Denkschrift 2013

Aufgaben und Ausgaben auf den Prüfstand stellen

1. Aus Sicht des Bürgers kann die aktuelle Finanzlage des Landes Baden-Württemberg zuweilen verwirrend erscheinen. Die wirtschaftliche Lage in Deutschland und in Baden-Württemberg ist trotz eines fragilen Umfelds weiterhin robust. Die Steuereinnahmen bewegen sich vor allem dank des stabilen Arbeitsmarkts weiterhin auf hohem Niveau. Andererseits tun sich in der Mittelfristigen Finanzplanung des Landes enorme Deckungslücken auf und der Doppelhaushalt 2013/2014 sieht - nach mehreren ausgeglichenen Haushalten in jüngerer Zeit - eine hohe Neuverschuldung vor. Während einige Länder anfangen, Schulden zurückzuzahlen, und die Kommunen in Baden-Württemberg zu den reichsten Kommunen Deutschlands zählen, wird die Verschuldung des Landes in den kommenden Jahren voraussichtlich spürbar ansteigen. Gleichzeitig muss Baden-Württemberg deutlich höhere Leistungen im Länderfinanzausgleich erbringen.

Die Ursachen der Verschuldung sind vielfältig. In ihrer Entstehung reichen sie weiter zurück als nur die letzten zwei Jahre. Es lässt sich jedoch ein gemeinsamer Nenner formulieren: Die finanziellen Probleme des Landes Baden-Württemberg sind in erster Linie nicht bei den Einnahmen zu suchen, sondern auf der Ausgabenseite. Dies sieht auch der Bürger so. Neuere Umfragen belegen, dass bis zu zwei Drittel der Deutschen einer sparsamen Haushaltspolitik den Vorzug gegenüber Konjunkturpaketen geben. Auch in der Landespolitik gibt es nach wie vor einen breiten Konsens darüber, bis spätestens 2020 einen strukturell ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Der Weg dorthin bleibt allerdings strittig. Der Rechnungshof hat sich in dieser Debatte klar positioniert und ist weiterhin der Auffassung, dass das Land sich mit der Konsolidierung nicht bis 2020 Zeit lassen darf. Ehrgeizigere Sparziele sind möglich und auch sinnvoll.

2. Schwierig wird es überall dort, wo es um konkrete Ausgabeneinsparungen geht, wo also die generelle Sparbereitschaft auf konkrete finanzielle und inhaltliche Interessen trifft. Einfache Lösungen gibt es nicht. Wer kann es Eltern verübeln, dass sie für ihre Kinder die bestmögliche Versorgung mit Schulen und Lehrkräften wünschen? Wer kann Studierende dafür schelten, dass sie ein kostenloses Studium befürworten? Wer wünscht sich nicht vielfältige und hochwertige Kultureinrichtungen? Die Liste dessen, was wünschenswert und sinnvoll ist, ließe sich endlos fortsetzen. Aufgabe der Politik ist es, in allen Bereichen des Landeshaushalts, bei jeder Ausgabe, das Notwendige und das Wünschenswerte stets neu zu definieren. Nicht alles, was wünschenswert und sinnvoll ist, kann und sollte auch umgesetzt werden. Sonst steigt der Finanzbedarf irgendwann ins Unermessliche.

Auch der Rechnungshof hat keine Patentlösung zur Konsolidierung des Landeshaushalts. Er zeigt jedoch Jahr für Jahr mit seinen Denkschriften auf, wo im Haushalt überall noch Einsparungen möglich sind, wenn man die Haushaltsposten nur einzeln durchsieht und hinterfragt. Umso erfreulicher ist es, wenn diese Vorschläge tatsächlich umgesetzt werden. Das Beispiel der von uns in der Denkschrift 2012 geforderten Einsparungen bei den Lehrerstellen, die von der Landesregierung umgehend aufgegriffen wurden, zeigt, was im Idealfall möglich ist. Auch kleinere, weniger spektakuläre Ergebnisse, werten wir als wichtigen Erfolg. Das Gesamtergebnis motiviert uns, weiterhin mutige Sparvorschläge zu machen - so auch in dieser Denkschrift.

3. Die von der Landesregierung beschlossenen Einsparungen im Kultusbereich waren auch deshalb so wichtig, weil sie am Kernproblem der Haushaltskonsolidierung ansetzen - den Personalkosten. Der hohe Personalkostenanteil des Landeshaushalts - bei Einbeziehung der Landesbetriebe etwa 42,5 Prozent - ist zwar in weiten Teilen notwendige Konsequenz der Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Die Quote wird sich daher auch nicht radikal senken lassen. Nichtsdestoweniger zeigt sie, dass ohne Einsparungen bei den Personalkosten eine Sanierung des Landeshaushalts nicht möglich ist. Man wird den Landeshaushalt aber nicht allein mit (punktuellen) Sparrunden bei den Beamten und einer zurückhaltenden Tarifpolitik sanieren können. Hier setzen das Verfassungsrecht und der sich wandelnde Arbeitsmarkt Grenzen. Es funktioniert jedenfalls dann nicht, wenn nicht parallel dazu Stellen in spürbarem Umfang abgebaut werden. Letzteres ist bislang nicht geschehen. Im Gegenteil - nach wie vor findet ein Stellenzuwachs in beträchtlichem Umfang statt. Ein Stellenabbau bedeutet aber - wenn nicht eine bloße Arbeitsverdichtung erfolgen soll - immer auch Einschränkungen in den Möglichkeiten, die der Sachpolitik zur Verfügung stehen. Dies ist es, was Aufgabenkritik jenseits des Bürokratieabbaus wirklich bedeutet. Es ist jedoch genau dies, was Bürgern und Politik häufig so schwer fällt.

4. Landtag, Fraktionen und Landesregierung haben die Denkschrift 2012 mit besonderer Intensität und Ausdauer beraten und viele unserer Empfehlungen aufgegriffen. Teilweise wurden diese bereits umgesetzt. Die sachkundige und intensive Behandlung der Denkschrift im Ausschuss für Finanzen und Wirtschaft war für uns insgesamt sehr ermutigend.

Dasselbe lässt sich von der Zusammenarbeit mit den geprüften Stellen und der Ministerialverwaltung sagen. Der direkte, offene und vertrauensvolle Austausch mit engagierten und verantwortungsbewussten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landes über Fragen der Wirtschaftlichkeit ist für die Prüferinnen und Prüfer der staatlichen Finanzkontrolle Baden-Württemberg ein wesentlicher Teil ihrer Tätigkeit.

Karlsruhe, im Mai 2013

Max Munding
Präsident des Rechnungshofs
Baden-Württemberg


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Die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes war 2011 geordnet. Sie folgte im Wesentlichen den Vorgaben des Staatshaushaltsplans.

Die Haushaltsrechnung 2011 schließt mit einem rechnungsmäßigen Überschuss von 1,3 Mrd. Euro ab. Die in der Haushaltsrechnung 2011 aufgeführten Beträge stimmen mit den in den Büchern nachgewiesenen Beträgen überein. Die Einnahmen und Ausgaben sind im Wesentlichen ordnungsgemäß belegt.


1 Haushalts-Soll und Haushalts-Ist 2011

Der Haushaltsrechnung des Landes für das Haushaltsjahr 2011 liegt das Gesetz über die Feststellung des Staatshaushaltsplans von Baden-Württemberg für das Haushaltsjahr 2010/2011 (Staatshaushaltsgesetz 2010/2011) vom 01.03.2010, zuletzt geändert durch den Vierten Nachtrag vom 27.07.2011, zugrunde. Danach wurde der Staatshaushaltsplan 2011 in Einnahmen und Ausgaben mit 36.764.256.600 Euro festgestellt. Im Vergleich zum Vorjahr nahm das Haushaltsvolumen im Soll um 4,8 Prozent zu.

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Das Haushalts-Soll (Haushaltsansätze einschließlich Haushaltsreste aus dem Vorjahr) betrug 37,9 Mrd. Euro bei den Einnahmen und 38,5 Mrd. Euro bei den Ausgaben. Einschließlich der Haushaltsreste/Vorgriffe beträgt das Rechnungsergebnis 40,9 Mrd. Euro Einnahmen und 40,2 Mrd. Euro Ausgaben. Aus den Salden ergab sich ein Überschuss von 1,3 Mrd. Euro (rechnungsmäßiges Jahresergebnis 2011).

Wie sich die Mehreinnahmen und die Mehrausgaben aus den Teilergebnissen der Einzelpläne errechnen, ist in der Haushaltsrechnung 2011 dargestellt.

2 Haushaltsrechnung 2011

Der Minister für Finanzen und Wirtschaft legte dem Landtag am 29.11.2012 (Landtagsdrucksache 15/2782) die Haushaltsrechnung des Landes Baden-Württemberg für das Haushaltsjahr 2011 vor. Diese dient gemäß Artikel 83 Absatz 1 Landesverfassung und § 114 Absatz 1 Satz 1 Landeshaushaltsordnung als Grundlage, um die Landesregierung zu entlasten.

2.1 Gestaltung

Die Haushaltsrechnung ist entsprechend den Vorgaben (§§ 81 bis 85 Landeshaushaltsordnung) gestaltet und enthält alle vorgeschriebenen Abschlüsse, Erläuterungen und Übersichten, um die bestimmungsgemäße Ausführung des Staatshaushaltsplans nachzuweisen.

Der kassenmäßige Abschluss und der Haushaltsabschluss sind entsprechend § 84 Landeshaushaltsordnung in einem Abschlussbericht mit verschiedenen Zusammenstellungen in der Haushaltsrechnung erläutert. Die in § 85 Absatz 1 Landeshaushaltsordnung genannten Übersichten sind beigefügt.

