Denkschrift 2016
1.In der neuen Legislaturperiode stehen wichtige finanz- und haushaltspolitische Entscheidungen auf der politischen Agenda. Ab 2020 greift für die Länder die Schuldenbremse mit dem Verbot einer Nettokreditaufnahme. In der letzten Legislaturperiode hat das Land nur eine einfachgesetzliche Regelung in der Landeshaushaltsordnung getroffen und einen Abbaupfad definiert, wie die Vorgaben der Schuldenbremse erreicht werden sollen.
Der Rechnungshof hat in der Vergangenheit wiederholt gefordert, die Schuldenbremse ausdrücklich in der Landesverfassung zu verankern. Der Paradigmenwechsel, der mit der Schuldenbremse verbunden ist und der erhebliche Auswirkungen auf das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben hat, gebietet es, dass der Landtag als Verfassungsgeber die tragenden Regelungen selbst trifft. Nur so kann gegebenenfalls die Einhaltung vom Verfassungsgerichtshof auch überprüft und der Schuldenbremse der notwendige Nachdruck verschafft werden.
Die Regierungskoalition hat im Koalitionsvertrag die verfassungsrechtliche Verankerung vereinbart und der Ministerpräsident hat in seiner Regierungserklärung dieses Ziel ausdrücklich hervorgehoben. Der Rechnungshof begrüßt diese neue Weichenstellung. Die für das Vorhaben notwendige Zweidrittelmehrheit eröffnet auch die Chance zu einer breiteren parlamentarischen Verständigung - nicht nur über die Regelung selbst, sondern im Idealfall auch über die Grundzüge der damit verbundenen haushaltspolitischen Konsolidierung.
2.Trotz der bisher ergriffenen Maßnahmen zur Konsolidierung weist der aktuelle Finanzplan 2020 im Wesentlichen bedingt durch die Kosten für die Aufnahme von Flüchtlingen und Asylsuchenden wieder jährliche Deckungslücken von rund 2 Mrd. Euro für die nächsten Jahre auf.
Die wirtschaftliche Lage zur Bewältigung dieser geänderten Herausforderung ist gleichwohl gut. Die Wirtschaft befindet sich auf einem robusten Wachstumspfad. Nach der aktuellen Steuerschätzung vom Mai 2016 kann Baden-Württemberg mit Steuereinnahmen von fast 35 Mrd. Euro rechnen. Das Land hat noch nie mehr Steuern eingenommen, als es in diesem Jahr erwarten darf. Auch für die Folgejahre sind erhebliche Mehreinnahmen prognostiziert.
Die Erfahrung lehrt: Konsolidierung ist kein Selbstläufer. Erreichtes muss gesichert und neue Herausforderungen müssen bewältigt werden können. Konsolidierung ist keine Einmalaktion sondern eine Daueraufgabe.
Die Länderhaushalte sind zwangsläufig durch hohe Personalkosten ge-prägt. Die Kernaufgaben der Länder - wie Bildung, Forschung, Sicherheit, Justiz - sind besonders personalgebundene Dienstleistungen. Eine fast menschenleere Fabrik ist möglich, Klassenzimmer oder Hörsäle ohne Lehrer und Professoren nicht. Die Bereiche haben eine inhärente Dynamik zu mehr Personal. Natürlich sind mehr Lehrer oder Polizisten besser als weniger. Letztlich ist nur die Finanzierbarkeit die Grenze. Auf Dauer wird man den hohen Personalkostenanteil nur begrenzen können, wenn man nicht am Personal spart, sondern Personal spart. Damit eine zukünftige Personalmehrung über den jetzigen Stellenbestand hinaus wenigstens generationsgerecht finanziert werden kann, sollte das Land für jede neu geschaffene Stelle die versicherungsmathematisch notwendigen jährlichen Anteile für die künftigen Versorgungsausgaben dem Versorgungsfonds zu 100 Prozent zuführen.
Der Ruf nach neuen Stellen darf nicht actio prima sein, er muss ultima ratio bleiben. Zuvor gilt es, Strukturen und Abläufe, Vorgaben und Verfahren zu optimieren und, wo notwendig, auch Schwerpunkte zu verlagern und Prioritäten und Posterioritäten neu zu justieren.
Ein breites Feld für Aufgabenkritik bietet die Förderpolitik. Ihr Gesamtvolumen liegt bei rund 4,3 Mrd. Euro. Davon kann das Land Programme im Umfang von 980 Millionen Euro selbst beeinflussen und gestalten. Hier gilt es immer wieder zu fragen, welche Wirkungen die Programme erzielen, wo ein Mehrwert oder Zusatznutzen geschaffen wird und wie bloße Mitnahmeeffekte vermieden werden. Ist alles, was einmal sinnvoll war, auch für die Zukunft notwendig? Förderprogramme sollten daher generell befristet werden, damit sie so von Zeit zu Zeit auf den Prüfstand gestellt werden.
3.Die Finanzbeziehungen von Bund und Ländern müssen neu geordnet werden. Der Länderfinanzausgleich läuft in seiner jetzigen Form 2019 aus, ebenso der „Solidarpakt II“. Die Länder haben sich nach langem Anlauf im Dezember 2015 unter sich auf ein neues Modell für den Finanzausgleich geeinigt. Danach sollen alle Länder besser gestellt werden und keines mehr als Empfängerland in Erscheinung treten. Baden-Württemberg könnte auf Einsparungen in Höhe von rund 1 Mrd. Euro hoffen. Noch fehlt es allerdings an der Bereitschaft des Bundes mitzumachen.
Das Modell der Länder setzt sich aus vielen, zum Teil heterogenen Ele-menten zusammen. Im Vordergrund steht das finanzielle Ergebnis, das für Baden-Württemberg durchaus positiv ist. Der Finanzausgleich ist für die föderale Struktur der Bundesrepublik aber von erheblicher Bedeutung. Deshalb wäre es erstrebenswert, dass nicht nur das finanzielle Ergebnis stimmt. Der neue Finanzausgleich sollte auch in Struktur und Statik föderalen Anforderungen entsprechen und längerfristig belastbar sein.
4.Die hohe Zahl von Flüchtlingen, die im Herbst kurzfristig aufgenommen werden musste, stellt die Verwaltung vor große Herausforderungen. Vieles musste improvisiert werden. Kreativität war gefordert. Von Mitarbeitern und auch aus der Politik wurde daher die Sorge an uns herangetragen, wie der Rechnungshof die Sache später einmal beurteilen wird.
Gesetzliche Vorgaben, auch die Landeshaushaltsordnung, können nicht einfach ausgesetzt werden. Behörden und ihre Mitarbeiter müssen in einer solchen Situation jedoch ihren Handlungsspielraum voll wahrnehmen. Sie dürfen ihr Handlungsermessen nicht reduzieren, sondern müssen es umfassend ausschöpfen.
Eine spätere Beurteilung wird sich daher immer danach richten müssen, was in der konkreten Handlungs- und Entscheidungssituation erkennbar und möglich war und welche anderen Optionen faktisch und zeitlich überhaupt realisierbar waren. Das heißt: Auch die Finanzkontrolle muss aus der Lage heraus urteilen und nicht ex post. Wir wollen mit unserer Prüfungstätigkeit die Handlungsfähigkeit und die Verantwortungsbereitschaft stärken und nicht schwächen. Wir wollen keiner Absicherungsmentalität Vorschub leisten.
5.Auch im vergangenen Jahr stießen die Empfehlungen und Anmerkungen des Rechnungshofs sowohl beim Landtag, seinen Fraktionen und der Landesregierung als auch in der Öffentlichkeit auf reges Interesse. Insbesondere im Ausschuss für Finanzen und Wirtschaft erfahren sie eine sachkundige und intensive Behandlung. Die direkte und vertrauensvolle Zusammenarbeit der staatlichen Finanzkontrolle Baden-Württemberg mit den Behörden des Landes zeigte sich unter anderem darin, dass manche unserer Anregungen seitens der Verwaltung noch während der Prüfung aufgenommen und umgesetzt worden sind. Diesen Weg des konstruktiven Miteinanders wollen der Rechnungshof, die staatlichen Rechnungsprüfungsämter und unsere Prüferinnen und Prüfer weiter fortsetzen.
Wichtig ist auch die Feststellung, dass wir bei unseren Prüfungen auf engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesverwaltung treffen, die verantwortungsbewusst handeln und sich die Ziele der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur eigenen Sache machen.
Karlsruhe, im Juni 2016
Max Munding
Präsident des Rechnungshofs
Baden-Württemberg
Anhänge
Die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes war 2014 geordnet. Die Haushaltsrechnung 2014 schließt mit einem rechnungsmäßigen Überschuss von 2,2 Mrd. Euro ab. Die in der Haushaltsrechnung 2014 aufgeführten Beträge stimmen mit den in den Büchern nachgewiesenen Beträgen überein. Die Einnahmen und Ausgaben sind im Wesentlichen ordnungsgemäß belegt. Der Haushalt des Landes wurde im Haushaltsjahr 2014 im Wesentlichen nach den Vorschriften des Staatshaushaltsgesetzes vollzogen.
1 Haushalts-Soll und Haushalts-Ist 2014
Der Haushaltsrechnung des Landes für das Haushaltsjahr 2014 liegt das Gesetz über die Feststellung des Staatshaushaltsplans von Baden-Württemberg für die Haushaltsjahre 2013/2014 (Staatshaushaltsgesetz 2013/2014) vom 19.12.2012, geändert durch die Nachträge vom 30.04.2013, 19.12.2013 und 24.06.2014, zugrunde. Danach wurde der Staatshaushaltsplan 2014 in Einnahme und Ausgabe mit 41.796.816.800 Euro festgestellt. Im Vergleich zum Vorjahr nahm das Haushaltsvolumen im Soll um 1.060.149.300 Euro (+2,6 Prozent) zu.
Das Haushalts-Soll (Haushaltsansätze einschließlich der aus dem Vorjahr übertragenen Haushaltsreste) betrug 43,3 Mrd. Euro bei den Einnahmen und 44,0 Mrd. Euro bei den Ausgaben. 2014 wurden tatsächlich 44,9 Mrd. Euro eingenommen und 42,7 Mrd. Euro ausgegeben. Einschließlich der Haushaltsreste/Vorgriffe beträgt das Rechnungsergebnis 46,5 Mrd. Euro Einnahmen und 45,0 Mrd. Euro Ausgaben. Aus den Salden ergab sich ein Überschuss von 2,2 Mrd. Euro (rechnungsmäßiges Jahresergebnis 2014). Per Saldo hat sich die Haushaltssituation gegenüber der Planung damit deutlich verbessert. Zum 31.12.2014 betrug das rechnungsmäßige Gesamtergebnis 4,5 Mrd. Euro. Wie sich die Mehreinnahmen und die Mehrausgaben aus den Teilergebnissen der Einzelpläne errechnen, ist in der Landeshaushaltsrechnung 2014 dargestellt.
2 Haushaltsrechnung 2014
Der Minister für Finanzen und Wirtschaft legte dem Landtag am 15.12.2015 (Landtagsdrucksache 15/7900) die Haushaltsrechnung des Landes Baden-Württemberg für das Haushaltsjahr 2014 vor. Diese dient gemäß Artikel 83 Absatz 1 der Landesverfassung und § 114 Absatz 1 Satz 1 der Landeshaushaltsordnung als Grundlage, um die Landesregierung zu entlasten.
2.1 Gestaltung
Die Haushaltsrechnung ist entsprechend den Vorgaben (§§ 81 bis 85 Landeshaushaltsordnung) gestaltet und enthält alle vorgeschriebenen Abschlüsse, Erläuterungen und Übersichten, um die bestimmungsgemäße Ausführung des Staatshaushaltsplans nachzuweisen.
Der kassenmäßige Abschluss und der Haushaltsabschluss sind entsprechend § 84 Landeshaushaltsordnung in einem Abschlussbericht mit verschiedenen Zusammenstellungen in der Haushaltsrechnung erläutert. Die in § 85 Absatz 1 Landeshaushaltsordnung genannten Übersichten sind beigefügt.
2.2 Ergebnisse der Haushaltsrechnung
Der rechnungsmäßige Abschluss ergibt sich aus dem kassenmäßigen Jahresergebnis (Ist-Einnahmen und Ist-Ausgaben), den übernommenen Haushaltsresten des Vorjahres und den Haushaltsresten, die in das Folgejahr übertragen werden.
Das kassenmäßige Jahresergebnis ergibt sich aus dem Saldo der tatsächlich eingegangenen Einnahmen und der tatsächlich geleisteten Ausgaben. Der Landeshaushalt 2014 hat mit einem kassenmäßigen Jahresergebnis von 2.203.450.615,93 Euro abgeschlossen.
In der folgenden Tabelle werden die Soll- und Ist-Werte des Haushalts 2014 nach Hauptgruppen gegliedert dargestellt.
Das Land hat auch 2014 in großem Umfang Einnahmereste und Ausgabereste gebildet.
Das rechnungsmäßige Jahresergebnis ergibt sich aus dem kassenmäßigen Jahresergebnis ergänzt um den Unterschiedsbetrag der Salden der Reste.
Unter Berücksichtigung der aus dem Vorjahr übertragenen Haushaltsreste und der Haushaltsreste, die in das Folgejahr übertragen wurden, ergibt sich 2014 ein rechnungsmäßiges Jahresergebnis von 2.166.015.956,20 Euro. Zum 31.12.2014 betrug das rechnungsmäßige Gesamtergebnis, in welches bis dahin noch nicht veranschlagte Überschüsse aus Vorjahren einfließen, 4.465.294.251,04 Euro.
3 Feststellungen des Rechnungshofs nach § 97 Absatz 2 Nrn. 1 und 2 Landeshaushaltsordnung
3.1 Ordnungsmäßigkeit der Haushaltsrechnung
Der Rechnungshof hat zusammen mit den staatlichen Rechnungsprüfungsämtern die Ordnungsmäßigkeit der Haushaltsrechnung des Landes für das Haushaltsjahr 2014 geprüft.
Die in der Haushaltsrechnung aufgeführten Einnahmen und Ausgaben stimmen mit den in den Rechnungslegungsbüchern nachgewiesenen Beträgen überein. In den geprüften Bereichen sind nur wenige Einnahmen und Ausgaben festgestellt worden, die nicht ordnungsgemäß belegt waren.
Die Finanzkontrolle führte neben allgemeinen Prüfungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung eine gesonderte Prüfung der Ordnungsmäßigkeit nach einem Zufallsverfahren durch. Dabei wurde geprüft, ob
- die Vorgaben des Staatshaushaltsplans eingehalten wurden,
- die gebuchten Einnahmen und Ausgaben belegt waren und
- die Haushaltssystematik eingehalten wurde.
Die nach einem mathematisch-statistischen Belegstichprobenverfahren durchgeführte Prüfung lässt über die geprüften Einzelfälle den Schluss zu, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit eine ordnungsgemäße Haushaltsführung vorliegt.
Beim Landesamt für Besoldung und Versorgung hat die Finanzkontrolle in den Bereichen Entgelt für Arbeitnehmer, Beamtenbesoldung und -versor-gung risikoorientiert 11.395 Zahlfälle untersucht. Durch diese Prüfungen konnten 0,9 Mio. Euro unberechtigte Zahlungen zurückgefordert und künftige Fehlzahlungen vermieden werden. Im Gegenzug wurden berechtigte Ansprüche von 0,2 Mio. Euro erfüllt. Zudem wurden 7.539 Beihilfebescheide überprüft. Dies führte zu Beihilfekürzungen von 1,3 Mio. Euro und zu 0,6 Mio. Euro zusätzlich zu gewährender Beihilfe. Die Fehler bewegen sich summarisch im langjährigen Mittel. Daneben wurden in Sachverhalten mit Versorgungslastenteilung bei Dienstherrenwechsel Zahlungsansprüche des Landes von 10,1 Mio. Euro festgestellt, die in der Zwischenzeit vollständig erstattet wurden.
3.2 Bewirtschaftung der Personalausgaben und Umschichtungen von oder zu Sachausgaben
Das Staatshaushaltsgesetz sieht in § 6 eine Vielzahl von Flexibilisierungsmöglichkeiten im Haushaltsvollzug durch Deckungsfähigkeiten vor. Darüber hinaus können aufgrund haushaltsrechtlicher Regelungen Personalmittel zu den Sachmitteln umgeschichtet werden. Umgekehrt können Sachmittel die Personalmittel verstärken. Die Ressorts haben dies im Einzelnen mit den Nachweisen 6a bis 6d zu dokumentieren. In Tabelle 6 sind die Nachweise summarisch zusammengestellt. Die Nachweise umfassen:
- Personalmehrausgaben, die durch Mehreinnahmen oder Minderausgaben bei den sächlichen Verwaltungsausgaben, Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse und bei den Investitionsausgaben (Hauptgruppen 5 bis 8) gedeckt sind (Nachweis 6a),
- Personalmittelschöpfungen (Nachweis 6b),
- Sachmittelschöpfungen (Nachweis 6c) und
- Personalausgaben, die aus einer Leerstelle bezahlt wurden (Nachweis 6d).
In den Geschäftsbereichen des Kultusministeriums (Einzelplan 04) und des Wissenschaftsministeriums (Einzelplan 14) wurden 2014 in großem Umfang Personalausgaben von oder zu Sachausgaben umgeschichtet.
3.3 Überplanmäßige und außerplanmäßige Ausgaben
Über- und außerplanmäßige Ausgaben bedürfen der Einwilligung des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft. Sie darf nur im Fall eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses erteilt werden. Die Fälle, in denen über- und außerplanmäßige Ausgaben getätigt wurden, sind in der Haushaltsrechnung einzeln nachgewiesen (Übersicht 1). Geleistete über- und außerplanmäßige Ausgaben sind dem Landtag ab einem Betrag von 100.000 Euro im Einzelfall mitzuteilen (§ 7 Absatz 5 Staatshaushaltsgesetz 2013/14). Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft hat dem Landtag hierüber mit Schreiben vom 03.08.2015 berichtet (Landtagsdrucksache 15/7287).
2014 gab es insgesamt 176 über- und außerplanmäßige Ausgaben mit einem Gesamtvolumen von 32,8 Mio. Euro. Sie betrafen zu 72 Prozent Sachausgaben und zu 28 Prozent Personalausgaben.
Einzelfälle größeren Umfangs waren:
- 4,9 Mio. Euro für die Erfüllung finanzieller Verpflichtungen der Landesbeteiligungen Baden-Württemberg GmbH (Kapitel 0620 Titel 682 14),
- 4,1 Mio. Euro wegen gestiegener Fallzahlen im Bereich der Jugendhilfe (Kapitel 0918 Titel 671 01),
- 3,9 Mio. Euro wegen unvorhergesehener Aufwendungen für Betreuungsangebote im Rahmen der Verlässlichen Grundschule (Kapitel 0436 Titel 633 71),
- 2,3 Mio. Euro Mehrausgaben für geschaffene Planstellen bei Beruflichen Schulen (Kapitel 0420 Titelgruppe 71),
- 2,0 Mio. Euro wegen der Zunahme der Berechtigten und durch rückwirkende Zahlungen, insbesondere nach Verurteilungen in sozialgerichtlichen Verfahren (Kapitel 0905 Titel 681 72) und
- 1,7 Mio. Euro für Heilfürsorgemaßnahmen bei der Polizei (Kapitel 0314 Titel 443 02).
In 57 Fällen lag die vorgeschriebene Einwilligung des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft nicht vor. Die Summe dieser Haushaltsüberschreitungen beträgt 7,4 Mio. Euro.
Davon entfielen 34 Fälle auf das Innenministerium. Die Summe dieser Haushaltsüberschreitungen beträgt 1,1 Mio. Euro. Das Innenministerium begründet die Haushaltsüberschreitungen im Wesentlichen mit der Neustrukturierung der Haushaltskapitel infolge der Polizeistrukturreform.
3.4 Abweichungen von den Stellenübersichten
Andere Stellen als Planstellen sind in den Stellenübersichten des Staatshaushaltsplans auszubringen. Eine abweichende Besetzung der Stellen kann durch allgemeine Verwaltungsvorschriften zugelassen werden. Weitere Abweichungen bedürfen der Einwilligung des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft. Diese darf nur im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses erteilt werden. Diese Abweichungen von den Stellenübersichten, soweit nicht durch Gesetz, Haushaltsplan, Allgemeine Verwaltungsvorschriften zugelassen oder durch tarifliche Änderungen bedingt, sind in der Übersicht 1 A der Haushaltsrechnung des Landes dargestellt.
Stellenabweichungen größeren Umfangs waren:
- 508 Stellen der Entgeltgruppe 13 TV-L für Wissenschaftliche Lehrer, überwiegend im Rahmen der Inklusion im Schuljahr 2014/15 (Einzelplan 04) und
- 58 Stellen im Bereich des Einzelplans 03 insbesondere zur Verstärkung der personellen Kapazitäten im Bereich der Flüchtlingsaufnahme.
Bei allen 581 Stellenabweichungen lag die Einwilligung des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft zu Abweichungen von den Stellenübersichten vor.
4 Globale Minderausgaben
Globale Minderausgaben sind im Staatshaushaltsplan negativ veranschlagte Ausgaben, die im Haushaltsvollzug auszugleichen sind. Sie stellen eine Ausnahme vom Einzelveranschlagungsprinzip dar.
Im Vollzug des Staatshaushaltsplans 2014 waren bei den Sachausgaben globale Minderausgaben von 330 Mio. Euro zu erbringen. Diese Einsparverpflichtungen wurden von den Ressorts erfüllt. Die globalen Minderausgaben entsprachen damit 1,2 Prozent der Sachausgaben.
5 Druck- und Darstellungsfehler
Der Rechnungshof hat bei der Gesamtrechnungsprüfung der Haushaltsrechnung keine wesentlichen Druck- und Darstellungsfehler festgestellt.
6 Haushaltsreste und Haushaltsvorgriffe
6.1 Haushaltsreste 2013 und 2014
Die Haushaltsrechnung des Landes Baden-Württemberg 2014 weist zur Übertragung in das Haushaltsjahr 2015 die folgenden Reste aus:
In den Einnahmeresten sind nicht in Anspruch genommene Kreditermächtigungen von 1.531.492.887,31 Euro enthalten.
Die nach 2015 übertragenen Ausgabereste betrugen 2,3 Mrd. Euro. Dieser Wert entspricht 5,5 Prozent der Ausgabeansätze für 2014. Tabelle 7 zeigt die in 2013 und 2014 gebildeten Ausgabereste, unterteilt nach Ausgabegruppen.
Wie schon 2013 sind die Ausgabereste für Investitionen 2014 auf sehr hohem Niveau. Auch im Bereich der sächlichen Verwaltungsausgaben sind die Ausgabereste im Vergleich zu den Haushaltsansätzen angestiegen.
6.2 Entwicklung der Ausgabereste im Zehn-Jahres-Vergleich
In der Abbildung wird die Entwicklung der Ausgabereste in den Jahren 2005 bis 2014 und der jeweilige prozentuale Anteil an den Soll-Ausgaben dargestellt.
2014 sind die Ausgabereste erneut angestiegen. Mit 2.287 Mio. Euro oder 5,5 Prozent der im Staatshaushaltsplan veranschlagten Soll-Ausgaben markieren sie Höchstwerte im Zehn-Jahres-Vergleich.
Die Höhe der Ausgabereste 2015 stand bei Abschluss der Denkschriftberatungen des Rechnungshofs noch nicht fest.
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Anhänge
Die Steuereinnahmen sind 2015 gegenüber dem Vorjahr um 1,2 Mrd. Euro gestiegen. Die Ausgaben erhöhten sich um 2,3 Mrd. Euro. 2015 wurden aus Überschüssen der Vorjahre 2,0 Mrd. Euro eingenommen. Dadurch konnte auf eine ursprünglich vorgesehene Nettokreditaufnahme verzichtet werden.
1 Einnahmen
1.1 Entwicklung der Einnahmen 2006 bis 2015
In Tabelle 1 sind für die Jahre 2006 sowie 2011 bis 2015 die Einnahmen der Hauptgruppen 0 bis 3 dargestellt.
Die Einnahmen des Landes stiegen von 33,7 Mrd. Euro (2006) um 12,9 Mrd. Euro (+38,2 Prozent) auf 46,6 Mrd. Euro (2015). Gegenüber dem Vorjahr nahmen die Einnahmen 2015 um 3,8 Prozent zu. Sie wurden zu 71,1 Prozent (33,1 Mrd. Euro) durch Steuern und steuerähnliche Abgaben erzielt.
1.2 Steuereinnahmen
Die Einnahmen aus Steuern und steuerähnlichen Abgaben sind stark von der Gesetzgebung auf Bundesebene sowie von der konjunkturellen Entwicklung abhängig. Nach einem Einbruch der Steuereinnahmen infolge der Wirtschafts- und Finanzmarktkrise, insbesondere 2009, stiegen diese ab 2011 wieder deutlich an. 2015 erhöhte sich das Brutto-Steueraufkommen gegenüber dem Vorjahr um 1,2 Mrd. Euro (+3,8 Prozent). Die Netto-Steuerein¬nahmen nahmen im Vergleich zu 2014 ebenfalls um 1,2 Mrd. Euro (+5,3 Prozent) zu.
Die Steuereinnahmen lagen 2015 mit 33,0 Mrd. Euro um 10,3 Mrd. Euro (+45,4 Prozent) höher als 2006. Bei dieser Betrachtung ist die bis 30.06.2009 dem Land zustehende Kraftfahrzeugsteuer nicht enthalten. Seit 01.07.2009 steht diese Steuer nicht mehr den Ländern, sondern dem Bund zu. Zur Kompensation erhalten die Länder seither vom Bund Ausgleichszahlungen, die in etwa den bisherigen Einnahmen aus der Kraftfahrzeugsteuer entsprechen. 2015 betrug die Zuweisung des Bundes an das Land wie in den Vorjahren 1,3 Mrd. Euro.
Tabelle 2 zeigt, wie sich die Steuereinnahmen von 2011 bis 2015 sowie im Zehnjahreszeitraum (Basisjahr 2006) im Einzelnen entwickelt haben.
Die Steuereinnahmen des Landes bestehen aus Gemeinschaft- und Landessteuern. Die Einnahmen aus Gemeinschaftsteuern haben sich seit 2006 von 20,9 Mrd. Euro um 9,2 Mrd. Euro (+43,8 Prozent) auf 30,1 Mrd. Euro 2015 erhöht. Ihr Anteil an den gesamten Steuereinnahmen des Landes lag 2015 bei 91,1 Prozent. Die Steuern vom Einkommen und vom Ertrag (einschließlich Abgeltungsteuer) trugen im Haushaltsjahr 2015 mit 61,8 Prozent (18,6 Mrd. Euro) zum Landesanteil an den Gemeinschaftsteuern bei. Das höchste Aufkommen hiervon verzeichnete die Lohnsteuer mit 11,8 Mrd. Euro. Die Einnahmen durch die Umsatzsteuer gingen 2015 erstmals seit 2010 wieder zurück. Sie verminderten sich um 375,8 Mio. Euro (-4,9 Prozent) gegenüber 2014. Zusammen mit der Einfuhrumsatzsteuer blieb das Aufkommen mit 10,5 Mrd. Euro jedoch im Vergleich zum Vorjahr nahezu unverändert.
Die Landessteuern (ohne Kraftfahrzeugsteuer) haben sich seit 2006 von 1,8 Mrd. Euro um 63,6 Prozent auf 2,95 Mrd. Euro (2015) erhöht. Sie hatten 2015 einen Anteil an den gesamten Steuereinnahmen des Landes von 8,9 Prozent. Die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer haben sich in den vergangenen zehn Jahren, auch aufgrund der Steuersatzerhöhung von 3,5 auf 5,0 Prozent, deutlich erhöht. Im Vergleich zum Vorjahr stiegen sie 2015 um 245,5 Mio. Euro (+18,1 Prozent) auf 1,6 Mrd. Euro. Ihr Anteil am gesamten Aufkommen der Landessteuern betrug 54,4 Prozent gegenüber 45,1 Prozent (2006). Das Erbschaftsteueraufkommen erhöhte sich 2015 um 177,9 Mio. Euro (+21,0 Prozent) gegenüber 2014 auf 1.025,8 Mio. Euro. Seit 2006 nahmen die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer um 55,2 Prozent zu. Sie hatten 2015 einen Anteil von 34,8 Prozent an den Einnahmen aus Landessteuern.
1.3 Sonstige Einnahmen
1.3.1 Verwaltungseinnahmen und Einnahmen aus Schuldendienst
Die Verwaltungseinnahmen und Einnahmen aus Schuldendienst (Hauptgruppe 1) variierten in den vergangenen Jahren deutlich. 2015 gingen sie gegenüber dem Vorjahr um 364,2 Mio. Euro (-17,0 Prozent) auf 1,8 Mrd. Euro zurück. Ursächlich hierfür war vor allem, dass das Land 2014 Einnahmen aus der Rückzahlung der bei der LBBW bestehenden stillen Einlagen von 405,3 Mio. Euro (Kapitel 0620, Titel 134 01) erzielt hatte. Nach Wegfall dieses Sondereffekts lagen die Einnahmen 2015 wieder auf dem Niveau von 2013.
1.3.2 Einnahmen aus Zuweisungen und Zuschüssen
Die Einnahmen aus Zuweisungen und Zuschüssen (Hauptgruppe 2 einschließlich Obergruppen 33 und 34) stiegen 2015 gegenüber dem Vorjahr um 255,7 Mio. Euro (+2,9 Prozent) auf 9,1 Mrd. Euro. Die größten Einzelposten dieser Einnahmegruppe waren 2015:
- Finanzausgleichsumlage nach § 1a Finanzausgleichsgesetz mit 3.534,0 Mio. Euro,
- Zuweisung des Bundes zum Ausgleich des Kraftfahrzeugsteuer-Wegfalls mit 1.305,3 Mio. Euro,
- Regionalisierungsmittel mit 773,4 Mio. Euro,
- Zuweisung des Bundes gemäß § 46a SGB XII für Sozialhilfe mit 571,1 Mio. Euro sowie Zuweisung des Bundes für die Kosten der Unterkunft und Heizung gemäß § 46 Absätze 5 bis 8 SGB II mit 418,8 Mio. Euro.
Im zehnjährigen Betrachtungszeitraum erhöhten sich die Einnahmen aus Zuweisungen und Zuschüssen insgesamt um 65,3 Prozent . Diesen Einnahmen stehen größtenteils entsprechende Ausgaben gegenüber.
1.3.3 Kreditaufnahmen und besondere Finanzierungseinnahmen
Nachdem 2014 noch neue Schulden im Umfang von 1,2 Mrd. Euro aufgenommen wurden, kam das Land 2015 aufgrund der anhaltend hohen Steuereinnahmen erstmals seit 2012 wieder ohne neue Kredite aus. Die im Urhaushalt 2015/2016 noch vorgesehene Nettokreditaufnahme von 768,0 Mio. Euro wurde im Zweiten Nachtrag zum Staatshaushaltsplan 2015/2016 vollständig auf Null abgesenkt.
Die Entnahmen aus Rücklagen, Fonds und Stöcken (Obergruppe 35) unterlagen in den vergangenen zehn Jahren deutlichen Schwankungen. Sie waren 2015 mit 422,4 Mio. Euro um 310,1 Mio. Euro höher als vor zehn Jahren. Gegenüber dem Vorjahr erhöhten sie sich deutlich um 112,8 Mio. Euro (+36,4 Prozent). Aus der Rücklage für Sanierungs- und Erhaltungsmaßnahmen wurden 31,6 Mio. Euro weniger entnommen als 2014. Dagegen stiegen die Entnahmen aus dem Sondervermögen für die Finanzierung der Neubaustrecke Ulm-Wendlingen und für Stuttgart 21 um 145,3 Mio. Euro auf 263,1 Mio. Euro. Dem standen entsprechend höhere Zuschüsse an die Deutsche Bahn AG gegenüber.
Die Einnahmen aus Vorjahresüberschüssen erreichten 2015 mit 1.967,1 Mio. Euro den höchsten Stand der vergangenen 20 Jahre.
2 Ausgaben
2.1 Entwicklung der Ausgaben 2006 bis 2015
In Tabelle 3 sind für die Jahre 2006 sowie 2011 bis 2015 die Ausgaben der Hauptgruppen 4 bis 9 dargestellt.
Die Ausgaben des Landes stiegen von 33,2 Mrd. Euro (2006) um 11,8 Mrd. Euro (+35,5 Prozent) auf rund 45,0 Mrd. Euro (2015). Gegenüber dem Vorjahr nahmen die Ausgaben 2015 um 2,3 Mrd. Euro zu (+5,3 Prozent). Die Personalausgaben (Hauptgruppe 4) sowie die Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse mit Ausnahme für Investitionen (Hauptgruppe 6) entsprechen zusammen 79,6 Prozent der Gesamtausgaben.
2.2 Personalausgaben
Die Personalausgaben des Landes umfassen insbesondere die Bezüge und Nebenleistungen für Beamte und Richter, die Entgelte der Beschäftigten, die Versorgungsbezüge sowie Ausgaben für die Beihilfe.
In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Einrichtungen des Landes in Landesbetriebe umgewandelt. Die Personalausgaben dieser Betriebe werden im Staatshaushaltsplan nicht mehr als solche ausgewiesen, sondern sind regelmäßig bei den Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse (Hauptgruppe 6) enthalten. Die folgenden Betrachtungen beziehen sich lediglich auf die in der Hauptgruppe 4 gebuchten Personalausgaben.
In Tabelle 4 sind die Personalausgaben der Jahre 2006 sowie 2011 bis 2015 dargestellt.
Die Personalausgaben stiegen in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich an. Sie lagen 2015 mit 15,7 Mrd. Euro um 20,9 Prozent über den Personalausgaben des Jahres 2006. In den vergangenen fünf Jahren erhöhten sich die Personalausgaben um insgesamt 8,0 Prozent. 2015 nahmen sie im Vergleich zum Vorjahr lediglich um 79,8 Mio. Euro (+0,5 Prozent) zu. Mit ausschlaggebend für diesen verminderten Anstieg war die Einrichtung von sieben neuen Landesbetrieben zum 01.01.2015. Für das Personal in den Landesbetrieben waren für 2015 Ausgaben von 2,6 Mrd. Euro veranschlagt .
Den größten Block innerhalb der Personalausgaben der Hauptgruppe 4 bilden die Bezüge und Nebenleistungen der Beamten und Richter. Sie erhöhten sich im zehnjährigen Betrachtungszeitraum um 866,4 Mio. Euro (+12,4 Prozent).
Die Beihilfeausgaben der Beamten und Richter nahmen von 2006 bis 2015 um 42,1 Mio. Euro (+11,2 Prozent) zu. Mitursächlich für diesen moderaten Anstieg sind die in den vergangenen Jahren vorgenommenen Änderungen der Beihilfeverordnung. So wurden u. a. der Beihilfebeitrag für Wahlleistungen erhöht, die Kostendämpfungspauschalen angepasst und die Beihilfefähigkeit von zahntechnischen Leistungen begrenzt.
Die Ausgaben für die Versorgungsbezüge der Beamten und Richter haben sich seit 2006 bis 2015 um 1,6 Mrd. Euro (+58,0 Prozent) erhöht. Zudem sind die Beihilfeausgaben der Versorgungsempfänger im gleichen Zeitraum von 441,5 Mio. Euro auf 749,9 Mio. Euro (+69,9 Prozent) angestiegen. Mitursächlich für diese Entwicklung ist, dass die Zahl der Versorgungsberechtigten von 84.790 (2006) auf 120.702 (2015) angewachsen ist.
Die Entgelte der Arbeitnehmer haben sich im Betrachtungszeitraum 2006 bis 2015 um 168,5 Mio. Euro (-9,7 Prozent) verringert. Ursächlich hierfür ist auch die Einrichtung von Landesbetrieben. Allein 2015 wurden rund 3.300 Stellen von Beschäftigten aus dem unmittelbaren Landesbereich zu den Landesbetrieben verlagert.
2015 wurden 253,2 Mio. Euro der Versorgungsrücklage zugeführt.
2.3 Sonstige Ausgaben
2.3.1 Sächliche Verwaltungsausgaben und Schuldendienst
Die sächlichen Verwaltungsausgaben und die Ausgaben für den Schuldendienst (Hauptgruppe 5) verringerten sich seit 2006 um 11,6 Prozent auf 3,6 Mrd. Euro (2015). Gegenüber dem Vorjahr gingen sie um 64,6 Mio. Euro zurück.
Bei den Ausgaben für den Schuldendienst handelt es sich im Wesentlichen um Kreditmarktzinsen. 2015 betrugen diese Zinsausgaben 1,5 Mrd. Euro. Sie verringerten sich aufgrund des nach wie vor niedrigen Zinsniveaus im Vergleich zum Vorjahr um 48,5 Mio. Euro. Tabelle 5 zeigt die Entwicklung der sächlichen Verwaltungsausgaben (Obergruppen 51 bis 54).
Nach 2006 haben sich die sächlichen Verwaltungsausgaben aufgrund Ausgabenverlagerungen durch neu errichtete Landesbetriebe reduziert. Von 2011 bis 2014 sind diese Ausgaben kontinuierlich gestiegen.
2015 verringerten sich die sächlichen Verwaltungsausgaben im Vergleich zu 2014 um 10,3 Mio. Euro auf 2,0 Mrd. Euro. Ursache ist u. a. die Einrichtung von sieben neuen Landesbetrieben zum 01.01.2015 im Hochschulbereich. Insgesamt führt dies zur Reduzierung der sächlichen Verwaltungsausgaben 2015 im Bereich des Wissenschaftsministeriums um 241,7 Mio. Euro (-46,0 Prozent) auf 283,6 Mio. Euro.
Ohne eine Ausgabenverlagerung in die Hauptgruppe 6 hätten sich die sächlichen Verwaltungsausgaben 2015 über alle Ressorts hinweg um 231,4 Mio. Euro gegenüber dem Vorjahr erhöht. So stiegen die sächlichen Verwaltungsausgaben im Geschäftsbereich des Ministeriums für Integration von 12,5 Mio. Euro (2014) um 162,5 Mio. Euro auf 175,0 Mio. Euro (2015). Ursächlich dafür sind höhere Ausgaben für Flüchtlinge.
2.3.2 Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse für laufende Zwecke
Die Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse für laufende Zwecke (Hauptgruppe 6) erhöhten sich 2015 im Vergleich zum Vorjahr deutlich um 1,4 Mrd. Euro (+7,3 Prozent) auf 20,1 Mrd. Euro.
- Nachdem die Ausgaben für den Länderfinanzausgleich 2013 einen Höchststand von 2,9 Mrd. Euro erreicht hatten, reduzierten sich diese bis 2015 um 30,6 Prozent auf 2,0 Mrd. Euro.
- Die allgemeinen Zuweisungen im kommunalen Finanzausgleich erhöhten sich seit 2006 kontinuierlich um 3,1 Mrd. Euro (+62 Prozent) auf 8,0 Mrd. Euro (2015).
Die Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse sind - ohne die Ausgaben für den Länderfinanzausgleich und den kommunalen Finanzausgleich - seit 2006 beträchtlich gestiegen. Sie lagen 2015 mit 10,1 Mrd. Euro um 75,3 Prozent höher als 2006. Ein Grund für diese Entwicklung ist wiederum die hohe Zahl neu errichteter Landesbetriebe in diesem Zeitraum. 24 von aktuell 52 Landesbetrieben wurden zwischen 2006 und 2015 neu gegründet.
Allein 2015 wurden im Geschäftsbereich des Wissenschaftsministeriums sieben Landesbetriebe neu errichtet. Die Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse innerhalb dieses Ressorts erhöhten sich 2015 gegenüber dem Vorjahr um 697,9 Mio. Euro.
Die pauschale Erstattung von Aufwendungen für die Aufnahme, Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen an die Stadt- und Landkreise erhöhte sich gegenüber 2014 von 203,6 Mio. Euro auf 396,6 Mio. Euro (2015) (+94,8 Prozent).
Die Zuweisungen an die Stadt- und Landkreise für Sozialhilfe und an die Gemeinden und Gemeindeverbände für die Kosten von Unterkunft und Heizung erhöhten sich 2015 um 121,1 Mio. auf 989,8 Mio. Euro. Diese Ausgaben belasten den Landeshaushalt im Ergebnis allerdings nicht, weil sie vom Bund erstattet werden.
Die Ausgaben für die Kleinkindbetreuung erhöhten sich 2015 gegenüber dem Vorjahr um 203,3 Mio. Euro auf 658,9 Mio. Die Ausgaben werden zum Teil durch Bundesmittel mitfinanziert.
2.3.3 Baumaßnahmen, sonstige Investitions- und Investitionsförderungsmaßnahmen
Die Ausgaben für Baumaßnahmen (Hauptgruppe 7) stiegen 2015 gegenüber dem Vorjahr um 15,2 Prozent. Die Gesamtsumme von 654,1 Mio. Euro verteilt sich zum weit überwiegenden Teil auf die Kapitel 1208 (Staatlicher Hochbau) mit 469,2 Mio. Euro und Kapitel 1304 (Straßenverkehr) mit 176,1 Mio. Euro.
Die sonstigen Ausgaben für Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen (Hauptgruppe 8) von insgesamt 3,7 Mrd. Euro veränderten sich 2015 nur unwesentlich gegenüber dem Vorjahr.
2.3.4 Besondere Finanzierungsausgaben
Die besonderen Finanzierungsausgaben (Hauptgruppe 9) haben sich 2015 gegenüber 2014 nahezu verdreifacht. Dies hat seine Ursache darin, dass neben der jährlichen Zuführung an den Versorgungsfonds (2015: 257,3 Mio. Euro) Zuführungen an eine Rücklage für Haushaltsrisiken (461,9 Mio. Euro) und an die Sanierungsrücklage (315,0 Mio. Euro) erfolgten.
3 Steuerdeckungsquote und Investitionsquote
Tabelle 6 zeigt die Steuerdeckungsquote und die Investitionsquote 2006 und von 2011 bis 2015.
Die Steuerdeckungsquote drückt das Verhältnis der Brutto-Steuereinnah¬men in Bezug auf die bereinigten Gesamtausgaben aus. Sie ist ein Indikator für den Finanzierungsspielraum des Landes aus eigenen Finanzierungsquellen. Je niedriger die Quote ist, umso höher ist die Abhängigkeit von anderen Einnahmen, wie z. B. Entnahmen aus Rücklagen, Zuweisungen vom Bund oder Kreditaufnahmen.
In den genannten Steuerdeckungsquoten sind die bis 30.06.2009 dem Land zustehenden Kraftfahrzeugsteuern und die seither erhaltene Ausgleichszahlung des Bundes von jährlich 1,3 Mrd. Euro nicht enthalten.
Die Steuerdeckungsquote stieg ab 2011 wieder an, nachdem sie 2009 und 2010 insbesondere infolge der Wirtschafts- und Finanzmarktkrise knapp unter 70 Prozent gefallen war. Aufgrund der anhaltend guten wirtschaftlichen Lage mit hohen Steuereinnahmen lag die Steuerdeckungsquote in den vergangenen beiden Jahren über 75 Prozent. Gleichwohl wurden die Werte von 2007 und 2008 mit jeweils rund 78 Prozent noch nicht erreicht.
Die Investitionsquote zeigt den prozentualen Anteil der Ausgaben für Baumaßnahmen sowie für sonstige Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen an den bereinigten Gesamtausgaben.
Die Investitionsquote unterlag in den vergangenen zehn Jahren mehrfach Schwankungen. Sie hatte in den Jahren 2010 und 2011 einen Höchststand erreicht. Dies war vor allem durch die in der Wirtschafts- und Finanzmarktkrise aufgelegten Konjunkturprogramme des Bundes und des Landes (Zukunftsinvestitionsprogramm, Landesinfrastrukturprogramm) beeinflusst. Nachdem diese Programme ausgelaufen waren, ging die Investitionsquote ab 2012 zunächst spürbar zurück. Sie stieg ab 2014 wieder an und erreichte 2015 einen Wert von 9,9 Prozent. Damit wurde rund ein Zehntel der bereinigten Gesamtausgaben des Landes für Investitionen aufgewandt.
4 Finanzierungssaldo
Aus der Differenz der bereinigten Einnahmen und der bereinigten Ausgaben ergibt sich der Finanzierungssaldo. Die Ist-Einnahmen werden dabei um die Schuldenaufnahme am Kreditmarkt, die Entnahmen aus Rücklagen, Fonds und Stöcken sowie um die Einnahmen aus Überschüssen der Vorjahre verringert. Demgegenüber werden die Ist-Ausgaben um getätigte Tilgungen am Kreditmarkt, Zuführungen an Rücklagen, Fonds und Stöcke sowie um den Ausgleich etwaiger Fehlbeträge aus Vorjahren vermindert. Die Abbildung zeigt die Entwicklung des Finanzierungssaldos 2006 bis 2015.
Nach einem negativen Finanzierungssaldo 2013 konnte 2014 und 2015 jeweils ein positiver Finanzierungssaldo erreicht werden.
2014 betrug die Nettokreditaufnahme 1.228,2 Mio. Euro. 2015 konnte die Landesregierung auf die zunächst vorgesehene Nettokreditaufnahme von 768,0 Mio. Euro vollständig verzichten.
Den Rücklagen, Fonds und Stöcken wurden 2014 netto 5,5 Mio. Euro und 2015 netto 745,2 Mio. Euro zugeführt. 2014 wurden aus den Überschüssen der Vorjahre 259,2 Mio. Euro eingenommen, 2015 waren es dann 1.967,1 Mio. Euro.
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Im Haushaltsjahr 2015 musste das Land keine zusätzlichen Schulden aufnehmen. Die positive Entwicklung der Steuereinnahmen ermöglichte es, auf die im Urhaushalt noch vorgesehene Nettokreditaufnahme von 768 Mio. Euro zu verzichten. Auch in den kommenden Jahren sollten keine neuen Schulden aufgenommen werden. Die Behandlung von Überschüssen aus Vorjahren ist in die Überlegungen zu einer dauerhaften Regelung der Schuldenbremse einzubeziehen.
1 Verschuldungslage
1.1 Schuldenentwicklung
Baden-Württemberg musste bereits 1953 kurz nach Gründung des Landes erstmals Schulden am Kreditmarkt aufnehmen. Bis 1974 stagnierten die Schulden. Zwischen 1975 und 2000 stiegen die Kreditmarktschulden stetig an. Nach einem starken Anstieg bis 2007 nahm Baden-Württemberg in den Folgejahren lediglich 2010, 2013 und 2014 neue Schulden am Kreditmarkt auf. Abbildung 1 zeigt die Kreditmarktschulden von 1953 bis 2015 auf.
Zum 31.12.2015 betrugen die Schulden des Landes einschließlich der verlagerten Verpflichtungen 47,8 Mrd. Euro.
Die Kreditmarktschulden beliefen sich zum 31.12.2015 wie im Vorjahr auf 46,3 Mrd. Euro. Die Kreditmarktmittel im engeren Sinne enthalten zum 31.12.2015 einen Rahmenkredit mit einem Volumen von 5.221 Mio. Euro. Dieser wurde über eine Laufzeit von 21.12.2015 bis 22.01.2016 abgeschlossen. Der Kreditrahmen wurde nur zeitweise in Anspruch genommen. Mit dem Abschluss des Kreditrahmenvertrags hat das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft die Bruttokreditermächtigung 2015 vollständig ausgeschöpft, obwohl der Kredit für die Sicherstellung der Liquidität des Landes im Vertragszeitraum nicht erforderlich war.
In der Schuldenstatistik des Bundes wird dieser Kreditrahmen nicht als Verschuldung ausgewiesen, weil er zum 31.12.2015 nicht valutiert war. In der Anlage zum Abschlussbericht der Haushaltsrechnung des Landes Baden-Württemberg wird der Kreditrahmen mit dem vollen Volumen bei den Kreditmarktschulden berücksichtigt.
Das Land hat 2015 auf eine zunächst vorgesehene Nettokreditaufnahme von 768 Mio. Euro aufgrund hoher Einnahmen vollständig verzichtet. In den Einnahmen enthalten waren Überschüsse aus den Vorjahren von 1.967 Mio. Euro.
Die LBBW hat den vom Land Baden-Württemberg zu tragenden Anteil an der Darlehensförderung für Studierende nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz gegenüber dem Land vorfinanziert. Der Betrag von 189,1 Mio. Euro wird in der Haushaltsrechnung des Landes und im Vorheft zum Staatshaushaltsplan als verlagerte Verpflichtung ausgewiesen. Unter die verlagerten Verpflichtungen fallen auch die durch die Finanzierungsgesellschaft für öffentliche Vorhaben des Landes Baden-Württemberg mbH vorfinanzierten Bauprojekte des Landes. Der Stand der verlagerten Verpflichtungen ergibt sich aus Tabelle 2.
Die verlagerten Verpflichtungen sind zum 31.12.2015 gegenüber dem Vorjahr um 70,1 Mio. Euro gesunken.
1.2 Entwicklung der Nettokreditaufnahme und der Kreditfinanzierungsquote in Baden-Württemberg
Baden-Württemberg hat im Zweiten Nachtrag zum Staatshaushaltsplan 2015/2016 für 2015 auf die nach dem Urhaushalt noch vorgesehene Nettokreditaufnahme von 768 Mio. Euro vollständig verzichtet. Abbildung 2 zeigt die Entwicklung der Nettokreditaufnahme des Landes in den vergangenen zehn Jahren.
Für 2016 sieht der Staatshaushaltsplan 2015/2016 keine Nettokreditaufnahme vor. Der Finanzplan des Landes Baden-Württemberg für die Jahre 2015 bis 2020 weist für 2017 und 2018 zwar eine geringe rechnerische Nettokreditaufnahme nach der Verordnung zu § 18 Landeshaushaltsordnung aus. Allerdings wurde im Finanzplan das politische Ziel artikuliert, auch 2017 und 2018 keine neuen Schulden aufzunehmen. Für 2019 und 2020 weist der Finanzplan des Landes eine nach der Verordnung zu § 18 Landeshaushaltsordnung rechnerisch ermittelte Tilgungsverpflichtung von insgesamt 970 Mio. Euro aus.
1.3 Zulässige Kreditaufnahme
Nach Artikel 109 und 143d Grundgesetz gilt für Baden-Württemberg ab 2020 die Schuldenbremse verbindlich. Nach § 18 Landeshaushaltsordnung und der Verordnung zu § 18 Landeshaushaltsordnung darf die Landesregierung bis einschließlich 2019 - in engen Grenzen - noch neue Kredite aufnehmen. Die zulässige Kreditaufnahme wird nach dieser Verordnung für jedes Haushaltsjahr vorab (Ex-ante-Betrachtung) und im Nachhinein (Ex-post-Betrachtung) berechnet.
Der in der Verordnung zu § 18 Landeshaushaltsordnung festgelegte Basiswert wird dabei anhand der Steuerschwankungskomponente und der Finanztransaktionskomponente modifiziert. Überdurchschnittliche Steuereinnahmen und ein positiver Saldo aus den finanziellen Transaktionen des Landes verringern die Möglichkeit zur Kreditaufnahme. Unterdurchschnittliche Steuereinnahmen und ein negativer Saldo der finanziellen Transaktionen erhöhen diese.
Nach Abschluss des Haushaltsjahres wird die Differenz aus der rechnerisch zulässigen und der tatsächlichen Nettokreditaufnahme auf ein Kontrollkonto gebucht. Übersteigt die Nettokreditaufnahme den Wert der rechnerisch zulässigen Kreditaufnahme, erhält die Buchung auf dem Kontrollkonto ein negatives Vorzeichen.
Tabelle 3 zeigt die Berechnung zur zulässigen Kreditaufnahme 2015 nach Verordnung zu § 18 Landeshaushaltsordnung in der Ex-post- und der Ex-ante-Betrachtung.
Die Ex-ante-Betrachtung weist für 2015 auf Basis des Regierungsentwurfs zum Staatshaushaltsplan 2015/2016 eine Buchung auf dem Kontrollkonto von 626,5 Mio. Euro aus. Aufgrund zu erwartender überdurchschnittlicher Steuereinnahmen war der Basiswert um 306 Mio. Euro abzusenken. Einschließlich der Finanztransaktionskomponente betrug die zulässige Kreditaufnahme 1.394,5 Mio. Euro.
Aufgrund der im Ist 2015 deutlich höheren Steuereinnahmen wurde der Basiswert in der Ex-post-Betrachtung tatsächlich um die Steuerschwankungskomponente von 1.207 Mio. Euro reduziert. Die zulässige Kreditaufnahme verringerte sich dadurch auf 463,9 Mio. Euro.
Hätte die Landesregierung die ursprünglich vorgesehene Nettokreditaufnahme von 768 Mio. Euro ausgeschöpft, wäre auf dem Kontrollkonto 2015 wie im Vorjahr ein negativer Betrag zu verbuchen gewesen. Mit 304,1 Mio. Euro hätte dieser nur 3 Mio. Euro über dem Bestand des Kontrollkontos zum 31.12.2014 gelegen.
Durch den vollständigen Verzicht auf eine Kreditaufnahme entstand jedoch ein positiver Saldo von 463,9 Mio. Euro, sodass sich der Saldo auf dem Kontrollkonto auf insgesamt 770,9 Mio. Euro erhöht hat.
Tabelle 4 zeigt neben der Berechnung zur zulässigen Kreditaufnahme 2013 bis 2016 die Entwicklung des Kontrollkontos auf.
Die Ex-ante-Betrachtung für 2016 basiert auf dem Zweiten Nachtrag zum Staatshaushaltsplan 2015/2016 und der November-Steuerschätzung 2015. Der Staatshaushaltsplan 2015/2016 in der Fassung des Zweiten Nachtrags sieht für 2016 keine Nettokreditaufnahme vor.
1.4 Kreditmarktschulden und Zinsen
Unter Kreditmarktschulden werden in der Schuldenstatistik verschiedene Positionen zusammengefasst. Im Einzelnen sind dies:
- Wertpapierschulden,
- Schulden bei inländischen Kreditinstituten und sonstigen inländischen Stellen,
- Schulden bei ausländischen Kreditinstituten und sonstigen ausländischen Stellen und
- Schulden bei der Sozialversicherung.
Der Stand der Kreditmarktschulden für 2006 bis 2015 wird in Abbildung 3 dargestellt.
Innerhalb der vergangenen zehn Jahre sind die Kreditmarktschulden des Landes um insgesamt 5,2 Mrd. Euro auf 46,3 Mrd. Euro angestiegen. Im gleichen Zeitraum konnte das Land kassenmäßige Überschüsse von insgesamt 10,3 Mrd. Euro ausweisen.
Abbildung 4 zeigt die Entwicklung des Zinsaufwands in den vergangenen zehn Jahren. Seit 2009 werden die Zinserträge mit dem Zinsaufwand saldiert. Seit 2014 muss das Land bei Geldanlagen zum Teil Negativzinsen zahlen.
Aufgrund des derzeit günstigen Zinsniveaus sanken die Ausgaben für Zinsen 2015 um 50 Mio. Euro.
Die Zins-Steuer-Quote drückt das Verhältnis der Zinsausgaben für Kreditmarktschulden zu den Steuereinnahmen aus. Anhand der Quote ist erkennbar, welcher Anteil der Steuereinnahmen bereits für Zinsausgaben für Kredite gebunden ist. Der Stabilitätsrat hat als Indikator für eine drohende Haushaltsnotlage Schwellenwerte für die Zins-Steuer-Quote festgelegt. Baden-Württemberg liegt nach dem Stabilitätsbericht der Landesregierung vom 09.12.2015 zwischen 2013 und 2018 in allen Jahren deutlich unterhalb des Schwellenwerts. Eine drohende Haushaltsnotlage ist nach den Kriterien des Stabilitätsrats nicht erkennbar.
