Denkschrift 2015

1.Ein Blick auf die Haushaltssituation des Landes zeigt: Die Einnahmen des Landes entwickeln sich weiterhin sehr gut. Die stabile wirtschaftliche Entwicklung und die hohe Beschäftigung schlagen sich in hohen Steuereinnahmen nieder. So stiegen die Nettosteuereinnahmen des Landes im letzten Jahr überdurchschnittlich um 7,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Bruttosteuereinnahmen liegen um 5 Mrd. Euro über den sehr guten Werten von 2008, dem Jahr vor der Finanzkrise. Hohe Einnahmen und hohe rechnungsmäßige Jahresüberschüsse 2012 und 2013 hätten es bei intensiveren Konsolidierungsbemühungen ermöglicht, 2014 auf die Nettokreditaufnahme von 1,2 Mrd. Euro zu verzichten und aus heutiger Sicht auch im laufenden Jahr ohne eine weitere Nettokreditaufnahme auszukommen.

Trotz einiger Konsolidierungsmaßnahmen haben sich allerdings auch die bereinigten Gesamtausgaben dynamisch entwickelt. Sie liegen 2014 bei 42,2 Mrd. Euro und damit um fast 8 Mrd. Euro über dem Vorkrisenjahr 2008 mit der Folge weiterer Kreditaufnahmen und negativer Finanzierungssalden (ausgenommen 2012). Die Steuerdeckungsquote hat sich seit dem Einbruch in der Finanzkrise zwar kontinuierlich wieder erhöht, sie liegt aber angesichts der hohen Ausgaben mit 75,3 Prozent immer noch um mehr als 2 Prozentpunkte unter dem Wert von 2008.

2.Mit 2,4 Mrd. Euro war der Länderfinanzausgleich eine der größten Einzelpositionen des Haushalts. Seit Jahren ringen die Länder um die Neuordnung des Finanzausgleichs. Die Verhandlungen kamen bislang kaum voran. Entscheidungen über die Grundzüge der Neuregelung wurden immer wieder aufgeschoben, zuletzt auf die Mitte Juni 2015 stattfindende Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder. Ungeachtet der objektiven Schwierigkeiten - ein Ruhmesblatt für den Föderalismus sind die letzten „Verhandlungsjahre“ nicht geworden. Zu wünschen wäre, dass bis zur Vorlage unserer Denkschrift Ende Juli 2015 diese Ausführungen durch eine richtungsweisende Grundlagenentscheidung bei der bevorstehenden Konferenz im Juni überholt sein werden.

Ohne einen Beitrag und zumindest die teilweise Einbeziehung auch der Bund-Länder-Finanzbeziehungen werden die widerstreitenden Länderinteressen und die dadurch entstandene Blockade am Ende nicht auflösbar sein. Im Vorwort zur letztjährigen Denkschrift hatten wir daher eine teilweise Umwandlung des Solidaritätszuschlags in eine in die Gesetzgebungskompetenz der Länder gestellte Ergänzungsabgabe mit eigenem Hebesatzrecht angeregt. Anlässlich der Debatte über die Ergebnisse der Föderalismuskommission II hat das damalige Mitglied der Kommission und der heutige Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Herausforderung zutreffend wie folgt beschrieben: „Mit Blick auf das Jahr 2019 werden wir Föderalisten noch mutiger werden müssen. Wir werden uns mehr Veränderungen zutrauen müssen“.

3.Der Auftrag des Rechnungshofs ist es, die Ordnungsmäßigkeit der öffentlichen Finanzen zu prüfen und dem Landtag für die Entlastung der Landesregierung zu berichten. Dem dient die vorliegende Denkschrift. Der Rechnungshof leistet mit seinen Denkschriften aber weit mehr. Mit seiner breit gefächerten Prüfungstätigkeit unterstützen und fördern wir ein wirtschaftliches Verhalten in allen Bereichen der Landesverwaltung. Dies erfordert, dass wir unsere Aufgabe umfassend verstehen: Dazu gehören u. a. Organisations- und Strukturfragen, die Gestaltung von Verfahrensabläufen, die Bemessung von Personalbedarfen, Unterstützung durch IT, die Auftragsvergabe der öffentlichen Hand, Themen der Infrastruktur einschließlich des Investitions- und Erneuerungsbedarfs. Die Denkschrift bildet dieses Aufgabenspektrum exemplarisch ab. Wir sagen, was das Ganze kostet. Wir können der Politik die Entscheidung nicht abnehmen. Wir liefern ihr aber einen sachkundigen und fachkundigen Beitrag zur Entscheidungsfindung - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Die Tragfähigkeit und Nachhaltigkeit des Haushalts ist dabei die Zentralperspektive des Rechnungshofs.

4.Auch im vergangenen Jahr stießen die Empfehlungen und Anmerkungen des Rechnungshofs sowohl beim Landtag, seinen Fraktionen und der Landesregierung als auch in der Öffentlichkeit auf reges Interesse. Insbesondere im Ausschuss für Finanzen und Wirtschaft erfahren sie regelmäßig eine sachkundige und intensive Behandlung. Die direkte und vertrauensvolle Zusammenarbeit der staatlichen Finanzkontrolle Baden-Württemberg mit den Behörden des Landes zeigte sich unter anderem darin, dass manche unserer Anregungen seitens der Ministerien bereits aufgenommen und umgesetzt worden sind. Diesen Weg des konstruktiven Miteinanders wollen der Rechnungshof, die staatlichen Rechnungsprüfungsämter und unsere Prüferinnen und Prüfer weiter fortsetzen.

Wichtig ist auch die Feststellung, dass wir bei unseren Prüfungen auf engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesverwaltung treffen, die verantwortungsbewusst handeln und sich die Ziele der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur eigenen Sache machen.

Karlsruhe, im Mai 2015

Max Munding
Präsident des Rechnungshofs
Baden-Württemberg


Anhänge

Die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes war 2013 geordnet. Die Haushaltsrechnung 2013 schließt mit einem rechnungsmäßigen Überschuss von 1,3 Mrd. Euro ab. Die in der Haushaltsrechnung 2013 aufgeführten Beträge stimmen mit den in den Büchern nachgewiesenen Beträgen überein. Die Einnahmen und Ausgaben sind im Wesentlichen ordnungsgemäß belegt.

Der Haushalt des Landes wurde im Haushaltsjahr 2013 nach den Vorschriften des Staatshaushaltsgesetzes vollzogen.


1 Haushalts-Soll und Haushalts-Ist 2013

Der Haushaltsrechnung des Landes für das Haushaltsjahr 2013 liegt das Gesetz über die Feststellung des Staatshaushaltsplans von Baden-Württemberg für die Haushaltsjahre 2013/2014 (Staatshaushaltsgesetz 2013/2014) vom 19.12.2012, geändert durch den Nachtrag vom 30.04.2013, zugrunde. Danach wurde der Staatshaushaltsplan 2013 in Einnahme und Ausgabe mit 40.736.667.500 Euro festgestellt. Im Vergleich zum Vorjahr nahm das Haushaltsvolumen im Soll um 1.889.493.700 Euro (+4,9 Prozent) zu.

Beitrag 1 Tab. 1.

Das Haushalts-Soll (Haushaltsansätze einschließlich Haushaltsreste aus dem Vorjahr) betrug 42,3 Mrd. Euro bei den Einnahmen und 42,6 Mrd. Euro bei den Ausgaben. 2013 wurden tatsächlich 42,8 Mrd. Euro eingenommen und 41,2 Mrd. Euro ausgegeben. Einschließlich der Haushaltsreste/Vorgriffe beträgt das Rechnungsergebnis 44,3 Mrd. Euro Einnahmen und 43,4 Mrd. Euro Ausgaben. Aus den Salden ergab sich ein Überschuss von 1,3 Mrd. Euro (rechnungsmäßiges Jahresergebnis 2013). Per Saldo hat sich die Haushaltssituation gegenüber der Planung damit deutlich verbessert. Das rechnungsmäßige Gesamtergebnis belief sich zum 31.12.2013 auf 2,6 Mrd. Euro . Wie sich die Mehreinnahmen und die Mehrausgaben aus den Teilergebnissen der Einzelpläne errechnen, ist in der Landeshaushaltsrechnung 2013 dargestellt.

2 Haushaltsrechnung 2013

Der Minister für Finanzen und Wirtschaft legte dem Landtag am 20.11.2014 (Landtagsdrucksache 15/6909) die Haushaltsrechnung des Landes Baden-Württemberg für das Haushaltsjahr 2013 vor. Diese dient gemäß Artikel 83 Absatz 1 der Landesverfassung und § 114 Absatz 1 Satz 1 der Landeshaushaltsordnung als Grundlage, um die Landesregierung zu entlasten.

2.1 Gestaltung

Die Haushaltsrechnung ist entsprechend den Vorgaben (§§ 81 bis 85 Landeshaushaltsordnung) gestaltet und enthält alle vorgeschriebenen Abschlüsse, Erläuterungen und Übersichten, um die bestimmungsgemäße Ausführung des Staatshaushaltsplans nachzuweisen.

Der kassenmäßige Abschluss und der Haushaltsabschluss sind entsprechend § 84 Landeshaushaltsordnung in einem Abschlussbericht mit verschiedenen Zusammenstellungen in der Haushaltsrechnung erläutert. Die in § 85 Absatz 1 Landeshaushaltsordnung genannten Übersichten sind beigefügt.

2.2 Ergebnisse der Haushaltsrechnung

Der rechnungsmäßige Abschluss ist für die Bewertung der Haushaltsrechnung von maßgeblicher Bedeutung. Er ergibt sich aus dem kassenmäßigen Jahresergebnis (Ist-Einnahmen und Ist-Ausgaben), den übernommenen Haushaltsresten des Vorjahres und den Haushaltsresten, die in das Folgejahr übertragen werden.

Beitrag 1 Tab. 2

Das kassenmäßige Jahresergebnis ergibt sich aus dem Saldo der tatsächlich eingegangenen Einnahmen und der tatsächlich geleisteten Ausgaben. Der Landeshaushalt 2013 hat mit einem kassenmäßigen Jahresergebnis von 1.599.564.382,07 Euro abgeschlossen.

Das Land hat auch 2013 in großem Umfang Einnahmereste und Ausgabereste gebildet.

Beitrag 1 Tab. 3J

Das rechnungsmäßige Jahresergebnis ergibt sich aus dem kassenmäßigen Jahresergebnis ergänzt um den Unterschiedsbetrag der Salden der Reste.

Beitrag 1 Tab. 4

Unter Berücksichtigung der Haushaltsreste des Vorjahres und der Haushaltsreste, die in das Folgejahr übertragen wurden, ergibt sich 2013 ein rechnungsmäßiges Jahresergebnis von 1.276.257.275,44 Euro.

2.3 Bereinigte Einnahmen und Ausgaben, Finanzierungssalden

Aus der Differenz der bereinigten Einnahmen und der bereinigten Ausgaben ergibt sich der Finanzierungssaldo. Die Ist-Einnahmen werden dabei um die Schuldenaufnahme am Kreditmarkt, die Entnahmen aus Rücklagen, Fonds und Stöcken sowie um die Einnahmen aus Überschüssen der Vorjahre verringert. Demgegenüber werden die Ist-Ausgaben um getätigte Tilgungen am Kreditmarkt, Zuführungen an Rücklagen, Fonds und Stöcken sowie um den Ausgleich etwaiger Fehlbeträge aus Vorjahren vermindert.

Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der Finanzierungssalden seit 2004 .

Beitrag 1 Abb. 1

Nach einem geringen positiven Finanzierungssaldo in 2012 ergab sich 2013 wieder ein negativer Finanzierungssaldo von 191 Mio. Euro.

2013 betrug die Nettokreditaufnahme 1.777 Mio. Euro. Den Rücklagen, Fonds und Stöcken wurden netto 186 Mio. Euro zugeführt, aus den Überschüssen der Vorjahre wurden 200 Mio. Euro entnommen.

3 Feststellungen des Rechnungshofs nach § 97 Absatz 2 Nrn. 1 und 2 Landeshaushaltsordnung

3.1 Ordnungsmäßigkeit der Haushaltsrechnung

Der Rechnungshof hat die Ordnungsmäßigkeit der Haushaltsrechnung des Landes für das Haushaltsjahr 2013 zusammen mit den staatlichen Rechnungsprüfungsämtern geprüft.

Die in der Haushaltsrechnung aufgeführten Einnahmen und Ausgaben stimmen mit den in den Rechnungslegungsbüchern nachgewiesenen Beträgen überein. In den geprüften Bereichen sind nur wenige Einnahmen und Ausgaben festgestellt worden, die nicht ordnungsgemäß belegt waren.

Um die Ordnungsmäßigkeit der Haushaltsrechnung beurteilen zu können, führte die Finanzkontrolle neben den allgemeinen Prüfungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung eine gesonderte Prüfung nach einem Zufallsverfahren durch. Die gewählte mathematisch-statistische Methode lässt über die untersuchten Einzelfälle hinaus den Schluss zu, dass eine ordnungsgemäße Haushaltsführung mit hoher Wahrscheinlichkeit vorliegt.

Bei der Prüfung der Organisation und Aufgabenanalyse im Ministerium für Finanzen und Wirtschaft stellte der Rechnungshof Mängel bei der Anordnung von Zahlungen und deren Umsetzung im Haushaltsmanagementsystem fest (siehe Beitrag Nr. 10).

Der Rechnungshof hatte in der Denkschrift 2014 (Beitrag Nr. 1, Punkt 3.1) dargestellt, dass die saldierten Ausgaben für Wohngeld bei Kapitel 0711 Titel 681 77 in den Landeshaushaltsrechnungen seit Jahren wegen fehlerhafter Buchungen zu niedrig dargestellt wurden. Das Land hat zum Zeitpunkt der Rückforderungsbescheide die Einnahmen bereits gebucht und damit unabhängig vom tatsächlichen Zahlungseingang. Auch die Landeshaushaltsrechnung 2013 ist insoweit nicht korrekt. Die noch nicht realisierten Forderungen hatten Ende 2013 ein Volumen von rund 6,8 Mio. Euro. Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft hat das Verfahren ab Januar 2014 umgestellt. Es hat darüber hinaus mit dem Bund Gespräche zur Bereinigung der Alt-Forderungen geführt. Mit einem Ausgleich ist noch 2015 zu rechnen.

Beim Landesamt für Besoldung und Versorgung hat die Finanzkontrolle in den Bereichen Entgelt für Arbeitnehmer, Beamtenbesoldung und -versorgung risikoorientiert 11.506 Zahlfälle untersucht. Durch diese Prüfungen konnten 0,9 Mio. Euro an unberechtigten Zahlungen zurückgefordert und künftige Fehlzahlungen vermieden werden. Im Gegenzug wurden berechtigte Ansprüche von 0,2 Mio. Euro erfüllt. Zudem wurden 5.842 Beihilfebescheide überprüft. Dies führte zu Beihilfekürzungen von 1,4 Mio. Euro und zu 0,5 Mio. Euro zusätzlich zu gewährender Beihilfe. Die Fehler bewegen sich summarisch im langjährigen Mittel.

3.2 Überplanmäßige- und außerplanmäßige Ausgaben

Über- und außerplanmäßige Ausgaben bedürfen der Einwilligung des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft. Sie darf nur im Fall eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses erteilt werden. Die Fälle, in denen über- und außerplanmäßige Ausgaben getätigt wurden, sind in der Haushaltsrechnung einzeln nachgewiesen. Die vom Ministerium bewilligten Abweichungen von den Stellenübersichten sind ebenfalls dargestellt. Geleistete über- und außerplanmäßige Ausgaben sind dem Landtag ab einem Betrag von 100.000 Euro im Einzelfall mitzuteilen (§ 7 Absatz 5 Staatshaushaltsgesetz 2013/2014). Das Ministerium hat dem Landtag hierüber mit Schreiben vom 13.09.2014 berichtet (Landtagsdrucksache 15/5729). Der Ausschuss für Finanzen und Wirtschaft hat hiervon am 23.10.2014 Kenntnis genommen.

2013 gab es insgesamt 167 über- und außerplanmäßige Ausgaben mit einem Gesamtvolumen von 61,3 Mio. Euro. Sie betrafen zu 76 Prozent Sachausgaben und zu 24 Prozent Personalausgaben.

Einzelfälle größeren Umfangs waren:

  • 20,2 Mio. Euro, also fast ein Drittel des Gesamtbetrags, waren die Folge einer Buchung zwischen zwei Titeln zur Vereinnahmung verschiedener Abgaben der Spielbanken in Umsetzung des Landesglücksspielgesetzes. Hierdurch entstand bei Kapitel 1202 Titel 093 72A buchungstechnisch eine negative und somit als Ausgabe zu behandelnde Einnahme. Faktisch entstand keine Mehrausgabe. Allerdings blieben die Gesamteinnahmen aus Abgaben und Erträgen der Spielbanken im Jahr 2013 um 8 Mio. Euro hinter den Soll-Ansätzen zurück.

 

  • 4,8 Mio. Euro ergaben sich durch die im Vollzug erfolgten Mittelumsetzungen nach § 50 Landeshaushaltsordnung, um den Übergang der Landeszentrale für politische Bildung vom Geschäftsbereich des Staatsministeriums (dort Kapitel 0205) in denjenigen des Landtags (Kapitel 0104) zu realisieren. Auch hinter diesem Gesamtvorgang stecken materiell keine Mehrausgaben. Im Übrigen umfasst er aus formalen Gründen allein 44 der insgesamt 167 Fälle über- und außerplanmäßiger Ausgaben.

 

  • 9 Mio. Euro für Leistungen im Zusammenhang mit aufgenommenen Flüchtlingen (Kapitel 1503 Titelgruppe 75).

 

  • 3,6 Mio. Euro Personalkosten wegen hoher Einsatzintensität bei der Landespolizei (Kapitel 0314 Titel 422 05).

 

  • 2,7 Mio. Euro Aufwendungen für die gesetzliche Unfallversicherung (Kapitel 0904 Titel 685 01).

 

  • 2,2 Mio. Euro Zuschuss an die Beteiligungsgesellschaft Baden-Württem-berg GmbH (Kapitel 0620 Titel 682 17).

 

  • 1,9 Mio. Euro Rückzahlung von Gebührenanteilen an Notare aufgrund der europarechtlich bedingten Änderung des Landesjustizkostengesetzes.

In insgesamt 145 der 167 Fälle (somit in 87 Prozent) hat das Ministerium vorab in die über- und außerplanmäßigen Ausgaben eingewilligt.

In 22 Fällen (13 Prozent) lag die vorgeschriebene Einwilligung nicht vor. Die Summe dieser Haushaltsüberschreitungen beträgt 26 Mio. Euro. Davon wurde in sechs Fällen mit zusammen über 23 Mio. Euro die sachliche Notwendigkeit der Mehrausgaben nachträglich vom Ministerium bestätigt.

4 Globale Minderausgaben

Globale Minderausgaben sind im Staatshaushaltsplan negativ veranschlagte Ausgaben, die im Haushaltsvollzug auszugleichen sind. Sie stellen eine Ausnahme vom Einzelveranschlagungsprinzip dar.

Im Vollzug des Staatshaushaltsplans 2013 waren bei den Sachausgaben globale Minderausgaben von 239,9 Mio. Euro zu erbringen. Diese Einsparverpflichtungen wurden von den Ressorts erfüllt. Die globalen Minderausgaben entsprachen damit 0,9 Prozent der Sachausgaben.

5 Haushaltsreste und Haushaltsvorgriffe

5.1 Haushaltsreste 2012 und 2013

Die Haushaltsrechnung des Landes Baden-Württemberg 2013 weist zur Übertragung in das Haushaltsjahr 2014 folgende Reste aus:

Beitrag 1 Zahlenaufstellung bei Nr. 5.1

Die Einnahmereste aus nicht verbrauchten Kreditermächtigungen belaufen sich auf insgesamt 1.531,5 Mio. Euro. Die sonstigen Einnahmereste betragen 16,1 Mio. Euro.

Die Ausgabereste 2013 betragen insgesamt 2,2 Mrd. Euro. Dieser Wert entspricht 5,4 Prozent der im Staatshaushaltsplan veranschlagten Ausgaben für 2013. Gegenüber den Ausgaberesten 2012 sind die Ausgabereste um 324,7 Mio. Euro angestiegen. Tabelle 5 zeigt die in 2012 und 2013 gebildeten Ausgabereste, unterteilt in Ausgabegruppen.

Beitrag 1 Tab. 5

Insbesondere im investiven Bereich wurden hohe Ausgabereste gebildet. Mit Ausgaberesten von 1,1 Mrd. Euro wurde 2013 fast ein Drittel der Soll-Ausgaben als Rest in das Haushaltsjahr 2014 übertragen.

5.2 Entwicklung der Ausgabereste im Zehn-Jahres-Vergleich

Abbildung 2 zeigt die Entwicklung der Ausgabereste der letzten zehn Jahre auf. Neben den absoluten Beträgen werden die Reste in Prozent der SollAusgaben dargestellt.

Beitrag 1 Abb. 2

2013 waren die Ausgabereste im Zehn-Jahres-Vergleich mit 2,2 Mrd. Euro auf dem Höchststand. Auch das Verhältnis von Ausgaberesten zu den im Staatshaushaltsplan veranschlagten Soll-Ausgaben erreicht 2013 mit 5,4 Prozent einen Höchstwert.

Die Höhe der Ausgabereste 2014 stand bei Abschluss der Denkschriftberatungen des Rechnungshofs noch nicht fest.


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Die parlamentarische Behandlung finden Sie hier


Anhänge

Die Einnahmen des Landes stiegen im Haushaltsjahr 2014 gegenüber dem Vorjahr um 4,9 Prozent, die Netto-Steuereinnahmen sogar um 7,6 Prozent. Obwohl sich die Ausgaben 2014 nur um 3,6 Prozent erhöhten, nahm die Landesregierung 1,2 Mrd. Euro neue Kredite auf.


1 Einnahmen

1.1 Entwicklung der Einnahmen 2005 bis 2014

In Tabelle 1 sind für die Jahre 2005 sowie 2009 bis 2014 die veranschlagten Einnahmen jeweils den Ist-Einnahmen gegenübergestellt.

Beitrag 2 Tab. 1

Die Entwicklung der Ist- und Soll-Einnahmen ist aus Abbildung 1 ersichtlich.

Beitrag 2 Abb. 1

In den vergangenen zehn Jahren lagen die Ist-Einnahmen mit Ausnahme von 2009 über den Einnahmeansätzen. Seit 2010 überstiegen die Ist-Einnahmen die Ansätze jährlich um jeweils mehr als 5 Prozent.

2014 wurden 3,1 Mrd. Euro (7,4 Prozent) höhere Einnahmen erzielt als geplant. Die Bruttosteuereinnahmen lagen 790 Mio. Euro und die sonstigen Einnahmen 2.312 Mio. Euro über dem Soll. Die Überschreitung des Haushaltssolls hängt insbesondere mit den Zuweisungen des Bundes gemäß § 46a SGB XII (Sozialhilfe) von 520 Mio. Euro sowie mit den Zuweisungen des Bundes für die Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 46 SGB II von 353 Mio. Euro zusammen, die nicht im Soll enthalten sind. Ebenso sind die Einnahmen aus Drittmitteln des Wissenschaftsbereichs von 440 Mio. Euro nicht im Soll enthalten. Die Finanzausgleichsumlage liegt 224 Mio. Euro über dem Haushaltsansatz.

Auch die Steuereinnahmen lagen seit 2010 über den Ansätzen. So wurden zwischen 0,2 Mrd. Euro (2013) und 1,4 Mrd. Euro (2010) mehr Steuern eingenommen als geplant.

Im zehnjährigen Betrachtungszeitraum stiegen die Ist-Einnahmen um 12,9 Mrd. Euro. Die Steuereinnahmen erhöhten sich im Vergleichszeitraum um 9,6 Mrd. Euro. Zwischen 2005 und 2014 hat das Land 8,9 Mrd. Euro neue Kredite aufgenommen.

Im Staatshaushaltsplan - Urhaushalt - sind für 2015 und 2016 Gesamteinnahmen von 43,9 Mrd. Euro und 44,2 Mrd. Euro geplant. Darin sind 32,2 Mrd. Euro und 33,4 Mrd. Euro Steuereinnahmen enthalten. Nach dem darauf aufbauenden aktuellen Mittelfristigen Finanzplan 2014 - 2018 sollen die Gesamteinnahmen bis 2018 auf 45,2 Mrd. Euro und die Steuereinnahmen auf 35,5 Mrd. Euro steigen.

Der Nachtrag zum Haushalt sieht für 2015 weitere Einnahmen von 140 Mio. Euro und für 2016 von 409 Mio. Euro vor.

1.2 Einnahmen im Einzelnen

Die Einnahmen des Landes stiegen von 32 Mrd. Euro in 2005 auf 44,9 Mrd. Euro in 2014. Gegenüber dem Vorjahr nahmen die Einnahmen 2014 um 4,9 Prozent zu. Sie wurden insbesondere durch Steuern (31,8 Mrd. Euro, 71 Prozent) sowie Zuweisungen und Zuschüsse (8,9 Mrd. Euro, 20 Prozent) erzielt. Trotz anhaltend hoher Einnahmen hat das Land 2014 neue Kredite im Umfang von 1,23 Mrd. Euro aufgenommen (siehe Beitrag Nr. 3, Punkt 1.2).

Die Einnahmen aus Zuweisungen und Zuschüssen (Hauptgruppe 2 zuzüglich Obergruppen 33 und 34) sind 2014 gegenüber dem Vorjahr um 336 Mio. Euro gestiegen. Diesen Einnahmen stehen größtenteils entsprechende Ausgaben gegenüber (siehe Punkt 2.2).

1.3 Steuereinnahmen

Die Einnahmen aus Steuern und steuerähnlichen Abgaben sind stark von der konjunkturellen Entwicklung abhängig. Die deutsche Wirtschaft entwickelte sich in den vergangenen Jahren positiv. Daraus resultiert, insbesondere seit 2011, ein deutlicher Anstieg der Steuereinnahmen. 2014 erhöhte sich das Steueraufkommen um 1,75 Mrd. Euro (+5,8 Prozent) gegenüber dem Vorjahr.

Die Steuereinnahmen lagen 2014 mit 31,8 Mrd. Euro um 10,8 Mrd. Euro (+51,7 Prozent) höher als 2005. Bei dieser Betrachtung ist die bis 30.06.2009 dem Land zustehende Kraftfahrzeugsteuer nicht enthalten. Seit 01.07.2009 steht diese Steuer nicht mehr den Ländern, sondern dem Bund zu. Zur Kompensation erhalten die Länder seither vom Bund Ausgleichszahlungen, die in etwa den bisherigen Einnahmen aus der Kraftfahrzeugsteuer entsprechen. 2014 betrug die Zuweisung des Bundes an das Land wie in den Vorjahren 1,3 Mrd. Euro.

Tabelle 2 zeigt, wie sich die Steuereinnahmen von 2009 bis 2014 sowie im Zehnjahreszeitraum (Basisjahr 2005) im Einzelnen entwickelt haben.

Beitrag 2 Tab. 2

Die Steuereinnahmen des Landes bestehen aus Gemeinschaft- und Landessteuern. Die Einnahmen aus Gemeinschaftsteuern haben sich seit 2005 von 19,3 Mrd. Euro um 51,6 Prozent auf 29,3 Mrd. Euro 2014 erhöht. Ihr Anteil an den gesamten Steuereinnahmen des Landes lag 2014 bei 92,1 Prozent. Der Landesanteil an der Lohnsteuer stieg 2014 aufgrund der anhaltend guten Beschäftigungslage und Lohnsteigerungen gegenüber dem Vorjahr um 573,4 Mio. Euro (+5,5 Prozent) auf mehr als 11 Mrd. Euro. Die Einnahmen durch die Umsatzsteuer erhöhten sich 2014 um 473,7 Mio. Euro (+6,6 Prozent) gegenüber 2013.

Die Landessteuern (ohne Kraftfahrzeugsteuer) haben sich seit 2005 von 1,6 Mrd. Euro um 52,9 Prozent auf 2,5 Mrd. Euro 2014 erhöht. Sie hatten 2014 einen Anteil an den gesamten Steuereinnahmen des Landes von 7,9 Prozent. Seit 2011 ist die Grunderwerbsteuer die Landessteuer mit dem höchsten Aufkommen. Sie erreichte 2014 mit 1,36 Mrd. Euro einen Anteil von 54 Prozent an den gesamten Landessteuern. Die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer stiegen 2014 um 41,5 Mio. Euro (+3,2 Prozent) gegenüber dem Vorjahr. Die Erbschaftsteuer hatte 2014 mit 848 Mio. Euro einen Anteil von 34 Prozent an den Landessteuern. Ihr Aufkommen erhöhte sich um 50,9 Mio. Euro (+6,4 Prozent) gegenüber 2013.

Im Haushaltsjahr 2014 stieg das Steueraufkommen des Landes gegenüber dem Vorjahr um 1,75 Mrd. Euro auf 31,8 Mrd. Euro. Die Nettosteuereinnahmen erhöhten sich gegenüber dem Vorjahr um 1,6 Mrd. Euro (+7,6 Prozent).

2 Ausgaben

2.1 Entwicklung der Ausgaben 2005 bis 2014

In Tabelle 3 sind für die Jahre 2005 sowie 2009 bis 2014 die veranschlagten Ausgaben jeweils den Ist-Ausgaben gegenübergestellt.

Beitrag 2 Tab. 3

Die tatsächlichen Ausgaben lagen seit 2010 stets über den Ausgabeansätzen. Dies ist insbesondere auf Drittmittel zurückzuführen. Für diese werden in den Staatshaushaltsplänen regelmäßig Leertitel ausgebracht.

2014 waren die Ist-Ausgaben mit 42,7 Mrd. Euro um 899 Mio. Euro höher als die Ausgabeansätze. Die tatsächlichen Ausgaben nahmen 2014 um 3,6 Prozent gegenüber 2013 zu.

Die Personalausgaben stiegen gegenüber dem Vorjahr um 3 Prozent. Sie lagen seit 2009 stets unter den Ansätzen. 2014 waren die Personalausgaben mit 15,6 Mrd. Euro um 573 Mio. Euro (3,5 Prozent) geringer als geplant. Die Entwicklung der Ist- und Soll-Ausgaben ist aus Abbildung 2 ersichtlich.

Beitrag 2 Abb. 2

Von 2005 bis 2014 stiegen die Ist-Ausgaben um 10,7 Mrd. Euro. Die Ist-Einnahmen erhöhten sich im selben Zeitraum um 12,9 Mrd. Euro. Darin enthalten war eine Nettokreditaufnahme von 8,9 Mrd. Euro.

Für 2015 und 2016 sind im Staatshaushaltsplan - Urhaushalt - 43,9 Mrd. Euro und 44,2 Mrd. Euro Gesamtausgaben geplant. Die Personalausgaben sind mit 16,4 Mrd. Euro und 16,7 Mrd. Euro veranschlagt. In der aktuellen Mittelfristigen Finanzplanung geht die Landesregierung bis zum Jahr 2018 von einem weiteren Anstieg der Gesamtausgaben auf 45,2 Mrd. Euro aus. Sie erwartet, dass die Personalausgaben in diesem Zeitraum um weitere 1,7 Mrd. Euro (+10,8 Prozent) gegenüber den Ist-Ausgaben 2014 auf dann 17,3 Mrd. Euro steigen. Der Anstieg der Personalausgaben ergibt sich insbesondere aus beschlossenen bzw. einkalkulierten Tarif-, Besoldungs- und Versorgungsanpassungen und der Zunahme an Versorgungsempfängern.

Der Nachtrag zum Haushalt sieht für 2015 weitere Ausgaben von 140 Mio. Euro und für 2016 von 409 Mio. Euro vor.

2.2 Ausgaben im Einzelnen

Tabelle 4 zeigt, wie sich die Ausgaben von 2009 bis 2014 sowie im Zehnjahreszeitraum (Basisjahr 2005) im Einzelnen entwickelt haben.

Beitrag 2 Tab. 4.

Die Personalausgaben stiegen in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich an. Sie lagen 2014 um 22 Prozent über den Personalausgaben des Jahres 2005. Die bei der Hauptgruppe 4 zu buchenden Personalausgaben wären ohne die Einrichtung von Landesbetrieben noch stärker gestiegen.

Die sächlichen Verwaltungsausgaben stiegen von 2010 bis 2012 kontinuierlich und ab 2013 überproportional auf 2,0 Mrd. Euro in 2014. Im Einzelplan 14 nahmen sie um 104,9 Mio. Euro gegenüber 2013 zu. Zurückzuführen ist dies in erster Linie auf das Ausbauprogramm Hochschule 2012 (Kapitel 1403, Titelgruppe 77). Den Ausgaben stehen Einnahmen aus Zuweisungen des Bundes gegenüber.

Bei den Ausgaben für den Schuldendienst handelt es sich im Wesentlichen um Kreditmarktzinsen. Trotz Aufnahme neuer Kredite 2013 und 2014 von insgesamt 3 Mrd. Euro reduzierten sich die Zinsausgaben 2014 aufgrund des niedrigen Zinsniveaus im Vergleich zum Vorjahr um 146 Mio. Euro (-8,5 Prozent).

Die Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse erhöhten sich in den vergangenen zehn Jahren deutlich. Sie erreichten 2014 mit 11,6 Mrd. Euro einen Höchststand. Der Anstieg ist zu einem wesentlichen Teil auf die im Ergebnis haushaltsneutrale Umwandlung von Landesbehörden in Landesbetriebe zurückzuführen. Im Landeshaushalt ist bei Landesbetrieben nur noch ein Zuschuss- oder Ablieferungstitel ausgebracht.

Gegenüber 2005 erhöhten sich die Ausgaben 2014 bei den Zuweisungen und Zuschüssen des Weiteren wegen folgender Sachverhalte:

  • Kleinkindbetreuung (Ist 2014: 456 Mio. Euro), die durch Erhöhung der Grunderwerbsteuer und aus Bundesmitteln im Landeshaushalt weitgehend gegenfinanziert sind;

 

  • deutlich höhere Zuweisungen an die Stadt- und Landkreise für Sozialhilfe (Ist 2014: 520 Mio. Euro), die aus Zuweisungen des Bundes gleichfalls gegenfinanziert sind.

Die Ausgaben für den Länderfinanzausgleich stiegen seit 2010 zunächst erheblich an. Nachdem sie 2013 mit 2,9 Mrd. Euro einen Höchststand erreicht hatten, gingen sie 2014 um 459 Mio. Euro (-15,9 Prozent) gegenüber dem Vorjahr auf 2,4 Mrd. Euro zurück.

Die allgemeinen Zuweisungen im kommunalen Finanzausgleich sind in den vergangenen zehn Jahren beträchtlich gestiegen. Sie lagen 2014 mit 7,6 Mrd. Euro um 3,1 Mrd. Euro (+69,9 Prozent) höher als 2005.

Die Ausgaben für sonstige Investitionen erhöhten sich 2014 gegenüber 2013 um 414 Mio. Euro (+103 Prozent) auf 815 Mio. Euro. Zurückzuführen ist dies letztlich auf eine Mittelrückzahlung an die Landesbeteiligungen Baden-Württemberg GmbH von 400 Mio. Euro. Über diese Gesellschaft wurde 2009 der auf das Land und die L-Bank entfallende Anteil an der seinerzeitigen Kapitalerhöhung der LBBW getätigt. Den Ausgaben stehen Einnahmen aus der Rückzahlung der bei der LBBW noch bestehenden stillen Einlagen des Landes mit 405 Mio. Euro (Kapitel 0620, Titel 134 01) gegenüber.

In Abbildung 3 ist dargestellt, auf welche Bereiche sich die Ausgaben des Landes verteilen.

Beitrag 2 Abb. 3

Den größten Ausgabenblock mit 15,6 Mrd. Euro bilden die Personalausgaben. Darin sind die Personalausgaben der Landesbetriebe nicht enthalten.

3 Steuerdeckungsquote

Die Steuerdeckungsquote drückt das Verhältnis der Brutto-Steuerein-nahmen in Bezug auf die bereinigten Gesamtausgaben aus. Sie ist ein Indikator für den Finanzierungsspielraum aus eigenen Finanzierungsquellen. Je niedriger die Quote ist, umso höher ist die Abhängigkeit von anderen Einnahmen, wie z. B. Entnahmen aus Rücklagen, Zuweisungen vom Bund oder Kreditaufnahmen.

Tabelle 5 zeigt, wie sich die Steuerdeckungsquote in den vergangenen zehn Jahren entwickelt hat. Bei dieser Betrachtung sind die bis 30.06.2009 dem Land zustehenden Kraftfahrzeugsteuern und ab 01.07.2009 die Ausgleichszahlungen des Bundes von 1,3 Mrd. Euro nicht enthalten.

Beitrag 2 Tab. 5

Nachdem die Steuerdeckungsquote 2009 und 2010 infolge der Wirtschafts- und Finanzmarktkrise auf unter 70 Prozent gesunken war, stieg sie ab 2011 wieder an, hat aber die Werte der Vorkrisenjahre 2007 und 2008 noch nicht erreicht.


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Im Haushaltsjahr 2014 hat das Land 1,2 Mrd. Euro neue Kredite aufgenommen, die zum Ausgleich des Haushalts nicht erforderlich waren. Nach dem Finanzplan 2014 bis 2020, sind bis 2019 weitere Kredite von insgesamt 1,5 Mrd. Euro vorgesehen. Die Schulden des Landes würden dadurch auf fast 48 Mrd. Euro ansteigen.


1 Verschuldungslage

1.1 Schuldenentwicklung 2013/2014

Die Schulden des Landes einschließlich der auf Dritte verlagerten Verpflichtungen betrugen zum 31.12.2014 47,9 Mrd. Euro.

Beitrag 3 Tab. 1

Die Kreditmarktschulden, die Verpflichtungen beim Bund und bei anderen Ländern und die verlagerten Verpflichtungen stiegen gegenüber dem Vorjahreswert um insgesamt 1,1 Mrd. Euro. Die Kreditmarktschulden erhöhten sich trotz anhaltend guter konjunktureller Lage sowie hoher Steuereinnahmen und Überschüssen aus Vorjahren um 1,2 Mrd. Euro auf 46,3 Mrd. Euro.

Bei den verlagerten Verpflichtungen handelt es sich um Kapitalsummen, für die das Land der Landesbank Baden-Württemberg und der Finanzierungsgesellschaft für öffentliche Vorhaben des Landes Baden-Württemberg GmbH (Baufinanz) den Schuldendienst bzw. den Finanzierungsaufwand für folgende Maßnahmen zu erstatten hat:

  • Die LBBW übernimmt die 5-jährige Vorfinanzierung des Landesanteils der Darlehensförderung für Studierende nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz.

 

  • Die Baufinanz finanziert verschiedene laufende Programme des staatlichen Hochbaus und abgeschlossene Programme des Landesstraßenbaus.

Die verlagerten Verpflichtungen sind im Vorheft des Staatshaushaltsplans und in der Landeshaushaltsrechnung jeweils ausgewiesen. Der Stand der Kapitalsummen ergibt sich aus Tabelle 2.

Beitrag 3 Tab. 2

Die verlagerten Verpflichtungen sind zum 31.12.2014 gegenüber dem Vorjahr insgesamt um 88,5 Mio. Euro gesunken.

1.2 Entwicklung der Nettokreditaufnahme 2005 bis 2014

Die Nettokreditaufnahme des Landes stellt den Saldo aus der Bruttokreditaufnahme und der Bruttotilgung von Schulden am Kreditmarkt dar. Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der Neuverschuldung von 2005 bis 2014.

Beitrag 3 Abb. 1

2014 hat Baden-Württemberg trotz hoher Überschüsse 1,23 Mrd. Euro neue Schulden aufgenommen. Im Haushaltsplan 2015/2016 sind 2015 neue Schulden von 0,77 Mrd. Euro vorgesehen. Der Finanzplan 2014 bis 2020 (Stand Januar 2015) weist in den Folgejahren bis einschließlich 2019 weitere Kreditaufnahmen von insgesamt 0,74 Mrd. Euro aus. Der Schuldenstand des Landes würde sich dadurch auf fast 48 Mrd. Euro erhöhen. Es bleibt letztlich dem Gesetzgeber vorbehalten, die Höhe der Nettokreditaufnahme im Rahmen der Haushaltsberatungen festzulegen.

1.3 Kreditfinanzierungsquote 2005 bis 2014

Die Kreditfinanzierungsquote stellt das Verhältnis der Nettokreditaufnahme zu den bereinigten Gesamtausgaben innerhalb eines Haushaltsjahres dar. Abbildung 2 zeigt den Verlauf der Kreditfinanzierungsquote der letzten zehn Jahre auf.

Beitrag 3 Abb. 2

Im Zehnjahreszeitraum wurde in vier Jahren die Nullverschuldung erreicht. In den übrigen Jahren lag die Kreditfinanzierungsquote zwischen 2,9 und 5,3 Prozent.

2014 betrug die Kreditfinanzierungsquote 2,9 Prozent. Obwohl die Nettokreditaufnahme gegenüber 2007 um rund 231 Mio. Euro höher war, lag die Kreditfinanzierungsquote - aufgrund des gesteigerten Ausgabenvolumens - 2014 unter dem Wert von 2007.

Nach dem Staatshaushaltplan 2015/2016 in der Fassung des Nachtrags beträgt die Kreditfinanzierungsquote 2015 im Soll 1,8 Prozent. Für 2016 ist wieder eine Nullverschuldung vorgesehen.

1.4 Zulässige Kreditaufnahme

1.4.1 Rechtliche Rahmenbedingungen

Nach Artikel 109 Grundgesetz sind die Haushalte der Länder ab 2020 grundsätzlich ohne Kredite auszugleichen. Zum 01.01.2013 ist eine Neuregelung von § 18 Landeshaushaltsordnung in Kraft getreten. Sie dient der Umsetzung des Regelungsgehalts der grundgesetzlichen Schuldenbremse in Landesrecht. Für die Zeit bis einschließlich 2019 normiert § 18 Landeshaushaltsordnung den schrittweisen Abbau der Neuverschuldung des Landes.

Ausgangswert ist der im Mittelfristigen Finanzplan 2011 bis 2015 ausgewiesene haushaltswirtschaftliche Handlungsbedarf des Jahres 2013 von 2.530,0 Mio. Euro. Die Verordnung des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft (VO) zu § 18 Landeshaushaltsordnung vom 23.09.2013 konkretisiert die Berechnungsweise zur zulässigen Kreditaufnahme. Danach verringern sich die Basiswerte der jeweils zulässigen Kreditaufnahme in gleichmäßigen Jahresschritten auf zuletzt 316,3 Mio. Euro 2019.

Die für die einzelnen Jahre angegebenen Werte der zulässigen Nettokreditaufnahme werden modifiziert durch die Entwicklung der Netto-Steuereinnahmen des Landes und den Saldo der finanziellen Transaktionen. Im Ergebnis mindern überdurchschnittliche Netto-Steuereinnahmen und ein positiver Saldo der finanziellen Transaktionen die Möglichkeit der Neuverschuldung. Unterdurchschnittliche Netto-Steuereinnahmen und ein negativer Saldo der finanziellen Transaktionen erhöhen diese. Ab 2020 gilt dann das Neuverschuldungsverbot des Grundgesetzes. Das Grundgesetz ermöglicht hierbei eine symmetrische Konjunkturkomponente. Baden-Württemberg hat noch keine entsprechende Regelung getroffen.

Bis einschließlich 2019 erfolgt die Berechnung zur zulässigen Kreditaufnahme für das jeweilige Haushaltsjahr sowohl bei der Haushaltsplanaufstellung (Ex-ante-Betrachtung) als auch nach Abschluss des Haushaltsjahres (Ex-post-Betrachtung). Die Differenz aus der zulässigen Kreditaufnahme nach der Ex-post-Betrachtung und der tatsächlich getätigten Nettokreditaufnahme wird auf ein jährlich abzuschließendes Kontrollkonto gebucht. Bei einem negativen Stand des Kontrollkontos ist auf dessen Ausgleich hinzuwirken.

1.4.2 Zulässige Kreditaufnahme im Haushaltsjahr 2014

Die erste Ex-ante-Betrachtung zur zulässigen Kreditaufnahme nach der VO zu § 18 Landeshaushaltsordnung nahm die Landesregierung bei der Aufstellung des 2. Nachtrags zum Staatshaushaltsplan 2014 vor. Nach der Gesetzesbegründung ging die Landesregierung noch davon aus, dass mit den veranschlagten Nettokrediten von 1.228,2 Mio. Euro die zulässige Kreditaufnahme um 551,4 Mio. Euro unterschritten würde.

Die gegenüber der Planung deutlich höheren Ist-Steuereinnahmen 2014 senkten in der Ex-post-Betrachtung die zulässige Kreditaufnahme um 747,7 Mio. Euro auf 1.031,9 Mio. Euro ab. Im Haushaltsvollzug wurde die Nettokreditaufnahme im vollen Umfang der Haushaltsermächtigung von 1.228,2 Mio. Euro in Anspruch genommen. Dadurch kam es 2014 in einer allerdings noch vorläufigen Ex-post-Betrachtung zu einer Überschreitung der zulässigen Kreditaufnahme nach der VO zu § 18 Landeshaushaltsordnung.

Beitrag 3 Tab. 3

Der vorläufige Wert des auf das Kontrollkonto zu buchenden Betrages beläuft sich auf -196,3 Mio. Euro. Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft weist darauf hin, dass der endgültige Stand des Kontrollkontos 2014 noch von der Höhe des nach 2015 zu übertragenden Einnahmerests bei der Kreditaufnahme abhängt.

1.4.3 Entwicklung der zulässigen Kreditaufnahme 2013 bis 2016

2013 wurde die zulässige Kreditaufnahme um 494,4 Mio. Euro unterschritten und ein entsprechender positiver Saldo auf das Kontrollkonto gebucht. 2014 wurde die zulässige Kreditaufnahme im Haushaltsvollzug nach vorläufigen Werten um 196,3 Mio. Euro überschritten (Ex-post-Betrachtung).

Zum Jahresende 2013 wies der Saldo des Kontrollkontos einen Wert von 494,4 Mio. Euro auf. Ende 2014 verringert sich der Wert nach vorläufigen Beträgen um 196,3 Mio. Euro auf 298,1 Mio. Euro. In der Begründung des Regierungsentwurfs zum Staatshaushaltsgesetz 2015/2016 findet sich keine Berechnung zur zulässigen Kreditaufnahme für 2015 und 2016. Die Planwerte des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft liegen dem Rechnungshof jedoch vor. Daraus ergibt sich die in Tabelle 4 dargestellte Entwicklung der zulässigen Kreditaufnahme.

Beitrag 3 Tab. 4

Nach den Planungsdaten des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft zum Staatshaushaltsplan 2015/2016 wird die zulässige Kreditaufnahme nach der VO zu § 18 Landeshaushaltsordnung nicht überschritten.

Es bleibt abzuwarten, wie sich das Kontrollkonto im Haushaltsvollzug 2015 und 2016 entwickelt.

1.5 Kreditmarktschulden und Zinsen

Die Kreditmarktschulden des Landes sind in den vergangenen zehn Jahren um 17,2 Prozent auf 46,3 Mrd. Euro gestiegen. Abbildung 3 zeigt die Entwicklung der Kreditmarktschulden auf.

Beitrag 3 Abb. 3

Abbildung 4 zeigt die Entwicklung des Zinsaufwandes in den vergangenen zehn Jahren. Seit 2009 werden die Zinserträge mit dem Zinsaufwand saldiert.

Beitrag 3 Abb. 4

Die Kreditmarktschulden sind in den vergangenen zehn Jahren um 6,8 Mrd. Euro gestiegen. Dennoch lag die Zinsbelastung 2014 wegen des gesunkenen Zinsniveaus um 377 Mio. Euro niedriger als 2005.

Die Einhaltung der Haushaltsdisziplin von Bund und Ländern wird durch den Stabilitätsrat überwacht. Die jährlichen Stabilitätsberichte des Bundes und der Länder dienen dem Stabilitätsrat dazu, frühzeitig Hinweise auf eine drohende Haushaltsnotlage zu erhalten. Entsprechende Hinweise ziehen eine umfassende Prüfung des betroffenen Haushalts nach sich. Führt diese zum Ergebnis, dass eine Haushaltsnotlage droht, wird mit der betroffenen Gebietskörperschaft ein Sanierungsprogramm vereinbart.

Als Messgrößen für Hinweise auf eine drohende Haushaltsnotlage werden die Kennzahlen Struktureller Finanzierungssaldo je Einwohner, Kreditfinanzierungsquote, Schuldenstand je Einwohner und Zins-Steuer-Quote herangezogen. Bleibt ein Land in bestimmtem Umfang unterhalb bestimmter Schwellenwerte, ist nicht von einer drohenden Haushaltsnotlage auszugehen.

Die Zins-Steuer-Quote drückt das Verhältnis der Zinsausgaben für Kreditmarktschulden zu den Steuereinnahmen aus. Die Quote zeigt, in welchem Umfang die Steuereinnahmen nicht mehr zur Finanzierung von anderen Ausgaben des Landes zur Verfügung stehen.

Der Schwellenwert des Stabilitätsrats für die Zins-Steuer-Quote lag 2012 bei 11,4 Prozent, 2013 bei 10,4 Prozent und 2014 bei 10,6 Prozent. Die Zins-Steuer-Quote von Baden-Württemberg lag 2012 mit 5,9 Prozent und 2013 mit 6,0 Prozent deutlich unter den Schwellenwerten. Für 2014 betrug der Wert nach dem Stabilitätsbericht 2014 des Landes Baden-Württemberg 5,9 Prozent und war damit wiederum deutlich vom Schwellenwert entfernt. Auch die übrigen Kennzahlen liegen in Baden-Württemberg weit unterhalb der Schwellenwerte des Stabilitätsrats.

1.6 Pro-Kopf-Verschuldung

Die Verschuldung des Landes am Kreditmarkt belief sich zum 31.12.2014 auf 46,3 Mrd. Euro. Das Bundesministerium der Finanzen weist quartalsweise die Schuldenstände des Bundes und der Länder aus. Weiter errechnet es die Schulden je Einwohner. Seit 2011 hat es hierbei die Schulden gegenüber den Sondervermögen des Bundes nicht berücksichtigt. Dadurch ergibt sich für Baden-Württemberg eine Pro-Kopf-Verschuldung von 4.286 Euro im Jahr 2014. In Abbildung 5 wird die Pro-Kopf-Verschuldung der Flächenländer zum 31.12.2014 dargestellt.

Beitrag 3 Abb. 5

Baden-Württemberg lag am 31.12.2014 auf dem drittbesten Platz aller Flächenländer.

Allerdings handelt es sich bei dieser Aufstellung um einen reinen Stichtagswert auf Basis der zum 31.12. tatsächlich valutierten Schulden. In Baden-Württemberg sind die für das Haushaltsjahr 2014 benötigten Schulden bereits im genannten Wert berücksichtigt. In anderen Ländern werden die auf das Haushaltsjahr 2014 bezogenen Nettokredite teilweise erst im Haushaltsjahr 2015 aufgenommen, sodass sich für diese Länder die Pro-Kopf-Verschuldung noch erhöhen kann.

1.7 Nettokreditaufnahme je Einwohner 2013

Die Nettokreditaufnahme kann erst auf Basis der endgültigen Rechnungsabschlüsse beurteilt werden. Die endgültigen Rechnungsabschlüsse der Länder 2014 liegen noch nicht vor. 2013 lag die Nettokreditaufnahme Baden-Württembergs bei 1,78 Mrd. Euro. Dies entspricht einer Neuverschuldung von 167,15 Euro je Einwohner. In den Haushaltsjahren 2011 und 2012 kam das Land ohne Nettoneuverschuldung aus.

Während sieben der 13 Flächenländer nach dem Rechnungsabschluss 2013 Schulden getilgt haben, hat Baden-Württemberg neue Schulden aufgenommen. Tabelle 5 weist die Nettokreditaufnahme der Flächenländer aus.

Beitrag 3 Tab. 5

Nur drei der 13 Flächenländer nahmen nach dem Rechnungsabschluss 2013 pro Kopf mehr Schulden auf als Baden-Württemberg.

2 Rücklagen, Sondervermögen und Überschüsse

Dem Schuldenstand des Landes steht auch Geldvermögen gegenüber. Die Rücklagen, Sondervermögen und Überschüsse haben sich 2014 im Vergleich zum Vorjahr wie in Tabelle 6 dargestellt entwickelt.

Beitrag 3 Tab. 6

Ende 2013 betrugen die Rücklagen für Sanierungs- und Erhaltungsmaßnahmen des Landes 140,8 Mio. Euro. Im Haushaltsjahr 2014 wurde dieser Betrag entnommen. Damit standen zum Jahresende 2014 keine Rücklagen mehr zur Verfügung.

Der Bestand der Sondervermögen nahm 2014 um 626,6 Mio. Euro zu. Der Reduzierung des Sondervermögens Baden-Württemberg 21 um 72,6 Mio. Euro stand die Erhöhung der Versorgungsrücklage und des Versorgungsfonds um 695,9 Mio. Euro gegenüber. Der Allgemeine Grundstock ist um 4,1 Mio. Euro angewachsen. Daneben gab es kleinere Veränderungen beim Forstgrundstock, dem Studienfonds und dem Informations- und Kommunikationspool.

Das Haushaltsjahr 2014 schloss mit einem kassenmäßigen Überschuss von 2.203,5 Mio. Euro ab. Insgesamt betrugen die kassenmäßigen Überschüsse aus 2014 und den Vorjahren 5.162,5 Mio. Euro.

Wie viel Deckungsmittel aus den Überschüssen der Vorjahre in künftigen Haushaltsjahren zur Verfügung stehen, hängt allerdings allein vom rechnungsmäßigen Ergebnis der Haushaltsrechnung ab. Aus den rechnungsmäßigen Überschüssen bis einschließlich 31.12.2013 abzüglich der im 2. Nachtrag zum Staatshaushaltsplan 2014 veranschlagten (228,5 Mio. Euro) bzw. zusätzlich gebuchten (30,8 Mio. Euro „Mehrausgaben Flüchtlinge") anteiligen Überschüsse stand noch ein Überschuss von 2.299,3 Mio. Euro zur Verfügung.

Im Staatshaushaltsplan 2015/2016 (Urhaushalt) sind 3.285,1 Mio. Euro aus rechnungsmäßigen Überschüssen als Einnahme veranschlagt. Dieser Betrag soll wie folgt gedeckt werden:

  • 2.299,3 Mio. Euro aus den rechnungsmäßigen Überschüssen 2012 und 2013;

 

  • 1.055,0 Mio. Euro aus dem erwarteten rechnungsmäßigen Überschuss des Jahres 2014.

Die genaue Höhe des rechnungsmäßigen Gesamtergebnisses 2014 wird erst nach der Entscheidung über die Inabgangstellung der Haushaltsreste aus 2014 feststehen. Inzwischen wurden mit dem Nachtrag zum Haushalt 2015/2016 weitere rund 400 Mio. Euro des voraussichtlichen rechnungsmäßigen Überschusses des Jahres 2014 in den Haushalt eingestellt. Damit steht für künftige Haushalte nur der Betrag als Deckungsmittel zur Verfügung, der die bereits veranschlagten rund 1.455 Mio. Euro übersteigt.

3 Haushaltsrisiken durch Bürgschaften, Garantien und Gewährleistungen

Tabelle 7 zeigt den Stand und die Entwicklung der vom Land aufgrund der Ermächtigung im jeweiligen Staatshaushaltsgesetz übernommenen Gewährleistungen.

Beitrag 3 Tab. 7

Das Land hatte in der Vergangenheit seine Bürgschafts- und Garantieverpflichtungen u. a. für die LBBW und im Zuge des Rückerwerbs der EnBW-Anteile erheblich ausgeweitet. Von 2011 bis 2013 lag die Summe der Gewährleistungsverpflichtungen zwischen 24,2 Mrd. Euro und 24,7 Mrd. Euro. Zum 31.12.2014 sanken diese auf 17,1 Mrd. Euro. Der Rückgang ist im Wesentlichen auf die reduzierten Garantieverpflichtungen gegenüber öffentlichen Unternehmen zurückzuführen. Dabei handelt es sich insbesondere um den Verkauf des Verbriefungsportfolios und die Bestandsreduzierung der Kreditersatzgeschäfte bei der LBBW. Dennoch liegen die Gewährleistungsverpflichtungen immer noch um 6,2 Mrd. Euro über dem Volumen von 2008 (10,9 Mrd. Euro).

Über diese Bürgschaften hinaus haftet das Land als Gewährträger für die Verbindlichkeiten der LBBW, der L-Bank, der Universitätsklinika sowie der Zentren für Psychiatrie und weiterer Anstalten des öffentlichen Rechts. Die Höhe dieser Eventualverbindlichkeiten kann ihrem Wesen nach betragsmäßig nicht beziffert werden. Das Land haftet grundsätzlich unbeschränkt. Es kann jedoch erst in Anspruch genommen werden, wenn die Gläubiger aus dem Vermögen dieser Einrichtungen nicht befriedigt werden können.

