelung ist in einer Vielzahl von Steuerfällen und auf Besteuerungsgrundlagen mit Beträgen in Milliardenhöhe anzuwenden. Daher hat die Finanzkontrolle die Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens landesweit untersucht.

2 Ausgangslage

2.1 Rechtslage und Begriffsbestimmungen

Bei Dividenden wird nach neuer Rechtslage die von der Gesellschaft bereits bezahlte Körperschaftsteuer nicht mehr auf die Einkommensteuer des Gesellschafters angerechnet. Zum Ausgleich der damit geschaffenen Doppelbelastung hat der Gesetzgeber die Hälfte der Dividenden von der Einkommensteuer befreit (§ 3 Nr. 40 Einkommensteuergesetz) und den Abzug von damit in Zusammenhang stehenden Ausgaben auf die Hälfte begrenzt (§ 3c Abs. 2 Einkommensteuergesetz). Im Vergleich zur bisherigen Rechtslage ergeben sich dadurch beim Gesellschafter per saldo lediglich halb so hohe steuerpflichtige Einkünfte. Die Berechnungsmethode wird daher als Halbeinkünfteverfahren bezeichnet.

Der Geltungsbereich des Halbeinkünfteverfahrens erstreckt sich nicht nur auf Dividenden, sondern z. B. auch auf Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften (§ 23 Einkommensteuergesetz) mit Aktien. Letztere werden nachfolgend vereinfacht als Einkünfte aus Spekulationsgeschäften bezeichnet. Für die erstmalige Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens ist nach inländischen und ausländischen Aktien zu unterscheiden: Bei ausländischen Aktien unterliegen Dividenden und Spekulationseinkünfte bereits ab dem Veranlagungszeitraum 2001 dem Halbeinkünfteverfahren. Bei inländischen Aktien findet es dagegen in der Regel erst ab dem Veranlagungszeitraum 2002 Anwendung.

2.2 Fiskalische Bedeutung des Halbeinkünfteverfahrens

Dem Halbeinkünfteverfahren kommt eine erhebliche fiskalische Bedeutung zu. Allein die bei unbeschränkt steuerpflichtigen natürlichen Personen berücksichtigten Verluste aus Spekulationsgeschäften betrugen in den Veranlagungszeiträumen 2001 bis 2003 landesweit bisher mehr als 1.374 Mio. €. Davon wurden rd. 490 Mio. € (36 %) im Halbeinkünfteverfahren steuerlich angesetzt. Die Übersicht zeigt die Höhe der in Baden-Württemberg bisher dem Halbeinkünfteverfahren unterworfenen Besteuerungsgrundlagen für die insoweit bedeutendsten Einkunftsarten.

2005-B020-Übersicht

3 Prüfungsablauf, Prüfungsumfang

Die Untersuchung wurde vom RH gemeinsam mit den vier StRPÄ durchgeführt. Um repräsentative Ergebnisse zu erhalten, wurden insgesamt zwölf Finanzämter in die Erhebungen einbezogen. Außer der Größe der Finanzämter war insbesondere deren Lage im städtischen oder ländlichen Bereich für die Auswahl maßgebend. Geprüft wurden die Steuerakten von 1.225 unbeschränkt steuerpflichtigen natürlichen Personen. Die Prüfung erstreckte sich hierbei auf 1.851 Steuerbescheide und insgesamt 2.361 Einkunftsarten. Neben der materiell-rechtlichen Fallprüfung wurden auch die jeweiligen Arbeitsabläufe analysiert sowie Mitarbeiterbefragungen in den geprüften Finanzämtern durchgeführt.

4 Materiell-rechtliche Prüfungsfeststellungen

4.1 Beanstandungsquote

Die Prüfung von 1.851 Steuerbescheiden führte zu insgesamt 541 Beanstandungen und somit zu einer Fehlerquote von 29,23 %. Bezogen auf die Zahl der den Steuerbescheiden zugrunde liegenden 2.361 Einkunftsarten ergaben sich 567 Beanstandungen. Dies entspricht einer Fehlerquote von 24,02 %.

4.2 Volumen der Beanstandungen

Das finanzielle Ergebnis der Untersuchung beläuft sich bei rein wirtschaftlicher Betrachtungsweise, d. h. im Saldo von Mehr- und Mindersteuern, auf 1,9 Mio. € zugunsten des Fiskus. Unter den Aspekten der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns und der Gleichbehandlung der Steuerbürger ergibt sich in der Summe dieser Beträge ein nicht saldiertes Fehlervolumen von 3,1 Mio. €. Je geprüftem Steuerbescheid beträgt das durchschnittliche Fehlervolumen 1.695 €. Die finanziellen Ergebnisse stellen Mindestwerte dar, weil sämtliche Fälle, die mangels unzureichender Sachverhaltsangaben im Nachhinein nicht mehr überprüfbar waren, von der Finanzkontrolle statistisch als fehlerfrei erfasst wurden.

Die Beanstandungen hatten nicht nur insgesamt, sondern auch in Einzelfällen beträchtliche steuerliche Auswirkungen: In 13 der 1.225 geprüften Steuerakten wurde ein Fehlervolumen von mehr als 40.000 € festgestellt. In einem dieser Fälle führte der Aufgriff durch die Finanzkontrolle zu Mehrsteuern von 180.000 €.

4.3 Struktur der Beanstandungen

Mit einer Beanstandungsquote von 41,57 % erwiesen sich die Einkünfte aus Spekulationsgeschäften als besonders fehleranfällig. Selbst bei der Bearbeitung von Fällen, die nach den einschlägigen Verwaltungsanweisungen intensiv zu prüfen waren, ergab sich dort keine grundlegend bessere Arbeitsqualität. Das gesamte Fehlervolumen der untersuchten Spekulationsfälle beträgt rd. 1,9 Mio. €. Es wurde mit 30 % des unzutreffenden Verlustbetrags geschätzt, soweit sich die Spekulationsverluste nicht unmittelbar steuermindernd auswirkten, sondern nur mit künftigen Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften verrechenbar waren. Weitere wesentliche Feststellungen betrafen die Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Hier waren 25,36 % der untersuchten Fälle mit einem Fehlervolumen von insgesamt rd. 1 Mio. € zu beanstanden. Im Gegensatz zu den vorgenannten Einkunftsarten erwiesen sich die Einkünfte aus Kapitalvermögen als deutlich weniger fehleranfällig: Die Beanstandungsquote betrug 11,23 %, das Fehlervolumen belief sich auf mehr als 200.000 €.

Bereits die grundsätzliche Frage, ob das Halbeinkünfteverfahren in den entsprechenden Steuerfällen überhaupt anzuwenden ist, wurde von den Finanzämtern vielfach unzutreffend entschieden. Knapp 80 % der beanstandeten Spekulationsfälle wiesen diese Fehlerursache auf. Dabei wurden insbesondere Verluste aus dem Verkauf von (ausländischen) Aktien nicht dem Halbeinkünfteverfahren unterworfen.

5 Organisatorische Prüfungsfeststellungen

5.1 Schulung der Bediensteten

Um die Finanzämter auf die Umsetzung des Halbeinkünfteverfahrens vorzubereiten, wurden die Bediensteten mehrfach geschult. So wurde das Halbeinkünfteverfahren insbesondere anlässlich der Fortbildungen zum Auftakt der Veranlagungskampagnen 2001 und 2002 als Schwerpunktthema behandelt. Wichtigste Aspekte der Fortbildungsveranstaltungen und -manuskripte waren dabei die Dividendenbesteuerung sowie der Anwendungsbereich des Halbeinkünfteverfahrens bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb. Demgegenüber wurde der Besteuerung von Spekulationsgeschäften lediglich untergeordnete Bedeutung beigemessen.

5.2 Bearbeitungsschwerpunkt bei der Veranlagung

Bei der Veranlagung 2001 sollte dem Halbeinkünfteverfahren erklärtermaßen sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht besonderes Augenmerk geschenkt werden. Daher wurde die Dividendenbesteuerung im Halbeinkünfteverfahren zum landesweiten Bearbeitungsschwerpunkt für den Veranlagungszeitraum 2001 bestimmt. In der Folge waren die rd. 4.000 Bediensteten der Veranlagungsstellen aufgefordert, die Steuererklärungen hinsichtlich dieses Bearbeitungsschwerpunkts intensiv zu überprüfen. Auch für den Veranlagungszeitraum 2002 wurde das Halbeinkünfteverfahren weiterhin als besonders prüfungswürdig eingestuft. Folglich wurde der Bearbeitungsschwerpunkt auch für diesen Zeitraum beibehalten und zudem ausdrücklich um die Besteuerung von Spekulationsgeschäften ergänzt.

5.3 Arbeitsmittel

Der Geltungsbereich des Halbeinkünfteverfahrens (s. Pkt. 2.1) bedingt, dass bei der Besteuerung zwingend nach Aktien und anderen Wertpapieren sowie - in einer Übergangsphase - nach inländischen und ausländischen Aktien zu unterscheiden war. Entsprechende Ermittlungs- und Entscheidungshilfen waren bei den geprüften Finanzämtern nach den Erkenntnissen des RH jedoch nicht bzw. nur in unzureichendem Umfang vorhanden. So gab es keine standardisierten Anschreiben zur Sachverhaltsermittlung. Außerdem war lediglich im Bereich der Oberfinanzdirektion Stuttgart eine Aufstellung über die inländischen Unternehmen, deren Aktien an einer deutschen Börse gehandelt wurden, als Entscheidungshilfe vorhanden. Diese Aufstellung wurde den Finanzämtern als Ergänzung der Schulungsmanuskripte in zehnfacher Auflage überlassen. Als Ergebnis einer Vielzahl von Gesprächen hat der RH festgestellt, dass die Verfügung - wohl wegen der geringen Auflage - den Bediensteten zumeist nicht gegenwärtig war.

5.4 DV-Unterstützung

Nach den Feststellungen des RH wurden die Bediensteten nicht programmgestützt auf risikobehaftete Fallkonstellationen hingewiesen: Wurde der Besteuerung per saldo ein Verlust aus Spekulationsgeschäften zugrunde gelegt und wurde dieser zudem ausschließlich in voller Höhe angesetzt, erging kein maschineller Prüfhinweis. Gleiches gilt bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, wenn neben Dividenden, die zur Hälfte steuerbefreit waren, nur voll abzugsfähige Werbungskosten erklärt wurden. Insbesondere diese beiden Risikoprofile wurden von der Finanzkontrolle zur Fallauswahl eingesetzt.

6 Landesweite finanzielle Auswirkungen (Hochrechnung)

Die finanziellen Auswirkungen der festgestellten Bearbeitungsdefizite werden nachfolgend in einer Hochrechnung aufgezeigt. Diese beschränkt sich auf die Auswirkungen bei den Einkünften aus Spekulationsgeschäften, da hier das größte Fehlervolumen - das nach Auffassung des RH durch frühzeitige Controllingmaßnahmen wohl deutlich hätte verringert werden können - festgestellt wurde.

Die Hochrechnung basiert auf sämtlichen Steuerfällen mit Spekulationsverlusten von mehr als 2.500 €, die von der Steuerverwaltung ausschließlich als nicht dem Halbeinkünfteverfahren unterliegend angesehen wurden. Zur Auswahl dieser Fälle wurde das vom RH zu den Spekulationsverlusten entwickelte Risikoprofil (s. Pkt. 5.4) herangezogen. Von den untersuchten 866 Fällen mit Einkünften aus Spekulationsgeschäften wiesen 489 Fälle mit Verlusten von insgesamt 40.059.113 € dieses Risikoprofil auf. Nach den Feststellungen der Finanzkontrolle waren davon Verluste in Höhe von 7.336.526 € dem Halbeinkünfteverfahren zu unterwerfen. Im Ergebnis wurden damit allein bei diesen Fällen Verluste von 3.668.263 € zu Unrecht anerkannt.

Nach einer Auswertung der vom Rechenzentrum der Finanzverwaltung zur Verfügung gestellten Daten (Stand Juni 2004) durch den RH wurden für die Veranlagungszeiträume 2001 bis 2003 landesweit bisher 25.289 Veranlagungen durchgeführt, bei denen das Risikoprofil vorlag. Dabei wurden Verluste in Höhe von 661.736.459 € ausschließlich als nicht dem Halbeinkünfteverfahren unterliegend berücksichtigt. Bei Übertragung des Prüfungsergebnisses auf die Gesamtheit der bisher veranlagten Fälle können die landesweit zu Unrecht anerkannten Spekulationsverluste daher wie folgt berechnet werden:

2005-B020-Ü-ohne überschrift.jpg

Selbst unter Berücksichtigung der vom RH gewählten Aufgriffsgrenze von 2.500 € wurden bei den Einkünften aus Spekulationsgeschäften somit landesweit bisher Verluste von mehr als 60.000.000 € zu Unrecht anerkannt. Der RH verkennt nicht, dass sich diese Verluste durch die gesetzliche Abzugsbeschränkung in der Regel nur bei entsprechenden Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften in den Folgejahren steuerlich auswirken werden. Angesichts der aufgezeigten Größenordnung, der zeitlich unbegrenzten und vererbbaren Verlustvorträge und der tendenziell zunehmenden Gewinne aus Spekulationsgeschäften (s. Pkt. 2.2) geht der RH jedoch davon aus, dass den öffentlichen Haushalten dadurch im Laufe der Zeit Einnahmen in Millionenhöhe entgehen.

7 Bewertung und Empfehlungen

Mit dem Halbeinkünfteverfahren war eine durchgreifende Rechtsänderung umzusetzen, die in einer Vielzahl von Steuerfällen relevant ist. Die Untersuchung belegt, dass trotz der ergriffenen Maßnahmen der Verwaltung erhebliche Bearbeitungsdefizite bestehen. Die folgenden Empfehlungen sollen dazu dienen, bereits eingetretene Fehler - soweit möglich - zu beseitigen und für die Zukunft die Bearbeitungsqualität von Fällen mit Halbeinkünften zu erhöhen. In einem weiteren Schritt werden Überlegungen zur künftigen Umsetzung durchgreifender Rechtsänderungen sowie zur Abwicklung landesweiter Bearbeitungsschwerpunkte angestellt. Vor dem Hintergrund des aktuellen Untersuchungsergebnisses sieht der RH in diesen Bereichen einen generellen Handlungsbedarf.

7.1 Arbeitsmittel und Aufarbeitung bereits veranlagter Steuerfälle

Die Besteuerung der Spekulationsgeschäfte, denen bei den Schulungsmaßnahmen nur untergeordnete Bedeutung beigemessen wurde, war besonders häufig zu beanstanden (s. Pkt. 4.3). Dies auch deshalb, weil der RH die geprüften Spekulationsfälle gezielt mittels eines selbst entwickelten Risikoprofils ausgewählt hat. In Anbetracht des dort festgestellten Fehlervolumens empfiehlt der RH, alle unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden, und damit änderbaren, Risikofälle aufzugreifen. Dazu sollten den Bediensteten entsprechende Arbeitslisten und die notwendigen Ermittlungs- und Entscheidungshilfen (s. Pkt. 5.3) zur Verfügung gestellt werden. Die Arbeitsmittel könnten dann auch im aktuellen Veranlagungsgeschehen eingesetzt werden.

7.2 DV-gestütztes Aufzeigen von Risikopotenzialen

Der Fallauswahl des RH lagen insbesondere die unter Pkt. 5.4 dargestellten Risikoprofile zugrunde. Diese basieren ausschließlich auf Daten, die im Rahmen der maschinellen Fallbearbeitung von den Bediensteten in das DV-System eingegeben werden. DV-technisch stehen damit alle Daten zur Verfügung, um die Bearbeiter frühzeitig auf risikobehaftete Fallkonstellationen hinzuweisen. Der RH empfiehlt deshalb, vorhandene Risikopotenziale bereits bei der Falleingabe durch entsprechende Bildschirmhinweise aufzuzeigen.

7.3 Jahresbescheinigungen der Kreditinstitute ab Veranlagungszeitraum 2004

Als Mittel zur Qualitätsverbesserung in Fällen mit Halbeinkünften können ab dem Veranlagungszeitraum 2004 die von den Kreditinstituten zu erstellenden Jahresbescheinigungen über Kapitalerträge und Spekulationseinkünfte dienen. Aus diesen Bescheinigungen geht auch die Zuordnung der Einkünfte zu den in vollem Umfang oder nur zur Hälfte zu besteuernden Einkünften hervor. Der RH empfiehlt, diese Bescheinigungen im Rahmen der Veranlagungsarbeiten regelmäßig von den Steuerbürgern anzufordern.

7.4 Evaluation des Fortbildungserfolgs

Der RH verkennt nicht, dass bei Schulungsmaßnahmen im Vorfeld der Rechtsanwendung die bei der späteren Veranlagung auftretenden Fehlerschwerpunkte nicht immer vorhersehbar sind. Dies wird gerade am Beispiel der Spekulationsgeschäfte deutlich, da entsprechende Einkünfte in der Vergangenheit kaum erklärt wurden. Ist es damit schwierig, Fehlerschwerpunkte zu prognostizieren, stellt sich jedoch die Frage, warum die Qualitätsstörungen dann nicht im Stadium der Besteuerung frühzeitig aufgedeckt wurden. Der RH sieht als eine der Ursachen hierfür die bisher fehlende Evaluation des Fortbildungserfolgs. Er empfiehlt daher, zumindest bei durchgreifenden Rechtsänderungen den Fortbildungserfolg künftig zeitnah durch ein Feedback der Finanzämter zu evaluieren. Dieses Feedback sollte sich aus den allgemeinen Erfahrungen der Praxis bei der Umsetzung der neuen Rechtsmaterie sowie aus der materiell-rechtlichen Überprüfung bereits veranlagter Fälle zusammensetzen.

7.5 Controlling bei landesweiten Bearbeitungsschwerpunkten

Das Ergebnis der Untersuchung zeigt auch, dass das vielfach eingesetzte Instrument des landesweiten Bearbeitungsschwerpunkts zu keiner befriedigenden Arbeitsqualität geführt hat. Obwohl landesweit die rd. 4.000 Veranlagungsbediensteten beauftragt waren, Fälle mit Halbeinkünften intensiv zu prüfen, wurden die Qualitätsstörungen nicht erkannt. Zur Optimierung der Vorgehensweise der Verwaltung bei landesweiten Bearbeitungsschwerpunkten regt der RH daher an, auch hier künftig zeitnah ein Feedback der Finanzämter einzuholen. Daneben sollte generell die fiskalische Ergiebigkeit erhoben und damit im Ergebnis für landesweite Bearbeitungsschwerpunkte ein Qualitätscontrolling eingeführt werden. Dadurch dürften Qualitätsstörungen frühzeitig erkennbar werden. Zudem könnte die fiskalische Rentabilität Grundlage für eine Entscheidung sein, ob und in welcher Intensität der Bearbeitungsschwerpunkt weiter verfolgt wird.

8 Stellungnahme des Ministeriums

8.1 Rahmenbedingungen bei der Umsetzung des Halbeinkünfteverfahrens

Das FM weist auf die schwierigen Rahmenbedingungen bei der Umsetzung des Halbeinkünfteverfahrens hin. So sei insbesondere der bei in- und ausländischen Aktien unterschiedliche Anwendungszeitpunkt für die Bearbeitungsdefizite bei den Spekulationsgeschäften ursächlich. Im Gegensatz zu den Prüfern des RH hätten die Bearbeiter in den Finanzämtern in Anbetracht des hohen Arbeitsdrucks nicht die Zeit, langwierige Ermittlungen anzustellen. Sie seien mit der Problematik bei der Veranlagung 2001 schlicht überfordert gewesen und hätten die festgestellten Fehler daher praktisch kaum vermeiden können. Die vom RH - nach Auffassung des FM - pauschal geübte Kritik an der Arbeit der Finanzämter setze sich mit diesen Schwierigkeiten nicht hinreichend auseinander.

8.2 Schulung der Bediensteten

Hinsichtlich der Schulung der Bediensteten räumt das FM ein, den Schwerpunkt in den Veranlagungsfortbildungen 2001 auf die Dividendenbesteuerung gelegt zu haben. Bei den Fortbildungen 2002 sei der Verkauf von Anteilen an Kapitalgesellschaften jedoch ausführlich behandelt worden.

8.3 Bearbeitungshinweise

Zum technisch gestützten Aufzeigen von Risikopotenzialen teilt das FM mit, dass inzwischen ein Prüfhinweis ergehe, wenn (neben zur Hälfte steuerbefreiten Dividenden) lediglich voll abzugsfähige Werbungskosten erklärt werden. Bei den Spekulationseinkünften sei ein solcher zielgenauer Bearbeitungshinweis nicht ohne weiteres möglich. Ein weniger zielgerichteter Hinweis würde jedoch die Arbeit der Finanzämter erschweren und zudem Akzeptanzprobleme mit sich bringen.

8.4 Vorbehalt der Nachprüfung

Den Aufgriff der unter Vorbehalt der Nachprüfung veranlagten - und damit noch korrekturfähigen - Fälle mittels gezielter Bearbeitungslisten hält das FM für nicht erforderlich. Bei der abschließenden Prüfung dieser Fälle hätten die Bearbeiter ohnehin auch die Spekulationseinkünfte zu überprüfen. Im Übrigen sei nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesfinanzhofs die Besteuerung der Spekulationseinkünfte ab dem Veranlagungszeitraum 1999 mutmaßlich verfassungswidrig; damit könnten die in Änderungsbescheiden festgesetzten Mehrsteuern nicht realisiert werden. Auch deshalb erscheine eine Listenaktion nicht angebracht.

8.5 Evaluation des Fortbildungserfolgs

Das FM teilt die Auffassung des RH, wonach bei umfassenden Rechtsänderungen künftig der Fortbildungserfolg zeitnah evaluiert werden sollte. Es habe insoweit auch bereits erste punktuelle Geschäftsprüfungen durch die Oberfinanzdirektion gegeben.

8.6 Controlling

Zusätzlich werde, wie vom RH empfohlen, das Mehrergebnis der Veranlagungsstellen beim aktuellen landesweiten Bearbeitungsschwerpunkt, den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, bereits erhoben. Dies soll auch bei künftigen Bearbeitungsschwerpunkten fortgeführt werden. Das vom RH darüber hinaus geforderte Qualitätscontrolling lasse sich jedoch erst verwirklichen, wenn das Verfahren zur Erfassung von Mehrergebnissen voraussichtlich im Februar 2005 hinsichtlich sämtlicher Veranlagungsdaten im Einsatz sei.