1.5 Pro-Kopf-Verschuldung
Abbildung 5 zeigt die Pro-Kopf-Verschuldung aller Flächenländer zum Jahresende 2014 und 2015.
Die Kreditmarktschulden des Landes lagen Ende 2015 bei 46,3 Mrd. Euro. Sie lagen damit 26,5 Mio. Euro unter dem Vorjahreswert. Die Vierteljahresstatistik über den Schuldenstand am 31.12.2015 des Bundesministeriums der Finanzen weist neben dem absoluten Schuldenstand auch die Verschuldung je Einwohner aus. Demnach ist die Pro-Kopf-Verschuldung in Baden-Württemberg gegenüber dem Vorjahr um 478 Euro gesunken. Das Bundesministerium der Finanzen hat bei seiner Berechnung den Rahmenkredit von 5,2 Mrd. Euro (siehe Punkt 1.1) nicht berücksichtigt. Wird der Rahmen¬kredit bei den Schulden berücksichtigt, ist keine wesentliche Veränderung der Pro-Kopf-Verschuldung in Baden-Württemberg erkennbar. Im Ranking der Länder bleibt Baden-Württemberg nach beiden Varianten auf dem dritten Platz.
1.6 Nettokreditaufnahme je Einwohner - Ländervergleich
Baden-Württemberg hat 2015 keine neuen Kredite aufgenommen. In anderen Ländern werden die für ein Haushaltsjahr benötigten Kredite teilweise erst im darauffolgenden Jahr aufgenommen. Die Nettokreditaufnahme für ein Haushaltsjahr kann daher erst auf Basis der endgültigen Rechnungsabschlüsse beurteilt werden.
2014 lag die Nettokreditaufnahme in Baden-Württemberg bei 1,2 Mrd. Euro. Abbildung 6 zeigt die Nettokreditaufnahme der 13 Flächenländer auf Basis der endgültigen Rechnungsabschlüsse 2014.
Fünf der 13 Flächenländer sind 2014 ohne eine Neuverschuldung ausgekommen. Baden-Württemberg hat sich mit 115 Euro je Einwohner neu verschuldet. Die Neuverschuldung war zum Haushaltsausgleich 2014 nicht erforderlich.
2 Rücklagen und Sondervermögen
Den Schulden des Landes stehen auch Vermögenswerte gegenüber. Diese werden - soweit sich der Wert mit vertretbarem Aufwand erfassen lässt - in der Vermögensübersicht des Landes im Staatshaushaltsplan dargestellt.
Tabelle 5 zeigt die Rücklagen und Sondervermögen des Landes zum Jahresende 2014 und 2015.
Nachdem 2014 die bestehenden Rücklagen vollständig aufgebraucht wurden, konnten 2015 neue Rücklagen von netto 668 Mio. Euro gebildet werden. Der Stand der Sondervermögen erhöhte sich zum 31.12.2015 gegenüber dem Vorjahr um 512 Mio. Euro. Die Versorgungsrücklage und der Versorgungsfonds erhöhten sich insgesamt um 688 Mio. Euro. Die übrigen Sondervermögen reduzierten sich um 176 Mio. Euro.
3 Entwicklung der Jahresergebnisse
Seit 2006 wies das kassenmäßige Jahresergebnis in jedem Jahr einen Überschuss aus. Insgesamt wurden in den vergangenen zehn Jahren 10,3 Mrd. Euro an kassenmäßigen Überschüssen erwirtschaftet. 2015 betrug der kassenmäßige Überschuss 1,6 Mrd. Euro.
Bereinigt man das kassenmäßige Jahresergebnis um den Saldo der aus dem Vorjahr übernommenen und der in das Folgejahr zu übertragenden Haushaltsreste, erhält man das rechnungsmäßige Jahresergebnis. Rechnungsmäßige Überschüsse können in den folgenden Haushaltsjahren als Deckungsmittel zum Haushaltsausgleich herangezogen werden. Abbildung 7 zeigt die Entwicklung der kassen- und rechnungsmäßigen Jahresergebnisse seit 2006 auf.
Zwischen 2006 und 2014 konnte - mit Ausnahme von 2007 - im rechnungsmäßigen Jahresergebnis jeweils ein Überschuss erzielt werden. Das rechnungsmäßige Jahresergebnis 2015 stand zum Zeitpunkt der Erstellung der Denkschrift noch nicht fest.
Zum 31.12.2014 weist der Haushaltsabschluss des Landes im rechnungsmäßigen Gesamtergebnis einen bis dato nicht im Haushalt vereinnahmten Überschuss von insgesamt 4,5 Mrd. Euro aus. Dieser Überschuss und ein Teil des für 2015 erwarteten rechnungsmäßigen Überschusses wurden mit dem Zweiten Nachtrag zum Staatshaushaltsplan 2015/2016 im Haushalt veranschlagt.
Fehlbeträge sind nach § 25 Absatz 3 Landeshaushaltsordnung spätestens in den Haushaltsplan für das zweitnächste Haushaltsjahr einzustellen. Für Überschüsse gibt es eine entsprechende Regelung in Baden-Württemberg - im Gegensatz zu anderen Ländern - nicht. Dies führt dazu, dass Überschüsse zum Teil über mehrere Haushaltsjahre verteilt im Haushalt vereinnahmt werden können. Die haushaltsmäßige Abwicklung der Überschüsse kann derzeit in den Haushaltsplänen nicht nachvollzogen werden.
In eine dauerhafte Regelung der Schuldenbremse (siehe Beitrag Nr. 5) sollte einbezogen werden, wie Überschüsse künftig im Staatshaushaltsplan behandelt und in der Haushaltsrechnung dargestellt werden. Dabei ist auch zu klären, ob und in welcher Weise Überschüsse in ein Konjunkturbereinigungsverfahren einfließen.
4 Haushaltsrisiken durch Bürgschaften, Garantien und Gewährleistungen
Tabelle 6 zeigt den Stand und die Entwicklung der vom Land übernommenen Gewährleistungen.
Die Gewährleistungen haben sich gegenüber dem Vorjahr um 776 Mio. Euro erhöht. Hauptursache war eine Garantieübernahme zugunsten der Landesbeteiligungen Baden-Württemberg GmbH von 476 Mio. Euro zur Finanzierung von Anteilen an der LBBW. Darüber hinaus wurde das Wohnungsbauprogramm für energetische Sanierungen für Wohnungseigentümergemeinschaften im Wert von 100 Mio. Euro fortgeführt.
5 Empfehlungen
5.1 Überschüsse in die Überlegungen zu einer dauerhaften Regelung der Schuldenbremse einbeziehen
Die Behandlung von Überschüssen aus Vorjahren ist in die Überlegungen zu einer dauerhaften Regelung der Schuldenbremse einzubeziehen. Insbesondere ist zu regeln, wie Überschüsse in ein Konjunkturbereinigungsverfahren einfließen und wie sie im Staatshaushaltsplan und in der Haushaltsrechnung dargestellt werden.
5.2 Nettokreditaufnahme vermeiden
Die Landesregierung sollte auch in den Jahren bis 2019 auf eine Nettokreditaufnahme vollständig verzichten.
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Die unklare Situation bei den Flüchtlingsausgaben lässt eine sichere Prognose über die Entwicklung des Landeshaushalts nicht zu. Die Landesregierung geht im aktuellen Finanzplan von jährlichen Flüchtlingsausgaben 2016 bis 2020 von 2 Mrd. Euro aus. Angesichts dieser Zusatzbelastung müssen die 2015 und 2016 stagnierenden Konsolidierungsbemühungen im Landeshaushalt deutlich verstärkt werden. Um die Nettonullverschuldung ab 2020 zu erreichen, muss bis dahin ein Defizit von 2,8 Mrd. Euro abgebaut werden.
1 Ausgangslage
Nach Artikel 109 Absatz 3 in Verbindung mit 143d Absatz 1 Grundgesetz müssen die Länder spätestens ab 2020 ihre Haushalte grundsätzlich ohne neue Kredite finanzieren. In diesem Kontext hat Baden-Württemberg eine Übergangsregelung in § 18 Landeshaushaltsordnung geschaffen. Darin wird der schrittweise Abbau der zulässigen Neuverschuldung geregelt. Hierzu muss die Landesregierung dem Landtag einen jährlich fortzuschreibenden Finanzplan vorlegen (§ 18 Absatz 10 Landeshaushaltsordnung).
Die Landesregierung hat erstmals im Juni 2013 den Finanzplan des Landes Baden-Württemberg für die Jahre 2013 bis 2020 (Finanzplan 2013) vorgelegt. Auf die Finanzpläne 2014 und 2015 folgte im Februar 2016 der Finanzplan des Landes Baden-Württemberg für die Jahre 2015 bis 2020 (Finanzplan 2016).
Grundlage für den Finanzplan 2016 ist für die Jahre 2015 und 2016 der Zweite Nachtrag zum Staatshaushaltsplan 2015/2016 und für den Zeitraum 2017 bis 2019 der Mittelfristige Finanzplan des Landes Baden-Württemberg für die Jahre 2015 bis 2019 (Mifrifi). Die Werte für 2020 wurden auf Basis der Mifrifi-Werte 2019 projiziert.
Aufgabe des Finanzplans ist es, das Parlament, die Öffentlichkeit und die Verwaltung über den finanzpolitischen Kurs der Landesregierung - insbesondere im Hinblick auf die 2020 verbindlich einzuhaltende Schuldenbremse - zu informieren.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Haushaltsentwicklung 2015 bis 2016
Der letztjährige Finanzplan 2015 basierte für 2015 und 2016 auf den Werten des Urhaushalts 2015/2016. Der Saldo aus Einnahmen und Ausgaben wies für 2020 ein Defizit von 1,6 Mrd. Euro aus. Unter Berücksichtigung einer Tilgung von 300 Mio. Euro und von Mehreinnahmen aufgrund veränderter bundesrechtlicher Regelungen von 400 Mio. Euro wurde für 2020 ein Abbaupfad von 1,5 Mrd. Euro ausgewiesen.
Der Rechnungshof hatte in der Denkschrift 2015 (Beitrag Nr. 4) zum Finanzplan 2015 gefordert, den Landeshaushalt aktiv zu konsolidieren und auf strukturelle, nicht gegenfinanzierte Mehrausgaben zu verzichten. Er bedauerte, dass die Landesregierung bereits in Vorjahren geplante Konsolidierungsmaßnahmen durch Stellenabbau weitgehend aufgab. Es wurden - im Gegenteil - neue Stellen geschaffen. Die temporär gute Haushaltslage sollte nicht dazu führen, geplante Einsparmaßnahmen aufzugeben und zusätzliche strukturelle Mehrausgaben zu beschließen. Weiter schlug der Rechnungshof vor, die für 2015 veranschlagte Nettokreditaufnahme von 768 Mio. Euro nicht auszuschöpfen.
Im Urhaushalt 2015/2016 waren 200.076,0 Stellen für 2015 etatisiert. Bereits im Urhaushalt 2015/2016 war für 2016 ein Stellenzuwachs von 1.514,0 Stellen vorgesehen. In den beiden Nachträgen zum Staatshaushaltsplan 2015/2016 wurden für 2015 und 2016 zusätzlich 4.143,5 neue Stellen (einschließlich Landesbetriebe) geschaffen. Die Stellen mit kw-Vermerk erhöhten sich gegenüber dem Urhaushalt um 1.767,0.
Durch die beiden Nachträge zum Staatshaushaltsplan 2015/2016 stieg das Ausgabenvolumen gegenüber dem Urhaushalt in 2015 um 0,5 Mrd. Euro und in 2016 um 2,6 Mrd. Euro.
Hauptursache für den Ausgabenanstieg sind die stark steigenden Flüchtlingsausgaben. Baden-Württemberg hat 2015 mehr als 100.000 Asylsuchende aufgenommen. Gegenüber 2014 hat sich die Zahl der Asylsuchenden fast verdreifacht. Der Großteil der Flüchtlinge ist erst im zweiten Halbjahr 2015 in Baden-Württemberg angekommen. Im Landeshaushalt fallen die Ausgaben für diese Flüchtlinge zum überwiegenden Teil erst 2016 an. 2015 waren für Flüchtlingsausgaben des Landes 0,9 Mrd. Euro etatisiert.
Planerisch geht die Landesregierung für 2016 mangels belastbarer Prognosen von Zugangszahlen wie 2015 aus. Sie rechnet 2016 mit Flüchtlingsausgaben von 2,3 Mrd. Euro. Mit 1,6 Mrd. Euro machen die Zuschüsse an die Kreise für die vorläufige Unterbringung den größten Teil der flüchtlingsbezogenen Gesamtausgaben aus.
2016 erwartet die Landesregierung Hilfen des Bundes (einschließlich kommunalem Anteil) von 0,4 Mrd. Euro. Dieser Betrag wird dem Landeshaushalt zunächst über die Umsatzsteuerverteilung als Abschlagszahlung zugewiesen. Ende 2016 soll die Zahlung anhand der Zahl der tatsächlich ankommenden Flüchtlinge und der Verfahrensdauer zwischen Registrierung und Bescheid modifiziert und spitz abgerechnet werden.
Trotz der erheblichen Mehraufwendungen für Flüchtlinge hat die Landesregierung 2015 - entsprechend der Empfehlung des Rechnungshofs - auf eine im Urhaushalt 2015/2016 geplante Nettokreditaufnahme von 768 Mio. Euro verzichtet. Dies war möglich durch hohe Steuereinnahmen und den Einsatz von Überschüssen aus 2012 und dem teilweise kreditfinanzierten Haushalt 2013.
Im Zweiten Nachtrag zum Staatshaushaltsplan 2015/2016 wurden die Rücklagen für Haushaltsrisiken für 2016 um 56 Mio. Euro auf insgesamt 518 Mio. Euro erhöht. Eine Nettokreditaufnahme 2016 ist weiterhin nicht vorgesehen.
2.2 Finanzplan 2016
2.2.1 Eckdaten des Finanzplans 2016
Die Landesregierung hat den Finanzplan 2016 im Februar 2016 veröffentlicht. In Tabelle 1 werden die Eckdaten des Finanzplans dargestellt.
2.2.2 Einnahmen, Ausgaben und Defizit
Nach dem Finanzplan 2016 liegen die Gesamteinnahmen 2020 um 4,2 Mrd. Euro über den Gesamteinnahmen 2015. Die Brutto-Steuereinnahmen steigen im Vergleichszeitraum sogar um 5,5 Mrd. Euro.
In den Steuereinnahmen sind die vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel zur Teilfinanzierung der Flüchtlingsausgaben enthalten. Im Planungszeitraum der Mifrifi 2015 bis 2019 werden hierfür zwischen 0,1 Mrd. Euro und 0,4 Mrd. Euro jährlich erwartet.
Für 2015 und 2016 sieht der Finanzplan 2016 Einnahmen aus Überschüssen der Vorjahre von insgesamt 4,7 Mrd. Euro vor. Damit sind sowohl die vollständigen Überschüsse der Jahre bis 2014 und ein Teilbetrag des erwarteten Überschusses 2015 verbraucht.
2017 sollen die Gesamteinnahmen gegenüber 2016 trotz Steuermehreinnahmen von 0,7 Mrd. Euro voraussichtlich um 1,8 Mrd. Euro sinken. Dies ist dadurch bedingt, dass keine Überschüsse aus Vorjahren eingeplant sind. In den weiteren Jahren bis 2020 erwartet die Landesregierung steigende Einnahmen.
Der Finanzplan 2016 weist gegenüber dem letztjährigen Finanzplan 2015 in allen Jahren deutlich höhere Ausgaben aus. Für 2020 beträgt der Ausgabenzuwachs im Vergleich der Finanzpläne 2,1 Mrd. Euro (+4,3 Prozent). Ein Großteil des Anstiegs entfällt auf die stark gestiegenen Flüchtlingsausgaben.
Bis einschließlich 2017 wird die Landesregierung dem Sondervermögen Versorgungsrücklage jährlich etwa 0,3 Mrd. Euro zuführen. Ab 2018 ist keine Zuführung mehr vorgesehen. Trotz dieser Entlastung steigen die Gesamtausgaben 2018 gegenüber 2017 um 0,7 Mrd. Euro an. Insgesamt liegen die Ausgaben 2020 um 7,0 Mrd. Euro über den Ausgaben 2015 (+15,8 Prozent).
Für 2015 und 2016 geht der Finanzplan von einem Haushalt ohne Nettokreditaufnahme aus. Tatsächlich konnte 2015 mit einem kassenmäßigen Überschuss von 1,6 Mrd. Euro abgeschlossen werden. Im Zweiten Nachtrag 2015/2016 wurde für 2016 bislang ein Teil des voraussichtlichen rechnungsmäßigen Überschusses 2015 von 200 Mio. Euro veranschlagt.
Ab 2017 werden die Ausgaben die Einnahmen in allen Jahren deutlich übersteigen. In 2020 beträgt das voraussichtliche Defizit 2,8 Mrd. Euro.
Der Abbau der Neuverschuldung begann gemäß Verordnung zu § 18 Landeshaushaltsordnung 2013 mit einem haushaltswirtschaftlichen Handlungsbedarf von 2,5 Mrd. Euro. Das im Finanzplan 2016 für 2020 ausgewiesene Defizit liegt mit 2,8 Mrd. Euro trotz der positiven Wirtschaftsentwicklung deutlich über dem Ausgangswert.
Das Defizit 2020 hat sich gegenüber dem letztjährigen Finanzplan 2015 um 77 Prozent erhöht. Tabelle 2 zeigt die Entwicklung des Defizits 2020 nach den bisherigen Finanzplänen auf.
2.2.3 Kreditaufnahme, Mehreinnahmen und Abbaupfad
Die Übergangsregelungen in § 18 Landeshaushaltsordnung und der hierzu ergangenen Verordnung ermöglichen grundsätzlich eine Nettokreditaufnahme bis einschließlich 2019.
Um die grundgesetzliche Schuldenbremse ab 2020 einzuhalten, verringert sich die zulässige Kreditaufnahme - vorbehaltlich einer Steuerschwankungs- und Finanztransaktionskomponente - in gleichmäßigen jährlichen Schritten.
Der Finanzplan 2016 weist für 2017 und 2018 eine nach § 18 Landeshaushaltsordnung und der dazu ergangenen Verordnung rechnerisch zulässige Nettokreditaufnahme von insgesamt 0,3 Mrd. Euro aus. 2019 und 2020 müssten nach dieser Berechnung bereits Kredite über insgesamt 1,0 Mrd. Euro getilgt werden.
Demgegenüber wurde im Finanzplan 2016 das politische Ziel formuliert, auch 2017 und 2018 keine neuen Schulden mehr aufzunehmen.
Wie schon im Finanzplan 2015 sind im aktuellen Finanzplan 2016 in 2020 Mehreinnahmen aufgrund von Steuerrechtsänderungen auf Bundesebene beziehungsweise Mehreinnahmen aufgrund veränderter Finanzbeziehungen zwischen den Ländern und dem Bund vorgesehen.
Der Abbaupfad definiert die stufenweise Rückführung des Finanzierungsdefizits auf Ebene des Gesamthaushalts bis 2020. Mit den Orientierungsplänen wird der im Finanzplan auf Gesamtplanebene festgelegte Abbaupfad auf die Einzelpläne umgelegt und damit eine einzelplanspezifische Abbauverpflichtung pro Haushalt festgelegt.
Der Finanzplan 2016 weist für 2017 bis 2020 einen Abbaupfad von 2,3 Mrd. Euro (2017) bis 3,0 Mrd. Euro (2020) aus. Für 2020 hat sich der Abbaupfad gegenüber dem letztjährigen Finanzplan 2015 mehr als verdoppelt.
2.3 Wesentliche Einflussfaktoren für die Haushaltsentwicklung bis 2020
Der Finanzplan ist gemäß § 18 Absatz 10 Landeshaushaltsordnung jährlich vorzulegen. Er ist kein statisches Instrument, sondern wird mit jeder Fortschreibung an die veränderte Lebenswirklichkeit in Baden-Württemberg angepasst. Die aktuelle Haushaltssituation ist insbesondere durch die Flüchtlingsausgaben von größeren Haushaltsrisiken geprägt als bei den vorangegangenen Finanzplänen.
2.3.1 Flüchtlingsausgaben
Die Landesregierung kalkuliert für 2016 bis 2020 die Flüchtlingsausgaben auf dem Niveau der Zugangszahlen von 2015 (104.000 Asylsuchende je Jahr). Die Mifrifi weist zwischen 2017 und 2019 flüchtlingsbezogene Ausgaben zwischen 1,9 Mrd. Euro und 2,1 Mrd. Euro je Jahr aus. Für 2020 hat die Landesregierung den Wert aus der Mifrifi für 2019 fortgeschrieben. Tabelle 3 stellt die erwarteten Ausgaben den bislang bekannten Entlastungen durch den Bund gegenüber. Über die Höhe weiterer Entlastungen ab 2017 hat der Bund noch nicht entschieden.
Die im Finanzplan 2016 ausgewiesenen Flüchtlingsausgaben in 2020 von brutto 1,9 Mrd. Euro liegen erheblich über dem Ansatz im letztjährigen Finanzplan 2015.
Die Gesamtausgaben sind im aktuellen Finanzplan 2016 für 2020 gegenüber dem letztjährigen Finanzplan 2015 um 2,1 Mrd. Euro gestiegen. Ein erheblicher Anteil der Zunahme ist auf die höheren Flüchtlingsausgaben zurückzuführen.
2.3.2 Neuregelung des Länderfinanzausgleichs
Der Finanzplan 2016 berücksichtigt ab 2020 Mehreinnahmen aufgrund Steuerrechtsänderungen auf Bundesebene beziehungsweise Mehreinnahmen aufgrund veränderter Finanzbeziehungen zwischen den Ländern und dem Bund von 400 Mio. Euro.
Auf der Ministerpräsidentenkonferenz im Dezember 2015 haben sich die Länder auf einen gemeinsamen Kompromiss zur Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ab 2020 geeinigt. Der Kompromiss sieht vor, den Länderfinanzausgleich in der jetzigen Form abzuschaffen und die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern neu zu regeln. Nach dem Kompromissvorschlag werden die Länder in 2020 um insgesamt 4,2 Mrd. Euro entlastet.
Baden-Württemberg würde in diesem Modell 2020 um 944 Mio. Euro brutto entlastet. Es kann davon ausgegangen werden, dass im Ergebnis die im Finanzplan 2016 für 2020 eingestellte Mehreinnahme erreicht wird.
Bei Redaktionsschluss der Denkschrift war offen, ob der Bund dem Ländervorschlag zustimmt.
2.3.3 Kommunaler Finanzausgleich
Das Land stellt den Gemeinden und Gemeindeverbänden zur Erfüllung ihrer Aufgaben Steuermittel und Mittel aus der Finanzausgleichsumlage zur Verfügung.
Die kommunale Finanzmasse wird nach der derzeit geltenden gesetzlichen Regelung bis Ende 2016 um jährlich 300 Mio. Euro gekürzt. Der Finanzplan 2016 führt diese Kürzung ab 2017 rechnerisch weiter. Inwiefern dieser Betrag realistisch ist, müssen die Verhandlungen zwischen dem Land und den kommunalen Landesverbänden und die nachfolgende Gesetzgebung zeigen.
2.3.4 Abrechnung des Finanzmarktstabilisierungsfonds
Im Zuge der Wirtschafts- und Finanzmarktkrise wurde 2008 der Finanzmarktstabilisierungsfonds (SoFFin/FMS) als Sondervermögen des Bundes errichtet. Ziel war es, den Finanzmarkt durch Hilfen zur Überwindung von Liquiditätsengpässen und durch die Schaffung von Rahmenbedingungen für eine stärkere Eigenkapitalbasis von Unternehmen zu stabilisieren.
Stabilisierungsmaßnahmen waren grundsätzlich bis zum 31.12.2015 möglich. Gemäß § 13 Absatz 1 Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz (FMStFG) ist der SoFFin/FMS anschließend abzuwickeln und aufzulösen. Der Bund trägt dabei einen Kostenanteil von 65 Prozent. Die Länder tragen 35 Prozent, höchstens jedoch 7,7 Mrd. Euro. Der Länderanteil wird unter den Ländern im Verhältnis der Einwohner und nach dem Bruttoinlandsprodukt aufgeteilt.
Bei einer Abrechnung des SoFFin/FMS muss nach derzeitigem Stand davon ausgegangen werden, dass Baden-Württemberg in Anspruch genommen wird. Wann und zu welchen Konditionen eine mögliche Belastung auf die Länder zukommen kann, ist derzeit allerdings noch offen.
2.4 Fazit
Im Finanzplan 2016 steigt das Defizit 2020 gegenüber dem letztjährigen Finanzplan 2015 um 1,2 Mrd. Euro auf 2,8 Mrd. Euro, obwohl sich die Einnahmen um 0,9 Mrd. Euro erhöhten. Ursächlich sind Mehrausgaben von 2,1 Mrd. Euro, von denen ein erheblicher Teil auf gestiegene Flüchtlingskosten zurückzuführen ist. Auch in den übrigen Bereichen sollen die Ausgaben 2020 gegenüber dem letztjährigen Finanzplan 2015 nochmals steigen.
Der Rechnungshof hatte in der Denkschrift 2015 festgestellt, dass der bisher geplante Personalabbau weitgehend infrage gestellt wird. Er empfahl, auf weitere nicht gegenfinanzierte strukturelle Mehrausgaben zu verzichten. Gleichwohl wurden in den beiden Nachträgen zum Staatshaushaltsplan 2015/2016 auch außerhalb des Flüchtlingsbereichs in erheblichem Umfang strukturelle Mehrausgaben beschlossen und die Stellenzahl deutlich erhöht. Ausgabenschwerpunkte waren bildungspolitische Maßnahmen, der Hochschulfinanzierungsvertrag und ein Stellenzuwachs im Polizeibereich.
Der Finanzplan 2016 wird durch die angestiegenen Flüchtlingsausgaben geprägt. Eine sichere Prognose über die weitere Entwicklung der Flüchtlingsausgaben bis 2020 ist nicht möglich. Die Landesregierung hat gleichbleibende Flüchtlingszahlen auf der Basis 2015 und ein gleichbleibendes Niveau der Flüchtlingsausgaben von etwa 2 Mrd. Euro bis 2020 angesetzt.
2020 beträgt das Defizit aus Einnahmen und Ausgaben 2,8 Mrd. Euro. Lediglich 1,8 Mrd. Euro davon sind unmittelbar auf die Flüchtlingsausgaben zurückzuführen. Das darüber hinausgehende Defizit beträgt in 2020 noch 1 Mrd. Euro. Allein um dieses Defizit auszugleichen, bedarf es einer deutlich verstärkten aktiven Haushaltskonsolidierung. Insbesondere sind nach einer Aufgabenkritik mögliche Stelleneinsparungen konsequent zu nutzen. Der Rechnungshof hat hierzu zahlreiche Vorschläge unterbreitet. Für strukturelle Mehrausgaben und einen weiteren Stellenzuwachs ohne entsprechende Gegenfinanzierung ist kein Spielraum vorhanden.
3 Empfehlungen
- Die Anstrengungen zur aktiven Konsolidierung des Landeshaushalts sollten deutlich verstärkt werden.
- Das Land muss auf strukturelle Mehrausgaben und Stellenzuwächse verzichten, soweit diese nicht durch dauerhafte Einsparungen gegenfinanziert sind.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft bemerkt, dass die Landesregierung aktive Konsolidierungspolitik betrieben habe. Es sei gelungen, die Haushalte 2015 und 2016 (Stand: Zweiter Nachtrag 2015/2016) ohne neue Schulden zu finanzieren und für weitere Haushaltsrisiken rund 0,5 Mrd. Euro einer Rücklage zuzuführen. Es gehöre zum Selbstverständnis einer soliden Haushaltspolitik, neue, zwangsläufige Mehrausgaben soweit möglich strukturell gegenzufinanzieren. Dem werde auch in Zukunft Rechnung getragen.
5 Schlussbemerkung
Angesichts des hohen erwarteten Defizits und der kurzen bis 2020 verbleibenden Zeit sollten die Anstrengungen zur aktiven Haushaltskonsolidierung deutlich intensiviert werden. Einmal identifizierte Einsparpotenziale sollten konsequent ausgeschöpft und nicht - wie beim Stellenabbau in der Vergangenheit häufig geschehen - ungenutzt bleiben.
Die nach der Steuerschätzung vom Mai 2016 weiter steigenden Steuereinnahmen des Landes können dazu führen, dass nach § 18 Landeshaushaltsordnung und der hierzu ergangenen Verordnung schon in 2017 und 2018 keine Nettokreditaufnahmen mehr zulässig sein werden.
Der Finanzplan 2016 weist für 2020 ein Defizit von 2,8 Mrd. Euro aus. Der Koalitionsvertrag für die 16. Wahlperiode sieht strukturelle Einsparungen von 1,8 Mrd. Euro in der Endstufe bis 2020 vor. Ob dies ausreichen wird, um für 2020 einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, muss der nächste Haushalt und die darauf aufbauende Finanzplanung zeigen.
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Das durch das Grundgesetz vorgegebene grundsätzliche Verschuldungsverbot ist zeitnah in der Landesverfassung zu verankern. Darin sollten auch eine erlaubte symmetrische Konjunkturkomponente und eine Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen geregelt werden. Die Ausgestaltung der Schuldenbremse wäre in einem Ausführungsgesetz hinreichend zu konkretisieren.
1 Ausgangslage
1.1 Grundgesetz
Das Grundgesetz schreibt den Ländern vor, ihre Haushalte spätestens ab 2020 grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Diese Regelung gilt unmittelbar. Eine eigene Regelungskompetenz haben die Länder allerdings für zwei Tatbestände. Sie können zum einen entscheiden, ob sie eine Regelung für eine symmetrisch ausgestaltete Konjunkturkomponente treffen. Zum anderen ist eine Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und dessen Finanzlage erheblich beeinträchtigen, möglich.
1.2 Derzeitiger Stand in Baden-Württemberg
Der Rechnungshof hatte bereits in den Denkschriften 2006 und 2008 gefordert, ein Verschuldungsverbot in der Landesverfassung zu verankern. In der Denkschrift 2012 (Beitrag Nr. 6) wurde diese Forderung erneuert.
In der abgelaufenen 15. Wahlperiode kam es trotz mehrerer Initiativen zu keiner Änderung der Landesverfassung.
Geändert wurde allerdings die Landeshaushaltsordnung. In § 18 Landeshaushaltsordnung wurde das grundsätzliche Neuverschuldungsverbot - Absatz 1 - sowie die Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen - Absatz 6 - verankert. Das grundsätzliche Neuverschuldungsverbot gilt allerdings in Baden-Württemberg für einen Übergangszeitraum bis einschließlich 2019 (noch) nicht. Vielmehr wurde durch die Absätze 2 bis 5 und eine hierzu ergangene Verordnung ein Stufenplan zum Abbau der Neuverschuldung festgelegt. Ausgehend vom haushaltswirtschaftlichen Handlungsbedarf 2013 von 2,5 Mrd. Euro verringert sich die jährlich zulässige Neuverschuldung in gleichmäßigen Schritten bis 2019. Die jeweils festgelegten Werte werden mittels einer Steuerschwankungs- und einer Finanztransaktionskomponente modifiziert. Weicht die tatsächliche Kreditaufnahme von der zulässigen Kreditaufnahme ab, werden die Abweichungen auf einem Kontrollkonto erfasst. Die Steuerschwankungskomponente wird über ein sogenanntes Trendsteuereinnahmen-Modell ermittelt.
Der Rechnungshof hat das Modell in der Denkschrift 2015 (Beitrag Nr. 3) näher dargestellt.
Nach dem Finanzplan 2015 bis 2020 des Landes Baden-Württemberg (siehe Beitrag Nr. 4) führt dieses Modell rechnerisch dazu, dass bereits in 2019 keine Nettokreditaufnahme mehr erfolgen darf, sondern vielmehr 320 Mio. Euro getilgt werden müssen. Im Jahr 2020 - für welches § 18 Absätze 2 bis 5 Landeshaushaltsordnung formal nicht mehr gelten - liegt die rechnerische Tilgung sogar bei 650 Mio. Euro. Die nach der Steuerschätzung vom Mai 2016 weiter steigenden Steuereinnahmen des Landes können dazu führen, dass schon 2017 und 2018 keine Nettokreditaufnahmen mehr zulässig sein werden (siehe Beitrag Nr. 4, Punkt 5).
Der Koalitionsvertrag für die 16. Wahlperiode sieht eine Aufnahme der Schuldenbremse in die Landesverfassung vor. Hierfür bedarf es einer verfassungsändernden Mehrheit.
2 Ausgestaltung der Schuldenbremse
2.1 Verankerung einer Schuldenbremse in der Verfassung anderer Länder
Die überwiegende Zahl der Länder hat auf der Basis des Grundgesetzes bereits landesrechtliche Regelungen zur Ausgestaltung der Schuldenbremse getroffen.
Acht Länder haben die Schuldenbremse bislang in die jeweilige Landesverfassung aufgenommen. Sie haben hierbei durchweg eine symmetrische Konjunkturkomponente und eine Ausnahmebestimmung für Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen in ihrer Verfassung verankert.
Der Detailierungsgrad dieser Verfassungsregelungen ist allerdings sehr unterschiedlich. Er reicht von einer dem Wortlaut des Grundgesetzes weitgehend gleichen und damit nur die Grundsätze festlegenden Regelung bis hin zur Festlegung einer konkreten Methode einer symmetrischen Konjunkturkomponente. Zum Teil wurde eine bestimmte parlamentarische Mehrheit festgelegt, um die Ausnahmeregelung in Anspruch nehmen zu können.
2.2 Methoden zur Ermittlung der Konjunkturkomponente
Die Länder können regeln, dass die Auswirkungen einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung im Auf- und Abschwung symmetrisch berücksichtigt werden.
Der Bund bedient sich des sogenannten EU-Modells, wie es im Rahmen der Haushaltsüberwachung auf europäischer Ebene angewendet wird.
Dieses Modell wird auf Basis entsprechender Verwaltungsvereinbarungen auch dafür eingesetzt, um bis 2020 bei den Ländern, die Konsolidierungshilfen vom Bund erhalten, das jährliche Defizit in einen konjunkturellen und in den abzubauenden strukturellen Teil aufzuteilen.
In den Ländern haben sich neben dem EU-Modell zwei weitere Grundmodelle zur Ermittlung der Konjunkturkomponenten etabliert.
2.2.1 EU-Modell
Dargestellt wird das mit den Konsolidierungshilfeländern in den entsprechenden Verwaltungsvereinbarungen festgelegte Modell.
Ausgangspunkt des EU-Modells ist die sogenannte Produktionslücke auf gesamtstaatlicher Ebene. Diese ergibt sich aus einem Vergleich des für das zu planende Haushaltsjahr angenommenen Bruttoinlandsprodukts mit demjenigen, das sich bei einer Normalauslastung des Produktionspotenzials ergäbe.
Der sich hierbei ergebende - positive oder negative - nominale Differenzbetrag wird als Produktionslücke bezeichnet. Diese wird mit einem Faktor - der Budgetsensitivität - multipliziert. Dabei handelt es sich um den unterstellten Einfluss der Lücke auf die Steuereinnahmeseite der Länderhaushalte. Ergebnis ist die nominale Konjunkturkomponente der Ländergesamtheit in Euro. Ist sie negativ, dürfen die Länder insgesamt neue Kredite aufnehmen. Ist sie positiv, müssen die Länder Kredite tilgen oder Rücklagen bilden.
Diese Konjunkturkomponente wird dann auf Basis der jeweiligen Steuereinnahmequote eines Landes auf die Länder verteilt. Daraus ergibt sich die negative oder positive Ex-ante-Konjunkturkomponente für die Haushaltsplanaufstellung des Landes.
Nach Abschluss des Haushaltsjahres wird die Ex-ante-Konjunkturkomponente mit der Differenz zwischen den geschätzten und den Ist-Steuereinnahmen addiert. Als Ergebnis erhält man die Ex-post-Konjunkturkomponente.
2.2.2 Trendsteuereinnahmen-Modell
2.2.2.1 Grundzüge
Dieses Modell knüpft an die Steuereinnahmen des Landes an.
Zunächst wird die konjunkturelle Normallage anhand der Steuereinnahmen eines bestimmten Jahres definiert. Die so festgelegten Steuereinnahmen bilden für dieses Jahr die Trendsteuereinnahmen.
Die Trendsteuereinnahmen der Folgejahre werden ermittelt, indem man diejenigen des jeweiligen Vorjahres mit dem Durchschnitt der jährlichen Steuerwachstumsraten eines bestimmten rollierenden Zeitraums multipliziert.
Bei der Haushaltsplanaufstellung wird eine Abweichung von der konjunkturellen Normallage nach oben oder unten dadurch ermittelt, dass die Trendsteuereinnahmen für das zu planende Haushaltsjahr mit den für dieses Jahr geschätzten Steuereinnahmen verglichen werden.
Liegen die geschätzten Einnahmen unter den Trendsteuereinnahmen, eröffnet dies die Möglichkeit einer Nettokreditaufnahme. Eine Abweichung nach oben führt zu einer Nettotilgung oder zur Bildung von Rücklagen. Rücklagen können in konjunkturellen Abschwungphasen genutzt werden, um eine Nettokreditaufnahme zu vermeiden.
2.2.2.2 Beispiele aus den Ländern
Dieses Modell findet derzeit in Baden-Württemberg Anwendung, allerdings als Übergangsregelung bis 2019. Nach § 18 Absatz 2 Landeshaushaltsordnung ist die Neuverschuldung beginnend ab 2013 schrittweise abzubauen. Hierfür wurden in der Verordnung zu § 18 Landeshaushaltsordnung für die Jahre 2013 bis 2019 jeweils Höchstgrenzen der zulässigen Neuverschuldung als Basiswert festgelegt. Das Trendsteuereinnahmen-Modell dient bis 2019 dazu, diese Basiswerte entsprechend der konjunkturellen Entwicklung zu modifizieren.
Als Ausgangswert des Modells wurden die Ist-Nettosteuereinnahmen des Jahres 2011 als Trendsteuereinnahmen für 2011 festgelegt. Die jährliche Fortschreibungsrate ergibt sich aus dem Durchschnitt der Änderungsraten der jeweils vergangenen 30 Jahre.
Auch Rheinland-Pfalz ermittelt die Konjunkturkomponente auf Basis des Trendsteuereinnahmen-Modells. Dort wurden für den Beginn die Werte der Trendsteuereinnahmen zunächst für die Jahre 2011 bis 2015 jeweils betragsmäßig festgelegt. Die Fortschreibungsrate ist der Durchschnitt der Wachstumsraten eines Zeitraums von jeweils acht Jahren.
2.2.3 Referenzwert-Modell
2.2.3.1 Grundmodell
In diesem Modell werden die für das zu planende Haushaltsjahr erwarteten Steuereinnahmen einem Referenzwert gegenübergestellt. Der Referenzwert definiert dabei die konjunkturelle Normallage.
Er wird aus dem Durchschnitt der jährlichen Steuereinnahmen einer bestimmten Zahl von Vorjahren ermittelt.
Weichen die für das zu planende Haushaltsjahr erwarteten Steuereinnahmen von diesem Referenzwert nach unten ab, wird dies als Ausdruck eines konjunkturellen Abschwungs definiert. Dies ermächtigt zur Aufnahme von Krediten.
Schwieriger verhält es sich bei einer Abweichung nach oben. Eine Solche dürfte der Regelfall sein. Die Steuereinnahmen sind in der Vergangenheit auch in konjunkturell schwächeren Phasen gestiegen und nur in wirklich krisenhaften Zeiten real gesunken. Man kann somit Steuereinnahmen, die den Referenzwert überschreiten, nicht ohne Weiteres vollumfänglich als konjunkturbedingt definieren und sie einer Rücklage oder der Schuldentilgung zuführen.
2.2.3.2 Beispiele aus den Ländern
Das Referenzwert-Modell wird derzeit in unterschiedlichen Ausprägungen in Sachsen und Thüringen angewendet.
In Sachsen ist eine konjunkturell bedingte Kreditaufnahme nur dann zulässig, wenn die Steuereinnahmen um 3 Prozent unter den durchschnittlichen Steuereinnahmen der vergangenen vier Jahre liegen. Das Jahr, für welches der Haushalt aufgestellt wird, bleibt bei der Berechnung des Referenzwerts außen vor. Mögliche neue Kredite sind begrenzt auf den Unterschiedsbetrag zwischen den Steuereinnahmen und 99 Prozent des Referenzwerts. Sie sind innerhalb von acht Jahren zu tilgen.
In Thüringen reicht für eine Kreditaufnahme eine bloße Abweichung der Steuereinnahmen vom Referenzwert nach unten, ohne prozentuale Schranke, aus. Die Kredite sind innerhalb von fünf Jahren zurückzuführen. Der Referenzwert wird aus dem Durchschnitt der Steuereinnahmen der letzten drei kassenmäßig abgeschlossenen Jahre gebildet.
Eine feste rechnerische Regel über den Umgang mit Steuereinnahmen, die über dem Referenzwert liegen, haben beide Länder nicht.
2.2.4 Übergreifende Fragestellungen bei allen drei Modellen
Alle drei Modelle zur Ermittlung der Konjunkturkomponente können in vielfältiger Weise variiert werden. So kann z. B. beim Referenzwert-Modell und dem Trendsteuereinnahmen-Modell über die Länge des Vergleichszeitraums auf das Volumen zulässiger Kredite Einfluss genommen werden.
Eine relevante Frage ist auch, wie mit Steuerrechtsänderungen umzugehen ist. Bei der bis 2019 für Baden-Württemberg geltenden Übergangslösung werden diese nicht berücksichtigt. Aufgrund des langen Vergleichszeitraums für die Steuereinnahmen von 30 Jahren und aufgrund des Zwecks der Übergangsregelung erscheint dies sachgerecht. Im Regelwerk von Rheinland-Pfalz werden Steuerrechtsänderungen berücksichtigt, ebenso im EU-Modell bei den Konsolidierungshilfeländern.
In allen Modellen muss entschieden werden, wie Abweichungen zwischen der Ex-ante- (ermittelter Wert bei der Haushaltsplanaufstellung) und der Ex-post-Betrachtung (tatsächlicher Wert nach Abschluss des Haushaltsjahres) behandelt werden sollen.
2.3 Weitere Fragestellungen bei einer dauerhaften Schuldenbremse
Darüber hinaus sind bei der endgültigen Ausgestaltung der Schuldenbremse in Baden-Württemberg jedenfalls folgende Aspekte zu beachten:
- Die endgültige Regelung einer Finanztransaktionskomponente. Eine solche ist derzeit in § 18 Absatz 4 Landeshaushaltsordnung nur vorläufig festgelegt.
- Die endgültige Regelung des Umgangs mit nicht verbrauchten Kreditermächtigungen aus Vorjahren als Einnahmereste. Diese ist in § 18 Absatz 2 Satz 3 Landeshaushaltsordnung bislang ausdrücklich nur für die Phase des Abbaus der Neuverschuldung bis 2019 geregelt.
- Die Behandlung von Überschüssen aus den Vorjahren. Es sollte geprüft werden, ob Überschüsse aus den Vorjahren in ein Konjunkturbereinigungsverfahren einfließen und wie sie im Staatshaushaltsplan und in der Haushaltsrechnung dargestellt werden (siehe Beitrag Nr. 3).
- Der Umgang mit bislang verlagerten Verpflichtungen, namentlich Vorfinanzierungen durch die Finanzierungsgesellschaft für öffentliche Vorhaben des Landes Baden-Württemberg mbH.
- Der Umgang mit dem Kontrollkonto, das im Rahmen der Übergangsregelung nach § 18 Absatz 5 Landeshaushaltsordnung gebildet wurde. Nach Abschluss des Jahres 2015 weist dieses Konto einen positiven Saldo von rund 771 Mio. Euro auf.
3 Empfehlungen
3.1 Schuldenbremse in der Landesverfassung verankern
Die Notwendigkeit, die wesentlichen Grundsätze der Schuldenbremse in der Landesverfassung zu verankern, steht für den Rechnungshof außer Frage. Nur wenn die Schuldenbremse in der Landesverfassung geregelt ist, kann ihre Einhaltung in einem Normenkontrollverfahren durch den Verfassungsgerichtshof überprüft werden.
Bereits bei der parlamentarischen Behandlung der derzeitigen Übergangsregelung in der Landeshaushaltsordnung wurde eine spätere Verankerung der Schuldenbremse in der Landesverfassung nicht ausgeschlossen. Man sah die Möglichkeit, bei der späteren Implementierung einer symmetrischen Konjunkturkomponente auf Erfahrungen des Bundes und der anderen Länder zurückgreifen zu können.
Zu einer Verfassungsregelung gehört aus Sicht des Rechnungshofs
- das grundsätzliche Verbot der Neuverschuldung,
- die Möglichkeit einer im Auf- und Abschwung symmetrischen Konjunkturkomponente und
- eine Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen oder ähnliche, sich der Kontrolle des Landes entziehende und dessen Finanzlage erheblich beeinträchtigende außergewöhnliche Notsituationen, nebst Tilgungsplan.
Überlegenswert ist zudem eine qualifizierte parlamentarische Mehrheit für die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung aufzunehmen.
Die Modalitäten einer Konjunktur- und Finanztransaktionskomponente können auf Ebene des einfachen Gesetzes geregelt werden. Der Gesetzgeber sollte dann allerdings alle wesentlichen Bestimmungen selbst treffen und diese nicht auf die Landesregierung als Verordnungsgeber delegieren. Soweit Einzelheiten in einer Rechtsverordnung geregelt werden, sollte diese der Zustimmung des Landtags unterliegen.
3.2 Konjunkturbereinigungsverfahren einführen
Bei der parlamentarischen Beratung des derzeitigen, als Übergangslösung ausgestalteten Trendsteuereinnahmen-Modells in § 18 Absatz 3 Landeshaushaltsordnung hatte sich der Rechnungshof 2012 dahingehend geäußert, dass auf Landesebene ein Trendsteuereinnahmen-Modell besser handhabbar sei, als das Konjunkturbereinigungsverfahren des Bundes.
Zwar wäre grundsätzlich wünschenswert, wenn es über die 16 Länder hinweg gleichlaufende Bestimmungen gäbe. Nach der bisher schon unterschiedlichen Entwicklung ist dies aber nicht zu erwarten. Somit ist künftig nicht auszuschließen, dass ein Land bei gleicher konjunktureller Entwicklung neue Kredite aufnehmen darf und das andere nicht beziehungsweise ein Land tilgen oder Rücklagen bilden muss und das andere nicht.
Zentraler Punkt einer Regelung ist zunächst ihre Symmetrie. Über einen überschaubaren Zeitraum hinweg, den man als Konjunkturzyklus bezeichnen kann, darf sich per Saldo keine dauerhafte Erhöhung des Schuldenstandes ergeben.
Für eine solche Symmetrieeigenschaft gibt es für die bisherigen Modelle in den Ländern allerdings noch keine ausreichend lange Erfahrung.
Ebenso bedeutsam sind Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Handhabbarkeit. Insoweit ist das EU-Modell in seinem Ausgangspunkt, also der Berechnung der Produktionslücke aus der Differenz des prognostizierten Bruttoinlandsprodukts und des geschätzten Produktionskapitals, nicht einfach nachvollziehbar.
3.3 Neuregelung für die Schuldenbremse zeitnah angehen
Eine dauerhaft geltende Schuldenbremse sollte aus Sicht des Rechnungshofs frühzeitig inhaltlich ausgestaltet und in der Landesverfassung verankert werden.
Spätestens 2019 müsste die Schuldenbremse für das Verfahren zur Aufstellung des Staatshaushaltsplans 2020 in der Landesverfassung verankert sein.
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Das strategische Management der IT und des E-Governments der Landesverwaltung ist vorrangige Aufgabe des Beauftragten der Landesregierung für Informationstechnologie. Ihm sollte deshalb der IuK-Strukturpool übertragen werden.
1 Ausgangslage
1.1 Bisherige Prüfungen des Rechnungshofs
Mit der Beratenden Äußerung zur „Neuausrichtung der Organisation der Informations- und Kommunikationstechnik in der Landesverwaltung“ vom August 2009 wurde von der Finanzkontrolle ein Prozess zur IT-Neuordnung in der Landesverwaltung angestoßen. Dieser wurde u. a. mit den Prüfungen „IuK-Serverlandschaft Baden-Württemberg“ und „Das Informatikzentrum Landesverwaltung Baden-Württemberg“ begleitet und gestützt.
Offenkundig war, dass die zur Konsolidierung und Standardisierung der Landes-IT notwendigen Maßnahmen Anschubfinanzierungen benötigen. Wir hatten deshalb bereits in der Prüfung der Serverlandschaft auf den IuK-Strukturpool hingewiesen, der Teil des Grundstocks ist. Der Grundstock wird aus Einnahmen gespeist, die das Land bei der Veräußerung von Grundstücken und Unternehmensanteilen realisiert. Das im Grundstock verwaltete Sondervermögen darf grundsätzlich nur für Zwecke eingesetzt werden, welche das Landesvermögen sichern, es sei denn, es gibt vom Ministerium für Finanzen und Wirtschaft zugelassene Ausnahmeregelungen. Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft gab an, dass „zur Einrichtung des IuK-Strukturpools … der Ministerrat am 6.10. und 15.12.1997 beschlossen [hat], dass zur Anschubfinanzierung Erlöse bis zu 100 Mio. DM (rund 51 Mio. Euro) aus dem Verkauf von Grundstücken und Beteiligungen eingesetzt werden können. Bislang wurden dem IuK-Strukturpool Veräußerungserlöse von 24 Mio. Euro zugeführt. Der IuK-Strukturpool hat zum 01.01.2016 einen Bestand in Höhe von 31.646.317,19 Euro. Für die aktuell aus dem IuK-Strukturpool vorfinanzierten Maßnahmen „Amtliche Schulverwaltung“ und „Projekt Infrastruktur und Architektur der Förder- und Ausgleichsmaßnahmen“ werden 2016 weitere Entnahmen bis zu 7.387.884,27 Euro erwartet. Demgegenüber stehen Rückerstattungen in den Jahren 2016 bis 2023 von 14.339.360,00 Euro“. Damit können Investitionen für IT-Projekte und allgemeine Reformprojekte vorfinanziert werden, d. h., sie müssen sich bei Vollkostenrechnung selbst refinanzieren. Die entnommenen Mittel müssen durch die jeweiligen Nutznießer an den Grundstock zurückgeführt werden.
1.2 Aufgaben des Beauftragten für Informationstechnologie
Mit der IT-Neuordnung wurde zum 01.07.2015 u. a. ein Beauftragter der Landesregierung für Informationstechnologie (CIO) eingesetzt. Seine Aufgabe ist auch, die Kosten der IT des Landes zu senken. Dazu sollen die IT-Ausgaben zunächst jährlich ansteigend und ab 2021 dauerhaft um 40 Mio. Euro gesenkt werden. Um das zu erreichen, sind unterschiedliche Vorhaben in die Wege zu leiten, wie z. B.
- die Konsolidierung und weitere Modernisierung der Rechenzentren,
- die Standardisierung der bestehenden IT,
- die Einführung einer E-Akte in Folge des E-Government-Gesetzes Baden-Württemberg,
- die Umsetzung der Mobile-Government-Strategie und
- die Etablierung und kontinuierliche Fortführung eines hinreichenden Informationssicherheitsmanagements.
Zumindest ein Teil dieser Vorhaben muss vorfinanziert werden, bevor die Kosten den Kunden aus der Landesverwaltung in Rechnung gestellt werden können.
2 Prüfungsergebnisse
Die dynamische Entwicklung der IT des Landes erfordert eine zentrale Gesamtsteuerung. Das strategische Management der IT und des E-Governments der Landesverwaltung ist vorrangige Aufgabe des CIO. Er muss deshalb auch verantworten, für welche übergeordneten Projekte Finanzmittel bereitgestellt werden.
Der Rechnungshof hat bereits in seiner Beratenden Äußerung zur „Neuausrichtung der Organisation der Informations- und Kommunikationstechnik in der Landesverwaltung“ vom August 2009 unter Punkt 8.3.1 gefordert, dass der CIO auch handlungsfähig gemacht werden muss, indem er mit Personal und Haushaltsmitteln ausgestattet wird. Ein vom Rechnungshof vorgeschlagenes Szenario war dabei, die Ausgaben für ressortübergreifende Fachverfahren, Dienste und zentrale Beschaffung zentral zu veranschlagen und von einer zentralen Stelle zu bewirtschaften. Paradebeispiel dafür ist die Einführung der E-Akte. Bevor die Landesoberbehörde IT Baden-Württemberg (BITBW) für den Betrieb eines E-Akte-Systems von ihren Kunden Entgelte verlangen kann, hat sie einen erheblichen Vorbereitungs- und Entwicklungsaufwand.
Im Kapitel 0309 des Staatshaushaltsplans stehen dem CIO für die Finanzierung übergeordneter Aufgaben zwar Haushaltsmittel zur Verfügung. Diese sind aber weitgehend gebunden. Damit hat der CIO keine eigenen Mittel, um die Landes-IT grundlegend zu modernisieren und dabei nutzerorientierter, standardisierter und wirtschaftlicher zu gestalten. Die dafür notwendigen Ressourcen, also Personal und Sachmittel, können nicht immer aus den aktuell bewilligten Haushaltsansätzen gestellt beziehungsweise finanziert werden.
Wenn übergeordnete IT-Projekte nicht vorfinanziert werden, besteht die Gefahr, dass sie nicht in der vorgegebenen Zeit und mit dem ursprünglich geplanten Budget zu Ende gebracht werden. Diese Gefahr ist bei der geplanten Einführung der E-Akte besonders groß, besteht aber auch bei anderen Projekten, wie der Entwicklung eines standardisierten einheitlichen Bürokommunikations-Arbeitsplatzes.
Der IuK-Strukturpool ist dafür prädestiniert, Vorfinanzierungen von übergeordneten IT-Projekten zu ermöglichen, für die der CIO die Gesamtverantwortung trägt, und gleichzeitig den Wirtschaftlichkeitsdruck auf entsprechende Projekte zu erhöhen. Dieser Strukturpool steht dem CIO, obwohl er für die Gesamtsteuerung der IT zuständig ist, nicht zur Verfügung; er wird vom Ministerium für Finanzen und Wirtschaft bewirtschaftet.
3 Empfehlungen
3.1 IuK-Strukturpool übertragen
Die Landesregierung sollte den im Kapitel 1209 unter Titel 356 02 des Staatshaushaltsplans mit seinen Zuführungen und Entnahmen dargestellten IuK-Strukturpool für die IT-Neuordnung strategisch einsetzen, z. B. für die Vorfinanzierung des Projekts E-Akte. Der IuK-Strukturpool war immer als Instrument für die IT-Modernisierung gedacht. Er sollte daher mit den damit verbundenen Rechten und Pflichten vom Kapitel 1209 in das Kapitel 0309 (Zentrale Informationstechnologie Landesverwaltung) des Staatshaushaltsplans übertragen werden.