4 Empfehlungen

4.1 Nettokreditaufnahme vermeiden oder reduzieren

Falls sich die Steuereinnahmen 2015 gegenüber den Ansätzen im Staatshaushaltsplan 2015/2016 wiederum deutlich günstiger entwickeln, sollte die veranschlagte Nettokreditaufnahme von 768 Mio. Euro nicht ausgeschöpft werden.

Des Weiteren sollte über die Planungen der Landesregierung hinaus alles unternommen werden, um eine Nettokreditaufnahme 2017 und 2018 zu vermeiden.

Jedenfalls aber sollte im Zeitraum bis 2019 vermieden werden, dass die Nettokreditaufnahme über der zulässigen Kreditaufnahme gemäß § 1 Absatz 4 VO zu § 18 Landeshaushaltsordnung nach der Ex-post-Betrachtung liegt.

4.2 Berechnung der zulässigen Kreditaufnahme in Gesetzesbegründung darstellen

Die Berechnung zur zulässigen Kreditaufnahme gemäß § 1 Absatz 4 VO zu § 18 Landeshaushaltsordnung ist eine notwendige Basisinformation für den Haushaltsgesetzgeber. Sie ist jeweils in der Gesetzesbegründung zum Staatshaushaltsgesetz und den Nachtragshaushaltsgesetzen darzustellen.

Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft hat eine entsprechende Verfahrensweise bereits zugesichert.


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Um die im Grundgesetz vorgeschriebene Nettonullverschuldung ab 2020 zu erreichen, muss bis dahin ein Konsolidierungsbeitrag von 1,5 Mrd. Euro realisiert werden. Der bisherige Konsolidierungserfolg ist neben individuellen Kürzungen bei den Personalausgaben und im kommunalen Finanzausgleich in erster Linie auf finanzwirtschaftliche Effekte zurückzuführen. Die Landesregierung sollte auf neue strukturelle Mehrausgaben, die nicht dauerhaft gegenfinanziert sind, verzichten und den Haushalt aktiv konsolidieren.


1 Ausgangslage

Nach Artikel 109 Grundgesetz sind die Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Artikel 143d Grundgesetz normiert, dass die Länder bis 31.12.2019 landesrechtlich Ausnahmen zulassen können. Ab dem Haushaltsjahr 2020 ist die sogenannte Schuldenbremse für die Länder zwingend einzuhalten. Strukturelle Defizite müssen 2020 abgebaut sein.

Baden-Württemberg hat die Ausnahmeregelung des Artikel 143d Grundgesetz mit der Neufassung des § 18 Landeshaushaltsordnung zeitlich voll ausgeschöpft. Für die Zeit bis einschließlich 2019 normiert § 18 Landeshaushaltsordnung den schrittweisen Abbau der Neuverschuldung. In der Verordnung (VO) des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft zu § 18 Landeshaushaltsordnung wird konkretisiert, wie die Vorgaben nach § 18 Landeshaushaltsordnung umgesetzt werden sollen. Ausgangswert für den Abbau der Nettokreditaufnahme (NKA) ist der nach dem Mittelfristigen Finanzplan 2011 bis 2015 bestehende haushaltswirtschaftliche Handlungsbedarf des Jahres 2013 von 2,53 Mrd. Euro. Davon ausgehend wurde eine 2013 beginnende jährliche Reduzierung des Basiswerts zur Berechnung der jeweils höchstzulässigen NKA festgelegt.

Nach § 18 Absatz 10 Landeshaushaltsordnung muss die Landesregierung dem Landtag einen jährlich fortzuschreibenden Finanzplan vorlegen. Die Landesregierung hat dem Landtag bislang drei Finanzpläne vorgelegt:

  • Finanzplan des Landes Baden-Württemberg gemäß § 18 Absatz 10 Landeshaushaltsordnung für die Jahre 2013 bis 2020 Stand: Juni 2013 (Finanzplan 2013),

 

  • Finanzplan des Landes Baden-Württemberg gemäß § 18 Absatz 10 Landeshaushaltsordnung für die Jahre 2013 bis 2020 Stand: Januar 2014 (Finanzplan 2014),

 

  • Finanzplan des Landes Baden-Württemberg gemäß § 18 Absatz 10 Landeshaushaltsordnung für die Jahre 2014 bis 2020 Stand: Januar 2015 (Finanzplan 2015).

Der Finanzplan basiert jeweils auf dem fünf Jahre umfassenden Mittelfristigen Finanzplan des Landes nach § 31 Landeshaushaltsordnung, erweitert um eine Projektion der Einnahmen und Ausgaben bis 2020.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Vergleich der Finanzpläne

2.1.1 Haushaltswirtschaftlicher Handlungsbedarf

Die Finanzpläne enthalten die in den einzelnen Haushaltsjahren erwarteten bzw. prognostizierten Einnahmen (ohne NKA) und stellen sie den erwarteten bzw. prognostizierten Ausgaben gegenüber. Aus der Differenz ergibt sich ein Saldo, der den vorläufigen haushaltswirtschaftlichen Handlungsbedarf ohne NKA darstellt. Tabelle 1 stellt die drei Finanzpläne gegenüber.

Beitrag 4 Tab. 1

Alle drei Finanzpläne gehen von deutlichen Einnahmesteigerungen bis 2020 aus. Im Finanzplan 2015 erwartet die Landesregierung, dass die Einnahmen (ohne NKA) zwischen 2014 und 2020 um 7,1 Mrd. Euro (+17,6 Prozent) ansteigen werden.

Die Landesregierung geht im Vergleichszeitraum auch von einer deutlichen Ausgabensteigerung aus. Nach dem Finanzplan 2015 sollen die Ausgaben um 7,5 Mrd. Euro (+17,9 Prozent) steigen.

Im Finanzplan 2015 ergibt sich mit Ausnahme des Jahres 2016 in allen Jahren zwischen Einnahmen (ohne NKA) und Ausgaben stets ein negativer Saldo (Defizit). Die Landesregierung hat das erwartete Defizit im Finanzplan 2015 gegenüber dem Finanzplan 2013 in allen Jahren deutlich reduziert. Für das laufende Haushaltsjahr 2015 konnte das erwartete Defizit um 1,3 Mrd. Euro auf 768 Mio. Euro gesenkt werden. Während sich 2015 die Einnahmen (ohne NKA) nach dem Finanzplan 2015 gegenüber der ursprünglichen Planung deutlich steigerten, wurden die Ausgaben weniger stark angepasst.

Für 2016 geht die Landesregierung im Finanzplan 2015 von einem ausgeglichenen Haushalt aus. Gegenüber der ursprünglichen Planung aus 2013 wird das Defizit um fast 2,0 Mrd. Euro verringert. Dies ist auf eine verbesserte Einnahmensituation, insbesondere auf Überschüsse aus den Vorjahren, bei nahezu gleich bleibenden Ausgaben zurückzuführen.

Auch gegenüber dem Finanzplan 2014 hat sich im Finanzplan 2015 das jährliche Defizit verringert, allerdings mit Ausnahme des Jahres 2020. Dort liegt vielmehr eine Erhöhung des Defizits um fast 100 Mio. Euro auf nunmehr 1.572 Mio. Euro vor.

2.1.2 Abbaupfad gemäß Finanzplan

Zum Ausgleich des in Punkt 2.1.1 dargestellten Defizits kann nach der Landeshaushaltsordnung bis 2019 eine NKA erfolgen.

Die Landesregierung erwartet ab 2020 Mehreinnahmen aufgrund Steuerrechtsänderungen auf Bundesebene bzw. Mehreinnahmen aufgrund veränderter Finanzbeziehungen zwischen den Ländern und dem Bund. Des Weiteren ist für 2020 eine Nettotilgung von 300 Mio. Euro vorgesehen.

Unter Berücksichtigung dieser Faktoren ergibt sich der sogenannte Abbaupfad. Tabelle 2 zeigt die Entwicklung der bisherigen drei Finanzpläne, insbesondere den 2020 noch bestehenden Abbaupfad.

Beitrag 4 Tab. 2

Die Landesregierung sieht im Finanzplan 2015 vor, zum Ausgleich des Defizits auch 2015, 2017 und 2018 neue Kredite aufzunehmen. Während der Finanzplan 2013 für den Zeitraum von 2014 bis 2019 noch von einer NKA von 4,6 Mrd. Euro ausging, wurde im Finanzplan 2014 die NKA auf 4,3 Mrd. Euro gesenkt.

Im Finanzplan 2015 rechnet die Landesregierung zwischen 2014 und 2019 nur noch mit einer NKA von 2,7 Mrd. Euro. Demnach hat sie die vorgesehene NKA gegenüber dem ersten Finanzplan um 1,9 Mrd. Euro gesenkt. 2016 und 2019 sollen keine neuen Kredite aufgenommen werden, 2020 sollen sogar 300 Mio. Euro getilgt werden.

Die Finanzpläne beinhalten Mehreinnahmen aufgrund von Steuerrechtsänderungen bzw. veränderter Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern. In den beiden Finanzplänen 2013 und 2014 waren ab 2015 jährlich 400 Mio. Euro Mehreinnahmen vorgesehen. Der Finanzplan 2015 berücksichtigt solche Mehreinnahmen von 400 Mio. Euro nunmehr erst ab 2020. Ob und in welcher Höhe tatsächlich Mehreinnahmen aufgrund von Steuerrechtsänderungen oder geänderter Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern 2020 generiert werden können, bleibt abzuwarten.

Im Finanzplan 2013 wurden 1,4 Mrd. Euro im Abbaupfad für 2020 ausgewiesen. Im Finanzplan 2014 verringerte sich der Abbaupfad auf 1,1 Mrd. Euro. Aufgrund nicht umgesetzter Einsparmaßnahmen und erhöhter Ausgaben, insbesondere im Flüchtlingsbereich, verschlechtert sich der Abbaupfad für 2020 im Finanzplan 2015 auf 1,5 Mrd. Euro. Selbst wenn man die 2020 erstmals geplante Nettotilgung von 0,3 Mrd. Euro berücksichtigt, erhöht sich der Abbaupfad nach dem Finanzplan 2015 gegenüber dem Finanzplan 2014 von 1,1 auf 1,2 Mrd. Euro.

Grundlage des Finanzplans 2015 waren die Planungen zum Staatshaushaltsplan 2015/2016. Die Chance, das Defizit und den Abbaupfad für 2020 zu verringern, wurde bei der Aufstellung des Staatshaushaltsplans 2015/2016 nicht genutzt. Sollten die geplanten Mehreinnahmen von 400 Mio. Euro 2020 nicht realisiert werden können, erhöht sich der im Abbaupfad ausgewiesene Konsolidierungsbedarf weiter.

Das Zeitfenster bis zum Inkrafttreten der Schuldenbremse wird kleiner. Die Anstrengungen zur Haushaltskonsolidierung müssen verstärkt werden.

2.2 Bisherige Konsolidierungsmaßnahmen

Bis 2020 muss die Neuverschuldung stufenweise bis auf Null reduziert und gleichzeitig der Abbaupfad durch strukturell wirkende Maßnahmen vollständig abgebaut werden.

Die Landesregierung hat seit 2012 verschiedene Konsolidierungsmaßnahmen zum Abbau des strukturellen Defizits beschlossen. Sie hat die finanziellen Gesamtauswirkungen der Konsolidierungsmaßnahmen und die darin enthaltenen wesentlichen Einzelmaßnahmen im November 2014 dargestellt . Die Landesregierung erwartet von diesen Maßnahmen in den Folgejahren die in Tabelle 3 dargestellten finanziellen Auswirkungen. Der Rechnungshof hat die Maßnahmen in die Bereiche Personalausgaben, Kürzung der Zuweisungen an die Kommunen, finanzwirtschaftliche Effekte und sonstige Maßnahmen gegliedert.

Beitrag 4 Tab. 3

Die fortwirkenden Konsolidierungsmaßnahmen erreichen 2020 ein Finanzvolumen von 1.658,6 Mio. Euro:

  • Personalausgaben

Bei den Personalausgaben steigen die Konsolidierungsbeträge von 357,5 Mio. Euro (2015) auf 441,7 Mio. Euro (2020) an. Sie machen damit 2020 etwa ein Viertel des erwarteten Konsolidierungserfolgs aus.

Die Landesregierung hat im Personalbereich bereits folgende Maßnahmen umgesetzt:

  • Streichung der vermögenswirksamen Leistungen für einen Teil der Beamten.

 

  • Befristete Absenkung der Eingangsbesoldung bei verschiedenen Beamtengruppen.

 

  • Diverse Kürzungen bei der Gewährung von Beihilfe.

Die Konsolidierungsmaßnahmen betreffen individuelle Leistungskürzungen bei den Beamten. Neue Stelleneinsparprogramme - außer zum Ausgleich der Stellenzugänge bei der Regierungsneubildung - wurden nicht beschlossen.

  • Kürzung der Zuweisungen an die Kommunen

Der Finanzplan 2015 sieht in sämtlichen Jahren bis 2020 eine Kürzung der Zuweisungen an die Kommunen im kommunalen Finanzausgleich von 300 Mio. Euro vor. Die entsprechende Vereinbarung mit den kommunalen Landesverbänden und die gesetzliche Regelung sind bis Ende 2016 befristet. Ab 2017 wurde der Wert rechnerisch weitergeführt. Die tatsächliche Entwicklung ab 2017 bleibt abzuwarten.

  • Finanzwirtschaftliche Effekte

Der Konsolidierungserfolg wird 2020 zu 36 Prozent durch finanzwirtschaftliche Effekte erzielt:

  • Zinsminderausgaben: Aufgrund eines geänderten Risikomanagements und des weiterhin niedrigen Zinsniveaus am Kapitalmarkt erwartet das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft einen Konsolidierungsbeitrag zwischen 234 Mio. Euro (2015) und 185 Mio. Euro (ab 2016).

 

  • Nettosteuereinnahmen: Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft geht davon aus, dass durch Steuermehreinnahmen 2015 109 Mio. Euro und 2016 265 Mio. Euro konsolidiert werden können. Von 2017 bis 2020 wird ein Konsolidierungsbeitrag von 272 Mio. Euro jährlich erwartet.

 

  • Landesbeteiligungen: Die Landesregierung erwartet von der Ausschüttung der LBBW an das Land, einem verringerten Zuschuss an die Landesbeteiligungen BW GmbH und von sonstigen Mehreinnahmen zwischen 2015 und 2020 Konsolidierungsbeiträge von rund 146 Mio. Euro (2015), rund 177 Mio. Euro (2016) und jährlich rund 134 Mio. Euro zwischen 2017 und 2020.

 

  • Sonstige Maßnahmen

2020 machen die sonstigen Maßnahmen 20 Prozent des Konsolidierungsbetrags aus. Darin enthalten sind Sparmaßnahmen wie die Abschaffung des Landeserziehungsgeldes oder die Konkretisierung Globaler Minderausgaben.

Beitrag 4 Abb. 1

Die finanzwirtschaftlichen Effekte sollen 2020 mit 36 Prozent wesentlich zum Konsolidierungserfolg beitragen. Diese Effekte sind insoweit problematisch, als die Landesregierung die Nachhaltigkeit der finanziellen Auswirkungen nur bedingt beeinflussen kann. So können die Steuereinnahmen in den Folgejahren weniger stark wachsen und das historisch niedrige Zinsniveau wieder ansteigen. Es handelt sich um eine passive Haushaltskonsolidierung.

Die aktive Haushaltskonsolidierung gliedert sich 2020 zu 27 Prozent in individuelle Leistungskürzungen im Beamtenbereich, zu 18 Prozent in Kürzungen der Zuweisungen an die Kommunen und zu 20 Prozent in sonstige Maßnahmen.

Individuelle Leistungskürzungen bei den Beamten lassen sich wegen verfassungsrechtlicher Grenzen und sinkender Attraktivität des öffentlichen Dienstes nicht beliebig steigern.

Die Landesregierung hat bei der Aufstellung des Haushalts 2015/2016 Orientierungspläne beschlossen, die Einsparvorgaben für die Ressorts enthielten. Die Konsolidierungsvorgaben betrugen 393 Mio. Euro für 2015 und 568 Mio. Euro für 2016. Die Einsparvorgaben wurden nach Mitteilung der Landesregierung zu 98 Prozent erreicht. Die Konsolidierungsmaßnahmen sind grundsätzlich strukturell angelegt. Sie sollen 2020 eine Folgewirkung von 578 Mio. Euro entfalten. Von dieser Folgewirkung entfallen 404 Mio. Euro auf den Einzelplan 12 (Allgemeine Finanzverwaltung). Dies ist ein Anteil von 70 Prozent. Es handelt sich auch hier in weiten Teilen um finanzwirtschaftliche Effekte, auf deren Nachhaltigkeit die Landesregierung nur bedingt Einfluss hat.

Die Landesregierung führt aus, im Finanzplan 2015 habe das neue Verfahren mit den Orientierungsplänen seine Nagelprobe bestanden. Eine deutliche Reduzierung der NKA sei auf dieses neue System der Budgetverantwortung der Ressorts zurückzuführen. Orientierungspläne würden mit dem Finanzplan 2015 nicht erstellt. Dies würde jeweils mit aktuellen Werten vor der nächsten Haushaltsaufstellung erfolgen.

Die bisherigen Konsolidierungserfolge sind zu einem erheblichen Teil auf finanzwirtschaftliche Effekte zurückzuführen. Auch das Instrument der Orientierungspläne hat bislang noch nicht dazu geführt, die notwendigen Konsolidierungserfolge in den Ressorts - vor allem durch Personalabbau - zu erzielen. Eine aktive Haushaltskonsolidierung findet noch nicht in ausreichendem Umfang statt.

2.3 Aufgabe bisher vorgesehener Konsolidierungsmaßnahmen und neue strukturelle Mehrbelastungen

In den Finanzplänen 2013 und 2014 waren in erheblichem Umfang Konsolidierungsmaßnahmen durch Stellenabbau eingeplant. Der Rechnungshof hatte in der Denkschrift 2014 darauf hingewiesen, dass dieser Stellenabbau auch tatsächlich realisiert werden muss. Der Abbau von über 11.000 kw-Stellen hätte einen Konsolidierungsbeitrag von über 500 Mio. Euro erbracht.

Die Landesregierung hat inzwischen den Umfang des bisher geplanten Stellenabbaus stark reduziert. In Ressorts mit großen Personalkörpern wird sogar zusätzliches Personal gefordert:

  • Im Lehrerbereich sollten ab 2013 ursprünglich 11.602 Stellen abgebaut werden. Der Abbaupfad für Lehrerstellen wurde mittlerweile angepasst. Gründe dafür waren insbesondere der gegenüber der ursprünglichen Prognose geringer ausfallende Schülerrückgang und verschiedene Maßnahmen des „Bildungsaufbruchs“ wie Gemeinschaftsschulen, Ganztagsgrundschulen und Inklusion. Über den Lehrerbedarf soll ab 2017 im Zuge der Aufstellung der jeweiligen Staatshaushaltspläne entschieden werden.

Im Nachtrag zum Staatshaushaltsplan 2015/2016 sind im Einzelplan des Kultusministeriums insgesamt 1.478 zusätzliche Stellen ausgebracht. Die kw-Vermerke werden um 770 erhöht. Die zusätzlichen Stellen werden insbesondere für die Inklusion, die Stärkung der Realschulen und die Sprachförderung für Flüchtlinge bereitgestellt. Die dafür in den beiden Haushaltsjahren erforderlichen Mittel werden im Wesentlichen aus der Reduzierung der Rücklage für Haushaltsrisiken und Überschüssen aus 2014 finanziert. Ab 2017 wirken sie jedoch strukturell ausgabensteigernd fort und erhöhen den Konsolidierungsbedarf, soweit die zusätzlichen Stellen nicht wieder wegfallen.

Im Lehrerbereich steht zu befürchten, dass ein wesentlicher Eckpunkt der Haushaltskonsolidierung nicht umgesetzt wird und im Gegenteil strukturelle Mehrausgaben anfallen werden.

  • Im Einzelplan des Innenministeriums waren 2016 1.429 kw-Stellen etatisiert. Im Polizeibereich wurden über 800 Stellen mit kw-Vermerk für eine Einstellungsoffensive und wegen des doppelten Abiturjahrgangs geschaffen. Diese Stellen sollten später wieder wegfallen.

Die Landesregierung hat inzwischen beschlossen, dass 226 dieser Stellen erhalten bleiben und die kw-Vermerke gestrichen werden. Zudem sollen zusätzliche Polizisten ausgebildet werden.

Im Nachtrag zum Staatshaushaltsplan 2015/2016 hat die Landesregierung mit dem Sonderprogramm zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus 131 zusätzliche Stellen bei Polizei, Verfassungsschutz und Justiz geschaffen. Auch diese Stellen sind nur für die Haushaltsjahre 2015 und 2016 einmalig aus der Reduzierung der Rücklage für Haushaltsrisiken und Überschüssen aus 2014 finanziert. Ab 2017 erhöhen sie den Konsolidierungsbedarf.

  • Beim Wissenschaftsministerium sind im Staatshaushaltsplan 2015/2016 unter Berücksichtigung des Nachtrags für 2016 insgesamt 2.761,5 kw-Stellen ausgebracht. Mit dem am 09.01.2015 abgeschlossenen Hochschulfinanzierungsvertrag „Perspektive 2020" wird das Land bis 2020 zusätzlich 1,7 Mrd. Euro für die Hochschulen aufwenden. Die Hochschulen können mit der vereinbarten Finanzausstattung bis zu 3.800 neue Stellen in der Grundfinanzierung einrichten. Der Hochschulfinanzierungsvertrag wurde mit Ausnahme der Sondermittel für den Hochschulbau 2015 und 2016 haushaltsneutral umgesetzt. Ab 2018 wurden zusätzlich zu den Sondermitteln für den Hochschulbau weitere strukturelle Mehrbelastungen in den Finanzplan 2015 bereits eingerechnet.

 

  • Im Bereich der Justiz hatte der Rechnungshof in der Denkschrift 2014 empfohlen, ab 2015 im Hinblick auf die Notariats- und Grundbuchamtsreform 1.131 kw-Vermerke auszubringen. Nach dem Staatshaushaltsplan 2015/2016 sollen erst zum 01.01.2018 500 Stellen wegfallen.

Im Justizvollzug soll nach einem Entschließungsantrag des Landtags die personelle Ausstattung untersucht werden. Das Justizministerium und das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft beabsichtigen, in einem weiteren Nachtrag zum Staatshaushaltsplan 2015/2016 zusätzliche Mittel für den Justizvollzug bereitzustellen. Der Rechnungshof empfiehlt, wegen des Gefangenenrückgangs Vollzugseinrichtungen zu schließen und den Personalbestand anzupassen (siehe Beitrag Nr. 9).

Im Ergebnis ist seit dem letzten Finanzplan 2014 festzustellen, dass der bisher geplante Personalabbau weitgehend infrage gestellt wird und im Gegenteil zusätzliche Stellen geschaffen werden.

2.4 Gesamtbewertung

Die Landesregierung ging ursprünglich für 2013 von einem haushaltswirtschaftlichen Handlungsbedarf von 2,53 Mrd. Euro aus. Die bisherigen Konsolidierungsmaßnahmen sollen 2020 ein Einsparvolumen von 1,7 Mrd. Euro entfalten. Der Konsolidierungserfolg wird dadurch geschmälert, dass der ursprünglich vorgesehene Stellenabbau mit einem Entlastungsvolumen von über 0,5 Mrd. Euro weitgehend nicht umgesetzt wird.

Die bisherigen Konsolidierungserfolge hat die Landesregierung überwiegend durch Kürzungen im kommunalen Finanzausgleich und durch finanzwirtschaftliche Effekte wie überdurchschnittliche Steuereinnahmen und ein historisch niedriges Zinsniveau erreicht. Diese Haushaltskonsolidierung birgt Risiken, weil ihre Nachhaltigkeit nicht gesichert ist.

Trotz der bisherigen Konsolidierungsmaßnahmen ist nach dem Finanzplan 2015 noch eine Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben (Defizit) von 1,6 Mrd. Euro für 2020 auszugleichen.

Mit dem Nachtrag zum Staatshaushaltsplan 2015/2016 entstehen ab 2017 weitere strukturelle Mehrausgaben. Für einen weiteren Nachtragshaushalt sind in mehreren Ressorts strukturelle Mehrausgaben in der politischen Diskussion.

Die positiven Haushaltsabschlüsse 2013 und 2014 und die aktuell günstige gesamtwirtschaftliche Lage dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die strukturelle Nullverschuldung ab 2020 dauerhaft auch in wirtschaftlich schwierigen Jahren eingehalten werden muss. Die Landesregierung sollte daher unverzüglich zu einer aktiven Haushaltskonsolidierung zurückfinden. Das Ziel einer dauerhaften Nullverschuldung wird dabei ohne Stellenabbau kaum zu realisieren sein. Der Rechnungshof hat hierzu zahlreiche Vorschläge unterbreitet.

3 Empfehlungen

3.1 Keine strukturellen Mehrausgaben ohne Gegenfinanzierung

Auf weitere strukturelle Mehrausgaben, die nicht dauerhaft gegenfinanziert werden, sollte verzichtet werden.

3.2 Orientierungspläne mit aktuellen Werten vor der nächsten Haushaltsaufstellung erstellen

Die Landesregierung sollte - wie im Finanzplan 2015 angekündigt - vor der Aufstellung eines Haushalts 2017 bzw. eines Doppelhaushalts 2017/2018 den Abbaupfad für den Gesamthaushalt durch Orientierungspläne mit aktuellen Werten auf die Einzelpläne umlegen. Diese Pläne sollten dann im Planausschreiben den Ressorts an die Hand gegeben werden.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft teilt nicht die Auffassung des Rechnungshofs zu den bisherigen Konsolidierungsmaßnahmen. Für den Konsolidierungserfolg sei grundsätzlich nicht der Konsolidierungsbereich (Einnahmen, Sachausgaben oder Personalausgaben), sondern der strukturelle Wirkungserfolg entscheidend. Mit der Einführung der Orientierungspläne, einschließlich der auf die Einzelpläne heruntergebrochenen Konsolidierungsvorgaben, hätte ein Paradigmenwechsel im Konsolidierungsverfahren stattgefunden.

Die Landesregierung betreibe seit Regierungsübernahme aktive Konsolidierungspolitik. Die Konsolidierungsmaßnahmen könnten nicht im „Hauruck-Verfahren“ umgesetzt werden. Sie seien sozial verträglich auszugestalten, und müssten den finanzpolitischen, aber auch den faktischen Gegebenheiten Rechnung tragen. Unter anderem würden z. B. permanent Verhandlungen auf Bundesebene geführt, um auch im Hinblick auf die Ausgabenlastensteigerungen bei den Ländern Einnahmeverbesserungen zu erreichen.

5 Schlussbemerkung

Die temporär gute Haushaltslage sollte nicht dazu führen, bisher geplante Einsparmaßnahmen aufzugeben und zusätzliche strukturelle Mehrausgaben zu beschließen. Vor dem Hintergrund eines Schuldenstands von über 46 Mrd. Euro sollten vielmehr sämtliche Möglichkeiten für eine aktive Haushaltskonsolidierung konsequent genutzt werden.


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Sponsoring ist für öffentliche Einrichtungen eine atypische Finanzierungsform. Der Rechnungshof hält sie grundsätzlich für zulässig, in manchen Bereichen zur Schonung der staatlichen Finanzressourcen auch für ausbau- und entwicklungsfähig. Während der Prüfung des Sponsorings in der Landesverwaltung durch den Rechnungshof hat die Landesregierung Entscheidungen getroffen, die grundsätzlich in die richtige Richtung gehen.


1 Ausgangslage

Von der Landesverwaltung wird Sponsoring punktuell als Finanzierungsinstrument eingesetzt. Die rechtliche Grundlage hierfür ist die „Gemeinsame Anordnung der Ministerien zur Förderung von Tätigkeiten des Landes durch Leistungen Privater“ (AnO Sponsoring). In dieser wird Sponsoring definiert als die Zuwendung von Geld-, Sach- oder Dienstleistungen durch Wirtschaftsunternehmen oder Privatpersonen, die neben dem Motiv zur Förderung der öffentlichen Einrichtung auch andere Interessen verfolgt. Dem Sponsor kommt es darauf an, sich in der Öffentlichkeit über das gesponserte Produkt zu profilieren.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Bedeutung des Sponsorings für den Landeshaushalt

Für den Landeshaushalt haben die erhaltenen Sponsoringleistungen eine eher geringe Bedeutung. Wie die nachfolgende Tabelle zeigt, hatte das Land im Zeitraum 2008 bis 2012 Geld- und Sachsponsoringleistungen von rund 51 Mio. Euro erhalten (durchschnittlich 10 Mio. Euro/Jahr). Dies entspricht weniger als 0,3 Promille der Gesamteinnahmen von 188 Mrd. Euro in diesem Zeitraum. Allerdings ist das Sponsoring für einzelne Projekte bedeutsam, denn manche Projekte wären nicht möglich gewesen, wenn diese nicht von privaten Partnern und Förderern unterstützt worden wären. Sponsoring kann durchaus den Haushalt entlasten.

Beitrag 5 Tab

Mehr als 90 Prozent der Sponsoringleistungen entfielen auf den Bereich des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst (rund 46 Mio. Euro). So wurden in den Bereichen Hochschule, Kunst und Kultur beispielsweise Gebäude, Hörsäle, Veranstaltungen, Mediaguides, Publikationen, Fahrzeuge und vieles mehr mit Mitteln Dritter finanziert.

Das insgesamt relativ geringe Volumen der Sponsoringeinnahmen resultiert unter anderem aus einer großen Unsicherheit der Entscheidungsträger beim Umgang mit dieser Einnahmemöglichkeit.

2.2 Sponsorenverträge mit Exklusivitätsklauseln

Die meisten Behörden legten die Leistung des Sponsors sowie die Verpflichtungen der Behörde vertraglich fest. Zahlreiche Sponsorenverträge enthielten Exklusivitätsklauseln, durch die andere potenzielle Sponsoren ausgeschlossen werden.

Aufgrund des Gebots staatlicher Neutralität muss die Landesverwaltung bei der Auswahl der Sponsoren die Wettbewerbs- und die Chancengleichheit sicherstellen.

2.3 Sponsorengewinnung

Einige Behörden haben über Jahre hinweg auf Basis von gewachsenen Beziehungen immer auf dieselben Sponsoren zurückgegriffen. Begründet wird diese Praxis damit, dass die Sponsorensuche sehr aufwendig sei. Oft sei die Ansprache von zehn Unternehmen erforderlich, bis sich ein Unternehmen als Sponsor bereit erklärt.

Ein gelungenes Beispiel für eine professionalisierte Gewinnung von Sponsoren ist das Landesmuseum Württemberg. Beim Landesmuseum Württemberg führten intensive Bemühungen um Sponsoren im Zeitraum 2009 bis 2012 zu einem Anstieg der Einnahmen aus Sponsoring von 100.000 Euro auf 668.000 Euro. Die Einrichtung benannte eine Person als zentralen Ansprechpartner für potenzielle Leistungsgeber. Auf die Homepage der Einrichtung wurden Sponsorenaufrufe gestellt. Zudem wurden die beabsichtigten Projekte in einem „Booklet“ vorgestellt und mögliche werbliche Gegenleistungen der Einrichtung aufgeführt. Dieser Fall zeigt, dass ein professionelles Management zu einem Anstieg der Sponsoringeinnahmen führen kann.

Sponsoring sollte in den dafür geeigneten Bereichen der Landesverwaltung professioneller betrieben werden.

2.4 Sponsoring bei der Stallwächterparty

Die Vertretung des Landes Baden-Württemberg beim Bund veranstaltet alljährlich mit der Stallwächterparty ihr traditionelles Sommerfest. Die Landesvertretung warb für die Stallwächterparty im Jahr 2009 Geld- und Sachsponsoringleistungen im Wert von rund 110.000 Euro ein. 2011 beteiligten sich Sponsoren mit rund 465.000 Euro an den Veranstaltungsausgaben. Die Sponsorenleistungen haben sich somit über den Zeitraum von zwei Jahren hinweg mehr als vervierfacht.

2.5 Auswirkung des Sponsorings auf Standards im Hochschulbau

2008 ist die neue Kinderklinik des Universitätsklinikums Heidelberg in Betrieb gegangen. An den Gesamtbaukosten von 47,5 Mio. Euro (zuzüglich 9,1 Mio. Euro für die Ausstattung) beteiligten sich neben dem Land, dem Bund und der Klinik auch zwei Stiftungen mit zusammen 15,3 Mio. Euro. Bei der baulichen Umsetzung des Projekts stand die hochwertige Architektur im Vordergrund. Es sollte ein positives Umfeld für die „kleinen Patienten“ und ihre Betreuer geschaffen werden. Die zulässigen Richtwerte wurden deutlich überschritten. Die hohen finanziellen Zuwendungen von dritter Seite trugen dazu bei, dass Anreize zu einer sparsamen Ausführung nicht gegeben waren. Im Vergleich mit der ähnlich großen Universitätskinderklinik in Tübingen aus dem Jahr 2000 wurden bei der Kinderklinik Heidelberg deutlich höhere spezifische Betriebskosten festgestellt.

An der Hochschule Offenburg wurde 2009 ein Neubau für den Studiengang Medien- und Informationswesen erstellt. Hierfür spendete ein Unternehmer 330.000 Euro. In einem Schreiben äußerte er ausdrücklich den Wunsch, mit seiner Zuwendung die Baukosten zu reduzieren und damit den Landeshaushalt zu entlasten. Entgegen dieser ausdrücklichen Zweckbestimmung wurde die Spende dazu verwendet, die Baukosten zu erhöhen. So wurde die Fläche des Foyers mit 196 m² doppelt so groß wie ursprünglich geplant. Für jeden Quadratmeter zusätzlicher Nutzfläche entstehen dem Land über die Gesamtnutzdauer des Gebäudes zusätzliche Betriebskosten. In letzter Konsequenz wurde der Landeshaushalt durch die Spenden nicht entlastet, sondern belastet.

2.6 Haushaltsrechtlicher und politischer Umgang mit Sponsoring

Beispiele für politisch und haushaltsrechtlich abgesichertes Sponsoring sind das Landeshochschulgesetz und die Drittmittelrichtlinie.

Danach zählt es zu den Dienstaufgaben der Hochschullehrer, Drittmittel wie Sponsorenleistungen oder Spenden einzuwerben. In anderen Fällen bekundet der Staat ausdrücklich, dass er Sponsoring für erwünscht hält. Beispiel hierfür sind auf Bundesebene das Deutschlandstipendium, das je zur Hälfte vom Bund und von Sponsoren finanziert wird oder auf EU-Ebene das Schulfruchtprogramm. Dessen Ziel ist es, Kinder möglichst früh an ein gesundheitsförderndes Ernährungsverhalten heranzuführen. Das Programm kostet 6 Mio. Euro. Die notwendige Kofinanzierung muss zu 25 Prozent von Dritten getragen werden. Eine andere, an dieser Stelle nicht zu behandelnde Frage ist, ob die Ausgestaltung dieses Programms nicht zu verwaltungs- und damit zu kostenaufwendig geraten ist. Ein weiteres Beispiel ist die Stiftung „Humanismus heute“ (Titel 685 31 beim Einzelplan des Kultusministeriums). Die Erläuterungen hierzu sehen einen zusätzlichen Landeszuschuss von 17.000 Euro vor, wenn diese Mittel in gleicher Höhe von Dritten zur Verfügung gestellt werden.

Die Einnahmen aus Sponsoring wurden in einigen Fällen als Rotabsetzung bei den Ausgaben gebucht. Diese Buchungspraxis ist mit dem Haushaltsgrundsatz der Bruttoveranschlagung sowie mit den Prinzipien der Haushaltswahrheit und -klarheit nicht vereinbar. Die Einrichtungen begründeten die Rotabsetzungen mit fehlenden Verstärkungsvermerken, aufgrund derer sie das Geld ansonsten nicht ausgeben könnten.

2.7 Anpassung der AnO Sponsoring und Sponsoringbericht

Der Rechnungshof kündigte im Verlauf der Prüfung an, dass er einen Sponsoringbericht fordern wird. Die Landesregierung hat noch während der Prüfung die Einführung eines Sponsoringberichts beschlossen. Der Rechnungshof hält den Sponsoringbericht für sachgerecht und für notwendig, denn ein Diskussionsprozess über das angemessene Ausmaß des Sponsorings kann nur in Gang kommen, wenn Politik und Öffentlichkeit wissen, von wem und in welchem Umfang die öffentliche Verwaltung gefördert wurde.

Die Landesregierung hat ferner die Ende 2014 ausgelaufene AnO Sponsoring ergänzt und fortgeschrieben.

3 Empfehlungen

3.1 Leitsätze

Der Rechnungshof empfiehlt der Landesregierung, sich an folgenden Leitsätzen zu orientieren:

1.Staatliche Aufgaben sind grundsätzlich durch Abgaben, insbesondere durch Steuern und Gebühren, zu finanzieren.

2.Öffentliche Aufgaben werden in vielfältiger Weise von Dritten - aus der Gesellschaft, von der Wirtschaft, von Verbänden, Stiftungen und Privatpersonen - unterstützt. Dazu zählen Freiwilligendienste, Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement ebenso wie finanzielle Leistungen in Form von Spenden, Mäzenatentum und Stiftungen.

Die Unterstützung staatlicher Aufgaben muss dabei nicht uneigennützig sein, sie kann - wie das Sponsoring - auch eigene wirtschaftliche Interessen verfolgen.

Die Grundsätze guter Unternehmensführung (Corporate Governance) fordern von der Wirtschaft auch die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung über die Verantwortung für das Unternehmen, seine Eigentümer und Mitarbeiter hinaus ein.

3.Sponsoring ist geeignet, die Erfüllung öffentlicher Aufgaben zu unterstützen und wird daher vom Rechnungshof in der Regel positiv bewertet.

4.Staatliche Aufgaben dürfen nicht von Leistungen Dritter und vom Sponsoring abhängig sein, vielmehr hat die öffentliche Hand die Verpflichtung, die Erfüllung ihrer Aufgaben dauerhaft zu gewährleisten (Gewährleistungsauftrag des Staates). Öffentliche Leistungen müssen berechenbar bleiben.

Sponsoring und Leistungen Dritter können jedoch einen wichtigen Zusatznutzen stiften, der den Bürgern zugutekommt.

5.Sponsoring sollte im hoheitlichen Bereich der Eingriffsverwaltung ausgeschlossen werden.

Wenn hingegen Behörden der Eingriffsverwaltung nicht hoheitlich handeln, ist Sponsoring zulässig.

6.Sponsoring im Wissenschaftsbereich

Das Landeshochschulgesetz verpflichtet die Hochschulen zur Einwerbung von Drittmitteln. Die Gewinnung von Geld- und Sachleistungen ist sogar Dienstaufgabe der Hochschullehrer.

Auch Sponsoringeinnahmen sowie die sonstigen Drittmittel (z. B. Spenden) sind ein wichtiger Indikator für die Wettbewerbsfähigkeit sowie das Renommee der Hochschule. Sponsoringaktivitäten im Hochschulbereich sollten intensiviert werden.

7.Sponsoring bei besonders hervorgehobenen repräsentativen Veranstaltungen

Repräsentationsmaßnahmen werden in den einschlägigen Regelungen des Bundes und der Länder als zulässiges Feld fürs Sponsoring betrachtet. Sie werden vielfach eingesetzt, um eigene Aufwendungen der öffentlichen Hand aus Steuermitteln zu sparen.

Bei wichtigen und herausgehobenen Repräsentationsmaßnahmen (z. B. Neujahrsempfang der Landesregierung, Landesjubiläum oder andere) würde es der Rechnungshof jedoch nicht kritisieren, wenn das Land in diesem Bereich gezielt auf Sponsoring verzichtet und stattdessen dafür originäre Haushaltsmittel in angemessenem Umfang bereitstellt.

8.Bei Förderung von Kultureinrichtungen, die vielfach durch Fehlbetragsförderung finanziert werden, sollte auf Festbetragsfinanzierung umgestellt werden, da sonst das Engagement Dritter nicht der gesponserten Einrichtung zugutekommt, sondern der fördernden Körperschaft.

9.Sponsoringleistungen sollten nicht dazu eingesetzt werden, bei Baumaßnahmen übliche Standards des Landes zu erhöhen, soweit diese durch die Sponsorenleistung nicht abgedeckte Folgekosten für die öffentliche Hand nach sich ziehen und damit für die Zukunft zusätzliche Kosten erzeugen.

10.Die öffentliche Hand wird beim Sponsoring zulässigerweise erwerbswirtschaftlich tätig.

3.2 Einzelempfehlungen

Ferner gibt der Rechnungshof folgende Einzelempfehlungen:

3.2.1 Auf Neutralität achten, Vergabeverfahren nicht beeinflussen

Behörden, die auch Maßnahmen der Eingriffs- oder Leistungsverwaltung tätigen, müssen in besonderem Maße darauf achten, dass durch Sponsoringmaßnahmen die Erfüllung des öffentlichen Auftrags nicht beeinträchtigt wird. Bei einem neutralen Betrachter darf nicht der Anschein einer Einflussnahme entstehen. Besondere Sensibilität ist angezeigt, wenn der Sponsor im zeitlichen Zusammenhang auch Adressat oder Antragsteller der gesponserten Behörde ist.

Von potenziellen Auftragnehmern sollten während eines laufenden Ausschreibungsverfahren keine Sponsorenleistungen angenommen werden.

Sponsoring zugunsten von Schulen sowie Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe ist aus Sicht des Rechnungshofs möglich, wenn die Interessen des Sponsors mit den pädagogischen Zielen des Bildungs- und Erziehungsauftrags zu vereinbaren sind.

3.2.2 Werbende Aussagen seitens der Verwaltung unterlassen

Die öffentliche Verwaltung sollte werbende Aussagen im Zusammenhang mit Produkten oder Dienstleistungen des Sponsors unterlassen, um den Markt nicht zu beeinflussen. Werden Sponsoren aktiv in Veranstaltungen einbezogen, sollte darauf geachtet werden, dass die Intention der Veranstaltung, z. B. Repräsentation der Behörde, nicht durch die Repräsentation der Sponsoren überdeckt wird. Die Prägung durch die Sponsoren darf nicht so intensiv sein, dass die Veranstaltung nicht mehr als öffentliche Veranstaltung des Landes wahrgenommen wird.

3.2.3 Wettbewerbsneutralität wahren und auf Exklusivitätsklauseln verzichten

Die Sponsorensuche sollte möglichst offen angelegt und stärker professionalisiert werden. Beispielsweise könnten für einzelne Sponsoringaktivitäten Internetaufrufe erfolgen. Dies schließt die gezielte Sponsorensuche im Einzelfall nicht aus.

Es können auch Wirtschaftssektoren definiert werden, von denen keine Sponsoringleistungen eingeworben werden sollen.

3.2.4 Zusätzliche Betriebs- oder Folgekosten bei gesponserten Maßnahmen ausschließen

Auch bei Aufgaben und Projekten, die ganz oder teilweise mit Sponsorenmitteln finanziert werden, ist der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten. Deshalb dürfen Sponsoringleistungen das bei Maßnahmen der öffentlichen Verwaltung übliche Niveau nicht wesentlich erhöhen.

3.2.5 Haushaltsvermerke ausbringen

Im Sinne der Haushaltsklarheit schlägt der Rechnungshof vor, vorhersehbare Einnahmen aus Sponsoring im Staatshaushaltsplan einzuplanen. Für nicht bzw. der Höhe nach nicht vorhersehbare Einnahmen sollten bei in Frage kommenden Ausgabetiteln die geeigneten Haushaltsvermerke und entsprechende Erläuterungen ausgebracht werden.

4 Stellungnahme der Ministerien

Die Vertretung des Landes beim Bund weist hinsichtlich der Stallwächterparty darauf hin, dass sie den aus dem Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit resultierenden Maßstab der Angemessenheit auch bei der Inanspruchnahme von Sponsoringleistungen nachdrücklich unterstützt.

Das Wissenschaftsministerium weist darauf hin, dass bei der Kinderklinik des Universitätsklinikums Heidelberg die Überschreitung der Richtwerte auf Planungsänderungen in Verbindung mit der später begonnenen Entwicklung einer Gesamtkonzeption für mehrere Kliniken zurückzuführen sei. Diese bewirkten eine Optimierung des Zusammenspiels dieser Kliniken. An anderer Stelle seien dadurch Kosten eingespart worden. Die künftig zu erwartenden Betriebskosten für Energie, Wartung, Reinigung und bauliche Unterhaltung lägen im Bereich des üblicherweise Erwarteten.

Hinsichtlich der Hochschule Offenburg weist das Ministerium darauf hin, dass das zitierte Schreiben das ursprüngliche Angebot des Spenders zum Inhalt habe, für den Neubau Stahl als Sachspende bereitzustellen. Später habe er seine Zuwendung in eine Geldspende von 330.000 Euro umgewandelt. Dabei sei er in Absprache mit der Hochschule Offenburg davon ausgegangen, dass seine Zuwendung für eine Vergrößerung des Foyers verwendet werde. Die Ausgestaltung der Foyerfläche als Kommunikations- und Ausstellungsfläche sei auch im Zusammenhang mit dem Multimedia-Multifunktionssaal begründet und keinesfalls unnötig. Der Gebäudeplanung lägen die vorgegebenen Bedarfszahlen und Flächengenehmigungen zugrunde, die letztendlich erst eine Baufreigabe und -finanzierung ermöglichten.

Zur Förderung von Kultureinrichtungen im Wege der Fehlbetragsförderung weist das Ministerium darauf hin, dass in zwei von fünf vorhandenen Fällen eine Umstellung auf die Festbetragsfinanzierung bereits vorgesehen sei.
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Die Landesregierung ist verpflichtet, Gesetzentwürfen eine Abschätzung der Folgekosten für den Landeshaushalt beizufügen. Dies hat sie nicht immer mit der gebotenen Tiefe und der notwendigen Sorgfalt eingehalten.


1 Ausgangslage

1.1 Rechtliche Grundlagen

1.1.1 Landeshaushaltsordnung

Die Landesregierung ist nach § 10 Absatz 1 Landeshaushaltsordnung verpflichtet, allen Gesetzentwürfen „einen Überblick über die Auswirkungen auf die Haushalts- und Finanzwirtschaft des Landes“ beizufügen. Weiter ist aufzuzeigen, wie voraussichtliche Mehrausgaben ausgeglichen werden können. Einen wichtigen Anhaltspunkt dafür, mit welcher Intensität die Darstellung erfolgen soll, bietet § 7 Absatz 2 Landeshaushaltsordnung. Diese Norm bestimmt, dass für alle finanzwirksamen Maßnahmen angemessene Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchzuführen sind. Darunter fällt auch die Vorbereitung von Gesetzen.

1.1.2 Verwaltungsvorschrift zur Erarbeitung von Regelungen

Die Bestimmungen der Landeshaushaltsordnung werden in der seit 2011 geltenden „Verwaltungsvorschrift der Landesregierung und der Ministerien zur Erarbeitung von Regelungen“ (VwV Regelungen) konkretisiert. Diese regelt, wie die finanziellen Auswirkungen von Gesetzentwürfen auf den Landeshaushalt in der Gesetzesbegründung darzustellen sind. Der VwV Regelungen ist eine Tabellenvorlage (siehe Abbildung) beigefügt. Die finanziellen Auswirkungen im Sinne von § 10 Absatz 1 Landeshaushaltsordnung sind in der Gesetzesbegründung soweit wie möglich entsprechend der Tabelle darzustellen und gegebenenfalls im Text näher zu erläutern.

Beitrag 6 Abb

Daneben besteht gemäß Ziffer 4.3.1 der VwV Regelungen das Gebot, eine „Regelungsfolgenabschätzung“ und eine „Nachhaltigkeitsprüfung“ durchzuführen. Hiervon kann gemäß Ziffer 4.3.4 nur abgesehen werden, wenn erhebliche Auswirkungen offensichtlich nicht zu erwarten sind. Hinsichtlich der öffentlichen Haushalte wird im zugehörigen Leitfaden unter Punkt IX. das Augenmerk auf die finanzielle Nachhaltigkeit gelenkt. Die Fragestellung „Welche Auswirkung hat das Vorhaben auf die Zukunftsfähigkeit der öffentlichen Haushalte?“ legt nahe, vor allem strukturell wirkende Ausgabenerhöhungen intensiv zu betrachten. Aus der Regelung resultierende Kosten für die Privatwirtschaft sowie für Bürgerinnen und Bürger sind ebenfalls in der Gesetzesbegründung darzustellen, ohne dass die VwV Regelungen hierfür konkrete Vorgaben enthält. Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich aber im Wesentlichen auf die Gesetzesfolgekosten für den Landeshaushalt.

1.2 Haushaltspolitische Rahmenbedingungen

Der Landeshaushalt ist spätestens ab 2020 ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen (Artikel 109 Absatz 3 Grundgesetz). Strukturelle, das heißt konjunkturunabhängige Haushaltsdefizite sind generell nicht mehr erlaubt. Lediglich bei schlechten Wirtschaftslagen darf ausnahmsweise ein Haushaltsdefizit mit neuen Schulden gedeckt werden. Das bestehende strukturelle Defizit im Landeshaushalt muss abgebaut werden.

Bei den Bemühungen um einen strukturell ausgeglichenen Haushalt kommt den Personalausgaben eine besondere Rolle zu. Diese fallen in der Regel unabhängig von der Konjunktur an. Neu geschaffene Stellen oder Stellenbedarfe müssen somit stets in voller Höhe durch dauerhafte Mehreinnahmen oder Minderausgaben an anderer Stelle gegenfinanziert werden. Das strukturelle Defizit kann am Ende nur dann abgebaut werden, wenn auch die Personalausgaben begrenzt werden.

Gesetzentwürfe, die dazu geeignet sind, die Personalkosten strukturell zu erhöhen, stehen vor diesem Hintergrund unter einem besonderen Rechtfertigungsdruck. Für die politische und die öffentliche Debatte ist es wesentlich, dass ihre finanziellen Auswirkungen transparent sind.

1.3 Normativer Anspruch

Ohne Kenntnis der Folgekosten eines Gesetzentwurfs kann der Gesetzgeber nicht verantwortlich entscheiden. Er ist auch der Gesetzgeber des Haushaltsgesetzes. Es müsste somit im Interesse des Gesetzgebers und der Landesregierung liegen, dass die finanziellen Auswirkungen eines Gesetzes möglichst umfassend und präzise prognostiziert werden. Folgekosten, die nicht bereits im Vorfeld einer gesetzlichen Regelung einkalkuliert werden, müssen nicht selten durch spätere Sparrunden gegenfinanziert werden. Diese können dann viele Teile des Landeshaushalts betreffen.

Im Gegensatz zur VwV Regelungen sind z. B. die Bestimmungen in § 44 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) verbindlicher und inhaltlich präziser ausgestaltet.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Aussagen zu Folgekosten in Gesetzentwürfen der Landesregierung

Im Zeitraum Januar 2011 bis März 2015 verabschiedete der Landtag 104 Gesetze (ohne Gesetze zum Staatshaushaltsplan und Nachträge hierzu). In 97 Fällen (93 Prozent) enthalten die Gesetzentwürfe Aussagen zu den Folgekosten für die öffentliche Hand. Mit den Folgekosten für die Privatwirtschaft sowie für Bürgerinnen und Bürger befassen sich 82 Gesetzentwürfe (79 Prozent).

In nahezu einem Drittel der Gesetzentwürfe wurden Folgekosten erwähnt, aber nicht näher beziffert. Ein Viertel beinhaltete die Aussage, dass durch den späteren Gesetzesvollzug keine Kosten entstehen. Bei den übrigen waren zwar konkrete Angaben zu den Kosten oder Stellen enthalten. Eine differenzierte Darstellung der finanziellen Auswirkungen, wie es die Tabellenvorlage nach den Regelungsrichtlinien vorgibt, fand sich lediglich in zwei Gesetzentwürfen.

2.2 Exemplarische Bewertung einzelner Gesetzentwürfe

2.2.1 Gesetz zur Änderung des Landespersonalvertretungsgesetzes

Im Gesetzentwurf wurde zu den Kosten für öffentliche Haushalte ausgeführt: „Finanzielle Auswirkungen können auch mit der angemessenen Erhöhung der Personalratsgrößen und mit der Erhöhung der Freistellungsstaffel einhergehen. Die Dienststellen der Landesverwaltung haben im Hinblick auf die Konsolidierung des Haushalts einen etwa entstehenden Mehraufwand mit den vorhandenen personellen und sächlichen Mitteln zu tragen.“ Außerdem wurde auf einen nicht näher bezifferbaren Verwaltungsaufwand hingewiesen.

In ihrem Eckpunktepapier zum Gesetzentwurf von 2012 ging die Landesregierung von 400 bis 500 vorhandenen Freistellungen und deren annähernder Verdoppelung durch den Gesetzentwurf aus. Der Rechnungshof errechnete auf dieser Basis geschätzte Mehrkosten von 47,5 Mio. Euro jährlich. Dies hat er der Landesregierung auch mitgeteilt. Nach den dem Rechnungshof vorliegenden Stellungnahmen machten weitere Ressorts Angaben zu Folgekosten. Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft errechnete auf Basis der Verdoppelung der Freistellungen einen Bedarf von rund 200 zusätzlichen Lehrerstellen. Dies bedeute Mehrkosten von 20 Mio. Euro jährlich. Das Innenministerium ging von 80 bis 260 zusätzlichen Deputaten allein für Gymnasien und berufliche Schulen aus. Andere Ressorts forderten in ihren Stellungnahmen zusätzliche Personalstellen.

Nach dem Gesetzentwurf sollen die Dienststellen den Mehraufwand mit den vorhandenen personellen und sächlichen Mitteln tragen. Die Erhöhung der Personalratsgrößen und Freistellungsstaffel kann gegebenenfalls in Verwaltungsbehörden zulasten der eigentlichen Aufgaben aufgefangen werden. Langfristig wird sich dadurch auch in diesen Bereichen der Druck auf Personalzuwachs erhöhen. Bei den beiden personalintensivsten Bereichen Bildung und Polizei ist von einem sofortigen Personalmehrbedarf auszugehen. Die im Rahmen ihrer Deputate und im Schichtdienst freigestellten Beschäftigten müssen ersetzt werden. Der Landesregierung war der zusätzlich erforderliche Personalbedarf zumindest teilweise bekannt. Sie hat diesen trotzdem in keiner Form in ihren Gesetzentwurf aufgenommen.

2.2.2 Bildungszeitgesetz

In der Begründung zum Gesetzentwurf heißt es: „Mittelbar entsteht dem Land und den Kommunen als Arbeitgeber ein zusätzlicher personeller Aufwand infolge der zu erwartenden Inanspruchnahme der Bildungszeit durch die Beschäftigten.“ Die Höhe dieser Belastung wurde nicht dargestellt.

Der überschaubare Aufwand für den Gesetzesvollzug wird von der Landesregierung konkret beziffert. Dagegen fehlt im Gesetzentwurf eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Kosten durch Inanspruchnahme der Bildungszeit. Der Aufwand sei derzeit nicht bezifferbar, da er vom Antragsverhalten der Berechtigten abhängig sei. Diese Begründung greift schon deshalb zu kurz, weil es aus anderen Ländern statistische Daten zur Inanspruchnahme der Bildungszeit gibt. Im Gegensatz zu den Ausführungen im Entwurf entstehen Belastungen der öffentlichen Hand auch nicht nur dort, wo Vertretungsregelungen wegen Schichtdienst unabdingbar sind. Die verfügbare Arbeitskapazität wird insgesamt reduziert. Nicht erledigte Arbeiten können nicht einfach - ohne Verdrängungseffekte - zu anderer Zeit nachgeholt werden. Dies beeinflusst global den Personalbedarf. Der Verlust an Arbeitskapazität hätte kostenmäßig beziffert werden können und müssen.

Der Rechnungshof geht von relevanten Mehrkosten aus, welche jedenfalls in Bereichen mit Schichtdienst auch real anfallen. Er stützt sich dabei insbesondere auf einen Erfahrungsbericht des Hessischen Sozialministeriums aus 2012. Dieser weist in einer auf vier Jahre angelegten Studie für den öffentlichen Dienst eine Inanspruchnahmequote von 2 Prozent aus. Allgemein liegt die Quote unter 1 Prozent.

Hinzu kommt, dass in Baden-Württemberg Beamte vom Geltungsbereich des Bildungszeitgesetzes nicht ausgenommen wurden. Dies ist in Hessen und den meisten anderen Ländern der Fall. Allgemeine Untersuchungen weisen darauf hin, dass Beamte gegenüber Arbeitnehmern insgesamt ein erhöhtes Interesse an Weiterbildung haben (siehe Adult Education Survey 2012 Trendbericht des Bundesministeriums für Bildung und Forschung „Weiterbildungsverhalten in Deutschland"). Überträgt man dies auf das Bildungszeitgesetz, dürfte die Inanspruchnahmequote des öffentlichen Dienstes insgesamt eher über 2 Prozent liegen. Möglicherweise liegt sie sogar um ein Vielfaches höher. Sie dürfte daher auch dann nicht unter 2 Prozent fallen, wenn sich die Freistellungsregelung im Bildungszeitgesetz teilweise mit den Sonderurlaubsregelungen der Arbeitszeit- und Urlaubsverordnung überschneiden. Dies hat die Landesregierung angeführt. Es ist zudem ein Unterschied, ob ein Rechtsanspruch auf Bildungszeit besteht, oder ob wesentlicher Sonderurlaub vom Arbeitgeber gewährt werden kann.