2.2 Ergebnisse der Haushaltsrechnung

Der rechnungsmäßige Abschluss ist für die Bewertung der Haushaltsrechnung von maßgeblicher Bedeutung. Er ergibt sich aus dem kassenmäßigen Jahresergebnis (Ist-Einnahmen und Ist-Ausgaben), den übernommenen Haushaltsresten des Vorjahres und den Haushaltsresten, die in das Folgejahr übertragen werden.

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Das kassenmäßige Jahresergebnis ergibt sich aus dem Saldo der tatsächlich eingegangenen Einnahmen und der tatsächlich geleisteten Ausgaben. Der Landeshaushalt 2011 hat mit einem kassenmäßigen Jahresergebnis von 772.378.284,97 Euro abgeschlossen.

Das Land hat auch 2011 nicht alle vorgesehenen Einnahmen und Ausgaben realisiert. Es hat in großem Umfang Einnahmereste und Ausgabereste gebildet.

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Das rechnungsmäßige Jahresergebnis ergibt sich aus dem kassenmäßigen Jahresergebnis ergänzt um den Unterschiedsbetrag der Salden der Reste.

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Unter Berücksichtigung der Haushaltsreste des Vorjahres und der Haushaltsreste, die in das Folgejahr übertragen wurden, ergibt sich ein rechnungsmäßiges Jahresergebnis von 1.332.117.093,77 Euro.

2.3 Bereinigte Einnahmen und Ausgaben, Finanzierungssaldo

Aus der Differenz der bereinigten Einnahmen und der bereinigten Ausgaben ergibt sich der Finanzierungssaldo. Die Ist-Einnahmen werden dabei um die Schuldenaufnahme am Kreditmarkt, die Entnahmen aus Rücklagen, Fonds und Stöcken sowie um die Einnahmen aus Überschüssen der Vorjahre und haushaltstechnische Verrechnungen verringert. Demgegenüber werden die Ist-Ausgaben um Tilgungen am Kreditmarkt, Zuführungen an Rücklagen, Fonds und Stöcken sowie um etwaige Fehlbeträge aus Vorjahren und haushaltstechnische Verrechnungen vermindert.

Die Abbildung zeigt die Entwicklung des Finanzierungssaldos von 2002 bis 2011.

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Trotz deutlich verbesserter Einnahmesituation war der Finanzierungssaldo 2011 erneut negativ. Im Haushaltsjahr 2011 betrug er -317,6 Mio. Euro. Eine Nettokreditaufnahme konnte 2011 vermieden werden, da das Land per saldo 1,1 Mrd. Euro an Rücklagen und kassenmäßigen Überschüssen aus Vorjahren als Einnahmen verwendet hat.

3 Feststellungen des Rechnungshofs nach § 97 Absatz 2 Nr. 1 und 2 Landeshaushaltsordnung

3.1 Prüfungen des Rechnungshofs

Der Rechnungshof untersuchte die Ordnungsmäßigkeit der Haushaltsrechnung des Landes. Dabei hat er geprüft, ob

  • die Vorgaben des Staatshaushaltsplans eingehalten wurden,
  • die gebuchten Einnahmen und Ausgaben belegt waren und
  • die Haushaltssystematik eingehalten wurde.

Die Prüfung der nach einem Zufallsverfahren ausgewählten Stichproben ergab keine wesentlichen Anhaltspunkte, dass die Einnahmen und Ausgaben nicht ordnungsgemäß bewirtschaftet wurden.

Im Geschäftsjahr 2011 schloss die Finanzkontrolle zudem 135 Prüfungen ab und hat in ihren Prüfungsmitteilungen zahlreiche Hinweise zur Haushalts- und Wirtschaftsführung gegeben. Beispielsweise wurden im Bereich der Steuerverwaltung 4.000 risikoorientiert ausgewählte Einkommensteuerfälle der Veranlagungsjahre 1997 bis 2011 geprüft. Davon wurden 1.740 Fälle beanstandet. Das Fehlervolumen betrug 8,7 Mio. Euro.

Beim Landesamt für Besoldung und Versorgung hat die Finanzkontrolle in den Bereichen Entgelt für Arbeitnehmer, Beamtenbesoldung und -versorgung sowie Reisekostenvergütungen risikoorientiert 14.239 Zahlfälle untersucht. Durch diese Prüfungen konnten 1,2 Mio. Euro unberechtigte Zahlungen zurückgefordert und künftige Fehlzahlungen vermieden werden. Im Gegenzug wurden berechtigte Ansprüche von 0,6 Mio. Euro erfüllt. Zudem wurden 5.254 Beihilfebescheide überprüft. Dies führte zu Beihilfekürzungen von 1,1 Mio. Euro und zu 0,6 Mio. Euro zusätzlich zu gewährender Beihilfe. Die Fehler bewegen sich summarisch im langjährigen Mittel.

3.2 Einnahmen und Ausgaben

Die in der Haushaltsrechnung aufgeführten Einnahmen und Ausgaben stimmen mit den in den Rechnungslegungsbüchern nachgewiesenen Beträgen überein. In den geprüften Rechnungen wurden keine wesentlichen Einnahmen oder Ausgaben festgestellt, die nicht belegt waren.

3.3 Überplanmäßige und außerplanmäßige Ausgaben

Über- und außerplanmäßige Ausgaben bedürfen der Einwilligung des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft. Sie darf nur im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses erteilt werden. Die Haushaltsüberschreitungen sind in der Haushaltsrechnung einzeln nachgewiesen. Die vom Ministerium bewilligten Abweichungen von den Stellenübersichten sind ebenfalls dargestellt. Geleistete über- und außerplanmäßige Ausgaben sind dem Landtag ab einem Betrag von 100.000 Euro im Einzelfall mitzuteilen (§ 7 Absatz 5 Staatshaushaltsgesetz 2010/2011). Das Ministerium hat dem Landtag hierüber mit Schreiben vom 23.07.2012 berichtet (Landtagsdrucksache 15/2047). Der Ausschuss für Finanzen und Wirtschaft hat in seiner 20. Sitzung am 20.09.2012 von der Mitteilung Kenntnis genommen.

Die über- und außerplanmäßigen Ausgaben betrugen in der Summe 26,3 Mio. Euro. Sie betrafen zu 67 Prozent Sachausgaben und Investitionen und zu 33 Prozent Personalausgaben.

Mehrausgaben in größerem Umfang sind für folgende Zwecke angefallen:

  • 5,2 Mio. Euro für Kostensteigerungen bei Heilfürsorgeleistungen der Landespolizei (Kapitel 0314 Titel 443 02) und
  • 1,4 Mio. Euro für Öffentlichkeitsarbeit für die Volksabstimmung zu Stuttgart 21 (Kapitel 0302 Titel 531 01).

In der Mehrzahl der Fälle (90 Prozent) wurden die über- und außerplanmäßigen Ausgaben vom Ministerium bewilligt. In 28 Fällen lag die vorgeschriebene Einwilligung nicht vor. Die Summe dieser Haushaltsüberschreitungen beträgt 2,5 Mio. Euro.

3.4 Globale Minderausgaben

Globale Minderausgaben sind im Staatshaushaltsplan negativ veranschlagte Ausgaben, die im Haushaltsvollzug auszugleichen sind. Sie stellen eine Ausnahme vom Einzelveranschlagungsprinzip dar.

Im Staatshaushaltsplan 2011 waren bei Kapitel 1212 Titel 972 01 globale Minderausgaben von 237,4 Mio. Euro veranschlagt. Die Einsparungen bei den Sachausgaben - Haushaltsgruppen 5 bis 8 - wurden von den Ressorts nachgewiesen. Zusätzlich mussten die Ressorts einzelplanspezifische globale Minderausgaben von 410,6 Mio. Euro erbringen.

Insgesamt mussten die Ressorts mithin 648 Mio. Euro globale Minderausgaben erwirtschaften. Gegenüber 2010 bedeutet dies fast eine Verdreifachung. Die gesamten Sachausgaben des Landes ohne die Einzelpläne Landtag und Rechnungshof betrugen 23,2 Mrd. Euro. Der prozentuale Anteil aller globalen Minderausgaben an den Sachausgaben lag im Durchschnitt bei 2,8 Prozent.

3.5 Druck- und Darstellungsfehler

Bei der Gesamtrechnungsprüfung stellte der Rechnungshof keine wesentlichen Druck- und Darstellungsfehler in der Haushaltsrechnung des Landes fest.


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Die Steuereinnahmen des Landes stiegen in den vergangenen zehn Jahren um durchschnittlich 3,4 Prozent, die Ausgaben hingegen nur um durchschnittlich 2,4 Prozent. Trotzdem hat das Land in diesem Zeitraum 9,9 Mrd. Euro neue Kredite aufgenommen.


1 Einnahmen

1.1 Entwicklung der Einnahmen 2003 bis 2012

In Tabelle 1 sind für die Jahre 2003 sowie 2008 bis 2012 die veranschlagten Einnahmen jeweils den Ist-Einnahmen gegenübergestellt.

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Die Entwicklung der Ist- und Soll-Einnahmen ist aus Abbildung 1 ersichtlich.

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In den letzten 10 Jahren lagen die Ist-Einnahmen nur 2003 um 0,1 Mrd. Euro und 2009 um 1,1 Mrd. Euro unter den Einnahmeansätzen. In den übrigen Jahren wurden zwischen 0,8 Mrd. Euro und 2,6 Mrd. Euro höhere Einnahmen erzielt als geplant. Ebenso verhält es sich bei den Steuereinnahmen. Auch diese lagen 2003 und 2009 mit 0,4 Mrd. Euro und 0,8 Mrd. Euro unter den Ansätzen, während in den übrigen Jahren zwischen 0,1 Mrd. Euro und 1,4 Mrd. Euro mehr Steuern eingenommen wurden, als geplant waren.