3.2 Zeit- und Finanzierungspläne erstellen
Für geeignete Vorhaben müssen mit Wirtschaftlichkeitsberechnungen unterfütterte Zeit- und Finanzierungspläne erstellt und die einzelnen Vorhaben priorisiert werden. Eine nominelle Reduzierung des IuK-Strukturpools könnte zumindest für IT-Projekte mittelfristig angestrebt werden. Dies könnte durch eine Reduzierung des Entnahmebetrags aus dem Grundstock erfolgen.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft begrüßt in Abstimmung mit dem Innenministerium die Empfehlung, den IuK-Strukturpool zur Modernisierung der IT im Kontext der IT-Neuordnung strategisch einzusetzen.
Es eigne sich aber nicht jedes Vorhaben oder Projekt für eine Finanzierung aus dem IuK-Strukturpool. Die Entscheidung zum Einsatz von Vorfinanzierungsmitteln des Grundstocks setze eine Wirtschaftlichkeit der Maßnahme im Sinne monetär messbarer Effizienzgewinne voraus. Die Vorlage entsprechender begründender Unterlagen (Wirtschaftlichkeitsberechnungen, Refinanzierungspläne usw.) sei obligatorisch.
Gemäß § 8 Absatz 4 Staatshaushaltsgesetz seien aus dem im Allgemeinen Grundstock eingerichteten Sonderfonds „Informations- und Kommunikations-Pool“ bei Vollkostenrechnung nur sich selbst refinanzierende Informations-, Kommunikations- und andere Reformprojekte der Landesverwaltung durchzuführen, die nicht anderweitig finanziert werden könnten. Eine dauerhafte Entlastung des Gesamthaushalts sei dabei Zielvorgabe.
Änderungen in der haushaltsrechtlichen Verantwortung des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft für die Verwaltung des Grundstocks beziehungsweise von Teilen des Grundstocks u. a. nach § 113 Absatz 2 Landeshaushaltsordnung würden vom Ministerium für Finanzen und Wirtschaft nicht mitgetragen. Diese haushaltsrechtliche Verantwortung ergäbe sich aus den gesamthaushaltswirtschaftlichen Aspekten.
Der CIO sei an dem jeweiligen IT-Vorhaben gemäß der Verwaltungsvorschrift der Landesregierung über die Organisation des Einsatzes von Informationstechnik in der Landesverwaltung Baden-Württemberg (VwV IT-Organisation), welche zum 01.07.2016 in Kraft treten solle, zu beteiligen. Darüber hinaus könne der CIO entsprechende Vorhaben zur Finanzierung aus dem IuK-Strukturpool initiieren. Infolgedessen würde gegenwärtig geprüft, ob und in welchem Umfang sich das - zur Umsetzung von § 6 Absatz 1 E-Government-Gesetz Baden-Württemberg notwendige - Projekt E-Akte für eine Finanzierung aus dem IuK-Strukturpool eigne.
5 Schlussbemerkung
Der Rechnungshof begrüßt, dass die Landesregierung das Anliegen der Finanzkontrolle, übergeordnete IT-Projekte aus dem IuK-Strukturpool zu finanzieren, aufgreifen will. Da das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft die Bewirtschaftungsbefugnis für den IuK-Strukturpool dem CIO nicht übertragen will, schlägt der Rechnungshof nunmehr vor, den IuK-Strukturpool insgesamt in das Kapitel 0309 (Zentrale Informationstechnologie Landesverwaltung) des Staatshaushaltsplans zu übertragen, in das er sowohl von der Zielsetzung als von der Sache her gehört.
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Das Outsourcing der Bürokommunikation in der Landesverwaltung zeigt, dass eine auf Dienstgüten aufbauende standardisierte IT-Umgebung zu günstigen Konditionen zu betreiben ist.
Die Outsourcingverträge enden im März 2017. Deshalb muss unverzüglich eine Anschlusslösung realisiert werden.
1 Ausgangslage
Die Landesregierung betrieb bereits Ende der Neunzigerjahre Teile der Bürokommunikation (BK) der Landesverwaltung im Outsourcing. Dafür waren ein Rahmenvertrag mit einem externen Dienstleister und daraus resultierende Einzelverträge geschlossen worden. Der private Dienstleister stattete anfangs das Justiz- und das Wissenschaftsministerium aus und betreute die BK-Arbeitsplätze. Die im Wesentlichen positiven Erfahrungen führten dazu, dass ab 2000 auch die Bürokommunikation der gesamten Ordentlichen Gerichtsbarkeit, der Fachgerichtsbarkeiten und der Generalstaatsanwaltschaften sowie der Kultusverwaltung outgesourct wurden.
Weil diese Verträge ausliefen, beauftragte der Ministerrat am 19.12.2005 die Verwaltung, die Bürokommunikation europaweit auszuschreiben.
Es sollte ein „Generalunternehmer“ gefunden werden, welcher in seiner unternehmerischen Gesamtverantwortung die Bürokommunikation beschafft, betreibt und optimiert. Die Ausschreibung definierte Services und gab für diese eine Dienstgüte (Service-Level) vor. Außerdem war nach vier Jahren ein Technologie-Refreshment mit Hard- und Software vorgesehen.
Der geschätzte Auftragswert lag im dreistelligen Millionenbereich. Als Ergebnis der Ausschreibung wurde am 27.03.2009 ein Rahmenvertrag über das Outsourcing von maximal 16.500 BK-Arbeitsplätzen mit einer Laufzeit von sechs Jahren und einer Verlängerungsoption von zwei Jahren geschlossen. Der Ausschreibungs- und Vergabevorgang wurde mit einem ausführlichen Vergabevermerk dokumentiert. Auf der Basis des Rahmenvertrags wurden zeitgleich zunächst vier Einzelverträge für
- das Justizministerium,
- die Gerichte, Staatsanwaltschaften, Generalstaatsanwaltschaften, Fachhochschule Schwetzingen sowie Jugendarrestanstalten,
- den Justizvollzug und
- das Wissenschaftsministerium
geschlossen.
Am 07.02.2012 kam der Einzelvertrag für das Ministerium für Integration hinzu.
Insgesamt wurde über diesen Rahmenvertrag der Betrieb von rund 12.500 BK-Arbeitsplätzen outgesourct.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Vertragslaufzeit
Der Rahmenvertrag wurde am 27.03.2009 auf sechs Jahre mit einer Verlängerungsoption von einmalig zwei Jahren geschlossen. Als maximale Laufzeit bei Rahmenverträgen sind grundsätzlich vier Jahre vorgesehen. Der Vergabevermerk begründete die längere Laufzeit mit dem Projektumfang und seiner Vielschichtigkeit sowie den sich daraus ergebenden besonderen Anforderungen an den Auftragnehmer. Deshalb sei eine vierjährige Laufzeit der Rahmenvereinbarung zu kurz. Diese Einschätzung war vom Wortlaut der damals gültigen Vergabeordnung für Leistungen gedeckt.
Seit dem Zuschlag mehren sich jedoch die Anzeichen, wonach der Wettbewerb durch europäische Vorgaben und vergaberechtliche Entscheidungen noch mehr in den Vordergrund treten soll. Dies zeigt auch der Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 14.02.2012 (VII-Verg 95/11), wonach hoher Aufwand und Anfangsinvestitionen nicht als Begründung für längere Laufzeiten von Rahmenvereinbarungen zulässig wären. Eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Frage gibt es bislang nicht.
2.2 Services und Dienstgüte
Im Rahmenvertrag und in den daraus abgeleiteten Einzelverträgen ist festgehalten, in welchem Umfang und zu welcher Dienstgüte (Service-Level) die Dienstleistung erbracht werden muss. Der Dienstleister hatte in diesem Rahmen freien Handlungs- und Gestaltungsspielraum. Er konnte die Ausstattung und den Betrieb nach seinen Konzepten umsetzen.
Die Dienstleistung für die nutzenden Ressorts basiert auf Leistungsparametern. Damit waren Kontrollmechanismen integriert. Mangelhafte Leistungen werden in den jeweiligen Rechnungen unmittelbar in Abzug gebracht.
2.3 Steuerung und Kontrolle des Dienstleisters
Die beauftragenden Ressorts steuerten und kontrollierten die Leistungserbringung durch den Dienstleister fortlaufend. Diese Aufgabe band personelle Ressourcen. Der entsprechende Aufwand floss in die vom Rechnungshof durchgeführten Kostenvergleiche ein.
2.4 Wirtschaftlichkeit
Die zentrale und elementare Aufgabe, die BK-Technik zu modernisieren, zu standardisieren, zu zentralisieren und zu betreiben, hat der Dienstleister wirtschaftlich gelöst. Den Anwendern steht bei technischen Fragen oder IT-Problemen ein zentraler User Help Desk und in größeren Verwaltungseinheiten ein Vor-Ort-Service zur Verfügung.
Der Rechnungshof hat die Kosten für den Betrieb der Bürokommunikation im Outsourcing mit den in der Prüfung „Bürokommunikationssystem im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (Denkschrift 2013, Beitrag Nr. 12 )“ ermittelten Betriebskosten des Jahres 2012 verglichen. Im Ergebnis ist das externe BK-Outsourcing aufgrund des genannten Rahmenvertrags günstiger als ein Eigenbetrieb durch das Land. Gründe dafür sind insbesondere, dass der Dienstleister insgesamt eine sehr hohe Zahl von standardisierten BK-Arbeitsplätzen auf der Basis von vereinbarten Service-Levels betreiben konnte.
Dem gegenüber ist aus der Prüfung des ehemaligen Informatikzentrums Landesverwaltung Baden-Württemberg (IZLBW) bekannt, dass die landesinternen Abnehmer dort viel mehr Einfluss auf die Art der erbrachten Leistungen nahmen. Das führte teilweise dazu, dass auch sehr detaillierte technisch-organisatorische Vorgaben zur Ausgestaltung der jeweiligen Bürokommunikation formuliert wurden. In der Folge konnte das IZLBW im Gegensatz zu den outgesourcten Arbeitsplätzen keine hohe Zahl an einheitlichen BK-Arbeitsplätzen mit gleicher Standardisierung betreiben.
Durch den Nutzungszwang im Gesetz zur Errichtung der Landesoberbehörde IT Baden-Württemberg (BITBW) wurde diesem Nachteil für den Landesdienstleister begegnet. Eine standardisierte IT für eine möglichst große Anzahl an Arbeitsplätzen führt zu niedrigeren Kosten. Dabei müssen die Leistungserbringer, heute im Wesentlichen die BITBW, die von ihr geforderten Services auch immer wieder im Sinne von „Make or Buy“ hinterfragen, also die Frage nach dem Selbermachen oder Zukaufen stellen und entscheiden.
2.5 Projekterfahrungen
Die Erfahrungen aus dem externen Outsourcing der Bürokommunikation mit dem Wechsel des Dienstleisters und der damit verbundenen Erneuerung der BK-Ausstattung sind wertvoll. Sie sollte für künftige (IT-)Projekte genutzt werden. Insbesondere sollte für den Projektstart und die dabei zu erstellenden Konzepte genügend Zeit eingeplant werden. Unvollständige oder nicht abgenommene Konzepte könnten sonst den laufenden Betrieb belasten und müssten mit hohem Aufwand nachträglich bereinigt werden.
2.6 Landesoberbehörde IT Baden-Württemberg
Die BITBW ist seit dem 01.07.2015 die zentrale IT-Dienstleisterin des Landes. Sie erbringt sowohl IT-Aufgaben zur informationstechnischen Grundversorgung als auch IT-Dienstleistungen und Services für alle Einrichtungen und Dienststellen der Landesverwaltung. Zu den Dienstleistungen gehört insbesondere auch die Bürokommunikation. Die Leistungen der BITBW sind nach Vorgabe des Errichtungsgesetzes von der Landesverwaltung von ihr zu nutzen beziehungsweise bei ihr zu beauftragen. Diese Vorgabe schließt auch die beim bisherigen Outsourcing-Dienstleister beauftragten IT-Leistungen ein, wenn die bestehenden Verträge ausgelaufen sind. Letztlich muss deshalb die BITBW ermitteln, ob sie den Betrieb der Bürokommunikation der Landesverwaltung selbst wirtschaftlich gewährleisten kann oder ganz oder teilweise extern outsourct.
3 Empfehlungen
3.1 Rechtzeitig mit der BITBW zusammenarbeiten
Um die IT-Services im Justizressort und beim Wissenschaftsministerium sowie dem Ministerium für Integration sicherzustellen, muss in Anbetracht der kurzen Restlaufzeit der Verträge schnellstmöglich ein gemeinsames Projekt beginnen. Die im März 2017 auslaufenden Einzelverträge dürfen nicht verlängert werden.
Um einen nahtlosen Übergang des Betriebs der Bürokommunikation zu ermöglichen, müssen die Ressorts die Aktualität der Dokumentationen gewährleisten.
3.2 Standardisierung vorantreiben
Eine Lehre aus dem BK-Outsourcing ist, dass eine Standardisierung und eine von der Dienstgüte ausgehende Definition der Bürokommunikation Kostenvorteile bringen. Weil durch die Konsolidierung der Landes-IT 40 Mio. Euro eingespart werden sollen, sollten IT-Services zukünftig möglichst stringent standardisiert und aus Sicht der benötigten Dienstgüte definiert werden.
3.3 Make or Buy entscheiden
Die BITBW sollte umgehend klären, ob sie den Betrieb der BK-Arbeitsplätze auf Basis der Service-Levels des bestehenden Rahmenvertrags selbst erbringen kann oder ob sie diesen ganz oder teilweise ausschreibt.
3.4 IT-Budget der Ressorts anpassen
Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft sollte die Finanzausstattung für die Fortsetzung der bisherigen IT-Leistungen am tatsächlichen Finanzbedarf ausrichten. Grundlage für die Finanzplanung sollte der Servicekatalog der BITBW sein, welcher von der BITBW in Abstimmung mit dem Beauftragten der Landesregierung für Informationstechnologie (CIO) laufend fortgeschrieben wird.
4 Stellungnahme des Beauftragten des Landes für Informationstechnologie
Der Beauftragte des Landes für Informationstechnologie erhebt keine Einwände. Allerdings weist das Innenministerium darauf hin, dass die Planungen für die Übernahme der IT-Services für die bislang outgesourcten BK-Arbeitsplätze durch die BITBW bereits begonnen hätten. Die vollständige Umsetzung erfordere aber einen längeren Zeitraum.
5 Schlussbemerkung
Die Übernahme einer großen Zahl von BK-Arbeitsplätzen in die Obhut der BITBW ist eine Herausforderung. Wegen des Auslaufens der Einzelverträge muss unverzüglich eine Anschlusslösung für die Bürokommunikation realisiert werden.
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Die Landesverwaltung sollte Belange der Informationssicherheit künftig stärker beachten. Informationssicherheit ist eine Managementaufgabe. Beim Aufbau des Informationssicherheitsmanagements sollten Kompetenzen gebündelt werden.
1 Ausgangslage
Die Landesverwaltung nutzt in allen Bereichen für die Aufgabenerledigung IT-Systeme unterschiedlicher Art. Der Durchdringungsgrad ist in den letzten Jahren immer größer geworden. Er wird in Anbetracht von E- und Open-Government, der demografischen Entwicklung in der Bevölkerung und bei den Beschäftigten der öffentlichen Verwaltung und deren zunehmend mobileren Arbeitsplätzen weiter steigen. Infolgedessen nahm und nimmt die Abhängigkeit von IT-Systemen stark zu. Die in letzter Zeit bekannt gewordenen Zugriffe auf vermeintlich geschützte vertrauliche Daten fokussieren gleichzeitig aber auch den Schutzbedarf der in IT-Systemen verarbeiteten Daten von Bürgerinnen und Bürgern, der Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung.
1.1 Vorgaben für Informationssicherheit
Seit vielen Jahren gibt die Verwaltungsvorschrift über die Standards des E-Government-Konzepts Baden-Württemberg auch Vorgaben für die Informationssicherheit in der Landesverwaltung. Das Innenministerium aktualisiert die Vorschrift in regelmäßigen Abständen nach Abstimmung mit allen Ressorts.
Die Standards in der aktuellen Fassung legen u. a. fest, dass
- der Datenschutz und die Informationssicherheit bei allen IT-Maßnahmen von Anfang an zu beachten sind,
- die IT-Leitstellen und die IT-Dienstleister sicherstellen, dass der Datenschutz und die Informationssicherheit beachtet werden,
- der Schutzbedarf eines IT-Systems im Rahmen der Einsatzplanung festzustellen ist und
- für eingesetzte IT-Systeme ein Sicherheitskonzept zu erstellen ist, das sich an den Handlungsanleitungen und Standards des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) orientiert.
Im Zuge der Föderalismusreform II wurde die Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei der IT-Sicherheit verstärkt. Das zuständige Bund-Länder-Gremium, der IT-Planungsrat, kann verbindlich Standards und Anforderungen zur IT-Sicherheit festlegen (Artikel 91c Grundgesetz). Der IT-Planungs¬rat hat auch mit der Stimme Baden-Württembergs die Leitlinie zur Informationssicherheit in der öffentlichen Verwaltung (Beschluss 2013/01 des IT-Planungsrats) verabschiedet. Sie weitet den Blick von einer reinen IT-Sicherheit hin zu einem generellen Schutz von Informationen auch außerhalb von IT-Systemen. Informationssicherheit umfasst auch immer den Schutz personenbezogener Daten nach dem geltenden Datenschutzrecht.
Die vorstehend benannte Informationssicherheitsleitlinie und der dazu verabschiedete Umsetzungsplan bindet auch Baden-Württemberg. Demnach sind bis März 2018
- ein Informationssicherheitsmanagement im Land einzuführen,
- ein Landes-IT-Sicherheitsbeauftragter und IT-Sicherheitsbeauftragte für die wesentlichen Behörden zu benennen und
- eine verbindliche Leitlinie für die Informationssicherheit im Land einzuführen.
1.2 Gegenstand der Prüfung
Der Rechnungshof hat sich in der aktuellen Orientierungsprüfung auf die allgemeine Innenverwaltung beschränkt. Ansprechpartner waren damit das Innenministerium und die Regierungspräsidien. Der Themenkreis IT-Sicher¬heit ist zudem Bestandteil der meisten IT-Prüfungen. Hier hat der Rechnungshof in der Vergangenheit einzelfallbezogen Defizite aufgezeigt. Sie reichen von einer unzureichenden Ausfallvorsorge der IT im Falle von Großschadensereignissen bis hin zu getrennten Zuständigkeiten und Vorgehensweisen für sicherheitsrelevante IT-Komponenten. Bei der Orientierungsprüfung wurde für den Bereich des Innenministeriums und der Regierungspräsidien beispielhaft untersucht, für welche Dienststellen und Fachverfahren Sicherheitskonzepte vorliegen. Basis dafür war eine Liste von IT-Verfahren, welche im Rahmen eines Migrationsprojekts der IT-Systeme der Regierungspräsidien erstellt wurde. Sie enthielt insbesondere Angaben zu IT-Standardprogrammen und IT-Fachverfahren. Durch den Bündelungscharakter der Regierungspräsidien konnten so viele der vom Land erstellten und beim Land eingesetzten IT-Fachverfahren in die Betrachtungen einbezogen werden. Zusammen mit dem Innenministerium und den Regierungspräsidien wurde diese Liste im Hinblick auf Fragestellungen der Informationssicherheit ergänzt, validiert, verdichtet und hinsichtlich der fachlichen Verantwortung zusammen mit dem Innenministerium und den Regierungspräsidien gruppiert.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Sachstand des Informationssicherheitsmanagements
Das Land hat seit vielen Jahren einen landesweit zuständigen IT-Sicherheitsbeauftragten im Innenministerium bestellt. Eine der Anforderungen der Informationssicherheitsleitlinie ist damit erfüllt. Der IT-Sicherheitsbeauftragte muss diese Funktion jedoch neben vielen anderen zentralen Aufgaben der landesweiten IT-Koordination ausüben.
Unter der Federführung des IT-Sicherheitsbeauftragten der Landesregierung entstand in einer Arbeitsgruppe eine Informationssicherheitsleitlinie Baden-Württemberg als Entwurf einer „Verwaltungsvorschrift der Landesregierung zur Informationssicherheit (VwV Informationssicherheit)". Sie war bis Juni 2016 noch nicht verabschiedet und in Kraft gesetzt.
Im Ergebnis erfüllt das Land im Hinblick auf die vorstehend angeführten drei Punkte der Informationssicherheitsleitlinie bislang nur einen Aspekt, nämlich die formale Bestellung des Landes-IT-Sicherheitsbeauftragten. Vorgaben zur Informationssicherheit beschränken sich bislang nur auf wenige Ausnahmen. Eine Basis für ein funktionsfähiges Informationssicherheitsmanagement in Baden-Württemberg ist deshalb nicht gelegt. In Anbetracht der bereits vor drei Jahren verabschiedeten Informationssicherheitsleitlinie und dem Zeithorizont bis 2018 gibt es deshalb erheblichen Handlungsbedarf.
Neben den vorgenannten formalen Aspekten, welche die Informationssicherheitsleitlinie formuliert, gibt es viele weitere konkrete Aufträge. Sie setzen weitgehend entsprechende Strukturen für ein Informationssicherheitsmanagement voraus oder sind Aufgabe der Landesoberbehörde Informationstechnik Baden-Württemberg (BITBW). Letztere muss dafür teilweise noch Ressourcen bündeln, die Aufgaben strukturieren und weiteres Know-how aufbauen, z. B. im landesweiten Computer Emergency Response Team (CERT).
2.2 Sicherheitskonzepte
Zum Zeitpunkt der Erhebung gab es 50 IT-Fachverfahren im Innenministerium und 561 IT-Fachverfahren aus unterschiedlichen Ressorts bei den vier Regierungspräsidien.
Die Erkenntnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: Es fehlen bisher einheitliche Vorgaben und ein abgestimmtes Vorgehen für die Erstellung, laufende Prüfung auf Fortschreibungsbedarf und Pflege von Sicherheitskonzepten. Eine Übersicht über bestehende und fehlende Sicherheitskonzepte an zentraler Stelle, etwa beim IT-Sicherheitsbeauftragten der Landesverwaltung, ist bisher nicht vorhanden. Sowohl auf der Basis der E-Government-Standards Baden-Württemberg als auch im Hinblick auf die im IT-Planungsrat verabschiedete Informationssicherheitsleitlinie besteht dringender Handlungsbedarf, ein Informationssicherheitsmanagement zu etablieren und aufrechtzuerhalten.
2.3 IT-Sicherheit und IT-Standardisierung
Die Prüfung zeigt aber auch Folgendes deutlich: Insbesondere bei den Regierungspräsidien müssen für gleiche Aufgabenstellungen unterschiedliche Programme oder unterschiedliche Versionen gleicher Programme funktionsfähig bereitgestellt werden. Ursache ist, dass entsprechende Vorgaben aus den Fachverwaltungen formuliert werden. Hinzu kommen unterschiedliche Grafikwerkzeuge oder verschiedene, teilweise auch stark überalterte Software-Versionen. Diese Vielfalt verteuert den IT-Betrieb. Es müssen unnötigerweise mehr Programme installiert und betrieben werden als notwendig. Die Vielfalt wirkt sich aber auch auf die Informationssicherheit aus. Eine Vielzahl von - unnötigen - Programmen erhöht die Komplexität des IT-Systems und die potenziellen Angriffsmöglichkeiten. Die Pflege der Programme sowohl hinsichtlich der laufenden Aktualisierung von Versionsständen bei Bekanntwerden von Schwachstellen, als auch der zugehörigen Sicherheitsdokumentation gestaltet sich erheblich aufwendiger, als dies bei einer geringeren Anzahl standardisierter Programme der Fall wäre. Eine Standardisierung und eine Beschränkung auf das notwendige Maß der einzusetzenden Programme und Fachverfahren sind anzustreben, um die Komplexität des IT-Systems und die potenziellen Angriffsmöglichkeiten zu minimieren.
2.4 Bündelung von Know-how
Der Rechnungshof hat bereits in den Denkschriften 2005 und 2008 gefordert, den Betrieb des Datennetzes und der Firewall-Systeme zu bündeln. Diese Bündelung ist zwar vorangeschritten, aber bei Weitem noch nicht abgeschlossen.
Im CERT des Landes werden bereits IT-Sicherheitsthemen zentral für die Landesverwaltung wahrgenommen. Bislang war es jedoch als virtuelles, d. h. auf mehrere Dienststellen verteiltes CERT ohne Weisungs- oder konkrete Handlungsbefugnisse tätig.
Das seit 01.07.2015 in Kraft getretene Gesetz zur Errichtung der Landesoberbehörde IT Baden-Württemberg (BITBWG) ordnet die vorstehenden Aufgaben jetzt landesweit einer Stelle, der BITBW, zu.
Diese beiden Einzelmaßnahmen reichen jedoch nicht aus, für ein angemessenes Niveau der Informationssicherheit zu sorgen. Es ist insbesondere zu beachten, dass die Fragestellungen und Lösungsansätze vielfältig sind, müssen sie doch sowohl rechtliche, organisatorische und technische Aspekte „unter einen Hut" bringen. Dafür ist teilweise sehr spezifisches Wissen notwendig. Verantwortlich für die Einhaltung der Informationssicherheit ist nach aktueller Rechtslage die jeweilige Dienststellenleitung. Sie kann sich jedoch durch die Bestellung eines Informationssicherheitsbeauftragten in dieser Aufgabe beraten und unterstützen lassen. Bei kleinen Dienststellen und Organisationseinheiten wäre es dennoch unwirtschaftlich, das Wissen hinreichend wirtschaftlich aufzubauen und vorzuhalten. Zumindest Dienststellen mit gleichartigen Aufgaben sollten entsprechende Kompetenzen bündeln. Nur so kann die Aufgabe inhaltlich kompetent und gleichsam wirtschaftlich erledigt werden.
Auch aus Wirtschaftlichkeitsgründen sollte eine Bündelung von Wissen und Methoden einer integrierten Informationssicherheit auch für die Entwicklung und Pflege von IT-Fachverfahren angestrebt werden. Heute befassen sich noch viele verschiedene Stellen in der Landesverwaltung mit der Entwicklung und Pflege von IT-Verfahren. Die entsprechende Dienstleistung soll nach dem BITBWG erst in den nächsten Jahren in der BITBW weitgehend konzentriert werden.
2.5 Auditierung und Zertifizierung
Die vom IT-Planungsrat verabschiedete Informationssicherheitsleitlinie gibt vor, dass „zur Absicherung der Netzinfrastrukturen" als Maßnahme der Qualitätssicherung ein „Prozess der gegenseitigen Auditierung" vorgesehen werden soll. Damit ist nicht festgelegt, welche Einrichtungen wie oft auditiert werden sollen.
Aus einer anderen Prüfung ist bekannt, dass Audits und davon abgeleitete Zertifizierungen mit nennenswertem finanziellem Aufwand extern beauftragt wurden. Die daraus generierten Zertifikate haben generell eine Befristung. Würde die Landesverwaltung zukünftig stärker auf eine externe Auditierung und Zertifizierung bauen, so würden daraus erhebliche finanzielle Aufwände folgen. Audits zur Qualitätssicherung müssen im Hinblick auf das Vorgehen wirtschaftlich durchgeführt werden.
3 Empfehlungen
Um ein angemessenes Sicherheitsniveau zu erreichen, müssen folgende Maßnahmen ergriffen werden.
3.1 Vielfalt der IT-Systeme reduzieren
Die heute noch anzutreffende Vielfalt der IT-Systeme und -Verfahren und die eingesetzten Versionen muss stark reduziert werden.
3.2 Hauptamtlichen Informationssicherheitsbeauftragten bestellen
Zur zentralen Steuerung und in Übereinstimmung mit den Vorgaben der Informationssicherheitsleitlinie des IT-Planungsrats sollte die Landesregierung einen hauptamtlichen Informationssicherheitsbeauftragten bestellen. Er sollte mit hinreichenden Ressourcen und Rechten ausgestattet werden, um seine Aufgaben erfüllen zu können.
3.3 Informationssicherheit bei IT-Fachverfahren mit betrachten
Um unnötigen Aufwand zu vermeiden, sollte die Landesverwaltung die Informationssicherheit bei der Neueinführung oder der Modernisierung von IT-Verfahren von Anfang an mit betrachten. Das Thema muss entsprechend den E-Government-Standards als integraler Bestandteil der Konzeption von Verfahren und Systemen behandelt werden.
3.4 Kenntnisse der Mitarbeiter zur Informationssicherheit verbessern
Alle in der IT und der Organisation tätigen Mitarbeiter der Landesverwaltung sollten über hinreichende Grundkenntnisse der Informationssicherheit verfügen.
Sicherheitsrisiken können auch durch menschliches Fehlverhalten entstehen. Daher sollten alle Mitarbeitenden der Landesverwaltung regelmäßig für das Thema Informationssicherheit sensibilisiert werden.
3.5 Aufgaben zentralisieren
Aufgaben, die tiefergehende Kennnisse erfordern, sollten zentral an einer Stelle wahrgenommen werden. Das CERT Baden-Württemberg ist dafür ein Beispiel. Seine Befugnisse müssen jedoch durch Weisungs- oder eigenständige Handlungsbefugnisse gestärkt werden. Die Bündelung von Netzwerk- und Firewall-Themen muss noch vollständig umgesetzt werden.
3.6 Informationssicherheit zur Managementaufgabe machen
Behördenleiter müssen sich die Aufgabe Informationssicherheit als Managementaufgabe zu eigen machen. Bei deren Umsetzung sollten sie sich der Unterstützung durch fähige IT-Sicherheitsbeauftragte innerhalb großer Dienststellen oder aus einem Kompetenzzentrum versichern.
3.7 Audits festlegen
Im Rahmen der Qualitätssicherung sollte die Landesverwaltung festlegen, ob und wie oft Einrichtungen und IT-Verfahren auditiert werden sollen. Entscheidend sind nicht formale Zertifizierungen, sondern die Einhaltung der Sicherheitsstandards. Aus Audits abgeleitete formale Zertifizierungen sollten auf das unbedingt notwendige Maß begrenzt werden. Vielfach können auch verwaltungsinterne Audits zu sachgerechten und wirtschaftlichen Ergebnissen führen. Dafür können auch ressort- oder länderübergreifende Lösungen in Betracht gezogen werden.
4 Stellungnahme des Beauftragen des Landes für Informationstechnologie
Der Beauftrage des Landes für Informationstechnologie führt in seiner Stellungnahme ergänzend aus, dass zur Qualitätssicherung von Maßnahmen der Informationssicherheit Audit-Prozesse notwendig seien. Die Beschlüsse des IT-Planungsrats sähen dazu bislang vor, dass formale Auditierungen und Zertifizierungen aus wirtschaftlichen Gründen auf die Fälle beschränkt werden sollen, in denen diese gesetzlich vorgeschrieben seien. In anderen Fällen sollen grundsätzlich gegenseitige verwaltungsinterne Auditierungen zugelassen werden. Im Übrigen teile er die Bewertungen und Empfehlungen. Einige Aspekte würden bereits entsprechend vorbereitet oder angewandt.
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Die Vertretung des Landes beim Bund in Berlin muss ihre Dienstwagenflotte aufgrund der niedrigen Fahrleistung verkleinern. Für eine App ohne echten Nutzen 112.000 Euro auszugeben, war weder wirtschaftlich noch sparsam.
1 Ausgangslage
Die Landesvertretung ist dem Staatsministerium zugeordnet. Leiter ist der Minister für Bundesrat, Europa und internationale Angelegenheiten. Die Landesvertretung hat die Aufgabe, die Bundesratsarbeit des Landes zu koordinieren und zu unterstützen. Sie repräsentiert Baden-Württemberg am Sitz des Deutschen Bundestags und der Bundesregierung. Außerdem pflegt sie die Kontakte zu den dort ansässigen Institutionen aus dem In- und Ausland.
Die Landesvertretung gab 2015 insgesamt 6,5 Mio. Euro aus und nahm 1,6 Mio. Euro ein. Ihr standen 53,5 Stellen zur Verfügung.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Dienstfahrzeuge
Die Landesvertretung hatte 2014 insgesamt fünf Dienstfahrzeuge geleast: Zwei Wasserstofffahrzeuge als Ministerpräsidentenfahrzeuge, ein Dieselfahrzeug als Ministerfahrzeug und zwei Elektrofahrzeuge. Sie zahlte Leasingraten von insgesamt 23.465 Euro. Daneben fielen Ausgaben von insgesamt 3.282 Euro an.
Bis zur Anschaffung der Elektrofahrzeuge hatte die Landesvertretung drei Dienstfahrzeuge. Die Elektrofahrzeuge leaste sie als Testfahrzeuge im Rahmen eines Pilotprojekts zur Elektromobilität. Die Leasingverträge wurden für die Dauer von fünf Jahren geschlossen. Die Anschaffung erfolgte nicht aufgrund eines zusätzlichen Bedarfs. Die Elektrofahrzeuge wurden zum großen Teil für private Heimfahrten nach dienstlichen Abendveranstaltungen genutzt, was gemäß einer Dienstvereinbarung bei Dienstschluss nach 22 Uhr zulässig ist.
Ein Elektrofahrzeug konnte die Landesvertretung seit Juli 2014 unfallbedingt nicht mehr nutzen. Hierfür beschaffte sie im August 2015 ein weiteres Dieselfahrzeug, um gelegentliche Transportfahrten durchzuführen. Gelegentliche Transportfahrten im Zusammenhang mit Veranstaltungen rechtfertigen nicht die Anschaffung eines zusätzlichen Fahrzeugs.
Der Leasingvertrag des zweiten Elektrofahrzeugs lief 2015 aus. Die Landesvertretung leaste im Anschluss ein neues Elektrofahrzeug mit einer Vertragslaufzeit von 36 Monaten. Hierfür erhielt sie aus Mitteln der Landesinitiative „Elektromobilität II“ Förderleistungen von 3.527 Euro.
Die Laufleistung aller eingesetzten fünf Dienstfahrzeuge betrug 2014 insgesamt 20.277 km. Durchschnittlich war jedes Dienstfahrzeug 4.055 km gefahren. Diesen Durchschnittswert überschritt lediglich das Dieselfahrzeug mit 7.228 km. Die Gesamtlaufleistung der Fahrzeuge ist somit sehr gering.
Auch die zeitliche Auslastung der Fahrzeuge ist eher unterdurchschnittlich. Betrachtet auf ein Kalenderjahr (365 Tage) waren die Fahrzeuge an 222 Tagen in Bewegung, an 143 Tagen standen sie still. Heruntergebrochen auf die Anzahl der im Einsatz befindlichen Fahrzeuge waren an 61 Tagen ein Fahrzeug, an 59 Tagen zwei Fahrzeuge, an 55 Tagen drei Fahrzeuge, an 43 Tagen vier Fahrzeuge und an 4 Tagen fünf Fahrzeuge im Einsatz. Inwieweit Fahrten zu gleichen Zeiten stattfanden, war aufgrund fehlender Angaben im Fahrtenbuch nicht auswertbar.
Das Verhältnis zwischen Laufleistung und den tatsächlichen Gesamtausgaben für Betankung, Kraftfahrzeugsteuer und Leasingraten ist in Tabelle 1 dargestellt.
Inwieweit die berechneten Kilometerpreise bei den Elektrofahrzeugen realistisch sind, kann aufgrund der fehlenden Ausgaben für die Betankung mit Strom nicht näher beurteilt werden.
2.2 App der Landesvertretung beim Bund
Die Landesvertretung hat 2015 ihren Medienauftritt erweitert und die App „LvBW Berlin“ geschaltet. Der Nutzer hat die Möglichkeit, vor Ort das Gebäude der Landesvertretung mittels eines kommentierten Rundgangs kennenzulernen. Die App enthält auch Informationen zur Landespolitik (z. B. Video-Informationen zu Bundesratssitzungen) sowie einen Blick ins Land (z. B. Quiz). Des Weiteren enthält sie Informationen zu Veranstaltungen, Gästehaus und Raumangebot der Landesvertretung.
Der Auftrag wurde nach einem Teilnahmewettbewerb freihändig vergeben. Für die Erstellung der App „LvBW Berlin“ entstanden 2014 und 2015 folgende Ausgaben.
Für die Erstellung und die Inbetriebnahme der App „LvBW Berlin“ fielen bisher 94.310 Euro an. Unberücksichtigt in der dargestellten Berechnung ist die zum Prüfungszeitpunkt noch nicht geltend gemachte Schlussrechnung von 17.850 Euro. Damit belaufen sich die Ausgaben auf insgesamt 112.160 Euro.
Die App wurde bei der Stallwächterparty 2015 präsentiert. Hierfür beschaffte die Landesvertretung zehn iPhone 6-Geräte für 2.519 Euro im Rahmen bestehender Mobilfunkverträge. Von den zu Präsentationszwecken eingesetzten zehn Mobilgeräten waren zum Prüfungszeitpunkt drei als Tauschgeräte im Einsatz. Die restlichen sieben Geräte lagen auf Halde.
Seit Inbetriebnahme (Sommer 2015) wurde die App insgesamt 100-mal heruntergeladen (Stand: 05.11.2015). Es gab nur einen einzigen Kommentar der Nutzer zur App.
Diese Ausgaben für die App sind weder wirtschaftlich noch sparsam. Die Funktionen der App haben keinen relevanten Mehrwert im Verhältnis zur Homepage. Die Nutzung neuer Kommunikationsformen sollte kein Selbstzweck sein. Sie hat sich stets am Bedarf für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben zu orientieren. Die Wirtschaftlichkeit ist stets zu prüfen.
Auch die Beschaffung von zehn hochwertigen Smartphones zu Präsentationszwecken war weder wirtschaftlich noch sparsam. Die App hätte auch mit bereits vorhandenen dienstlichen Smartphones auf der Stallwächterparty präsentiert werden können.
2.3 Veranstaltungen
Die Landesvertretung gliedert Veranstaltungen in ihren Räumen in Eigenveranstaltungen, Landesveranstaltungen, Veranstaltungen des Staatsministeriums und Fremdveranstaltungen. Der Anteil der Eigenveranstaltungen lag 2014 bei 60 Prozent. Dies waren 501 der insgesamt 835 Veranstaltungen. Darin enthalten waren zum Beispiel auch 104 Besprechungen und zwölf Vorstellungsgespräche. Der Anteil der Fremdveranstaltungen betrug 31 Prozent. Die Veranstaltungen der Landesverwaltung und des Staatsministeriums hatten einen Anteil von zusammen 9 Prozent. Die Verteilung der Veranstaltungsarten schwankte jährlich.
Nach der Landeshaushaltsrechnung wurden 2014 für Veranstaltungen 965.300 Euro ausgegeben. Nach Abzug der Einnahmen für die Ausrichtung von Veranstaltungen in der Landesvertretung von 905.700 Euro ergab sich ein Nettoaufwand von 59.600 Euro. Personal- oder sonstige kalkulatorische Kosten sind dabei nicht berücksichtigt. Die Entwicklung des Saldos der Einnahmen und Ausgaben für Veranstaltungen seit 2006 ist in nachfolgender Abbildung dargestellt.
2008, 2012 und 2013 schaffte es die Landesvertretung, einen Überschuss bei den variablen Kosten (Sachkosten) zu erzielen. 2013 lag der Überschuss bei 245.700 Euro. Die höchsten Mehrausgaben hatte die Landesvertretung 2009 mit 221.500 Euro. Ein durchgängiger Trend ist nicht zu erkennen.
Die Landesvertretung überwacht für jede Veranstaltung die Gesamteinnahmen und -ausgaben an Hand einer Controlling-Liste. Danach nahm die Landesvertretung 2014 bei den Fremdveranstaltungen 623.850 Euro ein. Die variablen Kosten beliefen sich auf 336.390 Euro. Die nicht unmittelbar zuordenbaren Fixkosten lagen im Veranstaltungsbereich bei 1.373.994 Euro. Somit entstand 2014 bei Berücksichtigung der Fixkosten eine Unterdeckung von 1.037.604 Euro. Die Landesvertretung deckte selbst bei den Fremdveranstaltungen die entstandenen Ausgaben nicht.
Die Unterdeckung kann sowohl auf zu niedrige Aufschläge bei den variablen Kosten als auch auf die Höhe der Fixkosten zurückzuführen sein. Die Fixkosten berechnet die Landesvertretung auf der Basis einer Berechnung aus dem Jahr 2006. Darin werden Werte für die Bewirtschaftungskosten, Eigenpersonalkosten und für die kalkulatorischen Kosten sowie Formeln für die Berechnung der Kosten festgelegt. Die Formeln und Werte sind bis heute unverändert.
2.4 Aufbau und Struktur der Landesvertretung
Die Landesvertretung besteht aus zwei Abteilungen mit jeweils vier Referaten. Fünf von acht Referaten haben weniger als vier Mitarbeiter. Zwei Referate weisen dagegen eine hohe Zahl von Mitarbeitern auf. Nach allgemeinen Organisationsgrundsätzen sollte ein Referat bei einer obersten Landesbehörde eine aufgabenadäquate Leitungsspanne umfassen.
2.5 Gästehaus
Die Landesvertretung hat die Auslastung des Gästehauses seit 2002 von 32 Prozent auf bis zu 52 Prozent gesteigert. 2014 lag sie bei 48 Prozent. Die Einnahmen sind deutlich gestiegen. Insbesondere durch die Einführung von Pauschalangeboten ist das Gästehaus jetzt auch in sitzungsfreien Zeiten gut frequentiert. Die Preise für die Gästezimmer wurden zuletzt zum 01.01.2013 angepasst.
3 Empfehlungen
3.1 Dienstfahrzeugflotte verkleinern
Die Landesvertretung sollte ihre Dienstfahrzeugflotte am tatsächlichen Bedarf ausrichten. Die Flotte sollte auf drei Fahrzeuge verkleinert werden. Sofern aus Image- oder Umweltgründen ein weniger wirtschaftliches Fahrzeug ausgewählt wird, sind die Mehrkosten aus hierfür bereitstehenden Mitteln (zum Beispiel Förderung der Elektromobilität) zu decken.
3.2 App der Landesvertretung abschaffen
Für die App sind keine weiteren Haushaltsmittel bereit zu stellen.
3.3 Veranstaltungsreglement erstellen
Die Landesvertretung sollte ein Veranstaltungsreglement erstellen, das die Veranstaltungsarten, die Erhebung von Kosten und Ausnahmen hiervon umfasst. Dies würde eine einheitliche Handhabung verfestigen. Die Kategorisierung der Veranstaltungen ist anzupassen.
Innerhalb der Veranstaltungsart Eigenveranstaltungen finden sich viele Besprechungen und Termine, die üblicherweise nicht unter den Begriff „Veranstaltungen“ subsummiert werden. Solche Termine sind nicht in die Kennzahlen zum produktorientierten Haushalt aufzunehmen.
Für große Eigenveranstaltungen und alle Fremdveranstaltungen sollten Kostenstellen im Haushaltsmanagementsystem eingerichtet werden. Damit würde bereits aus der Buchhaltung transparent, ob die Sachkosten der Veranstaltungen kostendeckend sind.
Die Landesvertretung muss bei Fremdveranstaltungen, die nicht im Landesinteresse liegen, kostendeckende Einnahmen erzielen. Damit dies möglich wird, sind die Preise regelmäßig zu überprüfen.
3.4 Struktur der Landesvertretung hinterfragen
Der Zuschnitt der Referate der Landesvertretung, die zum Teil eine sehr geringe Leitungsspanne aufweisen, sollte hinterfragt werden. Wenn grundsätzlich an der Struktur festgehalten werden soll, dann könnten Referate zusammengelegt werden.
3.5 Gästehaus kostendeckend führen
Die Mietpreise und Zuschläge sollten unter Berücksichtigung der ortsüblichen Preise in regelmäßigen Abständen neu berechnet werden.
4 Stellungnahme der Landesvertretung
Die Landesvertretung hat mitgeteilt, der hohe Bestand an Dienstfahrzeugen gehe wesentlich auf ein Pilotprojekt zur Förderung der Elektromobilität zurück. Sie wird die Empfehlung, die Zahl der Fahrzeuge und die Struktur des Fuhrparks zu überprüfen, aufgreifen.
Weiter führt die Landesvertretung aus, die Beschaffung der neuen Smartphones sei für die Präsentation der App lediglich vorgezogen worden. Die vorhandenen iPhone 4-Geräte hätten die neue App nicht umfassend darstellen können. Die zur Präsentation beschafften Mobilgeräte seien zwischenzeitlich in den allgemeinen Dienstbetrieb überführt worden.
Außerdem weist sie darauf hin, dass hinsichtlich der Kostenstruktur bei Veranstaltungen die Fixkosten der Landesvertretung grundsätzlich anders und höher zu Buche schlagen, als dies bei einem reinen Zweckgebäude der Fall wäre. Die Landesvertretung hat angekündigt, eine überarbeitete Kosten- und Leistungsrechnung einzuführen.
Die Hinweise zur Struktur der Landesvertretung werde sie bei weiteren organisatorischen Überlegungen einbeziehen.
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Einzelplan 04: Ministerium für Kultus, Jugend und Sport
Das Kultusministerium beschäftigt mit 146 Vollzeitäquivalenten über die Hälfte mehr Personal als Stellen im Haushaltsplan ausgewiesen sind. Das Ministerium verschafft sich damit erhebliche Personalkapazitäten, die sich in dieser Größenordnung nicht unmittelbar aus dem Haushaltsplan ergeben.
Einige Aufgaben im Ministerium sollten stärker gebündelt werden.
1 Ausgangslage
1.1 Frühere Prüfungen
Im Zuge eines Verwaltungsreformprojekts hatte der Rechnungshof unter Beteiligung des Innenministeriums Baden-Württemberg 1999 und 2000 die Steuerungs- und Unterstützungsleistungen (= Querschnittsaufgaben) bei den neun Fachministerien des Landes Baden-Württemberg untersucht (Landtagsdrucksache 13/386). Die damaligen Prüfungsansätze wurden um Fachaufgaben und aufgabenkritische Prüfungsansätze erweitert. Sie wurden in der Prüfungsreihe „Aufgabenanalyse in Ministerien“ beim Ministerium für Integration, Ministerium für Finanzen und Wirtschaft, Ministerium für Verkehr und Infrastruktur und Kultusministerium angewandt.
Die Prüfungsergebnisse für das Ministerium für Integration (Landtagsdrucksache 15/7025) und das Ministerium für Finanzen- und Wirtschaft (Landtagsdrucksache 15/7010) wurden in der Denkschrift 2015 veröffentlicht. Die Ergebnisse für das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur sind ebenfalls in der Denkschrift 2016 (Beitrag Nr. 23) dargestellt.
1.2 Aktuelle Prüfung
Der Rechnungshof hat 2015 die Aufbauorganisation analysiert und die Querschnittsaufgaben, Fachaufgaben und Förderungen des Kultusministeriums untersucht. Der Untersuchungsbereich umfasste auch die Außenstellen des Landeslehrerprüfungsamts bei den Regierungspräsidien. Diese Außenstellen sind organisatorisch dem Ministerium zugeordnet und wurden daher in die Prüfung einbezogen.
Für den Untersuchungsbereich hat der Rechnungshof auf der Grundlage von Aufgabenkatalogen den Personaleinsatz ermittelt und Kennzahlen gebildet. Daneben wurden die personalwirtschaftlichen Maßnahmen des Ministeriums zur Personalgewinnung betrachtet. Die Untersuchung wurde durch aufgabenkritische Aspekte ergänzt.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Ressourceneinsatz
Zum Zeitpunkt der Prüfung waren im Kultusministerium 495 Mitarbeitende beschäftigt. Von der Erhebung ausgenommen waren der Minister, die Staatssekretärin und der Ministerialdirektor.
Im Ministerium sind sechs Vollzeitäquivalente externe Personalressourcen im Gebäudebetrieb eingesetzt. Die 413 Vollzeitäquivalente des Ministeriums verteilen sich auf folgende Organisationseinheiten:
Die Aufgaben des Ministeriums wurden in drei Typen gegliedert:
- Querschnittsaufgaben
Darunter fallen die Aufgabenbereiche Personal, Organisation, Finanzen, IT, Controlling und Zentrale Ressortsteuerung.
- Förderungen
Diese umfassen alle Aufgaben im Zusammenhang mit Förderprogrammen.
- Fachaufgaben
Die Fachaufgaben umfassen alle Aufgaben des Ministeriums, soweit sie keine Querschnittsaufgaben oder Aufgaben im Zusammenhang mit Förderungen darstellen.
Für Vergleiche zwischen Ministerien hat der Rechnungshof die Querschnittsaufgaben unterteilt in
- Querschnittsaufgaben, die ausschließlich für das eigene Ministerium (Dienststelle) erbracht werden (Querschnitt Ministerium) und
- Querschnittsaufgaben, die für den Geschäftsbereich des Kultusministeriums (Querschnitt andere) wahrgenommen werden. Im Kultusministerium sind dies insbesondere Aufgaben für Schulen.
Der Personaleinsatz im Ministerium verteilt sich wie folgt auf diese Aufgabentypen.
Der Querschnittsanteil für das Kultusministerium lag bei der Untersuchung des Rechnungshofs 2001 bei 41 Prozent. Im Vergleich dazu hat sich der Querschnittsanteil verringert.
2.2 Personalausstattung
Im Ministeriumskapitel des Staatshaushaltsplans waren zum Prüfungszeitpunkt 273 Stellen veranschlagt. Das Kultusministerium gewinnt erhebliche zusätzliche Personalressourcen durch Abordnungen oder Beschäftigung von Lehrkräften. Den Lehrkräften wird ihr Beschäftigungsumfang im Ministerium auf ihre Unterrichtsverpflichtung in den Schulen angerechnet (VwV Anrechnungsstunden und Freistellungen). Der Rechnungshof hat die veranschlagten Stellen mit den tatsächlich eingesetzten Personalkapazitäten jeweils zum 01.01. der Jahre 2012 bis 2015 verglichen. Zum 01.01.2015 hat das Ministerium 35,7 Prozent seiner Personalressourcen über Abordnungen oder durch Anrechnungsstunden gewonnen. Dies entspricht 130,5 beziehungsweise 15,0 Vollzeitäquivalenten.
Die folgende Abbildung zeigt die Zusammensetzung der Personalressourcen des Ministeriums in Prozent für Personal auf Stellen, Abordnungen und Anrechnungsstunden zum 01.01.2015.
Von 2012 bis 2015 haben sich die im Staatshaushaltsplan ausgewiesenen Stellen lediglich von 271 Stellen auf 273 Stellen erhöht. Im gleichen Zeitraum hat sich aber der Gesamtpersonaleinsatz im Ministerium von 376,1 Vollzeitäquivalenten auf 402,4 Vollzeitäquivalente deutlich gesteigert. Die nicht auf Haushaltsstellen des Ministeriums geführten Personalressourcen haben sich um 18,4 Vollzeitäquivalente erhöht; dies entspricht einer Steigerung von 14,5 Prozent.
2.3 Organisation
Der Rechnungshof hat die Aufbauorganisation analysiert und dabei Folgendes festgestellt:
2.3.1 Abteilung 5 Jugend, Sport, Weiterbildung
Das Kultusministerium besteht neben der Abteilung 1 „Verwaltung, internationale Angelegenheiten“ aus vier Fachabteilungen. In der Abteilung 2 „Schulorganisation, Lehrerbildung“ sind schulische Aufgaben angesiedelt, die alle Schularten betreffen. Abteilung 3 „Allgemein bildende Schulen, Elementarbildung“ und Abteilung 4 „Berufliche Schulen“ nehmen Aufgaben für die jeweiligen Schularten wahr. In der Abteilung 5 „Jugend, Sport, Weiterbildung“ sind sowohl schulbezogene als auch außerschulische Aufgaben angesiedelt. Der Rechnungshof hat die Aufgaben dieser Abteilung analysiert. Nahezu 50 Prozent der Personalressourcen dieser Abteilung werden für schulbezogene Aufgaben eingesetzt. Darunter fallen Aufgaben wie z. B. Schulsport, schulpsychologische Dienste oder Ganztagsschulen. Aus der Prüfung ergaben sich Hinweise, dass diese Aufgaben auch in den Fachabteilungen 2 bis 4 wahrgenommen werden könnten.
Auf der anderen Seite könnten dann Aufgaben wie die des Sports, der Jugend und der Weiterbildung, die eine eigenständige gesellschaftliche Bedeutung haben, auch organisatorisch klarer fokussiert werden.
2.3.2 Organisation der Querschnittsaufgaben und Stabsstellen
In der Abteilung 1 werden neben klassischen Querschnittsaufgaben auch Aufgaben für Förderungen und Fachaufgaben wahrgenommen. Diese Aufgaben umfassen Europa, überregionale, internationale und Bundesratsangelegenheiten. Sie sind in einem Referat mit 6,9 Vollzeitäquivalenten gebündelt. Der Rechnungshof hat festgestellt, dass 80 Prozent des Personaleinsatzes dieses Referats in Förderungen und Fachaufgaben fließen. Daneben werden insgesamt nur 4,9 Prozent der Personalressourcen für Querschnittsaufgaben der eigenen Dienststelle aufgewendet. Das Referat nimmt damit weit überwiegend Aufgaben wahr, die nicht in die Aufgabenstellung der Abteilung 1 eines Ministeriums als Querschnittsabteilung passen.
Die Prüfung hat gezeigt, dass die Stabsstelle „Religionsangelegenheiten, Staatskirchenrecht“ Aufgaben wahrnimmt, die nicht alle Abteilungen betreffen und daher nicht abteilungsübergreifend gebündelt werden müssen. Auch ein besonderer, unmittelbarer Beratungsbedarf der Hausspitze ist nicht erkennbar.
2.4 Aufgabenkritik
Die Aufgabenkritik ist als ständiger Prozess für Behörden in der Dienstordnung für die Landesverwaltung Baden-Württemberg vorgesehen. Danach sind alle Behörden gehalten, ihren Aufgabenbestand (Zweckkritik) und die Art der Erledigung (Vollzugskritik) laufend zu überprüfen. Dies gilt auch für Ministerien. In Ministerien sollen grundsätzlich nur ministerielle Aufgaben (z. B. strategische Programmziele, konzeptionelle und planerische Aufgaben, Gesetzgebung, Führungs- und Kontrollaufgaben des nachgeordneten Bereichs) wahrgenommen werden. Die Ministerien sollten in möglichst geringem Umfang operative Vollzugsaufgaben wahrnehmen.
2.5 Strategische Steuerung und Controlling
Für die strategische Steuerung des Kultusministeriums existieren keine einheitlichen Standards und Prozesse. Zielvereinbarungen werden im Geschäftsbereich des Ressorts nur mit und zwischen den nachgeordneten Behörden und Schulen abgeschlossen. Das Ministerium plant derzeit keine Wiedereinführung der Zielvereinbarung oder eines anderen Steuerungsinstruments zur strategischen Steuerung. Die Kosten- und Leistungsrechnung spielt für die Steuerung des Ministeriums keine Rolle.
Das Controlling des Ministeriums verfolgt eine ganzheitliche Strategie. So werden neben Kennzahlen zu Kosten beispielsweise auch Daten zur regionalen Schulentwicklung und zur Schüler-/Klassenentwicklung in den IT-Systemen gebündelt. Die Systeme befinden sich derzeit im Aufbau und werden weiterentwickelt.