Die Landesregierung geht von der Annahme aus, dass der Bildungsurlaub kaum (1 Prozent der Beschäftigten oder noch weniger) in Anspruch genommen wird. Wenn dies zutreffend wäre, dann müsste man im Übrigen sehr ernsthaft der Frage nachgehen, ob ein solches Gesetz nicht von vornherein unnötig, weil potenziell erfolglos wäre. Hat das Gesetz aber entgegen diesen Erwartungen - vielleicht auch speziell im öffentlichen Dienst - Erfolg, dann muss von deutlich spürbaren Belastungen des Landeshaushalts ausgegangen werden. Dies trifft dann auch auf die Haushalte der Kommunen zu.

2.2.3 Gesetz zur Errichtung des Nationalparks Schwarzwald

Der Gesetzentwurf zum Nationalpark ist ein Beispiel für eine unzureichende Darstellung erforderlicher Sachmittel. Der Aufwand für Gebäude und andere Baumaßnahmen wurde im Gesetzentwurf nicht dargestellt. Erwähnt wurde lediglich die geplante Errichtung eines Besucherzentrums sowie eines Verwaltungsgebäudes. Für eine Konzeption zu den Gebäuden sowie einen Kostenplan wurde auf einen späteren Zeitpunkt verwiesen, da die Planungen nicht weit genug fortgeschritten seien. Entsprechende Planungsmittel sollten erst in einen Nachtrag zum Staatshaushaltsgesetz aufgenommen werden. Somit fehlen im Gesetzentwurf jegliche Anhaltspunkte über die Baukosten. Weitere Baumaßnahmen, die bei Nationalparks üblich und angesichts seiner Konzeption auch im Nationalpark Schwarzwald zu erwarten sind, finden im Gesetzentwurf nicht einmal Erwähnung. Beispiele hierfür sind die verkehrliche Anbindung, Parkplätze und Besucherattraktionen.

Zu einem vollständigen Konzept für den Nationalpark hätten auch die zu erwartenden Kosten für Baulichkeiten gehört. Ansonsten ist der Gesetzgeber gezwungen, mit der Grundsatzentscheidung für das Projekt eine Blankoermächtigung zu erteilen, deren konkrete finanzielle Auswirkungen nicht absehbar sind.

3 Empfehlungen

Wenn bei einem Gesetzentwurf Kosten für die öffentlichen Haushalte erkennbar sind, müssen diese stets beziffert werden. Dies gilt in besonderem Maße für Personalkosten. Für alle strukturell wirkenden Ausgabenerhöhungen ist die in den Regelungsrichtlinien zur VwV Regelungen vorgesehene Tabelle zu nutzen.

Hängen die genauen Kosten eines Gesetzes vom Grad der Inanspruchnahme eines neuen Rechtsanspruchs ab, sollten Modellrechnungen erstellt werden, die ein realistisches Kostenszenario darlegen.

Zieht ein Gesetz investive Maßnahmen nach sich, sind deren Kosten zu schätzen und zu beziffern.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Innenministerium hat mitgeteilt, dass die Ministerien das Anliegen des Rechnungshofs unterstützen. Bei Gesetzentwürfen seien die erkennbaren Folgekosten für die öffentlichen Haushalte möglichst genau zu beziffern und die Auswirkungen in der Gesetzesbegründung möglichst präzise, vollständig und belastbar darzustellen. Nach Ansicht der Ministerien bestehe keine Vorgabe zur zwingenden Verwendung der Tabelle. Die finanziellen Auswirkungen seien in Anlehnung an den Anhang der Regelungsrichtlinien in der Gesetzesbegründung in freier Darstellungsform eingehend darzustellen. Dies trage der Vielzahl und Vielfalt der unterschiedlichen Regelungswirkungen Rechnung und halte den Aufwand der Ministerien für die Regelungsfolgenabschätzung möglichst gering.

5 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof hält an seiner Empfehlung fest, die finanziellen Auswirkungen soweit wie möglich tabellarisch darzustellen. Dies würde die Transparenz erhöhen und zugleich mehr Verbindlichkeit schaffen, die finanziellen Auswirkungen darzustellen.

Noch besser wäre, die Regelung über die Ausgestaltung von Gesetzesfolgen konkreter und verbindlicher zu gestalten, denn die Darstellung der Gesetzesfolgen bei Entwürfen der Landesregierung ist eine zentrale Obliegenheit der Regierung gegenüber dem Landtag.


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Einzelplan 03: Innenministerium

Die Kosten für Polizeieinsätze bei kommerziellen Großveranstaltungen sind teilweise sehr hoch. Das ist vor allem bei Fußballveranstaltungen der Fall, da es dort vermehrt zu gewalttätigen Ausschreitungen kommt. Bei kommerziellen Veranstaltungen sollten die Veranstalter zumindest einen Teil der Kosten tragen. Das Land sollte hierfür eine Gebührenregelung schaffen.


1 Ausgangslage

Polizeieinsätze bei Großveranstaltungen verursachen teilweise hohe Kosten. Selbst kommerzielle Veranstalter werden nicht an den Kosten beteiligt, auch wenn sie hohe Einnahmen erzielen. Beim Profifußball sind diese Kosten mit Abstand am höchsten. Grund dafür sind von einzelnen oder einer Gruppe Fußballfans verursachte gewalttätige Zwischenfälle. Deren Häufigkeit und Intensität haben zugenommen.

In Baden-Württemberg gab es bis 1991 im Polizeigesetz eine Regelung für einen Polizeikostenersatz. Das Land hob diese nur in Baden-Württemberg bestehende Vorschrift auf, obwohl der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die Verfassungsmäßigkeit der Regelung bestätigt hatte.

Der Rechnungshof befasste sich mehrfach mit dem Thema. Daraus resultierten ein Beitrag in der Denkschrift 1989, Beitrag Nr. 10, eine Prüfungsmitteilung 1997 sowie mehrere Anfragen beim Innenministerium.

Die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (Innenministerkonferenz) setzt sich seit 20 Jahren mit der Problematik auseinander. Eine Lösung scheiterte bislang vor allem an der selbst gesteckten Vorgabe, ein Kostenersatz bedürfe einer bundesweit einheitlichen und abgestimmten Vorgehensweise, um Standortnachteile zu vermeiden.

Die Bremische Bürgerschaft beschloss im Oktober 2014 eine Änderung des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes, um den Fußball an den Kosten beteiligen zu können. Die übrigen Länder mit Ausnahme von Berlin und Hamburg lehnten den Vorstoß Bremens ab.

2 Prüfungsergebnisse

Die Finanzkontrolle hat Polizeieinsätze und deren Kosten bei kommerziellen Großveranstaltungen im Land für die Jahre 2012 und 2013 erhoben und analysiert. Neben dem Fußball wurden andere Sportarten, bedeutende Messen und Märkte und große Open-Air-Konzerte einbezogen. Im Vergleich der Veranstaltungen sind die Polizeieinsatzkosten für den Männerfußball mit Abstand am höchsten. Hierzu folgende Tabellen:

Beitrag 7 Tab. 1

Beitrag 7 Tab. 2

Die vertiefte Untersuchung konzentrierte sich daher auf den Männerfußball der ersten fünf Ligen. Die ersten drei Ligen gehören zum Profifußball, die vierte und fünfte Liga zum Amateurfußball.

2.1 Polizeieinsatzkosten

Die Sicherheit im öffentlichen Raum wird vor Ort durch die jeweilige Landespolizei und auf Bahnhöfen und in Zügen durch die Bundespolizei gewährleistet.

Nach Angaben des Innenministeriums leistete die Polizei in der Saison 2012/2013 für Einsätze bei Fußballspielen von Vereinen der ersten fünf Ligen im Land rund 200.000 Stunden. Dies entspricht Personalkosten von 9,2 Mio. Euro, davon betreffen 90 Prozent die drei Profiligen. Das Innenministerium erfasst die Einsatzstunden der Polizei bei Fußballspielen nach bundesweit einheitlichen Standards. Erfasst wird nur die Zeit zwischen der Melde- und der Entlasszeit vor Ort. Unberücksichtigt sind bisher vor allem folgende Zeiten geblieben: Rüstzeiten in der Dienststelle und die Fahrzeiten zum Einsatzort und zurück. Die vom Innenministerium veröffentlichten Zahlen stellen deshalb nur einen Teil der angefallenen Polizeieinsatzkosten dar.

Nach den Berechnungen der Finanzkontrolle liegen die tatsächlichen Einsatzstunden 30 Prozent über denen der Standardberechnung. Die tatsächlichen Einsatzstunden kosten demnach rund 12 Mio. Euro. Außerdem lässt das Innenministerium einsatzbedingte Mehrkosten, wie Fahrzeugkosten und Dienstzulagen, außer Betracht. Unter Berücksichtigung der tatsächlichen Einsatzzeiten und aller Kostenarten ergeben sich unmittelbar Kosten von 13,8 Mio. Euro für die Einsätze der Landespolizei bei Fußballspielen der ersten fünf Ligen. Die tatsächlichen Einsatzkosten bei Fußballspielen liegen demnach um 50 Prozent über den gemeldeten Zahlen.

In den drei Profiligen spielen bundesweit 56 Mannschaften, davon zehn aus Baden-Württemberg. Das Land gehört damit nach der Zahl der Vereine neben Nordrhein-Westfalen und Bayern zu den drei großen Fußballländern.

Die Einsätze der Bundes- und Landespolizeien für Fußballspiele der ersten fünf Ligen kosteten in der Saison 2012/2013, basierend auf den standardisierten Einsatzzeiten bundesweit 119 Mio. Euro. Unter Berücksichtigung von nicht erfassten Rüst- und Fahrzeiten sowie weiterer einsatzbedingter Mehrkosten (siehe oben) ergeben sich unmittelbare Gesamtkosten von deutlich über 119 Mio. Euro. Durch die Einsatzstunden sind deutlich mehr als 2.000 Vollzeitäquivalente an Einsatzkräften gebunden.

Neben den unmittelbaren Einsatzkosten fallen in erheblichem Umfang indirekte Kosten für die spezielle Sicherheitsarchitektur zur Gefahrenabwehr rund um Fußballspiele an. Innerhalb der Polizeibehörden bearbeiten eigene Organisationseinheiten ständig das Thema. Eine Vielzahl von Gremien und Ausschüssen, angefangen von der Innenministerkonferenz bis zu Gesprächsrunden auf kommunaler Ebene, sind ebenfalls regelmäßig damit befasst.

2.2 Polizeilicher Grundschutz bei Großveranstaltungen

Bei kommerziellen Großveranstaltungen werden Polizeibeamte für die Verkehrsregelung und -lenkung, zur allgemeinen Kriminalitätsbekämpfung sowie zur Prävention eingesetzt. Die meisten kommerziellen Großveranstaltungen, auch im Sport, kommen mit vergleichsweise wenig Polizeipräsenz aus.

Im Gegensatz zu anderen Veranstaltungen besteht bei Fußballspielen eine größere Gefahr gewalttätiger Ausschreitungen mit hohen Sicherheitsrisiken. Der für den Fußball notwendige Polizeieinsatz übersteigt den sonst üblichen polizeilichen Grundschutz. Davon profitieren die Veranstalter, weil sie ihre Fußballspiele wie geplant vermarkten und durchführen können. Über das Normalmaß hinausgehende Polizeikräfte werden in der Regel bei rivalisierenden Fangruppen, sportlicher Brisanz, schwierigen Spielterminen oder problematischen Stadioninfrastrukturen eingesetzt.

Diese hohe Präsenz der Polizei bei Fußballspielen führt nicht selten zu Engpässen beim Einsatz für parallel stattfindende Veranstaltungen. Außerdem müssen die übrigen Polizeiaufgaben weiterhin erledigt werden. Die Beanspruchung durch den Fußball belastet die gesamte Polizeiarbeit in besonderem Maße.

2.3 Gewaltprävention und Gewaltbekämpfung

2.3.1 Anforderung an die Vereine und die Verbände

Die Fußballverbände Deutscher Fußball-Bund e. V. (DFB) und „Die Liga -Fußballverband e. V.“ (Ligaverband), vertreten durch dessen Tochtergesellschaft Deutsche Fußballliga GmbH (DFL), hatten mit der Innenministerkonferenz in der Vergangenheit Maßnahmen zur Gewaltbekämpfung und - prävention vereinbart. Vor allem sollte das Instrument der Stadionverbote deutlich verschärft werden. Ihre Zusagen erfüllten die Verbände mit ihrer Neuregelung für Stadionverbote zum 01.01.2014 nur in deutlich abgeschwächter Form.

Weiter sollten verbindliche Verhaltens-Kodices für Fans eingeführt werden. Die Vereine sollten das Fehlverhalten von Fans mit festgelegten Maßnahmen sanktionieren. Auf Druck der Fan-Szene verzichteten die Verbände darauf. Anstelle verbindlicher Fan-Kodices findet nun ein unverbindlicher offener Dialog statt.

Der Alkoholausschank ist in Fußballstadien grundsätzlich verboten. Ausnahmen sind nur mit Einwilligung der Polizeibehörden möglich. Das Innenministerium hat hierfür Kriterien vorgegeben. Diese Regelungen werden uneinheitlich angewandt und unvollständig umgesetzt, obwohl Alkohol von allen Beteiligten als eine wesentliche Ursache von Gewalt angesehen wird.

Bei der Spieltageplanung nehmen die Fußballverbände häufig zu wenig Rücksicht auf die Risikoeinschätzungen der Polizei. Fußballspiele werden selten - oft unter Hinweis auf die teuer verkauften medialen Rahmenbedingungen - verlegt, Risikospiele werden praktisch nie abgesagt.

2.3.2 Finanzielles Engagement der Verbände

Auf Druck der Innenministerkonferenz erhöhten der DFB und die DFL ihr Budget für Sicherheit und Präventionsarbeit ab der Saison 2013/2014 von 2,8 Mio. Euro auf 10 Mio. Euro jährlich. Hierfür sollten Mittel aus der Vermarktung von Fußballübertragungsrechten eingesetzt werden. Die Innenministerkonferenz wollte im Gegenzug darauf verzichten, einen Kostenersatz anzustreben.

Von den 10 Mio. Euro wollten der DFB und die DFL die Hälfte für konkrete Fanprojekte einsetzen. Über die Verwendung der restlichen 5 Mio. Euro sollte noch entschieden werden. Deshalb billigte die Innenministerkonferenz noch im Dezember 2013 dem DFB und der DFL mehr Zeit für die Umsetzung der Sicherheitsmaßnahmen zu. Die Zweckmäßigkeit der Maßnahmen, ihre Auswirkungen und deren Effektivität für die Reduzierung der gewalttätigen Ausschreitungen wurden bisher nicht nachgewiesen.

2.4 Wirtschaftliche Situation des Profifußballs

Die 1. Bundesliga ist die zweitumsatzstärkste Liga in Europa. Ihr Umsatz verdoppelte sich innerhalb von zehn Jahren und lag in der Saison 2012/2013 bei 2,2 Mrd. Euro. Der Umsatz der drei Profiligen zusammen lag bei 2,7 Mrd. Euro.

Haupteinnahmequellen sind die mediale Verwertung der Spiele sowie Werbe- und Spieltageerlöse.

2.5 Rechtliche Möglichkeiten für einen Polizeikostenersatz

In den Veranstaltungsstätten (z. B. Stadien, Open-Air-Arenen, Festzelten) sorgen üblicherweise die Veranstalter im Rahmen ihres Hausrechts mit eigenen Maßnahmen und Ordnern für die Sicherheit. Dennoch ist bei Ausschreitungen im „Innenbereich“, vor allem bei Fußballveranstaltungen, häufig der Einsatz von Polizei unverzichtbar. Sicherheitsmaßnahmen außerhalb der Veranstaltungsstätten, u. a. an öffentlichen Straßen, Busparkplätzen und Bahnhöfen, obliegen der Polizei. Reichen die Kräfte, die den Grundschutz sicherstellen, nicht aus, müssen zusätzliche Polizeikräfte bereitgestellt werden. Die erhöhte Polizeipräsenz ist für die Veranstalter von Vorteil, da die Polizei z. B. eine pünktliche An- und Abreise aller Zuschauer ermöglicht oder ihnen einen sicheren Zugang und Abgang zum und vom Veranstaltungsgelände gewährleistet. Ohne eine erhöhte Polizeipräsenz ließen sich z. B. Fußballspiele mit besonderen Sicherheitsrisiken nicht wie geplant durchführen. Die Kosten hierfür trägt bisher die Allgemeinheit.

Die Gewährleistung der inneren Sicherheit im öffentlichen Raum und gegebenenfalls im Stadion ist originäre polizeiliche Aufgabe. Diese Aufgabe wird als öffentliches Gut bzw. Allgemeingut steuerfinanziert. Gleichwohl ist es rechtlich möglich und unter verschiedenen Aspekten geboten, den Veranstalter finanziell heranzuziehen. Indem die Polizei die öffentliche Sicherheit im und um das Stadion gewährleistet, dient sie unmittelbar dem wirtschaftlichen Interesse der Vereine und der DFL. Im Profifußball generieren die Veranstalter daraus einen beachtlichen finanziellen Vorteil. Kommerzielle Großveranstaltungen werden gewinnorientiert durchgeführt. Bei erheblichen Einnahmen sollten die Kosten für präventive polizeiliche Maßnahmen, die über den üblichen polizeilichen Grundschutz hinausgehen, dem Veranstalter ganz oder teilweise auferlegt werden. Eine dazu notwendige rechtliche Regelung fällt in die Entscheidungskompetenz der Länder. Mehrere Länder befürworten die Einführung einer Polizeikostenerstattung bei kommerziellen Großveranstaltungen. Sie haben bislang zugunsten einer bundeseinheitlichen Lösung darauf verzichtet. Da die Innenministerkonferenz sich jedoch nicht auf eine Kostenerstattung einigen konnte, sollte der Landesgesetzgeber nicht länger zuwarten, sondern initiativ werden.

Rechtlich kommen zwei Möglichkeiten in Betracht: die Wiedereinführung einer gesetzlichen Regelung entsprechend dem früheren Polizeigesetz oder auf Basis des Gebührenrechts. Die alte Regelung des damaligen § 81a Polizeigesetz begegnet aus heutiger Sicht einer Reihe von Einwänden und sollte daher nicht aufgegriffen werden. Eine Gebührenregelung wäre verwaltungsökonomischer. Sie würde dem Veranstalter als Gebührenschuldner mehr Rechtssicherheit und Berechenbarkeit bieten. Bei Fußballspielen wäre der ausrichtende Verein Gebührenschuldner. Bei Profifußballspielen der Bundesliga und der 2. Bundesliga könnte auch die DFL herangezogen werden.

Die Gebühr sollte als Rahmengebühr ausgestaltet werden. Dabei könnte gewürdigt werden, dass der Sport letztlich auch ein allgemeines Anliegen der Bevölkerung ist.

Eine angemessene Rahmengebühr würde es ermöglichen, Ligen und Vereine in die Pflicht zu nehmen, und so ein stärker auf die Sicherheitsbelange abgestimmtes Vorgehen zu erreichen.

Wenn eine entsprechende Rechtsgrundlage geschaffen ist, sind die Polizeibehörden jedoch nicht verpflichtet, Gebührenbescheide zu erlassen. Sie könnten im Vorfeld von Veranstaltungen mittels öffentlich-rechtlicher Verträge mit kommerziellen Großveranstaltern die Berechnung und die Höhe der Polizeikostenerstattung regeln. Im Schrifttum wird ein solcher Vertrag auch dann als zulässig erachtet, wenn keine gebührenrechtliche Grundlage für die Erstattung der Polizeikosten besteht.

2.6 Bewertung

Die vom Innenministerium verlautbarten Kosten für Polizeieinsätze bei Fußballspielen liegen deutlich unter den tatsächlichen Kosten.

Bei Profifußballspielen besteht ein besonderes Spannungsverhältnis zwischen dem wirtschaftlichen Nutzen für die Veranstalter und der Belastung der Allgemeinheit mit Polizeieinsatzkosten. Nur für den Profifußball geht der notwendige Polizeieinsatz zum Teil weit über den üblichen Grundschutz der Polizei bei sonstigen Großveranstaltungen hinaus.

Auch in anderen Wirtschaftszweigen werden Gebühren erhoben, wenn Sicherheitskräfte über das normale Maß hinaus in Anspruch genommen werden, wie z. B. bei der polizeilichen Begleitung von Großraum- und Schwertransporten oder der Luftsicherheitsgebühr. Die Rechtsprechung hat die Zulässigkeit solcher Gebühren bestätigt.

Die Aufwendungen für einen Polizeikostenersatz wären im Verhältnis zu den Etats der Profivereine tragbar.

3 Empfehlungen

3.1 Gebührenrechtliche Ermächtigungsgrundlage schaffen

In einem ersten Schritt sollte in Baden-Württemberg eine gebührenrechtliche Ermächtigungsgrundlage als Rahmengebühr für einen Polizeikostenersatz geschaffen werden. Ersatzpflichtig sollten die Sicherheitsmaßnahmen sein, die über das normale Maß von Polizeieinsätzen hinausgehen.

3.2 Einsatzzeiten und Kosten vollständig dokumentieren

Die Einsatzzeiten und die einsatzbedingten Mehrkosten sollten zumindest bei kommerziellen Großveranstaltungen mit ständig hohen Belastungen der Polizei (z. B. Fußballspiele der Profiligen) künftig vollständig und transparent dokumentiert werden.

3.3 Präventionsmaßnahmen konsequent umsetzen

Zur besseren Gewaltprävention werden folgende Maßnahmen empfohlen:

  • Wenn die Vereine nicht ausreichend Stadionverbote aussprechen, sollte das Innenministerium darauf hinwirken, polizeibekannten Störern und Gewalttätern auf Basis des Polizeigesetzes den Aufenthalt auf dem Stadiongelände zu untersagen.

 

  • Das Innenministerium sollte über die Polizeibehörden veranlassen, im Stadion das Alkoholverbot konsequenter durchzusetzen.

 

  • Das Innenministerium sollte auf eine besser mit der Polizei abgestimmte Spieltageplanung hinwirken. Die Absetzung von Hochrisiko-Spielen sollte nicht länger tabu sein.

3.4 Verwendung und Wirkung der von Fußballverbänden zugesagten Mittel für Gewaltprävention nachweisen lassen

Das Innenministerium sollte die Innenministerkonferenz auffordern, sich von den Fußballverbänden jährlich die Verwendung und die Wirkung der für die Gewaltprävention zugesagten 10 Mio. Euro konkret nachvollziehbar belegen zu lassen.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Innenministerium sieht es nicht als sachgerecht an, den Veranstaltern von Fußballspielen Gebühren für polizeiliche Maßnahmen im öffentlichen Raum aufzuerlegen. Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit sei Kernaufgabe des Staates. Erwägenswert erscheine aber eine auf die Kosten für polizeiliche Unterstützungen bei der Erfüllung von Veranstalterpflichten im und um das Stadion beschränkte Regelung. Das Innenministerium will sich darüber hinaus für die Errichtung einer unabhängigen zentralen Stelle für privatrechtliche Stadionverbote einsetzen, um eine bundesweite einheitliche Praxis zu gewährleisten. Privatrechtliche Stadionverbote seien effektiver und leichter durchsetzbar. Zudem sei die Schaffung einheitlicher Standards für Alkoholausschank sinnvoll. Landesinteressen bei der Spieltagsplanung seien künftig stärker zu berücksichtigen und bei kräfteintensiven Einsatzlagen auch Terminverschiebungen bzw. Neuansetzungen notwendig. Ein jährlicher Nachweis über die Verwendung der zugesagten Geldmittel für Fanarbeit werde angestrebt.

5 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof erachtet es - neben seinen anderen Empfehlungen - als wichtig, eine gebührenrechtliche Ermächtigungsgrundlage zu schaffen. Sie ist die Voraussetzung dafür, dass der polizeiliche Sondernutzen für kommerzielle Großveranstaltungen von den Veranstaltern zumindest teilweise finanziell mitgetragen wird. Wenn es darüber hinaus im Vorfeld gelingt, eine Kostenerstattung auf freiwilliger Basis auszuhandeln, wäre allen Seiten gedient. Hierbei sollte den Fußballverbänden und Vereinen deutlich gemacht werden, dass durch ein gemeinsames, konsequentes Vorgehen mit den Polizeibehörden (Strafverfolgung, Stadionverbote, Alkoholverbote, Geltendmachung von Schadensersatz bei den Tätern usw.) die Chance bestünde, die Zahl gewalttätiger Ausschreitungen einzudämmen. Infolgedessen könnten sich die Einsatzkosten mittelfristig verringern.


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Einzelplan 05: Justizministerium

Die Gerichtsvollzieher erhalten neben ihrer Besoldung prozentuale Anteile der Vollstreckungsgebühren. Das Justizministerium hat diese Anteilsregelung bislang noch nicht an das 2013 novellierte Gebührenrecht des Bundes angepasst. Dadurch entsteht für das Land ein vermeidbarer Aufwand von 3,8 Mio. Euro jährlich.

Der Personalbedarf der Gerichtsvollzieher wird nach veralteten Maßstäben ermittelt und muss überprüft werden.

Eine vollständige Gegenfinanzierung der für 2016 vorgesehenen Ausbildungsreform ist auf Dauer sicherzustellen.


1 Ausgangslage

Der Gerichtsvollzieher ist ein Vollstreckungs- und Zustellungsorgan der Rechtspflege. Er erhält derzeit in Baden-Württemberg als Beamter des mittleren Dienstes eine Besoldung nach den Besoldungsgruppen A 8 bis A 9 mit Zulage. Baden-Württemberg führt für Gerichtsvollzieher als bisher einziges Land ab 2016 ein Fachhochschulstudium ein. Parallel wird für die Gerichtsvollzieher eine Sonderlaufbahn des gehobenen Dienstes nach den Besoldungsgruppen A 9 bis A 11 geschaffen.

Die Gerichtsvollzieher müssen selbst Büropersonal beschäftigen und ein Büro betreiben. Für ihre Personal- und Sachaufwendungen erhielten die Gerichtsvollzieher bis 2010 zusätzlich zu ihrer Besoldung eine nachweisfreie Aufwandsentschädigung, die sogenannte Bürokostenentschädigung. Weiter bezogen sie als Leistungsanreiz eine Vollstreckungsvergütung.

Baden-Württemberg hat die Bürokostenentschädigung und die Vollstreckungsvergütung ab 2011 zu einer Gerichtsvollziehervergütung zusammengefasst. Daneben erhalten die Gerichtsvollzieher einen Auslagenersatz (z. B. Wegegeld). Abbildung 1 zeigt die Leistungen an die Gerichtsvollzieher nach dem alten und dem neuen Modell.

Beitrag 8 Abb. 1

Im Staatshaushaltsplan 2015 sind 532 Stellen für Gerichtsvollzieher etatisiert. 2013 waren 507 Gerichtsvollzieher tatsächlich im Einsatz. 2000 und 2001 wurden wegen zusätzlicher Aufgaben und der damit verbundenen höheren Geschäftsbelastung 65 zusätzliche Stellen geschaffen. Zwischen 2002 und 2012 ging die Geschäftsbelastung um 27 Prozent zurück. Seither wurden nur fünf Stellen wieder abgebaut. Die 2013 in Kraft getretene Reform der Sachaufklärung hat die Aufgabenstellung und die Verfahrensabläufe der Gerichtsvollzieher erneut verändert. Die damit verbundenen Auswirkungen auf den Personalbedarf sind noch nicht bekannt.

Der Bundesgesetzgeber hat die Vollstreckungsgebühren zum 01.08.2013 um 30 Prozent erhöht. Auch nach dieser Gebührenerhöhung ist im Gerichtsvollzieherbereich für das Land ein jährliches Defizit von über 25 Mio. Euro zu erwarten. Dieses Defizit ergibt sich aus dem Saldo der Gebühreneinnahmen (einschließlich Auslagen) und der Ausgaben (Brutto-Personalkosten, Gerichtsvollziehervergütung und Auslagen. Die Brutto-Personalkosten enthalten Bezüge, Beihilfe, kalkulatorische Versorgungszuschläge, Personalnebenkosten, Leitung und Aufsicht sowie Gemeinkosten auf der Basis der VwV-Kostenfestlegung).

Der Rechnungshof hat das neue Vergütungssystem, den Personaleinsatz und die Auswirkungen der Ausbildungsreform geprüft.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Vergütung der Gerichtsvollzieher

2.1.1 Bürokostenentschädigung und Vollstreckungsvergütung (Altes Modell: in Baden-Württemberg bis 2010)

Bis Ende 2010 erhielten die Gerichtsvollzieher nach einem bundeseinheitlichen Modell zu ihrer Besoldung die nebeneinander stehende Vollstreckungsvergütung und die Bürokostenentschädigung. Dieses Modell wurde von mehreren Finanzministerien und Rechnungshöfen kritisiert, weil die Gerichtsvollzieher deutlich geringere Personalausgaben hatten, als sie über die Bürokostenentschädigung bezogen.

Auch das Bundesverwaltungsgericht stellte in seinem Urteil vom 19.08.2004 (Az.: BVerwG 2 C 41.03) fest, dass die Bürokostenentschädigung eine reine Aufwandsentschädigung sei und daher die Kostenerstattung realitätsnah an den tatsächlich entstehenden Kosten ausgerichtet werden müsse.

Eine mit Vertretern von Finanzministerien, Justizministerien und Rechnungshöfen besetzte Arbeitsgruppe entwickelte ein einheitliches Modell einer rechtskonformen Bürokostenentschädigung, die sogenannte Musterverordnung.

Die am 01.09.2006 in Kraft getretene Föderalismusreform erweiterte die Gesetzgebungskompetenz der Länder im Besoldungs- und Versorgungsrecht. Das Justizministerium Baden-Württemberg nutzte die Möglichkeit und verfolgte das Modell der Musterverordnung nicht weiter. Es entwickelte ein Modell, das anstelle der Bürokostenentschädigung und der Vollstreckungsvergütung eine zusammengefasste Gerichtsvollziehervergütung vorsieht.

Abbildung 2 zeigt die derzeit in den Ländern bestehenden, unterschiedlichen Modelle für die Bürokosten und die Gebührenbeteiligung der Gerichtsvollzieher.

Beitrag 8 Abb. 2

2.1.2 Gerichtsvollziehervergütung (Vergütungsmodell in Baden-Württemberg seit 2011)

Die Gerichtsvollziehervergütung löste zum 01.01.2011 das frühere Modell der nebeneinander stehenden Vollstreckungsvergütung und der Bürokostenentschädigung ab. Der Gerichtsvollzieher erhält neben seinen monatlichen Beamtenbezügen eine Vergütung in Form prozentualer Anteile seiner eingenommenen Vollstreckungsgebühren. Diese Anteile liegen je nach Höhe der Vollstreckungsgebühren zwischen 62 und 70 Prozent. Mit der Gerichtsvollziehervergütung sind die Kosten des Gerichtsvollziehers für einen Bürobetrieb, die Beschäftigung einer Bürokraft sowie sämtliche sonst für die Gerichtsvollziehertätigkeit typischen Aufwendungen zu bestreiten. Die neue Gerichtsvollziehervergütung ist nicht als Aufwandsentschädigung ausgestaltet und wird nachweisfrei gewährt.

Das Land zahlte 2013 Gerichtsvollziehervergütungen von 14,3 Mio. Euro. Im Durchschnitt erhielt jeder Gerichtsvollzieher zusätzlich zur Besoldung eine jährliche Vergütung von 28.144 Euro.

Das damalige Finanzministerium und das Justizministerium vereinbarten für das Vergütungsmodell in Baden-Württemberg zunächst folgende Eckpunkte:

  • Eine Mehrbelastung für den Landeshaushalt sollte vermieden werden. Hierzu wurde zunächst ein sogenanntes Finanzierungsdefizit von 11 Mio. Euro festgelegt, das nicht überschritten werden sollte. Dieses Finanzierungsdefizit ergibt sich aus den Gebühreneinnahmen abzüglich der Personalkosten (Bezüge und Beihilfe nach der VwV-Kostenfestlegung) und der Gerichtsvollziehervergütung.

 

  • Die Gerichtsvollziehervergütung sollte durch einen prozentualen Mindest-anteilssatz der Gebühren mit mehreren Erhöhungsstufen auf Basis des festgestellten Finanzierungsdefizits festgelegt werden.

 

  • Eine künftige Verringerung des Finanzierungsdefizits (Effizienzrendite) soll je zur Hälfte dem Landeshaushalt und den Gerichtsvollziehern zu Gute kommen.

Damit möglichst kein Gerichtsvollzieher durch die neue Vergütungsregelung finanzielle Einbußen erleidet, wurden in den weiteren Verhandlungen der Mindestanteilssatz und die Erhöhungsstufen der Gerichtsvollziehervergütung gegenüber den ursprünglich geplanten Werten erhöht. Das bisherige Finanzierungsdefizit von 11 Mio. Euro stieg dadurch auf 12 Mio. Euro.

Mit der seit 2011 geltenden nachweisfreien Gerichtsvollziehervergütung hat das Justizministerium nicht nur das Niveau der früheren, überhöhten Kostenerstattung zementiert. Die neue Gerichtsvollziehervergütung führt auch zu einer höheren Belastung für den Landeshaushalt.

2.1.3 Überprüfung und Anpassung der Gerichtsvollziehervergütung

Da die Auswirkungen des neuen Vergütungsmodells nicht absehbar waren, wurde in § 68 Absatz 3 LBesGBW eine Überprüfung der Vergütungsregelung gesetzlich normiert. Demnach ist die Vergütungsregelung bei wesentlichen Änderungen der für ihre Festsetzung maßgeblichen Umstände, längstens nach einem Erfahrungszeitraum von drei Jahren zu überprüfen.

Mit dem zum 01.08.2013 in Kraft getretenen Kostenrechtsmodernisierungsgesetz sind die Vollstreckungsgebühren der Gerichtsvollzieher bundesweit um 30 Prozent angehoben worden. Die Gerichtsvollziehervergütung errechnet sich aus prozentualen Anteilen der Vollstreckungsgebühren. Die erhöhten Vollstreckungsgebühren hatten die zwangsläufige Folge, dass bei gleichbleibendem Geschäftsanfall die Gerichtsvollziehervergütung in Baden-Württemberg in entsprechendem Umfang steigt. Eine Überprüfung und Anpassung der Gerichtsvollziehervergütung war nach der gesetzlichen Vorgabe ab dem 01.08.2013 geboten.

Das Justizministerium Baden-Württemberg passte jedoch die Vergütung bisher nicht an. Es begann 2014 mit einer Evaluation, die Mitte 2015 abgeschlossen sein soll. Das Justizministerium ging durch die Gebührenerhöhung von jährlichen Mehreinnahmen im Landeshaushalt von 6 Mio. Euro aus. Bei einem durchschnittlichen Gebührenanteil der Gerichtsvollzieher von 63,4 Prozent führt die unterbliebene Anpassung seit 01.08.2013 zu jährlichen Mehrausgaben an die Gerichtsvollzieher von 3,8 Mio. Euro.

Die Einnahmen aus Vollstreckungsgebühren (einschließlich Auslagen) des Landes sind zwischen 2012 und 2014 um 23 Prozent gestiegen. Die Höhe der 2014 gezahlten Gerichtsvollziehervergütung ist noch nicht bekannt.

2.2 Personaleinsatz

Der Personalbedarf der Gerichtsvollzieher wird seit 1962 nach dem bundeseinheitlichen „Bad Nauheimer Schlüssel“ berechnet. Seither wurde der Schlüssel in Einzelfällen an Gesetzesänderungen angepasst. Eine Anpassung an die grundlegend veränderten technischen Arbeitsbedingungen der Gerichtsvollzieher fand bisher jedoch nicht statt.

Der Rechnungshof hatte das Justizministerium bereits 2003 darauf hingewiesen, dass der „Bad Nauheimer Schlüssel“ überarbeitet werden muss. Die fehlende Anpassung an die technologische Entwicklung, die unrealistischen Belastungszahlen und die häufig unzureichende Beschäftigung von Bürokräften waren bereits in der Vergangenheit starke Indizien dafür, dass der Schlüssel deutlich überhöht war. Eine Geschäftsbelastung von über 100 Prozent nach dem „Bad Nauheimer Schlüssel“ bedeutet nicht, dass ein Gerichtsvollzieher überlastet ist.

Die Geschäftsbelastung der Gerichtsvollzieher erreichte 1999 mit 176,9 Prozent einen Höchstwert. 2000 und 2001 wurden zur Kompensation der Überlast 65 Stellen geschaffen. 2002 sank die Geschäftsbelastung auf 158,7 Prozent. 2012 betrug die Belastung der Gerichtsvollzieher noch 116,1 Prozent. Trotz des Rückgangs der Geschäftsbelastung um 27 Prozent von 2002 bis 2012 wurden bislang nur fünf Gerichtsvollzieherstellen wieder abgebaut.

Spätestens seit der 2013 in Kraft getretenen Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung bildet der „Bad Nauheimer Schlüssel“ die tatsächliche Belastung der Gerichtsvollzieher nicht mehr ab. In der Gesetzesbegründung wurde ein Mehrbedarf von 21 Prozent geschätzt. Auch die für die Personalbemessung in der Justiz gebildete Bundespensenkommission geht davon aus, dass die Belastung derzeit nicht richtig abgebildet wird. Da keine aktuelle analytische Personalbedarfsberechnung vorlag, erhöhte sie den Personalbedarf wegen der Reform übergangsweise um 10 Prozent. Das Justizministerium Baden-Württemberg will 2015 eine Organisationsuntersuchung mit einer Personalbedarfsberechnung durchführen.

2.3 Ausbildung der Gerichtsvollzieher

Die Landesregierung hat im Juni 2014 eine Ausbildungsreform bei den Gerichtsvollziehern beschlossen. Baden-Württemberg ist bislang das einzige Land, das die Ausbildung auf ein Fachhochschulstudium umstellt. Der erste Studienjahrgang des Gerichtsvollzieherstudiums soll 2016 beginnen. Mit der Einrichtung des Fachhochschulstudiums wird für die Gerichtsvollzieher, die bislang in A 8 bis A 9 mit Zulage mittlerer Dienst eingestuft sind, auch eine Sonderlaufbahn des gehobenen Dienstes in den Besoldungsgruppen von A 9 bis A 11 eingeführt.

Durch die Ausbildungsreform sollte der Gesamthaushalt nicht belastet werden. Der jährliche Gesamtfinanzierungsbedarf beträgt nach Berechnungen des Justizministeriums 3,69 Mio. Euro und bezieht sich auf den Endausbau in 30 Jahren.

Der Gesamtfinanzierungsbedarf berücksichtigt nicht die Mehrkosten für die höhere Versorgung, sondern deckt lediglich Besoldungsmehrkosten ab.

Die Ausbildungsreform soll zu einem großen Teil aus der hälftigen Effizienzrendite gedeckt werden, die sich aus dem neuen Gerichtsvollziehervergütungsmodell ergeben sollte.

Nach Ansicht des Rechnungshofs steht für die Gegenfinanzierung der Ausbildungsreform keine Effizienzrendite aus der Vergütungsregelung zur Verfügung. Das Finanzierungsdefizit wurde mit 12 Mio. Euro auf einen überhöhten Betrag festgelegt. Das Justizministerium muss die vollständige Gegenfinanzierung auf Dauer innerhalb des Systems durch andere Maßnahmen sicherstellen. Beim Mehraufwand sind die Versorgungskosten einzubeziehen.

3 Empfehlungen

3.1 Gerichtsvollziehervergütung reduzieren

Bei der Gerichtsvollziehervergütung müssen die Vergütungsanteilssätze unverzüglich herabgesetzt werden. Seit 01.08.2013 erhalten die Gerichtsvollzieher jährlich eine um 3,8 Mio. Euro höhere Gerichtsvollziehervergütung.

3.2 Personalbedarf ermitteln

Das Justizministerium sollte den Personalbedarf mit der angekündigten Organisations- und Personalbedarfsuntersuchung alsbald ermitteln. Dabei muss überprüft werden, ob Gerichtsvollzieherstellen eingespart werden können.

3.3 Gegenfinanzierung der Ausbildungsreform sicherstellen

Das Justizministerium sollte die von ihm beabsichtigte vollständige Gegenfinanzierung der Ausbildungsreform sicherstellen. Hierbei sind auch die Versorgungskosten zu berücksichtigen. Die Anteilssätze der Gerichtsvollziehervergütung für Gerichtsvollzieher in der neu eingeführten Laufbahn sollten von Beginn an herabgesetzt werden.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Justizministerium weist darauf hin, dass eine Überprüfung und etwaige Anpassung der Gerichtsvollziehervergütung frühestens Mitte 2015 erfolgen könne. Erst dann lägen aus der 2014 begonnenen Evaluation belastbare Zahlen vor. Es müsse auch berücksichtigt werden, wie sich die Ausgaben der Gerichtsvollzieher entwickelt hätten. Weiter müsse die Entwicklung in anderen Ländern hinsichtlich des Personaleinsatzes und der finanziellen Leistungen an die Gerichtsvollzieher in eine Bewertung einfließen. Da die Vollstreckungsgebühren regelmäßig etwa alle zehn Jahre angepasst würden, müssten die Gebührenanteilssätze den Gerichtsvollziehern Planungssicherheit bieten und so lange kostendeckend sein.

Zum Personaleinsatz weist das Justizministerium auf die geplante Organisationsuntersuchung hin, mit der eine landesspezifische, analytische Personalbedarfsberechnung durchgeführt werden soll.

Das Justizministerium hält an dem mit dem Ministerium für Finanzen und Wirtschaft vereinbarten Finanzierungsdefizit fest und sieht die Gegenfinanzierung des neuen Ausbildungsmodells als gesichert an. Zur weiteren Gegenfinanzierung sollen die teilweise Ruhegehaltsfähigkeit der Gerichtsvollziehervergütung für Absolventen der Fachhochschule entfallen sowie eventuell die Gebührenanteilssätze der Fachhochschulabsolventen gesenkt werden.


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Anhänge

Im Justizvollzug stehen landesweit 7.629 Haftplätzen nur 6.754 Gefangene gegenüber. Das Haftplatzentwicklungsprogramm sollte zeitnah an die seit 2003 um 21 Prozent gesunkenen Gefangenenzahlen angepasst werden. Hierbei können mindestens noch 500 Haftplätze im geschlossenen und offenen Vollzug abgebaut werden.

In den offenen Vollzugseinrichtungen waren 2014 von 1.148 Haftplätzen nur 829 belegt. Einrichtungen mit 200 Haftplätzen sollten geschlossen und entsprechend Personal abgebaut werden.


1 Ausgangslage

Baden-Württemberg verfügte 2014 über 17 Justizvollzugsanstalten mit 22 Außenstellen. Darunter waren 26 Einrichtungen des offenen Vollzugs und des Freigangs (offene Vollzugseinrichtungen).

Zum 01.01.2015 standen landesweit 7.629 Haftplätze (ohne Jugendarrest) zur Verfügung. Davon entfielen 6.481 Haftplätze auf den geschlossenen und 1.148 Haftplätze auf den offenen Vollzug.

Die 26 offenen Vollzugseinrichtungen können in drei Vollzugsformen eingeteilt werden:

  • 3 Einrichtungen des originären offenen Vollzugs, in die Gefangene direkt zur Verbüßung einer Freiheitsstrafe geladen werden.

 

  • 7 Einrichtungen des offenen Vollzugs zur Vorbereitung auf die Entlassung. Die Gefangenen werden regelmäßig aus dem geschlossenen Vollzug heraus in den offenen Vollzug verlegt.

 

  • 16 Einrichtungen des Freigangs. Dort gehen die Gefangenen einer Beschäftigung außerhalb der Anstalt nach.

Der Rechnungshof hat den landesweiten Haftplatzbedarf und die Auslastung der offenen Vollzugseinrichtungen geprüft.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Haftplatzbedarf

2.1.1 Gefangenenzahlen

Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der Gefangenenzahlen in Baden-Württemberg von 1990 bis 2014. Darin sind die Gefangenen des geschlossenen und des offenen Vollzugs enthalten.

Beitrag 9 Abb. 1

Die Gefangenenzahlen sanken seit 2003 kontinuierlich von 8.559 auf 6.754. Dies entspricht einem Rückgang um 21 Prozent.

2.1.2 Planungen des Justizministeriums

Die Landesregierung beschloss 2007 das Haftplatzentwicklungsprogramm „Justizvollzug 2015“. Ein wesentlicher Punkt des Programms bestand darin, neue, verfassungskonforme Haftplätze zu schaffen. Eine Prognose des künftigen Haftplatzbedarfs war im Programm nicht enthalten. Die im Programm im Planungszeitraum bis 2015 vorgesehenen Baumaßnahmen hätten im Endausbau zu 9.100 Haftplätzen geführt.

Der Landtag beschloss am 26.02.2014, im Zuge der Beratung des Denkschriftbeitrags zur Justizvollzugsanstalt Offenburg (Denkschrift 2013, Beitrag Nr. 10), die Landesregierung zu ersuchen, das Haftplatzentwicklungsprogramm fortzuschreiben. Dabei sollten die gesunkenen Gefangenenzahlen berücksichtigt werden. Die Landesregierung legte in ihrer Stellungnahme keine detaillierte Fortschreibung des Programms vor. Es wurden weder die geplanten Haftplätze beziffert, noch die Gefangenenzahlen prognostiziert. Der Spielraum für die Konsolidierung der Vollzugslandschaft hänge weit überwiegend von der Schaffung der in der Mitte des südlichen Landesteils erforderlichen neuen Haftplätze ab. Zunächst sei die Standortsuche für die neue Justizvollzugsanstalt fortzusetzen (Landtagsdrucksache 15/6168).

Das Justizministerium hat seine Planungen gegenüber dem Rechnungshof im Februar 2015 präzisiert. Der Rechnungshof hat auf der Basis der Belegungsfähigkeit zum 01.01.2015 die Auswirkungen auf den Haftplatzbedarf dargestellt. Darin sind die bis Ende 2015 voraussichtlich abgeschlossenen Baumaßnahmen sowie der Neubau einer Vollzugsanstalt im südlichen Landesteil mit 400 bis 500 Haftplätzen und die vorgesehenen Schließungen von Vollzugseinrichtungen berücksichtigt. Der Rechnungshof hat für diesen Neubau 500 Haftplätze zugrunde gelegt. Bei vollständiger Umsetzung der Maßnahmen stünden dann landesweit 7.954 Haftplätze im offenen und geschlossenen Vollzug zur Verfügung.

In Abbildung 2 werden die Belegungsfähigkeit zum 01.01.2015, die Planungen des Haftplatzentwicklungsprogramms 2007 und die Planungen des Justizministeriums 2015 den Gefangenenzahlen 2014 gegenübergestellt.

Beitrag 9 Abb. 2

Die durchschnittliche Belegung 2014 mit 6.754 Gefangenen liegt damit

  • 875 Gefangene unter der Belegungsfähigkeit zum 01.01.2015 und

 

  • 1.200 Gefangene unter den aktuellen Planungen des Justizministeriums.

Der nach Umsetzung der vom Justizministerium geplanten Maßnahmen bestehende Überhang von 1.200 Haftplätzen wird in Tabelle 1 getrennt nach den Vollzugsarten geschlossener und offener Vollzug dargestellt.

Beitrag 9 Tab. 1

In den vergangenen Jahren konnten im Bereich des geschlossenen Vollzugs durchschnittlich 150 Haftplätze wegen Sanierungsmaßnahmen vorübergehend nicht genutzt werden.

Das Justizministerium hat seit 1996 keine detaillierte Gefangenenprognose mehr erstellt. Die aktuelle Bevölkerungsvorausrechnung des Statistischen Landesamtes geht bis 2030 von einem Anstieg der Gesamtbevölkerung in Baden-Württemberg um 1,7 Prozent aus. Die Gefangenenpopulation hat jedoch einen Schwerpunkt in der Altersgruppe zwischen 21 und 30 Jahren. Wenn man die altersspezifische Gefangenenpopulation berücksichtigt, ist bis 2030 mit einem weiteren Rückgang der Gefangenen um 4,6 Prozent zu rechnen. Für den Rechnungshof sind keinerlei Anhaltspunkte erkennbar, dass die derzeitigen Gefangenenzahlen bis 2030 ansteigen werden.

Für 100 Haftplätze werden durchschnittlich 47 Bedienstete mit jährlichen Personalkosten von 2,4 Mio. Euro eingesetzt. Der Rechnungshof hält es angesichts dieser finanziellen Dimension für dringend geboten, dass das Justizministerium das Haftplatzentwicklungsprogramm - unabhängig von der Standortsuche für einen Neubau - unverzüglich fortschreibt. Grundlage sollte eine Prognose der künftigen Gefangenenzahlen sein. Die Belegungsfähigkeit und die Bauplanungen müssen an die gesunkenen Gefangenenzahlen angepasst werden. Wesentliches Ziel des Programms muss dabei sein, nicht benötigte Haftplätze durch die Schließung unwirtschaftlicher Vollzugseinrichtungen abzubauen. Nur so kann im Justizvollzug Personal eingespart werden.

Aktuell plant die Landesregierung in der Mitte des südlichen Landesteils den Neubau einer multifunktionalen Justizvollzugsanstalt mit 400 bis 500 Haftplätzen. Für den Neubau einer Justizvollzugsanstalt im Großraum Rottweil besteht quantitativ kein Bedarf. Soweit nach Ansicht des Justizministeriums ein Neubau aus vollzugsorganisatorischen oder wirtschaftlichen Gründen sinnvoll erscheint, sind im Gegenzug unwirtschaftliche Vollzugseinrichtungen in entsprechend größerem Umfang zu schließen. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sollte ein Neubau mindestens 500 Haftplätze umfassen.

2.1.3 Personelle Ausstattung der Justizvollzugsanstalten

Die personelle Ausstattung der Justizvollzugsanstalten erhöhte sich zwischen 1990 und 2014 von 3.307,5 auf 3.739,5 Stellen. Dies ist ein Zuwachs von 432 Stellen (+13 Prozent). Der Allgemeine Vollzugsdienst (AVD) konnte an dem Zuwachs mit 328,5 Stellen (75 Prozent) überproportional partizipieren. Die Relation AVD-Bedienstete je 100 Haftplätze verbesserte sich zwischen 1997 und 2014 von 29,7 auf 32,1 (+7 Prozent).

Aufgrund der gesunkenen Gefangenenzahlen stieg die Relation AVD-Bedienstete je 100 Gefangene zwischen 1990 und 2014 von 29,8 auf 36,3. Dies ist eine Steigerung um 22 Prozent.

Der Landtag hat bei den Beratungen des Staatshaushaltsplans 2015/2016 beschlossen, die rechtlichen, organisatorischen, finanziellen und personellen Rahmenbedingungen des Justizvollzugs in Baden-Württemberg insgesamt zu überprüfen. Die in den letzten Jahren um 22 Prozent verbesserte Betreuungsrelation AVD-Bedienstete je 100 Gefangene sollte hierbei nach Ansicht des Rechnungshofs berücksichtigt werden.

2.2 Einrichtungen des offenen Vollzugs und des Freigangs

Die Auslastung der offenen Vollzugseinrichtungen lag zwischen 2004 und 2014 auf niedrigem Niveau und ist tendenziell gesunken. Tabelle 2 zeigt die Belegungsfähigkeit und die durchschnittlichen Gefangenenzahlen der offenen Vollzugseinrichtungen in diesem Zeitraum.

Beitrag 9 Tab. 2

Die Belegungsfähigkeit wurde seit 2004 um 110 Haftplätze reduziert. 2014 erreichten die Belegung mit 829 Gefangenen und die Auslastung mit 72,2 Prozent Tiefststände. Die Auslastung lag seit 2004 nie höher als 81,3 Prozent.

2013 entstand in den offenen Vollzugseinrichtungen ein durchschnittlicher Aufwand für Sicherheit und Arbeit von 13.214 Euro je Gefangener. Der jährliche Aufwand lag in den einzelnen Einrichtungen zwischen 346 und 30.735 Euro je Gefangener.

Die höchsten Aufwände aller offenen Vollzugseinrichtungen entstanden in den Einrichtungen zur Vorbereitung auf die Entlassung. Darunter waren insbesondere Einrichtungen mit landwirtschaftlichen Betrieben.

Seit 2004 waren im offenen Vollzug immer mindestens 235 Haftplätze nicht belegt. 2014 waren es sogar 319 Haftplätze.

Der Rechnungshof hatte dem Justizministerium empfohlen, sechs Einrichtungen des offenen Vollzugs mit insgesamt 200 Haftplätzen zu schließen. Das Justizministerium hat zwischenzeitlich zwei Einrichtungen des offenen Vollzugs mit 96 Haftplätzen geschlossen.

3 Empfehlungen

3.1 Haftplatzentwicklungsprogramm zeitnah fortschreiben

Das Haftplatzentwicklungsprogramm sollte zeitnah fortgeschrieben werden. Angesichts der gesunkenen Gefangenenzahlen stehen dabei nicht mehr der quantitative Ausbau, sondern der Abbau von Haftplätzen und die Schließung unwirtschaftlicher Vollzugseinrichtungen im Fokus. Sofern ein Neubau im südlichen Landesteil realisiert werden soll, sind weitere Vollzugseinrichtungen in entsprechend größerem Umfang zu schließen.

3.2 Haftplätze in offenen Vollzugseinrichtungen abbauen

In den offenen Vollzugseinrichtungen können weitere 100 Haftplätze abgebaut werden. Dabei sollten unwirtschaftliche Einrichtungen geschlossen und entsprechend Personal reduziert werden. Der offene Vollzug sollte künftig im Haftplatzentwicklungsprogramm gesondert betrachtet werden.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Justizministerium hat wie folgt Stellung genommen:

  • Haftplatzbedarf

Die vom Rechnungshof angenommene Überkapazität im geschlossenen Vollzug sei nicht gegeben. Bei Realisierung eines Neubaus im Raum Rottweil solle der Zuwachs von maximal 146 Haftplätzen durch weitere Schließungen an anderer Stelle ausgeglichen werden. Die sogenannte Belegungsfähigkeit sei keine naturwissenschaftliche Größe, sondern werde durch wertende Gesichtspunkte beeinflusst. Um den Anteil an Einzelhafträumen von derzeit 71 Prozent auf den Länderdurchschnitt von 78 Prozent zu erhöhen, wolle das Justizministerium die Belegungsfähigkeit um 260 Haftplätze (Mehrfachhafträume) reduzieren. Des Weiteren bestehe ein Erfahrungswert von 150 Haftplätzen, die wegen Bautätigkeiten in den Anstalten regelmäßig nicht belegt werden könnten. Deshalb sei nicht von der vom Rechnungshof angenommenen Kapazität von 6.902 Haftplätzen im geschlossenen Vollzug auszugehen, sondern lediglich von 6.346 Haftplätzen. Aber auch diese Haftplätze seien nicht voll belegbar, da nach der kriminologischen Wissenschaft und der Vollzugspraxis eine Vollauslastung einer Vollzugsanstalt schon bei einer Belegung von 90 Prozent der Haftplätze vorliege. Somit stünden im geschlossenen Vollzug nur rund 5.700 belegbare Haftplätze einer durchschnittlichen Gefangenenzahl 2014 von 5.925 gegenüber. Im Ergebnis bestehe keine Überkapazität.

Eine Prognose der Gefangenzahlen sei nicht möglich. Eine weitere beträchtliche Abnahme der Gefangenenzahlen sei eher unwahrscheinlich.

  • Offener Vollzug

Das Justizministerium habe beschlossen, zum 01.05.2015 zwei Einrichtungen des offenen Vollzugs mit 96 Haftplätzen zu schließen. Die Belegungsfähigkeit sei gerade im offenen Vollzug das Ergebnis einer wertenden Betrachtung. Im offenen Vollzug seien nur 180 Einzelhafträume vorhanden. Eine Vollauslastung sei nicht möglich, weil die unterschiedlichen Vollzugsformen berücksichtigt werden müssten. Weitere Schließungen sollen im offenen Vollzug nicht vorgenommen werden.

  • Personal

Das Justizministerium bestätigt zwar, dass die Stellenzahl bei gesunkenen Gefangenenzahlen gestiegen sei. Für eine sachgerechte Beurteilung der Personalausstattung seien jedoch vor allem folgende Umstände von Bedeutung:

  • Der Gefangenrückgang wirke sich personell nicht aus, solange die Struktur der Anstalten nicht verändert werde.

 

  • Die Gefangenenpopulation sei deutlich schwieriger geworden.

 

  • Die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden sei vor allem wegen gestiegener Krankheitstage zurückgegangen.

 

  • Mehrbedarf durch Aufgabenzuwächse sei in den Bereichen Sicherheitstechnik, Sicherungsverwahrung, Hygiene, Arbeitssicherheit und Vorführaufwand entstanden.

 

  • Baden-Württemberg läge bei der Personalausstattung 10 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt.

Die personelle Ausstattung des baden-württembergischen Justizvollzugs werde nach dem Beschluss des Landtags vom 11.12.2014 durch eine Expertenkommission überprüft. Ohne dem Ergebnis der Kommission vorzugreifen, dürfte es nach Einschätzung des Justizministeriums ausgesprochen schwierig werden, die gewünschte Qualität des Justizvollzugs ohne zusätzliches Personal zu erreichen.