Im zehnjährigen Betrachtungszeitraum stiegen die Gesamt-Ist-Einnahmen durchschnittlich um 2,94 Prozent jährlich, die Steuereinnahmen um 3,37 Prozent. Das Land hat in diesem Zeitraum 9,9 Mrd. Euro neue Kredite aufgenommen.

Im Staatshaushaltsplan sind 40,7 Mrd. Euro für 2013 und 41,3 Mrd. Euro für 2014 Gesamteinnahmen geplant. Darin sind 29,9 Mrd. Euro bzw. 31,0 Mrd. Euro Steuereinnahmen enthalten.

1.2 Einnahmen im Einzelnen

Die Einnahmen des Landes stiegen von 31,4 Mrd. Euro 2003 auf 40,8 Mrd. Euro 2012. Sie werden insbesondere durch Steuern und steuerähnliche Abgaben (29,8 Mrd. Euro, 73 Prozent) sowie Zuweisungen und Zuschüsse (7,7 Mrd. Euro, 19 Prozent) erzielt.

Die Einnahmen aus Zuweisungen und Zuschüssen sind 2012 gegenüber dem Vorjahr um 228 Mio. Euro zurückgegangen. Diesen Einnahmen stehen größtenteils entsprechende Ausgaben gegenüber (siehe Punkt 2.2).

1.3 Steuereinnahmen

Die Steuern und steuerähnliche Abgaben sind abhängig von der konjunkturellen Entwicklung. Nach dem Einbruch der Steuereinnahmen 2009 infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise stiegen die Steuereinnahmen seit 2011 wieder deutlich an.

Sie lagen 2012 mit 29,7 Mrd. Euro um 8,7 Mrd. Euro (+41,6 Prozent) höher als 2003. In der Mittelfristigen Finanzplanung geht die Landesregierung für 2015 von einem weiteren Anstieg der Steuereinnahmen auf 32,0 Mrd. Euro und 2016 auf 32,9 Mrd. Euro aus.

Tabelle 2 zeigt, wie sich die Steuereinnahmen von 2008 bis 2012 sowie im Zehnjahresvergleich (Basisjahr 2003) im Einzelnen entwickelt haben.

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Die Steuereinnahmen des Landes bestehen aus Gemeinschaft- und Landessteuern. Die Einnahmen aus Gemeinschaftsteuern erhöhten sich von 19,4 Mrd. Euro 2003 um 42,1 Prozent auf 27,6 Mrd. Euro 2012. Ihr Anteil an den gesamten Steuereinnahmen des Landes lag 2012 bei 92,9 Prozent.

Die Landessteuern haben sich seit 2003 von 1,6 Mrd. Euro um 34,7 Prozent auf 2,1 Mrd. Euro 2012 erhöht. Sie hatten 2012 einen Anteil an den gesamten Steuereinnahmen des Landes von 7,1 Prozent. Bei dieser Betrachtung ist die bis 2009 dem Land zustehende Kraftfahrzeugsteuer nicht enthalten. Seit 01.07.2009 steht diese Steuer nicht mehr den Ländern, sondern dem Bund zu. Zur Kompensation erhalten die Länder seither vom Bund Ausgleichszahlungen, die in etwa den bisherigen Einnahmen aus der Kraftfahrzeugsteuer entsprechen. Neben der konjunkturellen Entwicklung beeinflussen auch Rechtsänderungen die Höhe der Steuereinnahmen. So hat Baden-Württemberg im November 2011 den Steuersatz der Grunderwerbsteuer von 3,5 Prozent auf 5 Prozent angehoben. Hierdurch haben sich die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer 2012 um 226 Mio. Euro (+24 Prozent) gegenüber dem Vorjahr auf 1,17 Mrd. Euro erhöht.

Das gegenüber dem Vorjahr um 2,4 Mrd. Euro (+8,7 Prozent) gestiegene Steueraufkommen des Landes im Haushaltsjahr 2012 mit 29,7 Mrd. Euro führte allerdings auch zu höheren Ausgaben im Länderfinanzausgleich (+778 Mio. Euro) und im kommunalen Finanzausgleich (+275 Mio. Euro). Unter Berücksichtigung dieser gestiegenen Ausgaben sowie der Kraftfahrzeugsteuerersatzleistung des Bundes ergaben sich gegenüber dem Vorjahr Netto-Steuermehreinnahmen von 1,3 Mrd. Euro.

2 Ausgaben

2.1 Entwicklung der Ausgaben 2003 bis 2012

In Tabelle 3 sind für die Jahre 2003 sowie 2008 bis 2012 die veranschlagten Ausgaben jeweils den Ist-Ausgaben gegenübergestellt.

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Seit 2008 lagen die tatsächlichen Ausgaben - mit Ausnahme des Jahres 2009 - über den Ausgabeansätzen. Die Unterschreitung des Haushaltssolls 2009 ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Konjunkturprogramme in geringerem Umfang kassenwirksam wurden, als bei der Veranschlagung angenommen. 2012 lagen die Ist-Ausgaben mit 39,4 Mrd. Euro um 0,6 Mrd. Euro (+1,5 Prozent) über den Ausgabeansätzen.

Die Entwicklung der Ist- und Soll-Ausgaben ist aus Abbildung 2 ersichtlich.

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Von 2003 bis 2012 stiegen die Ist-Ausgaben durchschnittlich um 2,4 Prozent je Jahr und damit in geringerem Maße als die Ist-Einnahmen. Dadurch wurde der negative Finanzierungssaldo von 2,1 Mrd. Euro 2003 zu einem positiven Finanzierungssaldo von 1,5 Mrd. Euro 2007 und 1,4 Mrd. Euro 2008. Seit 2009 ist der Finanzierungssaldo wieder negativ (siehe hierzu Beitrag Nr. 1, Punkt 2.3, Landtagsdrucksache 15/3801).

Im Staatshaushaltsplan 2013/2014 sind 40,7 Mrd. Euro und 41,3 Mrd. Euro Gesamtausgaben geplant. Die Personalausgaben sind mit 15,9 Mrd. Euro (2013) und 16,3 Mrd. Euro (2014) veranschlagt. In der Mittelfristigen Finanzplanung geht die Landesregierung bis zum Jahr 2016 von einem weiteren Anstieg der Gesamtausgaben auf dann 42,7 Mrd. Euro aus. Die Personalausgaben sollen in diesem Zeitraum um weitere 2,2 Mrd. Euro (+14,6 Prozent) gegenüber 2012 auf dann 17 Mrd. Euro steigen.

2.2 Ausgaben im Einzelnen

Tabelle 4 zeigt, wie sich die Ausgaben von 2008 bis 2012 sowie im Zehnjahresvergleich (Basisjahr 2003) im Einzelnen entwickelt haben.

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Die Personalausgaben stiegen in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich an. Sie lagen 2012 um 16 Prozent über den Personalausgaben des Jahres 2003. Allein in den vergangenen fünf Jahren haben sich die Personalausgaben um 1,8 Mrd. Euro erhöht (+13,6 Prozent). Die sächlichen Verwaltungsausgaben blieben im Zehnjahreszeitraum hingegen bei jährlich 1,6 bis 1,8 Mrd. Euro.

Die Ausgaben für Zuwendungen und Zuschüsse erhöhten sich in den vergangenen zehn Jahren deutlich. Sie erreichten 2012 mit 10,4 Mrd. Euro einen Höchststand. Diese Ausgaben sowie diejenigen für Baumaßnahmen wurden in den letzten Jahren durch die Konjunkturprogramme des Bundes und des Landes (Zukunftsinvestitionsprogramm, Landesinfrastrukturprogamm) beeinflusst. Die Ausgaben für Baumaßnahmen gingen 2012 allerdings um ein Drittel gegenüber dem Vorjahr zurück.

Auch die Ausgaben für den allgemeinen kommunalen Finanzausgleich sind beträchtlich gestiegen. Sie lagen 2012 mit 6,7 Mrd. Euro um 2,5 Mrd. Euro (+61 Prozent) höher als 2003.

Bei den Ausgaben für den Schuldendienst handelt es sich im Wesentlichen um Kreditmarktzinsen. Diese blieben aufgrund des günstigen Zinsniveaus in den letzten Jahren stabil. Sie sind 2012 um 157 Mio. Euro gegenüber 2011 gesunken. Da ab dem Jahr 2013 mit der Aufnahme neuer Schulden zu rechnen ist, werden auch die Zinsausgaben in den kommenden Jahren wieder steigen. In der Mittelfristigen Finanzplanung sieht die Landesregierung für 2016 vor, dass sich die Ausgaben für Kreditmarktzinsen auf 2,0 Mrd. Euro erhöhen werden.

Die Ausgaben für den Länderfinanzausgleich sind von 2003 bis 2008 um 41 Prozent gestiegen. Infolge gesunkener Steuereinnahmen war der Beitrag Baden-Württembergs 2009 und 2010 geringer. Er erreichte 2012 mit rund 2,6 Mrd. Euro wieder das Niveau von 2008. Bis 2016 ist mit einem weiteren Anstieg auf 2,8 Mrd. Euro zu rechnen.

In Abbildung 3 ist dargestellt, auf welche Bereiche sich die Ausgaben des Landes verteilen.

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Den größten Ausgabenblock mit 14,8 Mrd. Euro bilden die Personalausgaben.