3 Empfehlungen
3.1 Tatsächlichen Personaleinsatz im Staatshaushaltsplan abbilden
Die Quote der nicht im Staatshaushaltsplan abgebildeten Personalressourcen ist zu verringern. Der tatsächliche Personaleinsatz muss im Ministeriumskapitel des Staatshaushaltsplans adäquat dargestellt werden. Die dafür notwendigen Stellen sind aus dem Geschäftsbereich umzusetzen (keine Neustellen). Die sachlichen Gründe für die Gewinnung zusätzlicher Personalressourcen für das Kultusministerium sind auf Maßnahmen zur Personalentwicklung und temporäre Arbeitsspitzen zu begrenzen.
3.2 Organisation verbessern
Die schulbezogenen Aufgaben sind die zentralen Aufgaben des Kultusministeriums. Der Rechnungshof sieht konkrete Ansatzpunkte, dass das Ministerium seine schulbezogenen Aufgaben besser organisieren kann. Dazu müssten die schulbezogenen Aufgaben in den für die Schulen zuständigen Fachabteilungen stärker gebündelt werden. Durch eine Aufgabenanalyse könnten operative Vollzugsaufgaben einschließlich Personalressourcen auf nachgeordnete Bereiche der Schulverwaltung übertragen werden. Gleichzeitig sollten die außerschulischen Aufgaben neu geordnet werden.
Die Aufgaben der Stabsstelle „Religionsangelegenheiten, Staatskirchenrecht“ sollten in eine der Fachabteilungen eingegliedert werden. Die Aufgaben des Referats 16 „Europa, überregionale und internationale Angelegenheiten, Bundesrat“ sollten der Zentralstelle oder einer Fachabteilung übertragen werden. Die dabei entstehenden Optimierungspotenziale sind zu nutzen.
Durch diese organisatorischen Maßnahmen können die Aufgaben klarer abgegrenzt und Organisationseinheiten im Ministerium eingespart werden.
3.3 Aufgabenkritik durchführen
Das Kultusministerium sollte eine strukturierte Aufgabenkritik durchführen. Diese Potenziale sollten für Personaleinsparungen und für eine optimierte Aufgabenerledigung genutzt werden. Das Ministerium sollte dazu alle Aufgaben mit einem strukturierten Prozess zur Aufgabenkritik auf den Prüfstand stellen. Grundlage dafür könnte der Katalog der Aufgaben sein, den der Rechnungshof bei der Prüfung gemeinsam mit dem Ministerium entwickelt hat.
3.4 Strategisch steuern
Das Kultusministerium sollte die Einführung einer einheitlichen Methode zur strategischen Steuerung seiner Aufgaben und Projekte prüfen. Die Methode sollte sich eng am Steuerungsbedarf des Ministeriums orientieren und sich auf zentrale Aufgaben und Projekte beschränken. Das Ressortcontrolling sollte dazu möglichst alle steuerungsrelevanten Daten liefern. Insbesondere sollte auch die Kosten- und Leistungsrechnung für die Steuerung des Ministeriums genutzt werden. Der Rechnungshof empfiehlt, auch die Controllingorganisation des Ministeriums nach den sich daraus ergebenden Anforderungen auszurichten.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Kultusministerium hat zugesichert, Abordnungen an das Ministerium künftig auf Personalentwicklungsmaßnahmen und zeitlich befristete Sonderaufgaben zu beschränken. Die für das Ministerium benötigten Stellen sollen im Staatshaushaltsplan 2017 kostenneutral auf das Ministerium übertragen werden. Es sollen keine Neustellen geschaffen werden.
Das Ministerium will die Organisationsvorschläge des Rechnungshofs aufgreifen. Eine strikte organisatorische Trennung zwischen rein schulischen und außerschulischen Aufgaben sei jedoch in der derzeitigen Abteilungsstruktur nicht praktikabel. Die Eingliederung der Stabsstelle „Religionsangelegenheiten, Staatskirchenrecht“ in die Fachabteilung werde vom Beratungsbedarf der Hausspitze abhängig gemacht. Die Aufgaben des Referats 16 „Europa, überregionale und internationale Angelegenheiten, Bundesrat“, könnten aufgrund des Aufgabenzuschnitts nicht der Zentralstelle zugeschlagen werden. Das Ministerium begreift die vom Rechnungshof angemahnte strukturierte Aufgabenkritik als ständige, prozessorientierte Maßnahme. In diesem Prozess würden die Befunde der 2015 durchgeführten Prüfung eine besondere Rolle spielen.
Das zentrale Ressortcontrolling könne bereits jetzt alle steuerungsrelevanten Daten zur strategischen Steuerung des Ressorts bereitstellen. Schwerpunkt des Controllings bilde der Schulbereich. Daneben wird das Bildungscontrolling weiter ausgebaut.
5 Schlussbemerkung
Der Rechnungshof bleibt bei seiner Forderung, die schulischen Aufgaben organisatorisch stärker als bisher zu bündeln. Das Controlling des Bildungs- und Schulbereichs sollte um ein Controlling der übrigen Aufgabenbereiche ergänzt und in eine ganzheitliche strategische Ressortsteuerung integriert werden.
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Qualitätsmanagement an Schulen ist sinnvoll. Die Mehrheit der Realschulen und allgemeinbildenden Gymnasien beurteilte die Fremdevaluation überwiegend positiv. Jedoch sollte das Zeitintervall zwischen den Evaluationen flexibler genutzt werden. Die Zielvereinbarungen sollten sich stärker auf die defizitären Handlungsfelder fokussieren.
1 Ausgangslage
Das Qualitätsmanagement ist ein wichtiger bildungspolitischer Baustein, um die öffentlichen Schulen zukunftsfähig zu erhalten und Schulentwicklungsprozesse voranzutreiben. Im Schulgesetz von Baden-Württemberg wurden 2006 die Instrumente der Selbst- und Fremdevaluation als Teil eines umfassenden Qualitätsmanagements verankert. Wesentliche Qualitätsinstrumente sind die Selbst- und Fremdevaluation sowie die Zielvereinbarungen und Bilanzgespräche. Jede Schule soll zur Bewertung ihrer Schul- und Unterrichtsqualität regelmäßig Selbstevaluationen durchführen. Das Landesinstitut für Schulentwicklung evaluiert in angemessen zeitlichen Abständen die Schulen (Fremdevaluation). Die evaluierten Schulen sind verpflichtet, aus dem Fremdevaluationsbericht Zielvorstellungen und Maßnahmen zur Schulentwicklung abzuleiten. Diese werden der Schulaufsicht vorgelegt und in einer Zielvereinbarung schriftlich dokumentiert. Der Status der Zielerreichung soll in jährlichen Bilanzgesprächen zwischen Schule und Schulaufsicht besprochen und dokumentiert werden. Seit dem Schuljahr 2008/09 läuft die Regelphase der Fremdevaluation an den öffentlichen Schulen.
Der Rechnungshof hatte sich bereits in der Denkschrift 2010 (Beitrag Nr. 9, Landtagsdrucksache 14/6609) mit der Evaluation an allgemeinbildenden Schulen befasst. Seither wurden die systematische Qualitätsentwicklung der Schulen und die Fremdevaluation des Landesinstituts für Schulentwicklung verbessert und die Kosten verringert. Dieser Prozess dauert an.
Der Fokus dieser Prüfung lag nicht bei den internen Prozessen des Landesinstituts, sondern auf den Wirkungen der Fremdevaluation, den Zielvereinbarungen und den Bilanzgesprächen der Schulen mit der Schulaufsicht.
Grundlage der aktuellen Erhebungen war eine Online-Umfrage bei allen öffentlichen Realschulen und allgemeinbildenden Gymnasien sowie bei den zuständigen Schulaufsichtsbehörden. Daneben wurden die Ergebnisse der Evaluationsberichte mit den Zielvereinbarungen der Schulen abgeglichen und analysiert. In einem weiteren Schritt wurde der Aufwand der Schulen und der Schulaufsicht für das Qualitätsmanagement ermittelt. Von besonderem Interesse war, wie in der Schulpraxis die Evaluationsergebnisse umgesetzt und nachhaltig verfolgt wurden.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Einschätzung der Fremdevaluation durch die Schulen und Schulaufsichtsbehörden
Von den untersuchten Schulen waren zum Erhebungszeitpunkt 93 Prozent fremdevaluiert. Zwei Drittel der Schulen urteilten, dass die Fremdevaluation den Schulentwicklungsprozess überwiegend positiv beeinflusst habe. Bei der Bewertung, ob der Aufwand für die Qualitätsmanagement-Prozesse angemessen war, ergaben sich Unterschiede. Den Zeitaufwand für die Fremdevaluation empfanden 61 Prozent der Schulen als eher zu hoch.
Die Schulaufsichtsbehörden bewerteten die Fremdevaluation und die auf ihr aufbauenden Zielvereinbarungen zumeist positiv. Allerdings verging zwischen der Übergabe des Fremdevaluationsberichts an die Schule und dem Abschluss einer Zielvereinbarung mit der Schulaufsicht durchschnittlich mehr als ein Kalenderjahr.
Zwei Drittel der Schulen waren mit dem 5-Jahres-Rhythmus der Fremdevaluation nicht einverstanden. Beinahe ein Drittel der Schulen erachteten eine einmalige Evaluation als ausreichend, das andere Drittel wünschte sich einen längeren Zeitraum als fünf Jahre.
2.2 Aufwand für das Qualitätsmanagement
Der Aufwand für das Qualitätsmanagement einer Schule wurde auf einen 5-Jahres-Zeitraum berechnet, dem Turnus der regelmäßigen Fremdevaluationen. Der Betrag setzt sich aus den Kostenträgern „Internes Qualitätsmanagement“, „Fremdevaluation“, „Zielvereinbarung“ und „Bilanzgespräch“ zusammen. In dieser Aufstellung ist der anteilige Aufwand der Schulaufsicht und des Landesinstituts für Schulentwicklung enthalten. Für eine öffentliche Realschule ergeben sich 66.900 Euro, für ein allgemeinbildendes Gymnasium 83.300 Euro.
Der Gesamtaufwand bei den öffentlichen Realschulen und allgemeinbildenden Gymnasien beträgt im 5-Jahres-Zeitraum 51,6 Mio. Euro. Hiervon entfallen auf die Realschulen 21,4 Mio. Euro und auf die Gymnasien 30,2 Mio. Euro.
In den vergangenen Jahren wurde der Evaluierungsprozess deutlich optimiert. Es war sinnvoll, Schulen nach einem einheitlichen Raster zu untersuchen, um eine Vergleichbarkeit herzustellen. Die Problematik des gesamten Qualitätsprozesses ist weniger die Untersuchung und Messung der Schulqualität durch ein externes Institut, sondern die wirksame Umsetzung und Realisierung von guter Schule bei den Akteuren vor Ort.
Der Aufwand für die Fremdevaluation sollte weiter gestrafft werden, nachdem alle Schulen zumindest einmal von externen Fachleuten begutachtet wurden und den Umgang mit Zielvereinbarungen praktiziert haben. Eine zentrale Qualitätssicherungsinstanz ist weiterhin geboten.
2.3 Fremdevaluation enthält nicht alle nötigen Kennzahlen
Die Fremdevaluation berücksichtigt nicht alle Qualitätskriterien einer Schule. Ergebnisse von Diagnose- und Vergleichsarbeiten, Versetzungsquoten, Durchschnittsnoten der Abschlussklassen oder Anzahl der Schulabbrecher werden derzeit in den Evaluationsbericht nicht aufgenommen. Diese Kennzahlen fehlen als Teil der Qualitätsdiskussion an den Schulen.
2.4 Standards für Dokumentation und Zielvereinbarungen fehlen
Die Schulen bemängelten, dass einheitliche Instrumente für die Dokumentation und die Qualitätsentwicklung fehlen würden. Es gäbe keinen landesweiten Standard für ein Qualitätshandbuch, jede Schule müsse ein solches selbst entwickeln.
Die Zielvereinbarungen waren teils oberflächlich oder unvollständig dokumentiert. Die Komplexität der Formulare scheint viele Schulen, aber auch die Schulaufsicht zu überfordern.
2.5 Zielvereinbarungen in Folge der Fremdevaluation
Mehr als die Hälfte der untersuchten Schulen hatten Zielvereinbarungen mit ihrer Schulaufsichtsbehörde abgeschlossen. Den Zeitaufwand für die Zielvereinbarung hielten die meisten Schulen für angemessen.
Bei der Fremdevaluation gibt es für die einzelnen Merkmale folgende vier Qualitätsstufen:
- Entwicklungsstufe - hier liegt ein Verbesserungsbereich vor.
- Basisstufe - hier sind begonnene Entwicklungen und erste Teilerfolge feststellbar.
- Zielstufe - die Schule hat den erwarteten Qualitätsstandard erreicht und für sich geeignete Wege und passende Maßnahmen gefunden, die im Alltag Funktionalität herstellen und zum Nutzen der Beteiligten sind.
- Exzellenzstufe - die Schule hat in einzelnen Bereichen eine besonders hohe Qualität entwickelt und überprüft diese regelmäßig selbst.
Von den Schulen wird erwartet, dass sie langfristig in den meisten Merkmalen die „Zielstufe“ erreichen. Aufgefallen sind Schulen, bei denen einerseits bei der Fremdevaluation Merkmale der „Entwicklungsstufe“ zugeordnet wurden, andererseits bei der nachfolgenden Zielvereinbarung hierzu keine Ziele vereinbart wurden. Dieses betraf 50 Prozent der entsprechend bewerteten Realschulen und 40 Prozent der Gymnasien.
2.6 Entwicklungsbedarf der evaluierten Schulen
Im aktuellen Bildungsbericht Baden-Württemberg hat das Landesinstitut für Schulentwicklung die Schulen in Entwicklungsbedarfsgruppen eingeordnet. Ein hoher Entwicklungsbedarf wurde bei Schulen gesehen, bei denen mehr als die Hälfte der evaluierten Merkmale der „Entwicklungsstufe“ oder der „Basisstufe“ zugeordnet wurden. Ein eher hoher Entwicklungsbedarf lag vor, wenn 30 Prozent bis 50 Prozent der Merkmale diesen Stufen zugeordnet waren.
Diese Klassifizierung haben wir auf die evaluierten Schulen mit abgeschlossen Zielvereinbarungen übertragen. 31 Prozent der Realschulen und 39 Prozent der Gymnasien wiesen einen eher geringen oder geringen Entwicklungsbedarf auf und haben lediglich in Teilbereichen Verbesserungsbedarf. Nahezu zwei Drittel der Schulen entsprachen nicht dem langfristig angestrebten Ziel, in den meisten Merkmalen die „Zielstufe“ zu erreichen. Diese Schulen haben einen hohen oder eher hohen Entwicklungsbedarf.
3 Empfehlungen
3.1 Schulen für Fremdevaluation risikoorientiert auswählen
Die Schulen für die Fremdevaluation sollten zukünftig datengestützt und risikoorientiert ausgewählt werden. Das Zeitintervall zwischen den Fremdevaluationen sollte flexibler gestaltet werden.
3.2 Qualitätsfaktoren und Kennzahlen für den Qualitätsprozess prüfen
Das Kultusministerium sollte prüfen, inwieweit weitere relevante Qualitätsfaktoren und Kennzahlen in den Prozess des Qualitätsmanagements eingebunden werden können und hierzu geeignete Kennzahlen (z. B. Abschlussnoten, Versetzungsquote usw.) in die Evaluationsberichte aufnehmen.
3.3 Einheitliche Standards für Dokumentation und Zielvereinbarungen bereitstellen
Das Kultusministerium sollte einheitliche Standards und praxistaugliche Instrumente für die Dokumentation der Qualitätsprozesse und die Zielvereinbarungen selbst bereitstellen.
3.4 Zielvereinbarungen auf defizitäre Handlungsfelder ausrichten und alsbald nach Fremdevaluation treffen
Die Schulen und die Schulaufsicht sollten ihre Zielvereinbarungen deutlicher an den defizitären Handlungsfeldern ausrichten und ihre Zielvereinbarung zeitnah nach der Fremdevaluation treffen.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Kultusministerium wertet diese Prüfung als sehr hilfreich für die weiteren Verbesserungen am Qualitätsmanagementsystem für die allgemeinbildenden Schulen. Es werde bei der Neuausrichtung der Fremdevaluation ab dem zweiten Schulhalbjahr 2015/16 den Aufwand für die Fremdevaluation im Sinne der Rechnungshofvorschläge weiter straffen.
Die Einbeziehung von Kennzahlen in die Evaluationsberichte werde inzwischen ebenfalls intensiv diskutiert. Problematisch sei jedoch, dass Kennzahlen ohne Einbeziehung sozioökonomischer Einflussfaktoren eine Bewertung der Schulqualität verfälschen könnten.
Um den Schulen die verpflichtende Qualitätsdokumentation zu erleichtern, gäbe es nun im zweiten Durchgang der Fremdevaluation eine neue Checkliste zur Bereitstellung schulischer Dokumente.
Die Zielvereinbarungen zwischen Schule und Schulaufsicht sollen, wie vom Rechnungshof angeregt, zügiger stattfinden und sich auch an den defizitären Handlungsfeldern ausrichten.
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Die Förderung der Gebäudebetriebskosten von Kindertagesstätten sollte neu definiert und künftig pauschaliert werden. Grundlage für die finanzielle Beteiligung des Landes müssen einheitliche Standards sein.
1 Ausgangslage
Der Bund stellte Baden-Württemberg zum Ausbau von Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren mit den Investitionsprogrammen „Kinderbetreuungsfinanzierung“ von 2008 bis 2018 insgesamt 449 Mio. Euro zur Verfügung. Die Regelungen zur Umsetzung der Programme obliegen den Ländern. Das Land hat ergänzend dazu 2015 ein einmaliges Investitionsprogramm von 50 Mio. Euro zur Förderung von Kleinkindbetreuungsplätzen aufgelegt.
Das Kultusministerium hatte seiner Zeit beim Förderprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung“ die Bundesmittel für den Ausbau von Ganztagsschulen ausschließlich nach dem zeitlichen Eingang der Anträge bewilligt (sogenanntes Windhundprinzip). Im parlamentarischen Verfahren zum Denkschriftbeitrag des Rechnungshofs sagte das Ministerium zu, die Empfehlungen des Rechnungshofs zukünftig zu berücksichtigen und die Zuwendungen beim Investitionsprogramm „Kinderbetreuungsfinanzierung“ sachgerecht zu verteilen.
Das Land förderte bis 2013 die Betriebsausgaben der Kleinkindbetreuung mit Festbeträgen. Seit 2014 trägt das Land unter Berücksichtigung der Bundesmittel 68 Prozent der jährlichen Betriebsausgaben. 2014 waren dies 456 Mio. Euro.
2 Prüfungsergebnisse
Die Vor-Ort-Prüfung des Rechnungshofs umfasste 15 Einzelmaßnahmen bei 13 Zuwendungsempfängern. Die Fördermittel aus den Investitionsprogrammen betrugen dafür über 4 Mio. Euro. Damit sollten 348 zusätzliche Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren geschaffen werden. Zusätzlich wurden weitere 19 Verwendungsnachweise ausgewertet. Mit den hierfür vorgesehenen Fördermitteln von 3,1 Mio. Euro sollten 387 Betreuungsplätze erstellt werden.
2.1 Datengrundlage war nicht ausreichend
Von Anfang an war es das Ziel des Landes, die Fördermittel für einen bedarfsgerechten Ausbau von Betreuungsplätzen einzusetzen. Es hatte jedoch keine belastbaren Kenntnisse über den aktuellen Bestand (Platzzahl) der Einrichtungen, wie viele davon keine Betriebserlaubnis haben, wie hoch die Belegungsquoten sind und wie hoch der tatsächliche Bedarf an Betreuungsplätzen in Relation zum Bestand ist. Dies erschwerte den vom Bund und Land vereinbarten bedarfsgerechten Ausbau von Betreuungsplätzen als Ziel der Förderung. Um eine adäquate Bedarfsplanung gewährleisten zu können und den erforderlichen Aus- und Neubau von Kindertageseinrichtungen zielgerichtet koordinieren zu können, wären verlässliche Datengrundlagen erforderlich gewesen. Bislang besteht in Baden-Württemberg keine Möglichkeit, die Anzahl der tatsächlich vorhandenen Plätze mit und ohne Betriebserlaubnis, die aktuelle Auslastung einzelner Einrichtungen oder den ungedeckten Bedarf an Plätzen, bezogen auf schon vorhandene Plätze (aber ohne Betriebserlaubnis), in einzelnen Kommunen abzufragen.
Zum Stichtag 01.03.2014 weist die Statistik des Kommunalverbands für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) einen Bestand von 52.607 Plätzen mit Betriebserlaubnis für Kinder unter drei Jahren in Kindertageseinrichtungen aus. Diese sind nach dem KVJS mit 46.527 Kindern belegt, was einer Belegungsquote von 88,4 Prozent entspricht. Zum selben Stichtag weist das Statistische Landesamt 66.465 betreute Kinder in Kindertageseinrichtungen aus und errechnet daraus eine Betreuungsquote von 24,2 Prozent. Zur Belegungsquote macht das Statistische Landesamt keine Angabe. Die beiden Statistiken weisen eine Differenz von 19.938 betreuten Kindern aus. Gleichzeitig würde die vom Statistischen Landesamt genannte Zahl der betreuten Kinder, die mit Betriebserlaubnis versehenen Plätze um mehr als 13.000 Kinder übersteigen. Die Differenzen konnten nicht aufgeklärt werden.
2.2 Kriterien bei der Zuteilung der Fördermittel waren unzureichend
Dem damals zuständigen Sozialministerium war klar, dass in einem Flächenland wie Baden-Württemberg der tatsächliche Bedarf an Betreuungsplätzen unterschiedlich hoch ist. Dennoch teilte es die Fördermittel auf die Regierungsbezirke entsprechend der Anzahl der dort lebenden Kinder unter drei Jahren zu bestimmten Stichtagen auf.
Durch diese Festlegung versuchte das Sozialministerium sicherzustellen, dass die Fördermittel nicht nach dem „Windhundprinzip“ verteilt würden. Diese Vorgehensweise stellte jedoch lediglich sicher, dass die Fördermittel regional auf die Regierungsbezirke ausgewogen verteilt wurden.
Innerhalb der Regierungsbezirke galt letztlich wieder das „Windhundprinzip“. Die Regierungspräsidien bewilligten die Zuwendungen ohne Gewichtung zusätzlicher Kriterien in der Reihenfolge der eingegangenen Anträge. Es mangelte an Regelungen, die begrenzt zur Verfügung stehenden Fördermittel zur Realisierung eines bedarfsgerechten Angebots sachgerecht beziehungsweise nach Dringlichkeit sicherzustellen.
2.3 Bedarfsermittlungen waren nicht qualifiziert
Das Sozialministerium und der Gemeindetag waren sich einig, dass die landesweit angestrebte durchschnittliche Versorgungsquote von 34 Prozent keine verbindliche Vorgabe sei. Maßgebend sollte immer der örtliche Bedarf für den Ausbau der Betreuungsplätze sein.
Wahrscheinlich um einen möglichen Konflikt mit den Kommunen wegen des kommunalen Selbstverwaltungsrechts zu vermeiden, legte das Sozialministerium keine einheitlichen Standards zur Bedarfsermittlung als Fördervoraussetzung fest. Dies obwohl bereits Anfang 2008 bekannt war, dass die Kommunen bei der Bedarfsermittlung in der Vergangenheit unterschiedliche Maßstäbe anlegten.
2010 wurde offenkundig, dass sich Kommunen bei der Bedarfsermittlung nicht am konkreten örtlichen Bedarf orientierten, sondern die landesweit politisch angestrebte durchschnittliche Versorgungsquote von 34 Prozent als Maß ihres Bedarfs annahmen. Eine Fehlentwicklung beim Ausbau der Betreuungsplätze war somit voraussehbar.
Das damals zuständige Sozialministerium und das ab 2012 zuständige Kultusministerium versäumten, durch geeignete Maßnahmen dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Eine verbindliche Vereinbarung mit den kommunalen Spitzenverbänden zur Methode der Bedarfsermittlung hätte dieser Fehlentwicklung entgegenwirken können.
Die nicht bedarfsgerechten Berechnungen der Kommunen haben zur Folge, dass Betreuungsplätze zwar eingerichtet, aber nicht belegt waren. Bei den geprüften Kindertagesstätten, die seit mindestens zwei Jahren in Betrieb waren, lag die durchschnittliche Belegungsquote der geförderten Plätze im vierten Quartal 2014 regelmäßig nur zwischen 35 und 65 Prozent. Würden 10 bis 15 Prozent der nicht belegten Plätze für „Ad-hoc-Belegungen“ eingeplant, wären immer noch 20 bis 50 Prozent der geförderten Plätze nicht belegt.
2.4 Anforderungen des Landes an den Nachweis der zweckentsprechenden Verwendung der Finanzhilfen waren überhöht
Der Bund fordert zum Nachweis der zweckentsprechenden Verwendung der Finanzhilfen u. a. die Angabe der bewilligten und eingerichteten Betreuungsplätze. Sowohl das Sozialministerium als auch das Kultusministerium fordern zusätzlich von den Zuwendungsempfängern eine Bestätigung, dass die Betreuungsplätze in Betrieb genommen wurden. Die zusätzliche Bestätigung hat keine Auswirkung auf die Bauförderung. Da ein Belegungsnachweis vom Bund nicht gefordert ist, wäre die vom Bund vorgesehene Bestätigung des Zuwendungsempfängers, dass die zusätzlichen Betreuungsplätze geschaffen wurden, ausreichend gewesen.
2.5 Zweckverfehlung von Fördermitteln
Der Bund stellte seine Finanzhilfen mit der Intention zur Verfügung, den Ausbau des Betreuungsangebots für Kinder unter drei Jahren zu beschleunigen und den Eltern eine echte Wahlmöglichkeit zu eröffnen. Hinweise des Kultusministeriums über geförderte und nicht belegte Betreuungsplätze nahm der Bund zur Kenntnis. Er teilte lediglich auf Anfragen mit, dass die Umsetzung der Förderprogramme in der Verantwortlichkeit der Länder liege. Zur zeitlichen Dimension der Zweckbindung wurden bewusst keine konkreten Vorgaben gemacht.
Daraus schließt der Rechnungshof, dass der Bund eine Versorgungsquote von Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren und keine Belegungsquote anstrebte.
Das Kultusministerium interpretiert demzufolge die Vorgaben des Bundes falsch, wenn es geförderte Betreuungsplätze, die nicht mit Kindern unter drei Jahren belegt sind, als eine zweckwidrige Verwendung einer Zuwendung beziehungsweise eine „Zweckverfehlung von Fördermitteln“ ansieht. Wurden die geförderten Betreuungsplätze auf der Grundlage einer qualifizierten Bedarfsermittlung geschaffen und wird der prognostizierte Bedarf an Betreuungsplätzen nicht nachgefragt, können Zuwendungen nicht ohne Weiteres zurückgefordert werden. Geförderte nicht belegte Betreuungsplätze können für andere soziale Angebote zur Verfügung gestellt werden und bei Bedarf ihrem ursprünglichen Zweck wieder zugeführt werden. Ferner sollte ein Kontingent für „Ad-hoc-Belegungen“ freigehalten werden.
Deshalb waren die Fristverlängerungen zur Vorlage der Nachweise der zweckentsprechenden Verwendung der Fördermittel bis 31.08.2017 beziehungsweise 31.07.2018 nicht sinnvoll. Diese Regelung hat zur Folge, dass geförderte Betreuungsplätze jahrelang ungenutzt bleiben können.
2.6 Kindertagesstätten sind überdimensioniert
Bei den geprüften Maßnahmen betragen die Nettogrundflächen je Kind zwischen 7,6 m² und 32,1 m². Allein bei sechs Maßnahmen betragen sie über 20 m². Die Spanne der Außenspielfläche je Kind reicht von 6 m² bis 94 m². Bei sechs Maßnahmen beträgt die Außenspielfläche je Kind über 20 m². Über ein Drittel der geprüften Kindertagesstätten sind überdimensioniert. Sowohl die Kommunen als auch das Land haben keine belastbaren Zahlen zu den Flächen der Kindertagesstätten.
Es mangelt an einem verbindlichen am pädagogischen Konzept orientierten Raumprogramm, wie z. B. im Schulbereich. Der KVJS fordert lediglich mindestens 4,5 m² allein für Ruhe- und Gruppenräume je Kind. Das entspräche einer Nettogrundfläche von 7 m² bis 10 m² je Kind.
2.7 Zu hohe Baukosten und luxuriöse Standards
Die Kosten bei etwa der Hälfte der geprüften Neubauten überschreiten den angenommenen Kostenrichtwert des Bundes von 36.000 Euro je Betreuungsplatz und den gemittelten Kostenrichtwert des Landes von 30.000 Euro je Betreuungsplatz. 80 Prozent dieser Einrichtungen übersteigen die vom Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstitut an der Universität Köln sowie die vom Landesrechnungshof Niedersachsen errechneten Gesamtbaukosten je Betreuungsplatz von 22.000 Euro beziehungsweise 23.000 Euro. Die Mehrheit der geförderten Maßnahmen wurde danach unwirtschaftlich gebaut.
Ein weiterer Indikator für die Wirtschaftlichkeit ist der Kennwert der Bauwerkskosten je m² Nettogrundfläche. Von elf geprüften Neubaumaßnahmen lagen die Bauwerkskosten bei vier Maßnahmen zwischen 1.966 Euro und 2.521 Euro je m². Sie überstiegen damit sogar den durchschnittlichen Kostenkennwert von Institutsgebäuden für Ingenieurswissenschaften.
Die Gründe für die hohen Kosten sind neben überdimensionierten Flächen (siehe Punkt 2.6) auch die teilweise luxuriösen Standards, die für Kinder unter drei Jahren nicht nachvollziehbar sind. Beispiele:
- Zwei Einrichtungen verfügen zusätzlich zu den Vollküchen über eine Küchenzeile je Gruppenraum.
- Bei einer dieser Kindertagesstätten ist zudem noch eine komplett funktionsfähige Kinderküche eingerichtet.
- Zwei Einrichtungen haben neben einem Wasserlabor und einer Werkstatt auch großzügige Sporthallen mit komfortablen Ausstattungen. Eine dieser Sporthallen, mit einer Raumhöhe von über 4 m, ist zusätzlich mit einem Geräteraum und mit einer Bestuhlung für die Halle ausgestattet.
2.8 Zuwendung als Festbetragsfinanzierung hat sich bewährt
Das Sozialministerium hatte 2008 die Empfehlungen des Rechnungshofs aufgegriffen und die Zuwendungen für den Ausbau von Betreuungsplätzen begrenzt. Es legte für einen Neubau die Zuwendung als Festbetrag auf 12.000 Euro je Betreuungsplatz beziehungsweise maximal 70 Prozent der förderfähigen Kosten fest. Dies hat sich bewährt.
Überdimensionierte Raumprogramme, zu hohe Flächen je Betreuungsplatz oder auch luxuriöse und fragliche Ausstattungen und Standards werden durch die Förderung nicht mitfinanziert. Der Festbetrag je Betreuungsplatz orientiert sich an einer sachgerechten Bemessung und Ausstattung der Betreuungsplätze.
Mehrkosten, die den Maßnahmenträgern durch die festgestellten zusätzlichen Flächen und überzogenen Standards entstehen, gehen voll zu ihren Lasten.
2.9 Fehlentscheidungen bei der Vergabe
Nach den Vorgaben des Ministeriums hatten die Zuwendungsempfänger bei der Vergabe von Aufträgen die einschlägigen Vergabevorschriften zu beachten. In begründeten Einzelfällen kann nach den Vorgaben der Landeshaushaltsordnung eine Befreiung erteilt werden.
Das Ministerium und die Regierungspräsidien befreiten insbesondere Unternehmen von der Einhaltung dieser Verpflichtung, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht gegeben waren. Sie akzeptierten Begründungen der Zuwendungsempfänger, wie unzureichende Kenntnisse des Vergaberechts und individuelle terminliche Zielvorstellungen. Völlig abwegig ist es, eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen, wenn die Baumaßnahme bereits fertiggestellt und bezogen ist.
Obwohl Zuwendungsempfänger das Vergaberecht missachteten, bestätigten sie im Verwendungsnachweis die Einhaltung der Vergabevorschriften.
2.10 Förderung der Ausgaben für den Gebäudebetrieb ist teilweise zu hoch
Das Land beteiligt sich, einschließlich der Bundesmittel, ab 2014 mit 68 Prozent an den tatsächlich entstandenen Betriebsausgaben, auf Basis der gewichteten Kinderzahlen der Jahresrechnungsstatistik des zweitvorangegangenen Jahres. Diese setzen sich aus den Personalausgaben und den sächlichen Verwaltungs- und Betriebskosten (darin enthalten sind auch die Ausgaben für den Gebäudebetrieb) zusammen. Nicht enthalten sind Ausgaben für Investitionen und Abschreibungen. Der Gesamtförderbetrag betrug:
Da es für die Förderung von Investitionen keine verbindlichen Richtwerte für Flächen und Standards der neu geschaffenen Kleinkindbetreuungsplätze gibt, sollten bei der Prüfung auch die Auswirkungen der großen Unterschiede bei den Nettogrundflächen je Platz auf die Ausgaben für den Gebäudebetrieb untersucht werden.
Die Jahresrechnungsstatistik des Landes lässt jedoch nicht erkennen, wie hoch die tatsächlichen Betriebsausgaben einer einzelnen Einrichtung sind. In der Statistik sind die Aufwendungen einer Kommune für alle Einrichtungen der Kinderbetreuung zwischen null bis sechs Jahre als Gesamtes erfasst. Ein Benchmarking, wie sich überdimensionierte Flächen und hohe Standards auf die Gebäudebetriebskosten bei der Kleinkindbetreuung auswirken, konnte somit nicht erfolgen.
Nach Erkenntnissen der staatlichen Vermögens- und Hochbauverwaltung und der Immobilienwirtschaft, sind Betriebskosten eine bedeutende Größe im Lebenszyklus eines Gebäudes. So wird bei den Wirtschaftlichkeitsberechnungen zu einer Immobilie unterstellt, dass die gesamten Gebäudebetriebskosten bei einer Lebensdauer des Gebäudes von 25 bis 30 Jahren etwa gleich hoch sind, wie die ursprüngliche Investition. Daraus kann abgeleitet werden, dass über das Normalmaß hinausgehende Flächen und Standards, die Kommunen und freien Träger in eigener Verantwortung errichten, zu beträchtlichen zusätzlichen Gebäudebetriebskosten führen.
3 Empfehlungen
3.1 Landesweite verbindliche Standards und Transparenz anstreben
Das Kultusministerium sollte in Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden einheitliche und verbindliche Standards zur Bedarfsermittlung von Betreuungsplätzen definieren. Um regelmäßig die erforderlichen Bestands- und Bedarfsdaten sowie Belegungsquoten aller Einrichtungen zu erhalten, wäre es förderlich, die rechtlichen Grundlagen für landesweite Erhebungen zu schaffen.
3.2 Förderung der Betriebsausgaben neu definieren
Die Förderung der Betriebsausgaben der Kindertagesstätten sollte neu definiert und künftig analog der Förderung der Betriebsausgaben für Kindergartenkinder pauschaliert werden. Es ist nicht hinzunehmen, dass Gebäudebetriebskosten für über das Normalmaß hinausgehende Mehrflächen und Standards gefördert werden.
Es ist darauf zu achten, dass nur die Betriebsausgaben für tatsächlich belegte Flächen der Kleinkindbetreuung gefördert werden. Ungenutzte Flächen oder Flächen für andere soziale Zwecke können nicht gefördert werden.
3.3 Nicht belegte Betreuungsplätze nutzen
Das Land sollte die Voraussetzungen schaffen, dass nicht belegte Betreuungsplätze mit Flüchtlingskindern im Alter von drei bis sechs Jahren förderunschädlich belegt werden können. Dabei kann ein Kontingent für „Ad-hoc-Belegungen“ für Kinder unter drei Jahre freigehalten werden.
3.4 Vergaberecht einhalten
Die Begründung des Einzelfalls, dass Zuwendungsempfänger von der Einhaltung der Vergabevorschriften befreit werden, ist strikt an den Ausnahmetatbeständen des Vergaberechts auszurichten.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Kultusministerium teilt in seiner umfangreichen Stellungnahme mit, dass die Festlegung von verbindlichen Standards zur Bedarfsermittlung dem Selbstverständnis der kommunalen Selbstverwaltung widerspreche, zumal kein Regelungsbedürfnis bestehe. Im Übrigen sei die Festlegung von einheitlich verbindlichen Standards zur Bedarfsermittlung nicht zielführend. Unbestritten sei allerdings, dass in einzelnen Kommunen in Einzelfällen trotz sorgfältiger Bedarfsplanung eine Betriebsaufnahme in den geförderten Räumen nicht zum geplanten Zeitpunkt erfolgen konnte.
Von verbindlichen Flächenkennwerten für Tageseinrichtungen für Kleinkinder werde Abstand genommen, da die Festlegung eines Mindestraumprogramms wegen der vom KVJS geforderten Mindestanforderung nicht notwendig sei. Eine Beschränkung von Flächen würde mit der Eigenverantwortung der Träger und der kommunalen Selbstverwaltung kollidieren. Wesentlich größere Flächen können in der pädagogischen Konzeption, mit baulichen Gegebenheiten oder der zur Verfügung stehenden Grundstücksfläche als Außenfläche begründet sein. Die Ermittlung von Platzkosten anhand fiktiver Werte statt der Berücksichtigung von Ergebnissen der Jahresrechnungsstatistik bei der Berechnung der Betriebsausgabenförderung des Landes wäre verwaltungsaufwendig und sei gegebenenfalls jährlich anzupassen.
Derzeit gebe es keine Überlegungen, die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, nicht belegte Betreuungsplätze mit Kindern ab drei Jahren zu belegen. Nur im Einzelfall könne sich bei der Prüfung einer anderweitigen Verwendung auf Antrag eventuell ein Verzicht auf eine Rückforderung ergeben.
5 Schlussbemerkung
Das Kultusministerium verkennt mit seiner Stellungnahme, dass der Rechnungshof in keiner Weise das kommunale Selbstverwaltungsrecht einschränken will.
Unsere Empfehlungen haben einzig zum Ziel, dass die Bemessung des Förderbetrags auf der Grundlage einheitlicher Parameter bei der Ermittlung der erforderlichen Plätze mit einem einheitlichen Förderstandard von Flächen berechnet und bewilligt werden. Das Land hat dazu derzeit keine ausreichenden Grundlagendaten. Den Kommunen bleibt es nach eigenem Ermessen freigestellt, zusätzliche Betreuungsplätze zu errichten. Ebenso liegt es in der Entscheidung der Kommunen, die zu bauende Fläche je Betreuungsplatz sowie deren Ausstattung und Standards selbst festzulegen. Das Land fördert jedoch nur im Rahmen der festgelegten Förderstandards mit dem pauschalierten Förderbetrag je Platz.
Auch die Förderung der Betriebsausgaben für den Gebäudebetrieb durch Bund und Land darf sich nur auf den festgelegten Förderstandard beziehen und nicht auf zusätzliche Flächen und Einrichtungen mit gehobenem Standard, die Kommunen oder freie Träger in Eigenverantwortung errichten. Zur weiteren Vereinfachung bei der Abrechnung würde beitragen, wenn die Förderung der Gebäudebetriebskosten ebenfalls pauschaliert erfolgt.
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Einzelplan 05: Justizministerium
Die Justizverwaltungen der Länder haben einen Dienstleister mit der Fortschreibung der mittleren Bearbeitungszeiten (Basiszahlen) für die Personalbemessung bei den ordentlichen Gerichten und Staatsanwaltschaften beauftragt. Die 2014 durchgeführte Untersuchung lieferte für die Servicekräfte keine verwertbaren Ergebnisse. Die vom Rechnungshof in verschiedenen Prüfungen festgestellten Personalüberhänge im Servicebereich von 360 Stellen bei Gerichten und Staatsanwaltschaften sind somit zeitnah abzubauen. Für die durch die Notariats- und Grundbuchamtsreform entbehrlichen Stellen müssen zeitnah in vollem Umfang kw-Vermerke ausgebracht werden.
1 Ausgangslage
Die Justizverwaltungen der Länder nutzen ein bundeseinheitliches System für die Personalbedarfsermittlung bei den ordentlichen Gerichten, Staatsanwaltschaften und Fachgerichten (PEBB§Y). In PEBB§Y werden die Aufgaben in Produkte gegliedert. Für diese Produkte werden durchschnittliche Bearbeitungszeiten in Minuten (Basiszahlen) und Fallzahlen (Verfahrensmengen) ermittelt. Auf dieser Grundlage wird der jährliche Personalbedarf berechnet.
Die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister hat 2010 beschlossen, dass 2014 die Basiszahlen für die ordentliche Gerichtsbarkeit sowie die Generalstaats- und Staats-/Amtsanwaltschaften durch einen externen Dienstleister aktualisiert werden sollen (PEBB§Y-Fortschreibung 2014).
Das Justizministerium hat die in den letzten beiden Prüfungen erhobenen Forderungen des Rechnungshofs nach Personalabbau - vor allem bei der Notariats- und Grundbuchamtsreform - nicht akzeptiert. Es hat in diesem Zusammenhang stets auf die 2014 neu zu ermittelnden Basiszahlen verwiesen.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Bisherige PEBB§Y-Prüfungen des Rechnungshofs
2.1.1 Länderübergreifende Justizprüfung
Die Rechnungshöfe der Länder Baden-Württemberg (federführend), Bayern, Berlin, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein hatten 2012 eine länderübergreifende Untersuchung der Servicekräfte in den Aufgabenbereichen Ermittlungsverfahren bei Staatsanwaltschaften und Straf- und Bußgeldsachen bei Amtsgerichten durchgeführt. Das methodische Vorgehen, einschließlich der zugrunde liegenden Aufgabenkataloge, war mit den geprüften Gerichten und Staatsanwaltschaften abgestimmt.
Die vom Rechnungshof für Baden-Württemberg ermittelten Basiszahlen sind geringer als die von der Justiz verwendeten und würden zu Einsparungen von 91 Vollzeitäquivalenten bei den Servicekräften der Staatsanwaltschaften und Amtsgerichte führen. Die Personalkosten ließen sich bei 91 eingesparten Stellen um 6,8 Mio. Euro je Jahr senken. Das Justizministerium hat bislang kein Personal abgebaut und auf die Ergebnisse der PEBB§Y-Fort-schreibung 2014 verwiesen.
2.1.2 Personalplanung in der Justiz
Der Rechnungshof hatte 2013 die Personalplanung in der Justiz geprüft. Darin bezog er neben den Gerichten und Staatsanwaltschaften auch die Auswirkungen der Notariats- und Grundbuchamtsreform ein.
Bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften stellte sich die Personalsituation in den einzelnen Laufbahngruppen unterschiedlich dar. Das Justizministerium hat im höheren und gehobenen Dienst 2015 einen Personalmehrbedarf von 210 Vollzeitäquivalenten berechnet. Bei den Servicekräften wurde ein Personalüberhang von 122 Vollzeitäquivalenten ermittelt. Bei der Berechnung des Personalbedarfs berücksichtigt das Justizministerium die tatsächlichen durchschnittlichen Fehlzeiten. Darüber hinaus macht es aber bei der Berechnung des tatsächlich eingesetzten Personals einen zusätzlichen Abschlag geltend. So werden Beschäftigte, die Fehlzeiten von mehr als 20 Tagen im Quartal aufweisen, beim tatsächlichen Personaleinsatz nicht berücksichtigt. Würde man nur die tatsächlichen durchschnittlichen Fehlzeiten berücksichtigen, würde sich der errechnete Personalüberhang bei den Servicekräften um weitere 147 Vollzeitäquivalente auf insgesamt 269 Vollzeitäquivalente erhöhen.
Bei den Servicekräften in der ordentlichen Gerichtsbarkeit und bei den Staatsanwaltschaften ergibt sich derzeit der in der nachfolgenden Tabelle dargestellte Personalüberhang.
Der bei den ordentlichen Gerichten und Staatsanwaltschaften im Servicebereich bereits bestehende Personalüberhang von 360 Vollzeitäquivalenten wird sich 2018 durch die Notariats- und Grundbuchamtsreform weiter erhöhen. Die Notariats- und Grundbuchamtsreform wird nach früheren Berechnungen des Justizministeriums zu einem Personalüberhang von insgesamt 1.131 Vollzeitäquivalenten führen. 946 Vollzeitäquivalente betreffen die Servicekräfte. Der Rechnungshof empfahl bereits 2014, mit dem Stellenabbau im Staatshaushaltsplan 2015/2016 zu beginnen und entsprechende kw-Vermerke auszubringen.
Im Staatshaushaltsplan 2015/2016 wurden für die Notariats- und Grundbuchamtsreform 500 Stellen zum 01.01.2018 in Abgang gestellt, deren Wertigkeit aber noch nicht konkretisiert ist. Allerdings wurden im Staatshaushaltsplan weitere 234 kw-Stellen bei den Grundbuchämtern ausgebracht, die der Justiz für die Umsetzung der Reform befristet zur Verfügung gestellt wurden. Nach Auffassung des Justizministeriums sind auch diese kw-Stellen auf das Abbauvolumen von 1.131 Stellen anzurechnen. Der Rechnungshof tritt dem entgegen, weil zumindest ein erheblicher Teil dieser Stellen der Justiz erst nach der Ausgangsberechnung zugegangen sind und damit nicht in diese eingeflossen sein können.
2.2 Anwendung von PEBB§Y
Der Rechnungshof hat bei seiner aktuellen Prüfung festgestellt, dass die PEBB§Y-Berechnungen nicht die vollständigen Personalressourcen der Aufgabenbereiche umfassen. So werden bestimmte Bereiche, wie z. B. Gerichtsvollzieher oder Bezirksrevisoren, generell nicht in die PEBB§Y-Berechnungen einbezogen. In der ordentlichen Gerichtsbarkeit und bei den Staatsanwaltschaften sind nach Aussage des Justizministeriums 494 Vollzeitäquivalente von den PEBB§Y-Berechnungen ausgenommen. Dies entspricht 8 Prozent des Personals in diesem Bereich. Daneben ändert das Justizministerium auch die in die PEBB§Y-Berechnungen einbezogenen Aufgabenbereiche jährlich. Dies führt dazu, dass fundierte Jahresvergleiche nicht möglich sind.
2.3 Methodik und Umsetzung der PEBB§Y-Fortschreibung 2014
2.3.1 Prüfungsmethoden
Der Rechnungshof hat die Ergebnisse und Methoden der PEBB§Y-Fortschreibung 2014 untersucht. Die Datenerhebungen des externen Dienstleisters erfolgten nach einem mathematisch-analytischen Verfahren analog der vorangegangenen PEBB§Y-Fortschreibungen. Im Bereich der Servicekräfte wurde für die Untersuchung 2014 eine modifizierte Erhebungsmethodik angewandt. Der Gutachter konnte für den höheren und gehobenen Dienst Basiszahlen ermitteln. Für die Servicekräfte konnte der Gutachter aufgrund mangelnder Datenqualität keine verwertbaren Ergebnisse berechnen. Daher lieferte die PEBB§Y-Fortschreibung 2014 für die Servicekräfte keine neuen bundesweit repräsentativen Basiszahlen.
Aus dem Gutachten ergeben sich Anhaltspunkte, die als Ursachen für die unzureichende Datenqualität bei den Servicekräften in Frage kommen. So enthielten insbesondere die Schulungsunterlagen unzureichende oder missverständliche Aussagen zu den im Servicebreich verwendeten Erhebungsmethoden.
Daneben weicht im Gutachten die Berechnung der Verfahrensmengen von den im Echtbetrieb verwendeten justizstatistischen Daten ab. Der Gutachter hat die gesamten Bearbeitungszeiten, einschließlich der langlaufenden Verfahren erfasst, diese aber nicht auf alle Verfahren umgerechnet. Die „Langläufer“ wurden mengenmäßig nicht berücksichtigt. Nach Auffassung des Rechnungshofs führt diese Berechnungsweise zu im Ergebnis höheren Basiszahlen bei den Entscheidern.
2.3.2 Ergebnisse der PEBB§Y-Fortschreibung 2014 im Servicebereich nicht umgesetzt
Das Justizministerium verwendet zur Personalbedarfsberechnung im höheren und gehobenen Dienst seit dem 01.01.2015 die vom Dienstleister ermittelten Basiszahlen.
Die Pensenkommission der Justizverwaltungen der Länder hat im Frühjahr 2015 eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die auf Grundlage der Daten des Gutachters einen Vorschlag zur Anpassung der Basiszahlen für den Servicebereich erarbeiten sollte. Diese hat im September 2015 ihren Bericht vorgelegt. Die darin vorgeschlagenen Basiszahlen werden vom Justizministerium Baden-Württemberg nicht angewandt, weil der Gutachter die Verwertbarkeit der Daten verneint hat. Das Justizministerium hat zum 01.01.2015 lediglich die neue PEBB§Y-Produktstruktur übernommen. Der Personalbedarf der Servicekräfte wird damit in Baden-Württemberg weiter auf Grundlage der alten Basiszahlen ermittelt. Diese Basiszahlen stellten sich bei verschiedenen Prüfungen des Rechnungshofs und der Organisationsberatung des Justizministeriums stets als überhöht heraus.
3 Empfehlungen
Die im Folgenden dargestellten Einsparvorschläge haben unterschiedliche zeitliche Bezugspunkte. Sie sollten daher dem jeweils aktuellen Geschäftsanfall angepasst werden. Dies vorausgeschickt empfiehlt der Rechnungshof:
3.1 Stellenabbau bei Gerichten und Staatsanwaltschaften im Staatshaushaltsplan 2017 beginnen
Im Staatshaushaltsplan 2017 sollten bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften in folgenden Bereichen Stellen abgebaut werden:
- Für den bereits bestehenden Personalüberhang nach der PEBB§Y-Berechnung des Justizministeriums und die nicht sachgerechte Berechnungsweise sind bei den Servicekräften 269 kw-Vermerke auszubringen.
- Im Strafbereich sind die vom Rechnungshof analytisch korrekt erhobenen Basiszahlen anzuwenden und das Einsparpotenzial von 91 Stellen durch kw-Vermerke zu realisieren.
Insgesamt sind bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften 360 Stellen abzubauen.
3.2 Vollständigen Abbau der durch die Notariats- und Grundbuchamtsreform ab 2018 entbehrlichen Stellen umsetzen
Bei den Notariaten und Grundbuchämtern sind für die wegfallenden Aufgaben in allen Laufbahngruppen 1.131 kw-Vermerke auszubringen. Davon entfallen 946 Stellen auf Servicekräfte. Im Staatshaushaltsplan 2015/2016 wurden für die Notariats- und Grundbuchamtsreform nur 500 Stellen zum 01.01.2018 in Abgang gestellt, deren Wertigkeit allerdings noch nicht konkretisiert ist. Um den reformbedingten Personalüberhang vollständig abzubauen, sind im Staatshaushaltsplan zeitnah bis zu 631 zusätzliche Stellen mit kw-Vermerken über alle Laufbahnen hinweg auszuweisen.
3.3 Personalbedarfsberechnung vervollständigen und zur ganzheitlichen Personalsteuerung nutzen
In der Personalbedarfsberechnung sollten zukünftig alle Aufgabenbereiche und Personalressourcen der Gerichte und Staatsanwaltschaften enthalten sein. Damit wäre auch eine sachgerechte Grundlage für fundierte Jahresvergleiche und Kennzahlen für die Bemessung der Stellen im Staatshaushaltsplan geschaffen.
Die Personalbedarfsberechnungen und Kennzahlen sollten stärker für eine fachbereichsübergreifende Personalsteuerung herangezogen werden. Zusätzlich begründeter Personalbedarf ist auch im höheren und gehobenen Dienst primär durch den Abbau von vorhandenen Personalüberhängen in anderen Bereichen und nicht durch zusätzliche Stellen im Staatshaushaltsplan zu decken.
3.4 Mängel des PEBB§Y-Gutachtens 2014 künftig vermeiden
Bei künftigen Erhebungen sind eine einheitliche und ausreichende Kommunikation und Schulung der Servicekräfte sicherzustellen. Die einbezogenen Dienststellen müssen zu Beginn und während der Erhebungsphase intensiver begleitet werden.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Justizministerium lehnt den vom Rechnungshof in der Prüfung „Ermittlungsverfahren bei den Staatsanwaltschaften und den Straf- und Bußgeldverfahren bei den Amtsgerichten“ ermittelten Personalabbau von 91 Vollzeitäquivalenten ab. Die Prüfungsergebnisse seien aufgrund methodischer Mängel nicht belastbar. Weiter lehnt das Ministerium den Abbau des nach seinen eigenen PEBB§Y-Berechnungen bestehenden Personalüberhangs von 122 Vollzeitäquivalenten ab. Die angestellten Berechnungen auf der Grundlage der alten Basiszahlen ließen keine belastbaren Aussagen über ein mögliches Einsparpotenzial zu. Weiter sollte nur eine Berechnungsweise in PEBB§Y angewandt werden.
Bei der Notariats- und Grundbuchamtsreform weist das Ministerium darauf hin, dass neben den 500 genannten kw-Vermerken weitere 234 kw-Vermerke für die Grundbuchamtsreform im Staatshaushaltsplan ausgebracht wurden. Darüber hinaus sollten keine weiteren kw-Vermerke im Staatshaushaltsplan ausgewiesen werden. Die Auswirkungen der von der Landesregierung beschlossenen Maßnahmen zu einer sozial verträglichen Umsetzung der Notariatsreform auf den Personalüberhang seien noch nicht abzuschätzen. Das Ministerium führt an, dass der Abbau eines eventuell bestehenden weiteren Personalüberhangs jedenfalls nicht punktgenau zum 01.01.2018 möglich sei. Solche Personalüberhänge würden in die Berechnung des Gesamtpersonalbedarfs aufgenommen werden.
Die von PEBB§Y nicht erfassten Aufgaben würden sich einer mathematisch-analytischen Personalbedarfsbetrachtung entziehen. Das Ministerium sieht nur einen geringen Nutzen, wenn die bisher nicht von PEBB§Y erfassten Aufgabenbereiche in die Personalbedarfsberechnung aufgenommen werden würden.
5 Schlussbemerkung
Den Rechnungshof wundert die Kritik des Justizministeriums am methodischen Vorgehen der Prüfung „Ermittlungsverfahren bei den Staatsanwaltschaften und den Straf- und Bußgeldverfahren bei den Amtsgerichten“, da die Prüfungsmethoden und der Aufgabenkatalog mit den geprüften Stellen abgestimmt waren und das Ministerium in der Prüfungsschlusssitzung beim Oberlandesgericht Stuttgart das fachlich richtige Vorgehen der Finanzkontrolle bestätigt hat. Zudem hat das Ministerium Stelleneinsparungen bei den Servicekräften unter Hinweis auf die anstehende PEBB§Y-Nacherhebung abgelehnt. Gerade bei den Servicekräften ist es dem Ministerium mit seiner Methodik nicht gelungen, belastbare Basiszahlen zu ermitteln. Deshalb ist am Abbau der in verschiedenen Prüfungen festgestellten Personalüberhänge von 360 Stellen festzuhalten.