9 Schlussbemerkung

9.1 Rahmenbedingungen

Der RH verkennt nicht die schwierigen Rahmenbedingungen, unter denen die Bearbeiter in den Finanzämtern das Halbeinkünfteverfahren umzusetzen hatten. Vielmehr hat er die fehlenden Arbeitsmittel und Entscheidungshilfen sowie eine mangelhafte DV-Unterstützung gerade als Beleg dafür aufgeführt. Die objektive Darstellung der festgestellten Bearbeitungsdefizite und deren Ursachen ist nach Auffassung des RH unabdingbar notwendig und darf keinesfalls als pauschale Kritik an den Bearbeitern der Finanzämter gewertet werden.

9.2 Schulung der Bediensteten

Die Besteuerung von Spekulationsgeschäften wurde in den Fortbildungsmanuskripten zur Veranlagung 2002 auf einer einzigen Seite abgehandelt. Es kann dahingestellt bleiben, ob die vom FM dargelegte ausführliche Behandlung im Rahmen der Vorträge erfolgte. Festzuhalten ist jedoch das Ergebnis: Die Beanstandungsquote bei den Spekulationsgeschäften im Veranlagungszeitraum 2002 betrug, wie dem FM aus der Prüfungsmitteilung des RH bekannt ist, immer noch mehr als 35 %. Dieses Ergebnis unterstreicht die Forderung des RH nach einer Evaluation des Fortbildungserfolgs und zeigt zudem auf, dass nicht nur die Unterscheidung zwischen in- und ausländischen Aktien im Veranlagungszeitraum 2001 problematisch war, sondern in gleicher Weise auch die Differenzierung zwischen Aktien und anderen Wertpapieren ab dem Veranlagungszeitraum 2002.

9.3 Bearbeitungshinweise

Den inzwischen eingeführten Bearbeitungshinweis bei den Einkünften aus Kapitalvermögen hält der RH für sinnvoll. Bei diesem Hinweis werden die Eingaben zweier Kennzahlen verknüpft und auf Plausibilität untersucht. Vor diesem Hintergrund erschließt es sich dem RH jedoch nicht, warum seine weiter gehende, unter Pkt. 5.4 und 7.2 beschriebene, Forderung technisch nicht realisierbar sein soll. Auch insoweit wären lediglich die Eingaben zweier Kennzahlen zu verknüpfen.

9.4 Vorbehalt der Nachprüfung

Steuerfälle werden in der Regel aus einem bestimmten Grund unter dem Vorbehalt der Nachprüfung veranlagt. Dieser Grund dürfte nur in Ausnahmefällen in erklärten Spekulationsverlusten liegen. Die langjährigen Erfahrungen der Finanzkontrolle zeigen, dass die abschließende Prüfung solcher Fälle zumeist auf die Gründe für den Vorbehalt beschränkt wird oder - nicht selten - ganz unterbleibt. Der RH hält daher an seiner Forderung fest, die Bediensteten mittels Arbeitslisten auf die risikobehafteten Fälle hinzuweisen.

Der weitere Einwand, die bei Änderungen festgesetzten Mehrsteuern könnten wegen der mutmaßlichen Verfassungswidrigkeit nicht realisiert werden, dürfte bei den dargestellten Risikofällen (s. Pkt. 5.4) nur ausnahmsweise greifen. In der Regel wird sich lediglich eine Verringerung der festgestellten Verluste auf den materiell-rechtlich zutreffenden Wert ergeben. Dadurch werden die Steuerbürger in diesen Fällen jedoch keinesfalls veranlasst, die potenzielle Verfassungswidrigkeit im Rechtsbehelfsverfahren geltend zu machen, weil eine entsprechende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts allenfalls nachteilig für sie wäre.

9.5 Evaluation des Fortbildungserfolgs

Hinsichtlich der Evaluation des Fortbildungserfolgs im Wege von Geschäftsprüfungen durch die Oberfinanzdirektion gibt der RH zu bedenken, dass die Überprüfung bereits veranlagter Fälle durch besonders qualifizierte Bedienstete der Finanzämter landesweit zeitnäher als durch Geschäftsprüfungen vorgenommen werden könnte. Zudem könnte so eine größere Fallzahl überprüft werden und damit eine breitere Datenbasis als Bewertungsgrundlage zur Verfügung stehen.

9.6 Controlling

Die Ankündigung des FM, künftig - wie bereits erprobt - das Mehrergebnis der Veranlagungsstellen bei landesweiten Bearbeitungsschwerpunkten generell zu erheben, entspricht der Forderung des RH. Dieses Mehrergebnis lässt jedoch nur bedingt Rückschlüsse auf die tatsächliche Bearbeitungsqualität zu. Erhoben wird insoweit nur das aus der Veranlagung resultierende Mehrergebnis, nicht jedoch, was bei zutreffender Bearbeitung hätte erhoben werden können. Somit ist das Mehrergebnis allein nicht geeignet, Qualitätsstörungen erkennen zu lassen. Der RH hält daher an seinem Vorschlag fest, auch bei landesweiten Bearbeitungsschwerpunkten veranlagte Fälle zeitnah zu überprüfen und ein Feedback der Finanzämter einzuholen.


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Die zur Verbesserung der Kapitalversorgung von kleinen und mittleren Unternehmen übernommenen Bürgschaften stellen grundsätzlich ein sinnvolles Instrument zur Förderung der Wirtschaft dar, weil sie den Landeshaushalt in der Regel kaum belasten. Die vorsichtige Praxis bei der Übernahme von Bürgschaften sollte beibehalten werden.


1 Ausgangslage

Die jeweiligen Staatshaushaltsgesetze ermächtigen das FM, Bürgschaften zugunsten kleiner und mittlerer Unternehmen zu übernehmen. Die Übernahme dieser Verpflichtungen ist Bestandteil der allgemeinen Wirtschaftsstrukturpolitik des Landes, wonach die Leistungskraft kleiner und mittlerer Unternehmen gestärkt werden soll.

Die Sicherstellung einer ausreichenden Kreditversorgung ist ein zentrales Problem der mittelständischen Wirtschaft. Während Großunternehmen Zugang zum Kapitalmarkt und zu zahlreichen Finanzierungsquellen haben, sind kleine und mittlere Unternehmen nahezu ausschließlich auf eine Versorgung durch Bankkredite angewiesen.

Die bei vielen mittelständischen Unternehmen festzustellende mangelhafte Eigenkapitalausstattung und -entwicklung führt zudem zu Benachteiligungen auf dem Kapitalmarkt. Ungünstige Kreditkonditionen sowie das Verlangen hoher, teilweise den vollen Kreditbetrag übersteigender, Sicherheiten führen dazu, dass viele Unternehmen Schwierigkeiten haben, sich am Kapitalmarkt zu finanzieren.

Verbürgt werden Kredite zur Finanzierung

  • der Einrichtung oder Erweiterung von Betriebsstätten,
  • der Übernahme von Unternehmen oder Betriebsstätten, die von Stilllegung bedroht sind,
  • einer Rationalisierung, einer Umstellung oder einer Modernisierung bestehender Betriebsstätten.

Die Übernahme von Bürgschaften zur Unterstützung mittelständischer Unternehmen bedeutet nicht zwingend, dass es sich um Unternehmen in Schwierigkeiten handelt. Die Situation, dass bankübliche Sicherheiten nicht ausreichen, kann sich im Einzelfall auch bei gut gehenden Unternehmen ergeben. Das gilt insbesondere dann, wenn große Investitionen zur Anpassung an geänderte Wettbewerbssituationen anstehen, etwa zur Erweiterung oder Modernisierung oder bei einem größeren Betriebsmittelbedarf. Die Bürgschaft dient in solchen Fällen der Anschubfinanzierung. Hintergrund hierfür ist, dass die Förderung von Anpassungsmaßnahmen oftmals sinnvoller ist als Bürgschaften im drohenden Insolvenzfall.

Die geprüften Bürgschaften zur Förderung der Wirtschaft machen nur einen kleinen Teil der vom Land insgesamt übernommenen Gewährleistungen aus. Diese hatten zum 31.12.2003 folgende Beträge erreicht:

Wirtschaftsförderung

  • Inlandsbürgschaften 50,3 Mio. €
  • Außenwirtschaft 10,2 Mio. €
  • Rückbürgschaften und Rückgarantien 418,1 Mio. €

Förderungswürdige Zwecke außerhalb der Wirtschaftsförderung

  • Gemeinnützige und pädagogische Einrichtungen 10,9 Mio. €
  • Öffentliche Unternehmen 10.143,2 Mio. €
  • Abdeckung von Haftpflichtrisiken nach dem Atomgesetz 52,3 Mio. €
  • Sonstige Bürgschaften, Garantien und Gewährleistungen 6,1 Mio. €

Wohnungsbau 204,1 Mio. €

Der Gesamtbetrag der aufgrund der Ermächtigungen der jeweiligen Staatshaushaltsgesetze übernommenen Verpflichtungen beträgt derzeit 10.895,2 Mio. €. Davon entfallen mehr als 93 % auf die Verbürgung von Krediten landeseigener öffentlicher Unternehmen. Zweck dieser Bürgschaften ist es, das günstigere Rating des Landes für Kreditaufnahmen zugunsten dieser Unternehmen zu nutzen.

2 Feststellungen

2.1 Aufbau- und Ablauforganisation

Mit der Bearbeitung, Überwachung und Abwicklung der Bürgschaften sind FM, WM, Landeskreditbank Baden-Württemberg - Förderbank (L-Bank), Bürgschaftsbank Baden-Württemberg GmbH (Bürgschaftsbank) und Hausbanken betraut.

Aufgrund der bestehenden Aufgabenverteilung übernimmt das Land Bürgschaften ab einer Haftungssumme von 3 Mio. €, die L-Bank von 1 Mio. € bis 3 Mio. € und die Bürgschaftsbank bis zur Höhe von 1 Mio. €.

Das Schaubild verdeutlicht Aufgabenstellung und -verteilung der beteiligten Stellen.

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Das Land bürgt unmittelbar, wenn die Haftungssumme 3 Mio. € übersteigt und für Forderungen aus einer der Bürgschaftsbank gewährten Rückbürgschaft. Die Ministerien betreuen Einzelfälle, wenn der Wirtschaftsausschuss des Landtags zu beteiligen ist.

Die L-Bank hat die Aufgabe, das Land bei der Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben zu unterstützen sowie im Interesse des Landes liegende Maßnahmen zu finanzieren und durchzuführen. Dazu gehört auch die Wirtschaftsförderung unter besonderer Berücksichtigung des Mittelstandes. Hierbei hat sie die Grundsätze und Ziele der staatlichen Förderpolitik zu beachten. Die L-Bank kann alle Geschäfte eingehen, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben zweckmäßig sind. Insbesondere kann sie Bürgschaftsverträge abschließen.

Weil die von der L-Bank gewährten Bürgschaften ins eigene Obligo übernommen werden, führen mögliche Inanspruchnahmen daraus zu keinen unmittelbaren Belastungen des Landeshaushalts. Mittelbare Belastungen entstehen allerdings insoweit, als sich Ausfälle auf die Ertragssituation der L-Bank und damit letztendlich negativ auf den Bankbeitrag auswirken.

Darüber hinaus hat die Landesregierung von der im Gesetz über die L-Bank verankerten Möglichkeit Gebrauch gemacht, Aufgaben durch Rechtsverordnung im Einzelnen zuzuweisen und mit Verordnung des FM vom 18.12.1997 die Zuständigkeit der L-Bank für die Abwicklung von Rückbürgschaftsverpflichtungen des Bundes und des Landes gegenüber der Bürgschaftsbank konkretisiert.

Der L-Bank obliegen danach insbesondere

  • die Wahrnehmung der Interessen des Bundes und des Landes bei Ausfällen,

 

  • die Leistung von Ausfallzahlungen bei Bundes- und Landesbürgschaften,

 

  • die Verfolgung von Regressforderungen des Bundes, des Landes und der Bürgschaftsbank, solange die Bürgschaftsbank diese Aufgabe nicht selbst wahrnimmt und

 

  • die Abführung von Zahlungseingängen an Bund, Land und Bürgschaftsbank.

Des Weiteren wurde in dieser Verordnung festgehalten, dass die L-Bank auch für die Bearbeitung, Überwachung und Abwicklung von Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen des Landes zuständig ist.

Die Bürgschaftsbank ist eine Selbsthilfeeinrichtung der Wirtschaft im Sinne des Gesetzes zur Mittelstandsförderung. Gründer und Träger sind die Selbstverwaltungsorganisationen der Wirtschaft, d. h. Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammern, Fachverbände der Wirtschaft sowie die Spitzeninstitute des Kreditgewerbes und einige Versicherungsunternehmen.

Das Land ist an der Bürgschaftsbank zwar nicht beteiligt, unterstützt deren Arbeit jedoch durch die Übernahme einer Rückbürgschaft in Höhe von rd. 319 Mio. €. Die Finanzierungsanteile aus dieser Rückbürgschaft zugunsten der Bürgschaftsbank verteilen sich auf den Bund mit 39 %, das Land mit 26 % und die Bürgschaftsbank mit 35 % Eigenanteil. Diese Rückbürgschaft nimmt der Bürgschaftsbank damit einen erheblichen Teil ihres Risikos ab.

Die Bürgschaften werden im so genannten Hausbankenverfahren vergeben. Das bedeutet, dass Antragsteller nicht direkt Kredite erhalten, sondern das benötigte Darlehen bei ihrer Hausbank beantragen.

Bürgschaften werden von Hausbanken indes nur ausnahmsweise bei Finanzierungen eingeplant. Gründe für diesen eher zurückhaltenden Einsatz sind zum einen das nach wie vor bestehende Restrisiko aus dem nicht verbürgten Teil des jeweiligen Kredits, zum anderen der Ausfluss einer gewissen Fürsorge, die beispielsweise verhindern soll, dass Existenzgründer im Falle eines Scheiterns in eine persönlich schwierige finanzielle Lage geraten.

Der Hausbank kommt als Ansprechpartnerin für die Finanzierung von Investitionsvorhaben kleiner und mittlerer Unternehmen eine große Bedeutung zu. Die Kenntnis der Verhältnisse vor Ort ist für die Beurteilung einer sachgerechten Finanzierung zudem außerordentlich wichtig. Durch das Filialnetz der Banken und Sparkassen sowie die damit vorhandene Präsenz in der Fläche ist gewährleistet, dass ein Vorhaben anhand der gegebenen lokalen Fakten beurteilt und begleitet wird.

Mit Hilfe der Bürgschaften werden die begünstigten Unternehmen in die Lage versetzt, Gelder aufzunehmen, um ihren Geschäftsbereich ausweiten oder überhaupt weiter im Geschäft bleiben zu können, anstatt umstrukturiert oder gar aufgelöst zu werden.

Allein mit den im Jahr 2003 übernommenen Bürgschaften wurden Investitionen in einer geschätzten Höhe von 650 Mio. € ermöglicht.

Im Rahmen der Untersuchung wurden 50 Bürgschaften näher beleuchtet. Beanstandungen ergaben sich nicht.

2.2 Volumen

Die vom Land, von der L-Bank und von der Bürgschaftsbank zur Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen übernommenen Bürgschaften erreichten zum 31.12.2003 das in Übersicht 1 dargestellte Volumen.

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2.3 Ausfälle

Nach § 39 LHO dürfen Bürgschaften, Garantien und sonstige Gewährleistungen nicht übernommen werden, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Inanspruchnahme des Landes gerechnet werden muss.

Gleichwohl muss erfahrungsgemäß regelmäßig damit gerechnet werden, aus den Gewährleistungsverpflichtungen in Anspruch genommen zu werden.

Im Jahr 2003 wurden, abzüglich der Einnahmen aus der Verwertung von Sicherheiten, Ausfallzahlungen lt. Übersicht 2 geleistet.

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Aus den vom Land bzw. von der L-Bank im Jahr 2003 geleisteten Netto-Ausfallzahlungen errechnen sich Ausfallquoten von 0 % bei Landesbürgschaften, von 1,0 % bei Bürgschaften der L-Bank und von 1,1 % bei Bürgschaften der Bürgschaftsbank. Über mehrere Jahre hinweg betrachtet ergaben sich Durchschnittswerte von unter 2 %.

3 Bewertung und Empfehlung

3.1 Bürgschaften als Instrument der Wirtschaftsförderung

Der RH sieht in den zur Verbesserung der Kapitalversorgung gewährten Bürgschaften grundsätzlich sinnvolle Instrumente zur Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen. Sie unterstützen diese Unternehmen vor allem darin, dass diese trotz der zunehmend schwieriger werdenden Kreditversorgung Fremdkapital erhalten können.

Befragte Hausbanken und Unternehmen bewerteten die Bürgschaften ebenfalls als ein für die jeweiligen Einzelfälle sehr wirksames Instrument der Wirtschaftsförderung. Ohne Unterstützung durch Bürgschaften hätten viele Vorhaben nicht - oder nicht im geplanten Umfang - verwirklicht werden können.

3.2 Ausfallzahlungen

Der RH verkennt nicht, dass Bürgschaften systemimmanent regelmäßig die Gefahr bergen, in Anspruch genommen zu werden. Er hält die über mehrere Jahre hinweg festzustellende durchschnittliche Ausfallquote von weniger als 2 % für noch vertretbar. Sie belegt, dass sowohl Hausbanken als auch Land, L-Bank und Bürgschaftsbank grundsätzlich einen risikobewussten Umgang mit dem Förderinstrument Bürgschaft praktizieren.

Ausnahmen davon wurden nur in den Jahren von 1993 bis 1996 und 1998 festgestellt. Die damalige Praxis, großzügig Landesbürgschaften zu gewähren, hatte zur Folge, dass dafür rd. 91 % aller seit Gründung des Landes geleisteten Ausfallzahlungen anfielen.

Dies bestätigt den RH in seiner Ansicht, dass eine risikoreiche Unterstützung von nicht oder wenig tragfähigen Geschäftskonzepten mit Hilfe von Bürgschaften weder für Hausbanken noch für Unternehmen Sinn macht.

Seit 1999 haben Unternehmensinsolvenzen in Deutschland stark zugenommen. Von diesem negativen Trend sind auch durch Bürgschaften unterstützte Unternehmen nicht ausgenommen.

In welchem Umfang künftig aus bereits gewährten Bürgschaften Zahlungen zu leisten sind, lässt sich weder abschätzen noch beeinflussen. Nicht auszuschließen ist aber, dass die bereits länger anhaltende ungünstige Konjunkturlage zu deutlich höheren Ausfallzahlungen führen könnte.

Angesichts der schwierigen Haushaltslage des Landes gewinnt deshalb die Frage, in welchem Umfang sich das Land künftig engagieren kann und in welcher Höhe Haushaltsmittel dafür bereitgestellt werden können, zunehmend an Bedeutung.

3.3 Evaluierung des Bürgschaftsprogramms

Nach dem Gesetz zur Mittelstandsförderung soll die Landesregierung dem Landtag in regelmäßigen Zeitabständen über die Entwicklung der mittelständischen Wirtschaft berichten. Der Bericht soll sich auch auf die getroffenen Fördermaßnahmen und deren Auswirkungen (Erfolgskontrolle) erstrecken. Zur Sicherstellung der Effizienz der Förderprogramme und -maßnahmen sollen diese evaluiert werden.

Mit dem aktuellen Mittelstandsbericht aus dem Jahr 2000 wird dieser Vorgabe allerdings nur insoweit nachgekommen, als die Fallzahl und das Volumen der übernommenen Bürgschaften genannt werden. Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass diese Fallzahl auf hohem Niveau tendenziell steigend sei.

Nach Auffassung des RH können diese Angaben eine ausreichende Evaluierung des Bürgschaftsprogramms nicht ersetzen.

Bürgschaften sollen nicht nur die Leistungskraft einzelner Unternehmen stärken, sondern auch zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur des Landes beitragen. Das ergibt sich aus § 1 des Gesetzes zur Mittelstandsförderung. Erst diese erwartete positive Wirkung rechtfertigt, soweit die übrigen Bewilligungsvoraussetzungen erfüllt sind, grundsätzlich das Eingehen des Risikos, das jeder Bürgschaft eigen ist.

Bisher wird indes nicht geprüft, ob dieser jeweils erwartete positive Effekt eingetreten ist. Eine Messung des gesamtwirtschaftlichen Nutzens einer gewährten Bürgschaft wäre auch mit vertretbarem Aufwand nicht zu leisten. Eine Darstellung der Wirkung mittels geeigneter Kennzahlen (Arbeitsplätze, Umsatzentwicklung u. a.) sollte dem Begünstigten aber abverlangt werden, weil sonst das Kriterium „Verbesserung der Wirtschaftsstruktur des Landes“ nicht ernsthaft beachtet wird.

Der RH regt die Erarbeitung von wenigen, aber aussagekräftigen Kennzahlen an, z. B. zur Zahl von Arbeitsplätzen, zur Entwicklung von Lohnsummen, zur Entwicklung von Umsätzen usw. Die Kennzahlen sollten geeignet sein, Indizien für den gesamtwirtschaftlichen Nutzen des Bürgschaftsprogramms zu liefern. Diese Indizien sollten bei den jeweils einzuplanenden Haushaltsmitteln berücksichtigt werden.

Nach Aussagen von Hausbanken könnten aufgrund der im Rahmen der Kreditüberwachung bekannt gewordenen Informationen entsprechende Daten ohne zusätzlichen Erhebungsaufwand bereitgestellt werden.

4 Stellungnahme der Ministerien

Finanzministerium und Wirtschaftsministerium haben keine Einwendungen erhoben.

5 Schlussbemerkung

Bürgschaften haben den Vorteil, die Haushalte der jeweiligen Bürgen nur dann zu belasten, wenn Vorhaben scheitern. Die festgestellte Ausfallquote belegt, dass dies selten der Fall ist. Die eher restriktive Handhabung hinsichtlich der Übernahme von Bürgschaften sollte beibehalten werden.

Wegen der Probleme der mittelständischen Wirtschaft, eine angemessene Eigenkapitaldecke zu erreichen, dürfte die Bedeutung der Bürgschaften in Zukunft eher zunehmen. Falls das Land dementsprechend das Bürgschaftsvolumen ausweitet, sollte dies zulasten weniger effektiver Förderprogramme erfolgen.