3 Steuerdeckungsquote

Die Steuerdeckungsquote drückt das Verhältnis der Brutto-Steuereinnahmen in Bezug auf die bereinigten Gesamtausgaben aus. Sie ist ein Indikator für den Finanzierungsspielraum aus eigenen Finanzierungsquellen. Je niedriger die Quote ist, umso höher ist die Abhängigkeit von anderen Einnahmen, wie z. B. Entnahmen aus Rücklagen, Zuweisungen vom Bund oder Kreditaufnahmen.

Die Steuerdeckungsquote erreichte 2007 und 2008 einen Spitzenwert von mehr als 80 Prozent und sank 2010 auf unter 70 Prozent. 2012 stieg sie wieder auf 76 Prozent.

Im Bundesvergleich lag die Steuerdeckungsquote in den vergangenen Jahren in allen westlichen Flächenländern zwischen 70 und 80 Prozent.


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In den Staatshaushaltsplänen von 2008 bis 2014 sind jeweils zwischen 11.000 und 17.000 Stellen als künftig wegfallend bezeichnet.

Dennoch ist die Zahl der Stellen in diesem Zeitraum um 2.818 gestiegen. Hinzuzurechnen wären 2.700 Stellen, die in zwölf neuen Landesbetrieben und bei der Körperschaft Karlsruher Institut für Technologie ausgewiesen sind.

Das Land sollte die Vermerke „künftig wegfallend“ konsequent realisieren. Soweit infolge neuer Aufgaben neue Stellen geschaffen werden, müssen diese durch den sofortigen Wegfall anderer Stellen kompensiert werden.


1 Ausgangslage

Das (politische) Ziel, den Landeshaushalt in Einnahmen und Ausgaben dauerhaft ohne Neuverschuldung auszugleichen, ist nach § 18 Absatz 1 Landeshaushaltsordnung rechtlich verbindlich und spätestens ab 2020 auch durch Artikel 109 Grundgesetz verfassungsrechtlich vorgegeben. Die Konsolidierung des Landeshaushalts ist - ungeachtet der rechtlichen Vorgaben - auch finanzpolitisch notwendig, um finanzielle Spielräume für neue Aufgaben und die in den letzten Jahren stark vernachlässigten Investitionen zu gewinnen.

Die Ausgaben des Landes müssen gegenüber den bisherigen Plandaten konsequent gesenkt werden, damit die Vorgaben der Schuldenbremse eingehalten werden können. Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft geht in der Mittelfristigen Finanzplanung 2012 bis 2016 (Stand Januar 2013) von einem zusätzlichen Konsolidierungsbedarf von 732 Mio. Euro in 2015 und 933 Mio. Euro in 2016 aus.

Es bedarf erheblicher struktureller Einschnitte bei den Ausgaben des Landes, um dieses Ziel nachhaltig zu realisieren. Dabei kommt den Personalausgaben die entscheidende strategische Bedeutung zu. Der Rechnungshof hat darauf in den Denkschriften der Vorjahre immer wieder hingewiesen.

Wie und in welchen Bereichen die Personalausgaben verringert werden, muss zeitnah und für die betroffenen Ressorts verbindlich entschieden werden. Die Landesregierung hat dies erkannt, die konsequente Umsetzung der gewonnenen Einsichten allerdings erst ab 2015 vorgesehen.

2 Entwicklung 2008 bis 2014

Die tatsächliche Entwicklung der Jahre 2008 bis 2014 trägt den finanzpolitischen Konsolidierungszielen nicht ausreichend Rechnung.

2.1 Entwicklung der Stellenzahlen im Landeshaushalt

Im Staatshaushaltsplan 2013 sind 208.316,5 Stellen (ohne Landesbetriebe) ausgewiesen. 2014 steigt diese Stellenzahl um 203,5 Stellen auf 208.520 Stellen. Tabelle 1 zeigt die Entwicklung dieser Stellen in den Staatshaushaltsplänen (ohne Nachtragshaushalte) von 2008 bis 2014.

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Von 2008 bis 2014 hat sich die Zahl der Stellen um 2.818 erhöht. Dies entspricht einem Anstieg um 1,4 Prozent.

Im Rahmen der Regierungsneubildung wurden per saldo 116 Neustellen geschaffen. Zur haushaltsneutralen Refinanzierung sind hierfür in den Jahren 2012 bis 2016 insgesamt 147 Stellen einzusparen.

Bei der Stellenzahl ist zu beachten, dass das Land in den Jahren 2008 bis 2012 zwölf Behörden in Landesbetriebe und das Karlsruher Institut für Technologie in eine Körperschaft des öffentlichen Rechts umgewandelt hat, sodass insgesamt 2.697,5 Stellen nunmehr anderweit etatisiert sind.

Die Stellenzahl im Landeshaushalt ist gleichwohl um 2.818 Stellen gestiegen. Per saldo sind demnach 5.515,5 neue Stellen im Landeshaushalt geschaffen worden.

Die Stellenzahl hat sich nicht in jedem Einzelplan erhöht. Die Reduzierung der Stellenzahl kann auf Umressortierungen, auf reale Einsparungen (z. B. bei den Regierungspräsidien) oder auf Auslagerungen auf Einrichtungen außerhalb des Staatshaushaltsplans beruhen.

Tabelle 2 zeigt, wie sich die Stellen verteilen (ohne Nachtragshaushalte).

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Im Zuge des Regierungswechsels wurden zwei neue Ministerien geschaffen, zwei Ministerien zusammengelegt und Aufgaben verlagert. Unabhängig von den organisatorischen Änderungen fällt auf, dass in sieben Einzelplänen die Stellenzahl seit 2008 gestiegen ist. Der größte Stellenzuwachs entfällt mit 3.033 Stellen auf das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport. Für das Maßnahmenpaket „Qualitätsoffensive Bildung“ wurden in den vergangenen Jahren rund 3.600 Lehrerstellen bereitgestellt.

Beim Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz ist ein Zuwachs von 576,5 Stellen zu verzeichnen, der im Wesentlichen durch Umressortierung begründet ist.

2.2 Entwicklung der kw-Vermerke im Landeshaushalt

Ein (mindestens theoretisch) geeignetes Instrument, die Zahl der Stellen nachhaltig zu reduzieren, ist die Ausbringung von Vermerken „künftig wegfallend“ (kw-Vermerke) bei entbehrlichen oder entbehrlich werdenden Personalstellen. Beim Ausscheiden oder Wechsel des Stelleninhabers darf die mit einem kw-Vermerk versehene Stelle nicht mehr neu besetzt werden.

Von diesem Planungsinstrument haben Landesregierung und Landtag in den letzten Jahren umfangreich Gebrauch gemacht. Allerdings mangelt es am konsequenten Vollzug dieser Vermerke.

Tabelle 3 stellt die Entwicklung der Stellen mit einem Vermerk „künftig wegfallend“ von 2008 bis 2014 dar (ohne Nachtragshaushalte).

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Die Zahl der Stellen mit Wegfallvermerk hat sich von 11.046,5 im Jahr 2008 um 5.964 kw-Stellen auf 17.010,5 kw-Stellen 2014 erhöht. Insbesondere für den Haushalt 2013 (17.380 kw-Stellen) ist ein deutlicher Zuwachs von 4.635,5 kw-Stellen gegenüber dem Vorjahreswert festzustellen.

Insgesamt 94 Prozent aller kw-Vermerke sind in den Einzelplänen des Kultusministeriums, des Innenministeriums und des Wissenschaftsministeriums ausgebracht, allein im Einzelplan des Kultusministeriums 70 Prozent. Jede zehnte Stelle dieses Ressorts ist mit einem kw-Vermerk versehen.

Im Einzelplan des Wissenschaftsministeriums ist ein Zuwachs von 2.041,5 kw-Stellen und beim Innenministerium von 204,5 kw-Stellen festzustellen. Der Zuwachs im Einzelplan des Wissenschaftsministeriums ist insbesondere auf die Ausbauprogramme „Hochschule 2012“ und „Master 2016“ zurückzuführen. Hierfür wurden in den vergangenen Jahren 2.300 kw-Stellen bereitgestellt.

Allerdings fehlt es beim Vollzug der kw-Vermerke an der notwendigen Konsequenz.

Trotz der ausgebrachten kw-Vermerke wurde im Landeshaushalt per saldo die Zahl der Personalstellen nicht reduziert.

Immer wieder wurden durch den Landtag die kw-Vermerke zeitlich nach hinten geschoben. So wurde allein 2011 der Vollzug von 6.500 kw-Vermerken im Lehrerbereich auf spätere Haushaltsjahre verschoben. Dies hat eine erhebliche finanzielle Dimension. Wenn 1.000 kw-Vermerke bei Stellen der Besoldungsgruppe A 13 um ein Jahr verschoben werden, entspricht dies einer Haushaltsbelastung von rund 50 Mio. Euro.

Teilweise wurden zwar Vermerke „künftig wegfallend“ vollzogen, aber gleichzeitig neue Stellen geschaffen.

3 Empfehlungen

Um den Landeshaushalt nachhaltig zu konsolidieren, müssen die Personalausgaben deutlich reduziert werden. Dies kann nur gelingen, wenn die Zahl der Personalstellen deutlich vermindert wird. Mit dem Stellenabbau muss sofort begonnen werden.

Dazu sind folgende Maßnahmen erforderlich:

       

      • Die im Landeshaushalt heute schon ausgewiesenen kw-Vermerke sind konsequent zu vollziehen. Die Realisierung darf weder hinausgeschoben noch umgangen werden.

       

      • Die Landesregierung muss prüfen, ob weitere kw-Vermerke ausgewiesen werden können. Bei wegfallenden Aufgaben oder reduziertem Aufgabenumfang müssen die einschlägigen Personalstellen mit kw-Vermerken versehen werden. Kw-Vermerke eignen sich auch, um die vorgegebenen Sparziele zu erreichen.