In den nächsten Jahren werden in den Ländern unterschiedliche IT-Verfahren und Prozesse zur elektronischen Akte und zum elektronischen Rechtsverkehr eingeführt. Dies wird zu erheblichen Veränderungen in den Arbeitsabläufen führen und damit auch große Auswirkungen auf die länderspezifischen Basiszahlen haben. Ungeachtet dieser Entwicklung sollte die bundeseinheitliche PEBB§Y-Produktstruktur beibehalten werden. Es ist jedoch fraglich, ob künftig Fortschreibungen von bundesweit repräsentativen Basiszahlen bei diesen unterschiedlichen Verhältnissen angezeigt sind. Vielmehr hält es der Rechnungshof für erforderlich, länderspezifische PEBB§Y-Daten für Leistungsvergleiche zwischen den Ländern zu nutzen. Die bundeseinheitlichen Produktstrukturen schaffen dafür die Voraussetzungen. Damit könnten Optimierungspotenziale identifiziert und für eine wirtschaftlichere Aufgabenerledigung genutzt werden.
Der Rechnungshof bleibt bei seiner Forderung, dass im Zuge der Notariats- und Grundbuchamtsreform die entbehrlichen Personalkapazitäten vollständig durch zusätzliche kw-Vermerke über alle Laufbahnen im Staatshaushaltsplan zeitnah abzubauen sind.
Die Notariatsreform führt ab 2018 zu jährlichen Einnahmeverlusten im Landeshaushalt von mindestens 120 Mio. Euro. Die Justiz wird von Aufgaben im Volumen von über 1.100 Vollzeitäquivalenten entlastet. Nur wenn es gelingt, diesen Personalüberhang vollständig abzubauen, kann das jährliche Defizit im Landeshaushalt auf 60 Mio. Euro reduziert werden. Die entbehrlichen Stellen sollen bislang nur teilweise wegfallen. Die Notariatsreform zeigt exemplarisch, wie potenzielles Einsparpotenzial nicht konsequent für eine Haushaltskonsolidierung genutzt wird.
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Einzelplan 06: Ministerium für Finanzen und Wirtschaft
Das Landeszentrum für Datenverarbeitung steht vor der Herausforderung, die Aufgabenübergänge an die Landesoberbehörde IT Baden-Württemberg (BITBW) und die Nutzung der BITBW-Dienstleistungen zu gewährleisten. Bei seinen verbleibenden Aufgaben sollte es Optimierungspotenziale realisieren. Darüber hinaus sollte das Landeszentrum für Datenverarbeitung eine angemessene Kosten- und Leistungsrechnung einführen und nach Vollkostenrechnung kalkulieren und abrechnen.
1 Ausgangslage
Nach den bis 30.06.2016 gültigen E-Government-Richtlinien Baden-Württemberg 2005 sind das Landeszentrum für Datenverarbeitung (LZfD) und das Informatikzentrum Landesverwaltung Baden-Württemberg (heute BITBW) die beiden IT-Zentren des Landes. 2009 hat der Landtag die Landesregierung ersucht „… die IT-Landschaft - soweit rechtlich zulässig - in einem einheitlichen Systemhaus … stufenweise zusammenzuführen". Damit folgte er der 2009 vorangegangenen Beratenden Äußerung des Rechnungshofs zur „Neuausrichtung der Organisation der Informations- und Kommunikationstechnik in der Landesverwaltung". Zuletzt hat der Rechnungshof die IT-Neuordnung mit der Denkschrift 2014 (Beitrag Nr. 7), „Das Informatikzentrum Landesverwaltung Baden-Württemberg" und mit der Denkschrift 2015 (Beitrag Nr. 11), „IT-Neuordnung im Geschäftsbereich des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft" begleitet.
Mit dem am 01.07.2015 in Kraft getretenen Gesetz zur Errichtung der Landesoberbehörde IT Baden-Württemberg (BITBWG) hat die Landesregierung die Zuständigkeiten zwischen BITBW und LZfD neu verteilt. Das LZfD bleibt damit auch künftig ein separates Steuerrechenzentrum.
Die Prüfung des LZfD hatte das Ziel, den IT-Einsatz, die Organisation, den Personaleinsatz und die Haushalts- und Wirtschaftsführung des LZfD zu untersuchen und, wo möglich, Vorschläge zu einer zukunftsorientierten Optimierung zu unterbreiten. Gleichzeitig sollten wirtschaftliche Nachteile durch in den Rechenzentren verbleibende Parallelstrukturen aufgezeigt und die Übergangsphase zur und die Zusammenarbeit mit der BITBW unterstützt werden.
2 Prüfungsergebnisse
Das LZfD ist eine von vier Abteilungen der Oberfinanzdirektion und wirtschaftet als Landesbetrieb nach § 26 Landeshaushaltsordnung. Es ist zuständig für den IT-Betrieb, technische Querschnittsaufgaben und weitere zugewiesene Aufgaben für ressortübergreifende und ressortspezifische IT-Verfahren. Weit überwiegend ist das LZfD für die Finanzverwaltung einschließlich der 65 Finanzämter tätig. Hinzu kommen viele Kunden beziehungsweise Verwaltungen außerhalb des Ressorts und auch außerhalb der Landesverwaltung. Nachfolgende Abbildung stellt einen Auszug aus dem Organisationsplan der Oberfinanzdirektion dar.
Das Personal des LZfD umfasste 2014 insgesamt 465 Vollzeitäquivalente, verteilt auf zehn Dienstsitze in Karlsruhe, Stuttgart und Freiburg. Neun Vollzeitäquivalente der Abteilung Organisation, Personal, Haushalt (OPH) erledigen Aufgaben für das LZfD. Außerdem sind rund 35 Mitarbeitende über einen zentralen Personal- und Servicedienstleister beim LZfD tätig. Letztere werden wie eigenes Personal eingesetzt, aber ohne Stellen. Hinzu kommen Fachkräfte externer IT-Dienstleister, die zum Teil auch Daueraufgaben wahrnehmen.
Vier Prozent der LZfD-Mitarbeiter hatten eine abgeschlossene IT-Ausbildung. Nahezu alle anderen sind Fachkräfte der Steuer- oder allgemeinen Verwaltung, die in der IT fortgebildet wurden. Angesichts der immer komplexer werdenden Technik erscheint der Anteil von Mitarbeitern mit einer Berufsqualifizierung im Bereich Informatik zu gering. Der nennenswerte Anteil eingekaufter Fachkräfte anderer IT-Dienstleister ist insofern bedenklich, als dass ein Know-how-Übertrag auf internes Personal vom LZfD bisher nicht konsequent verfolgt wurde. Die immer komplexer werdende IT in einem IT-Zentrum verlangt aber den verstärkten Einsatz von IT-Fachkräften und einen stetigen Know-how-Transfer.
2.1 Haushalt und Finanzen
Das LZfD finanziert sich zu rund 90 Prozent aus Zuführungen des Landes für seine Tätigkeit für die Finanzverwaltung. Daneben erzielt es Umsatzerlöse und sonstige Erträge aus Kundenabrechnungen für Verwaltungen inner- und außerhalb des Landes. Seine „Angebotspreise“ kalkuliert das LZfD nicht nach. Preise nach Vollkostenrechnung kann es nicht kalkulieren, weil es keine Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) hat. Diese ist jedoch erforderlich, weil das LZfD nach § 61 Landeshaushaltsordnung den anderen Dienststellen des Landes und nach § 63 Landeshaushaltsordnung den Kunden außerhalb der Landesverwaltung Preise nach Vollkostenrechnung zu berechnen hat. Das LZfD verstößt also in mehrfacher Hinsicht gegen die Landeshaushaltsordnung.
Das speziell für das LZfD angepasste und eingesetzte Auftrags- und Ressourcenmanagementsystem AUREM hätte eine KLR unterstützen können, war dafür aber nie vorgesehen. Auch Alternativen wurden nicht in Betracht gezogen. Das erstaunt, da das LZfD zum Ressortbereich des für die Neuen Steuerungsinstrumente zuständigen Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft gehört.
Die Aussage des Ministeriums, dass sich die Betriebsform bewährt habe, ist nicht belegt. Dazu fehlen geeignete Messgrößen wie Stückkosten und Kostendeckungsquoten. Diese können aber ohne angemessene KLR nicht stichhaltig ermittelt werden. Mangels verlässlicher Evaluationsparameter kann wiederum keine sachgerechte Steuerung gewährleistet werden.
Auffällig ist auch, dass das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft die nach den E-Government-Richtlinien geforderten Vorhabensanzeigen nicht ordnungsgemäß erstellt. Im Gegensatz zu den anderen Ressorts zeigt es nur wenige Vorhaben an und beschränkt sich im Wesentlichen auf KONSENS. Die wenigen Vorhabensanzeigen für das LZfD enthalten keine nachvollziehbaren Vergleichs- beziehungsweise Wirtschaftlichkeitsberechnungen nach dem Leitfaden für Wirtschaftlichkeitsberechnungen desselben Ministeriums. Weder die Wirtschaftlichkeit noch der Erfolg der Vorhaben kann damit angemessen nachvollzogen werden.
Seine Zuführungsbeträge ruft das LZfD beim Ministerium für Finanzen und Wirtschaft oft verfrüht ab.
2.2 IT-Betrieb, Service und Benutzerbetreuung
Das LZfD ist bisher zuständig für Informationstechnik im steuerrechtlichen und nicht-steuerrechtlichen Bereich. Die steuerfachunabhängige IT muss gemäß BITBWG stufenweise an die BITBW übergehen. Künftig wird das LZfD nur noch die Informationstechnik der Steuerverwaltung und der Landesoberkasse betreuen. Für Kunden außerhalb dieser Wirkungskreise und im steuerfachunabhängigen Bereich wird nur noch das LZfD-interne Druck- und Versandzentrum tätig sein.
Die im BITBWG als „Aufgaben“ benannten Bereiche sollen spätestens ab 01.07.2016 auf die BITBW übergegangen sein (§ 2 Absatz 1 und Absatz 2 Nr. 1, § 7 Absatz 1 BITBWG). Spätestens ab 01.07.2018 hat das LZfD außerdem alle steuerfachunabhängigen IT-Dienstleistungen der BITBW zu nutzen (§ 2 Absatz 3, § 3 Absatz 1 und § 7 Absatz 2 Satz 1 BITBWG). Für die steuerfachunabhängige Entwicklung und Pflege von Fachverfahren gilt die Nutzungspflicht spätestens ab dem 01.07.2021 (§ 3 Absatz 2 und § 7 Absatz 2 Satz 2 BITBWG).
Zu den Aufgaben im Sinne des BITBWG zählen auch die Sicherstellung der Informationssicherheit mit der Bereitstellung, dem Betrieb und dem Ausbau sämtlicher Firewall-Systeme des Landesverwaltungsnetzes sowie die Firewall-Systeme der Landesverwaltungsnetz-internen Teilnetze und die Netzübergänge (Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums über die Organisation und den Betrieb der BITBW). Diese Systeme und Netze sind steuerfachunabhängig. Damit hat das LZfD deren Betrieb an die BITBW zu übertragen.
Die steuerrechtlichen Alt-Verfahren binden im Betrieb und der Anwendungsentwicklung zusammen noch mehr als 20 Vollzeitäquivalente. Sie werden zum Teil auf einem IBM-Großrechner betrieben. Das LZfD hat die Ablösung der Alt-Verfahren bis Ende 2016 vorgesehen. Dadurch werden Personal- und Sachmittel freigesetzt, doppelte IT-Infrastrukturen aufgelöst und der IBM-Großrechner mit den steuerfachunabhängigen Verfahren kann an die BITBW übergehen.
Das LZfD setzt in verschiedenen Bereichen für gleiche Aufgaben unterschiedliche Umgebungen und Werkzeuge ein. Dazu gehören z. B. UNIX-, Linux- und Windows-Betriebssysteme, zwei Großrechnersysteme sowie Microsoft Office, Open Office und unterschiedliche Verwaltungssysteme und Programmiersprachen. In Teilen wird von den im Land und im KONSENS-Verbund der Länder mehrheitlich eingesetzten Produkten abgewichen. Das verhindert mögliche Synergien und breitere personelle Einsatzmöglichkeiten. Alle Bereiche sollten, unabhängig vom zukünftigen Betreiber, konsolidiert werden.
Für die Steuerverwaltung sind beim LZfD keine Leistungen und Dienstgüten, z. B. Bearbeitungs- und Servicezeiten, definiert. Für andere Kunden können Details nur den Verträgen entnommen werden. Eine zentrale Übersicht über konkrete Services und Service-Levels existiert nicht. Damit sind die Anforderungen an das LZfD als IT-Dienstleister unübersichtlich. Für dessen Personal und den zentralen User Help Desk (UHD), der sich mit rund 15 Vollzeitäquivalenten um IT-Störungen und -Anliegen der Kunden kümmert, sind keine übersichtlichen Zusammenstellungen abrufbar. Die Kunden wenden sich im Bedarfsfall an den UHD. Die rund 16.000 Anwender in den Finanzämtern kontaktieren jedoch ausschließlich den dezentralen Benutzerservice (dBS) der Finanzämter vor Ort. Dieser unterstützt das LZfD mit rund 196 Vollzeitäquivalenten verteilt auf 769 Personen und häufig nur geringen Zeitanteilen je Person. Nur wenn der dBS nicht helfen kann, gibt er seine Aufträge an den UHD zur Lösung und Erfassung weiter. Der dBS ist folglich fachlich deutlich weniger spezialisiert als der UHD. Auch der Wissensaufbau, die Wissenshaltung und -weitergabe sind im dBS deutlich schwieriger. Hinzu kommt, dass die Leistungen unvollständig erfasst und dokumentiert und gleich gelagerte Probleme mehrfach und gegebenenfalls parallel bearbeitet werden. Durch eine Aufgabenzentralisierung im UHD könnte der IT-Service insgesamt effizienter gestaltet werden. Dadurch könnte im dBS deutlich Personal eingespart werden. Gleichzeitig könnte sich das - reduzierte - steuerrechtliche Fachpersonal ohne Zeitanteil für IT-Betreuung besser auf seine Kernaufgaben konzentrieren. Im Gegenzug wäre beim UHD ein angemessener Personalausgleich zu realisieren.
2.3 Prozesse und Dokumentationen
Für Berichtsprozesse und Auswertungen der Benutzerbetreuung, des Changemanagements und der Eskalation fehlten Prozessbeschreibungen und definierte Zuständigkeiten. Auch in der Anwendungsentwicklung, dem Testcenter und in der Ausfallvorsorge waren die Abläufe teilweise unzureichend beschrieben und dokumentiert.
Die zeitlich befristeten (Teil-)Zertifikate des LZfD im Rahmen von Sicherheitsaudits nach IT-Grundschutz waren zwischenzeitlich verfallen. Das LZfD hat nach eigener Aussage seinen Schutzlevel gehalten und weiter ausgebaut. Ob und inwieweit das LZfD dem vorgetragenen und sachlich nachvollziehbaren hohen Schutzbedarf für den Steuerbereich jedoch tatsächlich gerecht wird, war nicht belegt.
Insofern hat das LZfD in verschiedenen Bereichen Nachholbedarf bei der Prozessbeschreibung und Dokumentation.
2.4 Konzentration auf die Kernaufgaben durch Zusammenarbeit mit anderen Ländern und der BITBW
Zu den zentralen Aufgaben des LZfD gehört, im bundesweiten Vorhaben KONSENS mitzuwirken. Das beansprucht einen wesentlichen Teil der Ressourcen. Die Zusammenarbeit der Länder im Rahmen des KONSENS-Verbunds ist intensiv. Ein einheitlicher IT-Einsatz für eine einheitliche Organisation der IT in der Steuerverwaltung infolge des Verwaltungsabkommens vom 01.07.2007 ist trotzdem noch nicht in Sicht. Als reines Steuerrechenzentrum kann und sollte sich das LZfD auf seine Kernkompetenzen und das Vorhaben KONSENS konzentrieren und diese soweit als möglich standardisieren, bündeln und allgemein optimieren. Dabei sollten z. B. auch Programmiergruppen für lediglich zu übernehmende Verfahren hinterfragt und bedarfsgerecht angepasst werden. Das LZfD sollte möglichst viele Synergien generieren. Dazu könnte es die Zusammenarbeit mit der BITBW über die gesetzlichen Vorgaben hinaus intensivieren. Das beginnt mit Arbeitsgruppen oder Informationsaustausch zu Themen, die in beiden IT-Zentren aktuell sind (IT-Grundschutz, Migrationen usw.) und sollte die Nutzung zentral installierter Infrastrukturen wie Lizenz- und Vertragsmanagementsysteme beziehungsweise IT-Service-Management-Werkzeuge sowie die Beschaffung von Hard- und Software und IT-Dienstleistungen einschließen.
3 Empfehlungen
3.1 Landeshaushaltsordnung beachten
Das LZfD muss seinen Haushalt entsprechend der Landeshaushaltsordnung planen und bewirtschaften, insbesondere
- als Landesbetrieb eine angemessene KLR einführen, Preise nach Vollkostenrechnung kalkulieren und außerhalb des Landes auf dieser Basis abrechnen,
- Verwaltungsvereinbarungen mit dem Ministerium für Finanzen und Wirtschaft und der Oberfinanzdirektion für eine vereinfachte innere Verrechnung nach § 61 Absatz 3 Satz 3 Landeshaushaltsordnung schließen sowie
- die Kosten- und Preiskalkulation weitgehend über geeignete Werkzeuge automatisieren.
3.2 Steuerfachunabhängige IT zur BITBW geben
Das LZfD sollte bei der an die BITBW übergehenden steuerfachunabhängigen IT
- die Haushaltsmittel für Sach- und Personalausgaben an die fachlich betroffenen/federführenden Ressorts rückübertragen und
- den Übertrag des eingesetzten Personals nach § 50 Landeshaushaltsordnung sowie der Betriebs- und Sachmittel an die BITBW sachgerecht vorbereiten und durchführen.
3.3 Verbleibende Zuständigkeiten optimieren
Das LZfD sollte die IT-Aufgaben für die verbleibenden steuerfachlichen Zuständigkeiten weiter optimieren beziehungsweise wirtschaftlicher gestalten. Dazu sollte es
- den Know-how-Transfer an das interne Personal konsequent verfolgen, seinen Anteil an IT-Fachkräften erhöhen und den tatsächlichen Personalkörper im Staatshaushaltsplan/Stellenplan abbilden,
- für die Firewallsysteme und die Betreuung der WAN- und LAN-Netze fachliche Vorgaben erarbeiten und die Betreuung an die BITBW übergeben beziehungsweise bei der BITBW beauftragen,
- seine Services transparenter darstellen und in allen Bereichen seine Prozessbeschreibungen und Dokumentationen erweitern,
- seine IT-Grundschutz-Zertifizierung unter Einbeziehung der BITBW und dem Landes-IT-Sicherheitsbeauftragten bei Verwendung einer einheitlichen Software weiterverfolgen,
- eine Zentralisierung der steuerfachlichen IT-Benutzerbetreuung der Steuerverwaltung des Landes im LZfD bei angemessener Personalanpassung prüfen und schrittweise umsetzen,
- Alt-Verfahren konsequent ablösen,
- Werkzeuge für Anwender, IT-Administratoren und Programmierer vereinheitlichen,
- Optimierungsmöglichkeiten bei den Kernaufgaben prüfen, insbesondere im Rahmen des Vorhabens KONSENS sowie
- eine erweiterte Zusammenarbeit und gegebenenfalls Beauftragung der BITBW über die gesetzlichen Vorgaben hinaus prüfen.
3.4 Fachaufsicht optimieren
Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft sollte seine Aufgaben im IT-Bereich umfassend wahrnehmen und insbesondere
- ordnungsgemäße und vollständige Vorhabensanzeigen erstellen und
- die Betriebsform des LZfD und dessen Wirtschaftlichkeit evaluieren und gegebenenfalls anpassen.
3.5 KONSENS voranbringen
Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft sollte unterstützt vom LZfD im Rahmen seiner Einflussmöglichkeiten die Vereinheitlichung der IT in den Steuerverwaltungen der Länder über die KONSENS-Entwicklung hinaus vorantreiben.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft führt in seiner Stellungnahme an, dass das LZfD seine KLR überprüfen werde. Die Vorschriften der Landeshaushaltsordnung sieht es bezüglich der Abrechnungspraxis jedoch als umfassend erfüllt. Die landesinterne Verrechnung sei in Folge der ursprünglichen Übertragung von Aufgaben durch einen entsprechenden Ressourcenübergang ausgeschlossen. Der Übergang der steuerfachunabhängigen IT zur BITBW erfolge in Abstimmung und Zusammenarbeit mit dem Innenministerium und der BITBW.
Das LZfD optimiere ständig die im steuerfachlichen Rechenzentrum verbleibenden Zuständigkeiten. Insbesondere die Empfehlungen zu den IT-Fachkräften und dem Know-how-Transfer würden aufgenommen. Hinsichtlich des Betriebs von Netzwerken, konkret von LANs und internen Firewalls, sei man jedoch der Auffassung, dass diese der steuerfachlichen IT zuzuordnen seien. Bei seinen IT-Services, deren Management und der IT-Sicherheit sei das LZfD grundsätzlich gut aufgestellt. Mit der Einführung eines neuen Werkzeugs würde sich das LZfD weiterentwickeln. Eine Zentralisierung der steuerfachlichen IT-Benutzerbetreuung werde untersucht. Ein dezentraler Benutzerservice zur Betreuung der Anwender und deren Arbeitsplätze vor Ort jedoch sei zwingend erforderlich. Für die Vereinheitlichung von Werkzeugen und IT-Umgebungen würden sich das LZfD und das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft im KONSENS-Verbund vielfältig einsetzen.
Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft versicherte, dass es die Vorgaben zur Erstellung von Vorhabensanzeigen aufnehmen werde. Es habe auch die Überprüfung der Betriebsform des LZfD bereits begonnen und werde in Abhängigkeit davon den Abschluss einer Verwaltungsvereinbarung für die steuerfachliche IT prüfen.
Das Vorhaben KONSENS werde in der Entwicklung und bei Tests unterstützt.
5 Schlussbemerkung
Der Rechnungshof erkennt an, dass das LZfD die meisten Vorschläge des Rechnungshofs unterstützen will. Allerdings kann das LZfD keine Vollkostenrechnung praktizieren und keine bestehende KLR überprüfen, weil es noch keine KLR hat. Nach der Landeshaushaltsordnung ist beides für einen Landesbetrieb unabdingbar und damit beim LZfD einzuführen. Der Abschluss einer Verwaltungsvereinbarung für die steuerfachliche IT sollte als Grundlage für eine nachvollziehbare und sachgerechte Abrechnungspraxis unabhängig von der Betriebsform abgeschlossen werden.
Der LAN-Betrieb und der Betrieb interner Firewalls sind zwar keine Aufgaben im Sinne des BITBWG, die BITBW bietet den Betrieb jedoch als IT-Dienstleistung an. Entgegen der Auffassung des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft gehört beides nicht zur steuerrechtlichen IT und sollte deshalb bei der BITBW beauftragt werden.
Die Zentralisierung der auf zu viele Köpfe verteilten steuerfachlichen IT-Benutzerbetreuung sollte zielstrebig verfolgt werden.
Im Vorhaben KONSENS sollten nicht allein die Entwicklung und Tests, sondern gleichermaßen der Betrieb weiter vereinheitlicht und gebündelt werden. Steuerrechtliche und nicht-steuerrecht¬liche IT beziehungsweise Rechenzentren können rechtskonform zusammengeführt werden. Das beweist das zum 01.01.2016 neu gegründete IT-Zentrum des Bundes, welches im Ressort des Bundesministeriums der Finanzen das steuerrechtliche Rechenzentrum des Bundes (ZIVIT) mit nicht-steuerrechtlichen Rechenzentren als ITZ-Bund zusammenführt.
Auf die Möglichkeit und die Einsparpotenziale bei einer länderübergreifenden Konsolidierung des KONSENS-Betriebs hat der Rechnungshof bereits in seiner Denkschrift 2015 (Beitrag Nr. 11), hingewiesen.
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Einzelplan 07: Ministerium für Finanzen und Wirtschaft (Wirtschaft)
Die Förderung ist durch viele individuelle Einzelbestimmungen unübersichtlich. Sie sollte in einer Richtlinie abstrakt-generell geregelt werden.
Die Förderung sollte besser auf die Zielvorgaben des Gesetzes zur Mittelstandsförderung beschränkt werden. Dadurch können jährlich etwa 150.000 Euro eingespart werden.
Der Haushaltsansatz darf nicht über dem Bedarf liegen und ist um weitere 300.000 Euro, also um insgesamt 450.000 Euro, zu reduzieren.
1 Ausgangslage
Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft fördert die Beratung von Unternehmen der mittelständischen Wirtschaft. Grundlage bildet das Gesetz zur Mittelstandsförderung (MFG). Wesentliche Ziele sind unter anderem, die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zu fördern sowie Arbeits- und Ausbildungsplätze in den Unternehmen der mittelständischen Wirtschaft zu sichern und auszubauen.
Das Land fördert die Beratung von in Baden-Württemberg ansässigen Unternehmen. Dabei muss es sich um kleine und mittlere Handwerksbetriebe, kleine und mittlere Büros der freien Berufe und Unternehmen der Branchen Dienstleistung, Handel und Industrie handeln.
Zuwendungsempfänger sind Organisationen der Wirtschaft, wie zum Beispiel Handwerkskammern, Landesfach- und Landesinnungsverbände und weitere aus den Bereichen Handel, Industrie, sonstige Dienstleistungen sowie Hotellerie und Gastronomie, die die Beratung durchführen.
Neben diesen Fördermaßnahmen aus Kapitel 0710 Titel 686 71 gibt es weitere Beratungsprogramme, die vom Land, vom Bund oder der Europäischen Union gewährt werden.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Haushaltsansätze
2012 bis 2015 waren in Kapitel 0710 Titel 686 71 zwischen 0,3 Mio. Euro und 0,5 Mio. Euro mehr veranschlagt als benötigt wurden. Die Mittel waren zuletzt um 33 Prozent überhöht.
Die Mittel wurden teilweise nicht beantragt und teilweise nicht benötigt. Denn die Zuwendungsempfänger wickelten weniger Leistungen ab oder finanzierten ihre Leistungen über andere Förderprogramme.
Hinzu kommt, dass ab 2016 die Beratung von Existenzgründungen nicht mehr aus diesem Programm finanziert wird.
Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft legte die Haushaltsansätze entgegen § 6 Landeshaushaltsordnung zu hoch fest. Danach dürfen nur die notwendigen Ausgaben veranschlagt werden.
Das Ministerium hat im Prüfungsverfahren darauf hingewiesen, dass regelmäßig anteilig Einsparauflagen zu erwirtschaften seien und deshalb der Haushaltsansatz nicht vollständig zur Verfügung stehe. Der Planansatz sei weiterhin notwendig, um die Fördermaßnahme Unternehmensberatung im politisch gewollten Umfang dauerhaft fortsetzen zu können.
Durch ein solches Vorgehen wird planmäßig Vorsorge dafür getroffen, spätere Einsparauflagen aufzufangen.
2.2 Vorgaben für die Förderung
2.2.1 Förderlinien und Förderbereiche
Ursprünglich förderte nur der Bund die Unternehmensberatung. Seit etwa 40 Jahren fördert auch das Land auf der Grundlage der Bundesrichtlinie (Bundes-/Landesförderung Handwerk). Die Fördermittel sind begrenzt.
Im Laufe der Jahre stellte sich ein über die Bundes-/Landesförderung Handwerk hinausgehender Beratungsbedarf bei den von den Wirtschaftsorganisationen betreuten Unternehmen heraus. Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft schuf deshalb neue Fördermöglichkeiten und gliederte die Förderung in die folgenden vier Förderlinien. Die Förderlinie Landesförderung Handwerk unterteilte das Ministerium nochmals nach Förderbereichen.
Je Förderlinie beziehungsweise Förderbereich werden nur bestimmte Wirtschaftsorganisationen gefördert. So werden zum Beispiel bei der EU-Beratung nur zwei Zuwendungsempfänger und bei der Messe- und Ausstellungsberatung sowie bei der Formgebungsberatung jeweils nur ein Zuwendungsempfänger gefördert.
2.2.2 Abwicklung der Bundes-/Landesförderung
Der Bund und das Land fördern zwar einheitlich nach der Bundesrichtlinie, jedoch in parallelen Verfahren.
Der Bund reicht seine Mittel über den Zentralverband des Deutschen Handwerks als Erstzuwendungsempfänger aus. Dieser schließt mit den Wirtschaftsorganisationen Verträge als Zweitzuwendungsempfänger ab und leitet die Zuschüsse an diese weiter. Der Bund bewilligt den Sammelantrag des Zentralverbands des Deutschen Handwerks und prüft dessen Verwendungsnachweis. Dieser bewilligt die Anträge und prüft die Verwendungsnachweise der Zweitzuwendungsempfänger.
Beim Land bewilligt das Ministerium. Die L-Bank prüft die Verwendungsnachweise.
2.2.3 Abwicklung der Landesförderungen
Für die ausschließlich vom Land geförderten Maßnahmen hat das Land keine einheitliche Richtlinie, sondern 17 separate Bestimmungen für spezielle Zuwendungsempfänger oder zu einzelnen Förderlinien und Förderbereichen erlassen. Dabei wurde der individuelle Beratungsbedarf der betreuten Unternehmen als förderfähig definiert. Die Organisationen der Wirtschaft - und damit die Zuwendungsempfänger - definieren den Bedarf, den das Ministerium - nach Prüfung - in die Förderlinien umsetzt. Je nach Förderlinie, Förderbereich oder Zuwendungsempfänger weichen die Fördervoraussetzungen ab. Dadurch ist das Förderprogramm unübersichtlich und führt zu Mehraufwand.
Die Zuwendungsempfänger stellten insgesamt 50 Anträge, während bei einer einheitlichen Richtlinie nur 32 Anträge notwendig gewesen wären.
2.2.4 Abstimmung mit anderen Förderprogrammen
Die Förderung ist nicht durchgängig mit den anderen Förderungen ähnlicher Zielrichtung von EU, Bund und Land abgestimmt.
Eine Abstimmung nach § 6 MFG ist jeweils durchzuführen und zu dokumentieren, um Doppelförderungen zu vermeiden.
Soweit Zuwendungsempfänger freie Berater beschäftigen, können diese Berater selbstständig weitere Beratungen vornehmen. Diese Beratungen können zum Beispiel über das Förderprogramm „Förderung des unternehmerischen Know-hows für kleine und mittlere Unternehmen sowie Freie Berufe durch Unternehmensberatungen“ gefördert werden.
Auch wenn manche Förderprogramme spezielle Fragestellungen betreffen, ist zu verhindern, dass sie unter allgemeineren Beschreibungen noch mal gefördert werden können.
2.3 Förderfähige Beratungen
2.3.1 Einzelberatungen
Die Bundes-/Landesförderung anerkennt eine Beratung erst ab einem Zeitaufwand von mindestens drei Stunden.
Bei den Landesförderungen Handwerk EU-Beratung, Messe- und Ausstellungsberatung sowie Umweltberatung kann auch bei geringerem Zeitaufwand gefördert werden. Für den Zeitaufwand ist keine Untergrenze festgesetzt. Nach unseren Erhebungen handelt es sich bei diesen Leistungen jedoch nicht nur um Beratung der Unternehmen. Vielmehr werden auch lediglich erteilte Auskünfte und weitergegebene Informationen als Beratung abgerechnet.
Die Information der Unternehmen über aktuelle Fragen der Wirtschaft, der Technik und des Rechts zählt nicht zum Kernbereich der Mittelstandsförderung. Dies stellt vielmehr eine klassische Mitgliederbetreuung durch die Handwerkskammern und Verbände dar.
Das Land sollte davon Abstand nehmen, auch kleinste Leistungen zu fördern. Da das Land die Förderwünsche der Organisationen umsetzt, ist es besonders wichtig, den Mindestzeitaufwand als Grenze festzulegen. Förderung der Unternehmen ist klar von Förderung der Organisationen abzugrenzen.
2.3.2 Gruppenberatungen
Das Land übernimmt bei der Förderlinie Bundes-/Landesförderung Handwerk Kriterien, die der Bund bei der Förderfähigkeit von Gruppenberatungen festgelegt hat.
Von den nach Landesregelungen geförderten Beratungen in den Bereichen Messe- und Ausstellung sowie Formgebung entfallen 90 Prozent auf Gruppenberatungen. Trotzdem legte das Land hier keine Mindeststandards fest.
Mit der Messe und Ausstellungsberatung wird überwiegend die Teilnahme von Unternehmen an Fach- und Delegationsreisen ins Ausland gefördert. Nur die im Vorfeld stattfindenden Veranstaltungen sind mit Gruppenberatungen vergleichbar. Während der Auslandsreisen werden die Unternehmen von den Beratern begleitet. Die Unternehmen treten mit Unternehmen vor Ort in Verbindung und führen Gespräche.
Formgebungsberatungen betreffen ausschließlich das Schreinerhandwerk. Dabei geht es beispielsweise darum, wie Produkte zu entwickeln, zu gestalten und zu präsentieren sind. Nach den Anlagen, die den Verwendungsnachweisen beigefügt sind, handelte es sich in 60 Prozent der Fälle nicht um Beratung von Unternehmen. Vielmehr wurde die Arbeit der Verbände gefördert, deren Mitarbeiter Wettbewerbe oder Ausstellungen organisierten und betreuten oder Fachbeiträge für Verbandsorgane verfassten.
2.3.3 Sonstige Tätigkeiten
Bei den Landesförderungen Handwerk Umwelt und EU-Beratung fördert das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft zusätzlich sonstige Tätigkeiten, wie zum Beispiel Erfahrungsaustausche, Fortbildungen, Informationserstellung und Pressearbeit.
2.4 Finanzielle Auswirkungen
Die Mitgliederbetreuung der Organisationen der Wirtschaft umfasst zwar auch Informationen. Wir beurteilen Mitgliederbetreuung jedoch nicht als förderfähig. Sie sollte über die Mitgliedsbeiträge finanziert werden.
Eine davon zu trennende Beratung liegt nur dann vor, wenn der Berater über die Einzelfrage hinausgeht und einen besonderen Bezug zum Unternehmen herstellen muss. Dazu muss er zunächst spezielle Bedingungen des Unternehmens feststellen, um daraus anhand seiner Kenntnisse einen individuellen Vorschlag zu erarbeiten.
Mit den eingerichteten Förderlinien und -bereichen weicht das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft davon ab. Der darauf entfallende Teil der Förderungen betrug 130.000 Euro im Jahr.
Die vielfältigen Fördermöglichkeiten führten außerdem zu zusätzlichen Verwaltungskosten von 20.000 Euro.
3 Empfehlungen
3.1 Haushaltsansätze anpassen
Der Haushaltsansatz ist um jährlich mindestens 450.000 Euro zu reduzieren.
Davon entfallen auf den überhöhten Haushaltsansatz 300.000 Euro. Für Schwankungen ist damit immer noch ausreichend vorgesorgt.
Weitere 150.000 Euro lassen sich einsparen, wenn die Förderungen besser auf die Zielvorgaben des Gesetzes angepasst werden.
3.2 Förderung vereinfachen
Für die Förderung der Beratung von kleinen und mittleren Unternehmen sollte das Land eine Richtlinie erlassen. Darin sollte die Beratung von Unternehmen von einfachen Auskünften und Informationen abgegrenzt werden.
Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft sollte das Förderprogramm mit anderen Förderprogrammen abstimmen. Das Ergebnis ist zu dokumentieren.
Das Land sollte dafür Sorge tragen, dass die Bundes-/ Landesförderung Handwerk von einer Stelle gebündelt durchgeführt wird. Dabei ist auch zu klären, wer in welchem Umfang Anträge und/oder Verwendungsnachweise prüft und wer die daraus resultierenden Kosten übernimmt. Zudem sollte der Zeitpunkt der jeweiligen Mittelbereitstellung zwischen Bund und Land abgestimmt werden.
3.3 Standards für förderfähige Beratungen festlegen
Mindeststandards in der Richtlinie sollten sicherstellen, dass nur Beratungen gefördert werden, die über Auskünfte beziehungsweise Informationen hinausgehen. Sie sollten gleichzeitig einfach feststellbar sein.
Deshalb sollten Vorgaben für zielgerichtete Beratungen geschaffen werden. Bei der Einzelberatung halten wir die Mindestdauer für ein geeignetes Kriterium. Bei der Gruppenberatung sollten ebenfalls Kriterien definiert werden. Diese sollten Auskünfte, Informationen, Ausstellungen und Delegationsreisen ausschließen.
4 Stellungnahme des Ministeriums
4.1 Haushaltsansätze werden weiterhin individuell veranschlagt
Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft teilt mit, dass es die Haushaltsansätze nicht, wie vom Rechnungshof gefordert, kürzen wolle. Für die Bewilligungen zu Jahresbeginn müssten ausreichende Haushaltsansätze verfügbar sein. Es werde daher die Haushaltsansätze weiterhin individuell nach den Erfordernissen der Landeshaushaltsordnung veranschlagen.
4.2 Die Förderung wird nicht weiter vereinfacht
Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft teilt nicht die Auffassung des Rechnungshofs, die bisher 17 Bestimmungen sollten künftig in einer Richtlinie zusammengefasst werden.
Die Förderprogramme des Landes seien mit anderen Beratungsförderprogrammen des Landes abgestimmt und dokumentiert.
Die Empfehlung des Rechnungshofs, die Bundes-/Landesförderung Handwerk von einer Stelle durchzuführen, sei nicht zielführend. Die Förderverfahren seien sehr unterschiedlich. Das Ministerium hält es für gerechtfertigt, dass auch künftig sowohl der Bund als auch das Land die Verwendungsnachweise prüfe.
4.3 Standards für förderfähige Beratungen werden neu festgelegt
Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft beabsichtigt, die Empfehlung des Rechnungshofs umzusetzen und nur Beratungen zu fördern, die über Auskünfte und Informationen hinausgehen. Auch werde die Mindestdauer als Kriterium für Einzelberatungen neu gefasst.
Welche Gruppenberatungen förderfähig sind, werde besser definiert.
Das Ministerium werde die Empfehlungen des Rechnungshofs zum Förderprogramm Messe- und Ausstellungsberatung aufgreifen und überarbeiten.
An der bisherigen Förderung von Formgebungsberatungen hält das Ministerium fest. Der zuständige Verband wäre ohne die Förderung nicht in der Lage, in bisherigem Umfang und unabhängig von einer Verbandszugehörigkeit, Ausstellungen und Wettbewerbe durchzuführen. Der Bund fördere solche ebenfalls.
5 Schlussbemerkung
Der Rechnungshof fordert weiterhin, die Haushaltsansätze nur nach den realistisch zu erwartenden Ausgaben anzusetzen. Nur um Fördermittel zu sichern, darf nicht im Voraus eine Reserve gebildet werden.
Der Rechnungshof bleibt bei seiner Empfehlung, die vielen Einzelbestimmungen in einer Richtlinie zusammenzufassen. Dadurch wird die Förderung übersichtlicher und erzeugt weniger Verwaltungsaufwand. Die Bundes-/ Landesförderung sollte zumindest soweit vereinfacht werden, dass es genügt, wenn entweder nur der Bund oder das Land prüft. Abstimmungsgespräche wurden bisher nicht geführt.
Bei den Formgebungsberatungen gehören die zu organisierenden Wettbewerbe und Ausstellungen zu den Verbandsaufgaben. Diese können im Sinne der Haushaltsklarheit nicht als Beratung gefördert werden.
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Einzelplan 08: Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz
Die Verwaltungskosten der Schulmilch- und Schulfruchtförderung sind zu hoch. Die EU muss den Mitgliedstaaten mehr Spielraum geben, damit die Programme sinnvoll ausgestaltet und die Verfahren effizient abgewickelt werden können.
Die Schulmilchförderung erreicht ihren Zweck nicht mehr und sollte eingestellt werden.
1 Ausgangslage
1.1 Grundlagen für die Programme Schulmilch und Schulfrucht
Das Ernährungsverhalten wird maßgeblich in der Kindheit geprägt. Die Europäische Union (EU) fördert bislang mit zwei Programmen eine gesunde Ernährung bei Kindern. Aufgrund des Schulmilchprogramms werden Milchprodukte vergünstigt abgegeben. Mit dem Schulfruchtprogramm werden Obst und Gemüse an Kinder in Schulen und Einrichtungen zur Kinderbetreuung kostenlos verteilt.
Das Land fördert dies innerhalb der EU-Vorgaben nach seinen Verwaltungsvorschriften zur Schulmilch-Beihilfe und zum Schulfruchtprogramm. Das Regierungspräsidium Tübingen wickelt die Förderung landesweit ab.
Die EU-Kommission hatte Anfang 2014 ein zusammengelegtes Schulprogramm vorgeschlagen, dem im Frühjahr 2016 das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union zugestimmt haben. Das neue Programm gilt ab August 2017.
1.2 Finanzierung
Die EU stellt ihren Finanzierungsanteil an der Förderung aus dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) bereit. Das Land trägt die Verwaltungskosten.
1.2.1 Schulmilch
Die EU zahlt die Förderung in den Mitgliedstaaten zu 100 Prozent.
Je Kind und Tag wird maximal eine Portion gefördert. Eine Portion besteht aus bis zu 0,25 Liter Milch oder entsprechenden Milchprodukten. Sie sind in entsprechende Milchäquivalente umzurechnen. Die Förderung je Kind und Tag beträgt maximal 4,67 Cent.
Daneben wird festgelegt, zu welchem maximalen Preis das geförderte Produkt an die Kinder verkauft werden darf. Milchmischgetränke im Tetra Pak mit 0,25 Liter dürfen höchstens 40 Cent brutto kosten.
1.2.2 Schulfrucht
Je Kind und Tag wird maximal eine Portion von mindestens 100 Gramm gefördert. Als Portionspreis (netto frei Schule) können höchstens 30 Cent angesetzt werden, 40 Cent bei nach EU-Bio Standards erzeugtem Obst und Gemüse.
Ab dem Schuljahr 2015/16 finanziert die EU 75 Prozent des Preises für das Obst und Gemüse. Jedes Land legt selbst fest, wie der nationale Anteil aufgebracht wird.
In Baden-Württemberg, als einzigem Land, bringen Dritte, wie z. B. Träger der Kinderbetreuungseinrichtungen, Fördervereine, Eltern oder Sponsoren den nationalen Finanzierungsanteil auf. Die Lieferanten stellen einen großen Teil der Sponsoren.
Kinder erhalten regelmäßig (mindestens zweimal im Monat) eine kostenlose Portion Obst oder Gemüse, sofern ihre Einrichtung und außerdem ihre Gruppe beziehungsweise Klasse am Programm teilnehmen.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Entwicklung und Umfang der Förderung
2.1.1 Schulmilch
Die Schulmilch-Beihilfe wurde 1977 eingeführt. Damit können Milch oder Milchprodukte verbilligt angeboten werden für
- Kinder in Vorschulkindergärten, Kindergärten, Kindertagesstätten und Kinderwohnheimen,
- Schüler an Grundschulen, Sonderschulen und weiterführenden Schulen,
- Schüler an berufsbildenden Schulen und Berufsfachschulen und
- Schüler und Studierende an Fachschulen bis zur Fachhochschul- oder Hochschulreife.
Die Menge der dadurch verbilligt abgegebenen Schulmilch sank von über 10.000 Tonnen in den Achtzigerjahren auf nur noch 762 Tonnen im Schuljahr 2012/13.
Die höchsten ausgezahlten Jahresbeträge erreichten etwa 4,8 Mio. Euro. Hingegen lag im Schuljahr 2013/14 die in Anspruch genommene Förderung nur noch bei 143.000 Euro.
Bezogen auf alle teilnahmeberechtigten Kinder werden nur zwei Portionen geförderte Milch je Kind und Jahr konsumiert. Die durchschnittliche jährliche Förderung beträgt 7 Cent.
Von knapp 2 Mio. teilnahmeberechtigten Kindern in Baden-Württemberg besuchten zuletzt nur 12 Prozent Einrichtungen, in denen vergünstigte Schulmilch angeboten wird. Wie viele Kinder dort das Angebot annehmen, wird nicht erfasst. Je teilnahmeberechtigtem Kind werden durchschnittlich nur zwei Portionen Milch im Monat verkauft. Dies bedeutet eine durchschnittliche Förderung von 64 Cent im Jahr je Kind in den teilnehmenden Einrichtungen.
Trotz der Förderung ist es für die Eltern deutlich billiger, wenn die Kinder die Milch zu Hause konsumieren. Der Abgabepreis der Schulmilch wird durch kleine Portionen und Anforderungen an die Abgabe von Milch bestimmt.
2.1.2 Schulfrucht
Die Schulfrucht-Beihilfe wurde 2009 eingeführt. Baden-Württemberg hat in seiner Strategie Kinder in Kindertageseinrichtungen und anderen vorschulischen Einrichtungen, in Grundschulen und in Schulen mit besonderer pädagogischer und sozialer Aufgabenstellung als Zielgruppe festgelegt. Sie umfasst rund 823.000 Kinder.
Nach der Strategie können auch Kinder und Jugendliche in sonstigen Bildungseinrichtungen geförderte Schulfrucht erhalten, wenn die EU-Mittel ausreichen. Ab Mitte des Schuljahres 2013/14 wurde deren Förderung eingestellt, weil die EU-Mittel nicht mehr ausreichten.
Seit der Einführung des Programms sind die abgerufenen Haushaltsmittel in Baden-Württemberg jährlich gestiegen. Im Schuljahr 2013/14 wurde das Programm so gut angenommen, dass für das Schuljahr 2014/15 rund 3,6 Mio. Euro EU-Mittel für Baden-Württemberg bereitgestellt wurden.
Für das Schuljahr 2015/16 stellt die EU dem Land Baden-Württemberg bis zu 6,65 Mio. Euro zur Verfügung.
Dennoch wurden im Schuljahr 2013/14 nur 20 Prozent der Kinder der Zielgruppe erreicht. Der größte Teil der Einrichtungen nimmt am Programm nicht teil, teilweise auch weil kein Sponsor für den nationalen Anteil vorhanden ist. Mit der Erhöhung des EU-Anteils auf 75 Prozent liegen hier künftig verbesserte Bedingungen vor.
2.2 Antrags- und Bewilligungsverfahren
2.2.1 Schulmilch
Die Anträge sind in Papierform zu stellen. Die Lieferanten können die Angaben zusätzlich als Datei einreichen. Die Daten müssen in das Bearbeitungsprogramm manuell oder durch Einlesen der Datei übernommen und kontrolliert werden.
Für die Abrechnung mit den Lieferanten stehen zwei Möglichkeiten zur Verfügung: das Quittungs- oder das Vorschussverfahren.
Beim Quittungsverfahren kontrolliert das Regierungspräsidium die Anträge vollständig anhand der vorzulegenden Belege. Es führt für eine Stichprobe Vor-Ort-Kontrollen durch und zahlt danach aus.
Beim Vorschussverfahren stellt der Lieferant eine Kaution. Die Förderung wird nach einem vorläufigen Bewilligungsbescheid bis zur Kautionshöhe ausbezahlt. Vor der endgültigen Bewilligung prüft das Regierungspräsidium die Anträge beim Lieferanten stichprobenweise anhand der Belege. Zusätzlich kontrolliert es eine Stichprobe vor Ort.
2.2.2 Schulfrucht
Die Abrechnung des Schulfruchtprogramms ist bedingt durch EU-Vorgaben unnötig kompliziert. Die Lieferanten arbeiten üblicherweise mit Kilopreisen. Die EU-Förderung erfolgt jedoch nach Portionen als abstrakte Abrechnungsgrößen.
Ein Großteil der bei der Verwaltungskontrolle festgestellten Fehler bei der Abrechnung betrifft Rundungsdifferenzen. Diese beruhen darauf, dass die Lieferanten die Portionsgröße und den Portionspreis als Abrechnungsparameter in bestimmten Grenzen selbst festlegen können. Deshalb müssen sie die Beträge selbst berechnen, wobei sie unterschiedlich runden. Die EU-Regelungen verlangen derzeit die Korrektur der Rundung.
Die Lieferanten beantragen die Förderung und können monatlich abrechnen oder einen mehrmonatigen Abrechnungszeitraum wählen. Beträge unter 130 Euro je Antrag werden nicht bewilligt (Ausnahme Ferienmonate).
Die Anträge gehen überwiegend in Papierform, teilweise zusätzlich als Datei ein. Die Daten müssen entweder manuell in das Bearbeitungsprogramm übernommen oder eingelesen und kontrolliert werden.
2.3 Verwaltungskosten und Kontrollverfahren
2.3.1 Schulmilch
Die in den drei Schuljahren 2011/12 bis 2013/14 ausgezahlte Förderung lag zwischen 128.000 Euro und 143.000 Euro. Die jährlichen Verwaltungskosten betrugen zuletzt mehr als 130.000 Euro. Sie sind damit fast so hoch wie die Förderung.
Die Anträge werden bereits fast vollständig richtig gestellt. Die noch verbleibenden Fehler werden bei der Verwaltungskontrolle gefunden und korrigiert.
In den drei Prüfjahren wurde bei der Vor-Ort-Kontrolle kein einziger Fehler festgestellt. Die EU-Vorschriften verlangen trotzdem jährliche Mindestkontrollen.
2.3.2 Schulfrucht
Die ausgezahlte Beihilfe stieg von 2011 bis 2014 von rund 840.000 Euro auf fast 2,8 Mio. Euro. Im selben Zeitraum wuchsen die Verwaltungskosten von 373.000 Euro auf 438.000 Euro.
Der Verwaltungskostenanteil in Bezug zum Fördervolumen konnte in den letzten Jahren reduziert werden. Er ist mit fast 16 Prozent jedoch immer noch sehr hoch. Wesentliche Ursache dafür sind der hohe Zeitaufwand für die überwiegend manuell zu erfassenden Anträge und Anlagen und die Korrekturen falscher Angaben.
Die Vor-Ort-Kontrollen führten seit Bestehen des Programms zu keinen nennenswerten Kürzungen. Wenn Lieferanten, die Erfahrung im Umgang mit Rechnungsstellung besitzen, jährlich wiederkehrende Anträge stellen, ist dies zu erwarten. Der Aufwand für die Vor-Ort-Kontrollen steht in keinem sinnvollen Verhältnis zu den Korrekturen. Zurzeit erlauben die EU-Vorschriften trotzdem nicht, die Kontrollen zu reduzieren.
2.4 Lieferanten und Empfänger
2.4.1 Schulmilch
Im Schuljahr 2013/14 beantragten nur noch 14 Lieferanten die Förderung für Schulmilch. Insgesamt wurde die Milch an gut 500 Einrichtungen geliefert.
Der größte Lieferant versorgte 35 Prozent der Einrichtungen. Auf ihn entfielen 55 Prozent der Förderung.
Die Schulmilchlieferungen stellen bei den Lieferanten keinen wesentlichen Anteil ihres Umsatzes dar. Aus Perspektive der Lieferanten ist das Programm gutes Marketing.
2.4.2 Schulfrucht
Im Schuljahr 2013/14 beantragten 145 Lieferanten die Förderung für Schulfrucht. 2.500 Einrichtungen erhielten Obst und Gemüse von ihnen.
Der größte Lieferant belieferte 30 Prozent der Einrichtungen. Auf ihn entfielen 34 Prozent der Förderung. Die acht größten Lieferanten beliefern 59 Prozent der Einrichtungen und wickelten 75 Prozent der Förderung ab.
Die Lieferanten sind der entscheidende Faktor. Wo sie ihren Betriebssitz haben, ist die Anzahl der teilnehmenden Einrichtungen überdurchschnittlich. In anderen Regionen gibt es „weiße Flecken“.
Bis zum Schuljahr 2013/14 wurden auch Lieferungen für ältere Kinder als die eigentliche Zielgruppe gefördert, weil die EU-Mittel sonst nicht verbraucht worden wären.
Es ist falsch, eine Förderung auszudehnen, solange Mittel abgerufen werden können. Dies gilt umso mehr, wenn Private die Kofinanzierung aufbringen. Verlässlichkeit ist wesentlich, um die Bereitschaft von Lieferanten, Einrichtungen und Sponsoren zu erhalten.
Nach Mitteilung der Landesregierung vom 18.12.2015 (Landtagsdrucksache 15/7905) ist die Zahl der teilnehmenden Einrichtungen und der Lieferanten weiter angestiegen.
3 Empfehlungen
3.1 Schulmilchförderung einstellen
Das Programm in der gegenwärtigen Form sollte eingestellt werden, da die Zielgruppe nicht mehr ausreichend erreicht wird.
3.2 Schulfruchtprogramm verbessern
3.2.1 Abrechnung vereinfachen
Das Land sollte die Abrechnung, z. B. nach Portionen, stärker standardisieren, um sie für die Lieferanten (meist Sponsoren) und die Verwaltung zu vereinfachen.
3.2.2 Mitwirkungsbereitschaft der Lieferanten, Sponsoren und Einrichtungen stärken
Das Programm muss für die Lieferanten, Einrichtungen und Sponsoren verlässlich abgewickelt werden. Die geförderten Gruppen sollten nicht geändert werden.
Das Land sollte selbst dann nicht außerhalb der eigentlichen Zielgruppe fördern, wenn die EU-Mittel nicht ausgeschöpft sind.
3.3 Konkrete und messbare Ziele definieren und überprüfen
Um die Zielerreichung zu überprüfen, ist eine Teilnahmequote für beide Bereiche zu definieren. Sie muss regelmäßig festgestellt werden.
3.4 Verfahren deutlich vereinfachen
Auf der europäischen Ebene sollte darauf hingewirkt werden, dass die Verfahren deutlich vereinfacht werden können. Die Verwaltungskosten dürfen nicht mehr als 10 Prozent der Fördersumme betragen.
3.4.1 Antragsverfahren elektronisch durchführen
Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz sollte prüfen, ob die Verwaltungskosten durch ein elektronisches Antragsverfahren gesenkt werden können. Die Antragstellung sollte so durchgeführt werden können, dass das vorhandene Programm Berechnungen und bestimmte Prüfungen vornimmt.
3.4.2 Mindestbetrag für Auszahlung anheben
Der Mindestbetrag für die Auszahlung sollte auf 500 Euro angehoben werden, sofern nicht die Antragssumme eines Jahres darunter liegt.
3.4.3 Kontrollen vereinfachen
Die Kontrollen sollten nach einigen Jahren weiter eingeschränkt werden können, wenn die Fehler auf niedrigstem Niveau waren. Weder bei der Verwaltungskontrolle noch bei der Vor-Ort-Kontrolle ist der derzeitige Umfang sinnvoll.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz teilt mit, die Prüfungsergebnisse des Rechnungshofs sollen einbezogen werden, wenn die Landesstrategie für das neue Schulprogramm der EU entwickelt werde.
4.1 Schulmilchförderung einstellen
Das Ministerium will auf die Förderung nicht verzichten. Es betont, dass sich die Bedingungen für den Programmteil Schulmilch unter dem neuen Schulprogramm ab 2017/18 wesentlich vom bisherigen Programm unterscheiden. Der Programmteil Schulmilch solle unter den neuen Rahmenbedingungen in einem möglichst schlanken Verwaltungsverfahren fortgeführt werden.
4.2 Schulfruchtprogramm verbessern
Die Empfehlung, einen einheitlichen Portionspreis vorzugeben, um damit Lieferanten und Verwaltung zu entlasten, wird derzeit vom Ministerium geprüft. Sie soll gegebenenfalls im Rahmen des EU-Schulprogramms ab dem Schuljahr 2017/18 umgesetzt werden.