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Das Land gibt jährlich rd. 25 Mio. € für den Bezug von Heizöl und Erdgas aus. Durch den Einsatz von Holzhackschnitzel-Heizanlagen, insbesondere in größeren Liegenschaften, könnten Heizkosten eingespart werden; zugleich wäre dies ein Beitrag zum Umweltschutz.


1 Ausgangslage

Private, gewerbliche und kommunale Betreiber setzen zunehmend Holzhackschnitzelanlagen für die Wärmebereitstellung ein. Das Land Baden-Württemberg fördert ihren Bau mit Zuschüssen .

Die Staatliche Vermögens- und Hochbauverwaltung baute bisher nur vereinzelt solche Anlagen, z. B. dann, wenn sich die Forstverwaltung mindestens teilweise an den Kosten beteiligte.

Der Anteil der Landesliegenschaften, die mit Erdgas und Heizöl beheizt werden, beträgt 40 %; bei diesen besteht ein Potenzial, fossile Energieträger durch regenerative Energieträger, speziell Holzhackschnitzel, zu ersetzen. Die anderen 60 % der Landesliegenschaften werden mit Fernwärme, überwiegend aus Kraft-Wärme-Koppelungsanlagen, beheizt; damit sind geringere CO2-Emissionen verbunden.

Das StRPA Freiburg hat die Investitionsausgaben und Betriebskosten mehrerer kleiner Baumaßnahmen untersucht, die auf Holzhackschnitzelanlagen umgestellt wurden, während der RH die Wirtschaftlichkeit von großen Holzhackschnitzelanlagen in zwei Zentren für Psychiatrie prüfte. Die Untersuchungen zeigten, dass diese Holzhackschnitzelanlagen wirtschaftlicher sind als vergleichbare Heizanlagen mit Erdgas- oder Heizölbefeuerung.

2 Gegenüberstellung der Heizkosten von Holzhackschnitzelanlagen und Erdgas- bzw. Heizölanlagen

Die Darstellung realisierter Anlagen in Schaubild 1 soll die Wirtschaftlichkeit von Holzhackschnitzelanlagen verdeutlichen. Der Ermittlung der Heizkosten liegt die Richtlinie zur Berechnung der Kosten von Wärmeversorgungsanlagen des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI 2067) zugrunde. Die Ermittlung einzelner Parameter erfolgte in Anlehnung an einen Erlass des FM . Die erforderlichen Daten wurden vor Ort erhoben oder von der Staatlichen Vermögens- und Hochbauverwaltung zur Verfügung gestellt. Die Heizkosten setzen sich zusammen aus

  • den kapitalgebundenen Kosten (Annuitäten für die Investitionsausgaben),
  • den verbrauchsgebundenen Kosten (Brennstoff- und Hilfsenergiekosten) und
  • den betriebsgebundenen Kosten (Wartungs-, Instandhaltungs- und Bedienungskosten, Verwaltungskosten, Gebühren).

Im Schaubild 1 sind die ermittelten Heizkosten und die Anteile der Kostenarten der verschiedenen Varianten in € je Megawattstunden (MWh) dargestellt.

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Anlage 1: Zentrum für Psychiatrie A

Das Heizwerk hat zwei mit Erdgas befeuerte Warmwasserkessel sowie einen mit Hackschnitzeln befeuerten Dampfkessel (Baujahr 2001/2002), der 2.000 kW Wärme für das Fernheiznetz liefert. In der Liegenschaft sind mehr als 50 Gebäude an das Heizwerk angeschlossen.

Anlage 2: Zentrum für Psychiatrie B

Der mit Hackschnitzeln befeuerte Dampfkessel des Zentrums für Psychiatrie B liefert seit 1997 Wärme für das Fernheiznetz und Wirtschaftsdampf. Daneben sind noch zwei Warmwasserkessel und ein Blockheizkraftwerk vorhanden, die mit Heizöl und Erdgas befeuert werden. An die Heizzentrale sind 30 Gebäude angeschlossen.

Anlage 3: Forstliches Ausbildungszentrum

Die Heizzentrale des Forstlichen Ausbildungszentrums versorgt einen Gebäudekomplex von acht Gebäuden (Nutzfläche = 5.200 m²) mit Wärme. Sie wurde 1994 auf zwei Warmwasserkessel mit Holzhackschnitzel-Feuerung umgestellt. Der Holzhackschnitzelbunker hat ein Volumen von 200 m³. Die Wärmeverteilung erfolgt über ein kleines Nahwärmenetz.

Anlage 4: Behördenzentrum

An die zwei mit Heizöl befeuerten Warmwasserkessel der Heizzentrale sind mehrere Behörden mit einer Nutzfläche von rd. 8.500 m² angeschlossen.

Anlage 5: Justizvollzugsanstalt

In der Justizvollzugsanstalt sind zwei Warmwasserkessel und ein Dampfkessel installiert. Alle drei Kessel sind mit Heizöl befeuert; die angeschlossene Nutzfläche beträgt rd. 28.500 m².

Anlage 6: Fachhochschule

Die Heizzentrale besteht aus drei mit Erdgas befeuerten Warmwasserkesseln. An das Nahwärmenetz sind sieben Gebäude mit 20.500 m² Nutzfläche angeschlossen.

Um die Auswirkungen auf die jährlichen Heizkosten darzustellen, wurden für drei mit Hackschnitzeln betriebene Anlagen Vergleichsberechnungen durchgeführt. Dabei wurde angenommen, diese Heizanlagen würden mit fossilen Brennstoffen betrieben. Die Heizkosten beinhalten die kapital-, verbrauchs- und betriebsgebundenen Kosten, s. oben. In der Übersicht sind die Ergebnisse dargestellt.

2005-B022-Üb.jpg

Ausschlaggebend für die Wirtschaftlichkeit der Holzhackschnitzel ist deren günstiger Bezugspreis, der etwa ein Drittel des Bezugspreises von Erdgas beträgt. Die Investitionsausgaben für Holzhackschnitzelanlagen sind jedoch höher als bei konventionellen Anlagen (Erdgas, Heizöl). Infolge dieser höheren Kosten kann die Wirtschaftlichkeit von Holzhackschnitzelanlagen nach den Erkenntnissen der Finanzkontrolle ab einer Anlagenleistung von 150 kW beginnen.

Erdgas ist nach Fernwärme, die hier nicht mitbetrachtet wird, und vor Heizöl der wichtigste Energieträger bei Landesliegenschaften; der Erdgaspreis ist an die Entwicklung des Heizölpreises gekoppelt. Von den Kosten für Brennstoffe (ohne Fernwärme) in Höhe von 25 Mio. € werden rd. 80 % für Erdgas aufgewendet.

Gegenüber Erdgas und Heizöl errechnet sich für den Einsatz von Holzhackschnitzeln eine Kosteneinsparung von rd. 37 % (Zentrum für Psychiatrie A: 12.000 MWh, 38 %; Zentrum für Psychiatrie B: 5.600 MWh, 37 %; Forstliches Ausbildungszentrum: 1.270 MWh, 37 %). In dieser Ersparnis sind die höheren Investitions- und Personalausgaben (z. B. Bedienung durch eigenes oder fremdes Personal) eingerechnet. Mittelfristig erwartet der RH weitere Kostenvorteile für die Holzhackschnitzelanlagen. Von 1990 bis 2003 erhöhten sich z. B. die Heizölpreise um etwa 41 %, während die Investitionsausgaben langsamer anstiegen: seit 1990 um etwa 25 %. Im Vergleich dazu sind die Brennstoffkosten für Holzhackschnitzel seit 1998, dem Zeitpunkt des zunehmenden Einsatzes von Holzhackschnitzeln, relativ konstant geblieben. Die Preisentwicklung der Brennstoffe wird die Heizkosten also zunehmend stärker beeinflussen als die Entwicklung bei den Investitionsausgaben.

3 Bewertung und Empfehlungen

Das Land verfügt über rd. 1.800 Dienstgebäude mit einer Nutzfläche von jeweils mehr als 1.000 m², s. Drs. 13/3389. Diese haben den größten Anteil am Wärmeverbrauch; gleichzeitig sind Heizleistungen von mehr als 150 kW erforderlich. Zur Nutzfläche kommen noch zu beheizende Verkehrsflächen und Funktionsflächen hinzu. Viele dieser Dienstgebäude, soweit sie vor In-Kraft-Treten der Wärmeschutzverordnung von 1982 errichtet wurden, haben einen Wärmebedarf von mehr als 120 W/m² beheizte Nettogrundrissfläche. Unter diesen Voraussetzungen errechnet sich für die Heizzentrale eine erforderliche Heizleistung von mindestens 180 kW. Allgemein sollte deshalb bei größeren Neubauten und Sanierungen größerer Liegenschaften die Einrichtung von Hackschnitzelheizungen in die Planung einbezogen werden, auch wenn in Einzelfällen die Infrastruktur für die Brennstofflieferung, die Gebäudelage oder die Gebäudegestaltung problematisch sein sollten.

Vorstellbar wäre eine solche Substitution fossiler Brennstoffe innerhalb eines üblichen Erneuerungszyklus’ von Heizzentralen in 15 bis 20 Jahren. Im Rahmen der erforderlichen Investitionen werden neben anderen Anlageteilen in der Regel die Heizkessel und Brenner ausgetauscht. Schon in der Vergangenheit waren diese Investitionen immer wieder mit der Umstellung auf andere Brennstoffarten verbunden, z. B. von Kohle oder Heizöl auf Erdgas und Fernwärme. In einigen Liegenschaften können evtl. ehemalige Kohlebunker und Heizöllagerräume als Holzhackschnitzellager genützt werden; das erhöht zusätzlich die Wirtschaftlichkeit der Umstellung auf Holzhackschnitzelheizungen.

So kann z. B. bei einem der untersuchten Objekte mit einem Kapitalmehraufwand von 0,46 Eurocent/kWh (inkl. baulicher Kosten für Bevorratung) bei den Heizkosten eine Reduzierung um 3,01 Eurocent/kWh erzielt werden, per saldo also 2,55 Eurocent/kWh bzw. 25,50 €/MWh.

Insbesondere bei größeren Anlagen bieten Hackschnitzelheizungen gegenüber den mit Heizöl und Erdgas betriebenen Heizungen wirtschaftliche Vorteile; die größten Vorteile ergeben sich beim Ersatz von Erdgas durch Holzhackschnitzel im Grundlastbetrieb, wenn hohe Vollbenutzungsstundenzahlen erreicht werden.

Die vereinfachte Darstellung in Schaubild 2 zeigt beispielhaft die Größenordnung der finanziellen Auswirkungen bei unterschiedlichen Investitionsentscheidungen, ausgehend von Investitionsausgaben in Höhe von 100.000 € für eine mit Heizöl bzw. Erdgas befeuerte Heizzentrale und von 200.000 € für eine Hackschnitzelanlage. In allen drei Fällen soll es sich um Heizzentralen mit 1.000 kW Leistung und einer Jahreserzeugung von 2.000 MWh handeln. Der Zeitraum von 20 Jahren entspricht der realen Lebensdauer der meisten Anlagen des Landes; sie kann auch höher liegen. Für Strom, Betreuungsaufwand usw. wurden unterschiedliche Kostenansätze berücksichtigt.

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Bei Laufzeiten von mehr als 20 Jahren nehmen die möglichen Einsparungen noch zu, wenn beim Bau der Anlage wegen der vermeintlich vorrangigen Bedeutung der Investitionsausgaben die Entscheidung zugunsten von Heizöl oder Erdgas fiel.

Durch die Reduzierung der Brennstoffbezugskosten beim Einsatz von Hackschnitzel könnte der Landeshaushalt nachhaltig entlastet werden. Wenn ein Viertel des Erdgasverbrauchs von Landesliegenschaften (rd. 250.000 MWh) durch Holzhackschnitzel substituiert würde, könnten mindestens 5 Mio. € jährlich bei den Heizkosten eingespart werden.

Liegenschaften, deren Wärmeversorgung mit Heizöl erzeugt wird, können in der Regel noch einfacher mit Holzhackschnitzelheizungen ausgestattet werden, weil dort oftmals als Holzhackschnitzellager verwendbare Heizöllagerräume und Zufahrtsmöglichkeiten für die Heizöltankfahrzeuge und damit für Silofahrzeuge mit Holzhackschnitzel bestehen.

Neben den direkten Haushaltsentlastungen bieten Holzhackschnitzelanlagen zudem regionale ökonomische und ökologische Vorteile. Dies ist auch der Hintergrund für die Förderung dieser Anlagen im privaten und gewerblichen Bereich durch das MLR. So können neben den Wärmekosten auch die CO2-Emissionen aus fossilen Quellen reduziert werden.

Der RH schlägt deshalb vor,

  • bei staatlichen Neubauten oder Ersatzbeschaffung größerer Heizanlagen den Einsatz von Hackschnitzelanlagen zu bevorzugen und

 

  • weitere verwaltungsinterne Finanzierungsprogramme (z. B. das so genannte VIRE) einzusetzen, um den Einbau von Holzhackschnitzelanlagen zu unterstützen.

So können im Wege der erforderlichen Investitionen die Mehrkosten gering gehalten und neben den Brennstoffbezugskosten auch die CO2-Emissionen reduziert werden.

Bei einer Leistung zwischen 150 kW und 500 kW sollten Einkesselanlagen eingesetzt werden. Die Kesselleistung ist dabei sorgfältig auf die Heizlast auszulegen; evtl. können mit einem Pufferspeicher, der Lastspitzen abdeckt, die Kesselleistung kleiner gehalten und damit die Brennerlaufzeiten verlängert und die Wirtschaftlichkeit erhöht werden. Eine Überdimensionierung ist auf jeden Fall zu vermeiden.

Bei Mehrkesselanlagen für Leistungen von mehr als 500 kW sind Holzfeuerungen möglichst für die Grundlast auszulegen. Der Anteil an der Gesamtleistung sollte dazu zwischen 40 % und maximal 50 % liegen, um eine möglichst hohe Betriebsdauer zu erreichen. Mit zunehmender Laufzeit eines Kessels verringert sich die Bedeutung der Investitionsausgaben an den Heizkosten und die Brennstoffkosten treten in den Vordergrund.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das FM teilt die Auffassung des RH, dass Holzhackschnitzelheizungen bei der Entscheidungsfindung für den Wärmeträger bei Neubauten und Sanierungen stärker berücksichtigt werden müssen, und begründet dies insbesondere mit der Preisentwicklung bei den fossilen Energieträgern und mit umweltpolitischen Gesichtspunkten. Im Einzelfall müsse auf der Basis einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung unter Einbeziehung der personellen Möglichkeiten für den Bedienaufwand und der vorhandenen Infrastruktur für die Belieferung sowie unter Anrechnung eines „Bonus-Faktors“ für die Vermeidung von CO²-Emissionen entschieden werden, ob eine Holzheizung sinnvoll ist.

Der Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg habe bereits mit der Umsetzung begonnen und neben der Durchführung von Schulungsmaßnahmen bei einigen bevorstehenden Baumaßnahmen Holzheizungen geplant.


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Der Aufwand für Kunst am Bau muss in einem angemessenen Verhältnis zu den Baukosten stehen. Kunst am Bau sollte nur dann gefördert werden, wenn es die Eigenart der Gebäude rechtfertigt. Die laufenden Kosten müssen ein wesentliches Auftragskriterium sein.


1 Ausgangslage

Im Jahr 1955 hat das Land entschieden, bei allen staatlichen Bauaufträgen, soweit deren Eigenart dies rechtfertigt, grundsätzlich einen Betrag für bildnerische und kunsthandwerkliche Arbeiten vorzusehen. Gemäß Dienstanweisung der Staatlichen Vermögens- und Hochbauverwaltung Baden-Württemberg sollten bei Neu-, Um- und Erweiterungsbauten, deren Kosten 125.000 € übersteigen, bis zu 2 % der Baukosten für bildende Kunst ausgegeben werden. Ende 2003 wurde dieser Anteil auf maximal 1 % begrenzt und überdies auf Neubauten beschränkt. Auf die Eigenart der Baumaßnahme als entscheidendes Kriterium wurde bisher jedoch nicht im notwendigen Umfang abgehoben, sodass selbst bei reinen Zweck- und Funktionsbauten Kunstobjekte installiert wurden. Insgesamt betrug der Aufwand für Kunst-am-Bau-Maßnahmen im Staatlichen Hochbau in den letzten Jahren durchschnittlich 1,5 Mio. € im Jahr.

Die Auswahl der Kunstobjekte liegt in der Hand einer Kunstkommission, in der die Betriebsleitung Vermögen und Bau (früher die Oberfinanzdirektionen als Dienstaufsichtsbehörden), das jeweils zuständige Bauamt, die nutzende Verwaltung sowie Künstler vertreten sind.

2 Auswahlverfahren

Die Kunstkommission hat eine beratende Funktion und ist zu beteiligen, wenn die Gesamtkosten für Kunstbeiträge für eine Baumaßnahme 7.500 € übersteigen. Aufgaben der Kunstkommission sind die Erarbeitung von Empfehlungen für die künstlerische Aufgabenstellung, Vorschläge zum Verfahren und der aufzufordernden Künstler sowie die Beurteilung der eingereichten Arbeiten.

Zur Ermittlung der am besten geeigneten künstlerischen Arbeit sind je nach Eignung des Projekts beschränkte (mindestens drei Künstler), ggf. öffentliche Wettbewerbe durchzuführen. In geeigneten Fällen können künstlerische und kunsthandwerkliche Leistungen jedoch auch direkt an Künstler vergeben werden, die durch entsprechende Entwürfe oder Arbeiten ihre Eignung nachgewiesen haben.

Der RH stellte fest, dass Beschränkte Wettbewerbe die Regel, Öffentliche Wettbewerbe jedoch die Ausnahme sind, auch weil diese einen recht hohen Verwaltungsaufwand verursachen. Mehrfach wurden auch ehemalige Mitglieder der Kunstkommission direkt beauftragt, ohne dass ein Wettbewerb durchgeführt wurde.

Die Auswahl- und Vergabeverfahren sollten stärker als bisher transparent gemacht und dabei vermehrt auch junge Künstler gefördert werden.

3 Anrechenbare Kosten

Die anrechenbaren Kosten für Mittel für Kunst am Bau werden aus den Summen der Kostengruppen nach DIN 276,

  • Bauwerk - Konstruktion,
  • Bauwerk - Technische Anlagen und
  • Außenanlagen

ermittelt.

Bei hoch technisierten Gebäuden - vor allem im Hochschulbereich - ergibt sich aufgrund der überdurchschnittlich hohen Technikkosten (Kostengruppe 400) ein unverhältnismäßig hoher Ansatz der Aufwendungen für Kunst am Bau.

Der Bund hat auf diese Entwicklung mittlerweile reagiert und die Ausgaben für Leistungen bildender Künstler auf die Kosten des Bauwerks (Kostengruppe 300) beschränkt sowie in einem weiteren Schritt den Maximalprozentsatz von 2 % aufgehoben. Weiterhin wurde geregelt, dass die Ausgaben für Kunstobjekte in einem angemessenen Verhältnis zu den Kosten der Kostengruppe 300 stehen müssen, um überzogenen Kostenansätzen begegnen zu können.

Aufgrund der prekären Haushaltssituation sollten die Bundesregelung übernommen und die anrechenbaren Kosten auf die Kostengruppe 300 beschränkt werden.

4 Kosten der Kunstwerke

Bei Wettbewerben erhalten die aufgeforderten Künstler neben der Aufgabenbeschreibung auch eine Information über die für Kunst am Bau zur Verfügung stehenden Mittel. Sie legen mit ihrem künstlerischen Entwurf eine Kostenschätzung für Material und Honorar vor. In etlichen Fällen wurde mit diesen Kostenschätzungen eine „Punktlandung“ erzielt, d. h., die bereitgestellten Mittel für Kunst am Bau werden zumeist voll ausgeschöpft. Bei Honoraren für künstlerische Leistungen, die keiner Gebührenordnung unterliegen, ist ein solches Ergebnis auffällig.

In manchen Fällen wurde die Kostenobergrenze für das Kunstwerk überschritten, weil zur Aufstellung des Werks zusätzliche Bau- oder Installationsarbeiten erforderlich wurden, die neben den Kosten für die Kunst zusätzlich aus Baumitteln bezahlt wurden.

Der RH empfiehlt, künftig verstärkt auf das „Preis-Leistungs-Verhältnis“ der Kunstwerke zu achten und den zur Verfügung stehenden Betrag nicht immer voll auszuschöpfen. Die zur Verfügung stehenden Mittel müssen in jedem Fall auch alle zusätzlich notwendigen Bauarbeiten umfassen.

Beispiel 1

Als Kunstobjekt für das Verfügungsgebäude einer Universität wurde das über der Fassade schwebende Werk „Fliegen ist nicht Fahren ohne Räder“ ausgewählt (s. Bild 1). Die Auftragssumme betrug rd. 111.000 €; neben dem Künstlerhonorar mussten rd. 80.000 € für die bauliche Durchführung einschließlich der Stahl-Kragkonstruktion und einschließlich der Kosten für Statiker und Prüfstatik aufgewendet werden.

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5 Instandhaltung und Urheberrecht

Kunstobjekte im Freien sind Witterungseinflüssen, Umweltverschmutzung und z. T. auch vorsätzlichen Beschädigungen und Graffiti ausgesetzt. Vor allem in Hochschulen belassen es Betrachter nicht immer dabei, Kunstobjekte anzuschauen, sondern hinterlassen „Gebrauchsspuren“. Farblich gestaltete Kunstobjekte verblassen nach einigen Jahren, sodass Farbanstriche oder sonstige Oberflächenbehandlungen in regelmäßigen Zeitabständen erneuert werden müssen.

Für die Instandhaltung von Kunstobjekten müssen z. T. erhebliche Mittel aufgewendet werden, vor allem wenn der Künstler Materialien verwendet, die in hohem Maß reparaturanfällig und zudem nur von begrenzter Lebensdauer sind, wie z. B. Leuchtstoffröhren.