       

      • Frei werdende Stellen ohne kw-Vermerke dürfen in der Regel nur dann wiederbesetzt werden, wenn deren Notwendigkeit unabweisbar ist. Von der Möglichkeit, frei werdende Stellen durch Umsetzungen zu besetzen, ist verstärkt Gebrauch zu machen.

       

      • Wenn im Falle neuer, mittelfristig nicht vorhergesehener Aufgaben ausnahmsweise neue Stellen geschaffen werden müssen, sind diese durch den sofortigen Wegfall gleichwertiger Stellen in anderen Bereichen des Landeshaushalts zu kompensieren. Erst wenn diese Kompensation realisiert ist, darf die neue Stelle besetzt werden.

      Die Gesamtzahl der im Landeshaushalt ausgewiesenen Stellen darf nicht mehr erhöht werden. Dabei müssen Stellen, die durch Verlagerung, z. B. auf Landesbetriebe, (scheinbar) aus dem Haushalt verschwinden, auf die Gesamtstellenzahl angerechnet werden.

      Weiterhin bietet sich an, die Personalausgaben durch ein Personalausgabengesamtbudget zu begrenzen. Auf die Denkschrift 2010, Beitrag Nr. 4 (Landtagsdrucksache 14/6604), wird verwiesen.

      4 Stellungnahme des Ministeriums

      4.1 Zu den dargestellten Stellenzahlen

      Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft weist in seiner Stellungnahme zunächst darauf hin, dass der in Tabelle 2 dargestellte Stellenzuwachs im Geschäftsbereich des Kultusministeriums nur teilweise mit einer realen Personalvermehrung korrespondiere. 1.193 Neustellen im Staatshaushaltsplan 2013/2014 dienten allein der Verschiebung von Stellen zwischen verschiedenen Plankapiteln im Zusammenhang mit der Einrichtung von Gemeinschaftsschulen. Dieselbe Stellenzahl werde zum 01.09.2014 in den abgebenden Plankapiteln gestrichen. Weiterhin sei vorgesehen, zum 01.09.2014 kw-Vermerke im Umfang von 1.200 Stellen „zur Abschöpfung des Schülerrückgangs“ zu realisieren.

      Der Stellenzuwachs im Einzelplan des Wissenschaftsministeriums sei insbesondere auf das Ausbauprogramm „Hochschule 2012“ und „Master 2016“ zurückzuführen. Dafür seien in den vergangenen Jahren rund 2.300 kw-Stellen geschaffen worden.

      4.2 Zu den Empfehlungen des Rechnungshofs

      Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft weist darauf hin, dass die Landesregierung mit dem Doppelhaushalt 2013/2014 erste Schritte zur Konsolidierung des Landeshaushalts bis 2020 eingeleitet habe. Die Konsolidierungsmaßnahmen beliefen sich 2013 auf 750 Mio. Euro und 2014 auf 1 Mrd. Euro.

      Das Ministerium ist der Ansicht, dass neben den Sachausgaben auch bei den Personalausgaben dauerhaft wirkende Einsparungen vorzunehmen seien, damit die strukturelle Nullneuverschuldung entsprechend den Vorgaben des Grundgesetzes ab 2020 erreicht werden könne. Ob und, wenn ja, in welchen Bereichen und in welchem Umfang Kürzungen bei den Personalausgaben vorgenommen werden, werde vom Haushaltsgesetzgeber abschließend zu entscheiden sein.

      Ein Instrument zur Erzielung von dauerhaft strukturell wirkenden Personalausgabeneinsparungen sei dabei der Abbau von Stellen. Bei der Ausgestaltung von Stellenabbauprogrammen seien - neben einer Aufgabenkritik beziehungsweise einer Überprüfung von Standards - insbesondere die demographischen Entwicklungen zu berücksichtigen (Abschöpfung der demokratischen Rendite).

      Im Übrigen gehe das Ministerium davon aus, dass die im Staatshaushaltsplan ausgewiesenen kw-Vermerke entsprechend den veranschlagten Fälligkeiten auch vollzogen werden.

      Frei werdende Stellen nur bei unabweisbarer Notwendigkeit wiederzubesetzen und dabei vorrangig vom Instrument der Umsetzung Gebrauch zu machen, wie vom Rechnungshof empfohlen, ergebe sich schon heute aus der Landeshaushaltsordnung und der dazu ergangenen Verwaltungsvorschrift.


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      Das Land hat im Haushaltsjahr 2012 keine neuen Kredite aufgenommen. Jedoch sind für 2013 und 2014 insgesamt 3,3 Mrd. Euro neue Kredite geplant. Angesichts erwarteter Steuereinnahmen in nie da gewesener Höhe hätte ein Weg gefunden werden müssen, auf neue Kredite zu verzichten.


      1 Verschuldungslage

      1.1 Schuldenentwicklung

      Zum 31.12.2012 betrugen die Schulden des Landes einschließlich der auf Dritte verlagerten Verpflichtungen 45,2 Mrd. Euro.

      2013-B04-Tab1.jpg

      Die Kreditmarktschulden, die Verpflichtungen beim Bund und bei anderen Ländern und die verlagerten Verpflichtungen konnten um insgesamt 122,5 Mio. Euro gesenkt werden. Die Kreditmarktschulden wurden trotz deutlich verbesserter konjunktureller Lage und hoher Steuereinnahmen nur um 5 Mio. Euro zurückgeführt.

      Durch eine Änderung des § 18 Landeshaushaltsordnung wurde die bisherige Schuldenobergrenze von 41,7 Mrd. Euro (Stand 31.12.2007) aufgehoben und die Regelung zur grundgesetzlichen Schuldenbremse nach Artikel 109 Absatz 3 Grundgesetz in Landesrecht umgesetzt. Demnach dürfen innerhalb einer Übergangsfrist bis einschließlich 2019 zum Haushaltsausgleich neue Kredite aufgenommen werden. Nach dem Staatshaushaltsplan ist vorgesehen, 2013 neue Kredite von 1,8 Mrd. Euro und 2014 von 1,5 Mrd. Euro aufzunehmen. Bis die Schuldenbremse Ende 2019 wirken wird, könnte der Schuldenstand des Landes mithin im schlimmsten Fall auf 50 Mrd. Euro anwachsen.

      1.2 Entwicklung der Nettokreditaufnahme

      Die Nettokreditaufnahme des Landes stellt den Saldo aus der Aufnahme (Bruttokreditaufnahme) und der Tilgung von Schulden am Kreditmarkt dar. Bei der Aufstellung des Staatshaushaltsplans 2011 wurde noch von einer Nettokreditaufnahme von 2,1 Mrd. Euro ausgegangen. Im Vierten Nachtrag zum Staatshaushaltsplan 2011 waren zuletzt noch 560 Mio. Euro neue Schulden geplant. Tatsächlich hat das Land 2011 und 2012 keine neuen Schulden aufgenommen.

      Die Abbildung zeigt die Entwicklung der Neuverschuldung von 2003 bis 2012.

      2013-B04-Abb.jpg

      In der Zehnjahresbetrachtung kommt Baden-Württemberg zum vierten Mal ohne neue Schulden aus. Bereits für 2013 und 2014 sind jedoch neue Schulden von insgesamt 3,3 Mrd. Euro vorgesehen.

      1.3 Kreditmarktschulden und Zinsen

      Die Entwicklung der Kreditmarktschulden und -zinsen in den vergangenen zehn Jahren ist aus Tabelle 2 ersichtlich.

      2013-B04-Tab2.jpg

      Die Zinsen für die Kreditmarktschulden sind seit 2003 trotz der beträchtlichen Neuverschuldung aufgrund des niedrigen Zinsniveaus bis 2011 nur moderat gestiegen. Zu berücksichtigen ist, dass nach dem Haushaltsvermerk bei Kapitel 1206, Titelgruppe 86, abweichend vom Bruttoprinzip seit 2009 die Zinsen aus der Anlage von liquiden Mitteln von den Zinsausgaben abgesetzt werden.

      Ein beachtliches Risiko für das Land besteht darin, dass das derzeit niedrige Zinsniveau wieder ansteigt. Bei einem Anstieg um 1 Prozent würde sich die Zinslast des Landes auf Basis der aktuellen Verschuldung mittelfristig um jährlich 400 Mio. Euro erhöhen.

      Seit 2008 wird die Zins-Steuer-Quote nach der Berechnungsmethode des Stabilitätsrats ermittelt. Sie drückt das Verhältnis der Zinsausgaben für Kreditmarktschulden zu den Steuereinnahmen aus. Die Quote zeigt, in welchem Umfang die Steuereinnahmen nicht mehr zur Finanzierung von anderen Ausgaben beziehungsweise Aufgaben des Landes zur Verfügung stehen.

      Die Zins-Steuer-Quote ist neben dem strukturellen Finanzierungssaldo, der Kreditfinanzierungsquote und dem Schuldenstand je Einwohner eine der vier Kennziffern des Stabilitätsrats zur Beurteilung der Haushaltslage. Der Stabilitätsrat hat einen Schwellenwert festgelegt, ab dem die Zins-Steuer-Quote kritisch zu sehen ist. Er liegt 2011 für die Flächenländer bei 14,6 Prozent. Die Zins-Steuer-Quote des Landes lag von 2009 bis 2011 zwischen 6,7 Prozent und 7,6 Prozent.

      1.4 Pro-Kopf-Verschuldung

      Die Verschuldung des Landes am Kreditmarkt belief sich zum 31.12.2012 auf 43,3 Mrd. Euro. Die Pro-Kopf-Verschuldung beträgt damit rechnerisch 4.006 Euro.