5 Schlussbemerkung

Ausgehend von 6.902 Haftplätzen und 5.925 Gefangenen besteht auch im geschlossenen Vollzug ein Überhang von zunächst 977 Haftplätzen. Wenn man die durch Baumaßnahmen regelmäßig nicht belegbaren 150 Haftplätze und die vom Justizministerium bei einem Neubau zugesagte Anstaltsschließung mit maximal 146 Haftplätzen berücksichtigt, verbleibt ein Überhang von 681 Haftplätzen. Zwar entsprechen die vom Justizministerium zum Abbau vorgesehenen 260 Haftplätze in Mehrfachhafträumen den Vorgaben der Rechtsprechung und des Justizvollzugsgesetzes. Gleichwohl hält es der Rechnungshof für vertretbar, die Belegungsfähigkeit entsprechend zu reduzieren. Die vom Justizministerium genannte weitere Reduzierung der Belegung auf 90 Prozent der grundsätzlich belegungsfähigen Haftplätze ist jedoch nicht gerechtfertigt.

Somit bestünde weiterhin ein Überhang von über 400 Haftplätzen im geschlossenen Vollzug. Wenn man die im offenen Vollzug noch abzubauenden 100 Haftplätze addiert, ergibt sich ein Gesamtüberhang von über 500 Haftplätzen.

Bei der Personalausstattung muss die seit 1990 um 22 Prozent verbesserte Relation AVD-Bedienstete zu Gefangenen tendenziell auch zu einer Personalreduzierung führen. Dieses Potenzial kann grundsätzlich nur bei Schließung unwirtschaftlicher Vollzugseinrichtungen realisiert werden. Zu den vom Justizministerium angeführten weiteren Umständen, die für eine sachgerechte Beurteilung der Personalausstattung von Bedeutung sind, wird bemerkt:

  • Bei den geleisteten Arbeitsstunden werden die gestiegenen Krankheitstage durch die erhöhte Arbeitszeit von 38,5 auf 41 Wochenstunden zumindest kompensiert.

 

  • Dem angeführten personellen Mehraufwand durch Aufgabenzuwächse stehen erhebliche Rationalisierungseffekte durch die verbesserten Anstaltsstrukturen gegenüber. So hat das Land in den letzten Jahren mit hohem Aufwand neue Anstalten gebaut und unwirtschaftliche Klein-Anstalten geschlossen.

Der Rechnungshof geht davon aus, dass die eingerichtete Expertenkommission die vorstehenden Gesichtspunkte bei ihrer Bewertung der personellen Ausstattung des Justizvollzugs berücksichtigen wird. Soweit punktuell unter qualitativen Gesichtspunkten ein zusätzlicher Personalbedarf besteht, sollten hierfür zunächst die durch den Gefangenenrückgang abschöpfbaren Ressourcen eingesetzt werden.


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Anhänge

Einzelplan 06: Ministerium für Finanzen und Wirtschaft

Die Organisation des Ministeriums kann erheblich verschlankt werden. Aufgaben können gebündelt und eine Abteilung aufgelöst werden.

Das Ministerium setzt nahezu 10 Prozent langfristig abgeordnetes Personal aus dem nachgeordneten Geschäftsbereich ein. Es verschafft sich damit eine nicht im Stellenteil des Haushaltsplans des Ministeriums ausgewiesene zusätzliche Personalkapazität.

Der Rechnungshof sieht bei der Betreuung und Förderung der Wirtschaft im Ministerium ein Optimierungspotenzial von 14 Vollzeitäquivalenten.


1 Ausgangslage

1.1 Frühere Prüfungen

Im Zuge der Verwaltungsreform hat der Rechnungshof unter Beteiligung des Innenministeriums Baden-Württemberg 1999 und 2000 die Steuerungs- und Unterstützungsleistungen (= Querschnittsaufgaben) bei den neun Fachministerien des Landes Baden-Württemberg untersucht (Landtagsdrucksache 13/386).

2004 hat sich der Rechnungshof zur kostenorientierten Optimierung der Wirtschaftsförderung in Baden-Württemberg (Landtagsdrucksache 13/3641) geäußert.

1.2 Aktuelle Prüfung

Der Rechnungshof hat die Aufbauorganisation analysiert und die Querschnitts-, Fachaufgaben und Förderungen des Ministeriums untersucht. Für diese Bereiche hat er auf Grundlage von Aufgabenkatalogen den Personaleinsatz durch Selbsteinschätzung ermittelt und Kennzahlen gebildet. Der gesamte Personaleinsatz wurde unter personalwirtschaftlichen Gesichtspunkten analysiert und die ordnungsgemäße Abwicklung der haushalterischen Bewirtschaftungsprozesse geprüft. Die Untersuchung wurde ergänzt durch eine aufgabenkritische Betrachtung einzelner Fachaufgaben.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Ressourceneinsatz

Zum Zeitpunkt der Prüfung waren im Ministerium 713 Personen tätig, wovon 707 Beschäftige (655 Vollzeitäquivalente) an der Erhebung teilnahmen.

Die 655 Vollzeitäquivalente verteilen sich auf folgende Organisationseinheiten:

Beitrag 10 Tab. 1

Ausgenommen von der Erhebung waren der Minister, der Staatssekretär, die Ministerialdirektoren, der Europabeauftragte und der Beauftragte der Landesregierung für Mittelstand und Handwerk.

Im Ministerium sind zusätzlich 22 Vollzeitäquivalente externe Personalressourcen beim Landesbetrieb Competence Center (LCC) und im Gebäudebetrieb beschäftigt.

Daraus ergibt sich ein Gesamtpersonaleinsatz von 677 Vollzeitäquivalenten.

Die Aufgaben des Ministeriums wurden in drei Typen gegliedert:

  • Querschnittsaufgaben

Darunter fallen die Aufgabenbereiche Personal, Organisation, Finanzen, IT, Zentrale Ressortsteuerung und Controlling einschließlich Verwaltungsmodernisierung.

  • Förderungen

Diese umfassen die Aufgaben für Förderungen auf Grundlage des Fördercontrollings des Landes.

  • Fachaufgaben

Die Fachaufgaben umfassen alle Aufgaben des Ministeriums, soweit sie keine Querschnittsaufgaben oder Aufgaben im Zusammenhang mit Förderungen darstellen.

Für Vergleiche zwischen Ministerien hat der Rechnungshof die Querschnittsaufgaben unterteilt in

  • Querschnittsaufgaben, die ausschließlich für das eigene Ministerium (Dienststelle) erbracht werden (Querschnitt Ministerium) und

 

  • Querschnittsaufgaben, die für den Geschäftsbereich des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft oder die gesamte Landesverwaltung erbracht werden (Querschnitt andere). Im Ministerium für Finanzen und Wirtschaft sind dies insbesondere Aufgaben in den Bereichen Personal, Finanzen, NeStUL sowie Tarif, Besoldung und Versorgung.

Der Personaleinsatz im Ministerium verteilt sich wie folgt auf diese Aufgabentypen.

Beitrag 10 Tab. 2

Der Querschnittsanteil für das damalige Finanzministerium und das da-malige Wirtschaftsministerium selbst lag bei der Untersuchung des Rechnungshofs 2001 bei jeweils 34 Prozent. Im Vergleich dazu ist der Querschnittsanteil zurückgegangen.

2.2 Organisation

Der Rechnungshof hat die Aufbauorganisation analysiert und folgende Organisationsgrundsätze zugrunde gelegt:

  • Aufgaben mit unmittelbarem Sachzusammenhang sind in einer Abteilung zusammenzuführen.

 

  • Referate/Stabsstellen sollten eine bestimmte personelle Mindestgröße haben (Leitungsspannen).

 

  • Die Personalstärken der Abteilungen sollten sich innerhalb vertretbarer Bandbreiten bewegen.

 

  • Aufgaben sollten bei Organisationseinheiten mit abschließenden Entscheidungskompetenzen angesiedelt werden.

 

  • Stabsstellen sind auf das Notwendige zu begrenzen.

Der Rechnungshof hat Folgendes festgestellt:

2.2.1 Abteilung Grundsatz und Recht

In der Abteilung Grundsatz und Recht sind überwiegend Aufgaben zur politischen Steuerungsunterstützung, Haushalt für den Wirtschaftsteil des Ressorts und die Wirtschaftsförderungen sowie den Regiebetrieb des Hauses der Wirtschaft angesiedelt. Zwischen den Aufgaben der einzelnen Referate besteht kein unmittelbarer Sachzusammenhang. Die Aufgaben können auch anderen Organisationseinheiten zugeordnet werden.

2.2.2 Stabsstelle Neue Steuerung und Umwandlung von Landeseinrichtungen (NeStUL)

Die NeStUL bestand aus den Referaten Neue Steuerung, Kopfstelle, Fördercontrolling und Umwandlung und Errichtung von Landeseinrichtungen.

Die Organisation der Aufgaben der NeStUL als Stabsstelle ist aus dem Projekt Einführung Neuer Steuerungsinstrumente entstanden. Hauptgrund dafür waren die Projektorganisation und die seinerzeit festgelegten Entscheidungswege für das landesweite Projekt. Das Projekt ist abgeschlossen. Damit sind die Gründe für eine Stabsstellenorganisation entfallen. Die historisch gewachsenen Themen müssen nicht von der NeStUL weiterverfolgt werden.

Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft hat die Aufgaben der NeStUL nach Abschluss des Prüfungsverfahrens in die Abteilung 5 eingegliedert und die Stabsstelle aufgelöst.

2.3 Bewirtschaftung der Haushaltsmittel

Der Rechnungshof hat die Anordnung von Zahlungen und deren Umsetzung im Haushaltsmanagementsystem unter haushaltsrechtlichen Gesichtspunkten untersucht. Die Prüfung beschränkte sich auf die Befugnis zur Anordnung von Zahlungen.

Es wurden erhebliche Mängel bei den formalen Anforderungen an eine geordnete Haushalts- und Wirtschaftsführung festgestellt. Insbesondere die Prozesse zur elektronischen Anordnung von Zahlungen sind unzureichend geregelt und überwacht.

59 Mitarbeitende des Ministeriums verfügen über eine Berechtigung im Haushaltsmanagementsystem für die Freigabe von Zahlungsanordnungen, obwohl ihnen die haushaltsrechtliche Anordnungsbefugnis nicht übertragen wurde. Damit haben weitaus mehr Mitarbeitende die Berechtigung, Zahlungsanordnungen freizugeben, als es anordnungsbefugte Mitarbeitende gibt.

2.4 Personalausstattung

Für die Untersuchung der Entwicklung der Personalausstattung des Ministeriums von 2012 bis 2014 wurden die Haushaltsstellen und das tatsächlich eingesetzte Personal gegenübergestellt. Daraus wurde die Quote des abgeordneten Personals je Laufbahngruppe ermittelt.

Beitrag 10 Abb.

Im Betrachtungszeitraum waren durchschnittlich im gehobenen Dienst 37 Vollzeitäquivalente und im höheren Dienst 21 Vollzeitäquivalente des Gesamtpersonals jeweils länger als sechs Monate an das Ministerium abgeordnet. Dies entspricht im gehobenen Dienst 15 Prozent und im höheren Dienst 8 Prozent des Personaleinsatzes und erreicht damit die Personalstärke des Integrationsministeriums.

Das Ministerium gewinnt erhebliche Personalressourcen durch Abordnungen aus den nachgeordneten Geschäftsbereichen. Der tatsächliche Personaleinsatz spiegelt sich nicht im Haushaltsplan wider.

Ergänzend verweist der Rechnungshof auf den Beitrag Nr. 12 der Denkschrift 2010 zur Untersuchung des Landesbetriebs Vermögen und Bau Baden-Württemberg. Er hat dort darauf hingewiesen, dass eine Neuordnung dieses Bereiches auch zu Personaleinsparungen in der Vermögens- und Bauabteilung des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft führen muss.

2.5 Wirtschaftsförderung

Das Land verausgabt für die Wirtschaftsförderung je Jahr Haushaltsmittel in einer Größenordnung von 160 Mio. Euro. Daneben wendet das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft 14,7 Mio. Euro je Jahr an Sach- und Personalkosten für die Betreuung und Förderung der Wirtschaft auf. Hinzu kommen die Kosten der übrigen an der Wirtschaftsförderung beteiligten Institutionen innerhalb und außerhalb von Baden-Württemberg.

Für die Betreuung und Förderung der Wirtschaft setzt das Ministerium in mehreren Abteilungen insgesamt 141 Vollzeitäquivalente ein. Darin enthalten ist auch der Personaleinsatz für das Haus der Wirtschaft.

Damit fließt ein hoher Anteil staatlicher Ressourcen in einen Bereich, in dem die öffentliche Hand nur subsidiär tätig werden sollte. Er ist im Vergleich zu anderen gesellschaftspolitisch relevanten Aufgaben sehr hoch.

3 Empfehlungen

3.1 Organisation optimieren

Die Aufgaben der Abteilung Grundsatz und Recht können auf andere Abteilungen bzw. Stabsstellen des Ministeriums verteilt werden. Damit können eine Abteilungsleitung und 2,25 Vollzeitäquivalente zugehörige Assistenzkräfte eingespart werden.

Durch die Bündelung von Aufgaben entstehen weitere Effizienzgewinne. Diese sollten genutzt werden, um die internen Geschäftsprozesse zu verbessern.

3.2 Prozesse zu Anordnungsbefugnissen klar regeln

Durch die elektronische Zahlungsanordnung im Haushaltsmanagementsystem kommen den IT-Berechtigungen für die Freigabe von Zahlungen besondere Bedeutungen zu. Die Nachweise zu haushaltsrechtlichen Anordnungsbefugnissen und den damit korrespondierenden IT-Berechtigungen sind vollständig nachzuweisen.

Diese Nachweise sind unvollständig und die erforderlichen Beteiligungsprozesse wurden nicht durchgeführt. Die Nachweise sind zu erbringen. Die Beteiligungsprozesse sind organisatorisch neu zu regeln.

3.3 Personalbedarf im Haushalt transparent darstellen

Das Ministerium gewinnt hohe Personalkapazitäten durch Abordnungen aus den nachgeordneten Bereichen. Die Abordnungsquote ist zu verringern, da dieses Personal dort für die Wahrnehmung und Erledigung der operativen Verwaltungsaufgaben fehlt. Vorrangig sind die Aufgaben, die derzeit von abgeordneten Mitarbeitenden erledigt werden, unter aufgabenkritischen Gesichtspunkten zu überprüfen.

Der Staatshaushaltsplan muss künftig stärker den tatsächlichen Personaleinsatz widerspiegeln. Abordnungen sollten sich auf zeitlich befristete ministerielle Aufgaben oder Projekte beschränken. Diese Abordnungsgründe können auch für Personalentwicklungsmaßnahmen genutzt werden. Der Personalbedarf für die Aufgaben des Ministeriums ist durch Stellen im Haushaltsplan abzudecken.

3.4 Ressourceneinsatz zur Wirtschaftsförderung hinterfragen

Der Ressourceneinsatz und die Aufgaben des Landes zur Wirtschaftsförderung sollten unter aufgabenkritischen Gesichtspunkten hinterfragt werden. Der Personaleinsatz für die Wirtschaftsförderung im Ministerium für Finanzen und Wirtschaft kann ohne Auswirkungen auf die Wirtschaftsförderung um 14 Vollzeitäquivalente reduziert werden.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Für das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft ist die Untersuchungsmethodik des Rechnungshofs für die Aufgabenanalyse nachvollziehbar. Es sieht in den Daten aus der Selbsteinschätzung eine gute Ergänzung der Grundlagen für die Steuerung des Ministeriums.

Das Ministerium widerspricht dem Vorschlag des Rechnungshofs, die Abteilung Grundsatz und Recht aufzulösen. Die Abteilung Grundsatz und Recht sei neu als Abteilung Grundsatz und Europa strukturiert worden. Dabei seien die Anregungen des Rechnungshofs zur Zusammenführung von Aufgaben eingeflossen. Es bestehe ein klarer und eindeutiger Sachzusammenhang, der eine eigene Abteilung uneingeschränkt rechtfertige. Für ein Ministerium, das aus zwei Geschäftsbereichen gebildet wurde, stünden neun Abteilungen in einem angemessenen Verhältnis zur Aufgabenvielfalt und Aufgabenkomplexität.

Das Ministerium räumt Verfahrensmängel bei der Bewirtschaftung von Haushaltsmitteln ein. Diese seien materiell ohne Folgen geblieben. Die Verfahrensabläufe zur Vergabe von IT-Berechtigung im Haushaltsmanagementsystem seien bereits optimiert und der Beauftragte für den Haushalt stärker als bisher eingebunden worden. Die übrigen Feststellungen würden geprüft.

Das Ministerium führt an, dass die Abordnungen im festgestellten Umfang für kurzfristige, zeitlich kritische Aufgaben und als Element für die Personalentwicklung von Nachwuchskräften im höheren Dienst notwendig seien.

Bei den Feststellungen zur Wirtschaftsförderung hat das Ministerium Zweifel, dass es Aufgabe des Rechnungshofs sei, Aufgabenkritik vorzunehmen. Nach § 88 Landeshaushaltsordnung sei es Aufgabe des Rechnungshofs, die Haushalts- und Wirtschaftsprüfung des Landes einschließlich seiner Sondervermögen zu prüfen. Danach prüfe der Rechnungshof die Wirtschaftlichkeit der operativen Aufgabenerfüllung und nicht, ob eine Aufgabe wahrgenommen werden solle. Es obläge alleine der Landesregierung festzulegen, welche Aufgaben wahrgenommen werden.

5 Schlussbemerkung

Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft hat die wesentlichen Feststellungen des Rechnungshofs aufgegriffen und in unterschiedlicher Weise bereits umgesetzt.

Der Rechnungshof bleibt bei seiner Empfehlung, die Abteilung Grundsatz und Europa aufzulösen. Die Argumentation des Ministeriums, wonach zwischen den Aufgaben der Abteilung ein klarer eindeutiger Sachzusammenhang bestünde, überzeugt nicht. In der Abteilung werden weiterhin Aufgaben der strategisch politischen Steuerungsunterstützung, operative Aufgaben für den Betrieb des Hauses der Wirtschaft, Haushaltsaufgaben der Wirtschaftsverwaltung und besondere Fachaufgaben wahrgenommen.

Die vom Ministerium zu den Abordnungsquoten im höheren Dienst angeführten Gründe sind sachlich nachvollziehbar, mit Blick auf die Höhe der Abordnungsquoten 2014 von 9,9 Prozent im höheren Dienst und vor allem von 14 Prozent im gehobenen Dienst aber nicht überzeugend. Die Personalgewinnung für kurzfristige, zeitlich kritische Aufgaben erfordern keine Abordnungen, die von Beginn an regelmäßig länger als sechs Monate ausgesprochen werden.

Der Rechnungshof stellt die Betreuung und Förderung der Wirtschaft als Aufgaben des Landes nicht grundsätzlich infrage. Die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung durch den Rechnungshof umfasst auch die Aufgabenkritik.


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Anhänge

Neben dem zentralen Dienstleister BITBW betreibt das Land auch künftig ein separates Steuerrechenzentrum. Dieses behält teilweise Aufgaben, die auch der BITBW übertragen werden könnten. Die Landesregierung sollte prüfen, wie durch eine weitere landesinterne Bündelung oder einen länderübergreifenden Betrieb der Steuer-IT die Kosten des IT-Betriebs gesenkt werden können.

Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft lässt darüber hinaus Informationstechnik in seinem Geschäftsbereich in verschiedenen Einrichtungen betreiben. Dies widerspricht den seit 2005 geltenden E-Government-Richtlinien des Landes.


1 Ausgangslage

Der Rechnungshof hatte im August 2009 in der Beratenden Äußerung „Neuausrichtung der Organisation der Informations- und Kommunikationstechnik in der Landesverwaltung“ Ergebnisse einer landesweiten Querschnittsuntersuchung vorgestellt. Der Landtag hat die Landesregierung am 17.12.2009 (Landtagsdrucksache 14/5503) einstimmig ersucht, „die beiden Landesrechenzentren … innerbetrieblich zu konsolidieren, sowie diese Rechenzentren und weitere Organisationseinheiten aus der gegliederten IT-Landschaft - soweit rechtlich zulässig - in einem einheitlichen Systemhaus … stufenweise zusammenzuführen". Die Landesregierung entschied dem gegenüber, den steuerrechtlichen Teil des Landeszentrums für Datenverarbeitung (LZfD) als eigenständiges Steuerrechenzentrum zu erhalten. Gründe hierfür seien insbesondere die verfassungsrechtlich vorgegebenen Aufgaben- und Kompetenzzuweisungen in Artikel 108 Grundgesetz sowie §§ 2, 17 und 20 Finanzverwaltungsgesetz. Die übrige IT wird in der Landesoberbehörde Informationstechnik Baden-Württemberg (BITBW) gebündelt (Gesetz zur Errichtung der Landesoberbehörde IT Baden-Württemberg und Änderung anderer Vorschriften vom 12.05.2015, GBl. 2015, Seite 326).

In der Denkschrift 2002 hatte die Finanzkontrolle im Beitrag Nr. 14 außerdem die Erkenntnisse aus der Prüfung der IT des Statistischen Landesamts dargestellt. Bereits damals wurden Hinweise zu einem wirtschaftlicheren IT-Betrieb gegeben, weil dieser auf verschiedene Dienststellen im Finanzressort und Organisationseinheiten des Statistischen Landesamts aufgeteilt war.

Die Finanzkontrolle hat im Geschäftsbereich des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft zwei Organisationseinheiten mit IT-Tätigkeiten geprüft. Beim LZfD als organisatorischem Bestandteil der Oberfinanzdirektion Karlsruhe war ein breiter Untersuchungsansatz gewählt worden. Er umfasste den Einsatz der IT, den Personalbedarf, die Organisation, die Wirtschaftlichkeit sowie die Haushalts- und Wirtschaftsführung. Beim Statistischen Landesamt war der Untersuchungsgegenstand auf die aktuelle Ausgestaltung der IT reduziert. Dabei wurde auch die Umsetzung der früheren Empfehlungen des Rechnungshofs geprüft. Eingebettet sind beide Prüfungen in die vom Rechnungshof verfolgte Strategie, die IT des Landes zu bündeln, zu konsolidieren und zu standardisieren. Mit den Prüfungsergebnissen und Empfehlungen will der Rechnungshof die von der Landesregierung geplante IT-Neuordnung unterstützen, die mit der Errichtung der BITBW 2015 beginnt.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Das Landeszentrum für Datenverarbeitung und die IT-Neuordnung

2.1.1 Das Landeszentrum für Datenverarbeitung als IT-Zentrum

Das LZfD ist eine Abteilung der Oberfinanzdirektion mit vielfältigen IT-Aufgaben. Nach Punkt 2.2.4 der noch gültigen E-Government-Richtlinien Baden-Württemberg 2005 ist es eines von zwei IT-Zentren des Landes, welches „ressortübergreifend … als Dienstleister … den [IT-]Betrieb, technische Querschnittsaufgaben und alle [ihm] zugewiesenen Aufgaben für ressortübergreifende und ressortspezifische [IT-]Verfahren" wahrnimmt. Es ist insoweit vorrangig für die Finanzverwaltung aber auch z. B. für die Justiz- oder Landwirtschaftsverwaltung oder Verwaltungen anderer Länder tätig. Die Geschäftsberichte des LZfD weisen 65 Finanzämter und weitere 50 Kunden aus. Eine besondere Stellung nimmt das Druck- und Versandzentrum ein, welches insbesondere Massendrucksachen der gesamten Landesverwaltung „auf Papier bringt", kuvertiert und versendet. Zu einem überwiegenden Teil ist es für die Steuerverwaltung tätig.

2.1.2 Der Ressourceneinsatz des Landeszentrums für Datenverarbeitung

Wegen der von der Landesregierung beschlossenen IT-Neuordnung, nach der nur der nicht steuerliche Teil des LZfD in die BITBW überführt werden soll, war die Ermittlung des Ressourceneinsatzes für die unterschiedlichen Aufgabenbereiche ein Schwerpunkt der Prüfung. Der Rechnungshof hat einen mit dem LZfD abgestimmten umfassenden Aufgabenkatalog erstellt. Dieser war Grundlage für eine Selbsteinschätzung der Mitarbeitenden des LZfD, welche ihre Arbeitszeit anteilig den definierten Aufgaben zuweisen mussten. Gleichartige Aufgaben waren häufig noch in die beiden Wirkungsbereiche (steuerrechtlich und nicht steuerrechtlich) unterteilt. Dabei wurden insbesondere die beim Druck- und Versandzentrum, in der Netzwerkverwaltung und für die IT-Unterstützung der Landesoberkasse, aber auch für alle nicht im Finanzressort abgenommenen IT-Dienstleistungen eingesetzten Personalressourcen der nicht steuerrechtlichen IT zugeordnet. Die insgesamt rund 465 Vollzeitäquivalente, welche das LZfD einsetzen kann, wurden entsprechend den ermittelten Zeitanteilen unmittelbar oder mittelbar den beiden Wirkungsbereichen zugeordnet. Nach unseren Erhebungen waren danach 351 Vollzeitäquivalente der Steuer-IT und 114 Vollzeitäquivalente für nicht steuerrechtliche IT-Aufgaben eingesetzt. In der Querschnittsabteilung und im Stab der Oberfinanzdirektion werden weitere rund 9 Vollzeitäquivalente für verwaltungsinterne Dienstleistungen des LZfD eingesetzt.

2.1.3 Landesinterne IT-Bündelung

Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft sieht als steuerrechtliche IT auch die Bereitstellung und den Betrieb

  • der Bürokommunikation für die Finanzämter,

 

  • der infrastrukturnahen IT-Aufgaben und der Basisdienste für die steuerrechtlichen IT-Verfahren,

 

  • den Druck von Steuerbescheiden und

 

  • die Anwendungsentwicklung.

Außerdem sei die IT-Unterstützung der Landesoberkasse im steuerrechtlichen Rechenzentrum eine Kernaufgabe im Ressort.

Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft lehnt die Übertragung dieser Aufgaben vom LZfD zur BITBW mit der Begründung ab, eine umfassende Bündelung der IT des Landes in einem einheitlichen Systemhaus, wie sie der Landtag in seinem Ersuchen am 17.12.2009 formulierte, wäre weder im Geschäftsbereich des Innenministeriums noch des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft rechtlich möglich.

Im Ergebnis sollen statt 114 nur 50 Vollzeitäquivalente für IT-Aufgaben und additiv bis zu drei weitere Vollzeitäquivalente für verwaltungsinterne Dienstleistungen vom LZfD an die BITBW übergehen.

Einen anderen Weg gehen die Länder Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein. Sie lassen nicht nur die zentralen Teile ihrer steuerrechtlichen IT von Dataport betreiben. Dataport erbringt daneben für die einzelnen Länder und sogar die Kommunen Schleswig-Holsteins vielfältige IT-Dienstleistungen auch für die nicht-steuerlichen Verwaltungen. Dataport ist eine von allen sechs Ländern und dem kommunalen „IT-Verbund Schleswig-Holstein" getragene rechtsfähige Anstalt öffentlichen Rechts. Die Staatsverträge zu Dataport sind von den jeweiligen Finanzministern oder -senatoren unterzeichnet.

Auch die im Geschäftsbereich des hessischen Finanzministeriums angesiedelte Hessische Zentrale für Datenverarbeitung ist wie Dataport nicht nur für die Steuerverwaltung tätig.

In Sachsen ist der Staatsbetrieb Sächsische Informatik Dienste zentraler IT-Dienstleister für die Landesverwaltung im Geschäftsbereich des Innenressorts. Der dortige Unternehmensbereich Landesrechenzentrum Steuern ist dem Staatsministerium für Finanzen nachgeordnet.

2.1.4 Länderübergreifende Bündelungsmöglichkeiten

Der Beschluss des Landtags vom 17.12.2009 ging davon aus, dass insbesondere durch eine Bündelung von IT-Dienstleistungen in einem Rechenzentrum bis zu 40 Mio. Euro jährlich eingespart werden können. Wenn weiterhin zwei Rechenzentren IT-Dienstleistungen anbieten, sind die Synergieeffekte durch die Bündelung kleiner. Der Rechnungshof hat deshalb in seiner diesem Beitrag zugrunde liegenden Prüfungsmitteilung weitergehende Vorschläge hin zu einem umfassenderen länderübergreifenden Verbund der steuerrechtlichen IT formuliert. Dabei wurde auch eine Untersuchung von Fraunhofer FOKUS einbezogen. In dem 2014 erschienenen „Leitfaden für IT-Konsolidierung in der öffentlichen Verwaltung" von Fraunhofer FOKUS wurden Synergiepotenziale am Beispiel des bei Dataport eingerichteten Data Center Steuern dargestellt. Durch die länderübergreifende Nutzung zentraler Infrastrukturen könnten Investitionskosten um rund 35 Prozent oder Personaleinsparungen von bis zu 45 Prozent (für IT-betriebliche Aufgaben) reduziert werden. Fraunhofer FOKUS vermutete weitere Einsparpotenziale beim Betrieb einer einheitlichen steuerrechtlichen IT-Infrastruktur bis hin zum einzelnen Arbeitsplatz von bis zu 20 Prozent.

Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft hielt den länderübergreifenden Vorschlägen des Rechnungshofs entgegen, dass die Betriebskosten der steuerrechtlichen Verfahren beim LZfD niedriger wären als jene bei Dataport. Dies hätte eine Prüfung des LZfD nach einer Anfrage Niedersachsens ergeben. Die „Preisauskunft" des LZfD verwundert indes, weil das beim LZfD eingesetzte Auftrags- und Ressourcenmanagement keine Kosten- und Leistungsrechnung ist - und sein soll. Die vom Ministerium für Finanzen und Wirtschaft bereitgestellten Unterlagen zur „Preisermittlung" zeigen vielmehr, dass bei Weitem nicht alle mit dem Betrieb verbundenen Kosten berücksichtigt wurden.

2.2 Die Informationstechnik des Statistischen Landesamts

Nach den E-Government-Richtlinien dürfte es im Statistischen Landesamt keine IT-Einheit geben. Im Finanzressort müsste bereits seit Langem die IT im dort als IT-Zentrum angesiedelten LZfD gebündelt sein. Das Statistische Landesamt nimmt faktisch jedoch sogar mehr Aufgaben wahr, als sie nach den E-Government-Richtlinien einem IT-Fachzentrum obliegen. Ein IT-Fachzentrum würde demnach lediglich Aufgaben der Software-Entwicklung, Datenaufbereitung, IT-Schulung, IT-Beratung und IT-Betreuung für IT-Fachverfahren übernehmen. Das Statistische Landesamt führt jedoch in nennenswertem Umfang auch betriebliche IT-Aufgaben, z. B. für die eigene Bürokommunikation aus. Entsprechend dem Ressortzuschnitt in 2004 geben die E-Government-Richtlinien vor, dass das Justizministerium, das Wirtschaftsministerium und das Ministerium für Umwelt und Verkehr jeweils ein IT-Fachzentrum unterhalten könnten. Das Statistische Landesamt ist dort nicht genannt.

2.2.1 Konzentration der IT-Aufgaben in den IT-Referaten

Die zentrale Ansiedlung der Benutzerbetreuung in IT-Angelegenheiten wurde bereits in der letzten Prüfung (siehe Denkschrift 2002, Beitrag Nr. 14) empfohlen. Tatsächlich hat sich seither nicht viel getan. Insgesamt sind 103 Personen mit insgesamt 69,5 Vollzeitäquivalenten mit IT-Aufgaben betraut. Davon sind 32 Personen mit lediglich 5,4 Vollzeitäquivalenten außerhalb der beiden IT-Referate in den Abteilungen und Referaten mit der IT-Benutzerbe-treuung befasst. Deren große Zahl und die niedrige durchschnittliche „Auslastung“ von weniger als 0,2 Vollzeitäquivalenten bedingen einen hohen Ab¬stimmungsaufwand und sind einer einheitlichen Erledigung der Aufgaben abträglich. Im Ergebnis ist eine derart kleinteilige Aufgabenzuordnung weder wirtschaftlich noch sachgerecht.

2.2.2 Bestandsnachweis für alle IT-Geräte

Das Statistische Landesamt konnte keinen hinreichend genauen Nachweis über die eingesetzte Hard- und Software vorlegen. Einerseits waren veraltete oder nicht mehr vorhandene Geräte verzeichnet, andererseits fehlten neue Geräte. Die im Prüfungsverfahren vorgetragene Position, wonach ein Eintrag im Bestandsverzeichnis entbehrlich sei, weil es sich um geleaste Geräte handele, trägt nicht. Für einen geordneten IT-Betrieb ist es zwingend notwendig, die eingesetzte Hard- und Software in einem die realen Gegebenheiten widerspiegelnden Asset-Management, also einem IT-Bestandsverzeichnis, aufzuführen. Das Asset-Management ist Basis für vielfältige Prozesse des IT-Service-Managements, durch welches beispielsweise auch die Software- bzw. Lizenzzuweisung bzw. deren Aktualisierung abgebildet und protokolliert wird. Dafür hat das Statistische Landesamt nur unvollständige Informationen. Eine Steuerung der IT ist deshalb nur eingeschränkt möglich.

2.2.3 IT-Eigenbetrieb

Das Statistische Landesamt betreibt nach wie vor in erheblichem Umfang IT selbst. Das Spektrum reicht dabei vom Weitverkehrs- und lokalen Netzwerk über die Bürokommunikation bis hin zu Servern, Datenbanken und Fachverfahren.

Gerade für die IT der statistischen Fachverfahren kann sich das Statistische Landesamt nicht vorstellen, diese nicht selbst zu betreiben. Die Entwicklung, Pflege und der Betrieb würden im Konzert mit den Statistikämtern der anderen Länder und des Bundes anhand von Pflichtquoten und internen Wettbewerben auf einzelne Statistikämter verteilt. Könnte der jeweilige Auftragnehmer seine Pflichtquote und Aufträge nicht zeitnah und termingerecht bei hoher Qualität erfüllen, so würden daraus Zahlungsverpflichtungen in den Statistikverbund erwachsen.

Das Statistische Landesamt unterstützt über den Eigenbetrieb hinaus auch den IT-Betrieb anderer Verwaltungseinheiten des Finanzressorts. So waren zum Zeitpunkt der Prüfung 42 Server für das Kundenportal des Landesamts für Besoldung und Versorgung im Maschinensaal des Statistischen Landesamts untergebracht. Dies verwundert sehr, weil diese Plattform seit 2013 hardwaremäßig modernisiert wurde und die seit 2009 laufenden Bestrebungen zu einer Konsolidierung der IT keinerlei Beachtung fanden. Aber auch die Vermögens- und Hochbauverwaltung Baden-Württemberg und das LZfD nutzen den Maschinensaal im Statistischen Landesamt für eigene Server und Dienste.

2.2.4 Firewall-Betrieb

Am 04.12.2008 berichtete die Landesregierung (siehe Landtagsdrucksache 14/5649), dass der Internetzugang für das Finanzressort und andere Ressorts beim Informatikzentrum Landesverwaltung Baden-Württemberg gebündelt sei. Anlässlich der Prüfung des Statistischen Landesamts wurde jedoch festgestellt, dass das Statistische Landesamt nicht nur für statistische, sondern auch für andere IT-Infrastrukturen und -Verfahren des Finanzressorts den Netzwerkzugang mittels Firewall und eigenem Internet-Zugang weiter betreibt.

Die sensible und immer neuen Sicherheitsbedrohungen unterliegende Aufgabe wird von mindestens fünf Personen im Umfang von 0,61 Vollzeitäquivalenten wahrgenommen. Das notwendige Wissen würde das eingesetzte Personal sich „On The Job“ erwerben. Dies ist in Anbetracht des jeweils geringen Beschäftigungsanteils zumindest anzuzweifeln.

2.2.5 Haushaltsaufstellung und -bewirtschaftung

Das im Haushalt unter Kapitel 0607 in der Titelgruppe 69 für die Jahre 2012 und 2013 vorgesehene Finanzvolumen übersteigt den tatsächlichen Bedarf bei Weitem. In 2012 standen dem Haushaltsansatz von rund 2 Mio. Euro Ausgaben von etwas mehr als 1 Mio. Euro, in 2013 einem Ansatz von 1,8 Mio. Euro tatsächliche Ausgaben von rund 825.000 Euro gegenüber.

Zusätzlich beschaffte das LZfD im Auftrag des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft 220 Notebooks für die Durchführung des Mikrozensus zulasten des Kapitels 0602.

Weder der Grundsatz der Haushaltswahrheit und -klarheit noch eine verursachergerechte Zuordnung der Kosten zur richtigen Kostenstelle bzw. zum Produkt können mit einem derartigen Vorgehen erfüllt werden.

Bei gleichbleibenden Verhältnissen hätte spätestens im Haushaltsjahr 2015 eine deutliche Absenkung erfolgen müssen. Aber auch für 2015 und 2016 stehen jeweils Haushaltsmittel von rund 1,8 Mio. Euro zur Verfügung.

2.3 Die verwaltungsinternen Dienstleistungen für das Landeszentrum für Datenverarbeitung

Das LZfD erbringt mit insgesamt 50 Vollzeitäquivalenten einen nennenswerten Teil der verwaltungsinternen Dienstleistungen selbst. Für eine umfassende Betrachtung wurden die für das LZfD wahrgenommenen verwaltungsinternen Dienstleistungen auch von den Mitarbeitenden der Querschnittsabteilung Organisation, Personal, Haushalt und der Stabstelle der Oberfinanzdirektion erhoben.

Ergebnis dieser Selbsteinschätzung war, dass rund 9 Vollzeitäquivalente der Abteilung Organisation, Personal, Haushalt sowie der Stabstelle verwaltungsinterne Dienstleistungen für das LZfD erbringen. Zusammen mit den Aufwänden des LZfD werden insgesamt rund 59 Vollzeitäquivalente dafür eingesetzt. Bezogen auf die beim und für das LZfD eingesetzten 474 Vollzeitäquivalente werden 12,5 Prozent der Personalressourcen für verwaltungsinterne Dienstleistungen eingesetzt. Hieraus ergibt sich eine Kennzahl von 1:8. Das ist die beste vom Rechnungshof ermittelte Betreuungs-Kennzahl.

Bei den vier Regierungspräsidien und beim Informatikzentrum Landesverwaltung Baden-Württemberg lagen die Vergleichswerte zwischen 14 und 18 Prozent. Auch die hieraus abgeleiteten Einzel-Kennzahlen liegen unter den bei früheren Untersuchungen festgestellten Werten. Das LZfD profitiert von der Einbettung in eine große Organisation, welche beispielsweise die Personalangelegenheiten auch für rund 16.000 Mitarbeitende (inklusive Auszubildende) der Finanzämter wahrnimmt. Die Bündelung der Aufgabenerledigung ist offensichtlich effizienter.

3 Empfehlungen

3.1 IT-Betrieb steuerrechtlicher Verfahren bündeln

Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft sollte die rechtlichen Vorgaben mit den Möglichkeiten eines modernen und wirtschaftlichen IT-Betriebs in Einklang bringen und gegebenenfalls auch gesetzgeberisch weiterentwickeln.

Es sollte weiter prüfen, wie z. B. durch eine landesinterne Bündelung oder einen länderübergreifenden Betrieb der steuerrechtlichen IT die tatsächlichen (Voll-)Kosten des IT-Betriebs reduziert werden können.

3.2 IT ressortintern konsolidieren

Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft sollte weiter umgehend dafür Sorge tragen, seine IT ressortintern zu konsolidieren. Dazu sind alle nach den gültigen E-Government-Richtlinien in einem IT-Zentrum zu bündelnden Aufgaben zu übertragen und IT-Dienstleistungen zu beauftragen. Für nicht steuerrechtliche IT und damit für die IT des Statistischen Landesamts kommt dafür ausnahmslos die BITBW in Betracht.

Das Statistische Landesamt sollte die noch verbleibenden IT-Aufgaben in den beiden IT-Referaten bündeln, um so die Aufgaben gleichartiger und insgesamt wirtschaftlicher zu erbringen.

3.3 IT-Budget des Statistischen Landesamts anpassen

Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft sollte die IT-Finanzausstattung des Statistischen Landesamts am tatsächlichen Bedarf ausrichten und das Budget reduzieren.

3.4 Kennzahlen des Landeszentrums für Datenverarbeitung für Personalbedarfsberechnungen heranziehen

Die Landesregierung sollte bei künftigen Personalbedarfsberechnungen die Kennzahlen für die verwaltungsinternen Dienstleistungen des LZfD als Grundlage heranziehen.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft betont in seiner umfangreichen Stellungnahme u. a., der Ministerrat habe zur IT-Neuordnung in Baden-Württemberg entschieden, das LZfD als steuerrechtliches Rechenzentrum zu erhalten. Eine Zusammenlegung mit der zukünftigen BITBW im Innenressort scheide aus rechtlichen Gründen aus.

Das Ministerium trägt weiter vor, dass die Finanzminister und -senatoren des Bundes und der Länder einen Prüfauftrag für weitere länderübergreifende Optimierungsmöglichkeiten der steuerrechtlichen IT erteilt hätten.

Es bezweifelt in seiner Stellungnahme überdies, dass eine weitere Konsolidierung von IT-betrieblichen Aufgaben zu habhaften Wirtschaftlichkeitspotenzialen führen werde.

Zur IT des Statistischen Landesamts teilt das Ministerium mit, viele der angesprochenen Anregungen werden umgesetzt. Dies betreffe insbesondere die Konzentration der IT-Aufgaben in den IT-Referaten, einen konsistenten Bestandsnachweis für alle IT-Geräte und eine konsistentere Abbildung des IT-Budgets bzw. der IT-Kosten des Statistischen Landesamts im Haushalt. Die Finanzausstattung der Titelgruppe 69 des Statistischen Landesamts wie auch die Grundsätze der Haushaltswahrheit und -klarheit seien indes jederzeit beachtet und eingehalten worden. Es gebe insoweit grundsätzlich keinen Handlungsbedarf.

Eine Eingliederung der IT-Verfahren des Statistischen Landesamts (Entwicklung und Betrieb fachstatistischer Verfahren) in das BITBW scheide aus, da ein Ausnahmetatbestand nach § 3 Absatz 3 des Gesetzes zur Errichtung der Landesoberbehörde IT Baden-Württemberg vorliege. Demnach unterliege das Statistische Landesamt mit den von ihm im Verbund betriebenen statistischen IT-Verfahren nicht dem zukünftigen Nutzungszwang.

5 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof sieht die ursprünglichen Ziele der IT-Neuordnung nicht umfassend erreicht. Das Nebeneinander von BITBW und einem separaten Steuerrechenzentrum hält weiterhin Parallelstrukturen aufrecht und reduziert so mögliche Synergiepotenziale. Sieben von 16 Ländern zeigen, dass eine Konsolidierung von Landes- und in einem Fall sogar kommunaler IT in einem Rechenzentrum möglich ist. Dataport und die Hessische Zentrale für Datenverarbeitung betreiben dabei sowohl allgemeine, nicht-steuerrechtliche als auch steuerrechtliche IT-Infrastrukturen. Erstere haben dabei keine nachrangige Bedeutung und nehmen in den jeweiligen Einrichtungen breiten Raum ein. Die verantwortlichen Länder müssen für diese Einrichtungen die gleichen rechtlichen Rahmenbedingungen beachten wie Baden-Württemberg.

Ob der von den Finanzministern und -senatoren formulierte Prüfauftrag auch eine betriebliche Optimierung der steuerrechtlichen IT einschließt, blieb auch auf Nachfrage offen.

Für die in Abrede gestellten Wirtschaftlichkeitspotenziale sieht der Rechnungshof beim länderübergreifenden Betrieb steuerrechtlicher IT Chancen. Bereits im seit 01.01.2007 in Kraft getretenen KONSENS-Abkommen, welches alle Finanzminister und -senatoren des Bundes und der Länder unterzeichnet haben, ist eines der obersten Ziele, flächendeckend einheitliche IT-Verfahren einzusetzen. Gerade diese Vorgabe bietet gute Aussichten, Synergien durch einen einheitlichen und möglichst zentralen Betrieb ziehen zu können. Außerdem wird dieser Aspekt durch das ebenfalls formulierte Ziel verstärkt, mit dem Einsatz von KONSENS-Verfahren auch die Aufbau- und Ablauforganisation der Finanzverwaltung anzupassen.

Unverständlich ist, wie das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft eine Ausnahme für vom Statistischen Landesamt betriebene IT-Verfahren herleitet. Nach dem Gesetz zur Errichtung der BITBW sind nur die Verfahren ausgenommen, welche von anderen Statistischen Landesämtern bzw. vom Statistischen Bundesamt für Baden-Württemberg betrieben werden. Diejenigen, welche das Statistische Landesamt nur für sich oder aber auch für andere Statistikämter betreibt, unterliegen dagegen dem Nutzungszwang der BITBW.

Der Rechnungshof sieht für das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft noch erhebliches Potenzial, seine IT optimal aufzustellen. Dabei muss sowohl die landesinterne Konsolidierung nach den Grundsätzen der IT-Neuordnung wie auch eine noch stärkere länderübergreifende Konsolidierung im KONSENS-Verbund angestrebt werden.


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Die parlamentarische Behandlung finden Sie hier


Anhänge

Einzelplan 08: Ministerium für Ländlichen Raum, Ernährung und Verbraucherschutz

Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz sollte beim Landwirtschaftlichen Zentrum Aufgaben abbauen, die nicht zu den Kernaufgaben gehören. Die Infrastruktur für Bildung und Forschung muss in großen Teilen bedarfsgerecht erneuert werden. Die länderübergreifende Zusammenarbeit sollte arbeitsteilig ausgeweitet werden.


1 Ausgangslage

Das Landwirtschaftliche Zentrum für Rinderhaltung, Grünlandwirtschaft, Milchwirtschaft, Wild und Fischerei Baden-Württemberg (LAZBW) hat seinen Sitz in Aulendorf. Es ging 2009 aus dem Zusammenschluss des Bildungs- und Wissenszentrums Aulendorf - Viehhaltung, Grünlandwirtschaft, Wild, Fischerei - Aulendorf und der Staatlichen Milchwirtschaftlichen Lehr- und Forschungsanstalt - Dr.-Oskar-Farny-Institut - Wangen im Allgäu hervor.

Das LAZBW fördert Rinder- und Milchviehhaltung, Rinderzucht, Grünlandbewirtschaftung und Futterkonservierung, Milchwirtschaft, Erhaltung und nachhaltige Nutzung freilebender Tierbestände (Fische und Wild) sowie die Aus-, Fort- und Weiterbildung auf diesen Gebieten. Die Lehrgangsstatistik weist jährlich rund 19.000 Teilnehmertage aus. Das LAZBW verfügt über 107 planmäßige Personalstellen. Nach der Haushaltsrechnung 2013 beliefen sich die Ausgaben auf 8,8 Mio. Euro. Die Einnahmen betrugen 3,3 Mio. Euro, sodass ein Zuschussbedarf von 5,5 Mio. Euro entstand. Ab 2015 wird das LAZBW im Staatshaushaltsplan mit dem Haupt- und Landgestüt Marbach und der Landesanstalt für Schweinezucht im neuen Kapitel 0823 (Fachzentrum Tier) zusammengefasst.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Exterieurbeurteilung mit Rinderzuchtberatung

2.1.1 Aufgabe

Die mit der Exterieurbeurteilung betrauten Bediensteten wirken bei der Leistungsprüfung von wirtschaftlichen Milchviehrassen mit. Bei der Exterieurbeurteilung wird das äußere Erscheinungsbild der Tiere bewertet, also beispielsweise Größe, Form, Farbe, Beschaffenheit der Klaue und Bau des Euters. Die Rinderzuchtberater besuchen die landwirtschaftlichen Züchter vor Ort und taxieren die Tiere nach festgelegten Kriterien. Die züchterische Beratung ist ein Nebenprodukt bei den Betriebsbesuchen.

Die Exterieurbeurteilung ist nur eine von verschiedenen Leistungsprüfungen, die bei der Schätzung eines Zuchtwertes von Bedeutung sind. Weitere Leistungsprüfungen richten sich auf die Milchleistung, Nutzungsdauer, Fruchtbarkeit usw. Die meisten Leistungsprüfungen bei Rindern sind bereits an den Landesverband Baden-Württemberg für Leistungsprüfungen in der Tierzucht e. V., Stuttgart, und die Rinderunion Baden-Württemberg e. V., Herbertingen, übertragen.

Beim LAZBW sind insgesamt sieben Rinderzuchtberater im Einsatz. Diese führen jährlich rund 25.000 Tierbeurteilungen und 120 Zuchtberatungen durch. Die Personalkosten belaufen sich jährlich auf rund 600.000 Euro. Dabei sind die Reisekosten und sonstigen Sachkosten noch nicht berücksichtigt. Gebühren werden nicht erhoben.

2.1.2 Rechtsgrundlagen

Das Tierzuchtgesetz des Bundes wurde 2006 novelliert. Ein zentrales Anliegen war dabei, den Zuchtorganisationen die volle organisatorische und operative Zuständigkeit für die Planung und Durchführung der Zuchtprogramme zu übertragen. Die Durchführung der Leistungsprüfungen und der Zuchtwertschätzung sollte nicht mehr als staatliche Kernaufgabe gesehen werden. Die Länder haben seither die Möglichkeit, die Zuständigkeit aufzugeben und die Aufgabe auf anerkannte Zuchtorganisationen zu übertragen.

2.1.3 Bewertung

Es gehört nicht zu den staatlichen Kernaufgaben, bei der Zuchtwertschätzung Tierbeurteilungen durchzuführen. Das Land kann die Aufgabe an eine anerkannte Zuchtorganisation abgeben. Viele Länder haben sich aus diesem Aufgabenbereich inzwischen zurückgezogen. Die Aufgabe hat einen hohen Ressourcenbedarf. Die betroffenen Mitarbeiter sind qualifizierte Agrarfachleute, die problemlos bei anderen Aufgaben des LAZBW und der Landwirtschaftsverwaltung eingesetzt werden könnten.

2.2 Amtliche Güteprüfungen für Käse und Butter

2.2.1 Aufgabe

Das LAZBW führt am Standort Wangen amtliche Güteprüfungen für Markenkäse und Markenbutter durch. Molkereien, die die Gütezeichen verwenden möchten, müssen ihre Produkte einer monatlichen Prüfung unterziehen. Das Gütezeichen besteht aus einem stilisierten Adler mit ovaler Umrandung und der Inschrift: „In Deutschland geprüfte Markenware“. Auf der Verpackung sind die Worte „Amtliche Qualitätskontrolle des Landes … Überwachungsstelle …“ angebracht.

Die Güteprüfungen wurden bereits 1951 eingeführt. Damals war die Qualität von Molkereierzeugnissen sehr unterschiedlich, zum Teil auch mangelhaft. Hauptziel war deshalb, die Produktqualität zu verbessern und zu standardisieren. Die Molkereiunternehmen nutzen die amtlichen Güteprüfungen in ihrer Marketingstrategie, insbesondere bei der Standardware. Die jährlichen Probenzahlen waren von 2011 bis 2013 deutlich rückläufig.

Die Aufwendungen des LAZBW für die amtlichen Butter- und Käseprüfungen betrugen im Durchschnitt jährlich rund 100.000 Euro. Die Prüfungen wurden bis 2012 aus der milchwirtschaftlichen Umlage bezuschusst. Seit 2013 werden Gebühren erhoben, die aber bei Weitem nicht kostendeckend sind.

Beitrag 12 Abb

2.2.2 Rechtsgrundlagen

Die Vergabe des Gütezeichens für Markenbutter ist in der Verordnung über Butter und andere Milchstreichfette (Butterverordnung) geregelt. Die Regelung für Markenkäse findet sich in der Käseverordnung. Derzeit werden beide Bundesverordnungen überarbeitet. Nach aktuellem Stand soll die amtliche Käseprüfung grundsätzlich abgeschafft werden. Die Länder sollen aber die Möglichkeit erhalten, die Prüfung weiterzuführen.

2.2.3 Bewertung

Die ursprünglichen Qualitätsziele der amtlichen Butter- und Käseprüfungen sind seit Langem erreicht. Die Produktqualität ist durch die Lebensmittelgesetzgebung und -überwachung auf europäischer und nationaler Ebene ausreichend gewährleistet. Ein Herkunftsnachweis ist mit den Gütezeichen nicht mehr verbunden. Das Marketing ist Aufgabe der Molkereiunternehmen. Die Aufgabe braucht nicht weiter staatlich subventioniert zu werden.

2.3 Sanierungs- und Investitionsbedarf

2.3.1 Defizite

Der Hauptstandort des LAZBW in Aulendorf - Atzenberger Weg, wurde 1984 errichtet. Hier befindet sich die Rinderhaltung mit Lehrbetrieb. Die damals errichteten Gebäude und baulichen Anlagen sind generell nicht mehr zeitgemäß. Zum Teil bestehen auch erhebliche Bau- und Sicherheitsmängel. Das Internat ist noch mit Etagenduschen und Etagen-WC ausgestattet. Die Unterrichts- und Schulungsräume müssten grundlegend modernisiert und vergrößert werden, um effizientere Aus- und Fortbildung in größeren Gruppen zu ermöglichen. Die Melktechnik und der Melkstand sind veraltet. Insbesondere fehlen automatische Melk- und Fütterungssysteme. Die Siloanlage entspricht nicht den umwelttechnischen Vorschriften. Die Mastbullen werden zum Teil angebunden in Kurzständen gehalten.

Die Parkverhältnisse sind ungeordnet, und es fehlt eine Umzäunung der Gesamtanlage.

Der Standort Aulendorf - Lehmgrubenweg wurde 1948 mit Mitteln des Marshallplanes errichtet. Er wurde 1970 um einen Labortrakt erweitert. Baulich befindet er sich weitgehend im Urzustand. Hauptmängel sind die sehr schlechte Wärmedämmung, eine undichte Dachkonstruktion im Laborbereich und feuchte Kellerräume. Hier sind der Fachbereich Grünlandwirtschaft und die Wildforschungsstelle untergebracht. Der Standort soll aufgegeben werden.

Am Standort Wangen sind die milchwirtschaftlichen Fachbereiche angesiedelt. Alter und Zustand der Gebäude sind sehr unterschiedlich. Die ältesten Gebäude stammen noch aus der Vorkriegszeit. Das Hauptgebäude wurde 1957 errichtet. Der Verwaltungs- und Laborbereich wurde 2011 mit Mitteln des Landesinfrastrukturprogramms grundlegend modernisiert und ist damit auf aktuellem Stand. Der Schulbereich muss dringend energetisch und technisch saniert werden. In den Lehrräumen ist die Belüftung sehr schlecht, zudem herrscht Platzmangel. Das Jugendwohnheim wurde 1941 errichtet und ist noch mit Mehrbettzimmern, Etagenduschen und Etagen-WC ausgestattet. Der Dachboden ist nicht isoliert. Der Brandschutz ist unzureichend und muss dringend verbessert werden. Auch die übrigen Internatsgebäude sind ähnlich sanierungsbedürftig.

2.3.2 Masterplan zur Sanierung und Weiterentwicklung der baulichen Infrastruktur

Um die baulichen Defizite zu überwinden, hat das LAZBW bereits 2010 in enger Zusammenarbeit mit dem Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Ravensburg, einen Masterplan ausgearbeitet. Allerdings hat das Land bisher lediglich die Modernisierung des Jungviehstalls und den Bau zusätzlicher Fahrsilos in Angriff genommen.

Weitere Baumaßnahmen wurden in die mittelfristige Bauplanung aufgenommen. Die Projekte summieren sich auf 10,8 Mio. Euro und sollen überwiegend 2017/2018 oder später realisiert werden. Gegenüber dem Masterplan fehlen immer noch wichtige Bauprojekte. Hierfür sind weitere Finanzmittel in Millionenhöhe erforderlich.

2.3.3 Bewertung

Beim LAZBW hat sich seit vielen Jahren ein massiver Sanierungs- und Investitionsstau aufgebaut. Die Arbeitsfähigkeit der Einrichtung ist dadurch erheblich beeinträchtigt.

Das LAZBW arbeitet mit Gebäuden und Anlagen, die bau-, umwelt-, und tierschutzrechtlich teilweise als grenzwertig einzuordnen sind. Dies führt zwangsläufig zu Konflikten mit dem Bildungs- und Forschungsauftrag. Das LAZBW verfügt als wichtiges Bildungs- und Forschungszentrum für Milchviehhaltung über kein automatisches Melksystem. Dabei sind Melkroboter in Baden-Württemberg schon seit 20 Jahren im Praxiseinsatz. Inzwischen ist diese zukunftsweisende Technik in der Praxis weit verbreitet.

Grundvoraussetzung für bauliche Investitionen ist allerdings, dass eine hohe Auslastung zu erwarten ist.

2.4 Länderübergreifende Zusammenarbeit

2.4.1 Grundlagen

Bereits 1996 haben die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Thüringen in der Konstanzer Erklärung eine engere Zusammenarbeit ihrer landwirtschaftlichen Landesanstalten vereinbart. Die beteiligten Länder haben sich darin als Ziel gesetzt, in allen Fachbereichen bis hin zur arbeitsteiligen Aufgabenerledigung eng zusammen zu arbeiten. Dabei werden selbst Hoheitsaufgaben nicht ausgeschlossen.