Beispiel 2

Für den Neubau einer Polizeidirektion wurde als künstlerische Ausgestaltung eine „Wasserkaskade“ eines namhaften Künstlers ausgewählt. Der Künstler installierte sein Werk im Eingangsbereich des Gebäudes. Die Gesamtkosten der Brunnenanlage einschließlich der zum Betrieb notwendigen Technik lagen mit rd. 295.000 € um 27 % über den für Kunst am Bau bereitgestellten Mitteln.

Nach wenigen Jahren schaltete der Nutzer die Wasserkaskade aufgrund hoher Unterhaltungskosten und erheblicher Feuchtigkeitsschäden ab. Mittlerweile hat der Nutzer die Anlage sogar abgebaut.

Beispiel 3

Für ein anderes Dienstgebäude wurden zwei mit blauen Fliesen verkleidete Türme errichtet. Im Verlauf der Jahre entstanden aufgrund von Abplatzungen und losen Verfugungen erhebliche Schäden an den Fliesen. Die Kosten für die Restaurierung des Kunstobjekts werden auf rd. 124.000 € geschätzt.

Beispiel 4

Für eine Universität installierte 1971 ein bekannter Künstler eine Dachfläche aus farbigen Kunststofftetraedern. Nachdem das Dach undicht und die Kunststoffverglasung verwittert war sowie die Fläche unter dem Dach als Versammlungsstätte genutzt und damit nicht mehr den aktuellen Brandschutzvorschriften entsprach, standen umfangreiche Restaurierungen an. In Absprache mit dem Künstler wurde das Kunstwerk demontiert, entsorgt und durch eine neue Dachkonstruktion ersetzt, die dem Original entspricht. Die Kosten hierfür belaufen sich auf rd. 700.000 €.

Beispiel 5

Als Kunstbeitrag für das Institutsgebäude einer Fachhochschule wurde die Arbeit einer Künstlerin ausgewählt; die Kosten betrugen rd. 40.000 €. Das künstlerische Werk „Baumgang/Energien“ besteht aus 12 Zitterpappeln, 12 Stahlpfosten und durchlaufende Stahlprofile. Die Zitterpappeln, in zwei gegenüber liegenden Reihen gepflanzt, bilden einen Baumgang (s. Bild 2). Aufgrund der hohen Durchlässigkeit des Bodens mussten die Zitterpappeln nach kurzer Zeit durch Säulenbuchen ersetzt werden, die aus Baumitteln finanziert wurden. Mittlerweile sind z. T. auch diese Neupflanzungen durch unsachgemäße Pflege eingegangen.

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Der RH empfiehlt, bei den Auswahlkriterien die zu erwartenden Aufwendungen für die bauliche Erhaltung der Kunstwerke stärker zu berücksichtigen.

Mit der Fertigstellung eines Kunstwerks werden zwar die Eigentumsrechte an das Land übertragen, dem Künstler verbleibt jedoch weiterhin ein umfassendes Mitspracherecht bei Änderungen, die an dem Kunstwerk vorgenommen werden. Reparaturen sind oft mit erheblichem Aufwand verbunden; bei verstorbenen Künstlern mussten z. T. Erben ausfindig gemacht und deren Einwilligung eingeholt werden.

In künftigen Verträgen mit Künstlern sollten daher praktikable Regelungen aufgenommen werden, um notwendige Instandsetzungen, die keine inhaltlichen Änderungen bedeuten, auch ohne Beteiligung des Künstlers bewältigen zu können.

6 Angemessenheit und Nutzerakzeptanz

Nach dem Grundsatzbeschluss des Landes von 1955 sollte bei allen staatlichen Bauaufträgen ein Betrag für bildnerische und kunsthandwerkliche Arbeiten vorgesehen werden, soweit deren Eigenart dies rechtfertigt. In der Praxis wurde die Eigenart einer Baumaßnahme jedoch nicht immer als entscheidendes Kriterium berücksichtigt; oft wurden auch bei reinen Zweck- und Funktionsgebäuden Mittel für Kunst am Bau bereitgestellt.

Beispiel 6

Für den Neubau eines Straßenmeisterei-Gerätehofs in einem Gewerbegebiet wurde nach einem beschränkten Wettbewerb der Entwurf „In Erwartung der Ernte“ ausgewählt. Dieses Werk steht auf der Grünfläche des Gebäudes und umfasst drei Leitern aus Metall mit etwa 7 m Höhe und neu gepflanzten Obstbäumen (s. Bild 3). Mit der Aufstellung der Leitern und der Baumpflanzungen ist das Werk noch nicht abgeschlossen; es realisiert sich mit dem Wachstum der Bäume erst im Laufe der Jahre. Die Kosten beliefen sich auf rd. 58.000 €.

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Der RH empfiehlt, künftig reine Zweck- und Funktionsgebäude von Kunst am Bau auszunehmen. Den Vorschlag, Kunst am Bau im Wesentlichen auf Neubauvorhaben zu beschränken, hat die Verwaltung mit Erlass vom 11.12.2003 bereits aufgegriffen.

Die nutzenden Verwaltungen sollten verstärkt in die Wettbewerbsentscheidungen einbezogen werden, damit eine bessere Akzeptanz im späteren Gebäudebetrieb erreicht wird. Gegen ausdrückliche Bedenken der Nutzer, die sich auf Inhalte, den Standort oder auf zu erwartende hohe Folgekosten beziehen, sollten Entscheidungen nicht getroffen werden. Im Gegenzug sollten die Gebäudenutzer sich „ihre“ Kunst aneignen, indem sie nicht nur ideell, sondern auch mit eigenen finanziellen Mitteln Verantwortung übernehmen.

7 Alternative Realisierungsformen

Die Kunstförderung kann auch auf andere Weise, nämlich durch Stiftungen, Unternehmen und Privatpersonen erfolgen. Ein Beispiel dafür ist die Ulmer Kunststiftung „Pro Arte“; sie ist eine privat finanzierte und betriebene Einrichtung, deren Stiftungszweck es ist, begabte Künstler zu fördern und zu unterstützen. Dies geschieht u. a. dadurch, dass Künstlern Arbeitsräume und Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt, Stipendien gewährt sowie Kunstwerke begabter Künstler angekauft werden. Die Kunststiftung veranstaltet Künstlerworkshops, zu denen Talente eingeladen werden. Die dabei entstandenen Kunstobjekte verbleiben in der Stadt und der Universität Ulm.

Seit Gründung der Universität Ulm wurden 21 Kunstobjekte bekannter Künstler mit Landesmitteln (Kunst am Bau) finanziert und aufgestellt. Zusammen mit weiteren Kunstobjekten junger Künstler, die durch die Ulmer Kunststiftung finanziert wurden, bilden sie einen Kunstpfad mit insgesamt 61 Kunstobjekten auf dem Campus der Universität.

Die Ulmer Kunststiftung ist ein Beispiel, wie die staatliche Kunstförderung nicht nur ergänzt und entlastet werden kann, sondern auch, wie in einer sinnvollen Weise installierte Kunst einer breiten Öffentlichkeit zugänglich und nahe gebracht wird.

In manchen Fällen konnten Kunstobjekte in den vergangenen Jahren erhebliche Wertsteigerungen erzielen. Möglicherweise könnten die Finanzmittel des Landes auch dadurch gestärkt werden, dass nicht mehr benötigte Kunstwerke auf dem Kunstmarkt veräußert werden.

8 Dokumentation

Die landeseigenen Kunstobjekte sind nur unvollständig inventarisiert, obwohl seit Anfang der 90er-Jahre an einem einheitlichen DV-Programm zur Erfassung und Inventarisierung der Kunstobjekte gearbeitet wird. Eine praktikable Lösung liegt allerdings noch nicht vor. Auch die Bauämter führen mit wenigen Ausnahmen keine bzw. nur eine unvollständige Dokumentation der Kunstobjekte in ihrem Bereich.

Der RH empfiehlt, die Inventarisierung der im Landesbesitz befindlichen Kunstobjekte beschleunigt zu betreiben, zumal mit der Verwaltungsreform etliche Liegenschaften zum Verkauf anstehen.

9 Stellungnahme des Ministeriums

Das Ministerium hat die Vorschläge des RH aufgegriffen und mit der Reduzierung der anrechenbaren Kosten auf maximal 1 % der anrechenbaren Kosten sowie der Beschränkung auf Neubauten bereits erste Schritte eingeleitet. Direkte Beauftragungen von Künstlern sollen i. d. R. nicht mehr erfolgen. Weiterhin sei beabsichtigt, bei der Vergabe von Kunstaufträgen praktikable Regelungen für die zukünftige Instandhaltung der Kunstwerke mit den Künstlern unter Beachtung der urheberrechtlichen Belange festzulegen. Auch die systematische Erfassung der Kunstwerke werde inzwischen von den Ämtern aufgenommen und solle zeitnah abgeschlossen werden.

Die Auffassung des RH, die anrechenbaren Kosten - analog zur Bundesregelung - außerdem auf die Kostengruppe 300 zu begrenzen, werde allerdings nicht geteilt, da eine weitere Reduzierung dem politischen Auftrag zur Förderung der Kunst nicht mehr gerecht werde.

10 Schlussbemerkung

Der RH hält an seinem Vorschlag fest, für die Ermittlung der anrechenbaren Kosten die für den Bundesbereich geltenden Regelungen zu übernehmen.


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Einzelplan 14: Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst

Das Ziel einer angemessenen Teilhabe von Frauen an Fachhochschulprofessuren ist in Baden-Württemberg bei weitem noch nicht erreicht. Die bestehende Situation ist durch fehlende Ziele und eine weit gehende Unklarheit über den Umfang und die Wirksamkeit der Fördermaßnahmen gekennzeichnet. Deshalb sollten messbare Ziele festgesetzt, die Maßnahmen besser koordiniert und die Organisationsstruktur der Landeskonferenzen der Frauenbeauftragten gestrafft werden. Das Land sollte sich auf wenige, wirksame Förderinstrumente konzentrieren.


1 Vorbemerkung

An den baden-württembergischen Hochschulen waren am 01.12.2003 nur 10,8 % der Professorenstellen mit Frauen besetzt - dieser Anteil liegt unter dem Bundesdurchschnitt von 12,6 % und weit unter dem Durchschnitt in den EU-Staaten von 26 %.

An den staatlichen Fachhochschulen in Baden-Württemberg, soweit sie zum Geschäftsbereich des MWK gehören, waren an diesem Stichtag 2.037 Professoren tätig, davon 188 Frauen, das entsprach einem Anteil von nur 9,2 %.

Das Land Baden-Württemberg versucht seit einigen Jahren, dieser starken Unterrepräsentation von Frauen in Professorenämtern durch eine Vielzahl von Fördermaßnahmen entgegenzuwirken. Hinzu kommen Förderprogramme von Bund und EU.

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Die verschiedenen Maßnahmen dienen überwiegend dem Ziel, Frauen mit einem entsprechenden akademischen Abschluss den Erwerb der im Landeshochschulgesetz vorgesehenen Berufungsvoraussetzungen für Professoren zu erleichtern. Dazu gehören insbesondere die Promotion und Erfahrungen in Berufspraxis und Lehre. Ein weiteres Leitmotiv ist die bessere Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und familiärem Engagement, die insbesondere für den Erwerb der Zugangsvoraussetzung der beruflichen Praxis außerhalb der Hochschule von Bedeutung ist.

Der RH hat die Handhabung und die Wirksamkeit dieser Förderinstrumente untersucht, soweit sie auf Professuren an Fachhochschulen gerichtet sind. Gegenstand der Prüfung waren insbesondere die in den Jahren 1998 bis 2003 eingesetzten Instrumente und ihre Wirkungen.

2 Ergebnisse der Prüfung

Die Prüfung der Abwicklung der einzelnen Förderinstrumente, insbesondere der Mathilde-Planck-Programme, hat keine nennenswerten Beanstandungen im Einzelfall ergeben. Die vom RH vorgefundene Verwaltungspraxis setzt die Vorgaben des Gesetzes und der einschlägigen Verwaltungsvorschriften um, ist kundenorientiert und professionell.

Als strategisch schlüssig und (nachweisbar) erfolgreich erwiesen sich bei der Prüfung insbesondere das Lehrauftragsprogramm (LAP) und das Informations- und Seminarangebot der Koordinierungsstelle der Landeskonferenz der Frauenbeauftragten an Fachhochschulen in Baden-Württemberg (Lakof FH).

Im Rahmen des LAP werden zentral Mittel vorgehalten, die ausschließlich für Lehraufträge an Frauen bestimmt sind und verwendet werden. Dadurch erhalten qualifizierte Frauen die Möglichkeit, sich mit den Aufgaben der Lehre an Fachhochschulen vertraut zu machen und Lehrerfahrung zu erwerben, die die Chancen der Bewerberin in späteren Berufungsverfahren verbessert. Insgesamt wurden seit Einführung des Programms dafür 1,35 Mio. € ausgegeben.

Da sich diese Lehraufträge in der Regel im Rahmen des ohnehin vorgesehenen Studienangebots der jeweiligen FH halten, ist mit ihnen wenig echter Mehraufwand verbunden, und sie entfalten gleichwohl die beabsichtigte Wirkung.

Zwischen dem Wintersemester 1997/1998 und dem Wintersemester 2003/2004 nahmen insgesamt 421 Frauen an diesem Programm teil, die zusammen 1.305 Lehraufträge wahrgenommen haben. Das Teilnahmeverhalten der einzelnen Fachhochschulen ist jedoch stark unterschiedlich. Über die Hälfte der Lehraufträge entfiel auf nur sechs der insgesamt 23 staatlichen Fachhochschulen, allein 22 % entfielen auf eine FH.

Von den Teilnehmerinnen am LAP wurden bis Ende 2003 mindestens 26 zur Professorin ernannt, davon 17 an einer staatlichen FH in Baden-Württemberg, eine an einer Berufsakademie in Baden-Württemberg, sechs an einer deutschen FH außerhalb Baden-Württembergs und zwei an ausländischen Hochschulen.

Ebenfalls gute Akzeptanz finden die Begleitseminare, die die Lakof FH anbietet, und die Datenbank, in der interessierte Bewerberinnen online Informationen über Professuren, ausgeschriebene Lehraufträge und Qualifizierungsangebote erhalten.

Eher kritische Feststellungen haben sich zu folgenden Punkten ergeben:

2.1 Kosten und Wirkung aller eingesetzten Instrumente

Der RH hat die jährlichen Kosten der Förderung von Wissenschaftlerinnen für den Fachhochschulbereich ermittelt. Sie betrugen im Jahr 2003 1,4 Mio. €. Davon wurden allerdings rd. 300.000 € vom Bund im Rahmen des gemischt finanzierten Hochschul- und Wissenschaftsprogramms (HWP) getragen.

Auf das Land entfallen im Wesentlichen Kosten für:

  • die Freistellung der Frauenbeauftragten (seit 2005: „Gleichstellungsbeauftragte“) der Fachhochschulen durch Lehrdeputatsermäßigung (rd. 290.000 €)

 

  • die Koordinierungsstelle (Geschäftsstelle) der Landeskonferenz der Frauenbeauftragten an Fachhochschulen in Baden-Württemberg (rd. 65.000 €)

 

  • Personal- und Sachmittel der zuständigen Beamten des MWK (rd. 60.000 €)

 

  • die fachhochschulspezifischen Förderprogramme (rd. 235.000 €)

 

  • Beratungs- und Serviceangebote (rd. 12.000 €)

 

  • die leistungsorientierte Mittelverteilung an die Fachhochschulen nach dem Kriterium „Frauenanteil“ (rd. 440.000 € im Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2004).

Diesen Kosten steht die Entwicklung der Professorinnenzahl an den Fachhochschulen gegenüber.

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Danach hat sich zwar die Zahl der Professorinnen von 67 (1992) auf 188 (2003) nahezu verdreifacht, beträgt jedoch damit immer noch lediglich erst 9,2 %. Der allmählich steigende Anteil an neu ernannten Professorinnen lag für den Zeitraum von 1998 bis 2003 bei durchschnittlich 12,5 %.

Nach den Berechnungen des RH würde es - unter Fortsetzung der seitherigen Entwicklung - noch rd. 25 Jahre dauern, bis ein weiblicher Professorenanteil von (lediglich) etwa 20 % erreicht wäre. Dieser läge dann aber noch immer weit unter dem derzeitigen Studentinnenanteil an staatlichen Fachhochschulen von rd. 35 % und immer noch unter dem europäischen Durchschnitt.

Diese Entwicklung legt den Schluss nahe, dass die Gesamtheit der Förderinstrumente allenfalls eine mäßige Wirkung entfaltet. Über die Wirksamkeit einzelner Förderinstrumente liegen beim MWK bislang keine gesicherten Erkenntnisse vor.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass der Anteil der FH-Professorinnen von 5,4 % im Jahr 1995 auf 9,2 % (188 Professorinnen) im Jahr 2003 zugenommen hat. Parallel dazu hat aber etwa auch der Anteil von Berufsakademieprofessorinnen im selben Zeitraum von 3,4 % auf 6,6 % (25 Professorinnen) zugenommen, obwohl es für Berufsakademien keine HWP-Mittel und auch keine entsprechenden Förderprogramme gab.

Im Vergleich zu den weiteren frauenspezifischen Programmen eher ineffizient ist das seit 2002 laufende Promotionsprogramm, das den Erwerb des für eine FH-Professur in der Regel notwendigen Doktorgrads ermöglichen soll. Es bindet derzeit rd. 50 % der im Rahmen der Mathilde-Planck-Programme zur Verfügung stehenden Mittel. Selbst nach erfolgreichem Abschluss einer Promotion ist völlig ungewiss, ob anschließend überhaupt eine Karriere an der FH angestrebt wird und es zur Berufung als FH-Professorin kommt.

2.2 Ziele und Evaluation

Die Prüfung des RH hat ergeben, dass weder der Landtag noch die Landesregierung bis heute messbare Ziele der Förderung von Wissenschaftlerinnen an Fachhochschulen festgelegt haben.

Eine Evaluation der einzelnen Förderinstrumente hat bis heute nicht stattgefunden.

2.3 Organisationsstrukturen

An der Förderung von Wissenschaftlerinnen sind zahlreiche Institutionen beteiligt (s. Schaubild 1). Auffällig ist, dass es im Unterschied zu anderen Bundesländern in Baden-Württemberg zwei getrennte Landeskonferenzen der Frauenbeauftragten gibt, nämlich eine für wissenschaftliche Hochschulen einerseits und eine für Fachhochschulen andererseits. Beide verfügen über jeweils eine eigene Geschäftsstelle mit entsprechender Personalausstattung von je 1,5 Stellen. Trotz weitgehend gleichartiger Aufgabenstellung - bei unterschiedlichen Schwerpunkten - arbeiten die beiden Landeskonferenzen und ihre Geschäftsstellen noch zu sehr nebeneinander. Die Berufsakademien verfügen hingegen über keine eigene Geschäftsstelle.

2.4 Unüberschaubares Nebeneinander von Förderprogrammen

Die eingesetzten Instrumente sind - wie oben dargestellt - vielfältig, ihre Kosten nicht unbedeutend.

Im Rahmen der Prüfung wurde auch deutlich, dass die Informationen über die zur Verfügung stehenden Förderinstrumente beim Kreis der potenziell Geförderten (also qualifizierte Frauen in Unternehmen und Behörden) noch nicht ausreichend bekannt sind.

Der finanzielle Förderbereich ist durch eine nahezu unüberschaubare Vielfalt geprägt (s. Schaubild 1). Die Zahl der aktuell bestehenden verschiedenen Förderprogramme für die einzelnen Hochschularten, besonders aber ihre inhaltlichen Überschneidungen hinsichtlich der (mittelbaren) Wirkungsbereiche, sind vielfältig und wenig kundenfreundlich. Das mindert ihre Effizienz, weil dies auch mit einem hohen Steuerungs-, Koordinierungs- und Verwaltungsaufwand für das Ministerium verbunden ist. Hinzu kommt der damit korrespondierende zusätzliche Beratungsaufwand für die Geschäftsstellen.

3 Empfehlungen

Vor dem Hintergrund dieser Prüfungsfeststellungen empfiehlt der RH dem Ministerium:

3.1 Operationalisierung von Zielen

Die Förderung von Wissenschaftlerinnen an Fachhochschulen sollte vom Ministerium explizit formulierte, messbare Ziele haben, an denen sich die ergriffenen Maßnahmen orientieren. Die Ziele sollten nach Fächern differenziert festgesetzt und mit einer realistischen Zeitvorstellung versehen werden. Die Wirksamkeit der Maßnahmen ist regelmäßig an den festgesetzten Zielen zu messen.

3.2 Weiterführung erfolgreicher Instrumente

Das Lehrauftragsprogramm, bei dem durch die unmittelbare Gegenleistung in Form von erbrachter Lehre eine günstige Kosten-Nutzen-Relation besteht, kann beibehalten werden. Zu seiner Optimierung sollten aber Modifikationen vorgenommen werden, etwa Pauschalierungen der Zuweisungen je Lehrauftrag und Bewilligungen unter Vorbehalt.

Die angebotenen und gut akzeptierten Seminare sollten weitergeführt werden. Die bereits durch die Lakof FH eingerichtete Online-Datenbank könnte den geschlechtsunabhängigen Zugang für alle an einem Lehrauftrag Interessierten ermöglichen. Das Dienstleistungsangebot könnte mittelfristig zu einer zentralen und verlinkten allgemeinen Internetplattform sowohl für zu vergebende Lehraufträge der Hochschulen bzw. Berufsakademien als auch für zu besetzende Professorenstellen im Land umgestaltet werden. Dies würde Transparenz erzeugen und die Gewinnung von qualifiziertem wissenschaftlichem Nachwuchs verbessern.

3.3 Optimierung der Organisationsstruktur

Die Geschäftsstellen der Landeskonferenzen sind unter Einbeziehung der Berufsakademien zusammenzulegen. Dadurch wären vor allem folgende Vorteile zu erwarten:

  • Sachliche und personelle Synergien auf der Anbieterseite

 

  • Bessere Orientierung an den Nachfrageinteressen, da - z. B. unabhängig davon, an welcher Einrichtung die Professur angestrebt wird - bei einer Stelle das Gesamtspektrum an Angeboten abrufbar wäre.