      Das Bundesministerium der Finanzen weist quartalsweise die Schuldenstände des Bundes und der Länder aus. Weiter errechnet es die Schulden je Einwohner. Seit 2011 hat es hierbei die Schulden gegenüber den Sondervermögen des Bundes nicht berücksichtigt. Dadurch ergibt sich für Baden-Württemberg eine Pro-Kopf-Verschuldung von 3.901 Euro im Jahr 2012. In Tabelle 3 wird die Pro-Kopf-Verschuldung, wie vom Bundesministerium der Finanzen ermittelt, dargestellt.

      2013-B04-Tab3.jpg

      Wie bisher liegt Baden-Württemberg auf dem dritten Platz aller Flächenländer.

      2 Rücklagen und Haushaltsüberschüsse

      Das Land hat allerdings auch Geldvermögen. Es hat Rücklagen und Sondervermögen gebildet. In Tabelle 4 sind diese aufgelistet.

      2013-B04-Tab4.jpg

      Ende 2011 betrugen die Rücklagen des Landes 819 Mio. Euro. Davon wurden 2012 per saldo 527 Mio. Euro Rücklagen entnommen. Somit waren Ende 2012 noch 293 Mio. Euro Rücklagen vorhanden. Im Staatshaushaltsplan sind für das Haushaltsjahr 2013 Entnahmen von 158 Mio. Euro aus diesen Rücklagen veranschlagt. In 2013 stehen für die Qualitätsoffensive Bildung 6,3 Mio. Euro weniger zur Verfügung als veranschlagt, weil in 2012 bereits mehr ausgegeben wurde. Es stehen daher für künftige Haushalte noch 141 Mio. Euro Mittel aus Rücklagen für den Haushaltsvollzug zur Verfügung.

      Zum Jahresende 2012 entstand ein kassenmäßiger Überschuss von 1,4 Mrd. Euro. Das noch nicht verwendete Guthaben des Landes aus seinen Kassenüberschüssen betrug zum 31.12.2012 insgesamt 1,8 Mrd. Euro. Im Staatshaushaltsplan 2013/2014 sind für das Haushaltsjahr 2013 Einnahmen (Entnahmen) aus rechnungsmäßigen Überschüssen der Vorjahre von 200 Mio. Euro veranschlagt.

      Der Bestand der Sondervermögen des Landes nahm 2012 gegenüber dem Vorjahr voraussichtlich um 730 Mio. Euro beziehungsweise 23,5 Prozent zu. Die größten Sondervermögen bilden die Versorgungsrücklage und der Versorgungsfonds des Landes. 2012 wurden diesen Sondervermögen 367 Mio. Euro zugeführt. Zum 01.07.2012 wurde der bisher als rechtlich selbstständige Anstalt des öffentlichen Rechts geführte Studienfonds in ein Sondervermögen des Landes umgewandelt.

      3 Haushaltsrisiken durch Bürgschaften, Garantien und Gewährleistungen

      Tabelle 5 zeigt den Stand und die Entwicklung der vom Land aufgrund der Ermächtigung im jeweiligen Staatshaushaltsgesetz übernommenen Gewährleistungen.

      2013-B04-Tab5.jpg

      Das Land hat 2009 seine Bürgschafts- und Garantieverpflichtungen erheblich ausgeweitet. Seither liegt das Garantievolumen zwischen 24,2 Mrd. Euro und 25,9 Mrd. Euro. Allein für die LBBW hat sich das Garantievolumen 2009 um 12,7 Mrd. Euro erhöht. Die Garantiesumme für die NECKARPRI GmbH zum Erwerb von Anteilen der Energie Baden-Württemberg AG beträgt 5,9 Mrd. Euro.

      Über diese Bürgschaften hinaus haftet das Land als Gewährträger für die Verbindlichkeiten der LBBW, der Landeskreditbank Baden-Württemberg - Förderbank (L-Bank), der Universitätsklinika sowie der Zentren für Psychiatrie und weiterer Anstalten des öffentlichen Rechts. Die Höhe dieser Eventualverbindlichkeiten kann ihrem Wesen nach betragsmäßig nicht beziffert werden. Das Land haftet grundsätzlich unbeschränkt. Es kann jedoch erst in Anspruch genommen werden, wenn die Gläubiger aus dem Vermögen dieser Einrichtungen nicht befriedigt werden können.

      4 Empfehlungen

      Die politische Handlungsfähigkeit ist durch die Höhe der Schulden stark eingeschränkt. Diese kann nur zurückerlangt werden, wenn neue Schulden vermieden und alte Schulden abgebaut werden. Alle bisherigen Regelungen haben nicht dazu geführt, dieses Ziel nachhaltig zu erreichen.

      Der Rechnungshof bedauert, dass 2013 Regelungen zu den Kreditermächtigungen nur in der Landeshaushaltsordnung und nicht in der Landesverfassung getroffen wurden. Bereits in der Denkschrift 2012, Beitrag Nr. 6 (Landtagsdrucksache 15/1906), haben wir ausgeführt, dass Regelungen zu einer Schuldenbremse in der Landesverfassung verankert werden sollten.

      Eine grundsätzliche Schwäche der bisherigen Regelung in § 18 Landeshaushaltsordnung bestand darin, dass sie (jedenfalls faktisch) nicht justiziabel war. Der Haushaltsgesetzgeber konnte deshalb gerichtlich nicht gezwungen werden, die Schuldengrenze einzuhalten. Diese Schwäche hätte dadurch beseitigt werden können, dass eine dem § 18 Landeshaushaltsordnung entsprechende Regelung in der Landesverfassung verankert wird.

      Im Vergleich mit der vorherigen Rechtslage (verbindliche Obergrenze für die Verschuldung des Landes von 41,7 Mrd. Euro) brachte die neue Regelung aus finanzpolitischer Sicht eine deutliche Verschlechterung. Die bisherige Obergrenze wurde aufgehoben und durch eine Regelung ersetzt, die dem Land erlaubt, bis 2019 über 8 Mrd. Euro neue Schulden aufzunehmen.

      5 Stellungnahme des Ministeriums

      Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft wendet ein, dass die Verankerung der grundgesetzlichen Schuldenbremse in der Landesverfassung im Rahmen eines fraktionsübergreifenden Dialogs diskutiert worden sei. Ein entsprechender Gesetzentwurf des Ministeriums mit einer Übergangsregelung bis 2019 sei jedoch von der Opposition nicht mitgetragen worden.

      Die bis 2012 geltende Regelung des Schuldendeckels nach § 18 Landeshaushaltsordnung (alte Fassung) habe sich letztlich auch infolge der Verwerfungen durch die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 als wirkungslos erwiesen. § 18 Landeshaushaltsordnung (alte Fassung) habe die Gefahr geschaffen, das Ziel einer nachhaltigen Haushaltspolitik nicht nur nicht zu verwirklichen, sondern diesem Ziel sogar entgegenzuwirken, indem er aufgrund seiner Ausrichtung auf Jahresgrößen bei einmal angefallenen Defiziten Anreize zu „kosmetischen“ Kürzungen im Landeshaushalt anstelle von strukturell, aber ggf. mit zeitlicher Verzögerung wirkenden Maßnahmen gesetzt habe.

      Um den Konsolidierungsprozess sowohl rechtmäßig als auch budgetär und ökonomisch ausgewogen zu gestalten, Einschnitte in das Leistungsniveau öffentlicher Dienstleistungen sachgerecht zu begrenzen und die Zukunftsfähigkeit des Landes zu sichern, könne die Konsolidierung nur mittelfristig und schrittweise erfolgen. Dem werde § 18 Landeshaushaltsordnung neuer Fassung gerecht.

      6 Schlussbemerkung

      Der Rechnungshof bleibt bei seiner Empfehlung, das Verschuldungsverbot in der Landesverfassung zu verankern.

      Die sowohl rechtlich als auch ökonomisch gebotene Konsolidierung des Landeshaushalts macht Ausgabenreduzierungen in allen Bereichen erforderlich. Durch neue Nettokreditaufnahmen werden Ausgabenreduzierungen aufgeschoben und überdies neue Lasten für künftige Haushalte geschaffen, die den Weg zur Konsolidierung länger und schwieriger machen.


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      Einzelplan 03: Innenministerium

      Die bisher von den Landespolizeidirektionen wahrgenommenen Aufgaben lassen sich mit einem um 71 Vollzeitäquivalente reduzierten Ressourceneinsatz erledigen. Die Polizeistrukturreform bietet die Chance, den operativen Bereich der Polizei zu stärken und einen Beitrag zur Konsolidierung des Landeshaushalts zu leisten.


      1 Ausgangslage

      Die vier Landespolizeidirektionen (Freiburg, Karlsruhe, Stuttgart und Tübingen) wurden im Zusammenhang mit der Verwaltungsstrukturreform 2005 als Abteilung 6 in die Regierungspräsidien eingegliedert. Der Rechnungshof Baden-Württemberg hat in den letzten Jahren bei den Regierungspräsidien umfassende Organisations- und Personalbedarfsprüfungen durchgeführt. Mit der Prüfung der Abteilungen 6, der Landespolizeidirektionen, haben wir diese Prüfungsserie fortgesetzt. Während der Prüfung wurde die Polizeistrukturreform beschlossen. Dies haben wir bei der Prüfung berücksichtigt: Da die bisher von den Landespolizeidirektionen wahrgenommenen Aufgaben nicht vollständig wegfallen werden, hat der Rechnungshof die Untersuchung mit reduzierten Untersuchungszielen fortgeführt. Zusätzlich wurden die Folgen der Polizeistrukturreform für spezifische Aufgaben untersucht und hierfür Empfehlungen ausgesprochen.