Seitdem wurden weitere Ländervereinbarungen abgeschlossen. Inzwischen haben sich auf der Fachebene auch feste Arbeitsstrukturen gebildet. Die ursprünglich beabsichtigte Vertiefung hinsichtlich einer dauerhaften Arbeitsteilung und Spezialisierung steht allerdings noch weitgehend aus.

Bei allen Formen der Zusammenarbeit wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass die Beteiligten ihre Beiträge selbst finanzieren. Es ist nicht vorgesehen, unterschiedliche Belastungen finanziell auszugleichen.

2.4.2 Bewertung

Das LAZBW ist in die vorwiegend projektbezogene Zusammenarbeit eingebunden. Wir sehen jedoch noch beträchtliches Potenzial für arbeitsteilige Kooperationen. Da nicht absehbar ist, wann das LAZBW automatische Melksysteme zur Verfügung haben wird, wäre eine kooperative Lösung mit Bayern naheliegend. Die Fachkompetenz bei „kleinen“ Tierarten wie Schafen, Ziegen und Geflügel lässt sich auf Landesebene nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand aufrechterhalten. Dasselbe gilt für untergeordnete Nutzungsrichtungen wie die Fleischrinderhaltung.

Für das LAZBW hat die Zusammenarbeit mit Bayern besondere Bedeutung. Allerdings fehlen hier die Initiativen auf ministerieller Ebene.

Die länderübergreifende Zusammenarbeit hat die Ziele der Konstanzer Erklärung immer noch nicht erreicht. Sie wurde in den vergangenen Jahren weitgehend der Fachebene überlassen. Sie findet daher fast ausschließlich im operativen Bereich mit der Umsetzung von fachlichen Projekten und beim Informationsaustausch statt. Hierbei werden in der Gesamtbilanz zwar deutliche Synergieeffekte erzielt. Andererseits werden auch Ressourcen gebunden.

Um weitere Fortschritte im strategischen Bereich zu erzielen, sind deshalb auf ministerieller Ebene folgende Fragen zu klären:

  • Welche Aufgaben und Aufgabenbereiche aus Forschung, Bildung und Verwaltung können länderübergreifend konzentriert werden?

 

  • Wie sind Steuerung, Leistungsstandard, Nutzung sowie der finanzielle Ausgleich zu regeln?

2.5 Kennzahlenvergleiche nach Artikel 91d des Grundgesetzes

2.5.1 Hintergrund und Umsetzung

Nach Artikel 91d des Grundgesetzes können Bund und Länder zur Feststellung und Förderung der Leistungsfähigkeit ihrer Verwaltungen Vergleichsstudien durchführen und die Ergebnisse veröffentlichen. Dieser Artikel wurde 2009 im Rahmen der Föderalismusreform II in das Grundgesetz eingefügt. Leistungsvergleiche sind hilfreiche Instrumente, um die Verwaltung zu modernisieren. Bei den landwirtschaftlichen Landesanstalten werden bisher keine entsprechenden Kennzahlenvergleiche durchgeführt.

2.5.2 Bewertung

Landwirtschaftliche Landesämter und Landesanstalten sind in unterschiedlichen Aufgabengebieten landesweit zuständig. Innerhalb eines Landes bestehen deshalb kaum Möglichkeiten, aussagefähige Leistungsvergleiche durchzuführen. Andererseits gibt es für viele Bildungs-, Verwaltungs- und Überwachungsaufgaben der Länder einheitliche Vorgaben durch Bundesregelungen. Das LAZBW könnte dadurch in vielen Aufgabenbereichen wertvolle Erkenntnisse für seine Personalbedarfsermittlung gewinnen. Das gleiche gilt für die Kostenkalkulationen bei der überbetrieblichen Ausbildung im Beruf Landwirt (in den Bereichen Unterkunft, Verpflegung und Lehrgänge) und milchwirtschaftliche Probenuntersuchungen. Solche Vergleiche ließen sich einfach in das Arbeitsprogramm der bestehenden länderübergreifenden Koordinierungsgruppen aufnehmen.

3 Empfehlungen

3.1 Exterieurbeurteilung mit Rinderzuchtberatung an anerkannte Zuchtorganisation abgeben

Die Beurteilung der äußeren Erscheinung bei weiblichen Nachkommen von Besamungsbullen und die damit verbundene Rinderzuchtberatung sollte abgegeben werden. Ziel sollte sein, das Sparpotenzial von jährlich rund 600.000 Euro mittelfristig vollständig zu realisieren.

3.2 Amtliche Butter- und Käseprüfung einstellen oder länderübergreifend kostendeckend organisieren

Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz sollte bei der laufenden Novellierung der bundesrechtlichen Verordnungen darauf hinwirken, dass zukünftig auf die amtlichen Prüfungen verzichtet wird. Alternativ sollte eine länderübergreifende Lösung auf der Basis kostendeckender Gebühren gesucht werden.

3.3 Bauliche Modernisierung beschleunigt umsetzen

Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz sollte die notwendigen Baumaßnahmen bedarfsgerecht vorantreiben und mit dem Ministerium für Finanzen und Wirtschaft abstimmen.

3.4 Länderübergreifende Zusammenarbeit ausbauen

Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz sollte grundsätzlich klären, welche Aufgaben aus den Bereichen Tierhaltung, Grünlandwirtschaft und Fischerei dauerhaft länderübergreifend erledigt werden können. Bei automatischen Melksystemen sollte für Ausbildungs- und Forschungszwecke eine dauerhafte Kooperation mit dem Nachbarland Bayern angestrebt werden.

3.5 Leistungsvergleiche nach Artikel 91d Grundgesetz einführen

Bei den landwirtschaftlichen Landesanstalten sollten länderübergreifende Leistungsvergleiche etabliert werden.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz hält an der staatlichen Exterieurbeurteilung von Rindern fest.

Es sagt zu, die Empfehlungen zur amtlichen Butter- und Käseprüfung zu prüfen.

Die bauliche Situation werde zeitnah im Rahmen der finanziellen Eckwerte verbessert.

Das Ministerium beabsichtigt, die länderübergreifende Zusammenarbeit weiter auszubauen. Derzeit seien die Rahmenbedingungen nicht gegeben, die Ausbildung an automatischen Melksystemen nach Bayern zu verlagern.


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Einzelplan 10: Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr

Die Gemeinde Seckach richtet ihre Wasserversorgung neu aus. Um in allen Ortsteilen eine einheitliche Wasserhärte zu erreichen, ist eine Wasserleitung für gemischtes Wasser geplant. Die einheitliche Wasserhärte im Gemeindegebiet rechtfertigt allein keine Förderung. Die Zuwendung des Landes kann voraussichtlich um 700.000 Euro reduziert werden.


1 Ausgangslage

Das Land unterstützt kommunale Wasserversorger und fördert die Investitionen für Wasserleitungen, Pumpwerke und Hochbehälter mit 13 Mio. Euro je Jahr (Stand 2014). Die Fördermittel werden dem Kommunalen Investitionsfonds entnommen.

Die Gemeinde Seckach besteht aus den Ortsteilen Seckach (Sitz der Gemeindeverwaltung), Großeicholzheim und Zimmern. Die Strukturen der öffentlichen Wasserversorgung in den Ortsteilen sind historisch und voneinander unabhängig gewachsen. Der Ortsteil Seckach ist seit 1974 an die Fernwasserversorgung des Zweckverbands Bodensee-Wasserversorgung angeschlossen. Großeicholzheim und Zimmern decken ihren Trinkwasserverbrauch aus ortsnahen Grundwasserbrunnen. Mit dem 1997/1998 errichteten Hochbehälter Mutschere wird Großeicholzheim mit Trinkwasser versorgt.

Der Zustand und der Betrieb der Anlagen entsprechen nicht mehr den gesetzlichen Anforderungen. Die Gemeinde richtet deshalb ihre Wasserversorgungsstruktur neu aus.

Künftig soll die Trinkwasserversorgung der gesamten Gemeinde mit Eigenwasser aus dem Tiefbrunnen Kohlplatte in Großeicholzheim und Fernwasser vom Zweckverband Bodensee-Wasserversorgung sichergestellt werden. Um die in den drei Ortsteilen angestrebte gleiche Wasserhärte bereitstellen zu können, muss das Brunnenwasser mit dem Bodenseewasser im Hochbehälter Mutschere gemischt werden.

Das Gesamtvorhaben mit veranschlagten Ausgaben von 5,9 Mio. Euro soll in drei Ausbaustufen realisiert werden. Für jede Ausbaustufe wird ein separater Förderantrag vorgelegt und entsprechend der Prüfergebnisse bewilligt.

Die erste Ausbaustufe umfasst den Bau des Hochbehälters Talberg, die Wasserleitungen nach Zimmern und Seckach sowie die Bodenseewasser-Zubringerleitung zum Hochbehälter Talberg. Die zweite Ausbaustufe enthält die innerörtliche Versorgung von Seckach. Die dritte Ausbaustufe schließt den Bau der Zuleitung von der Bodensee-Wasserversorgung zum Hochbehälter Mutschere sowie die Mischwasserableitung vom Hochbehälter zur Anschlussstelle Hagenmühle ein.

Die Investitionen für die erste Ausbaustufe betragen 3,0 Mio. Euro, davon sind 2,9 Mio. Euro zuwendungsfähig. Das Regierungspräsidium Karlsruhe bewilligte am 03.05.2013 eine Zuwendung von 2,3 Mio. Euro (Fördersatz 80 Prozent).

Beitrag 13 Abb.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Sachgerechter Wirtschaftlichkeitsnachweis fehlt

Die Wirtschaftlichkeit eines Fördervorhabens ist für die Investition, den Betrieb und den Unterhalt nachzuweisen. Die entscheidungsrelevanten Handlungsalternativen sind mit angepassten Bewertungsverfahren zu vergleichen. Das grundlegende Verfahren in der Wasserwirtschaft hierzu ist die von der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser entwickelte dynamische Kostenvergleichsrechnung.

Für das Fördervorhaben wurde keine dynamische Kostenvergleichsrechnung durchgeführt.

2.2 Wasserleitung für gemischtes Wasser ist nicht erforderlich

Alle Haushalte im Versorgungsgebiet sollen künftig auf Wunsch der Gemeinde gemischtes Wasser im mittleren Härtebereich erhalten.

Das Eigenwasser des Tiefbrunnens Kohlplatte (Härtebereich hart) soll mit dem Bodenseewasser (Härtebereich mittel) im Hochbehälter Mutschere gemischt und gespeichert werden. Damit auch die Ortsteile Seckach und Zimmern mit dem gemischten Wasser des Hochbehälters Mutschere versorgt werden können, ist eine Verbindungsleitung zum Hochbehälter Talberg erforderlich.

Die Wasserleitung für gemischtes Wasser würde dazu dienen, die gesamte Gemeinde mit Trinkwasser der gleichen Wasserhärte zu versorgen. Die Wasserversorgung von Seckach und Zimmern mit Bodenseewasser über den Hochbehälter Talberg erfüllt bereits ohne das Teilstück zwischen Hochbehälter Mutschere und Anschlussstelle Hagenmühle die qualitativen Anforderungen der Trinkwasserverordnung sowie der Versorgungssicherheit.

2.3 Finanzierungsplan für das Gesamtvorhaben ist unzureichend

Die Bewilligungsstelle hat bei der Genehmigung der ersten Ausbaustufe nicht geprüft, ob die Gemeinde die weiteren Ausbaustufen in der vorgesehenen Weise und enger zeitlicher Abfolge umsetzen kann, falls eine höhere Eigenbeteiligung erforderlich wird.

2.4 Kriterien für die Erfolgskontrolle wurden nicht festgelegt

Im Zuwendungsbescheid sind die mit der Zuwendung beabsichtigten Ziele so festzulegen, dass eine begleitende oder abschließende Erfolgskontrolle möglich ist (z. B. durch die Angabe von Erfolgskriterien oder Kennzahlen). Dies fehlt im Zuwendungsbescheid für die erste Ausbaustufe.

3 Empfehlungen

3.1 Dynamische Kostenvergleichsrechnung anwenden

Künftig sollte bei Vorhaben der Wasserwirtschaft mit hohen Bau- und Folgekosten die standardisierte Methode der dynamischen Kostenvergleichsrechnung angewandt werden. Alle Arbeitsschritte einschließlich Annahmen, Datenherkunft und Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung sind nachvollziehbar zu dokumentieren und dem Zuwendungsantrag beizufügen.

3.2 Wasserleitung für gemischtes Wasser nicht fördern

Die geplante 4 km lange Wasserleitung für gemischtes Wasser vom Hochbehälter Mutschere bis zur Anschlussstelle Hagenmühle ist nicht förderfähig. Die gemeindeeinheitliche Wasserhärte rechtfertigt allein keine Förderung. Ihre Finanzierung ist Angelegenheit der Gemeinde. Sie kann die dafür erforderlichen Ausgaben in die Wasserpreise einrechnen. Die Wasserpreise würden überschlägig um 0,35 Euro/m³ steigen.

Die von der Gemeinde erwartete Zuwendung des Landes kann voraussichtlich um 700.000 Euro reduziert werden.

3.3 Finanzierungskonzept und Zeitplan für die Realisierung des gesamten Vorhabens einfordern

Bei der Antragsprüfung für die zweite Ausbaustufe hat das Regierungspräsidium ein Finanzierungskonzept und einen Zeitplan für die Realisierung des gesamten Vorhabens (zweite und dritte Ausbaustufe) einzufordern.

3.4 Kriterien der Erfolgskontrolle im Zuwendungsbescheid präzisieren und Zeitpunkt des Nachweises festlegen

In den Zuwendungsbescheiden für die zweite und dritte Ausbaustufe sind die Kriterien für die durchzuführenden Erfolgskontrollen zu präzisieren. Dies könnten z. B. die Vorgaben für den Wasserdruck (funktionierende Löschwasserversorgung, Deckung des Spitzenbedarfs, minimal und maximal zulässige Druckhöhen/Einfluss auf die Hausinstallationen) und die Reduzierung der realen Wasserverluste (aktueller Wasserverlust im Leitungsnetz zu prognostiziertem Wasserverlust) sein. Zugleich ist der Zeitpunkt der Erfolgskontrolle festzulegen.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Umweltministerium legt dar, dass die dynamische Kostenvergleichsrechnung künftig bei großen Vorhaben angewandt wird, wenn es zielführend ist, die Alternativen rein monetär zu bewerten. Im Weiteren wird die Bewilligungsstelle für die nächsten Ausbaustufen bei der Gemeinde einen Finanzierungsplan für das Gesamtvorhaben einfordern.

Das Ministerium sieht derzeit keine Gründe, die Kriterien für die Erfolgskontrolle im Zuwendungsbescheid festzulegen. Aus seiner Sicht ist es ausreichend, wenn das Ziel und der Zweck des Vorhabens beschrieben werden. Mit der Prüfung des Verwendungsnachweises werde die Frage nach der Erreichung des Zuwendungszwecks und damit auch die des Erfolgs zuverlässig beantwortet.

Zu der Leitung für gemischtes Wasser führt das Ministerium aus, dass bei der Bewertung der Förderfähigkeit nicht das Kriterium der gemeindeeinheitlichen Wasserhärte als „Komfortfaktor“, sondern die Versorgungssicherheit und die Nutzung ortsnaher Wasservorkommen für alle Ortsteile im Vordergrund stehe.

5 Schlussbemerkung

Die Argumente zur Förderfähigkeit der Leitung für gemischtes Wasser sind nicht nachvollziehbar. Die Leitung dient ausschließlich dazu, dem Anliegen der Gemeinde zu entsprechen, in ihrem Versorgungsgebiet künftig alle Abnehmer mit Wasser im mittleren Härtebereich zu versorgen.

Die Versorgungssicherheit aller Ortsteile ist auch ohne diese zusätzliche Leitung gewährleistet. Der Rechnungshof hält deshalb die Leitung für das gemischte Wasser nach wie vor nicht für förderfähig.

Die vom Umweltministerium aufgezeigte Vorgehensweise bei der Erfolgskontrolle ist unzureichend. Damit gelingt zwar der Nachweis, dass eine Anlage gebaut wurde, die beabsichtigte Zielerreichung lässt sich dadurch nicht nachweisen.

Der Rechnungshof empfiehlt dringend, die Kriterien der Erfolgskontrolle im Zuwendungsbescheid festzulegen.


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Einzelplan 12: Allgemeine Finanzverwaltung

Die Bearbeitungsqualität bei den Fällen mit Beiträgen zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung muss deutlich verbessert werden. Andernfalls drohen jährlich Steuerausfälle von 2,9 Mio. Euro. Zudem sollten die elektronischen Mitteilungen dazu genutzt werden, einen höheren Automatisierungsgrad bei der Fallbearbeitung zu erreichen.


1 Ausgangslage

1.1 Gesetzliche Rahmenbedingungen

Der Sonderausgabenabzug für Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung wurde durch das Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung vom 16.07.2009 (BGBl. I, Seite 1659) grundlegend geändert. Danach ist zu unterscheiden zwischen sogenannten Basisbeiträgen, die zur Erlangung eines sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus erforderlich sind, und sogenannten Wahlbeiträgen für eine darüber hinausgehende Versorgung, wie z. B. Chefarztbehandlung. Basisbeiträge sind ab dem Veranlagungszeitraum 2010 in unbegrenzter Höhe, Wahlbeiträge nur im Rahmen bestimmter Höchstbeträge als Sonderausgaben abzugsfähig. Voraussetzung für den unbegrenzten Abzug der Basisbeiträge ist, dass diese von den Versicherungsunternehmen elektronisch an die zentrale Stelle bei der Deutschen Rentenversicherung Bund gemeldet werden. Diese sogenannten E-Daten werden von der zentralen Stelle anhand der Identifikationsnummer der Versicherungsnehmer und gegebenenfalls der versicherten Person den Länderfinanzverwaltungen zugeordnet.

Die E-Daten werden bei den Einkommensteuerveranlagungen mit den Steuererklärungsdaten maschinell abgeglichen. Dieser Abgleich ist Bestandteil des Risikomanagements und führt bei bestimmten Konstellationen zu Prüfhinweisen, die von den Bediensteten der Finanzämter zu bearbeiten sind. Eine automatisierte Übernahme der E-Daten in die Einkommensteuerveranlagungen findet nicht statt.

1.2 Anlass, Ziele und Durchführung der Prüfung

Für den Veranlagungszeitraum 2012 wurden der Steuerverwaltung in Baden-Württemberg rund 3,3 Mio. E-Daten zugeleitet. Damit stellt die Auswertung dieser E-Daten durch die Finanzämter ein Massenverfahren dar, das mit einem nicht unerheblichen Personaleinsatz verbunden ist. Vor diesem Hintergrund hat der Rechnungshof den Umgang der Steuerverwaltung mit den E-Daten landesweit untersucht. Dabei haben wir uns auf die E-Daten über private Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge beschränkt.

In einem ersten Schritt haben wir die landesweiten Steuerdaten von allen Einkommensteuerveranlagungen ausgewertet, bei denen im Veranlagungszeitraum 2012 Basisbeiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung als Sonderausgaben berücksichtigt wurden. Im Anschluss haben wir zwei Grundgesamtheiten - Fälle ohne gespeicherten Hinweis und Fälle mit gespeichertem Hinweis 50508 - gebildet und die Prüffälle landesweit nach dem Zufallsprinzip ausgewählt (siehe Punkt 2.1). Diese Fälle wurden unter den Aspekten Qualität der Einkommensteuererklärungen, Zahl und Qualität der E-Daten sowie Qualität der Fallbearbeitung durch die Finanzämter detailliert untersucht.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Landesweite Fallzahlen, Erhebungsstichproben

Landesweit wurden im Veranlagungszeitraum 2012 bei 775.000 Einkommensteuerfällen Basisbeiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung berücksichtigt. Das entspricht rund 21 Prozent aller Einkommensteuerfälle. Bei 693.000 Fällen waren zu den Basisbeiträgen keine Prüfhinweise aus dem Risikomanagementsystem gespeichert. Das bedeutet, dass in diesen Fällen nach der Fallbearbeitung durch die Finanzämter keine Abweichungen zwischen den E-Daten und den bei der Veranlagung schlussendlich angesetzten Basisbeiträgen bestanden.

Bei 82.000 Fällen waren Prüfhinweise gespeichert. Den Schwerpunkt bildete dabei der Hinweis 50508 mit insgesamt 75.000 Fällen. Mit diesem Hinweis werden die Bediensteten aufgefordert, die Basisbeiträge zu prüfen. Grund hierfür ist, dass die Summe der erklärten Basisbeiträge auf der Anlage Vorsorgeaufwand und gegebenenfalls auf der Anlage Kind von der Summe der elektronisch übermittelten Basisbeiträge abweicht. Bleibt die Differenz auch nach der Prüfung bestehen, wird der Betrag zusammen mit dem Hinweis im IT-System gespeichert. Der Rechnungshof hat sich auf die 41.000 Fälle konzentriert, bei denen die steuerwirksame (positive oder negative) Differenz mehr als 500 Euro betrug.

Aus den so gebildeten Grundgesamtheiten wurden jeweils landesweit 600 Fälle nach dem Zufallsprinzip ausgewählt. Bei der Prüfung stellte der Rechnungshof fest, dass 89 der ausgewählten Fälle ohne gespeicherten Hinweis und 74 der ausgewählten Fälle mit gespeichertem Hinweis 50508 lediglich gesetzliche Krankenversicherungsbeiträge aufwiesen. Das Risikomanagementsystem gibt in solchen Fällen nur dann Hinweise, wenn die Zahlen nicht übereinstimmen. Unserem Prüfungsansatz folgend, haben wir diese Fälle nicht untersucht. Sie sind daher in den nachfolgenden Ergebnissen nicht enthalten.

2.2 Einkommensteuerfälle ohne gespeicherten Hinweis

2.2.1 Qualität der Einkommensteuererklärungen

Bei den geprüften 511 Einkommensteuerfällen ohne gespeicherten Hinweis waren insgesamt 808 E-Daten mit Basisbeiträgen zu berücksichtigen. In 112 Fällen (22 Prozent) mit insgesamt 205 E-Daten waren die Einkommensteuererklärungen im untersuchten Bereich fehlerhaft. Wegen dieser Erklärungsfehler gab das IT-System Hinweise aus, die von den Bediensteten zu bearbeiten waren. Da der Grund für die Hinweise im Zuge der Fallbearbeitung entfiel, wurden die Hinweise vom System gelöscht.

Bei den Erklärungsfehlern ergaben sich zwei Schwerpunkte: Die meisten Hinweise (64 Prozent) wurden ausgegeben, weil die in der Steuererklärung geltend gemachten Basisbeiträge nicht mit den E-Daten übereinstimmten. Ursächlich hierfür war im Wesentlichen, dass Wahlbeiträge als Basisbeiträge erklärt wurden. Ferner wurden häufig Beitragserstattungen und von der Rentenversicherung geleistete Zuschüsse zu den Basisbeiträgen in den Steuererklärungen nicht angegeben. Solche Erstattungen und Zuschüsse sind jedoch zu berücksichtigen. Sie mindern die als Sonderausgaben abzugsfähigen Basisbeiträge.

Der weitere Schwerpunkt (29 Prozent der Hinweise) betraf das Fehlen notwendiger Einträge. Hier wurden einerseits überhaupt keine Basisbeiträge erklärt, während entsprechende E-Daten vorlagen. Andererseits wurden die Basisbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zusammengefasst in einer Kennzahl erklärt, was das IT-System nicht zulässt.

2.2.2 Qualität der E-Daten und der Fallbearbeitung durch die Finanzämter

Das Bundeszentralamt für Steuern prüft die E-Daten bei den Versicherungen. Nach Auskunft der Oberfinanzdirektion ergaben sich dabei keine Beanstandungen. Es ist daher davon auszugehen, dass die E-Daten eine sehr gute Qualität haben. Die Finanzämter korrigierten 103 der 112 Erklärungsfehler ausschließlich dadurch, dass sie die E-Daten übernahmen. Dabei mussten die Bediensteten die Werte von Hand in die entsprechenden Kennzahlen eingeben, weil die Übernahme solcher Werte per Mausklick in Baden-Württemberg derzeit noch nicht möglich ist.

Bei den übrigen neun Fällen verblieben nach der Fallbearbeitung noch kleinere Differenzen unterhalb der Aufgriffsgrenze des Risikomanagementsystems, die sich steuerlich nicht auswirkten.

2.2.3 Steuerliche Bedeutung der Wahlbeiträge

Die elektronische Übermittlungspflicht erstreckt sich nur auf die Basisbeiträge. Einige Versicherungen übermitteln jedoch neben den Basisbeiträgen auch die gezahlten Gesamtbeiträge. Somit können die Finanzämter in diesen Fällen auch die Wahlbeiträge ermitteln und erklärte Beträge ohne Weiteres prüfen. In allen anderen Fällen müssen für eine solche Prüfung Bescheinigungen der Versicherungen vorliegen.

In 412 (81 Prozent) der untersuchten 511 Einkommensteuerfälle wurden bei der Veranlagung Wahlbeiträge berücksichtigt. In 134 Fällen haben sich diese Wahlbeiträge steuerlich ausgewirkt. Dies entspricht einem Anteil von 33 Prozent. Aufgrund der von den Versicherungen übermittelten Gesamtbeiträgen konnten die Finanzämter die Wahlbeiträge bei insgesamt 150 Fällen (36 Prozent) ohne weitere Unterlagen prüfen.

2.3 Einkommensteuerfälle mit gespeichertem Hinweis 50508

Der gespeicherte Hinweis 50508 weist auf - nach der Fallbearbeitung durch die Finanzämter noch bestehende - Differenzen zwischen den E-Daten und den bei der Veranlagung angesetzten Basisbeiträgen hin. Nachfolgend sind die wesentlichen Gründe für die hohe Anzahl der gespeicherten Hinweise 50508 dargestellt.

2.3.1 Fehlerhafte Bearbeitung durch die Finanzämter

Der Rechnungshof hat die Fälle ausschließlich anhand der elektronischen Akten untersucht. Deshalb konnte er etwaige Fehler nur in den Fällen zweifelsfrei feststellen, in denen keine Besonderheiten, wie z. B. ausländische Basisbeiträge, vorlagen und zudem alle notwendigen E-Daten vorhanden waren. Vor diesem Hintergrund wurden von den geprüften 526 Einkommensteuerfällen 174 Fälle im untersuchten Bereich beanstandet. Die Beanstandungsquote beträgt damit 33 Prozent. Der infolge der Bearbeitungsfehler eingetretene Steuerausfall beläuft sich auf 43.689 Euro. Das sind durchschnittlich 83 Euro je geprüften Fall.

Bei 94 Fällen (54 Prozent) lagen die E-Daten vor, und Gründe für einen davon abweichenden Ansatz der Basisbeiträge waren nicht ersichtlich. In diesen Fällen war der Hinweis 50508 regelmäßig nicht kommentiert. Die gezahlten Basisbeiträge sind um die im gleichen Jahr erstatteten Basisbeiträge sowie um erhaltene Zuschüsse zu den Basisbeiträgen zu mindern. Dies wurde bei 49 Fällen (28 Prozent) nicht beachtet. Weitere Fehlerquellen waren der doppelte Ansatz von Basisbeiträgen sowie der Ansatz der mitgeteilten Gesamtbeiträge anstatt der mitgeteilten Basisbeiträge.

2.3.2 Fehlende oder unzutreffend zugeordnete E-Daten

Trotz bestehender Übermittlungspflicht waren in 127 der untersuchten Fälle für mindestens eine Person zum Zeitpunkt der Veranlagung (noch) keine E-Daten im IT-System gespeichert. Bei 18 dieser Fälle gingen die E-Daten nach der Veranlagung ein. Bei den übrigen Fällen fehlten sie bis zum Zeitpunkt der Prüfung. In 85 Fällen fehlten dabei nicht nur die E-Daten für 2012, sondern auch für die Folgejahre. In diesen 85 Fällen wurden in 2012 Basisbeiträge von insgesamt 237.811 Euro als Sonderausgaben abgezogen.

Bei weiteren 77 Fällen waren E-Daten gespeichert, den Steuerfällen jedoch nicht oder nicht zutreffend zugeordnet. Obwohl die Fälle im Ergebnis zutreffend veranlagt waren, blieb der Hinweis 50508 daher bestehen. Im Wesentlichen waren dies Fälle mit Basisbeiträgen für Kinder, die selbst Versicherungsnehmer waren. Da die Identifikationsnummer der Kinder in diesen Fällen nicht erklärt war, wurde die maschinelle Zuordnung der E-Daten zum Steuerfall der Eltern verhindert. In der Folge hätten die E-Daten personell im IT-System gesucht und dem Steuerfall zugeordnet werden müssen, was die Finanzämter jedoch unterließen.

Bei den übrigen Fällen lagen dem gespeicherten Hinweis Besonderheiten zugrunde, wie z. B. ausländische Krankenversicherungsbeiträge von Grenzgängern.

2.4 Bewertung

Auf Grundlage dieser Feststellungen sieht der Rechnungshof Optimierungspotenzial. Die Bearbeitungsqualität bei den Fällen mit Hinweis 50508 muss deutlich verbessert werden. Andernfalls drohen nach unwidersprochenen Schätzungen des Rechnungshofs jährlich allein bei den Basisbeiträgen zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung Steuerausfälle von 2,9 Mio. Euro. Zudem sollten die E-Daten dazu genutzt werden, einen höheren Automatisierungsgrad bei der Bearbeitung von Steuerfällen mit Basisbeiträgen zu erreichen. Letzteres gilt in gleichem Maße für die vom Rechnungshof aktuell nicht untersuchten elektronisch übermittelten Basisbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung.

3 Empfehlungen

3.1 Automatisierungsgrad erhöhen, Datenübernahme vereinfachen

Das IT-System der Finanzämter ist so anzupassen, dass nicht oder unzutreffend erklärte Basisbeiträge, erstattete Basisbeiträge und Zuschüsse zu Basisbeiträgen in größtmöglichem Umfang automatisch durch die elektronisch übermittelten Werte ersetzt werden. Dieses muss für den Steuerpflichtigen eindeutig nachvollziehbar sein.

Die bereits in anderen Ländern bestehende Möglichkeit, E-Daten mit einem Mausklick automatisch in die Eingabekennzahlen zu übernehmen, sollte schnellstmöglich eingeführt werden.

3.2 Bearbeitungsqualität verbessern, fehlende E-Daten melden

Den Bediensteten der Veranlagungsstellen sind die wesentlichen Ursachen für den Hinweis 50508 erneut aufzuzeigen. Zugleich sind sie zu einer konsequenten Prüfung der entsprechenden Fälle zu veranlassen.

Des Weiteren sind die Bediensteten anzuhalten, fehlende E-Daten konsequent zu melden. Nur dadurch kann die Oberfinanzdirektion flächendeckende Probleme einzelner Versicherungsunternehmen bei der Datenübermittlung frühzeitig erkennen.

3.3 Elektronische Übermittlung von Wahlbeiträgen initiieren

Die Landesregierung sollte auf Bundesebene für eine Gesetzesänderung eintreten: Bei Versicherungsnehmern, für die ohnehin Basisbeiträge elektronisch übermittelt werden müssen, sollten künftig gleichzeitig auch etwaige Wahlbeiträge zwingend übermittelt werden. Den übermittlungspflichtigen Unternehmen dürfte dadurch nahezu keine zusätzliche Belastung entstehen. Denn bereits bei der bestehenden Rechtslage müssen sie in solchen Fällen die Gesamtbeiträge in Basis- und Wahlbeiträge aufteilen. Der zu übermittelnde Wahlbeitrag liegt also bereits vor. Aufseiten der Steuerverwaltung würde eine entsprechende Gesetzesänderung hingegen dazu beitragen, die Verfahrensabläufe zu optimieren sowie die Bearbeitungsqualität zu verbessern. Die Wahlbeiträge könnten künftig in ähnlichem Umfang wie die Basisbeiträge durch das Risikomanagementsystem überprüft werden.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft will die Bediensteten der Finanzämter auf die Ursachen und den richtigen Umgang mit dem Hinweis 50508 erneut aufmerksam machen. Gleiches gilt für die Meldung fehlender E-Daten.

Das Ministerium teilt die Auffassung des Rechnungshofs, dass bei der Bearbeitung der Steuerfälle ein höherer Automatisierungsgrad erreicht werden muss. Anders als bei den Rentenbezugsmitteilungen (Denkschrift 2014, Beitrag Nr. 19) seien die Besonderheiten bei den E-Daten jedoch bisher auf Bundesebene nicht untersucht. Das Ministerium sehe deshalb keine Möglichkeit, die Umsetzung zu beschleunigen, werde aber alle entsprechenden Bestrebungen unterstützen. Die bereits in anderen Ländern bestehende Möglichkeit, E-Daten per Mausklick automatisch in die Eingabekennzahlen zu übernehmen, werde im ersten Halbjahr 2015 realisiert.

Das Ministerium werde auf Bundesebene für eine Gesetzesänderung eintreten, wonach die Versicherungsunternehmen nicht nur die Basisbeiträge, sondern auch den vom Steuerpflichtigen zu leistenden Gesamtbeitrag (einschließlich Wahlbeitrag) elektronisch zu übermitteln haben.


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Landesweit sind mehr als 500 Kunstwerke verschollen. Eine regelmäßige Inventur findet nicht statt. Das Budget für Kunst am Bau sollte sich am bundesweiten Niveau orientieren und entsprechend reduziert werden. Der Verkauf von Kunstobjekten früherer Jahre sollte für neue Kunst am Bau genutzt werden.


1 Ausgangslage

Der Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg (Vermögen und Bau) betreut etwa 3.500 Kunstwerke, die für Gebäude des Landes seit den Fünfzigerjahren beschafft wurden. Im Gegensatz zu staatlichen Kunsthallen und Museen umfasst Kunst am Bau keine konzeptionell ausgerichtete Auswahl künstlerischer Arbeiten, sondern zeigt Einzelobjekte unterschiedlicher Stilrichtungen der Kunst. Das Land wendete in den vergangenen fünf Jahren 2 Mio. Euro für den Erwerb von 31 ortsfesten Kunstwerken für große Baumaßnahmen auf. Die Auswahl und Betreuung der Kunst am Bau obliegt Vermögen und Bau.

Der Rechnungshof prüfte die Beschaffung neuer Kunstwerke und den Umgang mit dem Bestand. Die Prüfung war zugleich eine Nachschau zur Denkschrift 2005, Beitrag Nr. 23. Es wurde untersucht, ob die Vergabeverfahren verbessert und die Erfassung und Dokumentation der Kunstwerke optimiert wurden.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Ausschreibungs- und Vergabeverfahren

Vermögen und Bau führt die Ausschreibungen und Vergaben für Kunst am Bau durch und wird dabei von der eigens eingerichteten Kunstkommission beraten. In der Praxis haben sich drei Vergabeverfahren bewährt:

  • Direktauftrag bzw. Ankauf (bis 20.000 Euro),

 

  • Beschränkter Wettbewerb (20.000 bis 130.000 Euro) und

 

  • Offener Wettbewerb (ab 130.000 Euro).

Die Vergabeverfahren sind an die eingeführten Richtlinien für die Beteiligung freiberuflich Tätiger angelehnt. Die Kunstkommission wird in der Praxis bei allen Verfahren, auch bei Direktankäufen von Kunstwerken von weniger als 7.500 Euro, beteiligt. Die wettbewerblichen Entscheidungen sind transparent dokumentiert. Die Vergabeverfahren wurden entsprechend den damaligen Forderungen des Rechnungshofs umgestellt und optimiert.

2.2 Besonders wertvolle Kunstwerke

Bei verschiedenen Kunstwerken, die in den Fünfzigerjahren bis Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts beschafft wurden, sind außerordentliche Wertsteigerungen festzustellen. Sie stellen ein beträchtliches Vermögen dar. Allerdings werden die Kunstwerke grundsätzlich nicht monetär bewertet; die Werte der Kunstwerke werden nicht erfasst. Lediglich bei Kunstwerken, die an Dritte verliehen werden, ist ein Wert bekannt (meist der Versicherungswert). Dies ist bei zehn Kunstwerken der Fall.

Zum Beispiel wurde 1956 das großformatige Kunstwerk „Freiburger Bild“ von Ernst-Wilhelm Nay (1902 bis 1968) für 15.000 DM gekauft. Der Versicherungswert dieses Bildes beträgt inzwischen 2 Mio. Euro.

Beitrag 15 Abb. 1

Auch bei den Kunstwerken von Pablo Picasso, Henry Moore, Otto Dix, Alexander Calder, Aristide Maillol, Max Ackermann oder Niki de Saint Phalle ist von einer erheblichen Wertsteigerung auszugehen. Um den Wert dieser Kunstwerke zu erhalten, müssen besondere Sicherungsmaßnahmen getroffen werden.

2.3 Verschollene Kunstwerke

Ab 2005 wurden sukzessiv alle vorhandenen und neu hinzukommenden Kunstwerke in einer Datenbank katalogisiert. Der Rechnungshof hat die Datenbank analysiert und dabei festgestellt, dass landesweit mehr als 500 Kunstwerke verschollen sind. Auch wertvolle Arbeiten der Klassischen Moderne von Lionel Feininger (Holzschnitt „Segelschiffe“ von 1919) und Joan Miró (Farblithografie „Signes et Météores“ von 1958) werden vermisst. Beide Werke wurden Anfang der Sechzigerjahre für die Universität Stuttgart beschafft. Der Verwaltung ist auch in diesen beiden Fällen nicht bekannt, wann die Kunstwerke erstmalig vermisst wurden.

2.4 Nicht angemessene Betreuung der Kunstwerke

Den Besitz über die Kunstwerke üben die nutzenden Verwaltungen und Institutionen aus. Eigentümer ist das Land, vertreten durch Vermögen und Bau. Die Kunstwerke werden mit der Übergabe der Gebäude den Nutzern zugewiesen. Lediglich im Einzelfall werden die Kunstwerke mit einer Vereinbarung förmlich an den Nutzer übergeben. Diese förmliche Übertragung unterstreicht die Pflichten und die Verantwortung des Nutzers.

Bei den zuletzt realisierten Kunstwerken wurden bereits bei drei von 31 Objekten Mängel festgestellt. Diese sind auf ungenügende Betreuung bzw. Wartung der technischen Installation zurückzuführen:

  • Schmierereien auf einer Plastik in Freiburg werden nicht entfernt,

 

  • die Videoübertragung zur Plastik „Augenloses“ in Freiburg funktioniert nicht,

 

  • die Lichtinstallation „Labor“ in Hohenheim ist außer Betrieb und

 

  • beim Wandobjekt „Laufende Schuhe“ in Lahr haben sich Teile gelöst.

Beitrag 15 Abb. 2

Auch ältere Kunstwerke werden nicht immer ihrem Wert entsprechend betreut und gesichert. Beispielsweise hängt Picassos „Tête de femme“ von 1957 in Fellbach in einem Flur neben dem Kopiergerät. Die Lithografie ist vergilbt und die Unterschrift verblasst. In Ulm muss die Großplastik „La poète et sa muse“ von 1978 der Künstlerin Niki de Saint Phalle neu gefasst werden.

Der Rechnungshof sieht es ferner als unerlässlich an, dass besonders wertvolle Kunstwerke durch eine regelmäßige Inventur betreut und in Augenschein genommen werden. Dies ist bisher nicht vorgesehen.

2.5 Festlegung des Budgets für Kunst am Bau

Das Budget für die Kunst am Bau wird anhand der Kosten der Baumaßnahme ermittelt. Dabei kann grundsätzlich bis zu einem Prozent der Kosten für Baukonstruktion, technische Anlagen sowie Außenanlagen veranschlagt werden. Bei Baumaßnahmen mit Gesamtbaukosten von mehr als 20 Mio. Euro legt das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft die Mittel im Einzelfall fest. In allen geprüften Fällen wurde der einprozentige Kostenansatz deutlich unterschritten und das Budget nicht voll ausgeschöpft.

Beitrag 15 Tab

Beispielsweise wurden beim Neubau der Pathologie in Heidelberg statt angesetzter 136.000 Euro nur 50.000 Euro verwendet. Somit wurden statt einem Prozent nur 0,4 Prozent der anrechenbaren Kosten abgerechnet.

Der Rechnungshof führte eine Umfrage bei den Rechnungshöfen von Bund und Ländern über die Handhabung von Kunst am Bau durch. In einigen Ländern ist Kunst am Bau überhaupt nicht mehr vorgesehen. In anderen Ländern werden überwiegend geringere Budgets für Kunst am Bau angesetzt.

Die Mehrheit von Bund und Ländern legen dabei nur die Bauwerkskosten zugrunde. Nur bei drei von 16 Ländern, darunter auch Baden-Württemberg, werden die Kosten der Außenanlagen mit einbezogen.

3 Empfehlungen

3.1 Wertvolle Kunstwerke besser sichern

Besonders wertvolle Kunstwerke müssen durch geeignete Maßnahmen besser geschützt und gesichert werden. Beeinträchtigungen der Kunstwerke, die zu einer Wertminderung führen, müssen vermieden werden. Die Übergabe der Kunstwerke an die Nutzer sollte landeseinheitlich geregelt und optimiert werden. Die Nutzer müssen mit der Übergabe der Kunst über Sorgfalts- und Berichtspflichten in Kenntnis gesetzt werden.

3.2 Inventur einführen

Die vorhandene Datenbank der Kunstwerke ist zu aktualisieren. Zum Beispiel sollten verschollene bzw. nicht mehr auffindbare Kunstwerke in der Datenbank in einem gesonderten Ordner geführt werden. Der Bestand aller Kunstwerke ist mindestens alle drei Jahre zu prüfen und in der Kunstdatenbank zu dokumentieren. Wertvolle Kunstwerke sind dabei besonders in Augenschein zu nehmen. Der Verlust von Kunstwerken ist sowohl von der nutzenden Verwaltung als auch von Vermögen und Bau aufzuklären.

3.3 Mängel bei Kunstwerken beseitigen

Zum langfristigen Werterhalt der Kunstwerke müssen technische Mängel bei Installationen oder Schmierereien umgehend beseitigt werden.

3.4 Budget reduzieren

Der Rechnungshof schlägt vor, bei der Ermittlung des Budgets für Kunst am Bau die Kosten der Außenanlagen nicht mehr zugrunde zu legen. Das Budget sollte auf maximal ein Prozent der Bauwerkskosten beschränkt werden.

3.5 Kunstwerke veräußern

Der Verkauf besonders wertvoller Kunstwerke ist zu prüfen. Dabei sollten Kunstwerke im Vordergrund stehen, die nicht speziell für das Gebäude entworfen und gestaltet wurden. Erlöse könnten, entsprechend der ursprünglichen Intention von Kunst am Bau, für den Ankauf neuer Kunstwerke von nicht etablierten Künstlerinnen und Künstlern genutzt werden. Dieses rollierende System stellt ein geeignetes Instrument dar, um die Kunst am Bau zu finanzieren und damit langfristig zu sichern.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft hat keine Einwände gegen die Feststellungen des Rechnungshofs geäußert und wird entsprechende Maßnahmen in die Wege leiten. Ziel von Kunst am Bau sei es, „dass Kunst insbesondere auch im öffentlichen Raum erlebbar gemacht wird“.

Gegen die Empfehlungen des Rechnungshofs, wertvolle Kunstwerke besser zu sichern, eine Inventur einzuführen und Mängel zu beseitigen, erhebt das Ministerium keine Einwände.

Dagegen wird eine Reduzierung der Mittel für Kunst am Bau vom Ministerium nicht befürwortet, da die anrechenbaren Kosten bereits 2003 reduziert worden seien. Das Ministerium sieht grundsätzlich keine Veranlassung für den Verkauf von Kunstwerken. Es werde jedoch geprüft, ob eingelagerte Kunst veräußert werden könne.

5 Schlussbemerkung

Der Vorschlag, einzelne Werke von Kunst am Bau gegebenenfalls auch wieder abzugeben, ist nicht haushaltsgetrieben, sondern will das Handlungsspektrum für Kunst am Bau erweitern. Die Abgabe von Werken könnte in entsprechender Anwendung des Positionspapiers zur Problematik der Abgabe von Sammlungsgut des Deutschen Museumsbundes erfolgen. Abzugebende Werke sollten daher zunächst den öffentlichen Museen angeboten werden.


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Zwei von sechs neuen Kindertagesstätten an Hochschulen haben zu große Flächen und zu großzügige Ausstattungen. Auf aufwendige Turnhallen, Atrien und Außenspielflächen hätte verzichtet werden müssen. Richtwerte zum wirtschaftlichen Bauen sind dringend erforderlich.


1 Ausgangslage

Kinderbetreuung ist grundsätzlich eine kommunale Aufgabe. Daneben errichten, betreiben und unterhalten schon bisher Studierendenwerke, Hochschulen und Universitätsklinika Kindertagesstätten.

Der Rechnungshof hat sechs Neubauten von Kindertagesstätten mit Gesamtbaukosten von zusammen 16,5 Mio. Euro geprüft, die seit 2006 an vier Hochschulen und einem Universitätsklinikum errichtet wurden. Die Einrichtungen sind für Kinder von Bediensteten oder für Kinder von Studierenden bestimmt. Die Maßnahmen wurden aus Eigenmitteln der Hochschulen beziehungsweise der Universitätsklinik finanziert und teilweise durch Dritte bezuschusst. Die Baumaßnahmen wurden durch den Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg (Vermögen und Bau) durchgeführt. Das Land stellte die Grundstücke zur Verfügung. Vermögen und Bau hatte davor keine Erfahrung mit dem Neubau und Unterhalt von Kindertagesstätten für die Betreuung von unter Dreijährigen, den sogenannten Krippenplätzen.

Der Rechnungshof untersuchte, ob der Bau von Kindertagesstätten wirtschaftlich und sparsam umgesetzt wurde und wie groß die zu erwartende zusätzliche Belastung des Landeshaushalts durch den Bauunterhalt ist. Derzeit planen das Land beziehungsweise Landeseinrichtungen weitere Neubauten für Kindertagesstätten in Stuttgart und Mannheim.

Untersucht wurden folgende Maßnahmen:

  • „KinderUniversum“ des Karlsruher Institut für Technologie,

 

  • „Kinderhaus Knirps & Co.“ an der Universität Konstanz,

 

  • „PH Strolche“ an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd,

 

  • „Kinderhaus Pfaffenwald“ an der Universität Stuttgart,

 

  • Kindergarten an der Universitätsklinik Ulm und

 

  • Kinderkrippe an der Universitätsklinik Ulm.

Im Gegensatz zu den Kindertagesstätten der Kommunen befinden sich die geprüften Neubauten nicht in innerstädtischen Wohnquartieren. Die Neubauten wurden in Randlage des jeweiligen Hochschulcampus errichtet.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Unterschiedliche Qualität und Kosten

Fünf der sechs Kindertagesstätten sind eingeschossig und nicht unterkellert. Sie benötigen daher weder einen Aufzug noch Treppenhäuser oder zusätzliche Fluchtwege. Die geprüfte Kindertagesstätte in der Innenstadt von Karlsruhe ist voll unterkellert und hat vier Obergeschosse. Der Neubau verfügt über zwei Treppenhäuser zur Erschließung und als Fluchtweg sowie einen Aufzug.

Die Neubauten in Schwäbisch Gmünd und Stuttgart wurden in Holzbauweise erstellt. Der Neubau in Karlsruhe wurde als Leichtbetonbau mit Sichtbetonqualität, die anderen Neubauten in konventioneller Massivbauweise errichtet. Die Kosten der unterschiedlichen Baukonstruktionen sowie die technische Gebäudeausrüstung bestimmen maßgeblich die Bauwerkskosten je Quadratmeter Nettogrundfläche.

Beitrag 16 Abb. 1

Die Bauwerkskosten betrugen bei den Kindertagesstätten in Konstanz und Karlsruhe zwischen 1.950 Euro und 2.150 Euro je Quadratmeter Nettogrundfläche. Dieser Kennwert entspricht den durchschnittlichen Kosten von Institutsgebäuden für Ingenieurwissenschaften oder einfachen Naturwissenschaften. Die deutliche Abweichung bei den Baukosten für eine dem Grunde nach gleiche Bauaufgabe veranschaulicht, dass in Konstanz und Karlsruhe die Maßstäbe des wirtschaftlichen und sparsamen Bauens der öffentlichen Hand nicht beachtet wurden.

Auch die nicht in den Bauwerkskosten enthaltenen Kosten zur Herstellung der Außenspielflächen variierten erheblich. Je Standort wurden hierfür zwischen 20.000 Euro und 500.000 Euro investiert.

Ein weiterer Indikator für die Wirtschaftlichkeit sind die Gesamtbaukosten je Betreuungsplatz. Dieser ermöglicht einen direkten finanziellen Vergleich zwischen Investition und Betreuungsplätzen auch mit den Maßnahmen der Kommunen. Nach Einschätzung des Rechnungshofs betragen die Gesamtbaukosten für Neubauten je Betreuungsplatz im bundesweiten Vergleich überschlägig 30.000 Euro.

Beitrag 16 Abb. 2

Der bundesweite Vergleich illustriert, dass die Mehrheit der vom Rechnungshof geprüften Neubauten über dem Durchschnitt liegt. Das Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) legte dem Kinderförderungsgesetz einen Richtwert von 36.000 Euro je Betreuungsplatz zugrunde. Der Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS B.-W.) kalkuliert mit Neubaukosten je Betreuungsplatz von 20.000 Euro bis 40.000 Euro. Zur Vereinfachung wurde im Diagramm der Mittelwert 30.000 Euro je Betreuungsplatz abgebildet.

Das Finanzwissenschaftliche Forschungsinstitut an der Universität Köln (FiFo Köln) sowie der Landesrechnungshof (LRH) Niedersachsen werteten abgerechnete Maßnahmen aus und errechneten Gesamtbaukosten je Betreuungsplatz von 23.136 Euro bzw. 22.082 Euro. Der Kennwert von Schwäbisch Gmünd mit 55.359 Euro je Platz ist ein Ausreißer, da der Neubau lediglich zehn Betreuungsplätze bietet.

2.2 Unterschiedlich große Flächen je Betreuungsplatz

Je Betreuungsplatz werden vom Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg mindestens 5 m² für Ruhe- und Gruppenräume empfohlen. Darüber hinaus sind Sanitärräume und Flurflächen erforderlich. Mehrheitlich als Krippe genutzte Kindertagesstätten haben einen höheren Flächenanspruch. Die tatsächliche Größe der Nettogrundfläche je Betreuungsplatz variierte bei den sechs Kindertagesstätten zwischen 14 m² und 20 m².

Beitrag 16 Abb. 3

Der Flächenbedarf je Betreuungsplatz ist bei Kindertagesstätten mit wenigen Betreuungsplätzen zwangsläufig höher, deren Wirtschaftlichkeit ist entsprechend geringer. In Schwäbisch Gmünd werden lediglich zehn Betreuungsplätze angeboten. An anderen Standorten wurden bis zu 115 Betreuungsplätze geschaffen.

Den jeweiligen Planungen lagen unterschiedliche pädagogische Konzepte zugrunde. An den Standorten Konstanz, Karlsruhe und Ulm Krippe führten sogenannte Multifunktions- und Bewegungsflächen zu einer erhöhten Nettogrundfläche. Das ging trotz einer großen Anzahl von Betreuungsplätzen zulasten der Wirtschaftlichkeit.

In Karlsruhe wurde ein nicht überdachter Innenhof über drei Geschosse gebaut. Hinter der Glasfassade, die den Innenhof umfasst, befinden sich die Erschließungsflure. Auch die zahlreichen Loggien und zwei Treppenhäuser tragen zu einem hohen Kennwert von rund 19 m² trotz 115 Betreuungsplätzen bei.

In drei Häusern wurden Kletterwände und Turngeräte eingebaut. Im Kindergarten Ulm sind diese in den Flur integriert und frei zugänglich. In Karlsruhe und Konstanz wurden separate Turnhallen mit großer Raumhöhe errichtet. Diese haben auch von der Decke abgehängte Turngeräte und können nur unter Aufsicht genutzt werden. In Konstanz gibt es als Besonderheit neben einem großzügigen Eingangsbereich, der für kleinere Darbietungen mit Theaterstrahlern ausgerüstet ist, zudem mehrere Entspannungsräume mit Liegen für das Personal.

2.3 Zusätzliche Belastung des Landeshaushalts

Sämtliche Gebäude erfordern jährlichen Bauunterhalt, um ihre Betriebssicherheit und den Wert des Gebäudes zu erhalten. Hierbei haben der Ausbaustandard und die technischen Anlagen einen erheblichen Einfluss auf die Instandsetzungskosten. Der Bedarf für Instandsetzungen bewegt sich zwischen 1 und 2 Prozent der Neubaukosten je Jahr.

Der Rechnungshof kalkuliert für den Bauunterhalt der sechs geprüften Gebäude eine zusätzliche Belastung des Landeshaushalts von jährlich 150.000 Euro.

2.4 Kinderhaus der Universität Konstanz

Das Gebäude hat eine langgestreckte amorphe Form mit einer durchschnittlichen Raumhöhe von mehr als 4 m. Entlang der südlichen Fassade wurde eine etwa 2 m breite Terrasse hergestellt. Drei begeh- und bespielbare Innenhöfe wurden errichtet. Diese dienen auch der zusätzlichen natürlichen Belichtung und Belüftung des Gebäudes. Weiterhin wurde über dem innen liegenden Turnraum das Dach leicht angehoben, um natürliche Belichtung und Belüftung zu ermöglichen. Das Dach ist teilweise als Gründach ausgeführt, die restlichen Flächen sind bekiest.

Aufgrund des pädagogischen Konzepts wurden neben den üblichen Räumen ein Experimentierraum, Musikraum, Werkstatt- und Atelierraum, Theaterraum sowie ein Turn- und Veranstaltungsraum gebaut. Ebenso einmalig sind ein Wasserspielraum und ein Sandspielraum witterungsunabhängig im Gebäude untergebracht.

Das Gebäude besitzt für eine Kindertagesstätte eine ungewöhnlich umfangreiche Gebäudeautomation. Die Beleuchtung, Fußbodenheizung und der Sonnenschutz werden raumscharf automatisiert geregelt. Zudem wurden auf dem Dach 18 Solarkollektoren zur Brauchwassererwärmung realisiert.

Beitrag 16 Abb. 4

Das Kinderhaus in Konstanz verfügt mit 4.400 m² über die mit Abstand größte Außenspielfläche der sechs geprüften Kindertagesstätten. Die Außenspielfläche wurde aufwendig mit unterschiedlichen Spielbereichen und Spielgeräten gestaltet. Neben Schaukeln und Rutschen wurden mehrere Spielhäuser, Sandspielbereiche und Wasserspiele sowie eine Bobby-Car-Rennstrecke angelegt. Allein für die Außenanlagen wurden 500.000 Euro ausgegeben.

Die Gesamtbaukosten betrugen 5 Mio. Euro. Überschlägig 1 Mio. Euro hätte eingespart werden können, wenn die Außenspielfläche, die Sonderräume, die durchschnittliche Raumhöhe und die Standards der Haustechnik reduziert worden wären.

2.5 KinderUniversum des KIT

Das fünfgeschossige unterkellerte Gebäude wurde in Sichtbetonqualität hergestellt. Es enthält Gestaltungselemente wie Loggien, einen begehbaren, nicht überdachten Innenhof und eine 240 m² große Dachterrasse. Im Gegensatz zu den anderen untersuchten Kindertagesstätten wurden beim KinderUniversum ein Aufzug und zwei Treppenhäuser hergestellt. Zudem wurde eine Turnhalle mit 6 m Raumhöhe innerhalb des Gebäudes realisiert.

Beitrag 16 Abb. 5.

Die 1.100 m² große Außenspielfläche enthält Gestaltungs- und Spielelemente wie eine Holzspielwand, eine modulierte Rasenfläche, Sandspielflächen sowie ein Heckenlabyrinth. Eine Spiegelwand aus poliertem Edelstahl kennzeichnet die Grundstücksgrenze und soll den Außenspielbereich optisch vergrößern. Die Kosten für die Außenanlage betrugen 305.000 Euro, wovon alleine 230.000 Euro auf die Herstellung der Holzspielwand mit Wippe und Wasserspielen entfielen.

Die Forderungen des KIT nach einem „Kinderhotel“ und Dozentenappartements im obersten Geschoss wurden geplant, jedoch nicht realisiert. Zur Umnutzung des obersten Geschosses für zusätzliche Kinderbetreuung waren geringfügige zusätzliche Umbaumaßnahmen notwendig. Nach dem Umbau stehen insgesamt 115 Betreuungsplätze zur Verfügung.

Die Gesamtbaukosten betrugen 5,5 Mio. Euro. Hierin sind Kosten für Herrichten und Erschließen sowie Außenanlagen von rund 0,6 Mio. Euro enthalten. Wäre auf den verglasten Innenhof, die Dachterrasse, die Loggien, die Turnhalle und die Unterkellerung verzichtet sowie eine wirtschaftlichere Baukonstruktion gewählt worden, hätten mehr als 1,1 Mio. Euro eingespart werden können.