3.4 Straffung der Förderprogramm-Vielfalt

Die im Vergleich zu vielen anderen Förderbereichen geringeren finanziellen Mittel sollten nicht auch noch auf viele verschiedene Fördermaßnahmen mit zwangsläufigem Verwaltungsaufwand verteilt, sondern weitgehend gebündelt werden.

Umgesetzt werden könnte dies durch die Ausweisung von Frauenmindestanteilen in den allgemeinen Programmen oder die Zusammenführung von frauenspezifischen Programmen. Es sind zwei Szenarien denkbar:

3.4.1 Frauenmindestanteile in allgemeinen Förderprogrammen

Bereits das bestehende HWP schließt die Finanzierung von Förderprogrammen über Mindestanteile von Frauen in allgemeinen Programmen im Grundsatz nicht aus. Aus Effizienz- und Vereinfachungsgründen sollte sowohl bei Fortführung über das Jahr 2006 hinaus als auch im Falle der Einstellung des HWP ein Mindestanteilsmodell innerhalb der bestehenden allgemeinen Förderprogramme verwirklicht werden. Die bestehenden frauenspezifischen Programme könnten dann nahezu ganz aufgegeben werden. Dies trüge neben wirtschaftlichen Erwägungen (Programmaufwand, Transaktionskosten, Mittelbewirtschaftung usw.) auch dem Gender-Mainstreaming-Gedanken der Landesregierung Rechnung, der weg von einem reinen Nachteilsausgleich hin auf Chancengleichheit und gleichberechtigte Teilhabe gerichtet ist. Die bisher in die Sonderprogramme (für Promotionen, Habilitationen, Wiedereinstieg in den Beruf) geflossenen Mittel könnten mindestens teilweise in die allgemeinen Programme fließen.

3.4.2 Zusammenführung der frauenspezifischen Programme

Falls Mittel aus dem HWP - bei einer Fortführung über das Jahr 2006 hinaus - nicht in bestehende allgemeine geschlechtsunabhängige Förderprogramme (des Landes) integrierbar sind, sollte in diesem Fall zumindest die Zusammenfassung aller bisherigen Frauenförderprogramme für die unterschiedlichen Hochschularten innerhalb eines einzigen gemeinsamen HWP-konformen Förderprogramms im Land angestrebt werden. Dies würde die Effizienz durch geringere Transaktionskosten, die Lichtung des bestehenden „Förderdschungels“ und die einfachere Bewirtschaftung der Haushaltsmittel deutlich steigern. Dadurch könnte auch die zeitliche Diskontinuität und die damit zwangsläufig verbundene Planungsunsicherheit der frauenspezifischen Förderprogramme abgemildert werden, die es derzeit erschwert, das langfristige Ziel der Erhöhung des Frauenanteils zu erreichen. Stetigkeit und Kontinuität sind für erwartete Lenkungs- und Steuerungswirkungen erfahrungsgemäß besonders wichtig.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das MWK begrüßt die Feststellung des RH, dass die bisherigen Anstrengungen zur Erreichung der Chancengleichheit von Wissenschaftlerinnen für den Bereich der Fachhochschulen dem Grunde nach vorläufig fortgeführt werden sollten, weil eine gleichberechtigte Teilhabe noch nicht erreicht ist.

Es teilt auch die Auffassung des RH, dass die Ursachen-Wirkungs-Zusammenhänge zwischen den eingesetzten Förderinstrumenten und der positiven Entwicklung des Frauenanteils unter den FH-Professoren nur schwer nachweisbar seien. Gesicherte Erkenntnisse seien insbesondere deshalb schwierig zu erhalten, weil die jeweiligen Förderprogramme noch nicht abgeschlossen seien. Vor diesem Hintergrund erscheine dem MWK eine Evaluation der einzelnen Förderinstrumente noch verfrüht.

Das MWK verzichte bewusst darauf, das hochschulpolitische Ziel der Erhöhung des Frauenanteils an den Professuren quantitativ und zeitlich festzulegen, da dieses Ziel nicht nur von wirksamen Fördermaßnahmen, sondern auch von Faktoren abhängig sei, die das MWK nicht beeinflussen könne. Gleichwohl legten die aus der neuesten Statistik des MWK ersichtlichen Fortschritte den Schluss nahe, dass die frauenspezifischen Förderprogramme ihren Zweck nicht verfehlen.

Das MWK ist weiterhin der Auffassung, dass die vom RH vorgeschlagene Zusammenfassung der Geschäftsstellen nicht zu den vom RH erwarteten Synergien führen würde. Der RH habe bei diesem Vorschlag die notwendigen personellen Konsequenzen und die räumlichen Gegebenheiten nicht ausreichend bedacht.

Schließlich teilt das MWK die Auffassung des RH, dass die bestehenden Förderprogramme gestrafft werden müssten. Wie dies im Einzelnen zu geschehen habe, werde nach Beendigung des von Bund und Ländern finanzierten HWP zu prüfen sein.

5 Schlussbemerkung

Der RH bleibt bei seinen Vorschlägen, die Ziele der Frauenförderung explizit und messbar zu formulieren, die Förderinstrumente zeitnah zu evaluieren und neu zu strukturieren. Der Effizienzgewinn durch die Zusammenlegung der Geschäftsstellen der Konferenzen der Frauenbeauftragten darf nicht an zufälligen Gegebenheiten scheitern, die sich aus aktuellen personellen oder räumlichen Konstellationen ergeben.


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Anhänge

Die Lehrkapazitäten an den vier theologischen Fakultäten des Landes sind nicht ausgelastet. Durch eine bedarfsgerechte Reduzierung der Stellen können die Universitäten landesweit jährlich 4,4 Mio. € Personalkosten einsparen, ohne dass die den Kirchen vertraglich geschuldeten Leistungen des Landes beeinträchtigt werden.


1 Ausgangslage

An den Universitäten in Baden-Württemberg sind vier theologische Fakultäten eingerichtet, jeweils zwei für evangelische und für katholische Theologie.

Es handelt sich bei den Fakultäten um staatliche Einrichtungen, die - historisch gewachsen - mehr oder weniger eng mit den Kirchen kooperieren. Die Mitwirkungsrechte der Kirchen beruhen auf vertraglichen Verpflichtungen des Landes, der Landesverfassung und dem Gesetz über die Hochschulen und Berufsakademien in Baden-Württemberg (Landeshochschulgesetz).

Die theologischen Fakultäten bilden evangelische bzw. katholische Geistliche und Religionslehrer für die Gymnasien aus. Über Lehrexporte wirken sie an der Ausbildung der Religionslehrer für Grund-, Haupt-, Real- und Berufsschulen mit. Mit ihren beachtlichen Leistungen im Bereich der theologischen und historischen Forschung tragen die theologischen Fakultäten nicht nur zum geistigen Fundament der christlichen Kirchen bei, sondern leisten einen wertvollen Beitrag zum gesellschaftlichen Diskurs über theologische, ethische und philosophische Fragen.

Alle vier Fakultäten bieten folgende Studiengänge an:

  • (Voll-)Theologisches Studium (kirchliche Prüfung/Diplom-Theologe)
  • Lehramt für Gymnasien (Haupt- und Nebenfach)
  • Magister (Haupt- und Nebenfach)

Dazu kommen weitere spezifische Studiengänge bei den einzelnen Fakultäten.

1.1 Theologische Fakultät der Universität Heidelberg

Die Theologische Fakultät an der Universität Heidelberg besteht seit 1386. Seit dem 16. Jahrhundert wird dort evangelische Theologie gelehrt.

Der Bestand der Fakultät ist durch den Badischen Kirchenvertrag vom 14.11.1932 garantiert. In Art. VII dieses Vertrages, der zwischen dem Freistaat Baden und der Vereinigten Evangelisch-protestantischen Landeskirche Badens geschlossen wurde, hat der Freistaat Baden den Bestand der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg mit den zur Zeit des Vertragsabschlusses geltenden Rechten garantiert.

Die vom Freistaat Baden in diesem Vertrag übernommenen Rechte und Pflichten sind auf das Land Baden-Württemberg als Rechtsnachfolger übergegangen.

Die Fakultät bietet als weitere Studiengänge an:

  • Promotionsstudium (auch ohne vorherigen Abschluss) und
  • Aufbaustudiengang Diakoniewissenschaft.

Aufgrund einer zwischen der Badischen Landeskirche und dem Ministerium für Wissenschaft und Kunst im Jahr 1983 abgeschlossenen bzw. erneuerten Vereinbarung stellt die Heidelberger Fakultät dem von der Landeskirche eingerichteten Predigerseminar für die Ausbildung der Vikare Lehrleistungen im Umfang von 1,5 Lehrdeputaten einer Professur zur Verfügung, ohne dass die Kirche dafür Kostenersatz leisten müsste.

Im Studienjahr 2003/2004 waren an der Fakultät im Mittel 548 Studierende eingeschrieben, davon 307 in einem volltheologischen Studiengang. Am 01.01.2004 verfügte die Fakultät über 16 Professorenstellen, 18,5 Stellen für den akademischen Mittelbau und 12,5 Verwaltungsstellen.

1.2 Evangelisch-Theologische Fakultät der Universität Tübingen

Die Theologische Fakultät an der Universität Tübingen wurde im Jahr 1477 gegründet, seit dem 16. Jahrhundert wird dort evangelische Theologie gelehrt.

Eine vertragliche Verpflichtung des Landes gegenüber der Evangelischen Landeskirche, die Evangelisch-Theologische Fakultät in Tübingen zu erhalten, besteht nicht.

Seit dem Wintersemester 2004/2005 wird als weiterer Studiengang Judaistik angeboten.

Zur Mitwirkung an der Ausbildung der Vikare der württembergischen Landeskirche ist die Fakultät nicht verpflichtet.

Im Studienjahr 2003/2004 waren an der Fakultät im Mittel 453 Studierende eingeschrieben, davon 268 in einem volltheologischen Studiengang. Am 01.01.2004 verfügte die Fakultät über 14 Professorenstellen, 24,5 Stellen für den akademischen Mittelbau und 15,0 Verwaltungsstellen.

1.3 Theologische Fakultät der Universität Freiburg

Die (Katholisch-)Theologische Fakultät an der Universität Freiburg besteht seit Gründung der Universität im Jahr 1457.

Der Bestand der Fakultät wird durch das Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Baden vom 12.10.1932 garantiert. Die Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag sind auf das Land Baden-Württemberg als Rechtsnachfolger des Freistaats Baden übergegangen.

Die Fakultät bietet als weitere Studiengänge an:

  • Bachelor-Studiengang Theologie
  • Promotionsstudium (auch ohne vorherigen Abschluss)
  • Aufbaustudiengang Caritaswissenschaft.

Außerdem wirken die Professoren und Assistenten der Fakultät an dem Studiengang Christliche Archäologie und Byzantinische Kunstgeschichte mit, welcher der Philosophischen Fakultät zugeordnet ist.

Zur Mitwirkung an der zweiten Phase der Priesterausbildung ist die Fakultät nicht verpflichtet.

Im Studienjahr 2003/2004 waren an der Fakultät im Mittel 574 Studierende eingeschrieben, davon 253 in einem volltheologischen Studiengang. Am 01.01.2004 verfügte die Fakultät über 15 Professorenstellen, 20,5 Stellen für den akademischen Mittelbau und 12,5 Verwaltungsstellen.

1.4 Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Tübingen

Die Katholisch-Theologische Fakultät an der Universität Tübingen besteht seit 1817.

Der Bestand der Fakultät ist durch das am 20.07.1933 zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich geschlossene Konkordat (Reichskonkordat) garantiert.

Die vom Deutschen Reich in diesem Vertrag übernommenen Rechte und Pflichten sind auf das Land Baden-Württemberg als Rechtsnachfolger übergegangen.

Zur Mitwirkung an der zweiten Phase der Priesterausbildung ist die Fakultät nicht verpflichtet.

Im Studienjahr 2003/2004 waren an der Fakultät im Mittel 299 Studierende eingeschrieben, davon 121 in einem volltheologischen Studiengang. Am 01.01.2004 verfügte die Fakultät über 15 Professorenstellen, 18 Stellen für den akademischen Mittelbau und 10 Verwaltungsstellen.

2 Hintergrund und Ziel der Prüfung

Der RH hat im Jahr 2004 erstmals die Auslastung der theologischen Fakultäten in der Lehre geprüft.

Ziel der Prüfung war festzustellen, ob im Hinblick auf die seit Jahren zurückgehenden Studierenden- und Absolventenzahlen eine Anpassung der personellen Ausstattung an die veränderte Nachfrage geboten ist.

Der Bayerische Oberste Rechnungshof hat in den Jahren 1997 und 2002 eine Prüfung der theologischen Fakultäten in Bayern durchgeführt und aufgrund der Prüfungsergebnisse empfohlen, die Ausstattung der Fakultäten zu reduzieren und drei katholisch-theologische Fakultäten zu schließen. Er hat vorgeschlagen, das Konkordat mit dem Heiligen Stuhl entsprechend zu ändern. Staatsregierung und Landtag sind den Vorschlägen des Bayerischen Obersten Rechnungshofs teilweise gefolgt: Bis zum Jahr 2019 werden an den bayerischen theologischen Fakultäten 101 Stellen, darunter 32 Professorenstellen, gestrichen werden.

Der Landesrechnungshof Schleswig-Holstein hat im Jahr 2002 ebenfalls eine deutliche Reduzierung der Stellenzahl an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Kiel empfohlen. Die Realisierung dieser Vorschläge steht noch aus.

Der Landesrechnungshof Nordrhein-Westfalen hat im Jahr 2004 eine erhebliche Unterauslastung der dort eingerichteten theologischen Fakultäten diagnostiziert und neben der regionalen Konzentration von Ressourcen die Streichung von 35 Professorenstellen und einer entsprechenden Zahl von Mittelbaustellen vorgeschlagen. Die politische Willensbildung zu diesen Vorschlägen ist noch nicht abgeschlossen.

3 Feststellungen des Rechnungshofs

3.1 Entwicklung der Studierendenzahlen

Die von den drei Universitäten vorgelegten und aufgrund der Feststellungen des RH bereinigten Studierendenzahlen ergeben das in Übersicht 1 dargestellte Bild.

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Die Studierendenzahlen an den evangelisch theologischen Fakultäten sind mithin in zehn Jahren um 63 % (Heidelberg) bzw. 60 % (Tübingen) zurückgegangen. An den katholisch theologischen Fakultäten beträgt der Rückgang der Studierendenzahlen 42 % (Freiburg) bzw. 41 % (Tübingen).

Besonders deutlich fällt der Rückgang bei jenen Studierenden aus, die sich für ein klassisches volltheologisches Studium eingeschrieben haben. Ihre Zahl ist im Zehnjahreszeitraum von landesweit 2.631 auf 949 zurückgegangen. Dies entspricht einem Rückgang um 64 %.

Die Evangelische Kirche nennt als Gründe für die rückläufigen Studierendenzahlen demografische Ursachen und die Reaktion der Abiturienten auf eine restriktive Einstellungspraxis der beiden Landeskirchen Anfang der 90er-Jahre. Außerdem weist die Kirche darauf hin, dass die Studierendenzahlen in den 80er-Jahren stark gestiegen seien und sich jetzt wieder normalisiert hätten.

Die Katholische Kirche beklagt ein generell zurückgehendes Interesse am Priesterberuf in allen deutschen Diözesen. Die Absolventenzahlen an den beiden katholischen Fakultäten reichten bei weitem nicht aus, um den Bedarf an Nachwuchspriestern in den beiden Diözesen des Landes zu decken.

3.2 Entwicklung der Absolventenzahlen

Die Absolventenzahlen haben sich in den einzelnen Fakultäten unterschiedlich entwickelt. Auch hier hat der RH die von den Universitäten vorgelegten Zahlen geprüft, bereinigt und deren Entwicklung in Übersicht 2 dargestellt.

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Während an den evangelisch theologischen Fakultäten die Absolventenzahlen um 45 % (Heidelberg) bzw. 69 % (Tübingen) zurückgegangen sind, ergibt sich bei der Theologischen Fakultät in Freiburg im untersuchten Zehnjahreszeitraum sogar eine leichte Steigerung der Absolventenzahlen (+9 %). An der katholischen Fakultät in Tübingen sind die Absolventenzahlen um 16 % zurückgegangen.

3.3 Stellenausstattung und Personalkosten der Fakultäten

Den vier theologischen Fakultäten (ohne Bibliotheken) standen am 01.01.2004 insgesamt 191,5 Stellen zur Verfügung. Die jährlichen Personalkosten für diese Stellen betragen (nach den Sätzen des FM kalkuliert) 16,69 Mio. €. Die Übersicht 3 zeigt, wie sich die Zahl der Personalstellen und die Personalkosten auf die einzelnen Fakultäten verteilen.

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Alle theologischen Fakultäten mit Ausnahme der katholischen Fakultät in Tübingen haben seit 1994 Stellen des wissenschaftlichen Dienstes abgebaut. Alle vier Fakultäten haben sich verpflichtet, bis zum Jahr 2006 weitere 8 Stellen abzubauen.

Die Verteilung dieser Einsparungen auf die einzelnen Fakultäten ergibt sich aus der Übersicht 4.

2005-B025-Üb4.jpg

Die stark unterschiedlichen Studierenden- und Absolventenzahlen einerseits und die vergleichsweise homogene Ausstattung der vier Fakultäten andererseits führen zu stark unterschiedlichen Personalkosten je Student bzw. je Absolvent.

So ergibt sich bei den jährlichen Personalkosten je Vollstudent eine Spannweite von 9.900 € (Heidelberg) bis 18.900 € (Tübingen - katholisch). Bei den Personalkosten je Vollabsolvent ergibt sich eine Spannweite von 43.200 € (Heidelberg) bis 107.300 € (Tübingen - katholisch).

3.4 Auslastung der Fakultäten

Die Universitäten haben dem RH ihre Kapazitätsberechnungen für das Studienjahr 2003/2004 vorgelegt. Aus ihren eigenen Berechnungen ergaben sich Auslastungen der einzelnen Fakultäten zwischen 31,8 % (Heidelberg) und 60 % (Tübingen - evangelisch).

Die dabei zugrunde gelegten Zahlen wurden vom RH überprüft und - wo notwendig - nach oben oder unten korrigiert.

Die Kapazitätsberechnung ergibt die Zahl der Studienanfänger, die in einem Studienfach auf der Grundlage der vorhandenen Lehrkapazität jährlich höchstens aufgenommen werden können (Studienanfängerplätze). Das Verhältnis zwischen der tatsächlichen Zahl der Studienanfänger und der Zahl der Studienanfängerplätze ergibt die Auslastung.

Für die einzelnen Fakultäten haben sich dabei die in Übersicht 5 dargestellten Auslastungsquoten ergeben.

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Bei der Berechnung der Kapazität wurden die vielfältigen Lehrexporte, die alle vier theologischen Fakultäten universitätsintern und extern erbringen, kapazitätsverbrauchend (und damit auslastungserhöhend) voll berücksichtigt. Dazu gehören sowohl die Lehrveranstaltungen, die die Mitglieder der theologischen Fakultäten für die Studiengänge anderer Fakultäten erbringen (z. B. auch im Rahmen des ethisch-philosophischen Grundlagenstudiums für Lehramtskandidaten), als auch jene Lehrveranstaltungen, die die theologischen Fakultäten an anderen Hochschulen des Landes erbringen (insbesondere bei der Ausbildung von Religionslehrern für die Grund, Haupt-, Real- und Berufsschulen).

Ebenfalls auslastungserhöhend wurden die sprachpropädeutischen Lehrveranstaltungen berücksichtigt, soweit sie die theologischen Fakultäten selbst erbringen. Der Heidelberger Fakultät wurde auch der Lehrexport an das Predigerseminar gutgeschrieben, zu dem die Fakultät aufgrund der Verträge des Landes mit der Landeskirche verpflichtet ist.

4 Bewertung und Empfehlungen

4.1 Bewertung

Die aufgrund der Angaben der Universitäten und der Feststellungen des RH errechneten Auslastungsquoten von 33,5 % bis 43,4 % zeigen, dass an den theologischen Fakultäten des Landes gegenwärtig Kapazitäten vorgehalten werden, die für mehr als die doppelte Zahl von Studienanfängern/Studierenden ausreichen würden. Die seit 1994 realisierten und bis 2006 geplanten Einsparungen von Personalstellen spiegeln den Rückgang der Studierendenzahlen nur völlig unzureichend wider, wie die Übersicht 6 zeigt.

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Angesichts der in manchen Bereichen der Universitäten noch immer bestehenden Mangelsituation ist dieser Zustand nicht zu rechtfertigen. Dabei berücksichtigt der RH auch die besondere staatsrechtliche Stellung der Kirchen und die fundamentale Bedeutung der theologischen Fakultäten für die Kirchen. Auch die vertraglichen Verpflichtungen des Landes aus dem badischen Staatskirchenvertrag und den Konkordaten rechtfertigen das Vorhalten von Überkapazitäten nicht. Wie an allen Fakultäten steht auch bei den theologischen Fakultäten jeweils die Hälfte der Kapazität für Aufgaben der Lehre und für die Forschung zur Verfügung.

Selbst wenn man unterstellt, dass Studienanfängerzahlen auch in Zukunft nach oben und nach unten schwanken werden, ist eine Auslastung unterhalb von 75 % grundsätzlich unvertretbar. Auch die bis 2006 geplanten weiteren Einsparungen werden bei weitem nicht ausreichen, um die Auslastung der Fakultäten auf ein befriedigendes Maß zu erhöhen.

4.2 Empfehlungen des Rechnungshofs

Der RH empfiehlt, die Ausstattung der theologischen Fakultäten über die ohnehin geplanten Einsparungen hinaus so weit zu reduzieren, dass die vorgehaltenen Überkapazitäten auf ein vertretbares Maß zurückgeführt werden.

Durch die vorgeschlagenen Stellenreduzierungen lassen sich landesweit jährliche Personalkosten in Höhe von 4,04 Mio. € (wissenschaftlicher Dienst) und von 0,36 Mio. € (Verwaltung) einsparen.

Der RH geht dabei von folgenden Überlegungen aus:

  • Das Mindestziel für die Anpassung der Ausstattung der theologischen Fakultäten sind 75 % Auslastung. Dieses Ziel ist angesichts der begrenzten Fluktuation im wissenschaftlichen Dienst in realistischer Frist zu erreichen und lässt andererseits den Fakultäten genügend Spielraum, um (mögliche, wenn auch nicht wahrscheinliche) kurz- oder mittelfristige Steigerungen der Studierendenzahlen mit der dann gegebenen Ausstattung zu bewältigen.