      Die Aufgaben der Landespolizeidirektionen werden in sechs Referaten (Landespolizeidirektion Karlsruhe zusätzlich Referat Wasserschutzpolizei) wahrgenommen. Die Landespolizeidirektionen sind das Bindeglied zwischen der polizeilichen Basis und dem Landespolizeipräsidium im Innenministerium. Sie steuern und koordinieren die Aufgabenwahrnehmung der derzeit 34 Polizeidirektionen und 3 Polizeipräsidien. Des Weiteren sind sie als Dienstleister für den polizeilichen Technikbereich zuständig und unterstützen die Polizeidienststellen vor Ort.

      2 Prüfungsergebnisse

      2.1 Querschnitts- und Fachaufgaben

      Die Finanzkontrolle hat die Aufgabenerledigung in den Referaten 62 Polizeirecht, 64 Führung und Einsatz und 65 Kriminalitätsbekämpfung näher untersucht. In einem iterativen Prozess wurde ein detaillierter Aufgabenkatalog mit den verantwortlichen Mitarbeitern aller vier Landespolizeidirektionen erstellt.

      Im Prüfungszeitraum waren 952 Personen im Umfang von 899 Vollzeitäquivalenten beschäftigt. 104 Mitarbeiter nahmen außerhalb der Referate 62, 64 und 65 einzelne, im Aufgabenkatalog definierte Tätigkeiten wahr. Hierfür verbuchten sie Mitarbeiterkapazitäten von 44 Vollzeitäquivalenten. Aus Vereinfachungsgründen werden diese Aufgaben generell als Aufgaben des Referats 62 bezeichnet.

      Wir haben bei insgesamt 1.056 Mitarbeitern mit der Methode der Selbsteinschätzung den Ressourceneinsatz erhoben. Mit Ausnahme der Landespolizeidirektion Tübingen, 11 Prozent, liegt der Querschnittsanteil der anderen Landespolizeidirektionen auf fast gleichem Niveau von 15 respektive 16 Prozent. Für eine Fachabteilung - ohne klassische Verwaltungsaufgaben wie Haushalt und Personal - ist dieser Querschnittsanteil sehr hoch.

      Im Fachbereich haben sich folgende Hauptaufgaben herauskristallisiert:

      2013-B05-Tab1.jpg

      Tabelle 1 zeigt, dass bei den Landespolizeidirektionen das Mobile Einsatzkommando mit einem Anteil von 19 Prozent die meisten Personalressourcen erfordert. Auf fünf weitere Kernaufgaben, Führungs- und Lagezentrum, Wirtschaftsdelikte, Organisierte Kriminalität, Kriminaltechnische Untersuchungsstelle und Verkehr, entfallen Anteile von 10 bis 5 Prozent. Für die übrigen fünf Hauptaufgaben werden mit Ausnahme der Datenstationen jeweils 2 respektive 3 Prozent der Gesamtpersonalressourcen eingesetzt.

      2.2 Benchmarking

      Aus den Ergebnissen der Mitarbeiterbefragung wurden Kennzahlen gebildet und je nach Sachverhalt realistische Zielwerte für einen Benchmarkvergleich zwischen den vier Landespolizeidirektionen festgelegt. Dabei wurde nicht immer der niedrigste Ressourceneinsatz berücksichtigt. Dadurch werden spezifische Besonderheiten einzelner Landespolizeidirektionen aufgegriffen und atypische Einflüsse auf das Ergebnis weitgehend ausgeschlossen.

      Das Optimierungspotenzial von insgesamt 71 Vollzeitäquivalenten bezieht sich auf eine Organisationsstruktur in Auflösung und wird sich bei den Landespolizeidirektionen nicht mehr realisieren lassen. Dies bedeutet, dass die Stellen für bereits jetzt entbehrliches Personal in Abgang gestellt und nicht mehr in die Polizeistrukturreform einfließen dürfen. Im Einzelnen geht es um folgende Bereiche:

      2.2.1 Querschnittsaufgaben

      Der Rechnungshof hat bei seinem Benchmarking im Querschnittsbereich Hauptaufgaben mit einem Ressourceneinsatz von 93,6 Vollzeitäquivalenten berücksichtigt. Dies entspricht 71,5 Prozent des gesamten Ressourceneinsatzes für Querschnittsaufgaben. Hieraus ergibt sich ein Optimierungspotenzial von insgesamt 19,4 Vollzeitäquivalenten. Würde dieses Optimierungspotenzial realisiert, reduzierte sich der Querschnittsanteil auf - für reine Fachabteilungen - immer noch hohe 12,4 Prozent.

      2.2.2 Fachaufgaben

      Bei den Fachaufgaben wurden vom gesamten Ressourceneinsatz von 812 Vollzeitäquivalenten Hauptaufgaben im Umfang von 605 Vollzeitäquivalenten beim Benchmarking berücksichtigt. Damit wurden 75 Prozent des Ressourceneinsatzes einem Benchmarking unterzogen. Für die anderen Aufgaben war ein Benchmarking nicht zielführend. Das Optimierungspotenzial von 51,7 Vollzeitäquivalenten verteilt sich auf die Fachaufgaben wie folgt:

      2013-B05-Tab2.jpg

      2.3 Polizeistrukturreform

      Der Rechnungshof hat die bislang von den Landespolizeidirektionen unter dem Dach der Regierungspräsidien wahrgenommenen Aufgaben auch im Kontext der neuen Polizeistruktur näher untersucht. Der größte Teil der Aufgaben der Referate 62 - sowie zwei (Teil-) Aufgaben der Referate 64 stellen keine „klassischen“ Polizeiaufgaben dar. Für diese Aufgaben werden bei den Landespolizeidirektionen bisher 95,8 Vollzeitäquivalente (Referate 62: 88,5 und Referate 64: 7,3) eingesetzt. Fachaufgaben mit einem Personalbedarf von 77 Vollzeitäquivalenten sollten in den Regierungspräsidien verbleiben. Dann könnte ein neues Referat gebildet und einzelne Aufgaben in der bestehenden Struktur zusammengeführt werden. Eine Aufgabenkritik ist durchzuführen.

      Der Großteil der bisher von den Landespolizeidirektionen erledigten Fachaufgaben wird künftig in den neu zu bildenden Präsidien wahrgenommen. Eine vollständige Dezentralisierung dieser Aufgaben, wie sie die Polizeistrukturreform vorsieht, könnte für einzelne Aufgaben zu vermeidbarem Personalmehrbedarf führen.

      Derzeit nehmen 16 Vollzeitäquivalente des höheren nichttechnischen Verwaltungsdienstes die Aufgaben Haushalt, Personal und Polizeirecht für die Landespolizeidirektionen und den nachgeordneten Bereich wahr. Wenn zukünftig alle Polizeipräsidien mit juristischem Personal ausgestattet werden, würde sich für diese Aufgabe ein erhöhter Personaleinsatz ergeben. Für die Aufgabe Schadensrecht setzen die Landespolizeidirektionen bisher rund 10 Vollzeitäquivalente ein. Den 12 beziehungsweise 15 künftigen Polizeipräsidien stünden weniger als 1 Vollzeitäquivalent für diese Aufgabe zur Verfügung.

      Die Landespolizei sollte den umfangreich angelegten Umsetzungsprozess der Polizeistrukturreform nutzen, um ineffiziente Strukturen zu verändern und Optimierungspotenziale im Personaleinsatz auszuschöpfen. Die Polizeistrukturreform bietet die Chance, den operativen Bereich der Polizei zu stärken und daneben einen Beitrag zur dringend notwendigen Konsolidierung des Landeshaushalts zu leisten.

      2.4 Projektcontrolling und Statistik

      Das Projektcontrolling sowie die Fallstatistik der Landespolizeidirektionen weisen in vielen Bereichen erhebliche Defizite auf. Bei der Polizei Baden-Württemberg ist der Funktionsumfang II der Neuen Steuerungsinstrumente, insbesondere die kostenträgerorientierte Zeit- und Mengenerfassung, nicht eingeführt worden. Daher ist derzeit eine sachgerechte Zuordnung des Personaleinsatzes auf die einzelnen Produkte/Fälle nicht möglich.

      3 Empfehlungen

      Durch die Polizeistrukturreform sollen die Aufgaben und Personalressourcen der Landespolizeidirektionen auf die neu einzurichtenden 15 Polizeipräsidien verteilt werden. Der Rechnungshof erwartet, dass dabei das für die Landespolizeidirektionen ermittelte Optimierungspotenzial der Referate 64 und 65 von 65,5 Vollzeitäquivalenten in Abgang gestellt wird. Diese Stellen sollten tatsächlich eingespart und nicht ins angestrebte Verstärkungspotenzial der Polizeistrukturreform einfließen.

      Das Optimierungspotenzial im Querschnitts- und Fachbereich des Referats 62 von 5,5 Vollzeitäquivalenten ist bei den Regierungspräsidien zu realisieren.

      Bei der Umsetzung der Polizeistrukturreform ist bei allen zu verlagernden Aufgaben zu prüfen, ob und inwieweit aus wirtschaftlichen Gründen Vor-Ort-Zuständigkeiten eingerichtet werden können. Jedenfalls sollte beim Polizeipräsidium Technik, Logistik, Service ein Justiziariat u. a. für Schadensrecht eingerichtet werden.

      Durch die Polizeistrukturreform wird aus einer dreistufigen eine zweistufige Verwaltungsorganisation. Die Leitungsspanne des Innenministeriums wird durch den künftigen Wegfall der Landespolizeidirektionen deutlich ausgeweitet. Infolgedessen ist ein funktionsfähiges, für Steuerungszwecke und für Leistungsvergleiche verwertbares internes Controlling unerlässlich. Um eine gesicherte Datenbasis zu erhalten und eine bedarfsorientierte Personalverteilung durchführen zu können, sollte die kostenträgerorientierte Zeit- und Mengenerfassung entsprechend des Funktionsumfangs II der Neuen Steuerungsinstrumente zeitnah etabliert werden.