Das Ministerium führt aus, die tatsächlichen Verwaltungskosten des Programms sinken mit Blick auf 2015 und die höhere EU-Förderung konstant auf unter 10 Prozent. Im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung des Programms strebe es ein elektronisches Antragsverfahren an. Die Anpassung des Mindestbeihilfebetrags - innerhalb der EU-rechtlichen Vorgaben -solle bei der Konzeption des EU-Schulprogramms geprüft werden.
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Die haushaltswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Steuerung des Landesbetriebs ist zu verbessern. Seit mehr als fünf Jahren arbeitet der Betrieb ohne funktionsfähige Kosten- und Leistungsrechnung.
Herstellung und Vertrieb der touristischen und anderen nichtamtlichen Karten sind unwirtschaftlich und müssen aufgegeben werden.
Die Landesregierung sollte sicherstellen, dass die gesetzlichen Kassenprüfungen durchgeführt, die Rücklagen begrenzt und die Jahresabschlüsse fristgerecht vorgelegt werden.
1 Ausgangslage
Das Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg (LGL) entstand am 01.01.2009, indem das Landesvermessungsamt mit dem Landesamt für Flurneuordnung (bis dahin Abteilung 8 des Regierungspräsidiums Stuttgart) zusammengeführt wurde. Dies war ein zentrales Ergebnis aus der Evaluierung der Verwaltungsstrukturreform. Vom Landesvermessungsamt hat das LGL die Rechtsform eines Landesbetriebs nach § 26 Landeshaushaltsordnung übernommen.
Das LGL ist Landesoberbehörde für Geoinformation und Landentwicklung. In jüngster Zeit sind neue Aufgaben in den Bereichen Regionalentwicklung und Strukturförderung (LEADER-Koordinierungsstelle und EFRE-Sekretariat), Lebensmittelsicherheit (Landeskontrollteam Lebensmittelsicherheit) sowie Breitbandausbau (Kompetenzzentrum Breitband) hinzugekommen.
Das LGL ist in 5 Abteilungen und 30 Referate gegliedert. Es hat seinen Sitz in Stuttgart und weitere Standorte in Karlsruhe und Kornwestheim. Im Wirtschaftsplan des LGL für 2015/2016 sind 557,5 Personalstellen veranschlagt. Daneben sind dem LGL noch Poolteams der Flurneuordnung zugeordnet, deren Bedienstete zu den Landratsämtern abgeordnet sind und in der Flurneuordnung eingesetzt werden.
Der Wirtschaftsplan wies 2013 Erträge von 12 Mio. Euro auf. Die Aufwendungen betrugen 53 Mio. Euro. Aus dem Landeshaushalt wurden dem Landesbetrieb 37,8 Mio. Euro zugeführt.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Kosten- und Leistungsrechnung
2.1.1 Rechtsgrundlagen
Landesbetriebe nach § 26 Landeshaushaltsordnung tragen dezentrale Finanzverantwortung gemäß § 7a Absatz 1 Landeshaushaltsordnung. Sie müssen die haushaltsrechtlichen Rahmenbedingungen einhalten und das jeweils verfügbare Ausgabevolumen durch eine Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) steuern.
Die KLR ist ein Steuerungs- und Informationsinstrument. Sie dient als Grundlage für Controlling-Verfahren sowie als ergänzende Unterlage für die Rechnungsprüfung. Sie liefert einen wichtigen Teil der Informationen für das Berichtswesen gegenüber dem Haushaltsgesetzgeber.
2.1.2 Festgestellte Mängel
Folgende Mängel wurden festgestellt:
- Buchung der Erlöse
Mehr als 80 Prozent der Erlöse wurden undifferenziert auf 13 Sammel-Kostenträger gebucht.
- Aktualität der hinterlegten Personalkosten
Das LGL pflegt die auf den Kostenstellen hinterlegten Vollzeitäquivalente (VZÄ) nur einmal jährlich, meist zum Stand Dezember ein. Standardmäßig sollte dies monatlich geschehen. Dadurch unterscheiden sich die direkt zugeordneten Personalkosten teilweise erheblich von den Personalkosten, die auf die Fachprodukte verteilt werden. Im Einzelfall waren die auf Fachprodukte verteilten Kosten dreimal höher als die aufgrund der VZÄ-Ausstattung möglichen Kosten. Das Gesamtergebnis wird dadurch erheblich verfälscht.
- Kostenträgerrechnung
Die Kostenträgerrechnung ist das Kernstück der KLR, weil hier die Leistungen der Verwaltung in Form von Fachprodukten und Fachprojekten abgebildet sind. Sie ist die Grundlage für eine produktorientierte Planung und Steuerung. In der Regel wird das Ergebnis der Kostenträgerrechnung im landesweiten Produktkatalog ausgewiesen.
Die Kostenträgerrechnung des LGL besteht aus Querschnittsprodukten, Fachprodukten und Fachprojekten. Nach den Standards der KLR werden alle Querschnittsprodukte und Fachprojekte vollständig auf die Fachprodukte umgelegt. Beim LGL entfielen nur etwa 30 Prozent der Gesamtkosten auf Fachprodukte. Etwa 70 Prozent der Kosten waren daher nicht ordnungsgemäß zugeteilt.
- Bildung der Fachprodukte
Viele der eingerichteten Querschnitts- und Fachprodukte waren nicht zweckmäßig. Sie sollten als Kostenstellen, Vorkostenstellen oder gegebenenfalls als Projekte abgebildet werden.
- Produktbezogene Informationen im Staatshaushaltsplan
Der Produktbereich Geoinformation beinhaltet das Vermessungs- und Geoinformationswesen. Er umfasst alle hoheitlichen Vermessungsdienstleistungen des öffentlichen Bereichs und stellt hierzu flächendeckend für das gesamte Land die Geobasisinformationen der Landesvermessung und des Liegenschaftskatasters in marktgerechter Form bereit.
Im Vorheft zum Staatshaushaltsplan wird der Fachbereich Geoinformation und Landentwicklung seit 2010 mit Verwaltungskosten zwischen 3 Mio. Euro und 3,6 Mio. Euro dargestellt.
Aufgrund der tatsächlich vorliegenden Verwaltungskosten müssen wir annehmen, dass die Gesamtkosten des Fachbereichs Geoinformation und Landentwicklung ausgehend von den Gesamtkosten des LGL tatsächlich mehr als zehnmal höher sind als unter den Zielen und Messgrößen über die Jahre dargestellt.
2.1.3 Bewertung
Die Gesamtkosten des LGL lassen sich aus der bestehenden KLR nicht zuverlässig ermitteln. Dies gilt auch für die Kosten einzelner Organisationseinheiten und die der gesetzlich vorgeschriebenen und freiwilligen Aufgaben.
Es sind sehr viele Kostenträger angelegt worden, ohne zu hinterfragen, welches Ziel damit verfolgt wird. Auf diese Weise ist es nicht möglich, verlässliche Kennzahlen zu bilden.
Die in der KLR des LGL abgebildeten Kosten sind unvollständig und für die vorgesehenen Zwecke nicht verwendbar. Sie eignen sich weder für Steuerungszwecke oder als Basis für Gebührenberechnung noch zur Veröffentlichung. Die im Vorheft zum Staatshaushaltsplan und in den produktorientierten Informationen veröffentlichten Kosten des Fachbereichs Geoinformation und Landentwicklung weichen gravierend von den tatsächlichen Kosten ab. Sie sind deshalb irreführend.
Eine funktionierende KLR ist zwingend erforderlich, um eine dezentrale Finanzverantwortung nach § 7a Landeshaushaltsordnung wahrnehmen zu können. Das LGL erfüllt die Voraussetzungen für die Wahrnehmung dezentraler Finanzverantwortung bisher nicht.
2.2 Herstellung und Vertrieb nichtamtlicher Karten
2.2.1 Aufgabe
Das LGL stellt sowohl amtliche als auch touristische und andere nichtamtliche Karten (Freizeit-, Wander-, Rad-, Landkreis- und historische Karten) her. Mit Ausnahme der historischen Karten basieren die Karten auf den amtlichen Geobasisdaten des LGL. Diese werden am Bildschirm kartografisch bearbeitet. Dabei werden weitere Informationen (z. B. zu Umwelt, Verkehr, Freizeiteinrichtungen, Verwaltung) eingearbeitet. Der Druck erfolgt im Vierfarben-Offsetdruckverfahren. Die Karten werden über den Buchhandel, Wandervereine, den Online-Shop des LGL und über Verkaufsstellen an den Standorten Stuttgart und Karlsruhe vertrieben. Der Verkauf erfolgt auch an Endkunden.
Amtliche Karten herzustellen, gehört zu den gesetzlichen Aufgaben laut Vermessungsgesetz. Damit soll sichergestellt werden, dass einheitliches Kartenmaterial hoher Qualität für das gesamte Landesgebiet zur Verfügung steht. Es sollen zivile und militärische Nutzungen abgedeckt werden.
Das LGL hat als Landesbetrieb nach § 26 Landeshaushaltsordnung die Möglichkeit, zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit auch andere Leistungen zu erbringen, soweit die Erledigung die Hauptaufgaben nicht beeinträchtigt. Die Herstellung nichtamtlicher Karten fällt unter diese Regelung. Sie steht damit unter dem Vorbehalt der Wirtschaftlichkeit.
2.2.2 Wirtschaftlichkeit nichtamtlicher Karten
Die Wirtschaftlichkeit haben wir als Differenz der direkt zuordenbaren Erlöse und Kosten ermittelt. In den Geschäftsjahren 2012 bis 2014 ist im Durchschnitt ein jährliches Defizit von rund 1 Mio. Euro entstanden. Das sind fast 70 Prozent der zuordenbaren Kosten. Dabei sind lediglich die Kosten für Herstellung, Vertrieb und Marketing der nichtamtlichen Karten berücksichtigt. Die Kosten der Geobasisdaten sind nicht enthalten.
2.2.3 Bewertung
Mit den nichtamtlichen Karten erwirtschaftet das LGL ein hohes Defizit. Das Geschäftsfeld gehört nicht zu den gesetzlichen Aufgaben des LGL. Es ließe sich nur rechtfertigen, wenn es einen positiven Beitrag zur Wirtschaftlichkeit leisten würde. Zudem entwickelt sich die Marktsituation bei gedruckten Karten ungünstig. Es werden zunehmend digitale Produkte nachgefragt. Um gedruckte Karten absetzen zu können, muss das LGL hohe Rabatte gewähren. Bei dieser Marktsituation hat das LGL als staatlicher Betrieb keine Chance, die Herstellung nichtamtlicher Karten wirtschaftlich zu gestalten.
2.3 Regelmäßige Kassenprüfungen
2.3.1 Rechtsvorschrift und Feststellungen
Kassen und Zahlstellen sind mindestens jährlich unvermutet zu prüfen. Gemäß Nr. 18 der Verwaltungsvorschrift zu § 74 Landeshaushaltsordnung gilt dies auch bei Landesbetrieben. Zweck der Prüfung ist es, die Ordnungsmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sicherheit der gesamten Kassenverwaltung zu gewährleisten. Die Verwaltungsvorschriften zu § 78 Landeshaushaltsordnung enthalten dazu umfangreiche Anweisungen. Für die Prüfungen beim LGL ist die Oberfinanzdirektion Karlsruhe zuständig.
Die letzte Prüfung fand im Februar 2011 statt. Seitdem wurde die Kasse des LGL nicht mehr geprüft.
2.3.2 Bewertung
Die Prüfungen nach § 78 Landeshaushaltsordnung sind ein zentraler Baustein der verwaltungsinternen Haushaltskontrolle. Die Jahresabschlüsse des LGL werden nicht testiert. Die Prüfungen der Oberfinanzdirektion stellen somit die einzige regelmäßige Kontrolle der Kasse des LGL dar. Die Prüfungsinhalte sind für die Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung von grundlegender Bedeutung.
2.4 Fristgerechte Erstellung der Jahresabschlüsse
2.4.1 Rechtsgrundlage und Feststellungen
Gemäß Nr. 13.2 der Verwaltungsvorschrift zu § 74 Landeshaushaltsordnung ist der Jahresabschluss innerhalb von sechs Monaten nach Ende des Geschäftsjahres aufzustellen und dem Fachressort vorzulegen. Diese Frist wurde bisher regelmäßig erheblich überschritten. In der Folge konnten die Jahresabschlüsse bisher immer erst mehr als zwei Jahre nach Ende des Geschäftsjahres fertiggestellt werden.
Durch den Zeitverzug waren die Gestaltungsmöglichkeiten der mitverantwortlich Beteiligten stark eingeschränkt. So hat das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz beim Ministerium für Finanzen und Wirtschaft erst im Februar 2014 beantragt, die Rücklagen des Geschäftsjahres 2011 zu genehmigen. Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft sollte dabei auch über die Finanzierung des Projektes Geo-IT entscheiden, obwohl das Projekt bereits im Mai 2013 begonnen worden war. Aufgrund des Zeitablaufs war zu diesem Zeitpunkt allein schon aus technischen Gründen praktisch nur noch Zustimmung möglich. Eine Rückabwicklung der teilweise schon verwendeten Beträge wäre kaum möglich gewesen. Mit dem Projekt Geo-IT soll die veraltete IT zur Verarbeitung von Geodaten neu aufgebaut werden. Das Finanzvolumen beträgt 10 Mio. Euro.
2.4.2 Bewertung
Jahresabschlüsse dienen der Information über die wirtschaftlichen Verhältnisse und Entwicklungen im abgelaufenen Geschäftsjahr. Sie sind für die Bemessung des Zuführungsbetrags und die Rücklagensteuerung von großer Bedeutung. Ihr Informationswert hängt entscheidend von ihrer Aktualität ab. Das zuständige Fachministerium, das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft sowie der Haushaltsgesetzgeber können ihre Aufsichts- und Steuerungsfunktionen nur wahrnehmen, wenn sie über möglichst aktuelle Daten verfügen.
Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft konnte nicht rechtzeitig in die Entscheidung über die Verwendung der Effizienzrendite und die Rücklagenbildung einbezogen werden. Der Haushaltsgesetzgeber war nicht rechtzeitig über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Landesbetriebs, insbesondere nicht über die Rücklagenbildung, informiert.
2.5 Rücklagen
2.5.1 Höhe und Entwicklung der Rücklagen
Das LGL hat bei seiner Gründung 2009 vom Landesvermessungsamt Gewinnrücklagen von rund 4 Mio. Euro übernommen (3 Mio. für Allgemeines und 1 Mio. für Investitionen). Die Rücklagen für Allgemeines wuchsen bis Ende 2010 auf rund 8 Mio. Euro an. Parallel wurde eine zweckgebundene Rücklage für Investitionen in die IT-Verkabelung der Gebäude von 1 Mio. Euro auf 2,5 Mio. Euro aufgestockt. Ein weiterer starker Zuwachs der Rücklagen um 2,8 Mio. Euro für Investitionen erfolgte 2011. Damit erreichten die Rücklagen einen Spitzenwert von mehr als 13 Mio. Euro. Von diesen Rücklagen wurden für das Projekt Geo-IT 10 Mio. Euro zweckgebunden.
In den Staatshaushaltsplänen 2009 bis 2011 ist nicht vorgesehen, dass Rücklagen gebildet werden sollen. Die tatsächlich gebildeten Rücklagen sind auch bei den Ist-Zahlen der folgenden Staatshaushaltspläne falsch ausgewiesen. Das folgt zwangsläufig daraus, dass die entsprechenden Jahresabschlüsse nicht vorlagen, als der Haushalt erstellt wurde.
Die umfangreichen Rücklagen spiegeln sich auch in der überaus hohen Liquidität des LGL. Das Betriebsmittelkonto wies Guthaben im zweistelligen Millionenbereich aus. Es handelt sich dabei um ein landesweites Verrechnungskonto. Zinsverluste sind nicht entstanden.
2.5.2 Bewertung
2009 bis 2011 hat das LGL aus den Zuführungen umfangreiche Rücklagen für ein großes IT-Projekt gebildet. Es mag fachlich in Ordnung gewesen sein, die Zuführungen nicht in ein überaltertes IT-System zu investieren. Korrekt wäre gewesen, die Zuführungen in diesen Jahren zu reduzieren und das IT-Projekt zeitgerecht neu zu beantragen.
Der Haushaltsgesetzgeber ist an der Bildung und Widmung von Rücklagen nicht beteiligt. Es sei denn, sie sind im Wirtschaftsplan ausgewiesen. Ansonsten entscheidet das Fachministerium zusammen mit dem Ministerium für Finanzen und Wirtschaft allein. Dies erscheint bei kleineren Summen unproblematisch. Im vorliegenden Fall erreichten die Rücklagen jedoch zweistellige Millionenbeträge. Sie überstiegen den Wert der gesamten Sachanlagen des LGL deutlich. Im Geschäftsjahr 2010 wurden die Rücklagen um 5,36 Mio. Euro ausgebaut. Dies entspricht rund 10 Prozent der Umsatzerlöse einschließlich der Zuführungen. Diese hohen Überschüsse lassen sich nicht allein auf selbstgesteuertes Verhalten des LGL zurückführen, wie es die Landeshaushaltsordnung als Voraussetzung für die Bildung von ungeplanten Rücklagen verlangt. Letztlich war der Zuführungsbetrag zu hoch.
Für die Abgeordneten ist es nicht möglich, den Aufwuchs von Rücklagen zu erkennen, wenn dieser im Wirtschaftsplan nicht oder falsch ausgewiesen ist. Auch in der Haushaltsrechnung ist die Rücklagenbildung nicht dargestellt. Um die notwendigen Informationen über Entwicklung und Zweckbestimmung der Rücklagen zu erhalten, ist der Haushaltsgesetzgeber letztlich auf die Jahresabschlüsse des Landesbetriebs angewiesen. Diese wurden aber bisher nur mit so großer Verspätung veröffentlicht, dass für die Haushaltsberatungen jeweils keine aktuellen Informationen zu Verfügung standen.
3 Empfehlungen
3.1 Funktionsfähigkeit der Kosten- und Leistungsrechnung herstellen
Das LGL sollte unverzüglich die volle Funktionsfähigkeit seiner KLR herstellen. Solange keine verlässlichen Daten vorliegen, sollte das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz im Staatshaushaltsplan zum Fachbereich Geoinformation und Landentwicklung keine produktorientierten Kosten veröffentlichen.
3.2 Herstellung nichtamtlicher Karten beenden
Das LGL sollte sich baldmöglichst von diesem hoch defizitären Geschäftsfeld trennen. Die Rechte an den nichtamtlichen Karten sollten nach Möglichkeit an einen privaten Verlag veräußert werden. So könnten die bereits getätigten Investitionen zumindest teilweise verwertet werden.
3.3 Regelmäßige Kassenprüfungen sicherstellen
Sicherzustellen ist, dass die jährlichen Kassenprüfungen ordnungsgemäß durchgeführt werden.
3.4 Jahresabschlüsse fristgerecht erstellen
Die Jahresabschlüsse haben eine zentrale Bedeutung für die haushaltswirtschaftliche Steuerung des Landesbetriebs durch das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft und den Haushaltsgesetzgeber. Das LGL hat die Jahresabschlüsse daher fristgerecht vorzulegen.
3.5 Rücklagen begrenzen
Die Rücklagenbildung ist an den tatsächlich selbst erwirtschafteten Haushaltsvorteilen zu orientieren. Grundsätzlich sollte zumindest ein Teil davon abgeschöpft werden.
Darüber hinaus gehende Überschüsse sollten unverzüglich ausgeglichen werden, indem die Zuführungsbeträge angepasst werden.
Sollte geplant sein, für bestimmte Zwecke gezielt Rücklagen zu bilden, so ist dies im Wirtschaftsplan auszuweisen.
4 Stellungnahme der Ministerien
4.1 Kosten- und Leistungsrechnung soll zeitnah eingerichtet werden
Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz teilte mit, nach mehreren tiefgreifenden Organisationsänderungen seien nun stabile Rahmenbedingungen für eine funktionsfähige Kosten- und Leistungsrechnung gegeben. Es werde zusammen mit dem LGL die Anregungen des Rechnungshofs zur Kosten- und Leistungsrechnung zeitnah aufgreifen.
4.2 Aufwand für nichtamtliche Karten wird schrittweise reduziert
Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz stellte in Aussicht, das LGL werde den Aufwand für Herstellung und Vertrieb nichtamtlicher Karten schrittweise reduzieren. Das Verlagsprogramm werde überprüft, eine nachhaltige Produktstrategie erarbeitet.
4.3 Kassen werden regelmäßig überprüft werden
Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft erwiderte, die jährliche Durchführung der Prüfungen nach § 78 Landeshaushaltsordnung werde sichergestellt.
4.4 Jahresabschlüsse werden künftig fristgerecht vorgelegt
Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz erläuterte, die Jahresabschlüsse seien wegen der Organisationsänderungen verspätet vorgelegt worden. Das LGL werde ihm den Jahresabschluss 2016 fristgerecht vorlegen.
4.5 Rücklagen seien für IT Projekt gebildet worden
Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz führte aus, das LGL habe durch eigenverantwortliche Priorisierung und unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit im Haushaltsvollzug Rücklagen gebildet, um das Projekt Geo-IT-Infrastruktur umzusetzen. Die Bildung und Dotierung der Rücklagen sei jeweils mit Einwilligung des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft erfolgt.
Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft führte aus, in den vom Rechnungshof geprüften und beanstandeten Jahren sei bei Aufstellung des Staatshaushaltsplans noch nicht ersichtlich gewesen, dass das LGL durch Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit beziehungsweise durch eigenverantwortliches Priorisieren Gelder zur Bildung von Rücklagen generieren könnte. Die später im Zuge der Aufstellung der jeweiligen Jahresabschlüsse vorgelegten Begründungen zur Bildung von Rücklagen seien schlüssig gewesen.
5 Schlussbemerkung
Der Rechnungshof hält es aus grundsätzlichen Erwägungen für erforderlich, die unwirtschaftliche Herstellung von Freizeitkarten zu beenden. Ungeplante Rücklagen dürfen nur aus selbsterwirtschafteten Überschüssen gebildet werden. Die beiden Ministerien sollten dies prüfen, bevor sie Rücklagen zulassen.
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Einzelplan 09: Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familien und Senioren
Im Ländervergleich besetzt Baden-Württemberg einen Spitzenplatz bei den Rückgriffsquoten. Dennoch können die Ausgaben weiter vermindert und die Einnahmen erhöht werden. Die bundesweiten Reformüberlegungen sollten unterstützt werden.
1 Ausgangslage
Kinder alleinstehender Mütter und Väter haben einen eigenen Anspruch auf Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz. Diese Leistungen werden entweder als Unterhaltsvorschuss erbracht, wenn es einen unterhaltspflichtigen anderen Elternteil gibt oder als Unterhaltsausfallleistung, wenn ein leistungsfähiger Unterhaltsverpflichteter nicht vorhanden ist. Erhält ein Kind solche Leistungen, gehen dessen Unterhaltsansprüche gegen den familienfernen Elternteil auf das Land über. Dieser Elternteil wird zur Rückzahlung der gewährten Unterhaltsleistungen aufgefordert (Rückgriff).
Finanziert werden diese Unterhaltsleistungen gemeinsam von Bund, Ländern und gegebenenfalls Kommunen. Dabei trägt der Bund ein Drittel der Ausgaben und erhält ein Drittel der Einnahmen. Über die Aufteilung der übrigen zwei Drittel zwischen Land und Kommunen entscheiden die Länder selbst.
In Baden-Württemberg werden die Einnahmen und Ausgaben zu je einem Drittel auf das Land und die Land- und Stadtkreise sowie kreisangehörigen Gemeinden mit eigenem Jugendamt aufgeteilt. Die genannten kommunalen Körperschaften führen das Unterhaltsvorschussgesetz aus und tragen hierfür auch die Verwaltungskosten. Die Unterhaltsvorschussstellen bei den dortigen Jugendämtern sind für das Antrags- und Bewilligungsverfahren sowie den Rückgriff zuständig.
Die Rückgriffsquote ist die zentrale Kennzahl für Vergleiche zwischen den Ländern, aber auch innerhalb Baden-Württembergs. Sie bezeichnet das Verhältnis der staatlichen Gesamtausgaben zu den Rückzahlungen der Unterhaltsschuldner nach dem Unterhaltsvorschussgesetz eines Haushaltsjahres.
2 Prüfungsergebnisse
Diese Untersuchung befasste sich vorrangig mit den Fragen, welche Faktoren die Rückgriffsquoten beeinflussen und welche Maßnahmen die Einnahme- und Ausgabesituation trotz der im Bundesvergleich guten Rückgriffsquoten weiter verbessern können. Grundlage ist eine Umfrage bei allen 46 Unterhaltsvorschussstellen. Diese konnten nicht zu allen Fragen die Daten liefern. Deshalb variiert die Anzahl der Unterhaltsvorschussstellen bei den folgenden Ausführungen.
2.1 Rückgriffsquote
In Baden-Württemberg variieren die Rückgriffsquoten bei den einzelnen Kreisen zum Teil erheblich. Bei der mittelwertbezogenen Betrachtung reichten die Quoten von 22,0 Prozent bis 43,2 Prozent.
Im Ländervergleich liegt Baden-Württemberg stets an zweiter Stelle. Tabelle 1 zeigt die Entwicklung der Rückgriffsquoten der Länder von 2004 bis 2014 in Prozent absteigend nach Mittelwert.
2.2 Falldaten, Zahl- und Altfälle
2014 bearbeiteten 40 von 46 Unterhaltsvorschussstellen insgesamt 85.342 Fälle, davon waren 59 Prozent sogenannte Altfälle. Bei Altfällen werden zwar keine Unterhaltsleistungen mehr ausgezahlt, es stehen aber noch Zahlungen des unterhaltspflichtigen Elternteils aus. Bei den einzelnen Unterhaltsvorschussstellen reichte deren Spannbreite von 41 Prozent bis 88 Prozent.
Zum Stichtag 01.07.2015 meldeten 44 Unterhaltsvorschussstellen insgesamt 32.519 laufende Fälle (Zahlfälle) und 52.043 Altfälle. Diese Größenordnung erfordert es, dass der Bearbeitung der Altfälle mindestens die gleiche Priorität eingeräumt wird wie den Zahlfällen. Tabelle 2 zeigt die regionale Verteilung.
2.3 Ausstehende Unterhaltszahlungen
27 Unterhaltsvorschussstellen meldeten ausstehende Unterhaltszahlungen von 63,5 Mio. Euro bei 26.275 Altfällen. Eine schematische Hochrechnung der ausstehenden Unterhaltszahlungen auf alle Unterhaltsvorschussstellen ergibt einen rechnerischen Betrag von 126 Mio. Euro (2.418 Euro je Altfall).
2.4 Auslandsrückgriffe und Strafanzeigen
Baden-Württemberg führt keine Statistik über Auslandsrückgriffe. Für 2014 konnten wir hierzu von 23 Unterhaltsvorschussstellen Daten erhalten. Daraus schließen wir, dass 2.121 Unterhaltspflichtige im Ausland leben. In 492 Fällen (23 Prozent) seien Unterhaltsansprüche geltend gemacht worden. Allerdings gibt es regionale Unterschiede. Im Regierungsbezirk Freiburg lag die Quote bei 58 Prozent und im Regierungsbezirk Stuttgart bei 16 Prozent. Im Regierungsbezirk Tübingen waren es 21 Prozent und im Regierungsbezirk Karlsruhe 17 Prozent.
2014 stellten 35 Unterhaltsvorschussstellen in 107 Fällen Strafanzeigen wegen Unterhaltspflichtverletzungen. In 29 Fällen führten diese zu Unterhaltszahlungen.
Wegen der geringen Datenbasis können keine generellen Aussagen und Folgerungen zu den Gegebenheiten im Land getroffen werden.
2.5 Rechtskonformes Verwaltungshandeln
Die Unterhaltsvorschussstellen gaben an, dass in mehr als 20 Prozent der Zahlfälle der volle Unterhaltsvorschuss gewährt wurde, obwohl bei ihnen Unterhaltszahlungen eingingen. Diese Vorgehensweise entspricht nicht der geltenden Rechtslage. Im Übrigen ist diese Vorgehensweise nicht im Interesse der anspruchsberechtigten Kinder. Da die Unterhaltsleistungen auf 72 Monate begrenzt sind, werden in diesen Fällen auch Leistungsmonate verbraucht, die gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt benötigt werden.
2.6 Bundesweite Verwaltungsvereinfachung
Bereits in seiner Denkschrift 2010 (Beitrag Nr. 13, Landtagsdrucksache 14/6613) empfahl der Rechnungshof, die Verfahren für Wohngeld und Arbeitslosengeld II beziehungsweise Sozialhilfe zu verbinden.
Der Bundesrechnungshof äußerte sich 2012 zum Vollzugsaufwand bei der Gewährung von Unterhaltsvorschuss und Wohngeld an Kinder mit Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Nach seinen Berechnungen beträgt der Anteil der Kinder mit Unterhaltsvorschuss aus solchen Haushalten 70 Prozent.
Nach unseren Erhebungen erhielten in durchschnittlich 56 Prozent der Zahlfälle die alleinerziehenden Elternteile selbst Sozialleistungen. In diesen Fällen müssen bei mehreren staatlichen Stellen Anträge gestellt werden. Jeder Leistungsträger muss für sich die persönlichen und wirtschaftlichen Anspruchsvoraussetzungen prüfen. Hier werden auf staatlicher Seite teure Personalressourcen eingesetzt, deren Tätigkeiten keinen unmittelbaren Mehrwert für die Alleinerziehenden bringen.
Das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend hat inzwischen ein Konzept für die Neuordnung des Verhältnisses von Unterhaltsvorschuss und SGB II-Leistungen erarbeitet. Ziel ist es, den Vollzug des Unterhaltsvorschussgesetzes und des SGB II hinsichtlich ihrer Überschneidungen wesentlich zu vereinfachen und insbesondere den doppelten Rückgriff zu vermeiden.
2.7 Bewertung
Unterhaltsansprüche gegenüber Unterhaltspflichtigen sind nach den Bestimmungen des Haushaltsrechts von den Unterhaltsvorschussstellen rechtzeitig und vollständig durchzusetzen. Dabei müssen sowohl Einnahmen als auch Ausgaben im Blick behalten werden.
Die Zahl der Antragsberechtigten sowie die Zahl der tatsächlich gestellten Anträge kann von staatlicher Seite nicht beeinflusst werden. Ausgaben mindernde und Einnahmen erhöhende Maßnahmen können daher vor allem bei der Sachbearbeitung ansetzen. Unsere Untersuchung zeigt folgende für die Sachbearbeitung bedeutsame Aspekte:
- Die konsequente und zügige Bearbeitung der Altfälle,
- die konsequente Einstellung von Unterhaltsvorschussleistungen, wenn regelmäßig Unterhaltsleistungen bezahlt werden,
- die konsequente Verfolgung von Unterhaltsansprüchen im Ausland und
- die konsequente Überprüfung der Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Elternteils bereits ab Antragstellung.
3 Empfehlungen
3.1 Regionalen Unterschieden nachgehen und Erfahrungsaustausch initiieren
Das Sozialministerium sollte den regionalen Unterschieden vor allem bei den Altfällen, den Auslandsrückgriffen und den Strafanzeigen nachgehen und einen Erfahrungsaustausch von Best-Practice-Beispielen bei den Kommunen initiieren.
3.2 Volle Unterhaltsvorschüsse auf Fälle ohne Unterhaltszahlungen begrenzen
Das Sozialministerium sollte darauf hinwirken, dass die Verwaltungspraxis einiger Unterhaltsvorschussstellen eingestellt wird, den vollen Unterhaltsvorschuss zu gewähren, obwohl Unterhaltszahlungen geleistet werden.
3.3 Verwaltungsvereinfachung auf Bundesebene unterstützen
Im Rahmen der angestrebten Verwaltungsvereinfachung auf Bundesebene sollte sich das Sozialministerium dafür einsetzen, dass die Rückgriffsmöglichkeiten im bisherigen Umfang gewährleistet werden und es im Ergebnis zu keiner Verschiebung von Lasten auf Länder und Kommunen kommt.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Sozialministerium teilte mit, dass bei der nächsten Dienstbesprechung mit den Regierungspräsidien die vom Rechnungshof aufgeworfenen Aspekte angesprochen würden. Es werde versucht, die Ursachen hierfür zu klären, damit eine einheitliche Verwaltungspraxis erreicht werden könne.
Das Ministerium teilt die Auffassung des Rechnungshofs, dass die beschriebene Verwaltungspraxis rechtswidrig und daher einzustellen sei. Mit den Regierungspräsidien soll erörtert werden, wie eine durchgängig rechtskonforme Praxis herbeigeführt werden könne.
Die Rückgriffmöglichkeiten auf die Unterhaltsschuldner sollten auch im Falle einer Umsetzung der aktuellen Überlegungen in vollem Umfang erhalten bleiben. Das Ministerium werde dafür eintreten, dass die Reform im Ergebnis nicht zu einer Lastenverschiebung auf Länder und Kommunen führen werde.
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Die Zentren für Psychiatrie nehmen ihre Bauherrenfunktion nicht ausreichend wahr. Das Baumanagement ist unzureichend und nicht einheitlich organisiert. Das europäische Vergaberecht muss uneingeschränkt beachtet werden. Die Vergabeverfahren sind zu verbessern und für alle sieben Zentren einheitlich zu regeln. Auch bestehen erhebliche Einsparpotenziale im technischen Gebäudemanagement.ung auf Länder und Kommunen führen werde.
1 Ausgangslage
Aufgabe der Zentren für Psychiatrie ist die stationäre, die teilstationäre und die ambulante psychiatrische Krankenversorgung. Außerdem üben sie den hoheitlichen Maßregelvollzug aus. Sie unterhalten therapeutische Werkstätten, Gärtnereien, Feuerwehren, Kindertagesstätten sowie Schulen für Gesundheits- und Krankenpflege.
Die Zentren für Psychiatrie sind selbstständige Anstalten des öffentlichen Rechts und öffentliche Auftraggeber im Sinne von § 98 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB).
Das Land Baden-Württemberg ist durch das Gesetz zur Errichtung der Zentren für Psychiatrie Gewährträger und Rechtsaufsicht der sieben Zentren für Psychiatrie. Für den freiheitsentziehenden Maßregelvollzug unterliegen sie der Fachaufsicht des Landes. Die sieben Zentren für Psychiatrie werden von drei Geschäftsführern geleitet.
Das Land bezuschusst Baumaßnahmen der Zentren für Psychiatrie jährlich mit etwa 30 Mio. Euro. Der Rechnungshof prüfte 18 Baumaßnahmen mit Kosten von mehr als 135 Mio. Euro. Dabei lag der finanzielle Schwerpunkt bei neun Neubaumaßnahmen mit 118 Mio. Euro. Zusätzlich untersuchte der Rechnungshof Verbräuche und Kosten im technischen Gebäudemanagement.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Projektierung ohne Kostenplanungsinstrumente
Die Zentren für Psychiatrie veranschlagten den Kostenrahmen der geprüften Baumaßnahmen meist anhand überschlägiger Erfahrungswerte. In den Entscheidungsunterlagen wurden diese Kostenschätzungen nur in Ausnahmefällen dokumentiert.
Aufbauend auf den Nutzungsanforderungen wären verlässliche Kostenschätzungen frühzeitig anhand IT-gestützter Kostenermittlungsinstrumente ohne großen Aufwand möglich gewesen. Dafür stehen bewährte Kostenplanungsinstrumente wie PLAKODA©, RBK1-PC©, BKI zur Verfügung.
Die Architekten setzten lediglich in Einzelfällen BKI zur Ermittlung der Kosten ein. Für wirtschaftliches Bauen sind verlässliche Kostenermittlungen bereits bei der Projektierung unerlässlich. Die Zentren für Psychiatrie haben hierzu keine Handlungsanweisungen.
2.2 Kostensteigerungen bei Neubaumaßnahmen
Der Rechnungshof stellte bei drei Neubaumaßnahmen eine Kostensteigerung von mehr als 1,6 Mio. Euro beziehungsweise zwischen 12 und 18 Prozent fest.
Die Kostenermittlungen waren grundsätzlich zu niedrig berechnet und wurden nicht kritisch hinterfragt. Es wurden keine zusätzlichen Informationen zu einem Risikopotenzial oder sonstigen Unwägbarkeiten dargestellt.
Die Geschäftsführer der Zentren für Psychiatrie erklärten die Kostensteigerungen mit unerwartet ungünstigen Angeboten aufgrund der starken Baukonjunktur sowie mehrerer Insolvenzen von beauftragten Unternehmen.
2.3 Europäisches Vergaberecht nicht beachtet
Die Zentren für Psychiatrie sind als öffentliche Auftraggeber verpflichtet, Bau-, Dienst- und Lieferleistungen oberhalb der Schwellenwerte europaweit auszuschreiben. Für Bauleistungen beträgt der Schwellenwert derzeit 5,225 Mio. Euro beziehungsweise für Dienst- und Lieferleistungen 209.000 Euro. Die Schwellenwerte werden alle zwei Jahre angepasst.
Lediglich bei einer von acht Baumaßnahmen wurden bei Vergaben über dem Schwellenwert keine Verstöße gegen die Vergabeverordnung festgestellt (Neubau Alterspsychiatrie Reichenau). Bei sieben Baumaßnahmen wurde die Vergabeverordnung nicht beachtet.
Die Bauleistungen in Bad Schussenried und Friedrichshafen wurden ausschließlich national ausgeschrieben. Bei den Baumaßnahmen in Emmendingen, Wiesloch, Schwäbisch Hall und Winnenden wurden Leistungen freiberuflich Tätiger gesplittet und teilweise direkt beauftragt. Für den Neubau der Küche in Wiesloch wurde ein Speiseverteilsystem ohne europaweiten Wettbewerb beschafft.
Selbst kleine Verletzungen der Vergabeverordnung können durch Nachprüfungsverfahren zu enormen Verzögerungen sowie hohen Prozesskosten führen.
2.4 VOB nicht beachtet
Bei einigen Vergaben haben die Zentren für Psychiatrie Teilleistungen nachverhandelt beziehungsweise den Leistungsumfang vor Erteilung des Auftrags geändert. Dies ist ein erheblicher Verstoß gegen das Verhandlungsverbot nach § 15 Absatz 3 VOB/A.
Teilweise wurden Angebote bei der Submission nicht rechtssicher gekennzeichnet. Die Geschäftsführer der Zentren für Psychiatrie teilten zwischenzeitlich mit, dass entsprechende Geräte beschafft und künftig verwendet würden.
Die Zentren für Psychiatrie haben keine einheitlichen Vertragsmuster. Zum Teil kamen nicht VOB-konforme Vertragsmuster der beauftragten Architekten und Ingenieure zur Anwendung. Der Rechnungshof hat weitere zahlreiche Verstöße gegen die VOB festgestellt:
- fehlende Unterschriften auf Verhandlungsniederschriften,
- fehlerhafte Prüfung und Wertung von Angeboten und Nachträgen und
- fehlerhafter Umgang mit Sicherheitsleistungen.
Die Zentren für Psychiatrie nehmen ihre Bauherrenfunktion nicht ausreichend wahr. Diese Verstöße weisen auf unzureichende Fachkenntnis der Vergabestellen hin.
2.5 Interessenkonflikt zwischen Projektsteuerung und Architekt
Objektplanung und Durchführung sind definierte Architektenleistungen. Dagegen können die Überwachung von Kosten, Terminen und Qualitäten an Projektsteuerer übertragen werden.
Bei zwei Baumaßnahmen wurde ein Architekt sowohl mit der Architektenleistung als auch mit der Projektsteuerung beauftragt. Bei einer der Baumaßnahmen entstanden zusätzliche Kosten, weil der Architekt den Bauablauf unzureichend koordinierte. Diese zusätzlichen Kosten wurden dem Zentrum für Psychiatrie lediglich teilweise ersetzt. Hierdurch entstand ein finanzieller Schaden.
Projektsteuerungsleistungen gemeinsam mit den Architektenleistungen an denselben freiberuflich Tätigen zu vergeben, war nicht vorteilhaft. Honorare von 37.000 Euro beziehungsweise 147.000 Euro hätten vermieden werden können.
2.6 Technische Betriebskosten
Die Zentren für Psychiatrie gaben in den vergangenen drei Jahren für die Gasversorgung zusammen jährlich 5,5 Mio. Euro aus. Der standortspezifische Gaslieferpreis der einzelnen Zentren für Psychiatrie betrug zwischen 25 Euro und 92 Euro je MWh. Die sieben Zentren für Psychiatrie haben nicht gemeinsam ausgeschrieben. In einer landesweiten gemeinsamen Ausschreibung der Gasversorgung liegt nach den Prüfungserfahrungen des Rechnungshofs ein jährliches Einsparpotenzial von mehr als 1 Mio. Euro (siehe Denkschrift 2011, Beitrag Nr. 21 und Denkschrift 2012, Beitrag Nr. 22).
Gebäudetechnische Anlagen lassen die Zentren für Psychiatrie überwiegend durch externe Unternehmen warten. Hierfür entstanden Kosten von mehr als 2 Mio. Euro je Jahr. Die Wartungsleistungen wurden nicht gebündelt ausgeschrieben. Nach Erfahrungen des Rechnungshofs liegt gerade in der gebündelten Ausschreibung ein großes Einsparpotenzial (siehe Denkschrift 2014, Beitrag Nr. 21).
Seit 2004 haben die Zentren für Psychiatrie die Zahl und elektrische Leistung der Blockheizkraftwerke verdoppelt. Hierdurch konnten mehr als 1,8 Mio. Euro je Jahr an Stromlieferkosten eingespart werden. Dennoch besteht weiteres Einsparpotenzial bei der Auslastung und der Stromerzeugung der Blockheizkraftwerke.
3 Empfehlungen
Die sieben Zentren für Psychiatrie müssen ihre Bauherrenfunktion intensiver wahrnehmen und das Baumanagement insgesamt verbessern und verbindlich regeln. Sie sollten, trotz selbstständigen Handelns jedes Zentrums, ihre Außendarstellung durch ein einheitliches Auftreten im Vergabebereich verbessern. Die Gemeinsamkeit der Zentren des Landes sollte gelebt werden.
3.1 Einheitliche Regelungen einführen
Die Zentren für Psychiatrie sollten einheitliche Vergabe- und Vertragsmuster einführen und verbindlich anwenden. Damit könnte die Mehrheit der festgestellten Verstöße vermieden werden. Die neuen gesetzlichen Regelungen ab 2016 zum elektronischen Vergabeverfahren sind dabei zu beachten.
3.2 Mitarbeiter qualifizieren
Das Vergaberecht unterliegt einer kontinuierlichen Veränderung. Deshalb müssen Projektleiter und Vergabestellen ständig fachlich fortgebildet werden. Zudem müssen einige Zentren für Psychiatrie ihr baufachliches Personal verstärken, um den Anforderungen als Bauherr gerecht zu werden.
3.3 Interne übergeordnete Projektsteuerung einrichten
Die Projektsteuerung sollte nicht an Dritte delegiert werden. Für große, komplexe Baumaßnahmen sollten die sieben Zentren für Psychiatrie gemeinsam eine übergeordnete Projektsteuerungsgruppe mit qualifiziertem Personal einrichten. Diese Gruppe sollte bereits zur Festlegung des Bauprogramms und des Kostenrahmens wesentliche Entscheidungshilfen liefern.
3.4 Leistungen des Gebäudemanagements ausschreiben
Gaslieferungen und Wartungsleistungen sollten neu und gebündelt ausgeschrieben werden. Das zu erwartende Einsparpotenzial ist beträchtlich.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Sozialministerium entgegnet, dass die Gebäude der Zentren für Psychiatrie nur bedingt vergleichbar seien. Daher seien Standardinstrumente zur Kostenplanung der Zentren für Psychiatrie nur eingeschränkt geeignet. Alle Maßnahmen seien kostengünstig und wirtschaftlich erstellt worden. Kostensteigerungen blieben zumeist im Rahmen.
Das Ministerium führt an, dass durch die Nichtbeachtung von Vorschriften des Vergaberechts kein wirtschaftlicher Schaden entstanden sei. Es bestätigt, dass unzulässiger Weise nachverhandelt wurde. Allerdings seien hierdurch Kosten eingespart worden.
Bei mehr als 100 Bauprojekten der Zentren für Psychiatrie seien keine Verzögerungen oder Prozesskosten wegen Nichteinhaltung des Vergaberechts zu verzeichnen. Künftig würden die Mitarbeiter verstärkt geschult, um Verfahrensfehler zu vermeiden. Vertragsmuster würden zentral vorgehalten. Zudem sei eine zentrenübergreifende Arbeitsgruppe eingerichtet worden.
Das Ministerium bestätigt, dass auf die Trennung der Architektenleistungen von Projektsteuerungsaufgaben künftig besonders geachtet werde.
Nennenswerte Einsparpotenziale in einer gemeinsamen Ausschreibung von Gaslieferungen und Wartungsleistungen sieht das Ministerium nicht.
5 Schlussbemerkung
Die Darstellung des Sozialministeriums, dass durch Nichtbeachten einzelner Vorschriften des Vergaberechts kein wirtschaftlicher Schaden entstanden sei, rechtfertigt und heilt die Verstöße gegen das Vergaberecht nicht. Das europäische Vergaberecht ist verpflichtend, hat ordnungspolitische Bedeutung und zielt eindeutig auf die Öffnung der Märkte zur Stärkung des Wettbewerbs ab.
Verhandlungen, besonders über Änderung der Angebote oder Preise, sind unstatthaft. Das Preisrecht der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure ist bindend.
Der Rechnungshof erkennt in gemeinsamen beziehungsweise gebündelten Ausschreibungen im technischen Gebäudemanagement weiterhin erhebliches Einsparpotenzial.
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Einzelplan 12: Allgemeine Finanzverwaltung
In mehr als 80 Prozent der vom Rechnungshof untersuchten Fälle berücksichtigten die Finanzämter die Kirchenabgeltungsteuer zu Unrecht als Sonderausgabe. Jährlich entstehen Steuerausfälle in Millionenhöhe. Die Bearbeitungsqualität muss deutlich verbessert werden.
1 Ausgangslage
Gezahlte Kirchensteuer ist bei der Veranlagung zur Einkommensteuer grundsätzlich als Sonderausgabe abziehbar. Nicht abzugsfähig ist dagegen die sogenannte Kirchenabgeltungsteuer. Das ist die Kirchensteuer auf Kapitalerträge, die mit dem Abgeltungsteuertarif besteuert wurden. Grund für das Abzugsverbot ist, dass die Einkommensteuer in solchen Fällen nach einer speziellen Tarifformel berechnet wird. Dabei ist die Kirchensteuer als Sonderausgabe bereits pauschaliert steuersatzmindernd berücksichtigt. In der Folge beträgt der Einkommensteuersatz für diese Erträge nicht 25 Prozent, sondern lediglich 24,51 Prozent. Das Abzugsverbot galt in den Veranlagungszeiträumen 2009 und 2010 nur, soweit die Kirchensteuer im Steuerabzugsverfahren einbehalten wurde. Seit dem Veranlagungszeitraum 2011 gilt es auch für die im Veranlagungsverfahren nacherhobene Kirchenabgeltungsteuer.
Bei der Prüfung einzelner Finanzämter stellte die Finanzkontrolle immer wieder fest, dass nacherhobene Kirchenabgeltungsteuer trotz Abzugsverbots als Sonderausgabe berücksichtigt wurde. Der Rechnungshof hat deshalb 2015 gemeinsam mit den staatlichen Rechnungsprüfungsämtern landesweit untersucht, wie die Steuerverwaltung dieses Abzugsverbot im Veranlagungszeitraum 2011 umgesetzt hat.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Finanzielle Bedeutung der Kirchenabgeltungsteuer
2011 hat die Steuerverwaltung für die Veranlagungszeiträume 2009 und 2010 landesweit in 259.511 Einkommensteuerfällen Kirchenabgeltungsteuer von insgesamt 25,3 Mio. Euro im Veranlagungsverfahren nacherhoben.
Für die Prüfung hat der Rechnungshof Steuerbescheide des Veranlagungszeitraums 2011 ausgewählt, bei denen
- die für 2009 und 2010 nacherhobene Kirchenabgeltungsteuer mindestens 100 Euro betrug und
- das zu versteuernde Einkommen oberhalb des Grundfreibetrags lag.
Diese Auswahlkriterien erfüllten 37.985 Steuerfälle. Das sind 14,6 Prozent der landesweit 259.511 Fälle mit nacherhobener Kirchenabgeltungsteuer. Sie umfassen allerdings mit 19,4 Mio. Euro 77 Prozent der gesamten 2011 nacherhobenen Kirchenabgeltungsteuer.
In 37.839 der 37.985 Steuerfälle betrug die nacherhobene Kirchenabgeltungsteuer zwischen 100 Euro und 9.999 Euro. Von diesen 37.839 Fällen hat der Rechnungshof 550 nach Zufallskriterien ausgewählt. Daneben wurden 18 Fälle mit nacherhobener Kirchenabgeltungsteuer von mindestens 10.000 Euro untersucht. Damit erstreckten sich die Erhebungen auf insgesamt 568 Einkommensteuerfälle bei neun Finanzämtern.
2.2 Qualität der Steuerbescheide unzureichend
Nachfolgend werden die Ergebnisse der Untersuchung getrennt nach den Verantwortungsbereichen des Risikomanagementsystems und der Bearbeiter dargestellt.
2.2.1 Risikomanagementsystem der Finanzverwaltung verbesserungswürdig
Das 2008 in der Steuerverwaltung eingeführte Risikomanagementsystem zeigt mittels Hinweisen die mutmaßlich risikobehafteten Sachverhalte der Steuererklärungen auf. Nur diese Bereiche sind von den Bearbeitern zu prüfen. Die übrigen Sachverhalte unterliegen ausschließlich dem Verantwortungsbereich des Risikomanagementsystems.
In 237 der 568 untersuchten Einkommensteuerfälle war das Risikomanagementsystem für den Ansatz der Kirchensteuer als Sonderausgabe allein verantwortlich. Von diesen 237 Fällen waren 207 fehlerhaft. Dies entspricht einer Quote von 87 Prozent. Die festgestellten Fehler hatten unterschiedliche Ursachen.
Das Risikomanagementsystem gleicht die in den Steuererklärungen angegebenen Werte zur gezahlten und erstatteten Kirchensteuer maschinell mit den elektronisch abgelegten Daten ab. Führt dieser Abgleich zu keinen nennenswerten Differenzen, wird der erklärte Wert der Veranlagung zugrunde gelegt.
Allerdings werden im IT-System sämtliche gezahlten und erstatteten Kirchensteuerbeträge abgelegt - ohne diese weiter zu unterscheiden. Das heißt, die nicht als Sonderausgabe abzugsfähige Kirchenabgeltungsteuer wird im IT-System nicht gesondert erfasst. Das Risikomanagementsystem erkannte deshalb in den 207 fehlerhaften Fällen nicht, dass in den Einkommensteuererklärungen jeweils Kirchenabgeltungsteuer als Sonderausgabe geltend gemacht wurde. In der Folge stufte es diese Sachverhalte als risikoarm ein und übernahm die erklärten Werte in die Steuerbescheide. Dies führte dazu, dass 73.500 Euro Steuern zu wenig festgesetzt wurden.
2.2.2 Qualität der Fallbearbeitung durch die Bediensteten unzureichend
331 der 568 geprüften Einkommensteuerbescheide waren hinsichtlich des Sonderausgabenabzugs für Kirchensteuer dem Verantwortungsbereich der Bearbeiter zuzuordnen. Zumeist hatte in diesen Fällen das Risikomanagementsystem die Bediensteten durch die Ausgabe von maschinellen Hinweisen angewiesen, die als Sonderausgabe geltend gemachte Kirchensteuer zu prüfen. Von diesen 331 Fällen waren 262 (79 Prozent) unzutreffend bearbeitet. In der Folge setzten die Finanzämter die Steuer um 225.500 Euro zu niedrig fest. Einfluss hierauf hatten sowohl die Qualität der Hinweise als auch die Qualität der Hinweisbearbeitung durch die Bediensteten.
Die Qualität der vom IT-System ausgegebenen Hinweise war oftmals problematisch. Der in den untersuchten Fällen am häufigsten ausgegebene Hinweis fordert die Bediensteten dazu auf, die Höhe der als Sonderausgabe abziehbaren Kirchensteuer in den Fällen zu prüfen, in denen für den unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum nicht als Sonderausgabe abzugsfähige Kirchenabgeltungsteuer festgesetzt worden ist. Diese missverständliche Formulierung veranlasste die Bearbeiter häufig, lediglich die Kirchensteuerzahlungen des unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraums hinsichtlich der Abzugsfähigkeit zu prüfen. Bei den in die Erhebung einbezogenen Fällen betraf die gezahlte Kirchenabgeltungsteuer vielfach jedoch weiter zurückliegende Jahre. Eine Prüfung dieser Zahlungen fand dann zumeist nicht statt.
Auch weitere Hinweise, die zur Prüfung des Sonderausgabenabzugs für Kirchensteuer ausgegeben wurden, konnten eine unzutreffende Steuerfestsetzung vielfach nicht verhindern. Die Texte dieser Hinweise sind oftmals umfangreich und gehen auf die spezielle Problematik der Kirchenabgeltungsteuer jeweils lediglich im letzten Absatz ein.
Die Bearbeiter hatten den Hinweisen aber auch nicht die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt. 22 Prozent der vom System ausgegebenen Hinweise wurden von den Bediensteten gar nicht bearbeitet. Von den bearbeiteten Hinweisen konnten 71 Prozent nicht zu dem von der Verwaltung angestrebten Erfolg führen. Trotz bearbeitetem Hinweis war bei der Veranlagung zu Unrecht Kirchenabgeltungsteuer als Sonderausgabe berücksichtigt worden.
Viele Bearbeiter gaben an, es sei ihnen nicht bekannt gewesen, dass nacherhobene Kirchenabgeltungsteuer nicht als Sonderausgabe abzugsfähig ist. Zudem war den meisten Bediensteten offensichtlich nicht bewusst, dass Kirchenabgeltungsteuer auch in den Vorauszahlungen zur Kirchensteuer enthalten sein kann. Fehlerursache war vielfach auch, dass die Bearbeiter die im IT-System gespeicherten Werte übernahmen, ohne zu berücksichtigen, dass diese Daten nacherhobene Kirchenabgeltungsteuer enthielten.
Um die als Sonderausgabe abzugsfähige Kirchensteuer zutreffend zu ermitteln, ist eine Vielzahl von Arbeitsschritten notwendig. Die Bearbeiter müssen sämtliche innerhalb des maßgeblichen Jahres gezahlten und erstatteten Kirchensteuerbeträge daraufhin prüfen, ob und in welcher Höhe Kirchenabgeltungsteuer enthalten ist. Dazu sind jeweils alle Steuerbescheide heranzuziehen, die Grundlage für die entsprechenden Kirchensteuerzahlungen und -erstattungen waren. Oftmals handelt es sich dabei um eine Vielzahl von Vorauszahlungs- und Jahressteuerbescheiden, die teilweise unterschiedliche Veranlagungszeiträume betreffen. Liegen zudem noch geänderte Steuerbescheide vor, verkompliziert dies die notwendige Prüfung zusätzlich. Im Übrigen haben die Bearbeiter zu beachten, dass die maßgeblichen Werte jeweils an unterschiedlichen Stellen der Steuerbescheide aufgeführt sind. Die personelle Ermittlung der abzugsfähigen Kirchensteuer ist nicht nur zeitaufwendig, sondern auch fehlerträchtig.