 

  • Der zur Erreichung dieses Ziels (75 % Auslastung) nächstliegenden Lösung, nämlich der Zusammenfassung der beiden evangelisch theologischen Fakultäten und der beiden katholischen Fakultäten an jeweils einem Standort, stehen jedenfalls bei drei Fakultäten die vertraglichen Verpflichtungen des Landes aus den Konkordaten und dem Staatskirchenvertrag entgegen. Außerdem sprechen die historisch gewachsenen engen Verflechtungen zwischen den Fakultäten und ihren jeweiligen Diözesen bzw. Landeskirchen gegen die Konzentration an einem Standort.

 

  • Die Kündigung des Staatskirchenvertrags und der Konkordate schlägt der RH nicht vor. Ob in Zukunft einvernehmliche Modifikationen der Verträge erforderlich werden, lässt der RH offen.

 

  • Wie das gemeinsame Pro Memoria des Rates der EKD und der Katholischen Deutschen Bischofskonferenz von 1995 geht der RH davon aus, dass eine theologische Fakultät, die volltheologische Studiengänge anbietet, einer Mindestausstattung von 10 Professuren (mit jeweils einer Assistentenstelle) bedarf, um den Kanon der theologischen Fächer mit der für ein wissenschaftliches Studium notwendigen Pluralität anbieten zu können.

 

  • Bei der Bemessung der Stellen für den akademischen Mittelbau sind neben einer Stelle für einen Fakultätsassistenten und je einer Assistentenstelle je Lehrstuhl die für den sprachpropädeutischen Unterricht notwendigen befristeten und unbefristeten Stellen vorzusehen.

 

  • Für den Aufbaustudiengang Caritaswissenschaft in Freiburg und den Aufbaustudiengang Diakoniewissenschaft in Heidelberg bedarf es jeweils einer weiteren Professur. Soweit hierfür auch wissenschaftliche Dienstleistungen erforderlich sind, sind sie im Rahmen der künftigen Ausstattung (s. Übersicht 7 und 9) zu erbringen.

 

  • In den Fällen, in denen vorgeschlagen wird, eine Fakultät auf ihre Mindestausstattung zu reduzieren, besteht die Gefahr, dass die Fakultät das Interesse an der Aufrechterhaltung und am Ausbau des Lehrexports verliert, da sich dieser zwar auf die Kapazität, nicht aber auf die Mindestausstattung auswirkt. Deshalb wird in diesen Fällen (Freiburg, Tübingen kath. und ev.) vorgeschlagen, den fiskalisch wünschenswerten Lehrexport innerhalb und außerhalb der Fakultät durch Zuweisung einer zusätzlichen Stelle für einen Akademischen Rat/Oberrat (Besoldungsgruppe A 13/A 14) zu honorieren (Mindestausstattung plus).

 

  • Die Zahl der Verwaltungsstellen an den Fakultäten (insbesondere Sekretariatsstellen) sollte die Zahl der Professuren nicht übersteigen. Mit der Zahl der Professorenstellen ist daher auch die Zahl der Verwaltungsstellen zu reduzieren.

 

  • Mit Beginn des Studienjahres 2004/2005 setzte in Heidelberg der Lehrexport an die Universität Mannheim ein. An der Evangelisch-Theologischen Fakultät Tübingen begann der neue Studiengang Judaistik. Bei der Bemessung der Einsparvorschläge wurde der Lehrexport Heidelberg-Mannheim in dem vertraglich vereinbarten Umfang von 15 Semesterwochenstunden je Semester, nicht jedoch der Kapazitätsverbrauch für den Studiengang Judaistik, angesetzt. Diese Ansätze müssen je nach tatsächlicher Entwicklung in Heidelberg nach unten, in Tübingen dann nach oben korrigiert werden, wenn die vorhandenen Kapazitätsreserven nicht ausreichen sollten, den Lehrbedarf des neuen Studienganges zu decken. Dasselbe gilt in Freiburg für den Lehrexport nach Mannheim.

 

  • Den Personaleinsatz in den theologischen Bibliotheken hat der RH nicht untersucht. Er bleibt daher bei den Einsparvorschlägen außer Betracht.

4.2.1 (Evangelisch-)Theologische Fakultät an der Universität Heidelberg

Der RH schlägt zur Erreichung einer Auslastung von 75 % die in Übersicht 7 dargestellte personelle Ausstattung für den wissenschaftlichen Dienst und die Verwaltung der Theologischen Fakultät in Heidelberg vor.

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Bei der Bemessung dieser Ausstattung sind alle Exportleistungen (einschließlich der Lehrveranstaltungen am Predigerseminar) und der Bedarf an Lehrveranstaltungen für den Aufbaustudiengang Diakoniewissenschaft berücksichtigt.

Außerdem ist (vorläufig) berücksichtigt, dass die Heidelberger Fakultät ab dem Studienjahr 2004/2005 bis zu 15 Semesterwochenstunden im Rahmen der Berufsschullehrerausbildung an die Universität Mannheim exportieren wird.

4.2.2 Evangelisch-Theologische Fakultät an der Universität Tübingen

Um an der Evangelisch-Theologischen Fakultät in Tübingen eine Auslastung von 75 % zu erreichen, wäre rechnerisch eine Reduzierung der Zahl der Professorenstellen auf 9 ausreichend, aber auch erforderlich.

Damit würde jedoch die Mindestausstattung einer evangelisch-theologischen Fakultät unterschritten, die dem Pro Memoria der Kirchen folgend angesichts der fünf klassischen theologischen Fächer mindestens 10 Professuren umfasst.

Der RH schlägt die in Übersicht 8 gezeigte personelle Ausstattung der Theologischen Fakultät in Tübingen vor.

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Bei der Bemessung dieser Ausstattung sind alle Exportleistungen innerhalb und außerhalb der Universität berücksichtigt.

Die Auslastung von 67,6 % liegt dann immer noch in einem kritischen Bereich.

4.2.3 (Katholisch-)Theologische Fakultät an der Universität Freiburg

Um an der Theologischen Fakultät in Freiburg eine Auslastung von 75 % zu erreichen, wäre rechnerisch eine Reduzierung der Zahl der Professorenstellen auf 10 ausreichend, aber auch erforderlich.

Dies entspricht zwar auf den ersten Blick der für den Betrieb einer katholisch theologischen Fakultät erforderlichen Mindestausstattung von 10 Professuren - im Hinblick auf den in Freiburg angebotenen Studiengang Caritaswissenschaft ist jedoch eine weitere Professur notwendig, sodass sich in Freiburg eine Mindestausstattung von 11 Professuren (mit 10 Assistentenstellen) ergibt.

Der RH schlägt eine personelle Ausstattung der Theologischen Fakultät in Freiburg entsprechend Übersicht 9 vor.

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Bei der Bemessung dieser Ausstattung sind alle Exportleistungen innerhalb und außerhalb der Universität berücksichtigt, insbesondere auch die Lehrleistungen im Rahmen des Studiengangs Christliche Archäologie und Byzantinische Kunstgeschichte.

Die Auslastung von 68,5 % liegt dann immer noch in einem kritischen Bereich.

4.2.4 Katholisch-Theologische Fakultät an der Universität Tübingen

Um an der Katholisch-Theologischen Fakultät in Tübingen eine Auslastung von 75 % zu erreichen, wäre rechnerisch eine Reduzierung der Zahl der Professorenstellen auf 7 ausreichend, aber auch erforderlich.

Damit würde jedoch die Mindestausstattung einer katholisch theologischen Fakultät, wie sie das Pro Memoria der Kirchen definiert, deutlich unterschritten.

Der RH schlägt die in Übersicht 10 dargestellte Ausstattung für den wissenschaftlichen Dienst der Katholisch-Theologischen Fakultät in Tübingen vor.

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Bei der Bemessung dieser Ausstattung sind alle Exportleistungen innerhalb und außerhalb der Universität berücksichtigt.

Mit dann 48,9 % ist die Auslastung der Katholisch-Theologischen Fakultät auch nach erfolgter Reduzierung noch immer unvertretbar niedrig, sodass weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Auslastung (z. B. durch Vereinbarung weiterer Lehrexporte) unabdingbar sind.

4.2.5 Weitere erforderliche Maßnahmen

Auch bei voller Realisierung der Vorschläge des RH erreichen drei der vier theologischen Fakultäten die angestrebte Mindestauslastung von 75 % nicht, eine (Heidelberg) erreicht die Zielgröße nur knapp.

Alle vier Fakultäten bleiben daher aufgefordert, weitere Maßnahmen zu ergreifen, um die Auslastung der Lehreinheiten zu verbessern.

Neben weiteren Lehrexporten (z. B. an weitere Pädagogische Hochschulen) und der verstärkten Werbung für die Aufnahme des theologischen Studiums bietet sich auch die Einrichtung weiterer Studiengänge an. Ambivalent bewertet der RH in diesem Zusammenhang die an den katholisch theologischen Fakultäten vorgesehene Einführung von konfessionsgebundenen Bachelor-Studiengängen für den Beruf des Gemeindereferenten. Einerseits wird dieser neue Studiengang (ausreichende Nachfrage unterstellt) zu einer besseren Auslastung der staatlich finanzierten Kapazitäten führen, andererseits übernimmt die Universität als staatliche Einrichtung damit eine kirchliche Aufgabe, für die nach der Systematik und Entstehungsgeschichte des Konkordats kein Engagement des Staates vorgesehen ist.

Sollte es an der Katholisch-Theologischen Fakultät Tübingen innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren nicht gelingen, die Auslastung in die Nähe des Zielwertes von 75 % zu bringen, so müsste geprüft werden, ob eine weitere Reduzierung der Ausstattung erfolgen kann und die notwendige Pluralität des Lehrangebots durch einen Import von Lehrleistungen von der Universität Freiburg erreicht werden kann.

Sollten die Kirchen für Zwecke der theologischen Forschung oder zur Erweiterung des theologischen Kanons ein weiterreichendes Engagement der Fakultäten für erforderlich halten, stehen den Kirchen dafür die Instrumente der Drittmittelforschung und der Stiftungsprofessur zur Verfügung, von denen die Kirchen jedenfalls in Baden-Württemberg bislang nur marginal Gebrauch gemacht haben.

5 Stellungnahmen des Ministeriums, der Universitäten und der Kirchen

Zum Entwurf der Denkschrift haben das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, die betroffenen Universitäten und die Kirchen Stellung genommen.

Das Ministerium weist in seiner Stellungnahme auf die besondere Bedeutung hin, die den theologischen Fakultäten innerhalb und außerhalb der Universitäten zukomme. Sie wirkten im Bereich der Werteorientierung tief in die Gesellschaft hinein und prägten seit mehreren Jahrhunderten die Bildungs- und Forschungsleistungen der Universitäten des Landes. Besonders beachtlich sei der Rang, den die vier theologischen Fakultäten in der internationalen Spitzenforschung einnehmen - dies zeige sich an einer Vielzahl internationaler Forschungsprojekte, aber auch an der Bilanz der eingeworbenen Drittmittel, die allein an der Universität Tübingen im Jahr 2004 mehr als 1 Mio. € umfasst hätten.

Gegen die vom RH angewendete Methode der Auslastungsberechnung anhand der Kapazitätsverordnung wendet das Ministerium ein, dass die der Berechnung zugrunde liegenden Zahlen bereits überholt seien: Durch mittlerweile vollzogene weitere Personaleinsparungen und durch gestiegene Studienanfängerzahlen im Studienjahr 2004/2005 habe sich die aktuelle Auslastung an allen Fakultäten gegenüber dem vom RH erhobenen Stand deutlich verbessert, in Heidelberg sei mittlerweile eine Auslastung von 78,1 % erreicht worden.

Weiterhin seien die außerordentlich hohen Leistungen der vier Fakultäten bei der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses nicht in die Berechnungen des RH eingegangen; die Zulieferung von Lehrleistungen der Theologien an andere Studiengänge sei nur unzureichend berücksichtigt worden.

Das Ministerium wendet sich dagegen, den Ausbildungsauftrag der theologischen Fakultäten auf die Ausbildung von Pfarrern und Religionslehrern zu reduzieren. Die Fakultäten hätten auch den Auftrag, Pastoralreferenten, Gemeindereferenten und andere, forschungsbezogene Berufe auszubilden. Auch komme ihnen im Weiterbildungssektor eine gestiegene Verantwortung zu.

Schließlich wendet sich das Ministerium gegen die vom RH angewendeten Mindeststandards, die der RH aus dem Pro-Memoria-Papier der Kirchen von 1995 hergeleitet hat. Aus der Sicht des Ministeriums müsse Maßstab für die Mindestausstattung der theologischen Fakultäten der Fächerkanon sein, wie ihn die Kirchen in maßgeblichen Dokumenten aus den Jahren 2001 und 2002 festgelegt haben. Aus diesen Dokumenten ergebe sich, dass an den Fakultäten ein Kanon von 12 Fächern anzubieten sei, welcher 12 theologischen Professuren entspreche und je nach den Besonderheiten des Forschungsprofils der einzelnen Fakultäten noch der Ergänzung um weitere Professuren bedürfe.

Weiterhin sei das Ministerium der Auffassung, dass jede der Professuren mindestens der Ausstattung mit einem wissenschaftlichen Mitarbeiter und mit einer halben Verwaltungsstelle bedürfe.

Die Universitäten haben in ihren ausführlichen Stellungnahmen, die sich auch mit den Einzelheiten der Berechnung des RH auseinander setzen, vor allem darauf hingewiesen, dass der RH seiner Aufgabenstellung entsprechend nur eine quantitative Analyse der Lehrauslastung vorgenommen habe und qualitative Gesichtspunkte sowie die Leistungen der theologischen Forschung weitgehend außer Betracht gelassen habe.

Bei der Betrachtung der Entwicklung der Studierendenzahlen habe der RH die Entwicklung vor 1993 und ab 2004 nicht gewürdigt, aus der sich deutlich ergebe, dass es sich bei dem Rückgang der Studierendenzahlen um eine allenfalls vorübergehende Entwicklung handele, aus der keinesfalls ein Trend für die Zukunft abgeleitet werden dürfte. Insbesondere die Universität Heidelberg weist darauf hin, dass die Studienanfängerzahlen schon zum Wintersemester 2004/2005 massiv angestiegen und die Grundlagen der Empfehlungen des RH damit überholt seien.

Die vier Fakultäten beklagen, dass ihre Leistungen bei der Qualifikation des wissenschaftlichen Nachwuchses in den Berechnungen des RH keine Berücksichtigung gefunden hätten.

Alle vier Fakultäten weisen auf ihr besonderes Forschungsprofil und auf ihre überragenden wissenschaftlichen Leistungen hin, die weit über die Landesgrenzen hinaus Anerkennung gefunden hätten. Sie weisen ausdrücklich darauf hin, dass nach dem System des neuen Landeshochschulgesetzes Entscheidungen, die auf der Grundlage der Empfehlungen des RH zu fällen seien, von den Universitäten in Autonomie zu treffen seien.

Die Erzdiözese Freiburg wendet sich in ihrer Stellungnahme insbesondere gegen die enge Auslegung des Konkordats als Verpflichtung zur Ausbildung von Geistlichen und Religionslehrern. Durch die Entwicklung der pastoralen Berufsbilder habe sich hier eine Verschiebung ergeben, die auch bei der zeitgemäßen Auslegung des Konkordats Berücksichtigung finden müsse. So sollen künftig Gemeindereferenten konkurrierend mit kirchlichen Ausbildungseinrichtungen auch im Rahmen eines Bachelor-Studiengangs an der Universität Freiburg ausgebildet werden. Dieser müsse ebenso Eingang in die Kapazitätsberechnungen finden wie die Leistungen der Fakultäten in künftigen Promotionsstudiengängen.

Für die Bemessung der Zahl der Professuren sei die kirchliche Rahmenordnung von 2003 einschlägig, die 15 Pflichtfächer, davon 14 theologische vorsehe. Dem entspreche nach Auffassung der katholischen Kirche eine Ausstattung der Fakultät mit 13 plus x Professuren, um spezifische Profilbildungen und Forschungsschwerpunkte zu ermöglichen.

Die Diözese Rottenburg-Stuttgart weist neben diesen Argumenten auf die Gefahr hin, dass bei Realisierung der Vorschläge des RH das bisher bestehende Gleichgewicht von Forschung und Lehre nicht mehr aufrechterhalten werden könne. Damit sei insbesondere die Bedeutung, die der theologischen Forschung im gesellschaftlichen Diskurs zukomme, gefährdet.

Die Evangelische Landeskirche in Württemberg vertritt die Auffassung, dass der Staat über seine Verpflichtung aus den Staatskirchenverträgen hinaus aus verfassungsrechtlichen Gründen (Kulturstaatsgebot und Bestandsgarantie der theologischen Fakultäten) verpflichtet sei, nicht nur die Ausbildung von Geistlichen und Religionslehrern, sondern auch die theologische Forschung in dem historisch gewachsenen Umfang und der besonderen Qualität zu gewährleisten. Dies habe der RH bei seinen Überlegungen verkannt.

Weiterhin macht die württembergische Landeskirche geltend, ihr Personalbedarf werde sich in den nächsten Jahren so entwickeln, dass bei einer weiteren Reduzierung der Ausbildungskapazitäten nicht mehr die notwendige Zahl von Geistlichen und Religionslehrern ausgebildet werden könnte.

Der Evangelische Oberkirchenrat der Landeskirche in Baden weist in seiner Stellungnahme insbesondere auf die Notwendigkeit hin, die Leistungen der Heidelberger Fakultät in der Ausbildung der Vikarinnen und Vikare zu erhalten, die für die Sicherung der Qualität der Vikarausbildung unabdingbar sei und zu der sich das Land auch in entsprechenden Vereinbarungen verpflichtet habe.

Weiterhin wird auf die besondere Bedeutung des Instituts für Diakoniewissenschaft und des von ihm betreuten Studiengangs hingewiesen. Wie die anderen Kirchen weist auch die Evangelische Landeskirche in Baden darauf hin, dass die im Pro-Memoria-Papier genannte Grundausstattung nicht mehr den aktuellen Anforderungen an das Profil einer theologischen Fakultät entspreche.

6 Schlussbemerkung

Der RH anerkennt die besondere Bedeutung, die den theologischen Fakultäten des Landes innerhalb und außerhalb der Universitäten zukommt. Er hat dieser Bedeutung bei seinen Vorschlägen auch Rechnung getragen. Dasselbe gilt für die Leistungen, welche die Fakultäten auf dem Gebiet der theologischen Forschung erbringen.

Gleichwohl stellt sich auch bei Einrichtungen mit dieser Bedeutung und diesem Qualitätsanspruch die Frage, ob ihre personelle und sächliche Ausstattung der Aufgabenstellung entspricht. Ein geeigneter Maßstab dafür ist die Kapazitätsberechnung nach Maßgabe der Kapazitätsverordnung, die ebenso selbstverständlich dann Anwendung finden würde, wenn die Kirchen beklagen würden, dass die zur Verfügung gestellten Kapazitäten nicht ausreichten, um den Nachwuchs an Geistlichen und Religionslehrern auszubilden.

Dabei ist der vom RH angelegte Maßstab von 75 % Auslastung maßvoll und erlaubt eine angemessene Reaktion auf vorübergehend steigende Studienanfängerzahlen.

An den beiden Tübinger Fakultäten und der Freiburger Fakultät liegt die Auslastung unstreitig auch im laufenden Studienjahr deutlich unter 75 %. Die Vorschläge des RH orientieren sich bei diesen drei Fakultäten - wie dargelegt - nicht an der Auslastung, sondern allein an der für eine theologische Fakultät erforderlichen Mindestausstattung. Dabei geht der RH weiterhin von dem Pro-Memoria-Papier der Kirchen aus dem Jahr 1995 aus. Die Zahl der Fächer, wie sie mittlerweile in den Prüfungsordnungen definiert wurde, lässt entgegen der Auffassung von Ministerium und Kirchen keinen Schluss auf die erforderliche Zahl von Professuren zu, vertritt doch auch in anderen akademischen Fächern ein Professor regelmäßig mehrere der in einer Prüfungsordnung geforderten Fächer.

Dass die im Pro-Memoria-Papier genannte Zahl der Professuren für ein sachgerechtes theologisches Studienangebot ausreicht, zeigt sich im Übrigen auch daran, dass mehrere kirchliche Hochschulen in Deutschland, deren Ausstattung allein von den Kirchen verantwortet wird, über nicht mehr als 10 Professuren verfügen.

Die vom RH vorgeschlagene künftige Ausstattung der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg orientiert sich - wie dargelegt - an einer Soll-Auslastung von mindestens 75 %. Sollte sich der zum Studienjahr 2004/2005 eingetretene Anstieg der Studienanfängerzahlen in Heidelberg auch in den nächsten Semestern fortsetzen, müsste hier eine Neuberechnung erfolgen. Dabei wird allerdings im Gegenzug zu berücksichtigen sein, dass der Export an das Predigerseminar in Wirklichkeit weniger als ein Professorendeputat umfasst und der Export an die Universität Mannheim in der Realität hinter dem vereinbarten Export zurückbleiben wird.

Politisch zu entscheiden ist die Frage, ob die im Rahmen von Promotionsstudiengängen benötigten Kapazitäten künftig auslastungserhöhend verrechnet werden dürfen (bisher gehören diese Aktivitäten zum Bereich der Forschung). Die Konsequenz - auch an allen anderen Fakultäten - wäre, dass die Angebote in Mangelfächern zulasten des grundständigen Lehrangebots gehen würden und in allen Fächern ein Mehrbedarf entstünde.

Weiterbildungsangebote werden an allen untersuchten Fakultäten weitgehend als Nebentätigkeit erbracht und können daher keine ausreichende Grundlage für die Bemessung der Ausstattung einer Fakultät sein. Wenn sie als Dienstaufgabe wahrgenommen werden, müssten kostendeckende Entgelte verlangt werden, aus denen dann der durch die Weiterbildungsaktivitäten verursachte Mehrbedarf zu decken ist.