2.6 Einfluss von finanzierenden Nutzern auf die Planungen

Die Prüfung hat gezeigt, dass die finanzierenden Nutzer teilweise noch während der Bauzeit massiven Einfluss auf die Planungen genommen haben. Nutzungsanforderungen und Bauunterlagen waren unvollständig. Insbesondere waren die Wirtschaftlichkeitsnachweise nicht belastbar. Wünsche und Forderungen der Nutzer haben bei Baukonstruktionen und technischen Ausstattungen kostenintensive Ausführungen veranlasst. Vermögen und Bau wies die überzogenen Forderungen der finanzierenden Nutzer nicht zurück.

Die Neubauten in Konstanz und Karlsruhe wurden auf Grundlage überzogener Nutzungskonzepte und viel zu großen Raumprogrammen projektiert und geplant. Auch der hohe Anspruch an die Architektur und die überzogene Außenbereichsgestaltung führen zum Eindruck elitärer Einrichtungen, die den Maßstäben des wirtschaftlichen und sparsamen Bauens der öffentlichen Hand nicht gerecht werden.

Beide Gebäude wurden offensichtlich in einen zu großen Kostenrahmen hineingeplant, statt die Kosten nach dem erforderlichen Bedarf zu bemessen.

3 Empfehlungen

3.1 Eigene Baumaßnahmen kritisch hinterfragen

Um die Attraktivität des Landes als Arbeitgeber zu erhöhen, wird der Kinderbetreuung steigende Bedeutung zugemessen. Gleichwohl sind eigene Baumaßnahmen kritisch zu hinterfragen. Zuvor sind Belegungsrechte, die Inanspruchnahme kommunaler Kapazitäten (Gewährleistungsauftrag) oder andere Maßnahmen zu prüfen.

3.2 Einheitliche Richtwerte für Flächen und Ausstattung festlegen

Kindertagesstätten, die vom Land beziehungsweise Einrichtungen des Landes finanziert werden, müssen sich am Bedarf orientieren und wirtschaftlich und sparsam hergestellt werden. Der Flächenbedarf und die Ausführung müssen landeseinheitlich bemessen sein und einheitlichen Richtwerten folgen. Für die landeseigenen Gebäude zur Kinderbetreuung sollte analog zu den Musterraumprogrammen für Verwaltungen eine Bedarfsbemessungsgrundlage mit den Ressorts erarbeitet und abgestimmt werden. Anhand von verwaltungsinternen Entwürfen muss untersucht werden, ob eine modulare Typenplanung landesweit wirtschaftlich umsetzbar ist.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft sagt zu, die Maßstäbe des wirtschaftlichen Bauens bei künftigen Planungen von Kindertagesstätten verstärkt zu beachten. Es ist der Ansicht, dass der Vergleich zwischen den untersuchten Kindertagesstätten mit bundesweiten Querschnittzahlen korrelationsbedingt zu Verwerfungen führen müsse.

Das Ministerium bestätigt, dass überzogene und nicht restriktiv behandelte Forderungen der finanzierenden Nutzer zu vermeidbaren Mehrkosten führten. Dies könne aus besonderen pädagogischen Konzepten oder Vorgaben aus frühkindlichen Förderungsmodellen erwachsen.

„Die Steuerungsmöglichkeiten des Landesbetriebs versagen an dem Punkt, wo frühzeitig belastbare und verbindlich genehmigte Nutzungs- wie Ausstattungskonzepte des Nutzers beziehungsweise Betreibers fehlen.“ Das Ministerium sehe daher weiteren Präzisierungsbedarf für interministerielle Regelungen bei Vorhaben, für die das Land nicht originär unterbringungspflichtig ist.

Die Empfehlung des Rechnungshofs für eine abgestimmte landeseinheitliche Bedarfsbemessung wird begrüßt. Das Ministerium beabsichtigt, hierfür eine Arbeitsgruppe einzurichten, die sich auch mit einer modularen Typenplanung befassen werde.


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Die Anzahl der Fiskalerbschaften steigt. Der Verwaltungsaufwand für deren Abwicklung ist hoch. Der Landesbetrieb Vermögen und Bau sollte die Aufgabe einer Vollzugskritik unterziehen und die Bearbeitung auf zwei Kompetenzämter konzentrieren.


1 Ausgangslage

Entsprechend den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs hat jeder Erblasser Erben. Sind keine Verwandten, Ehegatten oder Lebenspartner des Erblassers vorhanden und liegt auch keine Verfügung von Todes wegen vor, ist das Land gesetzlicher Erbe. Diese Rechtsfolge tritt auch ein, wenn alle Erben die Erbschaft ausschlagen. Das Land kann Erbschaften nicht ausschlagen. Von 2008 bis 2013 vereinnahmte das Land 23,5 Mio. Euro aus Fiskalerbschaften.

Die Verwaltung von Fiskalerbschaften, Vermächtnissen und Auflagen, mit denen das Land oder nichtrechtsfähige Landeseinrichtungen bedacht werden, obliegt dem Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg (Vermögen und Bau). Die Nachlässe werden von dem Amt bearbeitet, in dessen Amtsbezirk der letzte Wohnsitz des Erblassers lag.

Der Rechnungshof wertete landesweit 13 Prozent der 2013 anhängigen Erbschaftsfälle aus.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Nachlässe

Das Land erbt in nahezu 75 Prozent der Fälle, weil Erbberechtigte die Erbschaften ausgeschlagen haben, und in 20 Prozent der Fälle, weil andere Erbberechtigte nicht vorhanden waren. Quantitativ kaum Bedeutung haben Erbschaften durch testamentarische Einsetzung, Vermächtnisse und Auflagen.

Die Anzahl der Fiskalerbschaften hat sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich erhöht. Von 2008 bis 2013 waren insgesamt 3.341 Neuzugänge zu verzeichnen. Davon entfielen 2.812 auf den badischen und 529 auf den württembergischen Landesteil. Waren es landesweit 2008 noch 386 Neuzugänge (335 Baden/51 Württemberg), so waren es 2013 bereits 681 (588 Baden/93 Württemberg).

2.2 Unterschiedliche Praxis der Nachlassgerichte

Nachlassgerichte sind in Baden-Württemberg die staatlichen Notariate. Die Notare treffen ihre Entscheidungen als Nachlassrichter in richterlicher Unabhängigkeit. Im Zuge der Notariatsreform werden die Aufgaben der Nachlassgerichte ab 2018 auf die Amtsgerichte übertragen.

Eine unterschiedliche Vorgehensweise der Nachlassgerichte bei der Feststellung der Fiskalerbschaft führt dazu, dass mehr als 80 Prozent davon im badischen Landesteil und knapp 20 Prozent im württembergischen Landesteil anfallen.

Nachlassgerichte haben auch die Aufgabe, für die Sicherung der Nachlässe zu sorgen, soweit ein Bedürfnis besteht. Ein Sicherungsbedürfnis kann unter anderem bestehen, wenn Nachlässe nach Art und Umfang schwierig sind und eine Verwaltung erfordern.

Die Zeitspanne bis das Land als Erbe festgestellt wurde, ist im württembergischen Landesteil wesentlich länger als im badischen Landesteil. Grund dafür ist die unterschiedliche Praxis der Nachlassgerichte bei der Feststellung des Staatserbrechts und der Einsetzung von Nachlasspflegern.

Beitrag 17 Tab

2.3 Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg

Die Entscheidungen der Nachlassgerichte unterliegen der sachlichen Unabhängigkeit. Die unterschiedliche Praxis der Nachlassgerichte führt dazu, dass Vermögen und Bau im badischen Landesteil wesentlich mehr Nachlässe als im württembergischen Landesteil bearbeiten muss.

Die oft jahrelange Dauer der Feststellungsverfahren beeinflusst Nachforschungen von Vermögen und Bau. Sie sind oftmals, schon im Hinblick auf Verjährungsfristen, nur noch teilweise sinnvoll. Dem Nachlass entnommene Wertgegenstände wie Schmuck, Uhren oder werthaltiges Inventar können im Nachhinein nicht mehr festgestellt werden. Vermutlich werden Erbschaften auch ausgeschlagen, wenn den Nachlässen zuvor werthaltige Vermögensgegenstände entnommen wurden.

2.3.1 Haftungsbeschränkungen

Das Land als Erbe haftet nach Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs auch für Verbindlichkeiten des Erblassers, die den Wert des Nachlasses übersteigen. Deshalb beschränkt Vermögen und Bau die Haftung auf den Wert des Nachlasses und macht gegenüber Gläubigern die Einrede der Dürftigkeit geltend, trifft Vereinbarungen mit Gläubigern oder beantragt beim Insolvenzgericht Insolvenzverfahren.

In beiden Landesteilen sind Einreden der Dürftigkeit die häufigste Form der Beschränkung der Haftung. Im badischen Landesteil werden in 37 Prozent und im württembergischen Landesteil in 25 Prozent der Nachlässe Einreden der Dürftigkeit geltend gemacht.

Im badischen Landesteil werden in 13 Prozent und im württembergischen Landesteil in 9 Prozent der Nachlässe Vereinbarungen mit Gläubigern geschlossen, um die Haftung zu beschränken.

Um die Haftung zu beschränken, werden im badischen Landesteil in 22 Prozent und im württembergischen Landesteil in 24 Prozent der Nachlässe Nachlassinsolvenzverfahren beantragt. Die Hälfte der Anträge wird mangels Masse abgelehnt. Die Beschränkung der Haftung tritt trotzdem ein.

Über die Notwendigkeit, Nachlassinsolvenzverfahren zu beantragen, bestehen bei Vermögen und Bau unterschiedliche Auffassungen. Einige Ämter bevorzugen, unabhängig von wirtschaftlichen Überlegungen, grundsätzlich Nachlassinsolvenzverfahren einzuleiten. Andere Ämter sehen durch vermeidbare Insolvenzverfahren fiskalische Interessen des Landes verletzt, da die Verfahren und die Vergütungen der Nachlassinsolvenzverwalter regelmäßig einen größeren Teil der Nachlässe aufzehren. Sie plädieren dafür, Anträge auf Durchführung von Nachlassinsolvenzverfahren nur sehr restriktiv zu stellen, um Kosten für den Nachlass zu vermeiden.

2.3.2 Auflösung von Wohnungen

Wohnungen und das darin befindliche Inventar sind Teile des jeweiligen Nachlassbestandes. Ein Großteil der Wohnungen wird jedoch in der Zeit des Schwebezustands zwischen Todestag und Feststellung des Staatserbrechts von möglichen Erben oder von Vermietern aufgelöst und das meist wertlose Inventar entsorgt.

Im badischen Landesteil waren zum Zeitpunkt der Feststellung des Staatserbrechts in 30 Prozent der Fälle Wohnungen vorhanden. Davon wurden 40 Prozent von Vermögen und Bau besichtigt. Im württembergischen Landesteil waren lediglich in 9 Prozent der Fälle Wohnungen vorhanden. Davon wurden 69 Prozent besichtigt.

Wohnungsbesichtigungen sind notwendig. Sie führen zu Informationen über Bankverbindungen, Versicherungen, Grundstücke und Kraftfahrzeuge.

2.3.3 Auflösung von Bankguthaben

Es ist davon auszugehen, dass sämtliche Erblasser zu Lebzeiten über eine Bankverbindung verfügten. Vermögen und Bau fordert regelmäßig Kontoauszüge an und wertet diese aus. Kontoauszüge erlauben einen Einblick in Lebensumstände der Erblasser, die für die weitere Bearbeitung von Nachlässen hilfreich sein können.

2.3.4 Verwendung von Immobilien

Das Land erbt sowohl im badischen als auch im württembergischen Landesteil in einem Drittel der Fälle Immobilien wie Eigentumswohnungen, Wohngebäude, Betriebsstätten oder landwirtschaftliche Flächen.

60 Prozent davon werden veräußert. Bei gewerblich genutzten Immobilien handelt es sich nicht selten um solche, deren Veräußerung schwierig ist. Teilweise werden sie unentgeltlich an die Standortgemeinden oder Investoren abgegeben. Dadurch können zumindest Instandhaltungs- und Verkehrssicherungskosten eingespart werden. Ebenfalls nur schwer veräußerbar sind landwirtschaftliche Flächen.

2.3.5 Vergabe von Aufträgen

In wenigen Fällen vergibt Vermögen und Bau Aufträge zur Räumung von Wohnungen, Veräußerung von Wertgegenständen und Grabpflegearbeiten. Nicht immer wird das Vergaberecht beachtet. Bei freihändigen Vergaben wird auf die Einholung von Vergleichsangeboten verzichtet.

2.3.6 Sonstige Tätigkeiten

Nachlassgläubigeraufgebote, Geltendmachung von Vermieterpfandrechten, Auflösungen von Beteiligungen, Wertpapierdepots oder Verträge über Geldanlagen kommen in der Praxis eher selten vor. Ebenfalls wenig Bedeutung haben Liquidationen von Schmuck und anderen Wertgegenständen.

2.4 Verwaltungsaufwand

Die Bearbeitung der Nachlässe erfordert Kenntnisse des gesetzlichen Erbrechts, des Insolvenz-, Zwangsvollstreckungs-, Sachen-, Familien- und Gesellschaftsrechts. Die Fiskalerbschaften verursachen einen hohen Verwaltungsaufwand und binden entsprechend Personal. 2012 wurden hierfür 11,6 Vollzeitäquivalente eingesetzt.

Das gesetzliche Erbrecht des Staates hat vor allem eine Ordnungsfunktion. Das Land wird als Ersatzerbe eingesetzt, um herrenlose Nachlässe zu vermeiden und eine ordnungsgemäße Nachlassabwicklung zu sichern.

Vermögen und Bau kann im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben Art und Weise der Abwicklung von Nachlässen selbst bestimmen und unterliegt dabei, wie bei jedem staatlichen Handeln, dem Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit. Der Verwaltungsaufwand für die Erledigung der gesetzlich bestimmten Aufgabe muss sachgerecht und vertretbar sein. Ein großer Teil der Personalkapazitäten wird von wenig werthaltigen Nachlässen gebunden.

Die Auswertung der Buchungsunterlagen von mehr als 2.000 Fällen zwischen 2008 und 2013 ergab:

  • Die Hälfte der Nachlässe führen zu Einnahmen von weniger als 1.000 Euro,

 

  • 80 Prozent der Nachlässe führen zu Einnahmen von weniger als 5.000 Euro,

 

  • diese 80 Prozent der Nachlässe führen zu lediglich 8 Prozent der Einnahmen,

 

  • wenige große Nachlässe machen zwei Drittel der Einnahmen aus und

 

  • von zwei großen Nachlässen rühren mehr als 20 Prozent der Einnahmen her.

Die teilweise sehr intensive Bearbeitung der Fälle verursachen Zeit- und Personalaufwand. Folgende Beispiele veranschaulichen dies:

Beispiel 1

Die Erblasserin verstarb 2007 und war zuletzt in einem Pflegeheim untergebracht. Die Betreuerin wies ein Guthaben von 2.900 Euro nach. Das Guthaben beim Pflegeheim betrug 1.600 Euro. Hinweise auf weiteres Vermögen ergaben sich aus den Akten des Nachlassgerichts nicht. Eine Sicherung des Nachlasses wurde vom zuständigen Standesamt nicht für erforderlich gehalten.

Obwohl die Vermögensverhältnisse der Erblasserin geklärt waren, ermittelte Vermögen und Bau diese erneut. So wurde unter anderem das Amtsgericht gebeten zu klären, ob im Schuldnerregister Eintragungen vorhanden sind, das Vormundschaftsgericht mitzuteilen, ob aus dem Betreuungsverfahren noch Kosten offen sind, und das Finanzamt festzustellen, ob Forderungen oder Guthaben bestehen. Nach Abzug der Bestattungskosten verblieb ein Reinnachlass von unter 10 Euro, der für entstandene Verwaltungskosten vereinnahmt wurde. Die Vergütung der Betreuerin von 4.600 Euro konnte nicht beglichen werden.

Beispiel 2

Die Erblasserin stand unter Betreuung. Eine Sicherung des Nachlasses wurde vom zuständigen Standesamt nicht für erforderlich gehalten.

Der Nachlass betrug nach den Akten von Vermögen und Bau 200 Euro. Der Vermieter verrechnete die Mietrückstände mit der Mietkaution und machte wegen seiner noch offenstehenden Forderung von seinem Vermieterpfandrecht Gebrauch. Vermögen und Bau ging davon aus, dass eventuell Bestattungskosten von rund 3.800 Euro geltend gemacht werden.

Obwohl offenkundig kein Vermögen vorhanden war, bat Vermögen und Bau unter anderem das Amtsgericht um Auskünfte aus der Schuldnerkartei, das Finanzamt über Lohnsteuerfestsetzungsbescheide und die Erbschaftsteuerstelle zum Nachlassbestand der Erblasserin. Zwei Kommunen wurden gebeten, eventuell Bestattungskosten geltend zu machen. Es verblieb ein Reinnachlass von 50 Euro.

3 Empfehlungen

3.1 Vergaberecht einhalten

Vermögen und Bau muss bei Dienstleistungsaufträgen das Vergaberecht einhalten. Bei freihändigen Vergaben sind Vergleichsangebote einzuholen.

3.2 Verwaltungsaufwand reduzieren

Die Abwicklung von Nachlässen sollte auf das rechtlich und sachlich unbedingt Notwendige reduziert werden. Von den Nachlassgerichten bereits festgestellte Tatsachen sollten nicht nochmals hinterfragt werden. Vermögen und Bau sollte nur tätig werden, wenn Dritte dies beantragen und ein berechtigtes Interesse nachweisen. Einheitliche Standards für die Bearbeitung von Fiskalerbschaften sollten erarbeitet und verbindlich eingeführt werden.

3.3 Kompetenzämter schaffen

Vermögen und Bau sollte die Bearbeitung der Fiskalerbschaften zwei Kompetenzämtern zuweisen. Dies würde zu einem landeseinheitlichen Handeln führen und sowohl den Verwaltungsaufwand als auch den Aufwand für Fortbildungen reduzieren.

4 Stellungnahme der Ministerien

Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft teilt die Auffassung des Rechnungshofs, dass Wohnungsbesichtigungen zur Informationsbeschaffung bei Nachlässen notwendig seien.

Vermögen und Bau werde gebeten, entsprechend zu verfahren. Sofern bei der Auftragsvergabe zur Räumung von Wohnungen in wenigen Fällen das Vergaberecht nicht beachtet worden sei, sollen die Vergabegrundsätze zukünftig berücksichtigt werden.

Nach den Erfahrungen von Vermögen und Bau könnten die Angaben in den Nachlassakten bereits wegen des Zeitablaufs zwischen Gläubigeranfragen und Fiskusfeststellung nicht ungeprüft übernommen werden. Die Nachlassakten enthielten im Regelfall nur Anhaltspunkte, die weiterverfolgt werden müssten, um rechtlich nachvollziehbar den Nachlassbestand zu ermitteln.

Das Ministerium teilt die Ansicht des Rechnungshofs, dass die Abwicklung von Nachlässen auf das rechtlich und sachlich unbedingt Notwendige zu beschränken sei. Die für die Bearbeitung der Fiskalerbschaften empfohlene Einrichtung von Kompetenzzentren werde aufgegriffen. Über die Zahl möglicher Kompetenzämter sowie deren organisatorischen Zuordnungen innerhalb von Vermögen und Bau sei noch zu befinden.

Das Justizministerium weist darauf hin, dass die Tätigkeit der Nachlassgerichte der sachlichen Unabhängigkeit unterliege. Diese umfasse auch die Feststellung der Fiskalerbschaft sowie die der vorausgehenden nachlassgerichtlichen Maßnahmen der Erbenermittlung. Hierauf beruhende unterschiedliche Handhabungen seien hinzunehmen.


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Für den weiteren Betrieb der Schwimm- und Sporthalle wären umfangreiche Sanierungsmaßnahmen zwingend notwendig. Der Kostendeckungsgrad durch Vermietung der Schwimm- und Sporthalle ist sehr niedrig. Der Betrieb der Anlage sollte eingestellt werden, weil kein Bedarf besteht.


1 Ausgangslage

Das Land Baden-Württemberg errichtete in den Sechzigerjahren in Schwäbisch Gmünd ein Staatliches Aufbaugymnasium mit Internat für Mädchen. Die Oberfinanzdirektion Stuttgart übernahm 1994 die Liegenschaft und richtete in den Gebäuden eine Finanzschule ein. Seit 2004 betreibt die Oberfinanzdirektion Karlsruhe diese Einrichtung als Bildungszentrum für Aus- und Fortbildungen von Mitarbeitern der Finanzverwaltung.

Zur Gesamtanlage gehört eine Schwimm- und Sporthalle. Im Erdgeschoss des Gebäudes befindet sich eine Einfeldhalle mit Bühnenraum. Im Untergeschoss sind ein Schwimmbecken (Länge 12,50 m, Breite 6,00 m) sowie die Umkleideräume, Duschen und WC-Anlagen angeordnet. Darunter befindet sich noch eine Technikebene.

Die bauliche Anlage entspricht nicht mehr den heutigen baurechtlichen und technischen Anforderungen. Sie müsste deshalb grundsaniert werden. Zuständig für die Sanierung ist der Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Schwäbisch Gmünd (Amt).

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Gebäudebestand

Die Baukonstruktion sowie die Gebäudetechnik und Gebäudeausstattung der Schwimm- und Sporthalle befinden sich überwiegend auf dem Stand des Baujahrs 1965.

2.2 Nutzungsdauer der baulichen Anlage

Die übliche Gesamtnutzungsdauer für Sporthallen, Freizeitbäder und Heilbäder beträgt nach der Sachwertrichtlinie 40 Jahre plus/minus 10 Jahre. Dies setzt voraus, dass Einrichtungen ordnungsgemäß instand gehalten und an bauliche und technische Anforderungen angepasst werden.

Üblicherweise sind für eine solche Anlage Instandhaltungskosten von jährlich 40.000 Euro notwendig. Tatsächlich betrugen die Instandhaltungskosten in den letzten sechs Jahren zwischen 4.000 Euro und 15.500 Euro. Sie beschränkten sich offenbar nur auf zwingend erforderliche Notmaßnahmen. Dadurch reduziert sich die wirtschaftliche Nutzungsdauer erheblich.

Die technische Lebensdauer der einzelnen Bauteile ist abgelaufen und das Ende der Restnutzungsdauer für das Bauwerk ist erreicht.

2.3 Anforderungen und Folgen

2.3.1 Schlechter baulicher Zustand

Um abzuklären, ob Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für Leben und Gesundheit erforderlich sind, holte das Amt ein externes Gutachten zur Standsicherheit ein. Danach bestehen Mängel bei der Dachkonstruktion, der Außenfassade und der technischen Installation. Beim Schwimmbecken ist die umlaufende Fuge am Beckenrand undicht. Die Konstruktion ist mit chloridhaltigem Wasser durchfeuchtet. Dadurch sind im Beckenbereich der Beton und die Bewehrung beschädigt.

Beitrag 18 Abb. 1

Ungeklärt ist, in welchem Umfang das Chlorwasser Schäden in der Betonkonstruktion und im Estrich der Schwimmhalle verursachte. Ungeklärt bleibt auch, ob chlorhaltige Raumluft die Beton-Röhrendecke über dem Lehrschwimmbecken schädigte und eine kritische Konzentration von Chloridionen in der Stahlkonstruktion bereits eine Korrosion der Bewehrung ausgelöst hat. Die Decke hätte dann nicht mehr die volle Tragfähigkeit.

Das von einem externen Gutachter erarbeitete Brandschutzkonzept weicht von geltenden Rechtsvorschriften ab und weist Kompensationsmaßnahmen aus. Die dafür vom Baurechtsamt erforderliche Genehmigung liegt nicht vor. Auch wurde mit dem zuständigen Versicherer noch nicht abgestimmt, ob weitere Maßnahmen des Brandschutzes erforderlich sind.

Das Amt schätzte bisher lediglich die Kosten für einen Teil der Maßnahmen zur Sicherung der Standsicherheit mit 33.500 Euro und die unaufschiebbaren Brandschutzmaßnahmen mit 240.000 Euro. Die Kosten für weitere Brandschutzmaßnahmen sowie für Baunebenkosten bezifferte es nicht.

2.3.2 Nutzungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen

Die Schwimm- und Sporthalle ist weder barrierefrei ausgeführt noch behindertengerecht eingerichtet. Durch die Lage am Hang sind die einzelnen Geschosse gestaffelt dem Geländeverlauf angepasst. Die versetzten Ebenen sind nur durch Treppen miteinander verbunden. Eine gerade Treppe führt zum Eingang der Sporthalle, eine Wendeltreppe zu den Umkleideräumen, den Duschen, den WC-Anlagen und zum Schwimmbecken.

Beitrag 18 Abb. 2

Ob die zuständige Genehmigungsbehörde den Bestand des Gebäudes toleriert oder bei einer anstehenden Sanierung eine Ausnahme von der grundsätzlich geforderten Barrierefreiheit in dem öffentlichen Gebäude zulässt, ist nicht geklärt. Dies erscheint insbesondere im Hinblick auf die bisherige Teilnutzung von Schulen fragwürdig.

Die Kosten für eine Nachrüstung der barrierefreien Erschließung und der behindertengerechten Einrichtung wurden bisher nicht ermittelt. Der Rechnungshof schätzt diese auf mindestens 100.000 Euro.

2.3.3 Energie und Klimaschutz

Die Schwimm- und Sporthalle befindet sich auf dem energetischen Stand des Baujahrs 1965. Heute ist (Energieeinsparungsgesetz und Energieeinsparverordnung) im Vergleich zu den Sechzigerjahren ein deutlich höherer Standard vorgeschrieben. Zum Einsparen von Energiekosten sind bei einer grundlegenden Sanierung Maßnahmen zur Verbesserung der Wärmedämmung an den Außenwänden, an der Glasfassade und am Dach durchzuführen.

Der Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg (Vermögen und Bau) untersuchte, plante und ermittelte die Kosten der notwendigen energetischen Sanierung bisher nicht. Der Rechnungshof geht von zusätzlichen Kosten im sechsstelligen Bereich aus.

2.3.4 Gesamtkonzept

Infolge des fehlenden Sanierungskonzepts besteht derzeit noch keine Klarheit über die voraussichtlichen Gesamtkosten der notwendigen Maßnahmen. Die derzeit geschätzten Kosten betragen mehr als 370.000 Euro. Der Rechnungshof zeigt mit seiner Untersuchung auf, dass wesentlich höhere Kosten anfallen werden.

Vordringliche Brandschutzmaßnahmen werden über den Bauunterhalt durchgeführt, ohne eine endgültige Nutzung des Gebäudes festgelegt zu haben. Der Gesamtwirtschaftlichkeitsnachweis der Sanierung wird dadurch umgangen.

2.3.5 Nutzungsanforderung 2013

Nach der Nutzungsanforderung der Oberfinanzdirektion vom April 2013 ist die Schwimmhalle entbehrlich. Der Antrag, die Sporthalle künftig für mehrtägige Großveranstaltungen mit mehr als 100 Teilnehmern, z. B. für Vorstehertagungen mit allen Leitern der Finanzämter, zu nutzen, führt zu unwirtschaftlichen Umbaukosten. Solche Räumlichkeiten stehen dem Land anderweitig zur Verfügung (z. B. Schlösser und Gärten) oder können für den jeweils einmaligen Bedarf angemietet werden.

Eine Untersuchung, Planung oder Kostenschätzung von Vermögen und Bau für die Nutzungsänderung der Sporthalle ist noch nicht erfolgt.

2.4 Bewirtschaftungskosten

Zu den Bewirtschaftungskosten gehören Verwaltungskosten, Instandhaltungskosten/Bauunterhalt und Betriebskosten. Nach den Unterlagen des Amtes betrugen die Bewirtschaftungskosten 2013 für die bauliche Anlage 36.700 Euro. Nach den Berechnungen des Rechnungshofs liegen diese bei mehr als 135.000 Euro.

Beitrag 18 Tab. 1

2.4.1 Verwaltungskosten

Auf der Grundlage der Angaben des Bildungszentrums und von Vermögen und Bau ergeben sich für die Verwaltung der baulichen Anlage Verwaltungskosten von jährlich 25.000 Euro. Davon entfallen allein auf den Hausmeister für die Betreuung der Schwimmbadtechnik, die Überwachung der Wasserqualität und die Chemiedosierung für die Wasserdesinfektion 22.000 Euro.

2.4.2 Instandhaltungskosten/Bauunterhalt

Für die Schwimm- und Sporthalle wurden von Vermögen und Bau im Prüfungszeitraum (2008 und 2013) Instandhaltungskosten zwischen 3.500 Euro und 15.000 Euro je Jahr gebucht. Auf der Grundlage einer Studie des Deutschen Instituts für Hochschul- und Wissenschaftsforschung GmbH ergeben sich für ein Gebäude dieser Art und Größe jährlich notwendige Instandhaltungskosten von 40.000 Euro. Dies entspricht den Erfahrungswerten des Rechnungshofs.

2.4.3 Betriebskosten

Vermögen und Bau ermittelte die Betriebskosten für die gesamte Liegenschaft des Bildungszentrums und verteilte diese mit wenigen Ausnahmen über einen Flächenschlüssel auf die einzelnen Bauwerke. Nach dieser Berechnung betrugen 2013 die Betriebskosten für das Gebäude 33.200 Euro; davon entfielen 7.000 Euro auf die Schwimmhalle und 26.200 Euro auf die Sporthalle.

Die Verteilung der Betriebskosten auf die einzelnen unterschiedlich genutzten Gebäude (ein Schulgebäude mit Verwaltung, eine Schwimm- und Sporthalle, zwei EDV-Schulungsgebäude, ein Kantinengebäude, ein Musikpavillon, vier Hausmeisterwohnungen und sieben Wohnheime) über einen Flächenschlüssel führt zu keinem verwertbaren Ergebnis, wie nachfolgende Beispiele verdeutlichen.

Für die Schwimmhalle betrugen die Kosten des Wasserverbrauchs für das Schwimmbecken (100 m³), neun Duschen, zwei WC-Anlagen und diversen Einzel-WCtxt_apostrophes 360 Euro. Im Gebäude gibt es keine Messeinrichtungen zum Erfassen des Wasserverbrauchs.

Für die Schwimmhalle betrugen die Kosten für den Gasverbrauch 3.000 Euro. Seit 2013 kann der tatsächliche Bedarf an Energie zur Erzeugung von Wärme gemessen werden. Danach betrugen die tatsächlichen Kosten 39.300 Euro.

Insgesamt betragen die tatsächlichen Betriebskosten für die Schwimm- und Sporthalle mindestens 70.000 Euro je Jahr. Sie sind damit mehr als doppelt so hoch wie die Angaben von Vermögen und Bau. Die hohen Bewirtschaftungskosten lassen keinen wirtschaftlichen Betrieb zu.

2.5 Nutzung der Schwimm- und Sporthalle

Die Nutzung der Schwimm- und Sporthalle dient nahezu ausschließlich der privaten Freizeitgestaltung oder kommunalen Zwecken. Das sind beispielsweise ein Schwimmverein, ein ortsansässiges Unternehmen, Lehrer des ehemaligen Aufbaugymnasiums und kommunale Schulen. Der tatsächliche Umfang der Nutzung sowie die Anzahl der Teilnehmer sind dem Bildungszentrum nicht bekannt, da keine Nachweise darüber geführt wurden.

Das Vorhalten von Sporteinrichtungen ist keine Aufgabe des Landes, sondern der Kommunen.

2.6 Kostendeckungsgrad

Die Deutsche Gesellschaft für das Badewesen e. V. ermittelte 2003 für Hallenbäder mit einer Wasserfläche unter 250 m² einen durchschnittlichen Deckungsgrad von 31,1 Prozent. In der Berechnung berücksichtigte die Gesellschaft bei den Aufwendungen 49,9 Prozent als Personalkosten, insbesondere für die Verkehrssicherung und Aufsicht. Solche Kosten entstehen dem Bildungszentrum nicht.

Der Rechnungshof ermittelte aufgrund der undifferenzierten Erfassung der Bewirtschaftungskosten für 2013 den Kostendeckungsgrad für das gesamte Gebäude. Dabei wurde das Verhältnis zwischen Einnahmen von insgesamt 10.000 Euro und den vom Rechnungshof berechneten Bewirtschaftungskosten von 135.000 Euro zugrunde gelegt. Der so ermittelte Kostendeckungsgrad ist lediglich ein Annäherungswert, da die laufenden Betriebskosten, insbesondere die Wasser- und Abwasserkosten nicht gebäudescharf erfasst sind und kalkulatorische Kosten unberücksichtigt blieben. Danach errechnet sich für die Schwimm- und Sporthalle ein Kostendeckungsgrad von 7,5 Prozent. Würde eine Vollkostenrechnung erstellt und die tatsächlich entfallenden Betriebskosten berücksichtigt, würde sich der berechnete Kostendeckungsgrad von 7,5 Prozent erheblich vermindern. Der Kostendeckungsgrad dieser Sportanlage ist nicht akzeptabel.

3 Empfehlungen

3.1 Betrieb der Schwimm- und Sporthalle einstellen

Der Betrieb der Schwimm- und Sporthalle sollte eingestellt werden. Es genügt nicht, lediglich die Schwimmhalle zu schließen. Sämtliche Umkleideräume, Duschen und WC-Anlagen befinden sich auf der Ebene der Schwimmhalle und müssen auch den Besuchern der Sporthalle zur Verfügung stehen.

3.2 Verwendung des Gebäudes prüfen

Es sollte geprüft werden, ob ein Bedarf an dem Gebäude für eine Einrichtung des Landes besteht und ob eine Sanierung des Gebäudes ganzheitlich betrachtet wirtschaftlich ist. Sollte die Anlage entbehrlich sein, ist sie zu veräußern. Gibt es keinen Käufer, ist zu prüfen, ob der Abbruch des Bauwerks die wirtschaftlichste Lösung ist.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft teilt mit, dass der Betrieb der Schwimmhalle eingestellt werde. Die Verträge sollen zum 29.07.2015 gekündigt werden. Mit der Stilllegung der Schwimmhalle würden erhebliche Betriebs- und Personalkosten eingespart.

Der Betrieb der Sporthalle werde weiter aufrecht gehalten. Der von der Oberfinanzdirektion Karlsruhe formulierte Bedarf für das Bildungszentrum werde vollumfänglich anerkannt.

Vermögen und Bau sei beauftragt, ein Sanierungskonzept für die Sporthalle zu erstellen und eine wirtschaftliche Umnutzung der Schwimmhalle für das Bildungszentrum zu prüfen. Um die Maßnahmen umzusetzen, sei die Gesamtwirtschaftlichkeit nachzuweisen. Über die Art der Finanzierung werde auf Grundlage des Gesamtsanierungskonzepts entschieden. Im Rahmen des Bauunterhalts würden lediglich vordringlich umzusetzende Brandschutzmaßnahmen durchgeführt.


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Einzelplan 13: Ministerium für Verkehr und Infrastruktur

Das Ministerium hat bei verschiedenen Beratungsleistungen die Leitprinzipien des Vergaberechts, die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und des Wettbewerbs nicht oder nur unzureichend beachtet. Das Ministerium sollte seine Kernaufgaben weitgehend ohne externen Sachverstand erledigen. Es muss sein Projektcontrolling deutlich verbessern.


1 Ausgangslage

Der Rechnungshof untersuchte aktuell die Vergabe von Gutachten und Beratungsleistungen. Dabei wurden auch Gutachten und Beratungsleistungen der Ministerien geprüft.

Einzelne eingekaufte Beratungsleistungen für die Vergaben im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur standen im Fokus der Öffentlichkeit.

Das gesamte Vergabevolumen des Ministeriums ist nach zwei nahezu konstanten Jahren 2013 signifikant um nahezu 100 Prozent auf 2,3 Mio. Euro angestiegen.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Eigenerledigung oder Fremdvergabe

Zu den Kernaufgaben der Ministerialverwaltung gehört, dass rechtliche Sachverhalte eigenständig bearbeitet und bewertet werden. Darauf basierend spiegeln sich die Kompetenzen des Personals wider. Gleichwohl hat das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Kernaufgaben in erheblichem Umfang von Externen gegen Entgelt durchführen lassen.

Beratungsleistung 1

Bei einem Rechtsgutachten zur Ausweitung der Umweltzonen und deren Abgrenzung war im Ministerium für Verkehr und Infrastruktur und im Umweltministerium bei Auftragsvergabe juristischer und fachlicher Sachverstand vorhanden.

Die Expertise behandelte allgemeine Fragen des Umwelt- und Verkehrsrechts. Das in den zuständigen Ministerien vorhandene Fachwissen wäre ausreichend gewesen, um diese Fragestellungen selbst zu beantworten. Daher hätte das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur eigenständig oder gemeinsam mit dem Umweltministerium das Rechtsgutachten erstellen können.

Beratungsleistung 2

Die Vergabe einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung der Straßenbauverwaltung wurde von einem Beratungsunternehmen begleitet. Dies ist ein weiteres Beispiel dafür, dass das Ministerium Kernaufgaben auf Externe gegen Entgelt verlagert.

Dies wurde damit begründet, dass Vergabeverfahren sehr arbeitsintensiv seien. Es hätte zusätzlich zu den originären Aufgaben erledigt werden müssen.

Die Vergabe von Leistungen ist eine Aufgabe, die die Ministerialverwaltung regelmäßig bewältigen muss, ohne dafür spezielle Beratung einkaufen zu müssen. Trotz der Fremdvergabe erfolgte die Auftragserteilung erst eineinhalb Jahre später.

Kernaufgaben müssen von der Verwaltung ohne externe Unterstützung erledigt werden. Daher stellt sich die Frage, weshalb das Know-how des Ministeriums nicht ausreichend war, seine Kernaufgaben gänzlich autark zu erledigen.

2.2 Vergabepraxis bei Schienenpersonennahverkehr-Beratungsleistungen

Zu den Leitprinzipien bei Vergaben durch die öffentliche Verwaltung gehören die Grundsätze der Transparenz, der Wirtschaftlichkeit, der Gleichbehandlung und der Vergabe im Wettbewerb. Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur hat durch Direktvergaben an die A-GmbH und bei einem förmlichen Vergabeverfahren an die A-GmbH diese Leitprinzipien vernachlässigt. Ob durch das Verwaltungshandeln des Ministeriums die wirtschaftlichsten und sparsamsten Handlungsalternativen ausgewählt wurden, konnte daher nicht schlüssig dargelegt werden.

2.2.1 Direktvergaben von Beratungsleistungen

Beratungsleistung 3

Den Auftrag für eine ökonomische Bewertung von Kosten und Risiken des Projekts Stuttgart 21 hatte das Ministerium direkt an die A-GmbH vergeben. Das Angebot der A-GmbH, der Vergabevermerk und die Vertragsunterschriften datierten vom gleichen Tag. Der Endbericht für diese Beratungsleistung wurde auf Ende 2011 terminiert. Der Abgabetermin wurde mit Zustimmung des Ministeriums mehrmals verlängert. 2014 wurde der Bericht schließlich finalisiert.

Beratungsleistung 4

Das Ministerium wollte sich 2013 im Bereich des SPNV durch externen Sachverstand unterstützen lassen. Der vom Ministerium geschätzte finanzielle Umfang des Beratungsbedarfs lag über dem Schwellenwert. Daher musste die Beratungsleistung in einem Verhandlungsverfahren mit öffentlichem Teilnahmewettbewerb vergeben werden. Da laut Ministerium jedoch dringender sofortiger Beratungsbedarf bestand, sollte unmittelbar vor dem Verhandlungsverfahren mit öffentlichem Teilnahmewettbewerb ein erstes Beratungskontingent im Umfang von brutto 214.200 Euro eingekauft werden. Um den Zeitraum bis zum Abschluss des förmlichen Vergabeverfahrens zu überbrücken, erfolgte eine Direktvergabe an die A-GmbH. Am Tag der Vertragsunterzeichnung wurden bereits 13,5 Stunden abgerechnet.

Beratungsleistung 5

Beim Einkauf von Rechtsberatungsleistungen für die anstehenden Vergabeverfahren im SPNV und der rechtlichen Prüfung des zwischen dem Land Baden-Württemberg und der DB Regio AG bestehenden Großen Verkehrsvertrags einschließlich der prozessualen Vertretung des Auftraggebers wurden 2014 keinerlei Vergleichsangebote eingeholt. Ein bestehender Vertrag für die Entwicklung von Fahrzeugfinanzierungsmodellen und Kapitaldienstgarantien mit der Kanzlei B mit einem vom Ministerium angenommenen Volumen von brutto 238.000 Euro wurde um die vorgenannten, zusätzlichen Aufgaben erweitert. Das geschätzte Auftragsvolumen beläuft sich nunmehr auf jährlich 1 Mio. Euro. Nach dem Vergaberecht handelt es sich um eine nachrangige Dienstleistung. Daher war ein förmliches Vergabeverfahren nicht zwingend durchzuführen. Bei einem Vergabevolumen in dieser Größenordnung sind öffentliche Aufträge dennoch grundsätzlich im Wettbewerb zu vergeben, wie dies das Ministerium im Mai 2013 bei einem wesentlich geringeren Auftragsvolumen auch getan hat. Nur so kann der öffentliche Auftraggeber nachweisen, dass er wirtschaftlich gehandelt und allen potenziellen Anbietern die gleichen Chancen eingeräumt hat.

Allein für die dargestellten Direktvergaben der Beratungsleistungen 3 bis 5 beliefen sich die Ausgaben bisher auf 1,5 Mio. Euro. Für Beratungsleistung 5 werden voraussichtlich noch weitere Ausgaben in vergleichbarer Höhe in den kommenden Jahren folgen.

2.2.2 Förmliches Vergabeverfahren bei einer Beratungsleistung

Beratungsleistung 6

Bei einer förmlichen Ausschreibung von Beratungsleistungen ist die Vergabeentscheidung an die A-GmbH nicht nachvollziehbar. Die Angebotspreise von drei renommierten Anbietern wichen exorbitant voneinander ab. Ursächlich hierfür war der kalkulierte Personalaufwand. Die unterlegenen Anbieter kalkulierten mit dem fünf- bzw. sechsfachen Personalbedarf der A-GmbH. Geht man davon aus, dass alle drei Bieter die gleichen Leistungen erbringen sollten, so müsste die Produktivität der A-GmbH um 500 Prozent höher sein als die der unterlegenen Bieter. Solche Produktivitätsunterschiede sind nicht nachvollziehbar. Das Ministerium hat diese Diskrepanzen nicht schlüssig aufgeklärt.

Aus der Bewertungsmatrix des Ministeriums wurde deutlich, dass sich die A-GmbH den Auftrag allein über den Preis sicherte. Bei den relevanten Sachkriterien, Methodik und Strukturierung sowie dem Umfang und der Tiefe der Beratungsleistungen wurden einem Mitbieter deutlich bessere Leistungen attestiert.

Die A-GmbH war in der Vergangenheit mehrfach für das Ministerium tätig. Vor der Vergabeentscheidung hat das zuständige Referat den Amtschef darauf hingewiesen, dass die A-GmbH zugesagte Liefertermine nicht eingehalten hatte. Lieferverzögerungen seien bekannt und vielfach dokumentiert. Darüber hinaus mussten die Beratungskontingente bei vorherigen Beratungsleistungen durch die A-GmbH vielfach erhöht werden. Trotz dieser negativen Erfahrungen hat die A-GmbH auch hier den Zuschlag erhalten.

2.3 Projektcontrolling bei Schienenpersonennahverkehr-Beratungs-leistungen

Das Projektcontrolling war in vielen Fällen lückenhaft und nicht zielführend. Es liefert keine steuerungsrelevanten Informationen und bietet keine Erkenntnisse, um Fehlentwicklungen rechtzeitig erkennen und gegensteuern zu können. Die Vertragspartnerin A-GmbH ist ihren vertraglichen Verpflichtungen vielfach nicht nachgekommen. Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur hat dies häufig ohne Beanstandungen respektive Androhung von finanziellen Konsequenzen hingenommen. Außerdem hat es die abgerufenen Beratungskontingente in finanzieller und quantitativer Hinsicht nicht überwacht.

Das Ministerium hat in mehreren Verträgen mit der A-GmbH jeweils vertraglich fixierte Beratungskontingente in Personentagen eingekauft. Die A-GmbH fiel mehrfach durch ihren mangelhaften Nachweis der verbrauchten Beratertage auf. Das Ministerium hat erstmals 2014 begonnen, den zeitnahen Nachweis über das verbrauchte Beratungskontingent einzufordern. Es mangelte jedoch an der notwendigen Konsequenz. Ausstehende Nachweise wurden erst Monate nach Ablauf der Frist moniert (Beratungsleistung 6).

Die Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg GmbH (NVBW) ist ein landesbeteiligtes Unternehmen. Sie hatte von der A-GmbH ein festes Kontingent an Beratertagen für Beratungsleistungen zur Vergabe von SPNV-Leistungen eingekauft. Beim Gesamtprojekt Vergaben im SPNV hat sowohl die NVBW als auch das Ministerium von den Beratungsleistungen profitiert. Der Abruf der Beratertage durch die NVBW war dem Ministerium aber zu keiner Zeit bekannt. Das Beratungskontingent war im Mai 2013 aufgebraucht. Obwohl das Ministerium behauptet, dass es selbst keine Leistungen aus dem zwischen der A-GmbH und der NVBW geschlossenen Vertragsverhältnis abgerufen hat, wurde es im Juli 2013 von der A-GmbH informiert, dass das Restkontingent aus dem NVBW-Vertrag in Kürze ausgeschöpft sei. Da die Hausspitze des Ministeriums auf die Beratungsleistung kurzfristig nicht verzichten wollte, wurde bei der A-GmbH mit Vertrag vom 30.08.2013 (Beratungsleistung 4) ein Beratungskontingent von 164 Personentagen mit einem Volumen von brutto 214.200 Euro eingekauft. Eine Markterkundung hat das Ministerium nicht durchgeführt.

Hätte das Projektcontrolling funktioniert, wäre bereits wesentlich früher bekannt geworden, dass die von der NVBW eingekauften Beratertage zur Neige gehen. Der weitere Beratungsbedarf hätte dann frühzeitig vergaberechtskonform im Wege eines Verhandlungsverfahrens mit öffentlichem Teilnahmewettbewerb vergeben werden können. Ein solches Verfahren wurde erst 2014 durchgeführt (Beratungsleistung 6).

3 Empfehlungen

3.1 Kernaufgaben selbst erledigen

Kernaufgaben müssen mit eigenen Fachkräften und internem Know-how erledigt werden. Nur in begründeten Ausnahmefällen sollte auf externe Berater zurückgegriffen werden. Hierbei ist ein enger Maßstab anzulegen.

3.2 Vergaberechtliche Leitprinzipien bei der Auftragsvergabe beachten

Direktvergaben sind nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig. Sofern nach den Vergabevorschriften kein förmliches Vergabeverfahren vorgesehen ist, sind Markterkundungen durchzuführen. Hierzu gehört, dass regelmäßig mindestens drei Vergleichsangebote eingeholt werden.

Bei förmlichen Ausschreibungsverfahren muss genug Zeit für das Vergabeverfahren eingeplant werden. Hierdurch können Direktvergaben verhindert werden.

Bei Vergabeverfahren von Beratungsleistungen ist sicherzustellen, dass signifikante Diskrepanzen zwischen den Angeboten im Verhandlungsverfahren geklärt werden.

Bei Umsetzung dieser Empfehlungen werden

  • die unbestrittenen wirtschaftlichen Vorteile einer Markterkundung genutzt und dadurch die wirtschaftlichsten Lösungsansätze erkennbar,

 

  • allen potenziellen Anbietern die Chance eingeräumt, Vertragspartner des Landes zu werden und

 

  • geeignete Vorkehrungen getroffen, um nicht von einem spezifischen Anbieter abhängig zu werden.

3.3 Projektcontrolling optimieren

Das Projektcontrolling muss zukünftig so ausgestattet werden, dass Fehlentwicklungen rechtzeitig erkannt und behoben werden können.

Bei der Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern muss die Verwaltung mit Nachdruck darauf insistieren, dass diese ihren vertraglichen Verpflichtungen gänzlich nachkommen. Hierzu gehört insbesondere, dass vertraglich festgelegte Abrechnungen, Leistungsnachweise und Abschlussberichte konsequent und unverzüglich eingefordert werden. Gegebenenfalls muss die Verwaltung finanzielle Konsequenzen androhen und durchsetzen.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Nach dem Verständnis des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur entspricht es den Grundsätzen einer modernen und wirtschaftlichen Verwaltungsführung, die ministeriellen Kernaufgaben mit eigenen Personalressourcen zu erledigen. Bei komplexen und schwierigen Sachverhalten, bei denen zudem noch erhebliche wirtschaftliche oder rechtliche Risiken virulent seien, sei es notwendig, die Sachverhalte ausführlich und juristisch vertieft von Externen bewerten zu lassen. Des Weiteren müsse auch bei mangelnder Praxiserfahrung und beschränkten personellen Ressourcen der Einsatz von Externen möglich sein. Das Ministerium weist darauf hin, dass es bei allen dargestellten Beratungsleistungen im SPNV die vergabe- und haushaltsrechtlichen Vorschriften beachtet habe.

Das Ministerium vertritt die Auffassung, dass es mit der bisherigen Praxis die Leistungsnachweise der Auftragnehmer sachgerecht und mit der nötigen Konsequenz eingefordert habe.

5 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof bleibt bei seiner Auffassung, dass das Know-how der Ministerien ausreichend ist, um Kernaufgaben selbstständig zu erledigen. Dies impliziert auch, dass im Einzelfall Kernaufgaben ausführlicher und vertiefter mit eigenen Ressourcen bearbeitet werden müssen.

Der Rechnungshof verkennt nicht, dass die im Zusammenhang mit den Ausschreibungen zum SPNV zu treffenden Entscheidungen sehr komplex sind. Sie ziehen Investitionen des Landes in Milliardenhöhe nach sich. In solchen Einzelfällen ist die Notwendigkeit einer technischen und juristischen Begleitung durchaus nachvollziehbar. Hier richtet sich die Kritik ausschließlich gegen das Vergabeverfahren.

Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur hat bei seinen Vergaben vor allem haushaltsrechtliche Grundsätze nicht durchgängig und mit der erforderlichen Stringenz beachtet. Es blieb vielfach den Beweis schuldig, dass die gewählte Vergabeart tatsächlich zur wirtschaftlichsten Lösung geführt hat.

Das Ministerium hat im Verlauf der Prüfung einige Defizite bereits erkannt und Gegenmaßnahmen ergriffen. So wurde das Projektcontrolling verbessert und ein verbindliches Prüf- und Begründungsraster für die Vergabe von Aufträgen eingeführt, das den Vorschlägen des Rechnungshofs entspricht.


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Die von der Nahverkehrsgesellschaft wahrgenommenen Aufgaben sind neu zu organisieren. Sie sind entweder einer Behörde oder einer selbstständigen Anstalt des öffentlichen Rechts zu übertragen. Dabei ist zu untersuchen, ob und wie die Aufgaben der Nahverkehrsgesellschaft in wirtschaftlicher Weise mit denen der neuen Landesanstalt Schienenfahrzeuge Baden-Württemberg organisatorisch zusammengeführt werden können. Doppelzuständigkeiten sind zu vermeiden.


1 Ausgangslage

Das Land übernahm 1995 vom Bund die Aufgabenträgerschaft für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV). Um die damit verbundenen Aufgaben effizient erfüllen zu können, gründete das Land die Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg mbH (NVBW).

Seitdem berät und unterstützt die NVBW das für Verkehr zuständige Ministerium bei allen Fragen des SPNV. Ihr Aufgabenspektrum ist in einem Geschäftsbesorgungsvertrag festgelegt, der jährlich fortgeschrieben wird. Zu den Aufgaben gehören u. a. vorbereitende Arbeiten für die Ausschreibung von Verkehrsleistungen auf der Schiene, das Vertragsmanagement und das Marketing.

Die NVBW erhält vom Land jährlich ein Entgelt für die Geschäftsbesorgung, das eine volle Kostenerstattung und einen Gewinnzuschlag umfasst. Das Entgelt stieg seit der Gründung der NVBW von 1 Mio. Euro auf 8 Mio. Euro in 2014.

Die Personalstellen wurden seit der Gründung bis 2014 von 11 auf 37 erhöht. 2014 betrugen die veranschlagten Personalkosten 2,7 Mio. Euro. Laut Beschluss des Aufsichtsrats wird die NVBW ab 2015 personell verstärkt. Sie hat dann künftig 40 Stellen.

Der Rechnungshof hatte sich bereits in der Denkschrift 1998, Beitrag Nr. 10, kritisch zu der mit der NVBW geschaffenen Organisationsprivatisierung geäußert. Er hatte schon damals empfohlen, dass das Land künftig keine Unternehmen in der Rechtsform des privaten Rechts begründet, die faktisch nur ein Ministerium um reine Verwaltungsaufgaben entlasten. 2014 hat der Rechnungshof geprüft, ob in der aktuellen Organisation die veränderten Schwerpunktaufgaben im SPNV optimal bewältigt werden können. Außerdem haben wir die mit der Organisationsprivatisierung verbundenen Kosten untersucht und die Betätigung des Landes als Gesellschafter der NVBW geprüft.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Mehrkosten der Organisationsprivatisierung

Die Mehrkosten des Landes wegen der Organisationsprivatisierung summieren sich überschlägig auf mehr als 700.000 Euro jährlich. In dieser Summe ist die faktische Belastung mit Umsatzsteuer von durchschnittlich 300.000 Euro enthalten. Das damalige Finanzministerium kam bereits 2009 bei der Umsatzsteuerbelastung zu einem ähnlichen Ergebnis, ohne ernsthaft Alternativen zu erwägen. Die übrigen organisationsbedingten Mehrkosten von mehr als 400.000 Euro werden durch den Gewinnzuschlag, Ertragsteuern, höheren Lohnaufwand für Geschäftsführer und Prokuristen, Buchhaltung, Jahresabschlussprüfung und Aufsichtsrat verursacht.

Noch unberücksichtigt sind hierbei weitere unternehmensinterne Kosten, etwa für das Rechnungswesen sowie für die Vor- und Nachbereitung der Aufsichtsratssitzungen. Auch bei den zuständigen Ministerien fallen Kosten für die beteiligungsrechtliche und fachliche Verwaltung der NVBW an. Schließlich werden künftige Gewinnausschüttungen an das Land mit 15 Prozent Kapitalertragsteuer belastet.

Die mit der Organisationsform verbundenen Kosten lassen sich kaum verringern. Insbesondere der Gewinnzuschlag wird von der Steuerrechtsprechung verlangt und ist zudem der Körperschaft- und Gewerbesteuer unterworfen. Diese Mehrkosten gehen zulasten der Mittel des Schienenpersonennahverkehrs.

2.2 Zu üppige Kapitalausstattung

Die Liquidität der NVBW ist durch den Geschäftsbesorgungsvertrag mit dem Land sichergestellt: kostendeckendes Entgelt, Gewinnzuschlag, Abschlagszahlungen. Dennoch wurden stets die erwirtschafteten Gewinne thesauriert (Jahresüberschuss 2013: 165.000 Euro). Dadurch ist das Eigenkapital von 2009 bis 2013 um 400.000 Euro auf 1,4 Mio. Euro angewachsen. Auch die flüssigen Mittel der NVBW sind kontinuierlich auf 3 Mio. Euro angestiegen. Die NVBW benötigt keine Kapitalausstattung in dieser Höhe.

2.3 Organisation und Arbeitsabläufe sind noch nicht auf die künftigen Anforderungen ausgerichtet

Die im Auftrag des Landes von der NVBW ausgeführten Tätigkeiten wurden immer wieder fortgeschrieben und ausgeweitet. Weder eine Wertigkeit der einzelnen Tätigkeiten noch ein fachlich, inhaltlicher Zusammenhang sind erkennbar. Der hierfür bei der NVBW entstandene Sach- und Personalaufwand ist nicht ausreichend nachgewiesen.

Der organisatorische Aufbau blieb seit ihrer Gründung im Wesentlichen unverändert. Der Aufgabenzuwachs der letzten Jahre schlug sich vor allem in einem stetig größer werdenden Sachgebiet 2 „ÖPNV“ nieder. Die organisatorischen und aufgabenbedingten Arbeitszusammenhänge werden dadurch nur eingeschränkt abgebildet.

2.4 Kernaufgaben - Ausschreibung und Vergabe von Verkehrsverträgen im Schienenpersonennahverkehr sowie Vertragsmanagement - bilden noch nicht den Arbeitsschwerpunkt

Das Land legte 2014 im „Zielkonzept 2025 für den Schienenpersonennahverkehr in Baden-Württemberg“ die Eckpunkte für den künftigen Ausbau und die Neuvergabe des SPNV fest. Die SPNV-Leistungen müssen öffentlich ausgeschrieben werden. Mit dem Auslaufen des Großen Verkehrsvertrags im SPNV zwischen dem Land und der DB Regio AG im Herbst 2016 werden nahezu 40 Mio. Zugkilometer in den Wettbewerb eingebracht. Daneben laufen über 20 weitere Verkehrsverträge des Landes sukzessive aus und sind neu auszuschreiben.

Ferner ist beabsichtigt, in einigen Verkehrsverträgen von der Nettobasis (das Eisenbahnverkehrsunternehmen erhält die Fahrgelderlöse) auf die Bruttobasis (das Land erhält die Fahrgelderlöse) oder zumindest auf eine Mischform aus Brutto- und Nettovertrag zu wechseln.