2.3 Finanzielles Ergebnis
Von den 568 geprüften Fällen waren 469 fehlerhaft. Damit berücksichtigte die Steuerverwaltung in rund 83 Prozent der geprüften Einkommensteuerbescheide die Kirchenabgeltungsteuer zu Unrecht als Sonderausgabe. Die festgestellten Fehler führten zu Steuerausfällen und Mehrsteuern von insgesamt 299.000 Euro.
Ein Teil der fehlerhaften Einkommensteuerbescheide konnte verfahrensrechtlich noch geändert werden. Aus der Korrektur dieser Fälle resultieren Mehrsteuern von 112.000 Euro. Der überwiegende Teil der fehlerhaften Steuerbescheide war jedoch aus Rechtsgründen nicht mehr änderbar. Die fehlerhafte Bearbeitung dieser Fälle führte zu Steuerausfällen von insgesamt 187.000 Euro. Das durchschnittliche finanzielle Ergebnis je geprüftem Steuerbescheid belief sich auf 526 Euro.
Aufgrund der Zufallsauswahl von 550 der 568 Prüffälle ist es möglich, die Ergebnisse der Erhebungen auf alle entsprechenden Fälle des Veranlagungszeitraums 2011 landesweit zu übertragen. Unterstellt man insoweit die festgestellten Fehlerquoten und die durchschnittlichen finanziellen Ergebnisse landesweit, wurden die Einkommensteuer und der Solidaritätszuschlag allein für den Veranlagungszeitraum 2011 um insgesamt 5,2 Mio. Euro zu niedrig festgesetzt. Auch bezüglich der Steuerfälle, für die keine repräsentative Fallauswahl möglich war, geht der Rechnungshof von einer erheblichen landesweiten steuerlichen Auswirkung aus.
Auch künftig ist noch von einem bedeutsamen Fehlerpotenzial auszugehen. Auf der Basis der für den Veranlagungszeitraum 2011 getroffenen Prüfungsfeststellungen schätzt der Rechnungshof dieses Fehlerpotenzial auf jährlich 2 Mio. Euro.
Zwar führte die Steuerverwaltung ab dem Veranlagungszeitraum 2015 ein automatisiertes Verfahren ein. Hierdurch wird die Kirchenabgeltungsteuer in vielen Fällen direkt an der Quelle einbehalten und an den Fiskus abgeführt. Aus Rechtsgründen greift dieses Verfahren allerdings - ebenso wie das bisherige Abzugsverfahren - nicht in allen Steuerfällen. Bei mindestens 40 Prozent der zufällig ausgewählten Prüffälle ist davon auszugehen, dass auch weiterhin Kapitalerträge vorliegen werden, bei denen Kirchenabgeltungsteuer nachzuerheben sein wird. Insbesondere „private" Zinsschuldner, Auslandsbanken und ausländische Zweigstellen von Inlandsbanken müssen auch weiterhin keine Abgeltungsteuer einbehalten. Kirchensteuerpflichtige haben zudem die Möglichkeit, das automatisierte Kirchensteuerabzugsverfahren zu vermeiden, indem sie beim Bundeszentralamt für Steuern den automatischen Datenabruf sperren lassen.
2.4 Bewertung
Vor dem Hintergrund der hohen Fehlerquote, der landesweiten Bedeutung der Untersuchungsergebnisse sowie der erwarteten Zukunftswirkung besteht aktuell Handlungsbedarf. Die Bearbeitungsqualität bei Fällen mit Kirchenabgeltungsteuer muss bezüglich des Sonderausgabenabzugsverbots verbessert werden.
3 Empfehlungen
3.1 Bedienstete der Steuerverwaltung schulen
Um die Bearbeitungsqualität hinsichtlich des Sonderausgabenabzugs für Kirchensteuer zu verbessern, sollten die Bediensteten der Veranlagungsstellen zu dieser Thematik erneut praxisorientiert geschult werden.
3.2 IT-Unterstützung, insbesondere Risikomanagementsystem, verbessern
Die IT-Unterstützung sollte mit dem Ziel optimiert werden, künftig ausschließlich die als Sonderausgaben abzugsfähigen Kirchensteuerzahlungen und -erstattungen elektronisch zu speichern. Als kurzfristige Maßnahme sollten die im IT-System abgelegten Beträge zur festgesetzten Kirchenabgeltungsteuer den Bediensteten für die personelle Bearbeitung zusätzlich angezeigt werden.
Die Texte mehrerer Prüfhinweise im Risikomanagementsystem sollten unmissverständlich formuliert werden. Bei dem am häufigsten ausgegebenen Prüfhinweis sollte künftig kein konkreter Veranlagungszeitraum mehr genannt werden.
3.3 Steuerfälle mit Sperrvermerk personell bearbeiten
Haben Kirchensteuerpflichtige beim Bundeszentralamt für Steuern den automatischen Datenabruf für das Kirchensteuerabzugsverfahren ab dem Jahr 2015 sperren lassen, übermittelt dieses den Wohnsitzfinanzämtern Namen und Anschrift der betroffenen Steuerbürger. Die Meldungen des Bundeszentralamts sollten zum Anlass genommen werden, diese Fälle für eine personelle Bearbeitung auszusteuern.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft erhebt gegen die Feststellungen und Empfehlungen keine Einwendungen.
4.1 Erneute Schulungsmaßnahmen begonnen
Das Ministerium trägt vor, die Oberfinanzdirektion Karlsruhe habe bereits 2012 sämtliche Bedienstete der Veranlagungsstellen zu der ab dem Veranlagungszeitraum 2011 geltenden Rechtslage geschult. Sie habe zudem ein entsprechendes Fortbildungsmanuskript zur Verfügung gestellt. Seit November 2015 führe die Oberfinanzdirektion Schulungen zum Risikomanagementsystem durch. Sie thematisiere dabei u. a. mehrere der vom Rechnungshof beanstandeten Hinweise. In diesen sowie in weiteren, im Frühjahr 2016 geplanten Veranstaltungen werden die geltende Rechtslage, die Entstehung und Bearbeitung der Hinweise sowie die personelle Ermittlung des Sonderausgabenabzugs nochmals erläutert. Gleichwohl sei und bleibe die personelle Ermittlung des Sonderausgabenabzugs von Kirchensteuer aufgrund der vielen erforderlichen Bearbeitungsschritte zeitaufwendig und fehlerträchtig.
4.2 Wirksame IT-Unterstützung steht noch aus, Texte der Risikohinweise teilweise optimiert
Das Ministerium teilt mit, Arbeitsgruppen des Bundes und der Länder arbeiteten bereits seit 2010 daran, eine IT-Unterstützung für die Ermittlung der als Sonderausgabe abziehbaren Kirchensteuer einzuführen. Inzwischen seien zwar acht Lösungsmodelle erarbeitet worden. Keines dieser Modelle habe jedoch in den entsprechenden Gremien eine Mehrheit gefunden. Zu beachten sei dabei, dass im Rahmen von KONSENS die IT-Unterstützung für alle Länder einheitlich programmiert werden müsse. Das Ministerium werde die Feststellungen des Rechnungshofs zum Anlass nehmen, das Bundesministerium der Finanzen um eine zeitnahe Wiederaufnahme des Abstimmungsprozesses zur Einrichtung einer IT-Unterstützung zu bitten.
Die weitere Empfehlung des Rechnungshofs, die im IT-System abgelegten Beträge zur festgesetzten Kirchenabgeltungsteuer den Bediensteten für die personelle Bearbeitung zusätzlich anzuzeigen, erfordere eine umfassende Neuprogrammierung. Den hierfür erforderlichen Aufwand hält das Ministerium für nicht gerechtfertigt.
Der am häufigsten ausgegebene Prüfhinweis im Risikomanagementsystem soll durch einen neuen Hinweis abgelöst werden, der auch die vom Rechnungshof angeregte Textänderung berücksichtigt. Zudem sei der künftige Text zielgerichteter und weise auch auf die Prüfung der Vorauszahlungen hin. Wann der neue Hinweis zum Einsatz komme, sei noch nicht absehbar.
4.3 Gezielter Aufgriff von Steuerfällen mit Sperrvermerk frühestens ab 2017 möglich
Hinsichtlich der Steuerbürger, die den automatischen Datenabruf für das Kirchensteuerabzugsverfahren haben sperren lassen, sei geplant, die Informationen des Bundeszentralamts für Steuern den Finanzämtern elektronisch zur Verfügung zu stellen. Damit könne die Steuerverwaltung betroffene Fälle risikoorientiert aufgreifen. Dies sei jedoch frühestens ab Februar 2017 möglich, da sich die Datenübermittlung des Bundeszentralamts für Steuern verzögere.
5 Schlussbemerkung
Die aufgezeigten Probleme wurden von der Steuerverwaltung zwar früh erkannt, eine Lösung wurde trotz Bemühungen in den Bund-Länder-Gremien nicht erreicht. Die personelle Ermittlung der als Sonderausgabe abzugsfähigen Kirchensteuer ist - auch aus Sicht des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft - zeitaufwendig und fehlerträchtig. Das Ministerium sollte sich deshalb nachhaltig dafür einsetzen, dass die gebotene IT-Unterstützung rasch eingeführt und das Risikomanagement verbessert wird. Dazu sollten die ins Stocken geratenen Abstimmungsprozesse nicht nur zeitnah wieder aufgenommen, sondern zügig zum Abschluss gebracht werden.
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Fehler der Finanzämter bei der Zerlegung der Körperschaftsteuer sind relativ selten, verursachen für das Land jedoch Schäden in Millionenhöhe. Den Veranlagungsstellen sollte ein Leitfaden mit den Zerlegungsgrundlagen, den zeitlichen Abläufen und den konkret zu veranlassenden Maßnahmen zur Verfügung gestellt werden.
1 Ausgangslage
1.1 Gesetzliche Rahmenbedingungen
Das Aufkommen der Körperschaftsteuer (KSt) steht dem Bund und den Ländern je zur Hälfte zu. Für die Verteilung zwischen den Ländern (Zerlegung) regelt das Zerlegungsgesetz Folgendes:
Der Anspruch auf die KSt für ein Kalenderjahr steht grundsätzlich dem Land unmittelbar zu, in dem die steuerpflichtige Körperschaft den Ort der Leitung hat. Unterhält jedoch eine Körperschaft außerhalb des unmittelbar steuerberechtigten Landes eine Betriebsstätte, muss die KSt zerlegt und auf die betroffenen Länder aufgeteilt werden.
Eine Zerlegung ist nach § 2 Zerlegungsgesetz (ZerlG) nur durchzuführen, wenn die nach Abzug anzurechnender Beträge verbleibende KSt eines Veranlagungszeitraums (VZ) einen - positiven oder negativen - Betrag von mindestens 500.000 Euro erreicht. Ist dies der Fall, haben betroffene Körperschaften eine „Erklärung zur Zerlegung der Körperschaftsteuer“ (Zerlegungserklärung) abzugeben. Der Zerlegungsmaßstab entspricht in der Regel dem Verhältnis der auf die einzelnen Betriebsstätten entfallenden Arbeitslöhne.
Eine Zerlegung ist zu ändern, soweit die ihr zugrunde liegende Jahressteuerfestsetzung geändert wird und die Abweichung der verbleibenden KSt mindestens 500.000 Euro beträgt. Fallen die Zerlegungsvoraussetzungen im Nachhinein weg, ist die Zerlegung aufzuheben.
Die Zerlegung wird in einem Clearingverfahren abgewickelt. Dazu haben die einzelnen Länder jeweils ein Finanzamt beauftragt und dort eine sogenannte Clearingstelle eingerichtet.
Die sich beim Clearingverfahren ergebenden Zahlungen sind von den zahlungspflichtigen Ländern an die obersten Finanzbehörden der empfangsberechtigten Länder zu überweisen. Die Überweisungen sind bis zum Ende des auf das jeweilige Kalendervierteljahr folgenden Monats vorzunehmen.
1.2 Verfahrensablauf bei der Zerlegung
Zerlegt und abgerechnet wird die gesamte verbleibende KSt (100 Prozent), d. h. auch der dem Bund zustehende Anteil (50 Prozent). Dieser wird im Ergebnis zwischen den Empfängerländern und dem Bund abgerechnet.
Bei der Körperschaftsteuerzerlegung ist zwischen zwei Fallgestaltungen zu unterscheiden. Sogenannte aktive Zerlegungsfälle liegen vor, wenn in Baden-Württemberg ansässige Körperschaften in anderen Ländern Betriebsstätten unterhalten. In anderen Ländern ansässige Körperschaften mit Betriebsstätten in Baden-Württemberg stellen sogenannte passive Zerlegungsfälle dar. Jeder aktive Zerlegungsfall eines Landes ist damit gleichzeitig passiver Zerlegungsfall in den anderen beteiligten Ländern.
Die Veranlagungsstellen der Finanzämter zerlegen die verbleibende KSt, sobald sie für eine Körperschaft jeweils die erste Jahressteuerfestsetzung für den jeweiligen VZ vorgenommen haben. Dabei werden für jedes beteiligte Land Zerlegungsbescheide erstellt und der Clearingstelle übersandt. Von dort werden die Zerlegungsbescheide überprüft und an die beauftragten Finanzämter der beteiligten Länder weitergeleitet.
Die Zerlegungsanteile sind mit Ablauf des Kalendervierteljahrs abzurechnen, in dem die maßgebliche verbleibende KSt gezahlt oder erstattet wurde. Dies gilt auch für zerlegte Vorauszahlungen. Die Veranlagungsstellen teilen der Clearingstelle die Zahlungen auf amtlichen Vordrucken mit. Auf dieser Grundlage stellt die Clearingstelle für die beauftragten Finanzämter der anderen Länder vierteljährlich die abzurechnenden Zerlegungsanteile zusammen. Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft erhält eine Gesamtliste, an Hand derer es die tatsächlichen Zahlungen mit den obersten Finanzbehörden der anderen Länder abwickelt.
1.3 Anlass, Ziele und Durchführung der Prüfung
Wir hatten die Zerlegung der KSt letztmals vor 25 Jahren geprüft. Ziel der Querschnittsprüfung war es daher, aktuelle Erkenntnisse über die Zahl der Körperschaftsteuerzerlegungen und die Höhe der zerlegten Beträge zu gewinnen. Zudem wollten wir den Verfahrensablauf sowie den Stand der IT-Unterstützung und die Qualität der Fallbearbeitung in diesem Bereich erheben. Dazu haben wir in einem ersten Schritt die landesweiten Steuerdaten aller Körperschaftsteuerfälle und bestimmter Personengesellschaften für die VZ 2003 bis 2013 ausgewertet und die Ergebnisse mit den Daten der Clearingstelle verknüpft. Mittels selbst erstellter Risikoprofile war es möglich, fehleranfällige Zerlegungsfälle gezielt herauszufiltern. Die Prüfung wurde auf solche Fälle beschränkt.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Landesweite Bedeutung der Körperschaftsteuerzerlegung
Die Körperschaftsteuerzerlegung ist im Alltag der Veranlagungsstellen von untergeordneter Bedeutung. Je Veranlagungsstelle sind in der Regel nur wenige Zerlegungsfälle zu bearbeiten. Vor diesem Hintergrund gehen die von uns festgestellten Fehler auf mangelnde Kenntnisse, teilweise auch auf fehlende Routine zurück. Insgesamt passieren zwar nur wenige Fehler. Diese können im Einzelfall jedoch erhebliche finanzielle Folgen haben.
Die KSt-Zerlegung führte in den VZ 2003 bis 2013 jeweils zu einer Zahllast für Baden-Württemberg. Diese schwankte sehr stark und lag im Durchschnitt bei 239 Mio. Euro, in der Spitze bei 362 Mio. Euro. Dabei waren in den untersuchten VZ jeweils durchschnittlich 393 aktive und 966 passive Zerlegungsfälle abzuwickeln. Als höchste Werte wurden 447 aktive und 1084 passive Zerlegungsfälle festgestellt.
2.2 Materiell-rechtliche Feststellungen
2.2.1 Aktive Zerlegungsfälle
Bei den aktiven Zerlegungsfällen haben wir 273 VZ geprüft und davon 70 VZ beanstandet. Die Beanstandungsquote beträgt damit 25,6 Prozent. Aufgrund unserer Beanstandungen forderte die Clearingstelle die Veranlagungsstellen auf, zutreffende Zerlegungen durchzuführen. Die sich dabei ergebenden Zerlegungsbeträge wurden mit den betroffenen Ländern abgerechnet. Im Ergebnis führten unsere Beanstandungen dazu, dass Baden-Württemberg von den anderen Ländern bisher 26,3 Mio. Euro zuflossen.
Folgende Fehlerursachen lagen unseren Beanstandungen zugrunde:
Risikoprofil 1: Zerlegung von Vorauszahlungen nicht aufgehoben
In 33 VZ hatten die Veranlagungsstellen die Zerlegung von Vorauszahlungen zu Unrecht nicht aufgehoben. In der Folge zahlten die anderen Länder bisher 19,6 Mio. Euro an Baden-Württemberg zurück.
Risikoprofil 2: Zerlegung der Jahressteuer nicht durchgeführt
In 9 VZ war eine Zerlegung zu Unrecht nicht durchgeführt worden. In der Folge erhielt Baden-Württemberg von anderen Ländern bisher per Saldo 5,8 Mio. Euro.
Weitere Beanstandungen betrafen die fehlerhafte Zerlegung geänderter Jahressteuerfestsetzungen (12 VZ), die unterlassene Aufhebung von Zerlegungen (8 VZ) sowie bei der Zerlegung zu Unrecht nicht berücksichtigtes Körperschaftsteuerguthaben (8 VZ). In der Folge wurden 0,9 Mio. Euro von anderen Ländern an Baden-Württemberg zurückgezahlt.
2.2.2 Passive Zerlegungsfälle
Bei den passiven Zerlegungsfällen haben wir 144 VZ untersucht, bei denen keine Zerlegung erfolgte, obwohl eine solche für die Vor- und Folge-VZ durchgeführt worden war. Es ergab sich eine Beanstandung. Die ausstehende Zerlegung wurde inzwischen angefordert und abgerechnet. Baden-Württemberg erhielt dadurch 0,4 Mio. Euro.
2.2.3 Finanzielles Ergebnis für Baden-Württemberg
Infolge unserer Prüfung erhielt Baden-Württemberg von den anderen Ländern bisher 26,7 Mio. Euro. Den Bundesanteil (50 Prozent) abgerechnet und die Mechanismen des Länderfinanzausgleichs berücksichtigt, verbleibt Baden-Württemberg gleichwohl ein Betrag in Millionenhöhe.
2.3 Verfahren bei der Zerlegung von Körperschaftsteuer-Vorauszahlungen
Körperschaften haben am 10. März, 10. Juni, 10. September und 10. Dezember eines Jahres Vorauszahlungen auf die Körperschaftsteuer zu entrichten, die sie für den laufenden VZ voraussichtlich schulden werden. Diese Vorauszahlungen werden durch einen Bescheid festgesetzt, zumeist in gleicher Höhe für mehrere oder alle gesetzlichen Fälligkeitstermine eines VZ.
2.3.1 Bisheriges Verfahren: Zerlegung der geleisteten Vorauszahlungen (Ist-Prinzip)
Sobald die für einen VZ insgesamt festgesetzten Körperschaftsteuer-Vorauszahlungen mindestens 500.000 Euro betragen, sind die nach diesem Zeitpunkt tatsächlich geleisteten Vorauszahlungen zu zerlegen. In solchen Fällen haben die Veranlagungsstellen somit in jedem Kalendervierteljahr, in dem eine Vorauszahlung eingeht, eine Mitteilung zur Zerlegung manuell zu erstellen. Diese umfasst die Zerlegungsanteile der betroffenen Länder und wird der Clearingstelle übersandt. Mit Ablauf des Kalendervierteljahrs rechnet die Clearingstelle die Anteile mit den anderen Ländern ab. Über das Jahr verteilt fallen daher je Fall zumeist vier manuell zu erledigende Arbeitsvorgänge an, sowohl bei den Veranlagungsstellen als auch bei der Clearingstelle.
2.3.2 Alternative: Zerlegung der festgesetzten Vorauszahlungen (Soll-Prinzip)
Die Zerlegung der Vorauszahlungen lässt sich effektiver gestalten, wenn alle erforderlichen Zerlegungen bereits bei der Festsetzung der Vorauszahlungen vorgenommen werden. Dazu müsste § 4 Absatz 1 ZerlG entsprechend geändert werden. Dann könnte sich künftig folgender Verfahrensablauf ergeben:
Sobald die festgesetzten Körperschaftsteuer-Vorauszahlungen eines VZ mindestens 500.000 Euro betragen, sind alle nach diesem Zeitpunkt fällig werdenden Vorauszahlungen des betroffenen VZ in einem Arbeitsschritt zu zerlegen. Da Vorauszahlungen regelmäßig in gleicher Höhe für mehrere Termine festgesetzt werden, ist dafür eine einzige Mitteilung an die Clearingstelle ausreichend. Diese ist mit einer Gültigkeit versehen, z. B. 1. bis 4. Kalendervierteljahr 2015. Die Clearingstelle kann die Daten für alle betroffenen Quartale in ihrem Programm erfassen und die Beträge jeweils nach Ablauf dieser Quartale mit den anderen Ländern abrechnen.
Ein solches Verfahren bietet mehrere Vorteile:
- Die Veranlagungsstellen können für jeden zu bearbeitenden Fall die Zerlegung mehrerer oder idealerweise aller Vorauszahlungen eines VZ in einem Arbeitsschritt erledigen. Die Clearingstelle kann die Zerlegungsdaten für alle betroffenen Quartale ebenfalls in einem Arbeitsschritt erfassen.
- Vorauszahlungsbescheide können jederzeit ergehen. Bei der Zerlegung der festgesetzten Vorauszahlungen werden sich damit die anfallenden Arbeiten nicht mehr auf die jeweiligen Quartalsstichtage konzentrieren. Stattdessen wird die Arbeit bei den Veranlagungsstellen und der Clearingstelle gleichmäßiger über das gesamte Jahr verteilt.
- Die Zahl der Mitteilungen wird sich erheblich verringern. Nach den Daten der Clearingstelle haben die Veranlagungsstellen für die VZ 2011 bis 2014 insgesamt 4.280 Mitteilungen über die Zerlegung von Vorauszahlungen gefertigt. Davon waren 51,7 Prozent hinsichtlich der Zerlegungsanteile inhaltsgleich mit zuvor gefertigten Mitteilungen. Damit können künftig mehr als 2.200 Mitteilungen entfallen.
Im Gegensatz zum bisherigen Verfahren spielt bei der Zerlegung der festgesetzten Vorauszahlungen die tatsächliche Zahlung zunächst keine Rolle. Diese wird vielmehr für die entsprechenden Fälligkeitstermine unterstellt. Das halten wir jedoch für unproblematisch, weil in Zerlegungsfällen mit Zahlungsstörungen bei Vorauszahlungen nicht zu rechnen ist. So haben wir auch bei unserer Prüfung keinen einzigen Fall vorgefunden, in dem festgesetzte Vorauszahlungen nicht bezahlt wurden. Sollten dennoch - in Ausnahmefällen - nicht bezahlte Vorauszahlungen zerlegt werden, würde das im Übrigen mit der Zerlegung und Abrechnung der ersten Jahressteuerfestsetzung rückgängig gemacht. Dort würden wie bisher nur die für einen VZ tatsächlich vereinnahmten Beträge berücksichtigt.
2.4 IT-Unterstützung
Ab dem VZ 2014 sind Körperschaften gesetzlich verpflichtet, Erklärungen zur Zerlegung der Körperschaftsteuer elektronisch an die Finanzverwaltung zu übermitteln. Erste Schritte der maschinellen Weiterverarbeitung sind den Veranlagungsstellen seit dem 18.12.2015 möglich. Die maschinelle Festsetzung der Zerlegungsanteile ist jedoch noch nicht möglich. Bis zum Einsatz des entsprechenden Programms sind daher weiterhin sämtliche Zerlegungsbescheide und -mitteilungen manuell zu fertigen. Dies ist trotz vorhandener Vorlagen im Textverarbeitungssystem zeitaufwendig. Eine maschinelle Zerlegung von Vorauszahlungen ist nicht vorgesehen. Sie wird daher weiterhin manuell vorzunehmen sein.
Die Clearingstelle setzt zur Abwicklung der Zerlegung mit den anderen Ländern zwei Access-Datenbanken ein. Darin werden alle zerlegungsrelevanten Daten der in Papierform eingegangenen Mitteilungen erfasst. Auf dieser Basis werden vierteljährlich die Abrechnungslisten generiert. Die Datenbanken basieren auf älteren Dateiformaten und Betriebssystemen.
3 Empfehlungen
3.1 Thema bei Dienstbesprechung aufgreifen, Leitfaden erarbeiten
Das Thema Körperschaftsteuerzerlegung sollte bei einer der turnusmäßigen Dienstbesprechungen aufgegriffen werden. Zudem sollte den Veranlagungsstellen ein Leitfaden mit den Zerlegungsgrundlagen, den zeitlichen Abläufen und den konkret zu veranlassenden Maßnahmen zur Verfügung gestellt werden.
3.2 Zerlegung festgesetzter Vorauszahlungen anstreben
Auf Bundesebene sollte für die Zerlegung festgesetzter Vorauszahlungen eine Änderung von § 4 Absatz 1 ZerlG initiiert werden. Die Veranlagungsstellen sollten die Vorauszahlungen bereits bei deren Festsetzung zerlegen. Die Clearingstelle könnte dann die entsprechende Mitteilung nach deren Eingang sofort für alle betroffenen Quartale verarbeiten. Da für die Zerlegung von Vorauszahlungen keine IT-Unterstützung vorgesehen ist, kämen die Vorteile einer solchen Arbeitsweise voraussichtlich dauerhaft zum Tragen.
3.3 IT-Unterstützung verbessern
Die Veranlagungsstellen sollten alsbald in die Lage versetzt werden, elektronisch eingehende Zerlegungserklärungen vollständig maschinell zu verarbeiten.
Die Datenbank der Clearingstelle sollte so angepasst werden, dass zerlegte Vorauszahlungen für mehrere Quartale mit möglichst geringem Aufwand erfasst werden können. Die Clearingstelle sollte aktuelle Programm- und Dateiversionen erhalten. Alternativ ist die Lauffähigkeit der bisherigen Versionen dauerhaft sicherzustellen.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft hat gegen die Sachdarstellung keine Einwendungen.
Es teilt mit, dass aufgrund der Beanstandungsquote und der finanziellen Auswirkungen in Millionenhöhe auch aus seiner Sicht Handlungsbedarf bestehe. Daher werde die Oberfinanzdirektion Karlsruhe das Thema Körperschaftsteuerzerlegung bei der nächsten Körperschaftsteuer-Dienst-besprechung mit den Finanzämtern aufgreifen. Zudem werde sie für die Finanzämter einen Leitfaden mit den Zerlegungsgrundlagen, den zeitlichen Abläufen und den im Einzelfall zu veranlassenden Maßnahmen erstellen.
Das Ministerium schließt sich der Empfehlung zur Zerlegung festgesetzter Vorauszahlungen an. Es werde die Thematik auf Bundesebene mit dem Ziel einer Änderung des § 4 Absatz 1 ZerlG vortragen.
Zur IT-Unterstützung teilt das Ministerium mit, dass das maschinelle Festsetzungsverfahren für die Körperschaftsteuerzerlegung voraussichtlich ab Mai 2016 eingesetzt werden könne. Mittelfristig werde innerhalb von KONSENS auch ein bundeseinheitliches Verfahren für die Clearingstellen angestrebt. Dieses Verfahren stehe nach derzeitiger Planung allerdings frühestens 2022 zur Verfügung. Bis dahin werde die in Baden-Württemberg eingesetzte Datenbanklösung weiter genutzt.
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In Landesgebäuden wurden 13 geothermische Anlagen errichtet. Der Betrieb der Anlagen ist unwirtschaftlich. Geothermische Anlagen an Standorten mit Fernwärme sind ohne zusätzlichen Nutzen für den Klimaschutz.
1 Ausgangslage
Seit 2000 investierte das Land 4 Mio. Euro für 13 geothermische Anlagen in Landesgebäuden. Der Rechnungshof prüfte die Baukosten sowie den Betrieb der letzten drei Jahre. Die fünf ältesten Anlagen waren Pilotprojekte an Universitäts- oder Forschungsstandorten. Bei diesen wurden geringere Anforderungen an die Wirtschaftlichkeit gestellt. Die Pilotprojekte wurden bislang nicht evaluiert.
Durch das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz wurden Bauherren 2009 verpflichtet, einen Anteil des Wärmebedarfs durch
- solare Strahlungsenergie,
- Biomasse,
- Geothermie oder
- Ersatzmaßnahmen wie (Fern-)Wärme aus Kraft-Wärme-Kopplung
zu decken. Hierdurch begünstigt sollten geothermische Anlagen im Neubau eingesetzt werden.
Zwei weitere Anlagen für die Landesvertretung in Brüssel und die Erweiterung der Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart sind projektiert.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Falsche Wahl der Standorte und Redundanzen
Bei 11 von 13 Gebäuden wurden neben geothermischen Anlagen auch Wärmeversorgungsanlagen beziehungsweise Fernwärmeanschlüsse eingebaut. Hier wurden die geothermischen Anlagen bezogen auf die Wärmeleistung redundant errichtet, obwohl bereits eine ausreichende, kostengünstige Wärmeleistung zur Verfügung stand.
Bei 10 von 13 Gebäuden dienen die geothermischen Anlagen der Kälteversorgung. Bei 4 von diesen 10 geothermischen Anlagen ist die Kälteversorgung der Hauptzweck. Bei 9 von diesen 10 war eine Kälteversorgung aus Fernkälte oder Kältemaschinen vorhanden.
Für die redundanten Anlagen mussten zusätzliche Investitionskosten aufgewendet werden, ohne einen wesentlichen zusätzlichen Nutzen für den Klimaschutz durch einen geringeren Primärenergieverbrauch zu erzielen. Lediglich in drei Gebäuden verringert die geothermische Anlage den Primärenergieverbrauch.
Die Energieeinsparverordnung (EnEV) definiert den Umrechnungsfaktor von Endenergie in Primärenergie. Fernwärme aus Kraft-Wärme-Kopplung hat einen sehr günstigen Primärenergiefaktor von 0 bis 0,7. Für den elektromotorischen Betrieb von Wärmepumpen dagegen betrug der Primärenergiefaktor 2,4 (Stand: 2015). Ab 2016 gilt ein Primärenergiefaktor von 1,8. Bei 9 von 13 Gebäuden verschlechtert die geothermische Anlage deshalb die Primärenergiebilanz.
Das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz fordert für die Ersatzmaßnahme Wärme aus Kraft-Wärme-Kopplung einen Anteil von mindestens 50 Prozent am Gesamtwärmebedarf. Bei 8 von 13 Gebäuden steht eine hundertprozentige Wärmeversorgung aus Kraft-Wärme-Kopplung zur Verfügung. Die Errichtung der geothermischen Anlagen war in diesen Gebäuden somit nicht erforderlich.
2.2 Kostenvergleich der Bauarten
Im Wesentlichen sind geothermische Anlagen zu unterscheiden nach Anlagen mit oder ohne Wärmepumpe sowie nach der geothermischen Erschließung mit Erdsonden oder sogenannten Energiepfählen.
Energiepfähle sind mit Rohrschlangen thermisch erschlossene Beton-Pfahlfundamente von zumeist 6 m bis 12 m Tiefe. Die Pfahlgründung wird bei wenig tragfähigem Baugrund aus statischen Gründen benötigt (siehe Abbildung 1, linke Seite).
Erdsonden bestehen aus Bohrungen mit Rohrschlangen, die mit Spezialbeton verfüllt werden. Sie werden zumeist neben Gebäuden in Tiefen bis zu 150 m gebohrt (siehe Abbildung 1, rechte Seite).
Der Rechnungshof ermittelte bei den abgerechneten Maßnahmen die spezifischen Kosten für Energiepfähle und für Erdsonden. Sie betrugen für Energiepfähle im Mittel 3.600 Euro je Kilowatt thermischer Leistung und für Erdsonden im Mittel 1.800 Euro je Kilowatt thermischer Leistung.
Obwohl für die Energiepfähle Bohrkosten sowie Kosten für den Spezialbeton der statischen Gründung nicht mit angesetzt wurden, waren sie teurer als die Erdsonden. Ursächlich hierfür sind hohe Aufwendungen im Rohrleitungsbau für viele Pfahlfundamente. Für eine gleiche geothermische Leistung wurden mit Erdsonden deutlich weniger Bohrungen erforderlich.
Die Kosten von Wärmepumpen sind im Verhältnis zu den Kosten von Erdsonden oder Energiepfählen unmaßgeblich. Wärmepumpen können die nutzbare geothermische Energie deutlich erhöhen. Sie wirkten sich auf die Kosten-Nutzen-Bilanz positiv aus.
2.3 Unzureichende Wirtschaftlichkeit
Bei einigen Anlagen wurde im Hinblick auf ihren Pilotcharakter beziehungsweise ihre erwartete Klimafreundlichkeit auf eine Wirtschaftlichkeitsberechnung verzichtet. Soweit Wirtschaftlichkeitsberechnungen erstellt wurden, waren sie in Teilen fehlerhaft beziehungsweise unvollständig.
Für 13 in Betrieb befindliche Anlagen hat der Rechnungshof eine Energiekosteneinsparung von 43.000 Euro je Jahr festgestellt. Selbst wenn die Kapitalkosten (170.000 Euro je Jahr) nicht berücksichtigt würden, betrügen die Mehraufwendungen für die Anlagen 53.000 Euro je Jahr. Die Mehraufwendungen übersteigen die eingesparten Energiekosten auch bei dieser Betrachtung erheblich. In den meisten Fällen ist es daher wirtschaftlich, die Anlagen sofort außer Betrieb zu nehmen.
Beispielsweise wurde beim Multimediakomplex in Karlsruhe für die Musikhochschule eine geothermische Anlage errichtet, die die jährlichen Energiekosten um 11.000 Euro reduziert. Dem stehen jedoch jährliche Mehraufwendungen von mehr als 20.000 Euro je Jahr gegenüber.
Auch künftig ist bei deutlich steigenden Energiepreisen kein wirtschaftlicher Betrieb zu erwarten. Dies liegt am Verhältnis vom teuren Strompreis zum günstigen Erdgas- beziehungsweise Fernwärmepreis.
Aufgrund der Prüfung des Rechnungshofs wurde im Herbst 2015 eine bereits projektierte geothermische Anlage für einen Neubau des Interfakultären Instituts für Biochemie an der Universität Tübingen wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit nicht weiter verfolgt.
3 Empfehlungen
3.1 Bestehende Anlagen evaluieren
Bevor weitere geothermische Anlagen geplant beziehungsweise errichtet werden sollen, sind die bestehenden Anlagen zu evaluieren. Anhand von Wirtschaftlichkeitsberechnungen und dem Primärenergieverbrauch sollte eine Erfolgskontrolle durchgeführt werden.
3.2 Redundanzen vermeiden
An Standorten mit Fernwärme beziehungsweise Fernkälte soll auf die Nutzung von Geothermie verzichtet werden. Fernwärme aus Kraft-Wärme-Kopplung muss gegenüber der Geothermie aus wirtschaftlichen Gründen bevorzugt werden. Gleiches gilt für Fernkälte aus Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung.
3.3 Unwirtschaftliche Anlagen abschalten
Anlagen in redundanter Ausführung, deren betriebliche Mehraufwendungen nicht aus den eingesparten Energiekosten gedeckt werden können, sollten abgeschaltet werden.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft teilt die Auffassung des Rechnungshofs, dass der wirtschaftliche Betrieb der geothermischen Anlagen derzeit nicht nachgewiesen werden könne. Es geht davon aus, dass die Anlagen optimiert und künftig wirtschaftlich betrieben werden können. Hierfür sei ein Monitoring geplant und Maßnahmen initiiert.
Die Feststellung des Rechnungshofs, dass Fernwärme aus Kraft-Wärme-Kopplung primärenergetisch günstiger sei, wird vom Ministerium nicht geteilt. Es führt aus, dass geothermische Anlagen mit optimiertem Betrieb primärenergetisch ähnlich gut wie Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung seien.
Das Ministerium teilt mit, es werde in Abhängigkeit der statischen Anforderungen an die Gründung des Bauwerks jeweils die zweckmäßige bauliche Variante von geothermischen Anlagen gewählt. Der Kostenvergleich der Bauarten von Energiepfählen und Erdsonden sei daher nicht ausschlaggebend.
Entgegen der Darstellung des Rechnungshofs erwartet das Ministerium bei steigenden Energiepreisen einen wirtschaftlichen Betrieb der geothermischen Anlagen. Es werde angestrebt, unabhängig von einer Evaluation der bestehenden Anlagen, neue Anlagen zu errichten, sofern eine Wirtschaftlichkeit vorliege, dies gelte auch an Standorten mit Fernwärme beziehungsweise -kälte.
Das Ministerium geht davon aus, dass eine Optimierung der Anlagen einen wirtschaftlichen Betrieb sicherstelle. Nur im Einzelfall sei eine Abschaltung der Anlage sinnvoll.
5 Schlussbemerkung
Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft legt für seine Berechnungen einen optimierten Betrieb der Wärmepumpen zugrunde, der zum Zeitpunkt der Prüfung von keiner Anlage erreicht wurde. Der Rechnungshof bleibt bei seiner Position, dass Erdsonden wirtschaftlicher sind als Energiepfähle, selbst wenn eine Pfahlgründung statisch erforderlich ist.
Die vom Ministerium erwarteten Energiepreissteigerungen für Wärme entsprechen nicht der langfristigen Entwicklung. Eine Sensitivitätsanalyse des Rechnungshofs ergab, dass nur bei stark steigenden Wärmepreisen von jährlich mehr als 5 Prozent geothermische Anlagen wirtschaftlich werden. Dies wurde in den letzten 30 Jahren nicht erreicht. Das Ministerium berücksichtigt bei seiner Aussage nicht, dass auch die zum Betrieb der Anlage notwendige elektrische Energie eine Preissteigerung erfährt.
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Einzelplan 13: Ministerium für Verkehr und Infrastruktur
Die strategischen und konzeptionellen Aufgaben der Abteilung Nachhaltige Mobilität könnten in einer abteilungsübergreifend organisierten Stabsstelle effizienter als im Nebeneinander von Abteilungen wahrgenommen werden. Durch eine stärkere Bündelung von Aufgaben und eine konsequente Organisationskritik können im Ministerium sieben Vollzeitäquivalente eingespart werden.
1 Ausgangslage
1.1 Frühere Prüfungen
Im Zuge der Verwaltungsreform hat der Rechnungshof unter Beteiligung des Innenministeriums Baden-Württemberg 1999 und 2000 die Steuerungs- und Unterstützungsleistungen (= Querschnittsaufgaben) bei den Fachministerien des Landes untersucht (Landtagsdrucksache 13/386). Die damaligen Prüfungsansätze wurden in einer neuen Prüfungsreihe um Fachaufgaben und aufgabenkritische Prüfungsansätze erweitert. Sie wurden in der Prüfungsreihe „Aufgabenanalyse in Ministerien“ beim Ministerium für Integration, Ministerium für Finanzen und Wirtschaft, Kultusministerium und Ministerium für Verkehr und Infrastruktur angewandt.
Die Prüfungsergebnisse für das Ministerium für Integration (Landtagsdrucksache 15/7025) und das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft (Landtagsdrucksache 15/7010) wurden in der Denkschrift 2015 veröffentlicht. Die Ergebnisse für das Kultusministerium sind ebenfalls in der Denkschrift 2016 (Beitrag Nr. 10) dargestellt.
1.2 Aktuelle Prüfung
Der Rechnungshof hat die Aufbauorganisation analysiert und die Querschnittsaufgaben, Fachaufgaben und Förderungen des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur untersucht. Für diese Bereiche hat er auf Grundlage von Aufgabenkatalogen den Personaleinsatz ermittelt und Kennzahlen gebildet. Der gesamte Personaleinsatz wurde unter personalwirtschaftlichen Gesichtspunkten analysiert. Die Untersuchung wurde durch aufgabenkritische Aspekte ergänzt.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Ressourceneinsatz
Zum Zeitpunkt der Prüfung waren im Ministerium für Verkehr und Infrastruktur 245 Mitarbeitende beziehungsweise 235 Vollzeitäquivalente beschäftigt. Ausgenommen von der Erhebung waren der Minister, die Staatssekretärin und der Ministerialdirektor.
Die 235 Vollzeitäquivalente verteilen sich auf folgende Organisationseinheiten:
Im Ministerium sind zusätzlich sechs Vollzeitäquivalente externe Personalressourcen für IT-Aufgaben und im Gebäudebetrieb eingesetzt. Daraus ergibt sich ein Gesamtpersonaleinsatz von 241 Vollzeitäquivalenten.
Die Aufgaben des Ministeriums wurden in drei Typen gegliedert:
- Querschnittsaufgaben
Darunter fallen die Aufgabenbereiche Personal, Organisation, Finanzen, IT, Controlling und zentrale Ressortsteuerung.
- Förderungen
Diese umfassen alle Aufgaben im Zusammenhang mit Förderprogrammen.
- Fachaufgaben
Die Fachaufgaben umfassen alle Aufgaben des Ministeriums, soweit sie keine Querschnittsaufgaben oder Aufgaben im Zusammenhang mit Förderungen darstellen.
Für Vergleiche zwischen Ministerien hat der Rechnungshof die Querschnittsaufgaben unterteilt in
- Querschnittsaufgaben, die ausschließlich für das eigene Ministerium (Dienststelle) erbracht werden (Querschnitt Ministerium) und
- Querschnittsaufgaben, die für den Geschäftsbereich des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur (Querschnitt andere) erbracht werden. Im Ministerium für Verkehr und Infrastruktur sind dies insbesondere Aufgaben für die Regierungspräsidien.
Der Personaleinsatz im Ministerium verteilt sich wie folgt auf diese Aufgabentypen:
Der Querschnittsanteil für das Ministerium für Umwelt und Verkehr lag bei der Untersuchung des Rechnungshofs 2001 bei 32 Prozent. Im Vergleich dazu hat sich der Querschnittsanteil auf 34 Prozent erhöht.
2.2 Organisation
Der Rechnungshof hat die Aufbauorganisation analysiert und Folgendes festgestellt:
2.2.1 Abteilung 5 Nachhaltige Mobilität
Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur wurde zu Beginn der 15. Legislaturperiode neu eingerichtet. Neben den aus vorhandenen Ministerien übernommenen Fachabteilungen wurde eine weitere Fachabteilung geschaffen. In dieser Abteilung wurden Aufgaben aus den Abteilungen Straßenwesen, Verkehr und weitere Aufgaben aus dem ehemaligen Umweltressort angesiedelt und mit Schwerpunktthemen zur nachhaltigen Mobilität ergänzt. Daneben werden im Referat 14 der Abteilung 1 „Verwaltung“ Aufgaben zum behördlichen und betrieblichen Mobilitätsmanagement wahrgenommen. Mit Bildung der Abteilung 5 „Nachhaltige Mobilität“ sollten die organisatorischen Voraussetzungen geschaffen werden, um die politischen Zielsetzungen der Landesregierung für zukunftsorientierte, verkehrsträgerübergreifende Mobilitätskonzepte wirkungsvoll umzusetzen. Dadurch sind zusätzliche Schnittstellen zwischen den Abteilungen geschaffen worden, die aus verwaltungsökonomischen Gründen zu vermeiden sind. Mobilitätskonzepte können nicht abstrakt umgesetzt werden, sondern müssen immer an vorhandene Verkehrsträger anknüpfen. Anstelle des Nebeneinanders von Fachabteilungen wäre eine (gegebenenfalls auch temporäre) Stabsstelle die geeignete Organisationsform, um diese Ziele zu erreichen.
2.2.2 Servicedienste
Zu den Servicediensten des Ministeriums gehören die Registratur, Vorzimmer- und Sekretariatsaufgaben. Diese Aufgaben sind wichtige Elemente, um reibungslose Geschäftsprozesse sicherzustellen. Der Personaleinsatzsteuerung und Qualifikation des dafür eingesetzten Personals kommt eine große Bedeutung zu. Vertretungs- und Aushilfsfälle werden weitgehend dezentral geregelt. Durch Bündelung von Aufgaben in einer Serviceeinheit bei der Abteilung 1 „Verwaltung“ verbunden mit einer zentralen Personaleinsatzsteuerung sind verbesserte Arbeitsabläufe und Synergien zu erwarten.
2.3 Aufgabenkritik
Alle Behörden des Landes sind gehalten, ihren Aufgabenbestand (Zweckkritik) und die Art der Erledigung (Vollzugskritik) laufend zu überprüfen. Dies sieht auch die Dienstordnung für die Landesverwaltung Baden-Württemberg vor. In Teilbereichen konnte der Rechnungshof Ansatzpunkte für aufgabenkritische Prozesse im Ministerium für Verkehr und Infrastruktur erkennen. Dabei ging es überwiegend um das Ziel, Aufgaben vom Ministerium auf nachgeordnete Organisationseinheiten zu übertragen. Strukturierte Prozesse zur Aufgabenkritik sind aber nicht implementiert.
2.4 Strategische Steuerung der Aufgaben
Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur steuert seine Aufgaben durch Leitprojekte. Diese Leitprojekte bestehen aus Themen, Aufgaben oder sonstigen Aktivitäten, die aus Sicht der Ressortleitung wichtige Eckpfeiler für die strategische Ressortsteuerung darstellen. Die Leitprojekte werden jeweils zu Jahresbeginn gemeinsam mit den Abteilungsleitungen festgelegt und in Steckbriefen näher beschrieben. Die Führungskräfte erhalten zu den Leitprojekten in regelmäßigen Abständen Berichte. Die Kosten- und Leistungsrechnung wird für die Steuerung des Ministeriums nicht herangezogen.
3 Empfehlungen
3.1 Organisation optimieren
Die Aufgaben der Abteilung 5 „Nachhaltige Mobilität“ und des Referats 14 der Abteilung 1 können auf eine (gegebenenfalls auch temporäre) Stabsstelle und die anderen Fachabteilungen verteilt werden. Um fachübergreifende Aufgaben zu priorisieren und abteilungsübergreifend zu koordinieren, stellt eine Stabsstellenorganisation die wirtschaftlichere Organisationsform dar. In dieser Stabsstelle sollten die konzeptionellen und strategischen Aufgaben zur nachhaltigen Mobilität gebündelt werden. Die Aufgaben der Stabsstelle sollten regelmäßig mit dem Ziel überprüft werden, die Aufgaben in die Fachabteilungen des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur zu überführen. Damit werden die organisatorischen Voraussetzungen geschaffen, die Themen der nachhaltigen Mobilität direkt in die Umsetzungsprozesse zu integrieren. Die übrigen Aufgaben sollten entsprechend der jeweiligen Sachzusammenhänge und der Abteilungszuordnung vor Einrichtung der Abteilung 5 „Nachhaltige Mobilität“ verteilt werden. Durch die Neuorganisation und den Abbau von Schnittstellen können sieben Vollzeitäquivalente eingespart werden.
Das Personalmanagement für Serviceaufgaben (Registraturen, Vorzimmer- und Sekretariatsaufgaben) sollte in einer Serviceeinheit zentral durch die Abteilung 1 „Verwaltung“ wahrgenommen werden. Den Abteilungen sollten jeweils zwei Vollzeitäquivalente für Vorzimmeraufgaben der Abteilungsleitungen und sonstige Serviceaufgaben zur Verfügung gestellt werden. Durch die stärkere Zentralisierung der Personalmanagementaufgabe ist mit Effizienzpotenzialen zu rechnen. Diese sind zu nutzen, um die Aufgaben zu optimieren.
3.2 Kernaufgaben durch Aufgabenkritik feststellen
Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur sollte durch eine strukturierte Aufgabenkritik seine Kernaufgaben feststellen und auch personelle Optimierungspotenziale identifizieren. Diese Potenziale sollten für Personaleinsparungen und für eine verbesserte Aufgabenerledigung genutzt werden. Das Ministerium sollte dazu alle Aufgaben mit einem strukturierten Prozess auf den Prüfstand stellen. Grundlage dafür könnte der Katalog der Aufgaben sein, den der Rechnungshof bei der Prüfung gemeinsam mit dem Ministerium entwickelt hat.
3.3 Aufgaben strategisch steuern
Der Rechnungshof bewertet das System der Leitprojekte positiv. Es fehlen jedoch aussagekräftige Kennzahlen zu Wirkungen oder zumindest zu Aktivitäten für die einzelnen Leitprojekte. Das System der Leitprojekte sollte gezielt ausgebaut und mit aussagekräftigen Kennzahlen durch ein effizientes Controlling unterstützt werden. Im Gegenzug sollte das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur prüfen, ob auf einzelne Daten zu den Leitprojekten unter Steuerungsgesichtspunkten verzichtet werden kann. Das Ministerium sollte seine Controllingorganisation überprüfen und stärker auf die Leitprojekte ausrichten. Die Kosten- und Leistungsrechnung ist zur Steuerung des Ministeriums zu nutzen.
4 Stellungnahme des Ministeriums
In seiner Stellungnahme meint das Ministerium, die angewandte Erhebungsmethode der Selbsteinschätzung könne nicht zu validen, aussagekräftigen und plausiblen Ergebnissen führen. Dem Vorschlag des Rechnungshofs, die Abteilung 5 „Nachhaltige Mobilität“ und ein Referat der Abteilung 1 aufzulösen, widerspricht das Ministerium nachhaltig. Die Leitung des Ministeriums habe nach einem längeren Abwägungsprozess sich ganz bewusst dafür entschieden, die Abteilung 5 „Nachhaltige Mobilität“ einzurichten. In der Abteilung 5 werde die Aufgabe „Elektromobilität“ wahrgenommen. Zukünftig werde das Ministerium diese Aufgabe für die gesamte Landesregierung bündeln. Weiter werde in Abteilung 5 das Thema „Digitalisierung und Verkehr“ wahrgenommen. Diese Aufgabe werde in der neuen Legislaturperiode aufgewertet und verstärkt.
5 Schlussbemerkung
Das Ministerium verkennt, dass Schätzverfahren anerkannte Methoden der Organisationslehre sind (siehe dazu auch das Organisationshandbuch des Bundesministeriums des Innern).
Die Selbsteinschätzung wurde unmittelbar durch alle Beschäftigten des Ministeriums vorgenommen (Vollerhebung). Fragen zur Plausibilität der Daten wurden im laufenden Prüfungsverfahren mit den jeweiligen Beschäftigten und die Ergebnisse mit den Abteilungsleitungen erörtert.
In der neuen Legislaturperiode wurden die Geschäftsbereiche der Ministerien neu abgegrenzt. Die für das Verkehrsministerium genannten Zuständigkeiten sprechen für den Organisationsvorschlag des Rechnungshofs.
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Die Ausschreibungs- und Vergabeverfahren werden nicht einheitlich durchgeführt. Die Leistungsbeschreibungen sind oft unzureichend, da Planungen nicht abgeschlossen sind. Um Mehrkosten zu vermeiden, ist das Kostencontrolling konsequent auszubauen. Dazu regt der Rechnungshof eine IT-gestützte „Gemeinsame Vergabedatenbank“ an.
1 Ausgangslage
Die Straßenbauverwaltung des Landes ist für den Neu- und Ausbau sowie den Erhalt der Landesstraßen zuständig. Sie plant die Bauleistungen, schreibt diese aus und schließt alle dazugehörigen Verträge ab.
Der Rechnungshof untersuchte die Vorgehensweise bei Ausschreibungen und Vergaben beim Landesstraßenbau. In die Prüfung wurden 38 Maßnahmen aus allen Regierungsbezirken einbezogen. Sie umfassten den Aus- und Neubau von Straßen, Fahrbahndeckenerneuerungen und den Erhalt von Ingenieurbauwerken (z. B. Tunnel).
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Vorgehensweise nicht landeseinheitlich
Für den Landesstraßenbau existiert keine zentrale Vergabestelle. Die Ausschreibungen und Vergaben werden von den Baureferaten der Regierungspräsidien durchgeführt. Die jeweiligen Vergabereferenten werden erst bei Baukosten von mehr als 5 Mio. Euro eingebunden.
Die Ausschreibungs- und Vergabeverfahren finden ohne durchgängige elektronische Datenerfassung statt.
Die Vorgehensweise bei Ausschreibungs- und Vergabeverfahren ist selbst innerhalb der Baureferate unterschiedlich. Die Muster-Formblätter des Handbuchs für die Vergabe und Ausführung von Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau werden nicht konsequent verwendet.
Die Dokumentation der Ausschreibungs- und Vergabeverfahren ist häufig unzureichend. Dies betrifft insbesondere Nachträge für nicht vereinbarte Leistungen, für Mehrmengen oder für Kosten infolge von Bauzeitverzögerungen. In einigen geprüften Fällen wurden keine Vergabevermerke erstellt.
Eine „Zentrale Vergabedatenbank“, mit deren Hilfe alle Schritte der Ausschreibung und Vergabe IT-gestützt gesteuert und dokumentiert werden, hat die Straßenbauverwaltung nicht eingerichtet. Landesweite Auswertungen und Schwachstellenanalysen sind deshalb nicht möglich.
2.2 Vergabereife
Nach der Verdingungsordnung für Bauleistungen VOB/A soll der Auftraggeber erst ausschreiben, wenn alle Vergabeunterlagen fertiggestellt sind und innerhalb der angegebenen Frist mit der Ausführung begonnen werden kann. Die Leistungsbeschreibung muss eindeutig und erschöpfend sein. Dies setzt eine abgeschlossene Planung voraus.
Diese Vorgaben wurden oft nicht beachtet. Bei einigen Maßnahmen wurde die Leistungsbeschreibung anhand einer Entwurfsplanung erstellt und die Ausführungsplanung dem Auftragnehmer überlassen. Bei der Maßnahme „L 585 Ausbau Schloßau - Mudau“, die rund sieben Jahre nach Planungsabschluss durchgeführt wurde, war der Planungsstand nicht aktualisiert worden. Es kam zu elf Nachträgen mit 270.000 Euro. Dies entspricht 13 Prozent der Schlussrechnung von etwas über 2 Mio. Euro.
2.3 Nachträge aufgrund zu geringer Planungstiefe
Die Prüfung zeigte, dass es regelmäßig und mitunter in großer Zahl zu Nachträgen kommt. Eine Ursache dafür sind unzureichende Leistungsbeschreibungen aufgrund zu geringer Planungstiefe:
- L 333 Ausbau Neukirch - Goppertsweiler (16 Nachträge; 11 anerkannt, knapp 14 Prozent der Schlussrechnung waren Nachträge),
- L 220 Sanierung Zeppelinbrücke in Radolfzell (21 Nachträge; nicht alle genehmigt, 22 Prozent der Schlussrechnung entfielen auf Nachträge) und
- L 1143 Erneuerung von zwei Straßenüberführungen Stammheim - Kornwestheim (28 Nachträge machten 12 Prozent der Schlussrechnung aus).
Bei einigen der geprüften Maßnahmen wurden Nachträge anerkannt, die inhaltlich bereits von der Leistungsbeschreibung abgedeckt waren. So gab es für die Maßnahme „L 562 Wattkopftunnel - Rettungsstollen“ bei Ettlingen Nachtragsangebote wegen des Baugrunds. Die Situation vor Ort war jedoch lange bekannt, zumal umfangreiche geologische Untersuchungen zum Bau der Hauptröhre des Wattkopftunnels vorlagen. Diese Gutachten konnten alle Bewerber vor Angebotsabgabe einsehen und bei ihrer Angebotsabgabe berücksichtigen.