Hinsichtlich der neuen Studiengänge (Gemeindereferenten usw.) weist der RH darauf hin, dass es prinzipiell legitim ist, staatliches Engagement im Bereich der Berufsbildung einzufordern, dass aber fiskalisch und bildungspolitisch kein Interesse daran bestehen kann, Ausbildungen, die bis heute an Fachhochschulen oder Fachschulen erfolgt sind, in die teuerste aller Bildungseinrichtungen, nämlich die Universitäten zu integrieren. Dies gilt nicht nur im theologischen Bereich.

Mit diesen Maßgaben bleibt der RH bei den von ihm erarbeiteten Vorschlägen.


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Anhänge

Bei der Anwendung des Nebentätigkeitsrechts durch Universitäten und Berufsakademien wurden wiederholt typische Fehler festgestellt. Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst sollte die Universitäten und Berufsakademien im Wege der Fachaufsicht dazu anhalten, die Bestimmungen des Nebentätigkeitsrechts genauer zu beachten und die Interessen und Ansprüche des Landes durchzusetzen, die sich aus den Nebentätigkeiten ergeben.


1 Vorbemerkung

Nebentätigkeiten gehören traditionell zum Berufsbild des Professors. Sie dienen der Publikation und Verwertung wissenschaftlicher Erkenntnisse, fördern den Technologietransfer und sorgen für den notwendigen Praxisbezug der Professoren. Sie tragen durch die Möglichkeit, ein zusätzliches Einkommen zu erzielen, zur finanziellen Attraktivität des Professorenberufs und damit zur Gewinnung qualifizierter Professoren bei.

Andererseits können durch die Nebentätigkeiten von Professoren öffentliche Interessen beeinträchtigt werden, insbesondere wenn

  • diese so umfangreich werden, dass die Wahrnehmung der Pflichten aus dem Hauptamt gefährdet wird,

 

  • zur Ausübung der Nebentätigkeit auf personelle und sächliche Ressourcen des Landes zurückgegriffen wird, ohne dass das Land dafür ein angemessenes Entgelt erhält, und

 

  • Nebentätigkeiten dazu missbraucht werden, sich auf Kosten des Landes finanzielle Vorteile zu verschaffen.

Außerdem drohen in bestimmten Fällen Interessenkollisionen zwischen den privaten Interessen des Professors und den berechtigten Interessen des Landes, denen zu dienen der Professor als Beamter des Landes verpflichtet ist.

Um zu einem vernünftigen Interessenausgleich zu kommen, sehen das Landesbeamtengesetz, die Landesnebentätigkeitsverordnung (LNTVO) und die Hochschulnebentätigkeitsverordnung (HNTVO) eine Reihe von formellen und materiellen Restriktionen vor, die bei der Anzeige, der Genehmigung und der Ausübung von Nebentätigkeiten zu beachten sind. Für Professoren im Angestelltenverhältnis finden die Bestimmungen entsprechend Anwendung.

Der RH hat in den letzten Jahren keine systematische Prüfung aller Nebentätigkeiten der Professoren durchgeführt, ist jedoch bei seinen sonstigen Prüfungen an den Hochschulen und den Berufsakademien auf einige typische Fehler gestoßen, die bei korrekter Anwendung des Nebentätigkeitsrechts vermeidbar gewesen wären und Schaden vom Land abgewendet hätten.

Diese Prüfungsfeststellungen geben Anlass zu folgenden Hinweisen.

2 Typische Fehler bei der Anwendung des Nebentätigkeitsrechts

2.1 Formelle Verstöße

Bei den Prüfungen des RH sind wiederholt Verstöße gegen das formelle Nebentätigkeitsrecht zutage getreten, die in aller Regel auch materielle Verstöße nach sich gezogen haben.

2.1.1 Aufnahme von Nebentätigkeiten ohne oder vor Erteilung der Genehmigung

Das Gesetz sieht vor, dass eine genehmigungspflichtige Nebentätigkeit erst dann begonnen werden darf, wenn die erforderliche Genehmigung erteilt ist. Sinn und Zweck dieser (formellen) Bestimmung ist, dass nur so die materiellen Anforderungen, die der Gesetzgeber für die Genehmigungsfähigkeit von Nebentätigkeiten vorgesehen hat, ausreichend geprüft und durchgesetzt werden können. Möglichen Interessenkollisionen soll auf diese Weise frühzeitig begegnet werden können.

Der RH hat bei zwei Universitäten und an einer Berufsakademie mehrere Fälle festgestellt, in denen Professoren Nebentätigkeiten aufgenommen haben, ohne zuvor die erforderliche Nebentätigkeitsgenehmigung beantragt und erhalten zu haben. In vier festgestellten Fällen hatten diese Nebentätigkeiten jeweils einen bedeutenden wirtschaftlichen Umfang und wären nach Auffassung des RH nicht genehmigungsfähig gewesen.

2.1.2 Nebentätigkeitsanträge mit ungenauen Angaben

Die gesetzlichen Bestimmungen sehen vor, dass der Beamte in seinem Nebentätigkeitsantrag substantiiert darlegen muss, wie die beabsichtigte Nebentätigkeit aussieht, welchen Umfang sie haben wird und welche Vergütung er dafür erwartet. Nur auf der Grundlage dieser Angaben kann die zuständige Stelle die Voraussetzungen für die Genehmigung einer Nebentätigkeit sachgerecht beurteilen.

In mehreren Fällen wurden an den Berufsakademien Anträge auf Genehmigung von Nebentätigkeiten festgestellt, in denen Art und Umfang der beabsichtigten Nebentätigkeit nur oberflächlich und wenig substantiiert beschrieben waren.

In all diesen Fällen haben die zuständigen Verwaltungen die Nebentätigkeiten genehmigt, obwohl sie anhand der vorgelegten Antragsunterlagen eigentlich nicht in der Lage waren, die Genehmigungsfähigkeit wirklich zu beurteilen.

2.1.3 Jährliche Anzeige der ausgeübten Nebentätigkeiten

Die LNTVO sieht vor, dass jeder Beamte, der eine Nebentätigkeit ausübt, dem Dienstvorgesetzten jährlich eine Erklärung über Art und Umfang der von ihm ausgeübten Nebentätigkeiten und der dabei erzielten Vergütungen abzugeben hat. Im Zuge der Gesetze zur Korruptionsbekämpfung wurde diese Vorschrift im Jahre 1998 deutlich verschärft, um dem Dienstvorgesetzten einen ständigen Überblick über die in der Behörde ausgeübten Nebentätigkeiten zu geben und - wo notwendig - eine Gegensteuerung zu ermöglichen.

Der RH hat festgestellt, dass an mehreren Berufsakademien und in zwei untersuchten Fällen auch an Universitäten diese Erklärungen gar nicht, inhaltlich unzutreffend oder unvollständig abgegeben wurden, ohne dass dies von der zuständigen Verwaltung beanstandet worden wäre. An einer Berufsakademie wurden die Erklärungen für die Vorjahre erst eingeholt, als der RH seine Prüfung ankündigte.

2.2 Rechtswidrige bzw. nicht genehmigungsfähige Nebentätigkeiten

In mehreren Fällen wurde festgestellt, dass die von Professoren wahrgenommenen Nebentätigkeiten nicht genehmigungsfähig waren und gleichwohl genehmigt oder ohne Genehmigung ausgeübt wurden.

2.2.1 Zu umfangreiche Nebentätigkeiten

Nach den maßgeblichen Bestimmungen darf auch bei Professoren der zeitliche Umfang einer Nebentätigkeit im Durchschnitt einen Arbeitstag je Woche nicht übersteigen.

In mehreren vom RH festgestellten Fällen wurde gegen diese Bestimmung deutlich verstoßen. Teilweise ergab sich dies unmittelbar aus Dokumenten, die der Professor selbst erstellt hatte, teilweise ließen die Entgelte der Professoren für ihre Nebentätigkeiten den sicheren Rückschluss zu, dass die zeitliche Grenze eines Arbeitstages je Woche deutlich überschritten wurde. In einem dieser Fälle kam hinzu, dass der Professor zugleich seine Pflichten im Hauptamt nur unzureichend erfüllte.

2.2.2 Freiberufliche Tätigkeit

Obwohl die HNTVO vorsieht, dass freiberufliche Tätigkeiten (als Rechtsanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer usw.) bei Professoren in der Regel nicht genehmigt werden dürfen, hat eine Universität einem ihrer Professoren eine (umfangreiche) Tätigkeit als Steuerberater genehmigt.

2.2.3 Umwidmung von Dienstaufgaben in vergütete Nebentätigkeiten

Ein offenkundiger Fall des Missbrauchs des Nebentätigkeitsrechts liegt dann vor, wenn Dienstaufgaben, die von den Professoren hauptamtlich wahrzunehmen sind, durch mehr oder weniger aufwendige Konstruktionen in Nebentätigkeiten umdefiniert werden, für die dann (aus öffentlichen Mitteln) eine zusätzliche Vergütung gewährt wird.

So wurde an zwei Berufsakademien festgestellt, dass Aufgaben der Berufsakademien, die die Professoren und die Mitarbeiter der Akademie eigentlich im Rahmen des Hauptamtes zu erfüllen hatten, an Steinbeis-Zentren vergeben wurden, die von Professoren in Nebentätigkeit betrieben wurden. Auf diese Weise konnte für die Wahrnehmung dieser Aufgaben eine zusätzliche Vergütung erzielt werden, die bei ordnungsgemäßer Erledigung in den Haushalt der Berufsakademie geflossen wäre.

In einem anderen Fall, der einen Universitätsprofessor betrifft, wurden Aufgaben von einer von ihm geleiteten öffentlich-rechtlichen Forschungseinrichtung auf eine ausgegründete GmbH übertragen, deren Geschäftsführung dann wiederum von diesem Professor gegen ein erhebliches zusätzliches Gehalt wahrgenommen wurde.

2.3 Fehler bei der Wahrnehmung der Interessen des Landes

2.3.1 Deputatsermäßigungen wegen vergüteter Nebentätigkeiten

In einem vom RH geprüften Fall hat das Ministerium einem Professor für die Wahrnehmung einer aus öffentlichen Mitteln vergüteten Nebentätigkeit zusätzlich eine Deputatsermäßigung gewährt. Dies führte im Ergebnis dazu, dass die Nebentätigkeit doppelt entgolten wurde.

2.3.2 Ansprüche des Landes wegen Ressourcennutzung nicht durchgesetzt

Die LNTVO, die HNTVO und der Rahmenvertrag zwischen dem Land und der Steinbeis-Stiftung sehen vor, dass für die Inanspruchnahme von Ressourcen des Landes im Rahmen von Nebentätigkeiten ein angemessenes Entgelt an das Land zu bezahlen ist.

Die Prüfung der Steinbeis-Zentren an den Berufsakademien hat ergeben, dass bei elf Steinbeis-Zentren die in Anspruch genommenen Ressourcen des Landes nicht oder nicht angemessen abgegolten wurden. Der RH hat die Berufsakademien aufgefordert, in diesen Fällen Nachforderungen gegenüber den Steinbeis-Zentren geltend zu machen.

In einem Fall an einer Universität wurde festgestellt, dass ein Professor personelle und sächliche Ressourcen der Universität für Zwecke eines von ihm in Nebentätigkeit betreuten Unternehmens eingesetzt hat. Auf Initiative des RH wurde hierfür mittlerweile ein angemessenes Entgelt nachentrichtet.

2.3.3 Unangemessene Vergütungen für die Nutzung privater Ressourcen

Der Vertrag des Landes mit der Steinbeis-Stiftung sieht vor, dass das Land unter bestimmten Voraussetzungen Vergütungen leisten muss, wenn es Ressourcen der Steinbeis-Zentren in Anspruch nimmt.

In einigen der vom RH untersuchten Fälle hat sich ergeben, dass die dabei vom Land gewährten Vergütungen unangemessen hoch oder unter Verstoß gegen die vertraglichen Bestimmungen festgesetzt wurden. Dem Land ist dadurch ein vermeidbarer finanzieller Schaden entstanden.

Besonders bemerkenswert war ein vom RH festgestellter Fall, in dem das Land für die Nutzung mehrerer Maschinen eine Vergütung leistete, die das Steinbeis-Zentrum zuvor mithilfe eines hundertprozentigen Landeszuschusses beschafft hatte.

2.3.4 Ablieferungspflichten nicht beachtet

Die gesetzlichen Bestimmungen sehen vor, dass Vergütungen aus Nebentätigkeiten im öffentlichen Dienst ab einer bestimmten Grenze an den Dienstherrn abgeliefert werden müssen. Die für die Genehmigung der Nebentätigkeiten zuständige Stelle ist in der Regel auch für die Durchsetzung dieser Ablieferungspflichten zuständig.

In einem vom RH untersuchten Fall an einer Universität hat der betreffende Professor aus einer (überdies nicht genehmigten) Nebentätigkeit innerhalb von drei Jahren Vergütungen in Höhe von mehr als 200.000 € erzielt, ohne diese Einnahmen anzuzeigen und wie vorgeschrieben abzuliefern. Das MWK hat nach Intervention des RH die Ansprüche des Landes gegen den als Angestellten beschäftigten Professor geltend gemacht; mittlerweile ist ein Rechtsstreit anhängig.

2.4 Interessenkollisionen bei Verbundprojekten

Die EU und der Bund fördern den Technologietransfer im Rahmen von Verbundprojekten, an denen eine Hochschule einerseits und ein privates Unternehmen andererseits beteiligt sind.

In einem vom RH geprüften Fall ergibt sich bei einem solchen Verbundprojekt eine Interessenkollision daraus, dass der Professor, der hauptamtlich für die Universität in dem Verbundprojekt tätig ist, zugleich als Gesellschafter an dem Unternehmen beteiligt ist, mit dem die Universität im Rahmen des Verbundprojektes kooperiert. Es ist aufgrund dieser Konstellation nahezu unmöglich, Interessenkollisionen zwischen Universität und Unternehmen zu vermeiden, außerdem ist der unangemessene Einsatz öffentlicher Ressourcen für das Unternehmen in dieser Konstellation praktisch nicht auszuschließen.

Aufgrund der Prüfungsmitteilung des RH hat das MWK im Januar 2005 die Hochschulen des Landes darauf hingewiesen, dass bei der Durchführung von Verbundprojekten

  • ein Professor, der an dem kooperierenden Unternehmen finanziell beteiligt ist, am Abschluss des Vertrages zwischen Hochschulen und Unternehmen nicht mitwirken darf,

 

  • die Kooperationsvereinbarung eine präzise Festlegung der beiderseitigen Aufgaben und Pflichten enthalten muss und

 

  • der Professor bei dem Verbundprojekt nicht gleichzeitig im Hauptamt und in Nebentätigkeit bei dem beauftragten Unternehmen tätig werden darf.

Dem weitergehenden Vorschlag des RH, einen Professor zur Vermeidung von Interessenkollisionen von jeder (hauptamtlichen) Mitwirkung an einem Verbundprojekt auszuschließen, wenn er an dem kooperierenden Unternehmen finanziell beteiligt ist, ist das MWK nicht gefolgt.

3 Empfehlungen

Der RH erwartet, dass den in den Einzelfällen festgestellten Verstößen gegen das Nebentätigkeitsrecht abgeholfen wird.

Vor dem Hintergrund der Prüfungsfeststellungen empfiehlt der RH dem MWK darüber hinaus, die Hochschulen und Berufsakademien im Wege der Fachaufsicht anzuhalten, auch bei der Genehmigung von Nebentätigkeiten der Professoren die gesetzlichen Bestimmungen des Nebentätigkeitsrechts vollständig und genau anzuwenden, insbesondere Nebentätigkeiten nur in dem vom Gesetz zugelassenen Umfang zu genehmigen.

Weiterhin sollten die Hochschulen und die Berufsakademien dazu angehalten werden, die Ansprüche des Landes, die sich aus Nebentätigkeiten der Professoren ergeben, zeitnah und effektiv geltend zu machen und durchzusetzen. Für vergütete Nebentätigkeiten sollte keine Deputatsermäßigung gewährt werden.

Der Rahmenvertrag mit der Steinbeis-Stiftung sollte im Einvernehmen mit der Steinbeis-Stiftung dahingehend ergänzt werden, dass das Land die Nutzung von Maschinen und anderen Sachen der Steinbeis-Zentren dann nicht zu vergüten hat, wenn diese Gegenstände ganz oder überwiegend aus Mitteln des Landes beschafft worden sind.

Schließlich sollte das MWK im Aufsichtswege dafür sorgen, dass auch bei der Durchführung von Verbundprojekten mit Unternehmen, an denen Professoren finanziell beteiligt sind, Interessenkollisionen vermieden werden.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das MWK stimmt mit dem RH überein, dass alle Einrichtungen im Geschäftsbereich des MWK im Rahmen ihrer Zuständigkeit und der damit verbundenen Eigenverantwortung verpflichtet sind, die gesetzlichen Bestimmungen des Nebentätigkeitsrechts vollständig und genau anzuwenden und etwaige Ansprüche des Landes zeitnah und effektiv geltend zu machen und durchzusetzen. Für den Bereich der Berufsakademien hat das MWK eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu gewährleisten.

Das MWK strebt eine Ergänzung des Rahmenvertrages mit der Steinbeis-Stiftung an, durch die die vom RH festgestellten Probleme bei der Vergütung der Nutzung von Ressourcen des Landes einerseits und privater Ressourcen andererseits interessengerecht gelöst werden können.

Bei der Beurteilung der vom RH beanstandeten Einzelfälle haben sich einige wenige Differenzen zwischen den Rechtsauffassungen des MWK und des RH ergeben. So hält das MWK etwa den Schluss von einer sehr hohen Nebentätigkeitsvergütung auf eine übermäßige zeitliche Inanspruchnahme für nicht zwingend und meint, eine freiberufliche Nebentätigkeit eines Professors als Steuerberater sei trotz des strengen Maßstabs der HNTVO im Ausnahmefall genehmigungsfähig. Die in einem anderen Fall vom RH beanstandete Deputatsermäßigung sei Ende 2003 ausgelaufen und nicht verlängert worden.

In einem der geprüften Fälle, in dem es um die Ablieferung von Nebentätigkeitsvergütungen in Höhe von mehr als 200.000 € geht, verweist das MWK auf den laufenden Rechtsstreit, dessen Ausgang abzuwarten sei.

Das MWK teilt die Auffassung des RH, dass auch bei Verbundprojekten Interessenkollisionen möglichst vermieden werden sollen. Es habe deshalb die Hochschulen des Landes entsprechend den Vorschlägen des RH auf die Beachtung der bestehenden Mitwirkungsverbote und auf eine sorgfältige Festlegung der Pflichten und Aufgaben der Beteiligten hingewiesen. Dem weitergehenden Vorschlag eines Verbots jeder hauptamtlichen Mitwirkung an Verbundprojekten mit Unternehmen, an denen der Professor beteiligt ist, sei das MWK nicht gefolgt, um diese Drittmittelprojekte als Projekte der Hochschule zu erhalten und ein Ausweichen in Nebentätigkeiten zu vermeiden.

5 Schlussbemerkung

Der RH wird die Handhabung des Nebentätigkeitsrechts an den Hochschulen und den Berufsakademien auch in Zukunft prüfen und dabei auf die Wahrung der Interessen des Landes hinwirken. Auch wenn die Anwendung des Nebentätigkeitsrechts inzwischen weitgehend an die Hochschulen und Berufsakademien delegiert ist, bleibt das Ministerium als Fachaufsichtsbehörde in Personalangelegenheiten in der Verantwortung für eine sachgerechte Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen. Ein Anlass, die Vorschriften oder die Praxis des Nebentätigkeitsrechts zu liberalisieren, besteht nach Auffassung des RH nicht.

Hinsichtlich der Beurteilung der im Beitrag genannten Einzelfälle bleibt der RH bei seiner im Prüfungsverfahren vertretenen Auffassung.


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Anhänge

Bei der Anwendung der Lehrverpflichtungsverordnung an den Universitäten des Landes wurden zahlreiche systematische Fehler festgestellt. Dadurch werden die personellen Ressourcen der Universitäten nicht wie vorgesehen für Lehraufgaben genutzt. Der Rechnungshof fordert die konsequente Anwendung und Durchsetzung der Lehrverpflichtungsverordnung, die im Ergebnis auch Stelleneinsparungen ermöglichen. Das Ministerium darf sich seiner Verantwortung für die Einhaltung der Lehrverpflichtungsverordnung nicht unter Hinweis auf die Autonomie der Hochschulen entziehen.


1 Vorbemerkung

Die wichtigste Dienstpflicht des hauptamtlichen wissenschaftlichen Personals an den Universitäten neben der Forschung ist die Verpflichtung, Lehrveranstaltungen abzuhalten. Der Umfang dieser Lehrverpflichtungen ist in der Verordnung der Landesregierung über die Lehrverpflichtungen an Universitäten, Pädagogischen Hochschulen und Fachhochschulen vom 11.12.1995 (LVVO), zuletzt geändert durch das 2. Gesetz zur Änderung des Hochschulrechts vom 01.01.2005, geregelt.

Seit dem Wintersemester 2003/2004 beträgt die (Regel-)Lehrverpflichtung für

Universitätsprofessoren 9 Semesterwochenstunden (SWS),
wissenschaftliche Assistenten 4 SWS,
beamtete wissenschaftliche Mitarbeiter 9 SWS und
Lehrkräfte für besondere Aufgaben 16 - 18 SWS.

Bei wissenschaftlichen Mitarbeitern im Angestelltenverhältnis ergibt sich die Lehrverpflichtung aus dem Arbeitsvertrag. Die LVVO verpflichtet die Universitäten, diese vertragliche Verpflichtung bei unbefristet beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeitern ebenfalls auf 9 SWS, bei befristet beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeitern in der Regel auf 4 SWS festzusetzen.

Die LVVO regelt weiterhin, wie die einzelnen Typen von Lehrveranstaltungen auf diese Lehrverpflichtung anzurechnen sind und welche Ermäßigungen und Freistellungen von der Lehrverpflichtung in Betracht kommen.

Die Überwachung der Einhaltung der LVVO obliegt den Dekanen, dem Vorstand der Universität und im Rahmen der Fachaufsicht dem MWK.

Ende 1996 forderte das Ministerium die Universitäten auf, die nach der LVVO möglichen Deputate nach Möglichkeit voll auszuschöpfen.