Um in den Ausschreibungen einen Wettbewerb zu erreichen, will das Land die Fahrzeugfinanzierung unterstützen. Hierzu errichtete das Land die neue Landesanstalt Schienenfahrzeuge Baden-Württemberg, die operativ mit der NVBW verknüpft werden soll. Das Land hat deshalb ab Mitte 2015 eine zweite Geschäftsführerstelle bei der NVBW geschaffen. Es erschließt sich nicht, warum die organisatorische Trennung zwischen der Gesellschaft und der Landesanstalt zweckmäßig sein soll. Durch die Landesanstalt werden weitere Mehrkosten für deren Rechnungslegung u. ä. entstehen, selbst wenn - wie von den Ministerien erwartet - zusätzliche Steuerbelastungen vermieden werden können.

Damit in Ausschreibungsverfahren tatsächlich Wettbewerbsvorteile realisiert werden können, muss ein komplexes Tätigkeitsfeld bearbeitet werden. Hinzu kommt ein erheblicher Zeitdruck, die Vergabeverfahren fristgerecht umzusetzen. Die Gesellschaft ist aber noch nicht auf diese neuen Arbeitsschwerpunkte ausgerichtet.

2.5 Tätigkeiten ohne Bezug zu den Kernaufgaben der NVBW

2.5.1 Geschäftsstelle „Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen in Baden-Württemberg e. V"

Die Geschäftsstelle hat keine inhaltlichen Überschneidungen mit den Kernaufgaben der NVBW. Es erschließt sich nicht, warum Beschäftigte der NVBW beispielsweise für die Bearbeitung der Mitgliedsanträge oder die allgemeine Verwaltung der Geschäftsstelle zuständig sind.

2.5.2 Fahrradverkehr - Fahrradland, Radroutenplaner

Der Bereich Fahrradverkehr wurde der NVBW 2008 übertragen, da im damals zuständigen Innenministerium nur begrenzt Fachkenntnisse vorhanden waren. Im Ministerium für Verkehr und Infrastruktur besteht inzwischen ein Referat „Rad- und Fußverkehr, Kommunale Verkehrskonzepte“, das über ein hohes Maß an Expertise verfügt. Einige Aufgaben, wie die „Radkultur“, wurden deshalb bereits von der NVBW in das Ministerium verlagert. Bei anderen ist zu hinterfragen, weshalb sie noch von der NVBW wahrgenommen werden. Hierzu gehört die Internetseite „fahrradland-bw“, auf der mit dem Logo des Ministeriums die Modalitäten der Fahrradverkehrsförderung des Landes vorgestellt werden.

2.5.3 Call Center

Der Vertrag der NVBW mit dem Betreiber des Call Centers über die telefonische Fahrplanauskunft ist zum 30.06.2016 kündbar. Bei Vertragsabschluss wurde mit Kosten je Call von 3,90 Euro (netto) kalkuliert. Die Zahl der Anrufe ist seit Jahren stark rückläufig, da für Fahrplanauskünfte die Neuen Medien genutzt werden. Die Kosten je Call steigen in der Folge rasch an und nähern sich immer mehr der sogar von der NVBW selbst als wirtschaftlich nicht mehr vertretbar dargestellten Größenordnung von 5 Euro je Call.

2.5.4 Beteiligung im Bereich Fahrgeldmanagement

2008 hat sich die NVBW an einem Unternehmen beteiligt, das in der Entwicklung des elektronischen Fahrgeldmanagements tätig ist. Die Mittel für die Kommanditeinlage von 100.000 Euro stellte das Land der NVBW zur Verfügung. Die Einlage entspricht einer Beteiligungsquote von 12,7 Prozent. Im Übrigen sind meist Verkehrsverbünde und -unternehmen beteiligt.

Das Entwicklungsunternehmen erzielt Einnahmen aus Lizenzgebühren und Erträge aus Zuwendungen des für Verkehr zuständigen Bundesministeriums und der Europäischen Union. Seit 2010 ist das Jahresergebnis negativ. Der Bund hat sich 2011 aus der Förderung zurückgezogen.

Anhaltspunkte für ein unternehmerisches Interesse der NVBW an ihrer Beteiligung können wir nicht erkennen. Auch die Beteiligungsverwaltung des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft sieht den alleinigen Nutzen bei Verkehrsverbünden und -unternehmen.

2.5.5 Druck des Kursbuchs nicht kostendeckend

Die NVBW ist seit 2009 mit der Herausgabe eines gedruckten Kursbuchs beauftragt, nachdem die Deutsche Bahn AG seinerzeit Druck und Vertrieb einstellte. Das Kursbuch wurde 2010 bis 2012 in einer Auflage von je 7.000 Exemplaren und 2013 von 5.000 Exemplaren gedruckt. Die Einnahmen aus dem Verkauf konnten in keinem Jahr die Kosten für Herstellung, Druck und Vertrieb decken. Die Unterdeckung betrug in den letzten Jahren 67.000 Euro (2011), 66.000 Euro (2012) und 34.000 Euro (2013).

2.6 Das Ministerium prüft den wirtschaftlichen Einsatz der Mittel noch unzureichend

Die NVBW ist Auftragnehmer des Ministeriums. Deshalb müssen ihre Leistungen klar definiert und projektbezogen beauftragt und abgerechnet werden. Diesem Anspruch werden die pauschalierte Jahresvergütung und die interpretationsfähige Aufgabendefinition nicht gerecht. Das Ministerium kann die wirtschaftliche Auftragserledigung wegen der fehlenden projektbezogenen Buchungen nicht so kontrollieren, wie das in der Landeshaushaltsordnung vorgeschrieben ist. Auch in den jährlichen Schlussabrechnungen der NVBW sind die einzelnen Positionen nicht belegt und bleiben für uns in vielen Punkten nicht nachvollziehbar.

Die unzureichenden Führungs- und Kontrollinstrumente trugen dazu bei, dass die NVBW zu hohe Abschlagszahlungen erhielt und jährlich bis zu 700.000 Euro an das Ministerium zurückbezahlte.

2.7 Finanzierung befristeter Projekte unbefriedigend

In den vergangenen Jahren wurden der NVBW befristete Projekte übertragen, ohne dass die dauerhafte Finanzierung geregelt war. Dazu gehören das „Elektronische Ticketing“ und der „Fußverkehr“. Beim „Elektronischen Ticketing“ waren vier Jahre für den Aufbau eines Systems vorgesehen. Bis dahin wäre zu klären gewesen, wie die dauerhafte Finanzierung zu sichern ist. Die Projekte werden jedoch bis heute von der NVBW fortgeführt und finanziert. Die Verkehrsverbünde, die von dem System einen Vorteil hätten, beteiligen sich nicht.

2.8 Aufsichtsrat nicht vertragskonform besetzt

In den Aufsichtsrat wurden sechs Mitglieder entsandt, obwohl der Gesellschaftsvertrag nur fünf Mitglieder vorsieht.

3 Empfehlungen

3.1 Organisationsform ändern

Das Land hat die auf die Gesellschaft verlagerten Aufgaben neu zu organisieren. Sie sind entweder in eine Behördenstruktur oder eine selbstständige Anstalt des öffentlichen Rechts zu überführen. Sodann ist die Gesellschaft aufzulösen. Dabei ist zu untersuchen, ob und wie die Aufgaben der NVBW wirtschaftlich mit denen der neuen Landesanstalt Schienenfahrzeuge Baden-Württemberg zusammengeführt werden können. Sich überschneidende Aufgaben und organisationsbedingte Mehrkosten sind zu vermeiden.

Die nachstehenden Empfehlungen gelten, solange die NVBW noch besteht, unmittelbar, im Übrigen sinngemäß.

3.2 Tätigkeitsspektrum auf die Kernaufgaben ausrichten

Die Leistungen der NVBW sind konsequent auf die inzwischen veränderten Kernaufgaben auszurichten.

Dafür sind einige der Tätigkeiten der NVBW neu zu definieren. Dies betrifft vor allem das Marketing. Mit dem Abschluss von Verkehrsverträgen auf Bruttobasis (das Land erhält die Fahrgelderlöse) muss ein Linienmarketing eingeführt werden, das mit der Dachmarkenwerbung verbunden ist. Marketinginstrumente, die nicht in das zukunftsorientierte Konzept passen, müssen aufgegeben werden.

Der NVBW sollten nur solche Projekte und Pilotvorhaben übertragen werden, deren Finanzierung und Trägerschaft nach Ablauf der befristeten Erprobung klar festgelegt ist.

Tätigkeiten ohne Bezug zu den Kernaufgaben sind aufzugeben:

Die Geschäftsstelle der Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen in Baden-Württemberg e. V. ist zeitnah in kommunale Verantwortung zu überführen.

Aufgaben zum Fahrradverkehr, die nicht mit den Kernaufgaben zusammenhängen, sollten an den ministeriellen oder, soweit es operative Aufgaben sind, an den nachgeordneten Bereich übergehen.

Der Betrieb des Call Centers sollte zum Vertragsende fristgerecht gekündigt werden.

Die Unternehmensbeteiligung im Bereich elektronisches Fahrgeldmanagement sollte aufgegeben werden.

Der Druck des Kursbuchs sollte unverzüglich eingestellt werden.

3.3 Zuschnitt und Definition der Aufgaben überarbeiten

Mit der für Mitte 2015 geplanten zweiten Geschäftsführerstelle ist ein neuer organisatorischer Zuschnitt notwendig. Die Aufgabendefinition muss konkret und detailliert sein. Die mit den definierten Kernaufgaben zusammenhängenden Tätigkeiten sind differenziert darzustellen.

3.4 Projektbezogenes Buchungssystem einführen

Die NVBW hat zeitnah ein kostenträger-/projektbezogenes Buchungssystem einzuführen. Das Land hat auf dieser Grundlage die Leistungen der NVBW nicht mehr durch jährliche Pauschalen zu vergüten, sondern auftrags- und projektbezogen. Die Gesellschaft muss selbst über den für die Aufgabenerledigung notwendigen Personal- und Mitteleinsatz entscheiden.

3.5 Beteiligungsverwaltung aktiver wahrnehmen

Die Beteiligungsverwaltung des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft hat darauf hinzuwirken, dass die Gesellschaft ihr nicht betriebsnotwendiges Kapital ausschüttet. Eine sofortige Gewinnausschüttung von mindestens 1 Mio. Euro ist vorzubereiten.

Die Beteiligungsverwaltung hat dafür zu sorgen, dass die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder dem Gesellschaftsvertrag entspricht.

4 Stellungnahme des Ministeriums

4.1 Organisationsform ändern

Die Ministerien für Verkehr und Infrastruktur sowie für Finanzen und Wirtschaft wollen prüfen, ob die Aufgaben der NVBW in eine selbstständige Anstalt des öffentlichen Rechts überführt bzw. mit denen der neuen Landesanstalt Schienenfahrzeuge Baden-Württemberg zusammengeführt werden können.

4.2 Tätigkeitsspektrum auf die Kernaufgaben ausrichten

Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur stimmt dem Rechnungshof zu, dass die NVBW bei der Ausschreibung der SPNV-Leistungen zur Realisierung von Wettbewerbsvorteilen aktuell besonders anspruchsvolle Aufgaben zu bewältigen hat. Zu den Kernaufgaben der NVBW zählten heute nicht mehr nur, wie vom Rechnungshof angenommen, die SPNV-nahen Leistungen, sondern auch der Bereich „Nachhaltige Mobilität“.

Das Ministerium werde gemeinsam mit der NVBW in den kommenden Monaten eine systematische Aufgabenkritik durchführen. Geprüft werden soll dabei, ob die derzeit durchgeführten Aufgaben delegiert oder ganz eingestellt werden können.

4.3 Zuschnitt und Definition der Aufgaben überarbeiten

Eine organisatorische Anpassung der internen Strukturen der NVBW werde geprüft und umgesetzt. Um dem geänderten Aufgabenspektrum und dem modifizierten Anforderungsprofil gerecht zu werden, werde die Anlage 1 zum Geschäftsbesorgungsvertrag bei der Aufstellung des Wirtschaftsplans für 2016 entsprechend angepasst. Dabei werde darauf geachtet, die Definition der Aufgaben weiter zu konkretisieren. In den kommenden Monaten würden, unter Rückgriff auf die Empfehlungen des Rechnungshofs, die Steuerung und Effizienz der Arbeitsabläufe innerhalb der NVBW weiter optimiert.

4.4 Projektbezogenes Buchungssystem einführen

Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur begrüßt den Vorschlag des Rechnungshofs, produktbezogene Buchungen einzuführen. Die Ressourcenzuordnung auf Projekte schaffe Transparenz und ermögliche gegebenenfalls eine Priorisierung. Es werde gemeinsam mit der NVBW die Buchungssystematik prüfen und festlegen.

4.5 Beteiligungsverwaltung aktiver wahrnehmen

Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft wird darauf hinwirken, dass bei der Beschlussfassung über den Jahresabschluss 2014 eine Gewinnausschüttung beschlossen werde. Deren Höhe müsse noch geprüft werden.

Das Ministerium will auch für eine vertragskonforme Besetzung des Aufsichtsrats sorgen.

5 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof betont, dass auch die Option, die Aufgaben in eine Behördenstruktur zu überführen, geprüft werden muss. Unabhängig von der Rechtsform ist das Tätigkeitsspektrum der NVBW auf die Kernaufgaben im SPNV auszurichten. Dies bezieht verkehrsträgerübergreifende, SPNV-nahe Leistungen beispielsweise beim Rad- und Fußverkehr ein. Nicht gemeint sind jedoch Aufgaben wie die Betreuung von Geschäftsstellen Dritter oder kommunaler Einrichtungen. Der Rechnungshof sieht es sehr wohl als erforderlich an, dass das Thema „Nachhaltige Mobilität“ in einem Gesamtzusammenhang bearbeitet wird. Dies kann aber nicht Aufgabe der NVBW sein, da sie die Verkehrsverträge in Milliardenhöhe steuern, begleiten und managen muss.


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Einzelplan 14: Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst

Die Zentrale Datenschutzstelle der Universitäten in Stuttgart hat sich fachlich und wirtschaftlich bewährt.

Auch die nichtuniversitären Hochschulen sollten ihre Datenschutzaufgaben zentral erledigen und dadurch landesweit 15 bis 20 Vollzeitäquivalente einsparen.


1 Ausgangslage

Die neun baden-württembergischen Universitätsverwaltungen arbeiten in Datenschutzangelegenheiten eng zusammen. Die Universitäten haben dazu 2002 eine Zentrale Datenschutzstelle der Universitäten (ZENDAS) eingerichtet. Ihr Status und ihre Aufgabenstellung sind in einer Kooperationsvereinbarung der Universitäten festgelegt.

Organisatorisch ist die ZENDAS eine Stabsstelle der Universität Stuttgart. Aufgabe der ZENDAS ist die Beratung und der Support der Universitäten bei datenschutzrechtlichen und datenschutztechnischen Fragen: Sie klärt Einzelfälle, die sich an den Universitäten ergeben haben, und entwickelt Lösungen für übergreifende Themen, wie z. B. Datenschutz- und Sicherheitskonzepte.

Die ZENDAS bewältigt ihre Aufgaben mit acht Mitarbeitern (6,5 Vollzeitäquivalente).

Finanziert wird die ZENDAS von den Universitäten durch eine Umlage, deren Höhe in der Kooperationsvereinbarung festgelegt wurde.

Das Staatliche Rechnungsprüfungsamt Stuttgart hat 2013 die Aufgabenerfüllung durch die ZENDAS geprüft.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Arbeit der Zentralen Datenschutzstelle der Universitäten

Die ZENDAS erfüllt die ihr gestellten Aufgaben zur Zufriedenheit der neun Universitäten. Ein wichtiges Dienstleistungsangebot der ZENDAS ist der „Info-Server", ein online-gestütztes Wissensforum, auf das die Universitäten einfach und niedrigschwellig zugreifen können. Die aufgeworfenen Fragen werden beantwortet. Mittlerweile versorgt die ZENDAS auf diese Weise 80 Abonnenten, davon die Hälfte aus anderen Ländern.

Zunehmend erbringt die ZENDAS - in der Regel gegen Entgelt - auch Dienstleistungen für öffentliche Stellen außerhalb der Universitäten, z. B. Seminare und Coaching.

Für komplexere Aufgabenstellungen aus den neun Landesuniversitäten erarbeitet die ZENDAS Lösungen - dieses Angebot steht anderen Einrichtungen nicht zur Verfügung.

Die Nachfrage nach den Leistungen der ZENDAS steigt kontinuierlich. Die datenschutzrechtlichen Vorgaben von Land, Bund und EU werden immer umfangreicher.

Die von den Universitäten geleisteten Umlagen haben zusammen mit den selbst erwirtschafteten Einnahmen bislang ausgereicht, um die Finanzierung der ZENDAS sicherzustellen, es konnten sogar Überschüsse erzielt werden.

Der wirtschaftliche Erfolg der ZENDAS ergibt sich im Wesentlichen daraus, dass acht der neun Universitäten ihre Kapazitäten vor Ort seit der Gründung der ZENDAS deutlich reduzieren konnten. Nach ihren Angaben wird nur an einem der neun Standorte für die Bearbeitung von datenschutzrechtlichen Problemen mehr als eine halbe Personalstelle eingesetzt, nämlich am Karlsruher Institut für Technologie.

2.2 Bearbeitung von Datenschutzangelegenheiten an anderen Hochschulen

Das Staatliche Rechnungsprüfungsamt Stuttgart hat bei der Prüfung von ZENDAS durch eine Umfrage die Situation an den nichtuniversitären Hochschulen des Landes erhoben.

Da diese Hochschulen bislang nur eingeschränkt auf Leistungen der ZENDAS zurückgreifen können, halten sie im Durchschnitt 1,1 Vollzeitäquivalente vor, um datenschutzrechtliche Fragen zu bearbeiten. Auch dort wächst der Bedarf an qualifizierter Beratung kontinuierlich.

3 Bewertung und Empfehlung

Der Rechnungshof teilt die Auffassung der Universitäten, dass sich die Zen-tralisierung von Datenschutzaufgaben bewährt hat. Diese Lösung sollte daher auch auf andere Hochschulen erstreckt werden.

Die Synergieeffekte, wie sie sich durch die Einrichtung von ZENDAS ergeben haben, sollten auch auf andere Hochschulen (Hochschulen für angewandte Wissenschaften, Pädagogische Hochschulen, Duale Hochschule Baden-Württemberg, Musik- und Kunsthochschulen) übertragen werden.

Dafür sind drei (alternative) Wege denkbar.

3.1 Andere Hochschulen in die Arbeit der Zentralen Datenschutz-stelle in Stuttgart einbeziehen

Die Zuständigkeit der an der Universität Stuttgart eingerichteten Stabsstelle ZENDAS könnte durch eine Vereinbarung zwischen den Universitäten und den anderen Hochschulen des Landes auf die Bearbeitung von Datenschutzangelegenheiten auch der anderen Hochschulen erstreckt werden.

Der Personalbedarf der ZENDAS würde sich dadurch voraussichtlich von 6,5 Vollzeitäquivalente auf 13 Vollzeitäquivalente verdoppeln. Es gibt zwar deutlich mehr Hochschulen als Universitäten, die Universitäten haben aber das Mehrfache an Personal und Studierenden. Außerdem ergeben sich bei Universitäten häufiger komplexe Fragestellungen zum Datenschutz bei Forschungs- und Drittmittelprojekten.

Jene Hochschulen, die sich an die so vergrößerte ZENDAS anschließen, müssten sich an den zusätzlichen Personal- und Sachkosten mit einer pauschal zu bemessenden Umlage beteiligen, sodass für die Universität Stuttgart im Ergebnis kein zusätzlicher ungedeckter Aufwand entstehen würde.

Die Umlage sollte so bemessen sein, dass für die an der Universität Stuttgart anfallenden zusätzlichen Overhead-Aufgaben ein pauschaler Zuschlag von 15 Prozent der Personal- und Sachkosten der ZENDAS erhoben wird.

3.2 Zentrale Datenschutzstelle für alle Universitäten und Hochschulen am Hochschulservicezentrum Reutlingen einrichten

Denkbar wäre die Einrichtung einer Zentralen Datenschutzstelle für alle Universitäten und Hochschulen am Hochschulservicezentrum in Reutlingen.

Dort müsste die notwendige Personal- und Sachausstattung geschaffen werden.

Die Finanzierung könnte entweder unmittelbar durch das Land oder durch Umlagen und Leistungsentgelte der angeschlossenen Universitäten und Hochschulen sichergestellt werden.

Im Gegenzug könnte die bisher an der Universität Stuttgart bestehende Zentrale Datenschutzstelle aufgelöst und das Personal an das Hochschulservicezentrum Reutlingen versetzt werden.

3.3 Zentrale Datenschutzstelle (nur) für nichtuniversitäre Hochschulen am Hochschulservicezentrum einrichten

Eine dritte Möglichkeit wäre, am Hochschulservicezentrum Reutlingen für alle nicht universitären Hochschulen eine zweite Zentrale Datenschutzstelle einzurichten.

Dazu müssten dem Hochschulservicezentrum die notwendigen personellen und sächlichen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Die Größenordnung des Ressourceneinsatzes sollte sich am Umfang der bestehenden ZENDAS in Stuttgart orientieren.

Die Finanzierung dieser Ressourcen könnte unmittelbar durch das Land oder durch eine Umlage der angeschlossenen Hochschulen erfolgen.

Um Doppelarbeit nach Möglichkeit zu vermeiden, wäre es geboten, dass diese neue Zentrale Datenschutzstelle am Hochschulservicezentrum Reutlingen und die bestehende ZENDAS an der Universität Stuttgart eng zusammenarbeiten.

3.4 Einsparungen an den angeschlossenen Hochschulen

In allen drei Fällen würde sich der an den einzelnen Hochschulen zu leistende Aufwand für Datenschutzaufgaben vor Ort reduzieren. Die Erfahrungen der Universitäten zeigen, dass der verbleibende Personalbedarf vor Ort in der Regel den Umfang von 0,5 Vollzeitäquivalenten nicht übersteigt. Die höhere Ausstattung beim Karlsruher Institut für Technologie (2,3 Vollzeitäquivalente) beruht auf der im Zuge der Fusion 2009 übernommenen Datenschutzstelle des früheren Forschungszentrums Karlsruhe.

Da diese Hochschulen nach dem Ergebnis der Erhebungen des Staatlichen Rechnungsprüfungsamts Stuttgart bislang einen Personalaufwand von durchschnittlich 1,1 Vollzeitäquivalenten zur Erledigung von Datenschutzaufgaben haben, ergibt sich bei 45 Hochschulen und Studienakademien ein Einsparpotenzial von rechnerisch 27 Vollzeitäquivalenten. Selbst wenn es nicht gelingen sollte, dieses Potenzial vollständig zu realisieren, ergibt sich per Saldo durch die Zentralisierung der Datenschutzaufgaben ein Einsparpotenzial von 15 bis 20 Vollzeitäquivalenten.

Sollte das Land die neue Zentralstelle unmittelbar finanzieren, müssten die Hochschulen einen Teil ihrer so erzielten Einsparungen durch eine Umlage oder auf andere Weise an den Landeshaushalt weitergeben.

Der Rechnungshof empfiehlt dem Wissenschaftsministerium und den nicht universitären Hochschulen die Datenschutzaufgaben zu zentralisieren und das Einsparpotenzial durch Synergieeffekte im Umfang von mindestens 15 bis 20 Vollzeitäquivalenten zu realisieren.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Wissenschaftsministerium unterstützt die Anregungen des Rechnungshofs, die bei den außeruniversitären Hochschulen anfallenden Aufgaben des Datenschutzes zu zentralisieren und mögliche Synergieeffekte zu erzielen.

Es hält den hochgerechneten Effizienzgewinn von 15 bis 27 Vollzeit-äquivalenten für deutlich überhöht. In der Regel würden die Aufgaben des örtlichen Datenschutzbeauftragten nämlich zusätzlich durch Hochschulmitglieder übernommen. Bei einer Zentralisierung würde die Personalsituation an den Hochschulen mithin nur geringfügig entspannt werden.

Die unter 3.1 und 3.2 vorgeschlagene Zusammenlegung der Datenschutzzentrale bei der ZENDAS oder beim Hochschulservicezentrum Reutlingen wäre zudem mit organisatorischen und hochschulpolitischen Problemen behaftet. So hätten zwar mittlerweile einige der nichtuniversitären Hochschulen einen Vertrag zur Nutzung des Infoservers der ZENDAS abgeschlossen, entsprechende Sondierungsgespräche über eine weitergehende Zusammenarbeit mit der ZENDAS wären aber schon in der Vergangenheit ergebnislos verlaufen. Bei den Universitäten würden die IT-Systeme für die Verwaltungen mit unterschiedlichen Softwareprodukten eigenständig betrieben. Die nichtuniversitären Hochschulen betrieben die IT-Systeme der Verwaltungen hingegen unter einem zentralen Betreibermodell beim Hochschulservicezentrum Reutlingen. Aus diesen Gründen erscheine eine Eingliederung der ZENDAS in das Hochschulservicezentrum Reutlingen ebenso wenig umsetzbar wie die Einbeziehung der Datenschutzaufgaben der nicht universitären Hochschulen in die ZENDAS.

Derzeit werde daher zwischen dem Ministerium und den Hochschulen für angewandte Wissenschaften die Einrichtung einer „Datenschutzservicestelle" unter dem Dach des Hochschulservicezentrums Reutlingen erörtert. Diese Lösung könne den Hochschulen einen noch passgenaueren Datenschutz-Support bieten, da hier die Mehrzahl der an den Hochschulen eingesetzten IT-Produkte betrieben werden.

Im Nachtrag zum Haushalt 2015/2016 sei ein entsprechender Stellenzugang für das Hochschulservicezentrum Reutlingen im EDV-technischen Bereich vorgesehen. Noch nicht abschließend diskutiert sei die Verortung einer weiteren Zuständigkeit für rechtliche Fragen im Zusammenhang mit dem Datenschutz, die am Hochschulservicezentrum Reutlingen oder auch an anderer zentraler Stelle (z. B. beim Justiziariat) erfolgen könnte.

Die Finanzierung könne im Umlageverfahren stattfinden. In einem weiteren Schritt solle dann die Einbeziehung weiterer nicht universitärer Hochschulen geprüft werden.


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Das Landesmuseum für Technik und Arbeit gehört zu den teuersten Museen in Baden-Württemberg. Trotzdem ist es in den letzten Jahren nicht gelungen, die Besucherzahlen und die Einnahmen aus Eintrittsgeldern, Mieterträgen und Sponsoring-Erlösen in ein angemessenes Verhältnis zu den Gesamtausgaben des Museums zu bringen. Das Museum muss durch Einsparungen Mittel für eine kontinuierliche Erneuerung der Dauerausstellung, für Marketingmaßnahmen und die Erschließung neuer Besucher- und Sponsorenpotenziale generieren. Auf mittlere Frist reicht es aus, dass die Zuschüsse von Land und Stadt nur noch sechs Siebtel des Finanzbedarfs des Museums decken.


1 Ausgangslage

Das Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim wurde 1990 eröffnet. Träger des Museums ist eine 1985 vom Land Baden-Württemberg und der Stadt Mannheim gegründete öffentlich-rechtliche Stiftung, die sowohl für den laufenden Betrieb des Museums als auch für Bauunterhalt und notwendige Investitionen verantwortlich ist. Ein Betriebsvertrag zwischen dem Land und der Stadt Mannheim sieht vor, dass der Aufwand für das Museum im Verhältnis 2 zu 1 getragen wird.

Das Museum präsentiert in seiner Dauerausstellung die Entwicklung der Technik und ihre wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen vom Beginn der Industrialisierung bis zur Gegenwart. Es bietet darüber hinaus interaktive Experimentierstationen zu naturwissenschaftlichen und technischen Phänomenen („Elementa") an. Ergänzt wird die Dauerausstellung durch Sonderausstellungen - gelegentlich auch durch eine Große Landesausstellung. Neben der Dauerausstellung im Museumsgebäude verfügt das Museum auch über ein Museumsschiff auf dem Neckar, das die Entwicklung der Schifffahrt dokumentiert.

Das Museum beschäftigt mehr als 150 Mitarbeiter mit einem Beschäftigungsumfang von nahezu 92 Vollzeitäquivalenten. Die Museumsleitung obliegt dem Direktor, der vom Stiftungsrat gewählt und überwacht wird. Die Mitglieder des Stiftungsrats werden vom Land Baden-Württemberg und von der Stadt Mannheim bestellt.

Das Museum gab 2013 für den laufenden Betrieb (einschließlich Anschaffungen) 11,4 Mio. Euro aus. Davon entfielen 5,7 Mio. Euro auf Personalausgaben und 5,7 Mio. Euro auf Sachausgaben (einschließlich eingekaufter Dienstleistungen).

Den Ausgabenbedarf deckt das Museum zu 8,2 Prozent aus eigenen Einnahmen - überwiegend aus Eintrittsgeldern, in einer Größenordnung von jährlich 100.000 Euro aus Spenden und Sponsoring-Erlösen. Dazu kommen in geringem Umfang Projektzuschüsse und Zuschüsse des Landes für die Anschaffung von Exponaten. Der verbleibende Finanzbedarf wird zu zwei Dritteln aus Zuwendungen des Landes und zu einem Drittel aus Zuwendungen der Stadt Mannheim gedeckt.

2013 konnte sich das Museum 184.000 Besuchern präsentieren, davon waren allerdings nur 157.000 zahlende Besucher. Da das Museum mit Ausnahme einiger Feiertage an allen Tagen des Jahres geöffnet ist, entspricht dies einer Besucherzahl von 512 Besuchern je Öffnungstag.

Etwa 24 Prozent der Besucher sind Schulklassen und ihre Lehrer, im Übrigen liegt der Schwerpunkt auf Familien mit Kindern. Die meisten Besucher stammen aus dem Rhein-Neckar-Raum. Besucher mit einer Anfahrtszeit von mehr als einer Stunde sind die Ausnahme.

Der Rechnungshof hat 2014 die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landesmuseums geprüft. Der Prüfungszeitraum umfasste die Jahre 2008 bis 2013, mit Schwerpunkt im Jahr 2013.

2 Prüfungsergebnisse

Mit Gesamtausgaben von 78 Euro je Besucher und einem Zuschussbedarf von 70 Euro je Besucher gehört das Landesmuseum für Technik und Arbeit zu den teuersten Museen in Baden-Württemberg.

Durch die großzügige Zuschusspolitik des Landes und der Stadt Mannheim verfügt das Museum über ausreichend bemessene Ressourcen, um seine laufenden Ausgaben zu decken. Die Ende des letzten Jahrzehnts notwendig gewordene Sanierung des Museumsgebäudes musste die Stiftung ebenfalls nicht aus eigenen Rücklagen decken, sondern erhielt eine auskömmlich bemessene Vorfinanzierung des Landes und der Stadt - die jährlichen Rückzahlungen werden durch (vorübergehend) erhöhte Zuschüsse des Landes und der Stadt gedeckt.

Die jährlich entstehenden Haushaltsreste in einer Größenordnung von 5 Prozent des gesamten Finanzvolumens zeigen, dass die Zuschüsse großzügig bemessen sind.

2.1 Stärken

2.1.1 Strategische Ausrichtung des Museums

Das Landesmuseum für Technik und Arbeit passt zum Selbstverständnis des Landes Baden-Württemberg als einem weltweit beachteten Industriestandort und der Selbstwahrnehmung als Land der Erfinder und Ingenieure. Die vielfältigen Ansätze der Landesregierung, junge Menschen für die Wahl technischer Studienfächer und Berufe zu motivieren, werden durch das Angebot des Landesmuseums schlüssig unterstützt.

2.1.2 Orientierung an den Interessen junger Besucher

Der hohe Anteil der Schulklassen und der Familien mit Kindern an den zahlenden Besuchern zeigt, dass es die Mitarbeiter des Museums verstehen, die Ausstellung am Empfängerhorizont und den speziellen Interessen von Kindern und Jugendlichen auszurichten. Bemerkenswert ist die große Zahl von Interaktionsmöglichkeiten für die Besucher und die Möglichkeit, an zahlreichen Ausstellungsstationen auf die Unterstützung von Scouts zurückzugreifen. Sie leiten die jungen Besucher zu einem gewinnbringenden Umgang mit den Exponaten an.

2.1.3 Sonderausstellungen und Große Landesausstellungen

Überdurchschnittlich attraktiv waren die Sonderausstellungen des Landesmuseums. Die vom Land durch Projektmittel zusätzlich ausgestatteten „Großen Landesausstellungen" - 2007 zum Thema Raumfahrt und 2012 zum Thema Ernährung - bewirkten jeweils einen spürbaren Besucherzuwachs und erbrachten für das Museum im Ergebnis jeweils beachtliche Deckungsbeiträge, die auch der Dauerausstellung zugutekamen.

2.1.4 Ordentliche Haushalts- und Wirtschaftsführung

Abgesehen von zwei schwerwiegenden vergaberechtlichen Verstößen, die der Rechnungshof in seiner Prüfungsmitteilung beanstanden musste, erwies sich die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Museums als im Wesentlichen ordnungsgemäß.

2.2 Verbesserungspotenziale

Neben den o. g. Stärken zeigte sich bei der Prüfung des Rechnungshofs auch eine Reihe von Verbesserungspotenzialen.

2.2.1 Ausgaben, insbesondere Personalausgaben

Der Stiftungsrat beschloss 2005/2006, die Museumsleitung zu beauftragen, durch Personaleinsparungen Spielräume zu schaffen, mit denen sich das Museum aus seinen laufenden Mitteln an den Kosten der anstehenden baulichen Maßnahmen beteiligen könnte.

Dieses Konzept ist nicht aufgegangen. Zwar hat die Museumsleitung auf dem Papier die Zahl der im Wirtschaftsplan ausgebrachten Stellen von nahezu 100 auf mittlerweile 73 reduziert. Da aber viele der wegfallenden Stellen durch befristet beschäftigtes Personal ersetzt wurden, stiegen die gesamten Personalkosten in dem betrachteten Zeitraum um 19 Prozent und damit über das durch Tariferhöhungen induzierte Maß hinaus: Ein wirklicher Sparerfolg wurde in summa noch nicht erzielt.

Kleinere Einsparungen im Detail ließen sich durch Outsourcing von Dienstleistungen realisieren. Der Rechnungshof hat dem Museum weitere Bereiche benannt, in denen kleinere Personaleinsparungen möglich sind.

2.2.2 Öffnung des Museums an allen Wochentagen

Seit 2010 hat das Landesmuseum für Technik und Arbeit an allen Wochentagen (also auch montags) geöffnet.

Diese Maßnahme mag den Besuchern ein Stück Flexibilität bei der Auswahl ihrer Besuchszeit verschafft haben, wirtschaftlich hat sich die Erweiterung der Öffnungstage nicht ausgezahlt. Nach einer Schätzung des Rechnungshofs übersteigen die Kosten der zusätzlichen Öffnungstage die zusätzlichen Eintrittserlöse (lediglich +2,5 Prozent) um etwa 160.000 Euro.

Würde das Landesmuseum künftig wieder an Montagen geschlossen bleiben, so führte dies zu einer Ergebnisverbesserung im genannten Umfang.

2.2.3 Besucherpotenzial nicht ausgeschöpft

Mit einem Jahresdurchschnitt an zahlenden Besuchern von 141.500 im Zeitraum 2008 bis 2013 hat das Landesmuseum sein Besucherpotenzial nicht ausgeschöpft. Im Zusammenhang mit der Großen Landesausstellung zur Raumfahrt des Jahres 2007 erreichte das Landesmuseum mehr als 200.000 zahlende Besucher.

Damit verfehlt das Landesmuseum die von der Landesregierung zuletzt 1997 für erreichbar gehaltene Besucherzahl von 1.000 Besuchern je Tag und liegt - das ist die Konsequenz - mit einer jährlichen Eigenfinanzierungsquote unter 10 Prozent unter dem Durchschnitt der Landesmuseen (2013: 14,4 Prozent).

Dabei ist nicht zu erwarten, dass das Landesmuseum mit seinem sehr jungen Publikum zu den Eintrittseinnahmen der großen Kunstmuseen aufschließen kann.

Nicht ausgeschöpft erscheinen die Möglichkeiten, baden-württembergische Schulen aller Schularten auch außerhalb eines Umkreises von einer Stunde Anfahrt zu erreichen. Hier gilt es, die Zusammenarbeit und das Marketing zu intensivieren. Auch könnten die Schulen auf die Möglichkeit und den pädagogischen Gewinn, der mit einem Besuch im Landesmuseum für Technik und Arbeit verbunden ist, stärker aufmerksam gemacht werden.

Ein weiteres Potenzial ergibt sich, wenn der vergleichsweise geringe Anteil der Schulklassen, die von außerhalb Baden-Württembergs nach Mannheim kommen, in Betracht gezogen wird.

Im Geschäftsfeld der erwachsenen Besucher ist an hochwertige Veranstaltungen mit namhaften Referenten und an das bewährte Konzept attraktiver Sonderausstellungen zu denken, die neue Besuchergruppen über den Bereich der Stadt Mannheim hinaus in das repräsentative Landesmuseum locken könnte.

Um Besucher aus der Region im Laufe der Zeit mehrfach zu einem Besuch des Landesmuseums zu motivieren, ist jedenfalls auch eine Modernisierung und (kontinuierliche) Erneuerung der Dauerausstellung notwendig. Die dafür notwendigen Mittel könnten generiert werden, wenn dem Landesmuseum die Erfolge aus der Einsparung von Personal- und Sachausgaben verblieben.

2.2.4 Erhöhung der Eigeneinnahmen

Das Museum erhebt bislang keine gesonderten Eintrittsentgelte für Sonderausstellungen. Weitere Möglichkeiten ergäben sich durch stärkere Bemühungen um Spenden und Sponsorenmittel. Die strategische und thematische Ausrichtung des Landesmuseums muss es möglich machen, weitere Sponsoren zu gewinnen. Die Erfolge, die das Landesmuseum Württemberg in jüngster Zeit auf diesem Gebiet erzielen konnte, könnten Orientierung geben, was auch in Mannheim möglich sein könnte.

3 Empfehlungen

3.1 Ausgaben verringern und Dauerausstellung verbessern

Das Museum für Technik und Arbeit sollte durch Einsparung von Personalkosten und die Schließung des Museums an Montagen laufende Ausgaben in einer Größenordnung von 0,5 Mio. Euro jährlich einsparen. Mit diesen und weiteren von der Museumsleitung bereits selbst auf den Weg gebrachten, aber noch nicht realisierten Einsparungen können Verbesserungen der Dauerausstellung finanziert werden.

3.2 Besucherzahl und Sponsoring erhöhen

Weitere Besuchergruppen sollten erschlossen werden, indem die Dauerausstellung nach Maßgabe moderner Museumsdidaktik noch attraktiver gestaltet wird, sowie Sonderausstellungen angeboten werden. Zudem muss das Marketing verbessert werden.

Durch verstärkte Anstrengungen auf dem Gebiet der Sponsoren- und Spendenwerbung sind ebenfalls Mehreinnahmen möglich.

3.3 Zielvereinbarung über den Eigenanteil des Museums abschließen

Die Landesregierung und die Stadt Mannheim sollten mit dem Vorstand der Stiftung eine Zielvereinbarung schließen, nach der die Stiftung spätestens ab 2020 ein Siebtel des Finanzbedarfs des Museums durch eigene Einnahmen erwirtschaftet. Rechnet man die Ausgaben des Museums mit einer jährlichen Steigerung von 2 Prozent hoch, dann entspricht dies Eigeneinnahmen im Jahr 2020 von 1,75 Mio. Euro (gegenüber 1 Mio. Euro Eigeneinnahmen im Jahr 2013). Um das Ziel zu erreichen, muss das Museum in den kommenden Jahren sowohl die Besucherzahlen als auch die Eintrittserlöse und die Erträge aus Sponsoring und Spenden deutlich steigern.

Der vom Land und von der Stadt Mannheim durch Zuschüsse zu deckende Finanzbedarf wird sich durch die höheren Eigeneinnahmen ab 2020 auf vier Siebtel bzw. zwei Siebtel der Ausgaben reduzieren. Die jährlichen Anpassungen des Landeszuschusses können damit ab sofort auf jeweils +110.000 Euro reduziert werden.

4 Stellungnahmen der Stiftung und des Ministeriums

4.1 Stellungnahme der Stiftung

Die Museumsleitung freue sich, dass der Rechnungshof die strategische Ausrichtung des Museums ausdrücklich anerkenne. Damit bestätige sich, dass das Museum einen Beitrag zum Selbstverständnis des Landes Baden-Württemberg leiste. Dies sei auch ein Ergebnis eines tief greifenden strategischen und personellen Veränderungsprozesses, der begleitend zum laufenden Museumsbetrieb seit mehreren Jahren geleistet werde.

Das Museum sei sich bewusst, dass es neben den vom Rechnungshof betonten Stärken auch Verbesserungspotenziale gebe, die bei der zukünftigen Museumsarbeit Berücksichtigung finden würden. Es könne jedoch den Schlussfolgerungen aus den Vergleichen mit den anderen Landesmuseen größtenteils nicht folgen:

Als sogenanntes arbeitendes Museum solle es die ausgestellten Maschinen betriebsbereit halten und den Besuchern vorführen. Dies erfordere einen höheren Ressourcen- und Personaleinsatz.

Die besondere Architektur des Museumsgebäudes ziehe erhebliche Kosten für den Bauunterhalt, die Reinigung und andere laufende Aufwendungen wie Heizung und Lüftung nach sich.

Durch die Rechtsform als Stiftung müsse es sämtliche mit dem Betrieb des Museums zusammenhängenden Kosten im Gegensatz zu den meisten anderen Landesmuseen selbst tragen.

Das Museum erläuterte, dass es die Kosten der Gebäudesanierung aus eigenen Mitteln finanzieren müsse. Die Einsparvorschläge des Rechnungshofs halte es für kontraproduktiv.

4.2 Stellungnahme des Ministeriums

Das Wissenschaftsministerium teilt die Ansicht des Rechnungshofs nicht, dass das Museum über ausreichend Ressourcen verfüge. Die Stiftungsstruktur und die stärkere Besucherorientierung führten zu zusätzlichen finanziellen Belastungen. Es nannte die Sanierung des Gebäudes und der technischen Anlagen, die Bespielung der neuen Wechselausstellungsfläche und die betreuungsintensiven Mitmachstationen. Diese Belastungen ließen dem Museum nur beschränkt Spielräume, die Dauerausstellung zu erneuern.

Das Ministerium hält die gegenwärtige Besucherzahl von rund 200.000 je Jahr unter den gegebenen Bedingungen für vergleichsweise zufriedenstellend. Nur durch eine attraktive Dauerausstellung könne eine überregionale Wahrnehmung und deutliche Erhöhung der Besucherzahl erreicht werden. Das Ministerium hält das aufgezeigte Einsparpotenzial des Museums zur Finanzierung der notwenigen Verbesserungen der Dauerausstellung nicht für ausreichend, notwendig sei dafür ein zweistelliger Millionenbetrag. Es werde jedoch die aufgezeigten Einsparmöglichkeiten prüfen, dazu gehöre auch die Schließung montags.

Das Ministerium hält die empfohlene Steigerung der Landeszuschüsse um jährlich 110.000 Euro von 2016 bis 2020 insbesondere im Hinblick auf eine Erneuerung der Dauerausstellung für nicht ausreichend. Auch müsse nach Rückzahlung der Vorfinanzierungen in die Sanierung der technischen Anlagen investiert werden. Der Investitionsstau betrage mehr als 10 Mio. Euro.

Auch das Ministerium sei an einer Erhöhung der Eigenfinanzierungsquote interessiert. Es erwartet, dass das Technoseum sich für das Akquirieren von Spendern und Sponsoren ambitionierte Ziele setzt. Auch wenn das Technoseum in der Vergangenheit bei der Einwerbung von Spenden sehr erfolgreich gewesen sei, insbesondere zur Finanzierung der Wechselausstellungsfläche, hält das Ministerium die vom Rechnungshof empfohlene Quote von einem Siebtel bis 2020 für unrealistisch.


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Die Popakademie Baden-Württemberg sollte als selbstständige Einrichtung erhalten, in eine öffentlich-rechtliche Rechtsform überführt und den Regelungen des Landeshochschulgesetzes unterstellt werden. Unabhängig von der Frage der Rechtsform muss die Popakademie ihre Wirtschaftlichkeit verbessern, wenn sie neben ihrer Kernaufgabe (Bachelor- und Masterstudiengänge) Aufgaben als Kompetenzzentrum oder in der Weiterbildung wahrnimmt.


1 Ausgangslage

Die Popakademie Baden-Württemberg GmbH wurde 2003 gegründet. Gründungsgesellschafter waren das Land (33,5 Prozent), die Stadt Mannheim (33,5 Prozent), der Südwestrundfunk (9,5 Prozent), die Landesanstalt für Kommunikation (7,5 Prozent) sowie zwei private Unternehmen mit zusammen 16 Prozent. Die beiden privaten Unternehmen haben ihre Gesellschaftsanteile mittlerweile an das Land und die Stadt Mannheim veräußert und sind damit aus dem Kreis der Gesellschafter ausgeschieden.

Die Popakademie fungiert einerseits auf der Grundlage des Akademiengesetzes als Hochschuleinrichtung, andererseits versteht sie sich als Kompetenzzentrum für die populäre Musikwirtschaft. Die Popakademie ist in zwei Gebäuden im Mannheimer Stadtteil Jungbusch angesiedelt.

Die Popakademie bietet heute zwei Bachelorstudiengänge (Musikbusiness und Popmusikdesign) mit jährlich 60 Plätzen für Studienanfänger und zwei Masterstudiengänge (Music and Creative Industries und Popular Music) mit jährlich 40 Plätzen für Studienanfänger an. Im Studienjahr 2013/2014 waren insgesamt 323 Studierende an der Popakademie eingeschrieben.

Seit Aufnahme des Studienbetriebs 2003 haben 334 Studierende einen der Bachelorstudiengänge und 35 Studierende einen Masterstudiengang mit Erfolg absolviert.

Als Kompetenzzentrum für die Musikwirtschaft realisiert die Popakademie regionale und überregionale Projekte und betreut Künstler und Musikgruppen aus Baden-Württemberg und darüber hinaus.

Zu Beginn des Jahres 2014 waren an der Popakademie zwei Geschäftsführer und 35 weitere Mitarbeiter mit insgesamt 32,2 Vollzeitäquivalenten fest angestellt. Dazu kommt eine große Zahl von Lehrbeauftragten, die sowohl im Studienbetrieb als auch in der Arbeit als Kompetenzzentrum eingesetzt werden.

Die Popakademie bewirtschaftet ein Haushaltsvolumen von 4,4 Mio. Euro jährlich (einschließlich einer fiktiven Gebäudemiete).

Die Einnahmen der Popakademie stammen im Wesentlichen aus Beiträgen der Gesellschafter, deren regelmäßige Leistungen für jeweils fünf Jahre vertraglich fixiert werden. Dazu kommen projektbezogene Zuschüsse und eigene Einnahmen der Akademie.

Insgesamt trägt das Land durch einen institutionellen Zuschuss und durch verschiedene Projektförderungen durchschnittlich 70 Prozent des Finanzbedarfs der Akademie. Die Stadt Mannheim leistet ihren Beitrag durch eine jährliche Zahlung von etwa 12 Prozent des Finanzbedarfs und durch die mietfreie Überlassung der Gebäude (rund 3 Prozent).

Der Südwestrundfunk und die Landesanstalt für Kommunikation erbringen ihre Beiträge zum laufenden Betrieb teils durch Geldleistungen, teils durch Personal- und Sachleistungen.

Die Popakademie ist deutschlandweit die einzige Einrichtung, die überwiegend aus staatlichen Mitteln finanziert wird, und ein solches Programmspektrum im Bereich der populären Musik anbietet.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Die Popakademie als Hochschuleinrichtung

2.1.1 Erfolgreicher Studienbetrieb

Die Popakademie hat ihre Aufgabe in Studium und Lehre in den zwölf Jahren ihres Bestehens als Hochschuleinrichtung gut erfüllt. Das Angebot an Plätzen für Studienanfänger hat sich konsolidiert und orientiert sich an der Ausstattung und der Leistungsfähigkeit der Akademie. Die von der Popakademie angebotenen Studienplätze werden Jahr für Jahr gut nachgefragt - die Akademie kann sich ihre Studierenden sorgfältig auswählen.

Wie eine Umfrage unter den Absolventen ergeben hat, finden die Absolventen der Popakademie in der Regel schnell einen adäquaten Arbeitsplatz in der Musikbranche. Erfolgsfaktoren sind ein stark an den praktischen Bedürfnissen der Branche orientierter Studienplan und eine enge Vernetzung zwischen Studierenden, Lehrenden und den in der populären Musik engagierten Unternehmen und Künstlern. Im Unterschied zu den Musikhochschulen kommt auch in den künstlerischen Studiengängen die wirtschaftliche Seite des Musikgewerbes nicht zu kurz.

Mit weniger als 35.000 Euro Ausgaben (inklusive Mietkosten) kostet ein Absolvent eines Bachelorstudiengangs die öffentliche Hand weniger als die Hälfte eines an einer Staatlichen Musikhochschule ausgebildeten Musikers. Der wichtigste Grund für die vergleichsweise geringeren Kosten ist der überproportional hohe Anteil an Lehrbeauftragten im Vergleich zu den wenigen hauptamtlich Lehrenden.

2.1.2 Innere Struktur

Die auf die Person der Geschäftsführer zugeschnittene hierarchische Struktur der Akademie als GmbH entspricht nicht den Vorstellungen, die das Landeshochschulgesetz der Struktur einer künstlerischen Hochschule zugrunde legt.

Es fehlt an einem in den laufenden Hochschulbetrieb maßgeblich eingebundenen Kollegialorgan, das im künstlerischen und wissenschaftlichen Bereich die Richtlinien der Akademie bestimmt und die beiden (einem Rektor vergleichbaren) Geschäftsführer wirksam kontrolliert.

Nach den Feststellungen des Rechnungshofs beschränkt sich der Aufsichtsrat der GmbH im Wesentlichen auf die rechtliche und ökonomische Steuerung der Akademie.

2.2 Die Popakademie als Kompetenzzentrum

Kritisch sieht der Rechnungshof diverse Aktivitäten, die die Popakademie mit zunehmender Tendenz im Unternehmensbereich „Kompetenzzentrum für die Musikwirtschaft“ entfaltet. Diese Aktivitäten passen nicht alle zur strategischen Ausrichtung der Akademie und verursachen insgesamt ein jährliches Defizit von mehr als 500.000 Euro. Ein Konzept, das Art und Inhalt der angebotenen Leistungen auch unter wirtschaftlichen Aspekten priorisiert, existiert bislang nicht.

2.2.1 Strategiedefizite

Der Rechnungshof konnte keine durchgehende Strategie bei der Auswahl jener Programme und Projekte erkennen, in denen sich die Popakademie zum Teil mit erheblichem Aufwand engagiert.

Nachvollziehbar sind jene Programme, mit denen sich die Akademie - etwa an den Schulen der Region - um ihren Nachwuchs bemüht und dabei Wissenstransfer im Bereich der populären Musik in die Schulen ermöglicht. Ebenso passt die von der Popakademie betriebene Künstleragentur zum Konzept der engen Vernetzung zwischen den Studierenden bzw. Absolventen und der Musikwirtschaft.

Strategisch fragwürdig und nur „historisch" zu rechtfertigen ist das Programm RegioNet, mit dem die Popakademie popkulturelle Zentren für das Land fördert. Hier nimmt die Akademie eine Aufgabe der regionalen Kulturförderung wahr, die mit der Aufgabe als Hochschule keinerlei Zusammenhang aufweist.

2.2.2 Wirtschaftliche Defizite

Eine Reihe von Programmen und Projekten, die die Popakademie als Kompetenzzentrum betreibt, verursacht einen erheblichen Zuschussbedarf, den die Akademie aus ihrer finanziellen Grundausstattung decken muss. Zum Teil beruhen diese Defizite auf zu hohen Projektausgaben, zum Teil darauf, dass Einnahmemöglichkeiten nicht ausgeschöpft wurden.

So hat der Rechnungshof festgestellt, dass beim Projekt Musikvermittlung über Bedarf personelle Ressourcen eingesetzt werden.

Im Bereich der Weiterbildung und beim Projekt Bandpool erbringt die Popakademie hochwertige Lehrleistungen an Außenstehende, ohne dafür kostendeckende Gebühren zu erheben. Beim Projekt Bandpool geht es um ein Coaching von Bands sowohl im künstlerischen als auch im wirtschaftlichen Bereich mit beachtlichen Erfolgen. Soweit sich solche Gebühren aufgrund der aktuellen finanziellen Leistungsfähigkeit der Teilnehmer nicht realisieren lassen, könnten erfolgsabhängige nachlaufende Gebühren erhoben werden. Dadurch würde die Popakademie finanziell an den Erfolgen der von ihr gecoachten Musikgruppen und Künstler partizipieren.

Die im Kompetenzzentrum erwirtschafteten Defizite trugen in den letzten Jahren maßgeblich dazu bei, dass der Haushalt der Popakademie nicht ausgeglichen werden konnte und entweder auf Rücklagen oder auf eine Zusatzzahlung des Landes als Hauptgesellschafter zurückgegriffen werden musste.

In einem Fall, der sich über mehrere Jahre erstreckte, wurden zum Ausgleich des Defizits der Popakademie Projekt-Fördermittel des Landes entgegen dem Zuwendungszweck verwendet. Der Rechnungshof hat das Ministerium aufgefordert, diese Fördermittel von 64.000 Euro von der Popakademie zurückzufordern. In einem anderen Fall hat die Popakademie Ausgaben, die vom Land im Rahmen der institutionellen Förderung bereits finanziert waren, unzulässig als förderfähige Projektkosten abgerechnet.

2.3 Rechtliche Struktur der Popakademie

Die Entscheidung, die Popakademie als GmbH mit mehreren Gesellschaftern zu konstituieren, war ursprünglich von der Absicht getragen, eine nachhaltige Zusammenarbeit im Sinne einer Public-Private-Partnership zu etablieren.

Diese Erwartung hat sich nicht nachhaltig erfüllt. Die beiden privaten Gesellschafter sind in den letzten Jahren aus der GmbH ausgeschieden, neue private Gesellschafter konnten nicht gewonnen werden. Der öffentlich-rechtliche Partner Südwestrundfunk erfüllt seit Jahren seine Leistungsverpflichtungen unzureichend, die versprochenen Gesellschafterbeiträge wurden trotz Anforderung nicht vollständig erbracht.

Für die Beteiligung der Stadt Mannheim als Sitzstadt an den laufenden Kosten der Akademie ist eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung nicht erforderlich - die Beteiligung von Sitzstädten an den Kosten ihrer Hochschulreinrichtungen ist anderenorts auch ohne gemeinsame Gesellschaft möglich.

Auch das in den Akten der Akademie dokumentierte Maß an Kooperation zwischen den Gesellschaftern übersteigt das an anderen Hochschulen übliche Maß der Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Kooperationspartnern nicht.

Es erscheint vor diesem Hintergrund zweifelhaft, ob die Rechtsform einer GmbH geeignet und erforderlich ist, um eine solche Hochschuleinrichtung zu betreiben. Bedenklich ist in jedem Fall, dass die Mehrheitsverhältnisse im Aufsichtsrat sich nicht am Maß der finanziellen Verantwortung der Gesellschafter für den laufenden Betrieb der Hochschule orientieren.

Die Rechtsform als GmbH könnte zudem bei einer künftigen Evaluation durch den Wissenschaftsrat Probleme bereiten.

2.4 Unselbstständige Popakademie-Stiftung

Aus steuerlichen Gründen wurde vor einigen Jahren eine rechtlich unselbstständige Stiftung mit dem Namen „Popakademie-Stiftung" gegründet.

Ihre Aufgabe ist es, Fördermittel des Landes, die dem strengen Regime steuerlicher Gemeinnützigkeit unterliegen, zu empfangen und gemeinnützig zu verwenden. Als gemeinnützig wurde vor allem der Bereich der Lehre definiert, während die wirtschaftsnahe Betätigung des Kompetenzzentrums eine steuerrechtliche „Infektionsgefahr" barg.

Dieser - aus steuerrechtlichen Gründen gewählte - Weg hat sich in der Praxis als verwaltungsaufwendig und gleichwohl fehleranfällig erwiesen, weshalb die Geschäftsführer seit einiger Zeit die Auflösung der Stiftung anstreben, freilich ohne dabei die Steuervorteile aufs Spiel zu setzen.

2.5 Fazit

Die Popakademie erfüllt ihre Kernaufgaben der akademischen Ausbildung von Künstlern und Betriebswirten für den Sektor der populären Musik mit Erfolg. Obwohl sie mit nur 323 Studierenden zu den kleinsten Einrichtungen der baden-württembergischen Hochschullandschaft gehört, sollte sie als selbstständige Einrichtung mit ihrem deutschlandweit einmaligen Profil erhalten bleiben. Die gelegentlich diskutierte Fusion mit einer anderen Hochschule (z. B. der Musikhochschule Mannheim) würde einen Anpassungsprozess induzieren, bei dem Strategie, Erfolg und Wirtschaftlichkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit auf der Strecke blieben.