2.4 Nebenangebote gewertet
Nach der VOB/A liegt ein Nebenangebot vor, wenn dieses inhaltlich von der in der Leistungsbeschreibung vorgesehenen Ausführung abweicht. Das Nebenangebot muss gleichwertig mit dem Hauptangebot sein. Das geforderte Schutzniveau zur Sicherheit, Gesundheit und Gebrauchstauglichkeit muss eingehalten sein. Die Gleichwertigkeit ist mit dem Angebot nachzuweisen.
Die Prüfung zeigte, dass regelmäßig Nebenangebote gewertet wurden, die nicht hätten berücksichtigt werden dürfen.
2.5 Einheitspreis bei Mehr- und Mindermengen statt Nachtragsvereinbarung
Bei einer Mehrmenge von über 10 Prozent bei einer Position ist nach VOB/B auf Verlangen ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- beziehungsweise Minderkosten zu vereinbaren. Bei einer über 10 Prozent hinausgehenden Unterschreitung der Angebotsmenge ist auf Verlangen des Unternehmens der Einheitspreis ebenfalls neu zu berechnen. Damit soll der sich ändernde Kostenanteil der Allgemeinkosten im Angebotspreis ausgeglichen werden.
Die Prüfung zeigte, dass häufig keine Nachtragsvereinbarung geschlossen wurde. Auch bei Mehrmengen von deutlich mehr als 10 Prozent wurde mit dem ursprünglichen Einheitspreis abgerechnet. Mindermengen lagen bei den geprüften Maßnahmen nicht vor.
2.6 Abfall entsorgt statt verwertet
Bei einigen der geprüften Maßnahmen wurde in der Leistungsbeschreibung vorgegeben, dass die anfallenden Abfälle zu beseitigen sind, obwohl eine Verwertung aufgrund der abfallrechtlichen Einstufung möglich gewesen wäre. Dies ist aufgrund des abfallrechtlichen Vorrangs der Verwertung vor der Beseitigung nicht zulässig. Auch wäre die Verwertung häufig kostengünstiger gewesen als die Beseitigung.
Beispiel: „L 562 Wattkopftunnel - Rettungsstollen“ bei Ettlingen
Bei der Maßnahme wurden 26.000 m³ mit Aluminium (geogen) belastetes Ausbruchmaterial auf einer Deponie des Landkreises Karlsruhe beseitigt. Für geogenes Aluminium existiert kein toxikologischer Grenzwert nach Abfall- oder Bodenrecht. Eine Verwertung (Einbau usw.) wäre möglich gewesen. Die Entsorgung kostete das Land 900.000 Euro.
3 Empfehlungen
3.1 Planungstiefe vor Ausschreibung der Baumaßnahme verbessern
Ausschreibungen sollten erst nach vollständiger Ausführungsplanung durchgeführt werden.
Die Überprüfung und Begründung von Nachtragsangeboten muss verbessert werden. Die Regeln der VOB sind konsequent einzuhalten.
3.2 Eine „Gemeinsame Vergabedatenbank“ ist Voraussetzung für eine zuverlässige Kostensteuerung
Für die Vergabe- und Nachtragssteuerung regt der Rechnungshof ein elektronisch gestütztes durchgängiges Vergabeverfahren auf Basis einer „Gemeinsamen Vergabedatenbank“ an. Dieses Verfahren muss jeden Verfahrensschritt bei der Ausschreibung, beim Auftrag und bei der Vereinbarung von Nachträgen abbilden. Es muss alle jeweils erforderlichen Formblätter zuweisen, Genehmigungsvorbehalte berücksichtigen und mit dem Prinzip von Verweigerungen arbeiten. Solche Verweigerungen sind beispielsweise fehlende Finanzierungsfreigaben, die Wahl eines falschen Vergabeverfahrens oder fehlende beziehungsweise falsche Eintragungen in den vorgeschriebenen Formblättern.
Dieses System muss für ein aktives Projektcontrolling zugleich in der Lage sein, Aufträge zu verweigern, wenn bei Überschreiten der Kostenkontrolleinheiten keine Deckungsvorschläge gemacht werden. Das zeitnahe Einpflegen von Nachträgen ist dazu unabdingbar.
Mithilfe einer „Gemeinsamen Vergabedatenbank“ besteht die Möglichkeit, das Auftrags- und Abrechnungsverhalten landesweit zu dokumentieren und auszuwerten. Ein compliance-gerechtes Handeln wird dadurch unterstützt und etwaige Manipulationen könnten frühzeitig erkannt werden.
Zudem kann die Datenbank helfen, eine wirtschaftliche Projektsteuerung aufzubauen. Zum Beispiel können aktuelle Durchschnittspreise für regelmäßig wiederkehrende Bauleistungen auf der Grundlage bereits abgerechneter Projekte erfasst werden. Diese Daten könnten herangezogen werden, um den Kostenrahmen einer neuen Straßenbaumaßnahme zu ermitteln.
Das Controllingsystem im Bundesfernstraßenbau (CSBF) erfüllt die oben genannten Kriterien nicht. Insbesondere die systembedingte Verweigerung sowie die aktive Projektkostensteuerung sind damit nicht möglich.
3.3 Zuständigkeiten regeln
Der Rechnungshof hält es für erforderlich, dass die Straßenbauverwaltung des Landes ein umfangreiches Wissen in Abfallwirtschaft und Abfallrecht vorhält und dieses regelmäßig auf den neuesten Stand bringt. Wir empfehlen, dass die Landesstelle für Straßentechnik das Know-how für die ordnungsgemäße und wirtschaftlich angemessene Abfallentsorgung vorhält.
Wir regen ferner an, in den Regierungspräsidien den Workflow von Ausschreibung und Vergabe so zu organisieren, dass diese zentral über den Vergabereferenten abgewickelt werden. Dadurch wird dessen Funktion und Verantwortung gestärkt. Die Vergabereferenten führen die „Gemeinsame Vergabedatenbank“ und sind in alle Ausschreibungs- und Vergabeverfahren, unabhängig von einem Schwellenwert, einzubinden.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur legt dar, dass eine Vielzahl der Prüfungsergebnisse des Rechnungshofs auf heutige Vergaben nicht mehr übertragbar sei, da sich Vergabevorschriften, Strukturen und Vorgehensweisen in der Straßenbauverwaltung geändert hätten.
Die Einrichtung einer zentralen Vergabestelle oder eine durchgehende Vergabe- und Projektkostensteuerung werde vom Ministerium geprüft. So würden sich derzeit zwei Untersuchungen u. a. mit der Projekt- und Budgetsteuerung befassen.
Weiter führt das Ministerium aus, dass es 2014 eine Qualifizierungsoffensive „Vergabe- und Vertragswesen“ in der Straßenbauverwaltung mit dreitägigen Schulungen gestartet habe. Die Vergabestellen sollen befähigt werden, stärker darauf zu achten, dass zum Zeitpunkt der Ausschreibung die Vergabereife gegeben ist. Auch werde eine Verbesserung der Überprüfung und Begründung von Nachtragsangeboten angestrebt. Darüber hinaus solle das vorhandene Wissen zum Abfallwirtschaftsrecht durch Schulungen vertieft werden. Mit der Bündelungsfunktion der Regierungspräsidien solle verstärkt der spezifische Sachverstand der Abfallwirtschaftsreferate genutzt werden.
5 Schlussbemerkung
Die Anforderungen des Vergaberechts, beispielsweise durch die Vergaberechtsreform 2016, haben sich nicht geändert. Im Wesentlichen gab es auch unterhalb des Schwellenwerts eine Harmonisierung mit europäischem Recht. Das Vergaberecht bleibt deshalb in seinen Grundzügen unverändert.
Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur greift die Empfehlung der IT-gestützten „Gemeinsamen Vergabedatenbank“ im Straßenbau äußerst zögerlich und nur halbherzig auf. Es geht hier nicht um die landesweite Einführung einzelner IT-gestützter Systeme oder etwaige organisatorische Veränderungen in der Straßenbauverwaltung. Dringend notwendig ist in der Straßenbauverwaltung, die jährlich bis zu 1 Mrd. Euro in Straßen investiert, eine Vergabedatenbank aus einem Guss. Das beste Beispiel dafür, dass der Aufbau einer Vergabedatenbank problemlos machbar ist, bietet die Hochbauverwaltung des Landes. Sie nutzt seit vielen Jahren eine eigens aufgebaute Vergabedatenbank.
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Der stetige Erhalt von Stützbauwerken sowie Hang- und Felssicherungen ist erforderlich, um Personen- sowie Sachschäden und Straßensperrungen zu vermeiden. Als Grundlage für vorbeugende Erhaltungspläne muss die Straßenbauverwaltung ihre Datenbank umfassend führen und die Bauwerke ordnungsgemäß prüfen. Ebenso sind Leitlinien zum Umgang mit Georisiken zu entwickeln.
1 Ausgangslage
Erhaltungsmaßnahmen von Stützbauwerken sowie Hang- und Felssicherungen an Landesstraßen werden zumeist erst durchgeführt, wenn es durch Starkregen oder Überschwemmungen zu Hangrutschungen und Einstürzen von Bauwerken kommt. Schäden treten jedoch nicht nur witterungsbedingt auf, sondern haben vermehrt geologische Ursachen (Erdmassenbewegungen, Einstürze von Hohlräumen im Untergrund). Die betroffenen Straßenabschnitte sind dann für den Verkehr teilweise oder sogar voll zu sperren.
Im Land gibt es 6.000 Stütz- und andere Sonderbauwerke. In den Erhaltungsprogrammen der Regierungspräsidien waren zwischen 2010 und 2015 knapp 100 Maßnahmen des Erhalts von Stützbauwerken sowie Hang- und Felssicherungen aufgeführt. Dafür wurden landesweit zwischen 2,2 Mio. Euro und 12,1 Mio. Euro je Jahr bereitgestellt.
Der Erhalt von Stützbauwerken sowie Hang- und Felssicherungen ist nach dem Straßengesetz für Baden-Württemberg Aufgabe des Landes, sofern die Bauwerke Teil des Straßengrundstücks sind. Zum Erhalt gehören die regelmäßigen Prüfungen nach DIN 1076 „Überwachung und Prüfung von Ingenieurbauwerken im Zuge von Straßen und Wegen“. Die unteren Straßenbaubehörden bei den Landratsämtern und kreisfreien Städten sind beim betrieblichen Unterhalt der Straßen für die laufende Beobachtung sowie die einmal jährlich durchzuführenden Besichtigungen zuständig. Sie haben ferner einfache Schadensbeseitigungen des „kleinen“ baulichen Erhalts auszuführen.
Der Rechnungshof hat in seine Prüfung 48 Maßnahmen aus allen Regierungsbezirken zum Erhalt von Stützbauwerken sowie Hang- und Felssicherungen einbezogen.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Datenbank SIB-Bauwerke für das Erhaltungsmanagement
Nach der DIN 1076 sind alle Stützbauwerke mit einer sichtbaren Höhe ab 1,50 m von der Straßenbauverwaltung in die Datenbank „Straßeninformationsbank“ (SIB-Bauwerke) aufzunehmen.
Die Auswertung der Datensätze durch den Rechnungshof ergab, dass die Stützbauwerke bislang unvollständig und unzulänglich in der Datenbank erfasst werden. Von den 48 geprüften Bauwerken sind nur 29 in der Datenbank geführt. Häufig wurden Bauwerke nur aufgenommen, um eine Bauwerksnummer zu erhalten. Bestandsdaten (Pläne, Konstruktionsmerkmale) fehlen aber meist.
Bei Hang- oder Felssicherungen werden mit meist hohen Bauausgaben Steinschlagschutzzäune oder -netze angebracht oder loses Geröll in Räumungsaktionen beseitigt. Die Straßenbauverwaltung nimmt diese Bauwerke aber so gut wie nie in die Datenbank auf, da sie keine Bauwerke nach der DIN 1076 sind. Von den geprüften 19 Hang- oder Felssicherungen waren lediglich vier Maßnahmen in der Datenbank enthalten.
Aufgrund der unvollständigen Angaben über ein Bauwerk kann eine kurz- und mittelfristige Erhaltungsplanung nicht erfolgen.
Vorbildlich sind wenige Landkreise, die bereits auf zehn Jahre angelegte Instandsetzungspläne für Felssicherungen erarbeitet haben. Damit bleiben die Georisiken ständig im Fokus der Straßenbaubehörden. Außerdem wird dadurch kontinuierlich instandgesetzt und erhalten, wodurch die dauerhafte Funktion der Straße und die Verkehrssicherheit gewährleistet werden.
2.2 Bauwerksprüfungen
Die Prüfpflicht gilt für alle Bauwerke, die den Vorgaben der DIN 1076 entsprechen. Sie regelt Art und Umfang der Prüfungen, den Zeitpunkt, die Prüfintervalle und bestimmt die für eine Bauwerksprüfung notwendigen Unterlagen. Hauptprüfungen sind vor Abnahme, vor Ablauf der Gewährleistungsfrist und ansonsten alle sechs Jahre durchzuführen; einfache Prüfungen jeweils alle drei Jahre nach einer Hauptprüfung.
Die Prüfung des Rechnungshofs ergab, dass von den 29 geprüften Bauwerken, die in der Datenbank SIB-Bauwerke enthalten sind, bei 17 eine Hauptprüfung durchgeführt wurde. Für zwölf Bauwerke fehlte die Hauptprüfung. In den vorliegenden Berichten zu den Hauptprüfungen wurden zwar Maßnahmen für eventuelle Instandsetzungs- oder Sanierungsmaßnahmen genannt. Häufig lagen die dazugehörigen Kostenschätzungen jedoch nicht vor.
Indem die Straßenbauverwaltung ihre Prüfpflichten vernachlässigt, nimmt sie in Kauf, dass Mängel nicht frühzeitig entdeckt werden. Notwendige Erhaltungsmaßnahmen unterbleiben und werden erst ausgeführt, wenn größere Schäden aufgetreten sind oder die Verkehrssicherheit gefährdet ist. Der finanzielle Aufwand, verschleppte Schäden zu beheben, ist dann ungleich höher als bei einem präventiven Erhalt.
2.3 Georisiken
Die Abschätzung der geologischen Risiken an Straßen ist im Gegensatz zur Bauwerksprüfung nicht geregelt. Ebenso wenig gibt es in Baden-Württemberg Richtlinien zur Koordination der notwendigen Aufgaben im Zusammenhang mit geologischen Risiken an Straßen.
Georisiken wie Steinschlag- und Hangrutschgefahren werden von der Straßenbauverwaltung nicht zentral erfasst, kartiert und bewertet. Die Regierungspräsidien verfügen daher über keine Zusammenstellung der vorhandenen Georisiken in ihrem Bereich. Das Handeln der Regierungspräsidien ist deshalb weitgehend durch Reaktion statt Aktion bestimmt.
Die nach „spontanen“ Ereignissen erforderliche Schadensbehebung ist aber häufig kostenintensiv, da neben der reinen Schadensbeseitigung umfangreiche bauliche Maßnahmen notwendig sind.
2.4 Unterhalt der Ingenieurbauwerke
Der betriebliche Unterhalt der Bauwerke ist notwendig, um den verkehrssichernden Aufgaben nachzukommen. Abstriche an der Häufigkeit und der Qualität des Straßenbetriebsdienstes können zu Schäden an den Bauwerken führen, die umfangreiche Investitionen erforderlich machen.
Bei den geprüften Maßnahmen wurde festgestellt, dass in einigen Fällen unzureichend gereinigte und unterhaltene Anlagen der Straßenentwässerung Hangrutschungen verursachten. Auch war bei einigen Maßnahmen der Bewuchs an Stützbauwerken gar nicht oder nur unzureichend zurückgeschnitten. Hier wuchsen zum Teil kleine Bäume aus den Mauerfugen heraus oder Pflanzen überwucherten das teilweise lose Mauerwerk.
2.5 Verkehrssicherungspflicht bei Hang- und Felssicherungen
Die Straßenbaubehörden der Landratsämter und kreisfreien Städte haben nach dem Straßengesetz für Baden-Württemberg verkehrssichernde Aufgaben auch auf Grundstücken zu erledigen, die der Straße benachbart sind. Da Hang- und Felssicherungen regelmäßig auf solchen Grundstücken liegen, müssen die Straßenbehörden der Landkreise Auffangnetze immer wieder leeren und erforderlichenfalls reparieren, um Steinschläge auf Straßen zu verhindern. Darüber hinaus sind sie verpflichtet, größere Felssicherungsaufgaben zu übernehmen.
Die komplexe Spezialaufgabe der Hang- und Felssicherung entspricht nicht der Definition von betrieblichem und kleinem baulichen Unterhalt (z. B. Kleinreparatur von Straßenschäden oder Bäume schneiden). Vom Anspruch der Aufgabe her ist sie richtigerweise dem Erhalt zuzuordnen. Dem wurde bei einigen Maßnahmen, bei denen die Felsräumungen Bestandteil einer größeren Felssicherungsmaßnahme waren, Rechnung getragen. Das zuständige Regierungspräsidium finanzierte die Maßnahme und führte sie durch.
3 Empfehlungen
3.1 Die Datenbank SIB-Bauwerke umfassend führen
Die Datenbank SIB-Bauwerke ist das wichtigste Instrument der Straßenbauverwaltung, um eine kurz- und mittelfristige Erhaltungsplanung aufzustellen. Es ist deshalb unabdingbar, dass die Datenbank vollständig und aktuell geführt wird. Nacherfassungen von Bauwerken sind zügig durchzuführen. Mit der Aufnahme eines Bauwerks in die Datenbank sind die Eigentumsverhältnisse und die Unterhaltungslast abzuklären und eindeutig zu regeln.
Die Bauwerksdaten sind die Grundlage dafür, dass die Straßenbehörden der Landratsämter und kreisfreien Städte Kenntnisse von Bauwerken und deren Standort erhalten, um den betrieblichen Unterhalt in vollem Umfang auszuführen.
Stützbauwerke sollten auch unterhalb der DIN-Norm von 1,50 m Höhe zentral in der Datenbank erfasst werden. Dasselbe gilt für Hang- und Felssicherungen. So würde sichergestellt, dass angesichts zum Teil hoher Investitionen in diese Bauwerke nicht nach und nach ein schleichender Substanzverlust auftritt.
3.2 Bauwerksprüfungen ordnungsgemäß durchführen
Die Regierungspräsidien müssen die vorgegebenen Bauwerksprüfungen in dem festgelegten Umfang und der definierten Prüfungstiefe durchführen. Auch für andere Bauwerke, also Stützwände unter 1,50 m lichter Höhe, Hang- und Felssicherungen sowie sonstige Ingenieurbauwerke, sollten regelmäßig DIN-konforme Bauwerksprüfungen erfolgen.
Sämtliche Daten und Informationen aus den Bauwerksprüfungen sind umgehend in die Datenbank SIB-Bauwerke einzugeben.
3.3 Erhaltungspläne aufstellen
Dringend geboten ist, dass die Straßenbauverwaltung auf der Grundlage der künftig umfassend geführten Datenbank SIB-Bauwerke ein kontinuierliches Erhaltungsmanagement für Stützbauwerke und andere Sonderbauwerke aufbaut.
Ebenso sind von der Straßenbauverwaltung des Landes langfristige Erhaltungspläne für Hang- und Felssicherungen aufzustellen, wie sie bei einigen Landkreisen schon eingeführt sind.
3.4 Leitlinien für Georisiken erstellen
Die Regierungspräsidien sollten künftig geologisch bedingte Gefahren erfassen, bewerten und dokumentieren. Hierfür hat die Straßenbauverwaltung verbindliche Richtlinien zu entwickeln. Einen Anhaltspunkt für derartige Richtlinien bietet der von der Straßenbauverwaltung in Bayern aufgestellte Leitfaden „Überwachung der steinschlag- und rutschgefährdeten Hänge an Bundesautobahnen, Bundes- und Staatsstraßen“ vom April 2011.
3.5 Die Unterhaltlast bei Hang- und Felsarbeiten regeln
Die Verkehrssicherungspflicht der Straßenbaubehörden der Landratsämter und kreisfreien Städte bei Hang- und Felsarbeiten sollte enger an der gängigen Definition von betrieblichem und baulichem Unterhalt sowie gegebenenfalls dem eigentlichen Erhalt ausgerichtet werden. Felsräumungen oder andere schützende bauliche Maßnahmen sind eindeutig größerer baulicher Unterhalt oder Erhalt und erfordern deshalb eine landeseinheitliche Vorgehensweise.
So würde auch vermieden, dass einzelne Landkreise den hohen Aufwand für die Hang- und Felssicherungen dadurch ausgleichen, dass sie an anderer Stelle des betrieblichen Unterhalts einsparen müssen. Es ist nicht auszuschließen, dass sich dies mittelfristig auf die Funktion der Straßen auswirkt. Eine Gleichbehandlung der Land- und Stadtkreise sollte sichergestellt sein.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur legt dar, dass die Defizite bei der Verfügbarkeit von Bestandsdaten durch die seit 2013 laufende landesweite Nacherfassung von Stützbauwerken an den Landesstraßen in Kürze weitestgehend behoben sein würden. Es führt aus, dass damit künftig möglich sei, auch Stützbauwerke unter Wahrung der Prüflisten nach DIN 1076 zu überwachen. Dadurch könne eine fristgerechte Bauwerksprüfung sowie ein systematisches Erhaltungsmanagement sichergestellt werden. Bezüglich der Erfassung der Böschungs-, Hang- und Felssicherung wird auf die auf Bund-Länder-Ebene eingerichtete Fachgruppe verwiesen, die eine bundesweit einheitliche Regelung erarbeiten soll.
Über die Erarbeitung und Einführung von Leitlinien für Georisiken werde das Ministerium aufgrund des erheblichen Aufwands nach Vorliegen erster praktischer Erfahrungen aus Bayern entscheiden.
Weiterhin sieht das Ministerium keine Notwendigkeit, die Unterhaltslast bei Hang- und Felssicherungsarbeiten neu zu regeln. Die Verkehrssicherungspflicht obliege nach dem Straßengesetz für Baden-Württemberg sachgerecht den ortsnahen unteren Verwaltungsbehörden. Betroffene Stadt- und Landkreise könnten für aufwendige Arbeiten zusätzlich zu den pauschal zugewiesenen Haushaltsmitteln von den Regierungspräsidien Erhaltungsmittel erhalten.
5 Schlussbemerkung
Der Rechnungshof hat kein Verständnis dafür, dass das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur die Leitlinien für Georisiken „auf die lange Bank schiebt". Sie sind angesichts der drohenden Gefahren unverzüglich in Angriff zu nehmen.
Die Stellungnahme des Ministeriums, dass die Landkreise für die Hang- und Felssicherungen zusätzlich Haushaltsmittel erhalten können, trifft nicht das Anliegen des Rechnungshofs. In der Sache geht es darum, dass diese komplexen Sicherungsaufgaben nicht mit den Tätigkeiten des einfachen Straßenbetriebsdiensts gleichzusetzen sind. Die Landkreise haben dem Grunde nach Erhaltungsarbeiten zu leisten, für die die Regierungspräsidien zuständig sind.
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Einzelplan 14: Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst
Das Universitätsklinikum Heidelberg hat als öffentlicher Auftraggeber das EU-Vergaberecht nicht beachtet. Bauleistungen von mehr als 10 Mio. Euro wurden nur national und nur beschränkt ausgeschrieben. Planungsleistungen von mehr als 800.000 Euro wurden freihändig vergeben.
1 Ausgangslage
Seit 01.01.1998 werden die Universitätskliniken Freiburg, Heidelberg, Tübingen und Ulm als rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts geführt. Sie sind gemäß § 98 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen öffentlicher Auftraggeber. Öffentliche Auftraggeber haben Leistungen oberhalb definierter Schwellenwerte europaweit auszuschreiben.
Von 2012 bis 2014 errichtete das Universitätsklinikum Heidelberg im Neuenheimer Feld den Neubau des Analysezentrums III in eigener Bauherrenfunktion. Die Gesamtbaukosten betrugen 21 Mio. Euro. Darin enthalten sind 2,5 Mio. Euro für Ausstattung. Mit Architekten- und Ingenieurleistungen waren freiberuflich Tätige beauftragt. Die Maßnahme war im Herbst 2015 noch nicht schlussgerechnet. Der Neubau wurde aus Eigen- und Landesmitteln sowie aus Spenden der Dietmar Hopp Stiftung gGmbH und der Klaus Tschira Stiftung gGmbH finanziert.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Begründung des Bedarfs
Mit dem Neubau des Analysezentrums III werden die Herz- und Stoffwechselforschung sowie die Diagnostik am Universitätsklinikum Heidelberg weiter ausgebaut. Die Einzellaboratorien des Stoffwechselzentrums Heidelberg waren zuvor auf mehrere Standorte verteilt. Durch die Neustrukturierung sollten die Einrichtungen zusammengeführt werden, um einen optimalen Personaleinsatz und eine effiziente Geräteauslastung im Betriebsablauf zu gewährleisten. Mit der Zentralisierung in einem Gebäude wird die kontinuierliche Weiterentwicklung der Forschungstätigkeit angestrebt.
2.2 Entscheidungen zur Baudurchführung
Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft stimmte 2012 der Übertragung der Bauherreneigenschaft für den Neubau Analysezentrum III an das Universitätsklinikum Heidelberg zu.
In mehreren Sitzungen des Klinikumsvorstands sowie des Aufsichtsrats legte die Planungsgruppe Medizin des Universitätsklinikums den aktuellen Sachstand zum Neubau des Analysezentrums III dar. Am 12.09.2012 fasste der Klinikumsvorstand unter anderem folgende Beschlüsse:
„Aufgrund der engen zeitlichen Vorgaben ist der Fertigstellungstermin nur unter den nachstehenden Punkten überhaupt realisierbar:
- keine europaweite Ausschreibung,
- keine VOB-konforme Ausschreibung […]. Zusätzlich soll die Möglichkeit bestehen, mit den Unternehmen nachzuverhandeln, um ein wirtschaftlicheres Angebot zu erzielen.“
Der Aufsichtsrat nahm am 24.09.2012 zustimmend zur Kenntnis, dass das Klinikum beabsichtige, „[…] das Bauvorhaben unter Hinweis auf die Termindringlichkeit im vereinfachten Vergabeverfahren durchzuführen“.
2.3 Vergabe von Bau- und Dienstleistungen
Bei der Wahl der Vergabeverfahren muss zunächst der Netto-Auftragswert der Bauleistung berechnet werden. Liegt dieser oberhalb von 5 Mio. Euro (Stand: 2012) beziehungsweise 5,186 Mio. Euro (Stand: 2014), ist ausnahmslos eines der vier europaweiten Verfahren anzuwenden (siehe Abbildung 2, rechte Spalte). Ein Wechsel in nationale Verfahren ist nicht möglich.
Lediglich ein Anteil von 20 Prozent des Vergabevolumens darf - sofern der Einzelauftrag unter 1 Mio. Euro liegt - in nationalen Verfahren vergeben werden. Der Auftraggeber kann zur Vergabe dieser untergeordneten Aufträge unter Berücksichtigung der Wertgrenzen zwischen einem der vier nationalen Verfahren wählen (siehe Abbildung 2, linke Spalte).
Beim Analysezentrum III betrug der geschätzte Netto-Auftragswert der Bauleistung mehr als 10 Mio. Euro. Somit war ein europaweites Verfahren durchzuführen.
Der Rechnungshof prüfte 40 Vergaben. Hierbei betrug der monetäre Anteil der Beschränkten Ausschreibungen 94 Prozent und der Anteil der Freihändigen Vergaben 6 Prozent.
Als öffentlicher Auftraggeber ist das Universitätsklinikum Heidelberg verpflichtet, oberhalb der Schwellenwerte für die Vergabe von Bauleistungen zwingend den Abschnitt 2 der VOB/A anzuwenden. Das Universitätsklinikum Heidelberg schrieb die Bauleistungen jedoch ausschließlich national nach Abschnitt 1 der VOB/A aus. Das Universitätsklinikum Heidelberg hat damit das europäische Vergaberecht nicht beachtet.
2.4 Vergabe von freiberuflichen Leistungen
Nach der Vergabeverordnung muss zur Umsetzung des europäischen Vergaberechts bei freiberuflichen Leistungen ab dem voraussichtlichen Netto-Auftragswert von 200.000 Euro (Stand: 2012) beziehungsweise 207.000 Euro (Stand: 2014) die Vergabeordnung für freiberufliche Dienstleistungen (VOF) angewandt werden. Die voraussichtlichen Auftragswerte für Architekten- und Ingenieurleistungen lagen deutlich über diesen Werten.
Das Universitätsklinikum beauftragte Architektenleistungen im Einzelfall bis zu einer Auftragshöhe von 720.000 Euro, ohne die VOF anzuwenden. Die Planungsleistungen für Architektur, technische Gewerke, Statik und Bodengutachten wurden in Abstimmung mit der Innenrevision ohne öffentlichen Wettbewerb direkt vergeben. Den Vergaben lagen keine Begründungen zur Verfahrenswahl bei. Damit wurden die Bestimmungen des Vergaberechts erheblich verletzt.
2.5 Auswahl der Unternehmen
Für die technische Gebäudeausrüstung erstellten die freiberuflich Tätigen Vorschlagslisten für die zu beteiligenden Unternehmen. Das Universitätsklinikum nahm daran keine Änderungen vor. Es erteilte die Aufträge überwiegend an Unternehmen aus der näheren Umgebung. Das Universitätsklinikum hat zudem bei Beschränkten Ausschreibungen die Auswahl der geeigneten Unternehmen, ohne selbst darauf einzuwirken, den beauftragten freiberuflich Tätigen überlassen. Sie konnten auf diese Weise Einfluss nehmen, welche Unternehmen am Wettbewerb beteiligt wurden. Auswahlkriterien sind nicht dokumentiert. Außerdem enthielten die Vergabeunterlagen den Namen der freiberuflich Tätigen, die das Leistungsverzeichnis erstellt haben.
Bei einem solchen Vorgehen sind im Vorfeld der Submission Absprachen zwischen freiberuflich Tätigen und Unternehmen möglich.
2.6 Kennzeichnung der Angebote
Die Submissionen wurden von einem Verhandlungsleiter im Universitätsklinikum durchgeführt, der nicht mit der Ausschreibung befasst war. Das Vier-Augen-Prinzip wurde eingehalten. Angebote wurden jedoch bei der Submission nicht entsprechend § 14 VOB/A gekennzeichnet, z. B. durch Lochen, Heften oder Siegeln. Dadurch waren nachträgliche Änderungen an den Vertragsunterlagen möglich.
2.7 Wirtschaftlichkeit des Neubaus
Die Wirtschaftlichkeit des Neubaus wurde anhand von Referenzobjekten aus der Planungskosten-Datenbank der Länder (PLAKODA) untersucht. Die voraussichtlichen Endkosten des Neubaus unterschreiten die Mittelwerte der Referenzobjekte um 19 Prozent. Der Neubau selbst blieb in der Architektursprache zurückhaltend und zeichnet sich durch eine stringente Grundrissplanung aus. Die Nutz- und Verkehrsflächen sind komprimiert und sehr wirtschaftlich angeordnet. Die haustechnische Versorgung konnte an bestehenden zentralen Einrichtungen des Nachbargebäudes angeschlossen werden. Die vergleichsweise günstigen Kosten des Neubaus lassen sich daher in erster Linie mit der wirtschaftlichen Entwurfsplanung und dem geringen Kostenanteil der technischen Anlagen sowie der Außenanlagen begründen.
3 Empfehlungen
Der Aufsichtsrat und der Vorstand haben auf wirtschaftliche sowie rechtskonforme Vergaben zu achten. Die Vertreter des Wissenschaftsministeriums und des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft müssen im Aufsichtsrat darauf hinwirken, dass Leistungen dem Wettbewerb unterstellt werden, transparente Verfahren gewährleistet sind und Diskriminierung von Wettbewerbern ausgeschlossen werden.
Das Wissenschaftsministerium und das Universitätsklinikum haben dafür Sorge zu tragen, dass alle Maßnahmen zur Korruptionsprävention umgesetzt werden.
Freiberuflich Tätige dürfen bei Beschränkten Ausschreibungen die geeigneten Unternehmen nicht ohne Mitwirkung des öffentlichen Auftraggebers auswählen. Sie sollen dem Auftraggeber lediglich Vorschläge unterbreiten. Das Universitätsklinikum sollte die Vorschlaglisten daher grundsätzlich ändern.
Die Ausschreibungsunterlagen sollten keine Hinweise auf freiberuflich Tätige enthalten. Um Fragen in den Leistungsverzeichnissen zu klären, sollten die Unternehmen ausschließlich Kontakt mit dem Auftraggeber aufnehmen.
4 Stellungnahmen des Universitätsklinikums und des Ministeriums
Das Universitätsklinikum Heidelberg bringt zum Ausdruck, dass die Prüfungsergebnisse des Rechnungshofs in Bezug auf die Vergabeverfahren dramatisierend und teilweise auch falsch dargestellt seien. Aus Sicht des Universitätsklinikums habe das „formal falsche“ Verfahren sogar zu mehr Wettbewerb und zu einer Verringerung des Manipulationsrisikos geführt. Das Universitätsklinikum bestreitet, das Vergaberecht erheblich verletzt zu haben. Es vertritt außerdem den Standpunkt, die durchgeführten Submissionsverfahren seien rechtssicher und entsprächen vollumfänglich der VOB. Die praktizierten Verfahren seien somit nicht manipulations- und korruptionsgefährdet gewesen.
Das Wissenschaftsministerium begrüßt, dass Planung und Realisierung des Neubaus in Bauherreneigenschaft des Universitätsklinikums Heidelberg wirtschaftlich und günstiger als vergleichbare Referenzobjekte waren. Der Aufsichtsrat des Universitätsklinikums habe der Gesamtmaßnahme zugestimmt. Die Durchführung der Baumaßnahme mit allen relevanten Entscheidungen obliege dem Klinikumsvorstand in eigener operativer Zuständigkeit.
Der Aufsichtsrat sei aufgrund des Maßnahmenvolumens davon ausgegangen, dass die vergaberechtlichen Schwellenwerte beachtet würden. Das Wissenschaftsministerium führt aus, der Aufsichtsrat werde „[…] bei Kenntnis von rechtsvorschriftzuwiderlaufenden Entscheidungen eines Klinikumsvorstands stets im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten steuern oder eingreifen“.
Das Wissenschaftsministerium schließt sich der Feststellung des Rechnungshofs an, dass das Universitätsklinikum „[…] formal falsch ein nationales Vergabeverfahren […]“ durchführte. Es vertritt die Auffassung, dass jede europaweite Verfahrensart eine Entsprechung im nationalen Verfahren finde und der Ablauf dieser Verfahrensarten nahezu deckungsgleich sei. Es betont ebenso, das Universitätsklinikum habe mit den beschränkten nationalen Ausschreibungen Sinn und Zweck der Vergabevorschriften gewahrt.
Die Vergabeverfahren seien nicht manipulations- und korruptionsgefährdet gewesen. Gleichwohl werde sich das Universitätsklinikum einer intensiven Vergaberechtsschulung unterziehen.
5 Schlussbemerkung
Die Ausführungen des Universitätsklinikums Heidelberg und des Wissenschaftsministeriums, dass nationale und europaweite Verfahren nahezu deckungsgleich seien, treffen nicht zu. Das europäische Vergaberecht ist verpflichtend, hat ordnungspolitische Bedeutung und zielt eindeutig auf die Öffnung der Märkte zur Stärkung des Wettbewerbs ab.
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Bei der Prüfung zweier Institute und eines Gästehauses der Max-Planck-Gesellschaft zeigten sich Verbesserungspotenziale bei der Bewirtschaftung von zugewendeten Mitteln, der Gewährung von Leistungszulagen an Wissenschaftler und der Genehmigung von Nebentätigkeiten. Diese Feststellungen führten zu Änderungen der Bewirtschaftungsgrundsätze und der Verwaltungspraxis. In einzelnen Fällen wurden zweckwidrig verwendete Mittel zurückgefordert.
Der Vorschlag, das Zuwendungsverfahren insgesamt zu vereinfachen, wurde vom zuständigen Fachausschuss der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz abgelehnt.
1 Ausgangslage
1948 wurde die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) zur Förderung der Wissenschaften e. V. in Göttingen gegründet. Der Verein hat die Aufgabe, „im Dienste der Allgemeinheit natur- und geisteswissenschaftliche Grundlagenforschung in eigenen Forschungsinstituten zu betreiben".
Zum Ende des Jahres 2012 waren bundesweit insgesamt 82 dieser rechtlich unselbstständigen Institute vorhanden. Davon befanden sich elf Forschungsinstitute sowie vier weitere kleinere Einrichtungen in Baden-Württemberg.
Inhaltlich verteilen sich die Institute auf drei Sektionen, die biologisch-medizinische, die chemisch-physikalisch-technische sowie die geistes-, sozial- und humanwissenschaftliche Sektion. Die laufenden Geschäfte des Vereins werden durch die Generalverwaltung mit Sitz in München geführt. Der Verein wird durch einen hauptamtlichen Präsidenten, die Generalverwaltung wird vom Generalsekretär geleitet.
Die einzelnen Institute gliedern sich in Abteilungen, die jeweils von herausragenden Wissenschaftlern (Abteilungsdirektoren) geleitet werden. Diese werden aufgrund eines sorgfältigen Auswahlprozesses vom Senat der MPG berufen. Die Vergütung wird vom Präsidenten der MPG mit den einzelnen Abteilungsdirektoren vereinbart.
Die Finanzierung der MPG erfolgt im Rahmen der gemeinsamen Forschungsförderung hälftig durch Bund und Länder. Für den Landeszuschuss gelten zwei Verteilungsschlüssel: Jedes Land trägt ein Viertel der Ausgaben der jeweils ansässigen Forschungsinstitute (Sitzlandquote). Die weiteren 25 Prozent werden auf die Länder nach dem Königsteiner Schlüssel verteilt.
2014 erhielt die MPG von Bund und Ländern Zuwendungen von insgesamt 1,4 Mrd. Euro. Auf die Forschungseinrichtungen in Baden-Württemberg entfiel dabei ein Anteil von 227,5 Mio. Euro.
Forschungsinstitute der MPG wirken erfolgreich im Bereich nationaler wie internationaler Spitzenforschung. Zahlreiche Nobelpreise und weitere Auszeichnungen belegen die hohe Leistungsfähigkeit der Institute und ihre internationale Reputation. Durch die professionelle Vermarktung patentierter Erfindungen trägt die Gesellschaft auch zu einem erfolgreichen Technologietransfer bei.
Der Rechnungshof hat 2014 die Haushalts- und Wirtschaftsführung zweier in Baden-Württemberg ansässiger Forschungsinstitute und eines Gästehauses der MPG geprüft. Schwerpunkt der Prüfung waren die Haushaltsjahre 2012 und 2013.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Zuwendungsverfahren
Die jährlichen Zuwendungen an die MPG erfolgen auf der Grundlage eines Zuwendungsbescheids des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und von 16 Zuwendungsbescheiden der einzelnen Länder. Der Zuwendungsbescheid des Landes Baden-Württemberg wird vom Wissenschaftsministerium erlassen.
Bund und Länder verständigen sich im Rahmen der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) über Inhalt und Höhe der Zuwendungen. In den Nebenbestimmungen unterscheiden sich die Zuwendungsbescheide je nach den landesrechtlichen Vorgaben. Ergänzt werden die Regelungen in den Zuwendungsbescheiden durch Bewirtschaftungsgrundsätze, die als weitere Nebenbestimmungen der Bewilligungsbescheide einvernehmlich durch Bund und Länder festgelegt werden.
Verstößt die MPG bei der Bewirtschaftung der Mittel gegen die Bestimmungen der Zuwendungsbescheide oder die Bewirtschaftungsgrundsätze, wurden Rückforderungen bisher einvernehmlich zwischen den Zuwendungsgebern und der MPG festgesetzt und realisiert. Dabei übernimmt das Bundesministerium für Bildung und Forschung regelmäßig die Federführung. Gerichtliche Auseinandersetzungen über Rückforderungen konnten auf diese Weise bisher vermieden werden.
Dieses Verfahren weist nach Ansicht des Rechnungshofs mehrere gravierende Nachteile auf:
- Für die MPG gelten aufgrund der unterschiedlichen Zuwendungsbescheide Regeln, die in relevanten Punkten divergieren. So ist beispielsweise das Besserstellungsverbot für die Beschäftigten der MPG in den einzelnen Ländern unterschiedlich ausgestaltet. Weiterhin gelten nach den Landeshaushaltsordnungen unterschiedliche Vorschriften hinsichtlich des Umgangs mit liquiden Mitteln.
- Durch die föderale Aufgliederung des Zuwendungsverfahrens wird unnötiger Personal- und Sachaufwand verursacht. Die Zuwendungsgeber sind, vor allem in Konfliktfällen, in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt. So drohen z. B. bei einer Rückforderung, über die kein Konsens besteht, bis zu 17 Verwaltungsgerichtsverfahren.
Diese Nachteile könnten vermieden werden, wenn die Zuwendungen an die MPG im Außenverhältnis ähnlich wie bei der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz e. V. durch einen einzigen Zuwendungsbescheid eines Landes oder des Bundes auch für die übrigen Zuwendungsgeber bewilligt würden.
2.2 Bewirtschaftung der zugewendeten Mittel
Die von Bund und Ländern zugewendeten Mittel sind so großzügig bemessen, dass bei der Bewirtschaftung vor Ort keine finanziellen Engpässe festzustellen waren. Gleichwohl bemüht sich die Generalverwaltung der MPG, die Bewirtschaftungsgrundsätze akkurat einzuhalten und ergänzt diese durch eine Vielzahl von internen Richtlinien.
Dennoch hat die Prüfung des Rechnungshofs einige Beanstandungen der Haushalts- und Wirtschaftsführung der geprüften Institute ergeben. Neben kleineren Verstößen im Bereich der Beschaffungen und der Reisekostenabrechnungen waren folgende Punkte zu beanstanden:
- In einem der geprüften Institute wurde die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) bewilligte Programmpauschale nicht zur Finanzierung der Gemeinkosten, sondern als Verstärkung der Projektmittel eingesetzt.
- An einer Einrichtung wurde entgegen den Bewirtschaftungsgrundsätzen das Kantinenpersonal nicht aus den Entgelten, sondern aus den zugewendeten Mitteln finanziert.
- In einigen Fällen wurden Geräte, die für Forschungsprojekte der Institute beschafft worden waren, unentgeltlich an Dritte weitergegeben.
- In beiden Instituten wurden ohne erkennbare Systematik Gästen unentgeltliche Übernachtungen gewährt.
2.3 Zulagen an Abteilungsdirektoren
Als Teil ihrer leistungsorientierten Vergütung erhalten die Abteilungsdirektoren variable Zulagen (besondere Leistungsbezüge). Über Art und Höhe dieser Zulagen entscheidet de facto allein der Präsident der MPG. Der Rechnungshof hat bei der Prüfung dieser Zulagen folgende Verbesserungspotenziale festgestellt:
- Nicht in allen Fällen wurden die tatsächlichen Grundlagen der Zulagenbewilligung sorgfältig dokumentiert. So diente bei einer Bleibeverhandlung allein die Behauptung des Direktors, er habe einen lukrativen Ruf in Aussicht, als Grundlage für eine hohe Zulage.
- Die Transparenz der gewährten Zulagen gegenüber den Zuwendungsgebern ist verbesserungsfähig. Die Zuwendungsgeber sollten personenscharf über die Höhe der Zulagen informiert werden.
- Bei Zulagen im Rahmen von Bleibeverhandlungen unterliegt der Präsident keiner effektiven Kontrolle durch die Gremien der MPG.
- Für die Höhe der bewilligten Zulagen (insbesondere bei Bleibeverhandlungen) besteht weder eine klare zuwendungsrechtliche Obergrenze noch existieren Richtlinien für die Bemessung dieser Zulagen. Solche Regelungen sind auch dann erforderlich, wenn Zulagen aus Zuwendungen privater Dritter finanziert werden. Im Unterschied zu den baden-württem¬bergischen Hochschulen gibt es auch keinen Vergaberahmen.
In einem geprüften Fall wurde dem Rechnungshof von der Generalverwaltung ein erheblicher Teil der gewährten Zulagen bewusst verschwiegen.
2.4 Ausufernde Nebentätigkeiten
In einem geprüften Fall hat die Generalverwaltung einem Abteilungsdirektor in mehreren Jahren jeweils eine viermonatige Nebentätigkeit als Gastprofessor an einer außereuropäischen Hochschule genehmigt. Die übernommene Professur umfasste Forschungs- und Lehrtätigkeiten und wurde weit über dem in Deutschland üblichen Niveau vergütet. Obwohl der Abteilungsdirektor durch diese Nebentätigkeit voll ausgelastet war, erhielt er von der MPG während des Auslandsaufenthalts weiterhin seine volle Direktorenvergütung. Regelmäßig wurden auch die Reisekosten zur ausländischen Universität erstattet.
Diese Nebentätigkeit hätte nach den für das Arbeitsverhältnis geltenden Vorschriften nicht genehmigt werden dürfen. Richtigerweise hätte der Abteilungsdirektor für die Ausübung der Gastprofessur ohne Bezüge beurlaubt werden müssen und die Reisekosten aus eigener Tasche tragen müssen. Hinzu kommt, dass beim Antrag auf Genehmigung der Nebentätigkeit unzutreffende Angaben gemacht wurden. Außerdem wurde der Abteilungsdirektor über längere Zeit von seiner ebenfalls bei der MPG beschäftigten Ehefrau begleitet, die während ihres gesamten Auslandsaufenthalts ebenfalls ihre regelmäßige Vergütung zuzüglich Reisekosten erhielt. In zwei Fällen waren diese Reisen nicht ordnungsgemäß genehmigt worden.
Auf diese Weise wurden Mittel des Bundes und der Länder nicht für die Forschung an einem Max-Planck-Institut, sondern als Unterstützung einer privaten Nebentätigkeit des Abteilungsdirektors verwendet. Dies ist vom Zuwendungszweck nicht gedeckt.
3 Empfehlungen
Aus den getroffenen Feststellungen ergeben sich folgende allgemeine Empfehlungen.
3.1 Zuwendungsverfahren konzentrieren
Das Zuwendungsverfahren gegenüber der MPG sollte neu gestaltet werden. Es sollte künftig im Außenverhältnis beim Bundesministerium für Bildung und Forschung oder beim Freistaat Bayern als Sitzland der Generalverwaltung konzentriert werden. Gegenüber der MPG würde in diesem Fall jährlich nur ein Zuwendungsbescheid über die gesamte Förderung zugleich auch für die anderen Zuwendungsgeber ergehen. Die finanzielle Beteiligung der anderen Zuwendungsgeber würde im Innenverhältnis durch Zuweisungen an den Bund beziehungsweise den Freistaat Bayern erfolgen. Der Verwaltungsaufwand bei den anderen 16 Zuwendungsgebern würde dadurch minimiert. Im Konfliktfall wäre nur ein Zuwendungsgeber im Außenverhältnis zuständig, der Rückforderungen effektiv und effizient durchsetzen könnte.
Notwendig ist dazu der Abschluss einer neuen Ausführungsvereinbarung zum GWK-Abkommen über die gemeinsame Förderung der MPG.
3.2 Bewirtschaftungsgrundsätze einhalten
Die MPG und ihre Institute sollten auch in den beanstandeten Fällen die Bewirtschaftungsgrundsätze und die internen Richtlinien beachten. Bei der Bewirtschaftung von Mitteln der DFG darf die Programmpauschale nicht als Verstärkung der Projektmittel verwendet werden.
3.3 Verfahren zur Bewilligung von Zulagen verbessern
Die Bewirtschaftungsgrundsätze für die MPG sollten um Regelungen zur Dokumentation, Entscheidungsfindung und Transparenz bei der Bewilligung von Zulagen insbesondere bei Bleibeverhandlungen ergänzt werden. Der Rechnungshof hält es auch für erforderlich, wieder materielle Obergrenzen für die Bewilligungen von Zulagen vorzusehen, z. B. durch die Einführung eines Vergaberahmens nach dem Vorbild des baden-württembergischen Rechts.
3.4 Nebentätigkeitsrecht beachten
Auch bei den Abteilungsdirektoren dürfen nur solche Nebentätigkeiten genehmigt werden, die auch bei beamteten Wissenschaftlern zulässig wären. Die Abgrenzung von Haupt- und Nebentätigkeiten muss sorgfältig beachtet und strenger geprüft werden. Private Nebentätigkeiten dürfen nicht aus staatlichen Mitteln subventioniert werden, die der Forschungsförderung dienen.
Im konkreten Fall hat der Rechnungshof vorgeschlagen, die zu Unrecht gewährten Bezüge zurückzufordern, insbesondere soweit sie auf falschen Angaben des Betroffenen beruhen.
4 Stellungnahme der Max-Planck-Gesellschaft
4.1 Zuwendungsverfahren
Insoweit schließt sich die MPG der Stellungnahme des Fachausschusses DFG/MPG der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz an und sieht keinen Veränderungsbedarf. Der Fachausschuss sieht keine Veranlassung, die Bewilligung zugunsten der MPG künftig nur durch einen Zuwendungsgeber zu erteilen.
4.2 Bewirtschaftung der zugewiesenen Mittel
Die MPG beabsichtigt, den Empfehlungen des Rechnungshofs zur DFG-Programmpauschale, zur Finanzierung des Kantinenpersonals und zur Gewährung unentgeltlicher Übernachtung für Gäste zu folgen und wird die einschlägigen Bewirtschaftungsrichtlinien beziehungsweise vertraglichen Regelungen entsprechend anpassen.
Hinsichtlich der unentgeltlich überlassenen Geräte macht die MPG geltend, die Überlassung sei teilweise im Rahmen von wissenschaftlichen Partnerschaften oder in einem anderen Fall für die Erreichung eines wissenschaftlichen Zwecks erfolgt und deshalb zulässig gewesen. Soweit in einzelnen Fällen ein Entgelt hätte erhoben werden können, sagt die MPG zu, entweder das Entgelt nachzuerheben oder die Geräte zurückzuführen oder den Restwert der Geräte an die Zuwendungsgeber zu erstatten.
4.3 Zulagen an Abteilungsdirektoren
Auf der Basis des Beschlusses des Fachausschusses DFG/MPG vom April 2016 werden ergänzende Dokumentationsanforderungen bei Berufungs- und Bleibeverhandlungen in die Bewirtschaftungsgrundsätze der MPG aufgenommen.
Die MPG tritt dem Vorwurf entgegen, sie habe dem Rechnungshof Zulagen für einen Wissenschaftler in Täuschungsabsicht bewusst verschwiegen. Sie werde aber eine Regelung erarbeiten, die die Schwärzung der als geheimhaltungsbedürftig erachteten Bestandteile von Dokumenten verbindlich vorgeben wird.
4.4 Nebentätigkeiten
Nebentätigkeiten der wissenschaftlichen Mitglieder der MPG seien auch bei ausländischen Einrichtungen grundsätzlich zulässig und für die MPG von erheblichem Nutzen. Die MPG erkenne jedoch die Notwendigkeit, ihr Verfahren hinsichtlich der transparenteren Abgrenzung von Haupt- und Nebentätigkeiten anzupassen und habe dazu bereits entsprechende Maßnahmen eingeleitet.
Hinsichtlich des vom Rechnungshof beanstandeten Falles habe die MPG schon während des Prüfungsverfahrens Konsequenzen gezogen und die Rückforderung und verzinste Rückzahlung der zweckwidrig verausgabten Zuwendungen eingeleitet.
5 Stellungnahme des Ministeriums
Das Wissenschaftsministerium berichtet, dass der Fachausschuss DFG/MPG der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz wie bei früheren Prüfungen der Rechnungshöfe eine Arbeitsgruppe eingesetzt habe, die die Feststellungen und Empfehlungen des Rechnungshofs eingehend erörtert habe. Der Rechnungshof Baden-Württemberg sei an dieser Arbeitsgruppe beteiligt gewesen.
Der Fachausschuss habe die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe übernommen: Sein Beschluss bilde die zwischen Bund und Ländern abgestimmte Grundlage der Stellungnahme des Ministeriums.
Das Ministerium schließt sich der Auffassung des Fachausschusses an, dass sich das Zuwendungsverfahren in der bisherigen Form bewährt habe, und sieht keine Notwendigkeit, das Verfahren neu zu gestalten.
Das Ministerium teilt die Ansicht des Rechnungshofs, dass die Generalverwaltung und die Institute der MPG die Bewirtschaftungsgrundsätze streng beachten müssen. Die Generalverwaltung stelle dies durch interne Richtlinien und Schulungen konsequent und in der Regel erfolgreich sicher.
Ausgehend von den beschriebenen Einzelfällen schließt sich das Ministerium der Auffassung des Rechnungshofs an, dass die Verfahren zur Bewilligung von Zulagen und zur Genehmigung von Nebentätigkeiten insgesamt verbesserungswürdig sind. Der Fachausschuss habe Regelungen zur Verbesserung der Transparenz bei der Gewährung von Zulagen vorgeschlagen, die in die Bewirtschaftungsgrundsätze der MPG aufgenommen werden sollen. Die Wiedereinführung eines gesetzlichen Vergaberahmens halte das Ministerium für nicht sachgerecht.
Die in einem Fall erfolgte unvollständige Offenlegung von Dokumenten gegenüber dem Rechnungshof entspreche nicht dem Umgang, der von den Zuwendungsgebern in einer Förderbeziehung vorausgesetzt werde. Der MPG sei die Vorlage einer Dienstanweisung aufgegeben worden, die solche Vorgänge künftig wirksam ausschließen solle.
Der Fachausschuss DFG/MPG halte die vom Rechnungshof vorgeschlagene Wiedereinführung eines Vergaberahmens für nicht sachgerecht und schlage stattdessen vor, von der MPG in eigener Verantwortung den Erlass einer internen Richtlinie mit materiellen Regelungen zur Gewährung von Zulagen bei Bleibeverhandlungen zu fordern.
Bei der Genehmigung von Nebentätigkeiten müsse ein transparentes und regelkonformes Verfahren mit einer klaren und nachvollziehbaren Trennung von Haupt- und Nebentätigkeit Anwendung finden. Das Ministerium teilt die Auffassung, dass dies bei dem vom Rechnungshof adressierten Vorgang nicht der Fall gewesen sei, und unterstützt die Entscheidung der Zuwendungsgeber, die zweckwidrig verausgabten Zuwendungsmittel von der MPG verzinst zurückzufordern. Die Ankündigung der MPG, ihr Verfahren zur Genehmigung von Nebentätigkeiten insgesamt zu überarbeiten, werde begrüßt.
6 Schlussbemerkung
Solange keine gesetzliche Regelung besteht, hält es der Rechnungshof für erforderlich, dass die MPG künftig Zulagen an ihre Direktoren zumindest auf Grundlage einer internen Richtlinie vergibt. Diese sollte materielle Regelungen zu den Voraussetzungen, zur Höhe und zum Umfang von Zulagen enthalten. Weiter sollten Zulagen von einem Gremium innerhalb der MPG beschlossen und deren Beratungs- und Entscheidungsgrundlagen aktenkundig gemacht werden.
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