Der RH hat im Rahmen einer großen Querschnittsprüfung die Erfüllung der Lehrverpflichtung an 12 ausgewählten Fakultäten untersucht: Einbezogen waren

  • die für die neuphilologischen Fächer zuständigen Fakultäten der Universitäten Freiburg, Heidelberg, Konstanz, Mannheim, Stuttgart und Tübingen,

 

  • die Fakultäten für Biologie an den Universitäten Freiburg, Hohenheim und Tübingen und

 

  • die Fakultäten für Elektrotechnik an den Universitäten Karlsruhe, Stuttgart und Ulm.

Schwerpunkt der Prüfung war die Erfüllung der Lehrverpflichtung im Sommersemester 1999 und im Wintersemester 1999/2000, Maßstab der Prüfung war die LVVO in der damals geltenden Fassung. Die getroffenen Feststellungen werden durch die seither erfolgten Änderungen der LVVO nicht berührt.

2 Gesamtergebnis der Prüfung

2.1 Erfüllung der Lehrverpflichtung der Professoren

In die Prüfung einbezogen waren im Bereich der Sprachwissenschaften 148 Professoren. 114 dieser Professoren (77 %) haben ihre Lehrverpflichtung voll erfüllt oder sogar übererfüllt. Bei 34 Professoren wurde festgestellt, dass sie die Lehrverpflichtung nicht voll erfüllt haben. An den 6 Fakultäten ergab sich dadurch in den beiden geprüften Semestern ein Defizit von 87 SWS.

Im Bereich der Fakultäten für Biologie waren die Veranstaltungen so unübersichtlich dokumentiert, dass trotz eingehender Prüfung keine definitive Feststellung möglich ist, wie viele der an diesen Fakultäten tätigen Professoren ihre Lehrverpflichtung erfüllt haben.

An den Fakultäten für Elektrotechnik ergaben sich unterschiedliche Erkenntnisse an den einzelnen Standorten: Während an einer Fakultät die Erfüllung der LVVO nicht mehr im Einzelnen nachvollzogen werden konnte, ergaben Nacherhebungen an den beiden anderen Fakultäten, dass von 30 in die Prüfung einbezogenen Professoren nur 11 (also 37 %) ihre Lehrverpflichtung voll erfüllt haben. Der Umfang der Nichterfüllung betrug an den beiden Fakultäten in zwei Semestern insgesamt 73 SWS.

Die bei der Prüfung festgestellten Fälle von Nichterfüllung der Lehrverpflichtung beruhen hauptsächlich nicht auf einer gezielten Minderleistung der Professoren, ursächlich sind vielmehr typische, meist systematische Fehler bei der Anwendung der Regeln der LVVO.

2.2 Erfüllung der Lehrverpflichtung des akademischen Mittelbaus

An den sprachwissenschaftlichen Fakultäten haben von 444 Angehörigen des akademischen Mittelbaus nur 229 (52 %) ihre Lehrverpflichtung erfüllt. Insgesamt ergab sich an den sechs Fakultäten in zwei Semestern ein Defizit von 2.096 SWS.

An den Fakultäten für Biologie war aufgrund der unzureichenden Dokumentation der Veranstaltungen lediglich eine Stichprobe möglich. Von 29 überprüften Angehörigen des akademischen Mittelbaus haben 19 ihre Lehrverpflichtung nicht ordnungsgemäß erfüllt. Dadurch ergab sich in zwei Semestern ein Defizit von 51 SWS.

Von den 148 Angehörigen des akademischen Mittelbaus an zwei Fakultäten für Elektrotechnik haben nach den Feststellungen des RH nur 9 (6 %) das nach der LVVO vorgesehene Deputat erfüllt. Der Umfang des Defizits belief sich in 2 Semestern auf 548 SWS.

Auch hier waren es eher systematische Fehler bei der Umsetzung und Anwendung der LVVO als gezielte Minderleistungen, die zu dieser hohen Nichterfüllungsquote beigetragen haben.

3 Wesentliche Fehler bei der Anwendung der Lehrverpflichtungsverordnung

3.1 Unzureichende Festsetzung der Deputate des akademischen Mittelbaus

Der grundlegende Mangel, den die Prüfung bei der Anwendung der LVVO auf die Angehörigen des akademischen Mittelbaus im Angestelltenverhältnis ergeben hat, ist, dass die Vorgaben der LVVO zur Festsetzung des Deputats von den Universitäten und Fakultäten arbeitsrechtlich nur unzureichend umgesetzt wurden.

So fehlt in zahlreichen Arbeitsverträgen die juristisch verbindliche Festsetzung des in der LVVO vorgesehenen Deputats. Die als Grundlage des Arbeitsverhältnisses vorgeschriebene und erforderliche Dienstaufgabenbeschreibung ist in einer Vielzahl der untersuchten Fälle gar nicht oder unvollständig erstellt worden. Sie eignet sich deshalb ebenfalls nicht als Grundlage für die Fixierung und Durchsetzung der Lehrverpflichtung. Besonders unklar waren die Dienstaufgabenbeschreibungen/Deputatsfestsetzungen an den Fakultäten für Elektrotechnik.

In den Fällen, in denen die Arbeitsverträge oder Dienstaufgabenbeschreibungen Deputate definiert hatten, lagen diese Deputate häufig unterhalb der nach der LVVO möglichen Zahl von SWS. An zwei der drei Fakultäten für Biologie orientierten sich die Vereinbarungen statt an den Regeln der LVVO an der überkommenen Veranstaltungsstruktur der Fakultät.

Auf diese Weise gehen den Universitäten in großem Umfang Ressourcen verloren, die für Lehrveranstaltungen genutzt werden könnten.

3.2 Ermäßigungen für Verwaltungs- und Betreuungsaufgaben

In zahlreichen Fällen wurden Mitarbeitern Ermäßigungen ihrer Lehrverpflichtung gewährt, weil sie besondere Aufgaben in der Verwaltung, bei der Betreuung von Studenten oder bei der Betreuung von technischen Geräten wahrzunehmen hatten. Nach Auffassung des RH sollte von diesen Ermäßigungsmöglichkeiten zurückhaltend Gebrauch gemacht werden, da bei der Bemessung der Regeldeputate ausreichend berücksichtigt ist, dass die Angehörigen des Mittelbaus neben ihren Lehraufgaben auch Dienstleistungen zu erbringen haben.

In keinem dieser Fälle wurden verallgemeinerungsfähige Maßstäbe für diese Art von Deputatsermäßigung vorgefunden; eine Übersicht über die erteilten Ermäßigungen und ihre Gründe wurde in der Regel nicht erstellt.

3.3 Fehler bei der Erfüllung der Lehrverpflichtung

3.3.1 Nicht anrechnungsfähige Veranstaltungen/Leistungen

In mehreren Fällen wurden Veranstaltungen auf die Lehrverpflichtung angerechnet, die nach der 1999/2000 geltenden LVVO nicht anrechnungsfähig waren. Dazu gehören insbesondere Veranstaltungen, die dem Bereich der Forschung zuzurechnen sind, wie z. B. Doktorandenseminare oder Veranstaltungen für die Mitarbeiter des jeweiligen Lehrstuhls. Auch Prüfungen oder Tätigkeiten, die der Vor- und Nachbereitung von Lehrveranstaltungen dienen, dürfen nicht auf die Lehrverpflichtung angerechnet werden.

Weiterhin wurden in Einzelfällen Leistungen angerechnet, die nicht zu den Lehrveranstaltungen zählen, wie z. B. Sprechstunden, Veranstaltungen zur Betreuung von Abschlussarbeiten oder Leistungen im Rahmen der Studienberatung.

3.3.2 Anrechnung von Dienstleistungen auf die Lehrverpflichtung

An den Fakultäten für Elektrotechnik wurde als systematischer Fehler festgestellt, dass Dienstleistungen, die die Mitarbeiter des Professors in dessen Vorlesungen erbrachten, auf deren Lehrverpflichtung angerechnet wurden, obwohl es sich eben nicht um eigene Lehrveranstaltungen der Mitarbeiter handelte.

3.3.3 Anrechnung des sprachpraktischen Unterrichts

Sprachpraktischer Unterricht ist nach den insoweit eindeutigen Regeln der LVVO nur zur Hälfte auf die Lehrverpflichtung anzurechnen. Gegen diese Regeln wird an allen sprachwissenschaftlichen Fakultäten systematisch verstoßen, indem sprachpraktische Veranstaltungen voll auf die Lehrverpflichtung angerechnet werden. Dieser Mangel ist auch schon bei früheren Untersuchungen des Ressourceneinsatzes an den Universitäten zutage getreten und den Universitäten deshalb bestens bekannt.

Vor diesem Hintergrund mutet es befremdlich an, dass diese rechtswidrige Praxis nach wie vor in breitem Umfang fortgesetzt wird.

Bei korrekter Anwendung der Anrechnungsregeln auf sprachpraktische Veranstaltungen könnten landesweit insgesamt 48 Stellen für Lehrkräfte für besondere Aufgaben eingespart werden. Dies entspricht einem Einsparpotenzial von 3,5 Mio. € jährlich, das den Universitäten zugute käme.

3.3.4 Anrechnung von Praktika, Exkursionen und anderen besonderen Veranstaltungen

Häufig fehlerhaft war bei den Fakultäten für Biologie und für Elektrotechnik die Anrechnung von Praktika, Exkursionen und anderen besonderen Lehrveranstaltungen, für die die LVVO ausdrücklich nur eine begrenzte Anrechnung vorsieht.

Diese Regeln waren den Lehrenden häufig gar nicht bekannt, die Anrechnung erfolgte oft willkürlich unter Anlegung eigener subjektiver Maßstäbe.

3.3.5 Anrechnung von ganztägigen Veranstaltungen und Blockveranstaltungen

Die LVVO gibt den Lehrenden auch die Möglichkeit, Veranstaltungen statt im wöchentlichen Rhythmus z. B. im zweiwöchentlichen Abstand oder als Block anzubieten. In diesen Fällen muss eine Umrechnung in SWS erfolgen, die in zahlreichen untersuchten Fällen zu großzügig erfolgt ist. Ähnliche Probleme ergaben sich bei der Umrechnung ganztägiger Veranstaltungen.

3.3.6 Anrechnung von Veranstaltungen mehrerer Lehrpersonen

Für Lehrveranstaltungen, an denen mehrere Lehrende beteiligt sind, sieht die LVVO vor, dass nur eine anteilige Anrechnung auf die Lehrverpflichtung der einzelnen Lehrpersonen erfolgen darf.

Diese Regelung wurde an den Fakultäten für Biologie und für Elektrotechnik in vielen Fällen ignoriert; die Veranstaltungen wurden allen Beteiligten in vollem Umfang gut geschrieben.

3.3.7 Delegation von Lehrveranstaltungen auf Mitarbeiter

In mehreren Fällen beruht die Nichterfüllung des Deputats darauf, dass die Professoren ihre Lehrveranstaltungen nicht selbst durchgeführt, sondern Mitarbeiter beauftragt haben, die Lehrveranstaltungen in ihrem Namen abzuhalten. Damit mag die Lehrverpflichtung der Mitarbeiter erfüllt sein, eine Anrechnung auf die Lehrverpflichtung des Professors ist nach der LVVO eindeutig nicht möglich.

3.3.8 Anrechnung ausgefallener Veranstaltungen

In einzelnen Fällen wurden Lehrveranstaltungen auf die Lehrverpflichtung angerechnet, die mangels ausreichender Teilnehmerzahlen gar nicht zustande kamen. Eine Erfüllung der Lehrverpflichtung tritt jedoch nicht schon durch das Anbieten einer Veranstaltung ein, sondern setzt voraus, dass die angebotene Veranstaltung auch stattfindet.

Wenn die ausgefallene Veranstaltung in einem Semester nicht ersetzt oder nachgeholt werden kann, muss die Deputatsuntererfüllung durch Mehrleistungen in den folgenden Semestern ausgeglichen werden.

4 Unzureichende Dokumentation und Überwachung der Lehrverpflichtung

In allen geprüften Fakultäten haben die Verantwortlichen versucht, die Erfüllung der Lehrverpflichtung zu erfassen. Gleichwohl ergab die Prüfung des RH ein chaotisches Bild der Dokumentation und Überwachung der Erfüllung der Lehrverpflichtung. Die Vorgaben des MWK, wie die Einhaltung der Lehrverpflichtung zu gewährleisten ist, wurden nicht beachtet. Keine der untersuchten Fakultäten praktizierte das dort vorgesehene Verfahren vollständig, besonders unbefriedigend war die Praxis der Fakultäten für Biologie und für Elektrotechnik.

Soweit Erfassungsbögen über die individuell erbrachten Lehrleistungen erstellt wurden, waren die darin enthaltenen Angaben in vielen Fällen falsch oder so ungenau, dass sie nicht nachvollzogen werden konnten.

Da die Überwachung der Lehrverpflichtung an den Fakultäten zu den Kernaufgaben der Fakultätsvorstände gehört, muss die Verwaltungspraxis in Zukunft mit mehr Sorgfalt gestaltet werden. Einige Vereinfachungen gegenüber dem in der Vergangenheit vorgesehenen, aber weitgehend nicht praktizierten Verfahren sind auch aus der Sicht des RH vertretbar.

Eine Unterstützung der Dekane durch entsprechende Handreichungen oder Verwaltungsvorschriften der Universität oder des MWK würde die Erfüllung dieser Aufgaben erleichtern und wäre angesichts der auch nach dem Gesetz über die Hochschulen und Berufsakademien in Baden-Württemberg (Landeshochschulgesetz) vorgesehenen Fachaufsicht des Ministeriums kein unzulässiger Eingriff in die Autonomie der Hochschulen.

5 Empfehlungen des Rechnungshofs

5.1 Konsequente Anwendung der Lehrverpflichtungsverordnung und Durchsetzung der Lehrverpflichtung

Die in der LVVO aufgestellten Regeln über den Umfang und die Erfüllung der Lehrverpflichtung dienen einem verantwortlichen Umgang mit den vom Steuerzahler finanzierten personellen Ressourcen der Universität. Sie sichern zugleich ein Leistungsangebot, das nicht nur qualitativ hervorragend sein soll, sondern auch quantitativ dem hohen Anspruch der baden-württembergischen Universitäten gerecht wird. Die vollständige Ausschöpfung der personellen Ressourcen würde den Fakultäten auch die Verkleinerung der Gruppengrößen ermöglichen und damit zur Qualität der Lehre beitragen.

Der RH schlägt deshalb vor, die Regeln der LVVO künftig konsequent anzuwenden und - wo notwendig - auch durchzusetzen. Dies setzt eine laufende Überwachung der Erfüllung der Lehrverpflichtung durch die Fakultäts- und Universitätsvorstände voraus; der RH hält auch stichprobenartige Kontrollen für möglich und zielführend.

5.2 Beendigung der rechtswidrigen Anrechnungspraxis bei besonderen Lehrveranstaltungen

Die vom RH festgestellten systematischen Fehler bei der Anrechnung besonderer Lehrveranstaltungen auf die Lehrverpflichtung der Professoren und des Mittelbaus sind zu unterbinden. Dies gilt für die Anrechnung von Exkursionen, Praktika, sprachpraktischen Lehrveranstaltungen und Veranstaltungen, an denen mehrere Lehrpersonen beteiligt sind, sowie für ganztägige Veranstaltungen und Blockveranstaltungen.

Voraussetzung für eine rechtmäßige Praxis und einen verantwortlichen Umgang mit den personellen Ressourcen ist eine verständliche Information und der Einsatz von möglichst einfach zu handhabenden Berechnungshilfen. Hier stehen die Fakultäts- und Universitätsvorstände ebenso in der Verantwortung wie das Ministerium als Fachaufsichtsbehörde. Der RH hat den Entwurf einer Berechnungshilfe vorgelegt.

5.3 Umsetzung der Lehrverpflichtungsverordnung bei Mitarbeitern des akademischen Mittelbaus in Arbeitsverträgen und Dienstaufgabenbeschreibungen

Die Universitäten sind verpflichtet, für die Mitarbeiter des Mittelbaus Dienstaufgabenbeschreibungen zu erstellen, die klare Deputate enthalten. Diese Verpflichtung muss nun endlich flächendeckend erfüllt werden, das Ministerium muss hierauf ggf. im Wege der Fachaufsicht hinwirken.

Bei der Festsetzung der Deputate sollten sich die Universitäten bei ihren angestellten Mitarbeitern an den in der LVVO vorgesehenen Obergrenzen orientieren; Deputatsermäßigungen für Mitarbeiter im Hinblick auf Sonderaufgaben sollten nur ausnahmsweise in Betracht gezogen werden. Ein Ausgleich zwischen den Mitarbeitern, um einzelne für Sonderaufgaben freizustellen, ist nach der LVVO möglich und wird vom RH auch nicht beanstandet. Die im Einzelfall gewährten Deputatsermäßigungen sind an möglichst objektiven Kriterien zu orientieren und zentral zu dokumentieren.

6 Stellungnahme des Ministeriums

Das Ministerium weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass die Verantwortung für die Überwachung der Erfüllung der Lehrverpflichtung und deren Dokumentation nach dem neuen Landeshochschulgesetz in erster Linie bei den Leitungsorganen der Universitäten liege, deren Handlungsfähigkeit durch das neue Gesetz gestärkt worden sei. Es werde deshalb die Rektoren der Universitäten bitten, die Erfüllung der Lehrverpflichtung stärker zu überwachen und auch dafür Sorge zu tragen, dass die Erfüllung der Lehre hinreichend dokumentiert wird. Das Ministerium werde sich dabei seiner Aufsichtspflicht und seiner politischen Verantwortung nicht entziehen.

Die Kritik an der zu extensiven Gewährung von Ermäßigungen der Lehrverpflichtungen wegen der Wahrnehmung von Verwaltungs- und Betreuungsaufgaben weist das MWK zurück. Es hält die vom RH gerügte Praxis durch die Bestimmungen der LVVO für gedeckt.

Das Ministerium schließt sich der Kritik des RH an der Praxis der Anrechnung von Lehrveranstaltungen hinsichtlich der Mehrzahl der gerügten Fehler an. Nicht einverstanden ist das MWK allerdings mit der Auffassung des RH, dass Doktorandenseminare und Graduiertenkollegs nicht auf die Lehrverpflichtung angerechnet werden dürften.

Weiterhin kündigt das Ministerium folgende Reaktionen auf die Feststellungen des RH an:

  • Es werde den so genannten Transparenzerlass von 1994 entsprechend dem Vorschlag des RH vereinfachen und damit die Dokumentation der Erfüllung der Lehrverpflichtung erleichtern.

 

  • Es werde die Universitäten darauf hinweisen, dass in den Arbeitsverträgen mit den wissenschaftlichen Mitarbeitern der Umfang des Lehrdeputats festzulegen ist. Die Arbeitsverträge sollen in einem Turnus von drei bis fünf Jahren erneut überprüft werden.

 

  • Hinsichtlich der Anrechnung von ganztägigen Veranstaltungen und Blockveranstaltungen werde es den Universitäten die vom RH erstellte Berechnungshilfe zur Verfügung stellen.

Das Ministerium erwäge, bei der Novellierung der LVVO die Lehrverpflichtung bei sprachpraktischen Übungen auf das vom RH vorgeschlagene Maß festzusetzen, allerdings für besonders anspruchsvolle Veranstaltungen eine Ermäßigung vorzusehen.

7 Schlussbemerkung

Das MWK bekennt sich nunmehr zu seiner rechtlichen und politischen Verantwortung als Aufsichtsbehörde hinsichtlich der Einhaltung und Überwachung der Lehrverpflichtung an den Universitäten. Unbestritten ist, dass die primäre Verantwortung bei den Professoren und Mitarbeitern selbst und bei den Organen der Hochschule liegt, dies schließt jedoch ein Tätigwerden des MWK als Aufsichtsbehörde nicht aus. Das MWK hat in der Vergangenheit mehrfach versucht, durch Hinweise und Aufforderungen an die Universitäten auf die Einhaltung und Überwachung der Lehrverpflichtung hinzuwirken; die vom RH vorgefundene Praxis zeigt, dass Hinweise und Aufforderungen allein nicht ausreichen. Um seiner Verantwortung gerecht zu werden, muss das MWK erforderlichenfalls auch Aufsichtsmaßnahmen ergreifen.

Soweit bei der Prüfung des RH systematische Fehler bei der Anwendung der LVVO festgestellt worden sind, hält der RH eine Reaktion des Ministeriums für erforderlich und begrüßt die vom Ministerium angekündigten Aktivitäten, die sich weitgehend an den Vorschlägen des RH orientieren.

Der finanziell folgenschwerste Fehler, den der RH bei seiner Prüfung festgestellt hat, ist die unzureichende Anwendung der vorhandenen Regeln hinsichtlich der sprachpraktischen Übungen. Diese Praxis verursacht jährlich vermeidbare Personalkosten in Höhe von 3,5 Mio. €. Sollte das MWK statt der konsequenten Anwendung des geltenden Rechts eine Neuregelung für erforderlich halten, muss eine eindeutige und überprüfbare Regelung erfolgen, sodass die vorhandenen Ressourcen besser genutzt und jährlich Personalkosten in Millionenhöhe eingespart werden können.

Hinsichtlich der Fallgruppen, bei denen das Ministerium die Kritik des RH zurückweist, bleibt der RH bei der von ihm vertretenen Rechtsauffassung.


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Der RH berichtet in diesem Abschnitt der Denkschrift über Auswirkungen der Tätigkeit der Finanzkontrolle. Der Bericht gibt die Umsetzung einiger bedeutsamer Vorschläge aus früheren Denkschriftbeiträgen, aus der Beratenden Äußerung zum Statistikwesen sowie einer prüfungsorientierten Beratung wieder und stellt - soweit dies möglich ist - die hiermit verbundenen finanziellen Auswirkungen dar.

Die Information soll dem Parlament, zeitgleich mit der Vorstellung der Denkschrift, einen Überblick über wesentliche Ergebnisse aus früheren Prüfungen und über die Umsetzung seiner Beschlüsse vermitteln.

Die nachstehende Darstellung ist nicht Gegenstand des laufenden Verfahrens zur Entlastung der Landesregierung im Sinne von § 97 Abs. 1 LHO.


[Der gesamte Text einschließlich Einzelergebnisse ist in der nachfolgenden PDF-Datei enthalten]


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