3 Empfehlungen

3.1 Popakademie als selbstständige Einrichtung erhalten

Die Popakademie sollte als selbstständige Einrichtung erhalten bleiben. Sie sollte in eine öffentlich-rechtliche Einrichtung (Anstalt bzw. Körperschaft des öffentlichen Rechts) umgewandelt und den Regelungen des Landeshochschulgesetzes unterstellt werden. Die interne Willensbildung könnte damit hochschultypischer ausgestaltet, die institutionelle Stabilität auch beim anstehenden Generationswechsel besser garantiert werden.

Die finanziellen Beiträge und Sachleistungen der Stadt Mannheim, des Südwestrundfunks und der Landesanstalt für Kommunikation sind über Kooperationsverträge zu sichern. Es ist nicht ungewöhnlich, dass sich öffentlich-rechtliche Einrichtungen oder Kommunen an den Kosten einer Hochschule beteiligen. Auch die bisher praktizierte finanzielle Beteiligung beruht nicht auf der Stellung der Partner als Gesellschafter, sondern auf einer im Fünf-Jahres-Rhythmus ausgehandelten selbstständigen Leistungsvereinbarung. Die mit der finanziellen Beteiligung regelmäßig verbundene Erwartung einer Einbindung in die Führung und Steuerung der Akademie könnte im Falle der Umwandlung in eine Hochschule durch eine Beteiligung der Stadt, des Südwestrundfunks und der Landesanstalt für Kommunikation am Hochschulrat gewährleistet werden.

3.2 Einsparpotenziale beim Kompetenzzentrum realisieren

Die Aufgaben, die die Popakademie jenseits der Bachelor- und Master-Ausbildung wahrnimmt, sollten auf der Grundlage eines expliziten Konzepts auf das notwendige Mindestmaß reduziert werden.

Bei der Übernahme und Erfüllung ausbildungsfremder Aufgaben sind wirtschaftliche Gesichtspunkte stärker zu beachten. Insbesondere sind angemessene Entgelte für Leistungen an akademiefremde Kunden zu erheben.

Der Personalaufwand für die anfallenden Aufgaben ist auf das notwendige Maß zu reduzieren.

3.3 Gesellschafterbeiträge einfordern

Das Land muss darauf bestehen, dass die anderen Gesellschafter ihre vertraglich versprochenen Leistungen vollständig erbringen. Anstelle nicht realisierbarer oder in der Vergangenheit nicht erbrachter Sachleistungen müssen Geldleistungen treten.

3.4 Stiftung auflösen

Die nicht immer effektive und unnötig verwaltungsaufwendige unselbstständige Popakademie-Stiftung sollte aufgelöst werden. Im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Organisationsform kann die steuerunschädliche Verwendung der seinerzeit zugewendeten Fördermittel auch ohne Stiftung gewährleistet werden.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft hat im Einvernehmen mit dem Wissenschaftsministerium wie folgt Stellung genommen:

Die Popakademie habe sich seit ihrer Gründung zu einem echten Erfolgsmodell entwickelt. Die Rechtsform der GmbH sei dabei ein wesentlicher Faktor ihres Erfolgs. Sie biete einerseits flexible Strukturen und ermögliche, sehr kostengünstig zu arbeiten. Zudem sei sie die geeignetste Form, verschiedene Akteure institutionell einzubeziehen und auch an der Finanzierung zu beteiligen. Über Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung sei sichergestellt, dass alle hochschulrelevanten Vorgaben eingehalten und gegebenenfalls verändert werden können.

Mit der Einbindung der Stadt Mannheim, des Südwestrundfunks sowie der Landesanstalt für Kommunikation als Gesellschafter sei es gelungen, die Kosten auf mehrere Träger zu verteilen. Es bestehe ein erhebliches Risiko, dass im Falle einer Umwandlung und damit einhergehend des Verlustes der Gesellschafterstellung sich die bisherigen Partner nicht länger finanziell engagieren werden. Dann müsste das Land als einziger Träger der Anstalt einspringen und jährlich über 1 Mio. Euro mehr aus dem Landeshaushalt für die Popakademie zur Verfügung stellen. Aus den vorgenannten Gründen werde an der bestehenden Rechtsform festgehalten.

Das Ministerium sagt zu, verstärkt darauf hinzuwirken, dass alle Gesellschafter ihre vereinbarten Leistungen vollumfänglich und auch fristgerecht erbringen. Das Land werde auch darauf drängen, dass die Sitzverteilung im Aufsichtsrat entsprechend den geänderten Rahmenbedingungen zugunsten des Landes angepasst werde.

Es sei zwar auch ein Anliegen des Landes, die innerhalb der GmbH bestehende unselbstständige Stiftung aufzulösen. Eine intensive rechtliche Prüfung habe jedoch erhebliche steuerliche Risiken zutage gefördert, sodass es derzeit eher unwahrscheinlich erscheine, dass die Stiftung aufgelöst werden könne.

Die Popakademie sei nicht nur als hochschulähnliche Einrichtung geschaffen worden, sondern habe bewusst auch Aufgaben als Kompetenzzentrum und damit auch als Beratungs- und Vermittlungsstelle in Baden-Württemberg. Sie agiere im Rahmen des RegioNet nicht ausschließlich als finanzielle Verteilungsstelle, sondern vor allem als Ratgeber und Vermittler für Landkreise und Städte. Daher spreche sich das Land nachdrücklich dafür aus, die Aktivitäten im Rahmen des RegioNet wie bisher beizubehalten.

Das Wissenschaftsministerium werde die Popakademie auffordern, ein Konzept für die Tätigkeiten im Bereich der Weiterbildung und als Kompetenzzentrum vorzulegen. Darin sollen neben der fachlichen Expertise für den Popkulturstandort Baden-Württemberg auch wirtschaftliche Belange berücksichtigt werden. Die Aufgabe der Popakademie, als Kompetenzzentrum ins Land hineinzuwirken, stehe für das Ministerium gleichwertig neben dem Studienbetrieb.

Das Verfahren zur Rückforderung der Fördermittel von 64.000 Euro sei bereits vom Wissenschaftsministerium eingeleitet worden.

5 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof verkennt nicht, dass eine Umwandlung der Popakademie in eine öffentlich-rechtliche Einrichtung nur in enger Abstimmung mit den öffentlich-rechtlichen Partnern Stadt Mannheim, Südwestrundfunk und Landesanstalt für Kommunikation erfolgen kann. Es ist allerdings nicht ersichtlich, warum die Stadt Mannheim ihre Beteiligung an den Kosten der Akademie zurückfahren soll, wenn sie durch die Umwandlung Sitz einer weiteren (kleinen) Hochschule für populäre Musik wird. Ähnliches gilt für Südwestrundfunk und Landesanstalt für Kommunikation, denen nicht verboten ist, Drittmittel für eine Hochschule mit Kompetenzzentrum zur Verfügung zu stellen. Da die Vorteile einer Umwandlung überwiegen, sollte das Land Verhandlungen mit den öffentlich-rechtlichen Partnern aufnehmen.

Der Rechnungshof bleibt bei seiner Auffassung, dass die Stiftung steuerunschädlich aufgelöst werden kann. Gegebenenfalls sollte das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft eine verbindliche Auskunft des zuständigen Finanzamts herbeiführen.


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Die Schlossfestspiele Ettlingen sind ein gut organisiertes kommunales Theaterfestival, dessen Ausstrahlung eine Beteiligung des Landes im bewährten Umfang rechtfertigt.

Die Ludwigsburger Schlossfestspiele sind als Internationale Landesfestspiele definiert und erhalten deshalb eine sehr hohe Landesförderung. Da der damit verbundene Anspruch in den letzten Jahren nicht mehr erfüllt werden konnte, sollte der Zuschuss des Landes auf 20 Prozent der Ausgaben gesenkt werden.


1 Ausgangslage

Baden-Württemberg verfügt über ein breit gefächertes und abwechslungsreiches Kulturangebot. Die ganzjährig tätigen Kultureinrichtungen, wie z. B. die professionellen Theater und Orchester, werden durch saisonal arbeitende Theater- und Musikfestspiele ergänzt. Das Land fördert derzeit 16 Theaterfestspiele institutionell sowie etliche Musikfestspiele.

Der Rechnungshof hat 2013 aus dem Kreis der vom Land institutionell geförderten Festspiele die Schlossfestspiele Ettlingen und die Ludwigsburger Schlossfestspiele geprüft. Betrachtet wurde der Prüfungszeitraum 2007 bis 2012.

Die Schlossfestspiele Ettlingen sind eine Veranstaltung der Stadt Ettlingen und werden als kommunaler Regiebetrieb geführt. Sie bieten jedes Jahr als Hauptinszenierungen ein Schauspiel, ein Musical und ein Kinderstück an. Wichtigste Aufführungsstätte ist der Schlosshof in Ettlingen. Die Schlossfestspiele wurden 1979 von Kurt Müller-Graf und Erwin Vetter gegründet und finden seither jährlich ihr Publikum, das weit überwiegend aus der Stadt Ettlingen und der Region Karlsruhe kommt.

Die Ludwigsburger Schlossfestspiele werden in der Rechtsform einer gGmbH geführt. Gesellschafter ist ein von der Stadt Ludwigsburg ins Leben gerufener eingetragener Verein. Die Schlossfestspiele verfügen für die Dauer ihrer Saison (Mai bis Juli, teilweise darüber hinaus) über ein eigenes Ensemble (Chor und Orchester). Sie veranstalten überwiegend Konzerte, in geringerem Umfang auch Opern-, Tanz- und Schauspielaufführungen. Die Ludwigsburger Schlossfestspiele wurden 1932 von Wilhelm Krämer als „Ludwigsburger Schlosskonzerte“ gegründet. Die Bezeichnung „Ludwigsburger Schlossfestspiele“ etablierte sich 1966.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Allgemeine Feststellungen

Der Landesförderung der Festspiele liegt keine einheitliche Förderstruktur zugrunde. Es gibt Festspiele, die in die Landesförderung aufgenommen wurden, bevor das Land Förderkriterien festlegte. Bei der Aufnahme der Schlossfestspiele Ettlingen in die Landesförderung wurde die Höhe der Zuwendungen zunächst an die Zuschüsse der Burgfestspiele Jagsthausen und der Freilichtspiele Schwäbisch Hall angepasst.

Später wurde der Landesförderung der Festspiele regelmäßig das Verhältnis 2 zu 1 (Kommune : Land) zugrunde gelegt. Dabei orientierte sich das Land, wie sich aus den Akten des Ministeriums ergibt, an den Regeln der Kleintheaterförderung (2 zu 1).

2.2 Feststellungen zu den Schlossfestspielen Ettlingen

Die durchschnittlichen Besucherzahlen bei den Schlossfestspielen Ettlingen lagen im geprüften Zeitraum bei 34.300 jährlich. Mit Ausnahme eines Jahres, in dem die Festspiele unter Baumaßnahmen im Schloss zu leiden hatten, waren die Zuschauerzahlen im Wesentlichen konstant.

Im Durchschnitt der geprüften Jahre kommen die Ettlinger Schlossfestspiele auf 109 Veranstaltungen.

Die Zuschauerresonanz der Festspiele beschränkt sich auf die Stadt Ettlingen und die Region Karlsruhe - Zuschauer, die aus anderen Regionen nach Ettlingen kommen, sind eher die Ausnahme.

Die Organisation der Festspiele ist sparsam und effizient. Technische und Verwaltungsaufgaben werden (wenn auch teilweise gegen innere Verrechnung) von den zuständigen Ämtern der Stadt Ettlingen wahrgenommen, die Festspiele selbst sind als Abteilung dem Kultur- und Sportamt zugeordnet. Der Intendant wird von der Stadt Ettlingen auf der Grundlage eines mehrjährigen Honorarvertrags beschäftigt - er leitet nicht nur die Festspiele, sondern inszeniert auch jedes Jahr mindestens eines der Stücke. Die Sänger und Schauspieler werden von der Stadt Ettlingen befristet angestellt bzw. auf Honorarbasis beschäftigt. Die Organisation der Schlossfestspiele als kommunaler Regiebetrieb hat sich auch aus Sicht des Rechnungshofs bewährt und vermeidet aufwendige Doppelstrukturen.

2012 verursachten die Schlossfestspiele Ausgaben von 1,4 Mio. Euro. Davon erwirtschafteten sie einen beachtlichen Eigenfinanzierungsanteil von 50,9 Prozent. Den nach Abzug der eigenen Einnahmen verbleibenden Finanzierungsbedarf von 682.000 Euro teilen sich die Stadt Ettlingen und zum kleineren Teil das Land Baden-Württemberg. Das Land wendete den Schlossfestspielen 115.900 Euro zu. Diese Summe entspricht etwa einem Sechstel des durch Eigeneinnahmen nicht gedeckten Finanzbedarfs.

Das Verhältnis der Förderung durch die Stadt und das Land ist aus der Sicht des Rechnungshofs nicht zu beanstanden. 2012 betrugen die Landeszuschüsse 1.125 Euro je Veranstaltung und 3,10 Euro je Besucher.

2.3 Ludwigsburger Schlossfestspiele

Die Leitung der Ludwigsburger Schlossfestspiele hat sich zum Ziel gesetzt, Jahr für Jahr ein künstlerisch anspruchsvolles Programm häufig mit individuell konzipierten Veranstaltungen anzubieten. Sie greift dabei weniger als ihre nationale Konkurrenz auf Standardangebote des Musikmarktes zurück.

Gleichwohl sind die Veranstaltungs- und Besucherzahlen in Ludwigsburg im Untersuchungszeitraum rückläufig. Von 2007 bis 2009 erreichten sie mit jährlich durchschnittlich 89 Veranstaltungen rund 43.300 Besucher. Von 2010 bis 2012 waren es noch durchschnittlich 67 Veranstaltungen mit 29.100 Besuchern im Jahr. Weitaus höhere Besucherzahlen hatten die Schlossfestspiele einige Jahre zuvor erreicht. 1996 und 1998 hatten 55.761 bzw. 65.000 Zuschauer die Veranstaltungen der Schlossfestspiele besucht. Nach Mitteilung des Geschäftsführers sind die Besucherzahlen 2013 und 2014 wieder leicht angestiegen und erreichen die Marke von 35.000 Besuchern.

Von 2007 bis 2014 sind die Gesamtausgaben von 4,458 Mio. Euro (2007) auf 3,827 Mio. Euro (2014) gesunken, während parallel die institutionelle Förderung des Landes von 0,831 Mio. Euro (2007) auf 0,854 Mio. Euro (2014) gestiegen ist. Dazu kommt ein jährlicher Mietverzicht von 30.600 Euro.

Durch eigene Einnahmen konnten die Ludwigsburger Schlossfestspiele im Prüfungszeitraum bemerkenswerte 55,5 Prozent ihrer Ausgaben decken. Ursächlich dafür sind nicht nur die dem künstlerischen Wert angemessenen Eintrittsgelder in beachtlicher Höhe, sondern auch ein hoher Anteil an Einnahmen aus Spenden und Sponsoring (Jahresdurchschnitt 18,5 Prozent).

Aufgrund ihrer Widmung zu „Landesfestspielen" erhalten die Ludwigsburger Schlossfestspiele eine im Vergleich zu anderen Festspielen erhöhte Förderung. Das Land einerseits, Stadt und Landkreis Ludwigsburg andererseits beteiligen sich zu gleichen Teilen (1 zu 1) an dem Jahr für Jahr entstehenden Defizit. Bemerkenswert ist, dass in 2007 bis 2012 das Land den Schlossfestspielen insgesamt sogar 368.000 Euro mehr zuwendete als die Stadt und der Landkreis Ludwigsburg zusammen.

Das Land gewährte 2012 Zuschüsse von 13.300 Euro je Veranstaltung und von 30,18 Euro je Besucher. Rechnet man die kommunalen Zuschüsse hinzu, ergeben sich Gesamtzuschüsse von 26.695 Euro je Veranstaltung und von 60,58 Euro je Besucher.

Die Ludwigsburger Schlossfestspiele boten durchschnittlich sechs Siebtel ihrer Veranstaltungen in der Stadt Ludwigsburg an und erreichten damit durchschnittlich mehr als 90 Prozent ihrer Zuschauer vor Ort. Annähernd 50 Prozent der Besucher wohnen in unmittelbarer Nähe zum Sitz der Festspiele in Stadt und Landkreis Ludwigsburg. Eine Erhebung der Schlossfestspiele ergab, dass weitere 29 Prozent der Zuschauer aus der Stadt und der Region Stuttgart kommen. Die Ludwigsburger Schlossfestspiele sind nach Veranstaltungsorten und der Besucherstruktur mithin eher eine kommunale und regionale Veranstaltung (geworden).

Die 1980 intendierte überregionale und internationale Ausstrahlung kommt zwar - wie die Geschäftsführung und das Ministerium darlegen - in der Berichterstattung und auch in der Wiedergabe in überregionalen Medien zum Ausdruck. Besucherzahl und -struktur spiegeln die nationale und internationale Ausstrahlung nur eingeschränkt wider. Früher praktizierte Abstecher in andere Länder und ins Ausland finden seit 2007 (Ausnahme Gastspiel in Frankreich 2011) fast nicht mehr statt. Eine Funktion als kultureller Botschafter des Landes kommt den Ludwigsburger Schlossfestspielen nach den aktuellen Verhältnissen nicht (mehr) zu.

Bei der Prüfung zeigten sich auf der Ausgabenseite vereinzelte Wirtschaftlichkeitspotenziale: So stellte der Rechnungshof fest, dass die Leitung der Festspiele und die Dramaturgie zu viel Personalressourcen in Anspruch nahmen. Zweifelhaft ist auch, ob die gestufte Organisation Stadt Ludwigsburg - Trägerverein - gGmbH wirklich das organisatorische Optimum darstellt.

Im Bereich Marketing/Öffentlichkeitsarbeit galt die Kritik des Rechnungshofs dem Verhältnis zwischen einem hohen Ressourceneinsatz und einer in manchen Jahren bescheidenen Wirkung.

3 Bewertung und Empfehlungen

3.1 Allgemein

Die Struktur der Förderung der Festspiele ist nicht nur uneinheitlich, sondern auch nicht an allen Stellen transparent und nachvollziehbar.

Der Rechnungshof empfiehlt dem Wissenschaftsministerium zu prüfen, ob die Parameter der Förderung in einer Richtlinie nachvollziehbar und unter Vermeidung von hohem Abrechnungsaufwand geregelt werden können.

3.2 Schlossfestspiele Ettlingen

Die Schlossfestspiele Ettlingen sind sparsam und effizient organisiert, erreichen nachhaltig ihr Publikum und bieten eine solide Perspektive für die kommenden Jahre.

Die Höhe des kommunalen und des Landeszuschusses je Besucher (zusammen rund 18 Euro) zeigt, dass die Schlossfestspiele mit überschaubarem Aufwand eine beachtliche Ausstrahlung erzielen.

Der Rechnungshof empfiehlt,

  • die Öffentlichkeitsarbeit und das Marketing (auch über die Region hinaus) zu intensivieren, um eine noch bessere Auslastung der Veranstaltungen zu erreichen,

 

  • die Eintrittspreise regelmäßig angemessen zu erhöhen und

 

  • die Landesförderung der Schlossfestspiele Ettlingen im bewährten Umfang beizubehalten.

Möglicherweise ist auch das Potenzial an Einnahmen aus Sponsoring und Spenden noch nicht ausgeschöpft und lohnt weitere Anstrengungen.

3.3 Ludwigsburger Schlossfestspiele

Die in der Prüfungsmitteilung des Rechnungshofs empfohlenen Verbesserungen auf der Ausgabenseite wurden von der Geschäftsführung der Schlossfestspiele aufgegriffen. Die Doppelstruktur in Intendanz und Geschäftsführung wurde mittlerweile aufgehoben, Marketing und Öffentlichkeitsarbeit neu organisiert.

Nach wie vor ungelöst ist das Problem, dass die Besucherzahlen und die Resonanz noch immer deutlich hinter den Zahlen der letzten Jahrzehnte zurückbleiben. Offenbar haben sich die Zahlen in den letzten beiden Jahren verbessert, es bleibt aber auch danach eine spürbare Differenz zu früheren Erfolgen.

Bemerkenswert hoch ist in Ludwigsburg nach wie vor der Ertrag aus Spenden und Sponsoring.

Der hohe Gesamtzuschuss je Besucher von rund 60 Euro, mag er auch seit Abschluss der Prüfung des Rechnungshofs leicht gesunken sein, zeigt, dass die Festspiele sich weiter um eine Verbesserung ihrer Attraktivität und Ausstrahlung bemühen müssen.

Der Rechnungshof empfiehlt den Ludwigsburger Schlossfestspielen,

  • die im Vergleich zu anderen Kultureinrichtungen erfolgreichen Aktivitäten auf dem Gebiet der Spendenwerbung und des Sponsorings fortzuführen und weitere (von der Geschäftsführung selbst benannte) Potenziale auszuschöpfen und

 

  • die auf den Weg gebrachten Verbesserungen der Effektivität des Marketings weiterzuführen. Möglicherweise muss dazu auch das künstlerische Profil geschärft werden.

Dem Wissenschaftsministerium empfiehlt der Rechnungshof,

  • die Förderung der Ludwigsburger Schlossfestspiele in Würdigung des eigenen Ensembles und der aufwendigen Spielorte in der Stadt Ludwigsburg an dem Fördermodus der Kommunaltheater zu orientieren (Land: 40 Prozent des Abmangels und Stadt und Landkreis: 60 Prozent des Abmangels) und

 

  • bei der Festsetzung der jährlichen Zuwendung von einem festen Eigenfinanzierungsanteil der Schlossfestspiele von 50 Prozent auszugehen.

Damit trüge das Land einerseits der Tatsache Rechnung, dass der Einzugsbereich der Besucher der Ludwigsburger Schlossfestspiele heute im Wesentlichen lokal und regional begrenzt ist. Andererseits honorierte es die erfolgreichen Anstrengungen im Einwerben von Mitteln aus Spenden und Sponsoring, die über den fingierten Anteil hinaus wirtschaftlich in vollem Umfang den Festspielen verblieben und sich nicht zuschussmindernd auswirkten.

Eine Hochrechnung des Rechnungshofs auf Basis einer jährlichen Ausgabensteigerung von 2 Prozent ergibt, dass dieser neue Fördermodus bei realistisch angenommenen Gesamtausgaben von 4 Mio. Euro jährlich im Jahr 2020 zu einem gegenüber 2014 um 54.500 Euro reduzierten Landeszuschuss von 800.000 Euro führen würde.

Geschäftsgrundlage der künftigen Förderung sollte allerdings sein, dass in einer Zielvereinbarung zwischen Land und der Festspiel-GmbH eine Besucherzahl von jährlich 40.000 vereinbart wird. In 2007 bis 2009 erreichten die Schlossfestspiele deutlich über 40.000 Besucher. Daran sollte die Zielvereinbarung anknüpfen.

Sollte es den Schlossfestspielen gelingen, wieder eine internationale Ausstrahlung zu erzielen, was sich in deutlich höheren Besucherzahlen und einer veränderten Besucherstruktur, Veranstaltungen auch außerhalb Baden-Württembergs und im Ausland und in lebendigen Partnerschaften mit ausländischen kulturellen Institutionen manifestiert, dann könnte über eine erneute Förderquote von 25 Prozent der Gesamtausgaben nachgedacht werden.

4 Stellungnahmen

4.1 Stadt Ettlingen

Die Stadt Ettlingen teilt mit, dass sie die Empfehlungen des Rechnungshofs teilweise umgesetzt habe. Beispielsweise habe sie die Eintrittspreise in der Spielzeit 2015 um rund 10 Prozent für das Musical und das Schauspiel erhöht. Bei den Hauptproduktionen habe sie die Eintrittspreise in den letzten Jahren regelmäßig erhöht. Für 2016 sei die nächste Erhöhung angedacht. Die Beibehaltung der Rechtsform als Regiebetrieb der Stadt liege auch im Interesse der Stadt Ettlingen.

Der Landeszuschuss je Besucher sei mit 3,10 Euro im Vergleich zu allen anderen Theatern in Deutschland extrem niedrig. Daher bestehe hier Verbesserungsbedarf.

Die Stadt Ettlingen sieht die Schlossfestspiele Ettlingen hinsichtlich der Ausstrahlung und der Außenwirkung vergleichbar mit den Ludwigsburger Schlossfestspielen. 23 Prozent der Besucher kämen überregional aus einem Umkreis von über 70 km, davon rund 2,4 Prozent aus dem Ausland. Der regionale Einzugsbereich überwiege mit rund 77 Prozent. Sie stelle daher die Frage, ob die Schlossfestspiele eine gleichwertige Landesförderung wie die Ludwigsburger Schlossfestspiele erhalten müssten.

Eine Intensivierung der Öffentlichkeitsarbeit und des Marketings könne nur durch einen höheren und qualifizierten Personaleinsatz erreicht werden. Dies müsse aufgrund der anfallenden Personalkosten geprüft werden. Ein höheres Potenzial an Spenden und Sponsoring sei kaum umsetzbar.

4.2 Ludwigsburger Schlossfestspiele gGmbH

Die Ludwigsburger Schlossfestspiele führen an, dass ihr zentraler Spielort immer Ludwigsburg mit dem barocken Residenzschloss gewesen sei. Es sei nicht als landesweites „Flächenfestival“ nach dem Vorbild des Schleswig-Holstein-Musikfestivals entwickelt worden.

Das Verhältnis von Veranstaltungen in und außerhalb von Ludwigsburg sei seit der Ernennung zu Landesfestspielen stabil. Der Rechnungshof beurteile die Schlossfestspiele als eine kommunale und regionale Veranstaltung auf der Basis einer aktuellen Besucheranalyse. Der vermutete Wandel der Besucherstruktur sei lediglich Spekulation. In den kommenden Jahren seien weitere Gastspiele im Ausland vorgesehen. Koproduktionen und Auftragswerke der Schlossfestspiele seien nicht berücksichtigt worden. Diese seien deutschland- und weltweit zu sehen gewesen. Damit erreichten die Schlossfestspiele ein breites internationales Publikum, erzielten internationale Aufmerksamkeit und erfüllten so nachhaltig die Rolle als kultureller Botschafter von Stadt, Region und Land. Im Verständnis der Ludwigsburger Schlossfestspiele bedeute der Begriff der „Internationalen Festspiele“ nicht ausschließlich die Präsenz der Festspiele im Ausland, sondern auch, dass internationale Künstler und Produktionen in Ludwigsburg zu erleben seien. Dies entspreche dem Gedanken einer Festspielstadt, in der „die Welt zu Gast ist“.

Bei der Bewertung der Besucherzahlen sei zu berücksichtigen, dass insbesondere die Festivallandschaft in den letzten Jahren einem starken Wandel unterlegen sei und sich die Konkurrenzsituation verstärkt habe. Ebenso hätten die Schlossfestspiele aufgrund des Intendantenwechsels eine neue programmatische Ausrichtung erhalten. Ziel sei, dem Festival eine wahrnehmbare künstlerische Kontur zu verleihen und es als Marke nachhaltig neu zu positionieren. Ein Besucherrückgang in der Folge sei nicht ungewöhnlich.

Das aktuelle künstlerische Konzept habe sich inzwischen etabliert. Dies würden die aktuellen Besucherzahlen belegen. Das heute geringere Durchschnittsalter der Besucher sei für die künftige Entwicklung der Publikumsstruktur besonders wichtig. Eine Zielvereinbarung mit 40.000 Besuchern sei nur mit einer höheren Zahl an Veranstaltungen und höheren Zuschüssen erreichbar.

4.3 Stadt Ludwigsburg

Die Stadt Ludwigsburg hat im Rahmen der Stellungnahme der Ludwigsburger Schlossfestspiele Stellung genommen.

Sie vertritt die Ansicht, dass das finanzielle Volumen der Landesförderung der Ludwigsburger Schlossfestspiele im Vergleich zur Förderung der Spitzenkultur in den anderen zehn großen Städten des Landes vertretbar sei. Der Zuschuss habe sich mit Blick auf die Lohnentwicklung der letzten zehn Jahre relativ sogar vermindert. Diskutiert werden solle eher eine Anpassung der Zuschüsse nach oben.

4.4 Wissenschaftsministerium

Das Wissenschaftsministerium teilt mit, dass es die Förderung der Schlossfestspiele Ettlingen mit einer leichten Steigerung im bewährten Umfang fortsetzen werde.

Die Empfehlungen zur künftigen Förderung der Ludwigsburger Schlossfestspiele gefährdeten nach seiner Ansicht die Schlossfestspiele existenziell. Um weiterhin herausragende künstlerische Produktionen mit überregionaler Ausstrahlung zu ermöglichen, halte es Landeszuschüsse in der bisherigen Höhe von 854.500 Euro für sinnvoll.

Die Ausstrahlungskraft eines Festivals dürfe nicht nur an der Zahl der Besucher und ihrer geografischen Herkunft gemessen werden. Es müsse insbesondere die öffentliche Wahrnehmung eines Festivals in der Presse und Öffentlichkeit berücksichtigt werden. „Internationale Festspiele“ bedeute, dass die besten Ensembles und Künstler der Welt zu Gast seien und das Programm internationale künstlerische Entwicklungen reflektiere.

Es sei bei Festivals nicht unüblich, dass die Zahl der Besucher vorübergehend sinke, wenn ein Festival durch einen Intendantenwechsel ein neues Profil erhalte. Dies sei bei den Schlossfestspielen mit Beginn der aktuellen Intendanz der Fall gewesen. Die Schlossfestspiele seien bei der Gewinnung neuen Publikums zuletzt sehr erfolgreich gewesen. Die Besucherzahlen seien 2014 auf über 35.000 angestiegen. Für 2015 sei mit einer weiteren Steigerung zu rechnen.

5 Schlussbemerkung

Die Empfehlung des Rechnungshofs zur künftigen Förderung der Ludwigsburger Schlossfestspiele führt ausgehend von der Förderung 2014 zu einer Reduzierung der Landeszuschüsse um rund 6,4 Prozent auf 800.000 Euro jährlich. Diese Differenz kann allein durch die bereits umgesetzten Empfehlungen zur Leitungsstruktur kompensiert werden und ist daher keinesfalls existenzbedrohend.

Die unbestritten gute Presseresonanz genügt aus Sicht des Rechnungshofs nicht allein als Maß für die überregionale und internationale Ausstrahlung. Eine Rolle spielen auch Koproduktionen und Auftragswerke, die andernorts dargeboten werden. Internationale Künstler und Produktionen in Ludwigsburg bereichern umgekehrt das künstlerische Angebot in Ludwigsburg selbst. Der Anspruch des Landes („Internationale Landesfestspiele“ - siehe Kultur 2020. Kunstpolitik für Baden-Württemberg) beinhaltet auch, durch auswärtige Gastspiele die Ludwigsburger Schlossfestspiele und damit das Land Baden-Württemberg überregional und im Ausland zu repräsentieren. Die Ludwigsburger Schlossfestspiele sollten daher an ihre frühere Praxis anknüpfen und vermehrt auch überregional und international auftreten.


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Einzelplan 15: Ministerium für Integration

Das Ministerium für Integration ist ein kleines Ministerium mit wenigen Aufgaben. Es benötigt viel Personal für seine eigene Verwaltung. Die Aufgabenerledigung sollte anders organisiert werden. Notwendig ist auch eine Konzeption für seine zahlreichen Förderungen. Kleinteilige Einzelförderungen sollten hinterfragt werden.


1 Ausgangslage

1.1 Prüfung von Ministerien

Der Rechnungshof hat 2001 die Steuerungs- und Unterstützungsleistungen (Querschnittsaufgaben) bei den Ministerien des Landes untersucht.

Er möchte aktuell mit einer Prüfungsreihe und einem erweiterten Prüfungsansatz Erkenntnisse gewinnen und Vorschläge unterbreiten, wie Ministerien so organisiert werden können, dass sie ihre Aufgaben möglichst wirtschaftlich erledigen können. Dazu hat der Rechnungshof bislang Untersuchungen in zwei Ressorts, dem Ministerium für Finanzen und Wirtschaft und dem Ministerium für Integration, abgeschlossen. Im Ministerium für Integration hat er - neben der Organisationsuntersuchung - auch die Haushalts- und Wirtschaftsführung geprüft. Die ressortübergreifenden Erkenntnisse und Vorschläge aus der Organisationsprüfung sollen nach Abschluss der Prüfungsreihe in einer Beratenden Äußerung dargestellt werden.

1.2 Aufgaben und Organisation des Ministeriums für Integration

2011 wurde das Ministerium für Integration nach der Regierungsneubildung als eigenständiges Ministerium für integrationspolitische Fragen eingerichtet. Ihm wurden Aufgaben übertragen, die bis dahin vom Innenministerium und vom Justizministerium wahrgenommen wurden. Mit seinen 59 Planstellen ist es das kleinste Ministerium, das es in der jüngeren Geschichte des Landes gab. In keinem anderen Land in Deutschland gibt es bislang ein Ministerium, dessen Zuständigkeit sich ausschließlich auf Integrationspolitik und Zuwanderung beschränkt.

Das Ministerium für Integration war zum Zeitpunkt der Erhebung organisatorisch wie folgt gegliedert:

Beitrag 25 Abb.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Haushalt und Personal

Das Volumen des Einzelplans des Ministeriums für Integration im Staatshaushaltsplan ist von 67 Mio. Euro 2012 auf 529 Mio. Euro im Nachtrag für 2016 angestiegen. Diese Entwicklung ist auf den gewachsenen Finanzbedarf für die Aufnahme, Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen und für die Landeserstaufnahmeeinrichtungen zurückzuführen. Aufgrund der neuen Zugangsprognose des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge von Anfang Mai 2015 muss mit höheren Flüchtlingszahlen und damit auch einem höheren Finanzbedarf gerechnet werden. Ohne den Finanzbedarf für die Flüchtlingsaufnahme und -unterbringung verbleiben dem Ministerium jährlich bis zu 12 Mio. Euro, die zum größten Teil für Personalkosten, Fördermaßnahmen und Projekte ausgegeben werden.

2014 hatte das Ministerium für Integration 59 Stellen. Insgesamt sind 56 Prozent der Bediensteten im höheren Dienst oder auf entsprechenden Stellen nach TV-Land. Nur das Sozialministerium (61 Prozent) und das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur (59 Prozent) weisen hinsichtlich der Stellen des höheren Dienstes und vergleichbaren Angestelltenstellen eine höhere Quote aus. Die Quote beim Staatsministerium beträgt 42 Prozent.

2.2 Organisationsuntersuchung

Der Organisationsuntersuchung lag ein aufgabenbezogener Untersuchungsansatz zugrunde. Auf der Grundlage eines mit dem Ministerium für Integration abgestimmten Aufgabenkatalogs haben die Mitarbeiter die Zeitanteile geschätzt, die sie für die einzelnen Aufgaben verwenden. An der Selbsteinschätzung nahmen 57 Personen mit einem Beschäftigungsumfang von 54,6 Vollzeitäquivalenten teil.

Die Organisationseinheiten des Ministeriums sind sehr klein. Sechs von zehn Referaten hatten weniger als vier Mitarbeiter. Nach allgemeinen Organisationsgrundsätzen sollte ein Referat in der Regel neben dem Referatsleiter mindestens vier Mitarbeitende haben.

2.2.1 Ergebnis der Selbsteinschätzung

Zum Zeitpunkt der Selbsteinschätzung umfasste das Ministerium für Integration drei Abteilungen mit insgesamt zehn Referaten sowie das Büro der Ministerin und die Pressestelle. Sie hatte folgendes Ergebnis:

  • Der Anteil der Querschnittsaufgaben für die eigene Dienstelle ist mit 21 Vollzeitäquivalenten, das sind 39 Prozent, insgesamt relativ hoch. Zusammen mit den Querschnittsaufgaben für Bereiche außerhalb des Ministeriums fallen fast 50 Prozent der gesamten Aufgaben des Ministeriums auf Querschnittsaufgaben.

 

  • Verursacht wurde dieser hohe Anteil nicht durch die Bereiche Zentrale Ressortsteuerung, IT-Betreuung und Controlling. In diesen Bereichen war das Ministerium sehr schlank aufgestellt. Für den Bereich der Zentralen Ressortsteuerung lag dies am Fehlen einer Zentralstelle, die Aufgaben wurden überwiegend im Büro der Ministerin wahrgenommen. Der Bereich wurde zwischenzeitlich verstärkt. Im IT-Bereich erbringt das Ministerium IT-Dienstleistungen nicht selbst, sondern kauft sie ein. Controllingaufgaben werden kaum wahrgenommen, weil das Ministerium sehr klein und seine Aufgaben überschaubar sind. Der hohe Personaleinsatz bei den Querschnittsaufgaben entsteht vielmehr in den klassischen Querschnittsaufgaben Organisation, Finanzen und Personal.

 

  • Für die Erledigung der Fachaufgaben - einschließlich der Fachaufgaben bei Förderungen - werden 28,4 Vollzeitäquivalente eingesetzt.

 

  • Für Leitungsaufgaben in den Referaten werden lediglich 16,6 Prozent der Arbeitszeit der Referatsleitungen eingesetzt. Im Übrigen erledigen sie Fach- und Querschnittsaufgaben.

2.2.2 Organisationsmöglichkeiten

Die Organisationsstruktur im Ministerium für Integration ist sehr kleinteilig. Bei der geringen Leitungsspanne gibt es überproportional viele hoch bezahlte Führungskräfte bei vergleichsweise wenigen Mitarbeitenden. Unabhängig von einer grundsätzlichen Neuorganisation der Aufgabe Integration sollte in der bestehenden Organisationsstruktur die Zahl der Referate verringert werden: Die Referate 23 und 34 waren zum Zeitpunkt der Selbsteinschätzung nur mit einem Referatsleiter und einem Mitarbeitenden besetzt. Sie sollten daher in andere Referate integriert werden.

Die beiden Fachabteilungen des Ministeriums hätten dann allerdings nur noch zwei bzw. drei Referate, die dann keine eigenständigen Abteilungen mehr rechtfertigen. Ihr Personalkörper mit einem Beschäftigungsumfang von knapp 34 Vollzeitäquivalenten, die zudem auch noch Querschnittsaufgaben wahrnehmen, ist kleiner als der Personalkörper vieler Abteilungen in anderen Ressorts. Deshalb sollte die derzeitige Organisationsstruktur für die Aufgaben des Ministeriums optimiert werden.

Die Zusammensetzung der Regierung, Zahl und Geschäftsbereich der Ministerien ist Teil der Organisationsgewalt der Regierung, die der Zustimmung des Landtags unterliegt. Der Regierung steht dafür ein breiter Gestaltungsspielraum offen. Mit dem Zuschnitt einzelner Ministerien kann sie auch staatskommunikative und symbolische Ziele verfolgen. Sie ist dabei nicht allein an organisationswissenschaftliche und rein wirtschaftliche und fiskalische Überlegungen gebunden. Gleichwohl sollte sie diese beachten.

Die Zahl der Ministerien sollte insgesamt nicht erhöht werden. Dies würde zu einer stetigen Vermehrung vor allem höherwertiger Stellen führen. Es würde aber auch einen höheren Aufwand an politischer Koordination zum Ausgleich widerstreitender politischer Ziele erfordern und einseitig dem Ressortdenken Vorschub leisten. Auch sollte die Größe der Ressorts (in Baden-Württemberg von 59 bis 668,5) nicht zu weit auseinander driften, wenngleich die Größe allein kein Kriterium für die politische Gewichtung ist.

Die Bildung eines kleineren Ressorts ist aus politischen Gründen durchaus möglich, um politische Impulse zu geben oder ein Anliegen im öffentlichen Diskurs besonders hervorzuheben und sichtbar zu machen. Gleichwohl ist dies im bundesdeutschen Vergleich die absolute Ausnahme. So sind Themen wie Integration, Verbraucherschutz, Kunst und Gleichstellung in der Regel mit anderen unmittelbar berührten Themen in einem größeren Ministerium organisatorisch geclustert.

Die Festlegung des Ressortzuschnitts einzelner Ministerien steht vielfach im Spannungsfeld zwischen Zuweisung von Fachaufgaben auf die einzelnen Ministerien und der Frage, wie übergreifende Themen bzw. politische Querschnittsthemen in die Ministeriumsstruktur integriert werden. Politische Querschnittsaufgaben und übergreifende Themen liegen vielfach quer zu konkreten Strukturen und Zuständigkeiten.

Das in dieser Legislaturperiode neu gebildete Ministerium für Integration ist nach eigenem Verständnis im Wesentlichen durch zwei Aufgabenbereiche gekennzeichnet: Durch Integration als Teilhabe an Bildung und Ausbildung, Arbeit, gesellschaftlicher und politischer Teilhabe sowie kommunaler Integrationsarbeit. In diesen Feldern stehen für das Ministerium die Herstellung von Chancengerechtigkeit und die Sicherung sozialen Zusammenhalts im Mittelpunkt. Die Flüchtlingspolitik hat einen zu Beginn der Legislaturperiode so nicht prognostizierten Schwerpunkt erhalten. Die Organisation der Aufnahme der wachsenden Zahl von Flüchtlingen bestimmt die aktuellen Herausforderungen.

Beim Ministerium für Integration als kleinstem Ministerium sind die verwaltungsmäßigen, nicht die politischen Querschnittsaufgaben zwangsläufig in der Personalausstattung dominant. Auf der anderen Seite ist es durch die für die fachpolitischen Aufgaben zur Verfügung stehenden personellen Ressourcen auch in der Reaktion auf verlagerte Schwerpunkte oder neue Herausforderungen gegenüber einem größeren Ressort mit breiterer Zuständigkeit eingeschränkt. Dies wirkt sich auch auf die Möglichkeiten bei der Personalrekrutierung und auf seine Wirtschaftlichkeit aus.

Für die Erledigung seiner Aufgaben kommen eine Vielzahl von Varianten in Betracht, von denen wir vier Grundmodelle erläutern:

  • Übertragung weiterer integrations- und flüchtlingspolitisch wichtiger Zuständigkeiten aus den Fachressorts, insbesondere Innenministerium, Sozialministerium und Kultusministerium.

 

  • Eingliederung des Ministeriums für Integration in das Innenministerium oder in das Sozialministerium, je nach Schwerpunktorientierung.

 

  • Status quo, im Wesentlichen mit Belassung der jetzigen Aufgaben des Ministeriums für Integration, aber mit einer Stärkung der Koordinierungsfunktionen (Kabinettsausschuss, Initiativrecht im Bereich anderer Ressorts, Bündelung von Förderprogrammen).

 

  • Ansiedlung einer Stabsstelle im Bereich des Staatsministeriums mit politischer Akzentuierung durch Bestellung einer Staatsministerin. Dort könnte sie über die Richtlinienkompetenz des Ministerpräsidenten die Integrationspolitik der gesamten Landesregierung koordinieren. Die Fachaufgaben werden auf die Ressorts verteilt.

Der von der Regierung gewählte Zuschnitt des Ministeriums für Integration ist gemessen an der Querschnittsaufgabe Integrationspolitik, aber auch an der aktuellen Herausforderung der Flüchtlingspolitik nicht optimal. Bei der Integrationspolitik fehlen ihm wichtige Zuständigkeiten bzw. es besteht ein Nebeneinander verschiedener Ressortpolitiken, das insbesondere im Bereich der Förderpolitik zum Ausdruck kommt. Die Integrationspolitik betrifft Schwerpunkte aller Ressorts, im Wesentlichen des Innenministeriums mit den zentralen ausländer- und asylrechtlichen Kompetenzen, aber auch des Sozialministeriums und des Kultusministeriums. Ähnliches gilt für die Flüchtlingspolitik. Diese Schnittstellen müssen in der neuen Legislaturperiode auch unter Organisations- und Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten neu geregelt werden. Das zuletzt genannte Grundmodell (Stabsstelle im Staatsministerium) wird den Wirtschaftlichkeitsaspekten am besten gerecht, weil höherwertige Stellen eingespart werden können.

2.3 Gesamtkonzeption fehlt

Nach dem Koalitionsvertrag für die 15. Legislaturperiode sollte die Integrationspolitik mit den Schwerpunkten Integration und Aufnahme neu ausgerichtet werden. Im Erhebungszeitraum (bis Sommer 2014) wurden im Ministerium für Integration mindestens dreimal so viele Vollzeitäquivalente für Integration eingesetzt wie für die Aufnahme von Flüchtlingen. Gleichzeitig ist deren Zahl stark gestiegen. Beide Themen sind voneinander abhängig. Nimmt die Zuwanderung zu, verändert sich auch die Aufgabe Integration.

Konzeptionell sieht das Ministerium die sechs Handlungsfelder:

  • Teilhabe an Bildung und Ausbildung,

 

  • Teilhabe an Arbeit,

 

  • Gesellschaftliche Teilhabe,

 

  • Politische Teilhabe,

 

  • Humane Flüchtlingspolitik,

 

  • Kommunale Integrationsarbeit

und zusätzlich den Ausbau der „Willkommenskultur“. Diese Schwerpunktsetzung spiegelt sich im Ressourceneinsatz wieder. Ein schriftliches Gesamtkonzept als strategische Grundlage ist nach Auffassung des Ministeriums nicht erforderlich, weil es der Komplexität und Dynamik von Integrationsprozessen nicht Rechnung tragen könnte.

Der Rechnungshof anerkennt, dass für den Bereich Integration Schwerpunkte definiert wurden. Er vermisst aber konzeptionelle Überlegungen, wie sich die enorm gestiegenen Flüchtlingszahlen qualitativ, quantitativ und kostenmäßig auf die Integrationsmaßnahmen auswirken.

2.4 Fördermaßnahmen des Ministeriums für Integration

2.4.1 Haushaltsansätze und Mittelabfluss

Zu Beginn der Legislaturperiode gab es eine Vielzahl von Anträgen auf Förderung einzelner Maßnahmen. Mittel waren ausreichend vorhanden, alle Förderanträge wurden positiv beschieden. Prioritäten waren nicht erkennbar. Die geförderten Maßnahmen reichten von der Veranstaltung interkultureller Feste über Eltern- und Schulprojekte bis hin zur Förderung der Veranstaltung von Tagungen.

Die nachfolgende Tabelle zeigt eine Übersicht über die Haushaltsansätze und die ausgezahlten Mittel für die Maßnahmen und Projekte zur Integration in Kapitel 1503, Titelgruppe 70 sowie in Kapitel 1503 Titel 684 01.

Beitrag 25 Tab.

2.4.2 Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Integration über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung der gesellschaftlichen Teilhabe und Integration (VwV-Integration)

Im Förderjahr 2011 lag der kommunalen Förderung die Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums über die Gewährung von Projekt- und Betreuungsmittel für Spätaussiedler/-innen und Ausländer/-innen mit einem Fördervolumen von 1,8 Mio. Euro zugrunde. Das Ministerium für Integration wurde nach der Regierungsneubildung für diese Förderung zuständig. Die Verwaltungsvorschrift war bis Ende 2011 gültig.

Im Juli 2012 hat das Ministerium für Integration zunächst eine neue Verwaltungsvorschrift erlassen, in der die Förderbereiche der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums beibehalten wurden. Das Fördervolumen erhöhte sich auf 2 Mio. Euro. Die Zielgruppe wurde generell auf Personen mit Migrationshintergrund erweitert. Für die pauschalen Förderungen für die Stadt- und Landkreise waren keine Anträge erforderlich. Die Bandbreite der Projekte war bunt. Sie reichte von der Förderung eines musikalischen Handpuppen- und Märchentheaters über Tanz und Folklore für Kinder und Jugendliche bis hin zu „Wir trinken Tee und sprechen Deutsch/Internationaler Mutter-Kind-Treff“.

Die im Rahmen der Prüfung vorgelegten Unterlagen wiesen deutliche Defizite auf. Nicht immer war erkennbar, ob tatsächlich auch Personen mit Migrationshintergrund teilgenommen hatten. Auch die Beschreibung der Maßnahmen ließ dies offen. Nach den Übergangsvorschriften erhielten auch im Jahr 2013 die bereits vom Innenministerium bewilligten Projekte weiterhin Zuwendungen wie schon die Jahre zuvor. Kleinstförderungen wurden noch bewilligt.

Im August 2013 trat die VwV-Integration in Kraft. Es gab Übergangsvorschriften, wonach alle Projekte weitergefördert wurden, die bereits 2012 gefördert wurden. Damit erhielten auch 2013 die bereits vom Innenministerium bewilligten Projekte weiterhin Zuwendungen wie schon die Jahre zuvor. Es wurden nochmals Kleinstförderungen bewilligt. Erst fast zwei Jahre nach der Gründung des Ministeriums für Integration wurde ein neues Programm zur Förderung der Integrationsarbeit in den Kommunen konzipiert. Aus der VwV-Integration lassen sich keine Kennzahlen ableiten, aus denen sich ergibt, ob und in welchem Umfang die Projekte integrative Wirkungen erzielen.

2.4.3 Andere Förderungen und Projekte

Für andere Förderungen außerhalb der VwV-Integration fehlten nach wie vor Vorgaben und Konzepte, sodass eine Vielzahl von Projekten voraussetzungslos gefördert wurde.

Das Ministerium für Integration hat 2011 und 2012, danach in nicht mehr ganz so großem Ausmaß, eine Vielzahl von Kleinprojekten unsystematisch und teilweise auch fehlerhaft gefördert.

Bei der Bewilligung der ersten Maßnahmen nach Gründung des Ministeriums für Integration wurden nicht alle Vorschriften eingehalten. Im Laufe der Zeit konnten die Mängel jedoch reduziert werden.

In einigen Fällen fehlte das erhebliche Landesinteresse an der Förderung, wie z. B. 2012 bei der Verlängerung eines Projekts der Elternbildung in Tübingen, bei dem das Ministerium für Integration zuvor in einem internen Vermerk sogar ausführlich dargelegt hatte, dass eine Förderung auch abgelehnt werden müsse, weil die Ziele nach Angaben des Projektträgers bereits erreicht bzw. sogar überschritten wurden. Ein weiteres Beispiel ist das Interkulturelle Fest in Schwetzingen 2013. Zweck der Förderung war, den freien Eintritt in den Schlossgarten Schwetzingen zu ermöglichen. Daran besteht kein erhebliches Landesinteresse. Den Akten des Ministeriums war zu entnehmen, dass es Probleme mit dem „Abfluss“ von Fördermitteln gegeben hatte und deshalb der Antrag wohlwollend geprüft werden sollte.

In einigen Fällen wurden die Zuwendungen zu hoch berechnet und zu früh ausbezahlt. Bei der Förderung von Personalstellen war aus manchen Förderanträgen nicht erkennbar, ob der geförderte Stellenanteil angemessen ist oder welche Tätigkeiten gefördert wurden.

In einigen Fällen ist die Förderung von Doppelstrukturen nicht ausgeschlossen. Zum Beispiel fördert das Ministerium für Integration seit 2012 Erstanlaufstellen und Kompetenzzentren für die Beratung zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen. Welcome Center für internationale Fachkräfte werden vom Ministerium für Finanzen und Wirtschaft seit 2014 gefördert. Im Bereich der Elternbildung fördern sowohl das Ministerium für Integration als auch das Kultusministerium.

Als Beratungsstelle bei Zwangsverheiratung und familiärer Gewalt wird eine interkulturelle Onlineberatungsstelle in Berlin vom Land seit 2010 gefördert. Damals bezuschussten vier Länder die Beratungsstelle, 2013 waren es noch drei, außer Berlin und Brandenburg nur Baden-Württemberg. Aus Baden-Württemberg kamen 13 Prozent der Anfragen. Demgegenüber hat das Ministerium für Integration zwischen 30 und 35 Prozent der Kosten, insgesamt mehr als das Sitzland, finanziert. Außerdem gibt es mit Bundesmitteln gefördert ein bundesweites 24-Stunden-Hilfetelefon für die gleiche Zielgruppe. Zudem fördert das Ministerium für Integration eine andere Beratungsstelle, die anonyme Beratung ebenfalls für die gleiche Zielgruppe anbietet. Das Ministerium sollte darauf hinwirken, dass sich auch andere Länder an dem Projekt beteiligen und die Kosten nach dem Königsteiner Schlüssel verteilt werden.

Bei einer Maßnahme zur interkulturellen Öffnung der Ministerien hatte das Ministerium für Integration keine Bedarfsanalyse für die geplanten Schulungsmaßnahmen durchgeführt. Eine entsprechende Nachfrage nach dem Schulungsangebot war zunächst nicht vorhanden. Deshalb hat das Ministerium das Angebot auf die Landkreise ausgedehnt. Dennoch wurden die von externen Trainern durchgeführten Schulungen nicht ausreichend nachgefragt.

Bei der Einbürgerungskampagne des Ministeriums für Integration wurde 2012 eine Werbeagentur beauftragt. Die Auftragssumme betrug 100.000 Euro. Die ursprüngliche Auftragssumme wurde dann aber ohne Vertragsergänzung um mehr als 100 Prozent überschritten.

Mängel gab es auch bei den Förderkursen und dem Gruppenunterricht für Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichem Migrationshintergrund. Bereits während des Bewilligungszeitraums stellte sich heraus, dass ursprünglich nicht erwartete andere Fördergelder doch gewährt wurden. Um eine Rückzahlung der Förderung des Ministeriums für Integration zu vermeiden, wurde die Zweckbestimmung des Zuwendungsbescheids erweitert. Das Ministerium konnte nicht nachvollziehen, ob der Verwendungszweck erfüllt wurde.

2.4.4 Fehlende Bestandaufnahme

Eine schriftliche Konzeption für alle Förderungen gibt es bislang immer noch nicht, obwohl das Ministerium für Integration zu Beginn der Legislaturperiode festgestellt hat, dass die bisherige Förderpolitik eine gestaltende Integrationspolitik nicht erkennen lasse. Eine Bestandsaufnahme der Gesamtsituation hat das Ministerium nicht vorgenommen. Bis heute fehlt eine Übersicht über die Integrationsprojekte im Land und deren Träger und dadurch auch der Überblick, was von wem erledigt und was in welcher Höhe mit staatlichen Mitteln gefördert wurde.

3 Empfehlungen

3.1 Organisation verbessern

  • Die Zahl der Referate sollte kurzfristig verringert werden, indem das Referat 23 in das Referat 22 sowie das Referat 34 in das Referat 32 integriert werden.

 

  • Die Aufgaben des Ministeriums für Integration sollten in der neuen Legislaturperiode entsprechend den Vorschlägen des Rechnungshofs neu organisiert werden.

3.2 Gesamtkonzeption für Zuwanderung und Integration erstellen

Die Landesregierung sollte eine Gesamtkonzeption für die Zuwanderung und Integration erstellen. Daraus muss sich auch ergeben, wie sich die Entwicklung der Flüchtlingszahlen auf die integrativen Maßnahmen qualitativ, quantitativ und kostenmäßig auswirkt.

3.3 Integrationsmaßnahmen zielgerichteter fördern

  • Für die vom Ministerium für Integration geförderten Integrationsmaßnahmen sind geeignete Wirkungskennzahlen zu entwickeln und einzufordern.

 

  • Neben der VwV-Integration sind allgemeine Regelungen zur Vergabe von Fördermitteln zu erarbeiten.

 

  • Doppel- bzw. Parallelförderungen sind auszuschließen. Dafür ist eine Übersicht über alle Integrationsprojekte und Förderungen des Landes zu erstellen.

 

  • Außerhalb der Verwaltungsvorschriften fehlerhaft geförderte Einzelprojekte sind grundsätzlich zu hinterfragen und die festgestellten Mängel zu beseitigen. Außerdem sollte eine Gesamtübersicht über die Integrationsprojekte im Land erstellt werden.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Ministerium für Integration lehnt das Zusammenlegen von Referaten ab, weil die Landesregierung wegen der Bedeutung des Politikfeldes ein eigenständiges Ministerium gegründet habe. Deshalb müssten bei einem naturgemäß kleinen Ministerium auch kleine Arbeitseinheiten in Kauf genommen werden, um eine vernünftige Gesamtstruktur zu erzielen. Die Vorschläge des Rechnungshofs zur Neuorganisation würden sich zu sehr an wirtschaftlichen Gesichtspunkten orientieren und die politische Dimension eines eigenständigen Ministeriums zu wenig berücksichtigen.

Konzeptionell habe das Ministerium die Zunahme und Diversifizierung der Zuwanderung als eine besondere gesellschaftliche Herausforderung aufgegriffen. Die Ministerin habe ihr Haus unter Wahrung einer ausgewogenen Gesamtkonzeption für die beiden Themen Integration und Flüchtlingsaufnahme planmäßig und flexibel konzeptionell ausgerichtet.

Das Ministerium sieht das „erhebliche Landesinteresse“ bei den geförderten Maßnahmen als gegeben an. Es schließt Doppelförderungen und Doppelstrukturen in den genannten Fällen aus. Im Übrigen habe das Ressort in Einzelfällen Rückforderungsverfahren eingeleitet und - wo immer es sinnvoll sei - auch Kennzahlen gebildet. Für die Förderung von Maßnahmen außerhalb der VwV-Integration will das Ministerium künftig die vorhandenen Regelungen zusammenfassen und ergänzen.


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