      4 Stellungnahme des Ministeriums

      Das Innenministerium bezweifelt, dass durch die Ermittlungsmethoden des Rechnungshofs (Selbsteinschätzung der Mitarbeiter) eine sachgerechte Erhebung des Ressourceneinsatzes möglich sei. Ferner seien regionale Besonderheiten in den Organisationen und in den jeweiligen Zuständigkeiten nicht vollständig beachtet worden. Dadurch dürften dem Benchmarking des Rechnungshofs unzutreffende Vergleichswerte zugrunde liegen. Über das bei der Polizeistrukturreform ermittelte Verstärkungspotenzial von insgesamt 860 Vollzeitäquivalenten hinaus existiere daher kein weiteres Optimierungspotenzial.

      Das Ministerium habe die Einrichtung eines Kompetenzzentrums (Justiziariat) ausgiebig - auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten geprüft - und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass juristischer Sachverstand vor Ort nicht durch eine zentrale Servicestelle ersetzbar sei.

      Das Ministerium beabsichtige, die bislang von den Personalvertretungen abgelehnte Einführung der kostenträgerorientierten Zeit- und Mengenerfassung entsprechend des Funktionsumfangs II der Neuen Steuerungsinstrumente nach dem Start der Polizeistrukturreform nochmals anzugehen.

      5 Schlussbemerkung

      Der Rechnungshof bleibt bei seinen Empfehlungen. Er hat bei der gemeinsamen Bewertung der Ergebnisse alle bekannten regionalen Besonderheiten berücksichtigt. Die Aufgaben der Landespolizeidirektionen sind mit einem um 71 Vollzeitäquivalente reduzierten Personaleinsatz leistbar.


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      Einführung und Betrieb des BOS-Digitalfunks kosten Baden-Württemberg nach einer Kostenberechnung der Finanzkontrolle bis 2021 mindestens 637 Mio. Euro. Ab 2022 muss mit jährlichen Folgekosten von durchschnittlich 50 Mio. Euro gerechnet werden.

      Die ursprünglich im Haushalt veranschlagten Projektkosten von 400 Mio. Euro waren von Anfang an kleingerechnet und wurden erst sehr spät dem tatsächlichen Bedarf angepasst.


      1 Ausgangslage

      Bund und Länder bauen für die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) ein gemeinsames Digitalfunknetz auf. Es soll das veraltete BOS-Analogfunknetz ablösen. Ziel ist es, bundesweit eine abhörsichere, störungsfreie und schnelle Kommunikation zwischen den BOS zu ermöglichen. Zur Planung und Durchführung des Projekts in Baden-Württemberg gründete das Land die Projektorganisation „BOS-Digitalfunk Baden-Württemberg“. Für das Projekt wurde im Doppelhaushalt 2005/2006 eine Verpflichtungsermächtigung von 400 Mio. Euro veranschlagt.

      Seit 2004 wird das Vorhaben von einem Lenkungsausschuss gesteuert, in dem der Rechnungshof seit 2008 beratend vertreten ist. In der 16. Sitzung im Juni 2011 wurden um 160 Mio. Euro höhere Ausgaben genannt als ursprünglich geplant. Das war Anlass für unsere Prüfung. Sie soll die vollständigen Kosten für Einführung und laufenden Betrieb des BOS-Digitalfunks in Baden-Württemberg aufzeigen. Ferner soll sie die Folgekosten für den Betrieb sowie den notwendigen technischen Refresh ab 2022 abschätzen.

      2 Prüfungsergebnisse

      2.1 Zuständigkeiten und Finanzierung

      Der BOS-Digitalfunk basiert auf einer komplexen technischen Infrastruktur. Aufbau und Betrieb verursachen enorme Kosten und erfordern eine enge Zusammenarbeit von Bund und Ländern. Die zentrale Steuerung des Projekts wurde der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) übertragen. Zuständigkeiten für Errichtung, Betrieb sowie Finanzierung des Projekts und der BDBOS sind in umfangreichen Abkommen und Vereinbarungen zwischen den Beteiligten geregelt.

      Der Bund finanziert Teilbereiche des BOS-Digitalfunks in Baden-Württemberg mit, die Hauptlast trägt jedoch das Land.

      2.2 Projektorganisation

      Die Projektorganisation „BOS-Digitalfunk Baden-Württemberg“ ist als Stabsstelle im Innenministerium - Landespolizeipräsidium eingerichtet. Sie wird von einem Gesamtprojektverantwortlichen geleitet. Alle beteiligten Behörden und Organisationen (Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste) sind in die Projektorganisation integriert. Der Gesamtprojektverantwortliche wird von einem Projektstab unterstützt. Teile der Projektorganisation sind u. a. die Autorisierte sowie die Koordinierende Stelle für den Digitalfunk Baden-Württemberg (ASDBW/KSDBW). Die ASDBW ist die zentrale technische Betriebsstelle aller BOS in Baden-Württemberg. Die KSDBW fungiert als übergeordnete Schnittstelle zum Bund, zur BDBOS und zu den übrigen Ländern mit Zuständigkeit für BOS- sowie BOS-übergreifende strategische und administrative Aufgaben. Ab 2014 werden ASDBW und KSDBW im Rahmen der Polizeistrukturreform in das neu zu schaffende Präsidium Technik, Logistik, Service der Polizei integriert.

      Der künftige Personalbedarf beider Stellen im Regelbetrieb ist noch nicht endgültig ermittelt. Insbesondere steht noch nicht fest, ob sich mit wachsender Betriebserfahrung die bisher geltend gemachten Stellenanforderungen reduzieren lassen.

      Von den 68 Mitarbeitern des Projekts sind insgesamt 38 aus der Landespolizei zum Projekt abgeordnet, viele davon für ein bis zwei Jahre. Die ständige Fluktuation des Personals führte zu einem Know-how-Verlust. Letztlich konzentrierte sich das Wissen über Projektverlauf und -zusammenhänge von Beginn an auf wenige Personen, insbesondere auf die Gesamtprojektverantwortlichen.

      2.3 Projekt- und Regelbetriebskosten bis 2021

      Das tatsächliche Ausmaß der Projektkosten blieb dem Haushaltsgesetzgeber lange Zeit verborgen.

      2001 erbrachte eine Grobschätzung im Rahmen des Interessenbekundungsverfahrens Gesamtkosten von 8 Mrd. Euro auf Bundesebene für Aufbau und Betrieb für einen Zeitraum von 13 Jahren. Die Finanzministerkonferenz sah keine Möglichkeit, eine so hohe Summe bereitzustellen. Daraufhin hat eine Arbeitsgruppe der Innenministerkonferenz 2002 Mindeststandards gewählt, die unterhalb des Interessenbekundungsverfahrens und der Funkversorgungsgüte GAN 0 lagen (idealisiertes Topologiemodell). Die Gesamtkosten sollten danach nur noch 3,5 Mrd. Euro betragen. Auf Baden-Württemberg wären Ausgaben von 400 Mio. Euro entfallen. Weitere 75 Mio. Euro für die Erstbeschaffung der polizeilichen Endgeräte waren gesondert ausgewiesen.

      Im Doppelhaushalt 2005/2006 wurden 1,3 Mio. Euro und eine Verpflichtungsermächtigung von 400 Mio. Euro für den Landesanteil veranschlagt.

      Die Landesregierung hat sich 2005 für den 100 Mio. Euro teureren Standard GAN 2 entschieden.

      2007 aktualisierte das Bundesministerium des Innern den Landesanteil an den Projektkosten auf 510 Mio. Euro basierend auf der Funkversorgungsgüte GAN 0.

      Schon bei der Kabinettsvorlage des Innenministeriums im März 2007, spätestens aber bei Vorlage der Planrechnung 2008 des Finanzcontrollings der Projektorganisation im April 2008, gab es ernst zu nehmende Gründe, die Haushaltsvorsorge anzupassen.

      Die Kostensteigerungen für den Standard GAN 2 blieben unberücksichtigt. Darüber hinaus waren die Einsparpotenziale, welche die Projektorganisation zur Rettung der Kostenobergrenze von 400 Mio. Euro erschließen wollte, nicht realistisch. Ferner wurden die Kosten für die Objektversorgung (Funkversorgung von einsatztaktisch wichtigen Gebäuden und Bauwerken) im Landeshaushalt ausgeklammert. Gleiches galt für die Kostenbeteiligung des Bundes, für die das Land zunächst vorzuleisten hat.

      Die nachfolgenden Planrechnungen bestätigten eine stärkere Belastung des Landeshaushalts. Aber erst die Zahlen der Planrechnung 2011 veranlassten das Innenministerium zu einer Anpassung im Haushalt 2012. Das führte zu einer Erhöhung der Verpflichtungsermächtigung um 253 Mio. Euro. Damit sind nunmehr der Landesanteil mit 572 Mio. Euro (einschließlich Objektversorgung) sowie der vorzufinanzierende Bundesanteil von 81 Mio. Euro, insgesamt Ausgaben von 653 Mio. Euro, bis 2021 haushaltsrechtlich abgedeckt.

      Neuere Zahlen aus der Planrechnung 2012 gehen für den Landesanteil bei einer Best Case-Prognose von 516 Mio. Euro und einer Worst Case-Prognose von 561 Mio. Euro (jeweils einschließlich Objektversorgung) aus.

      2.4 Vollständige Kostenberechnung 2007 bis 2021

      Bei den unter Punkt 2.3 genannten Kosten handelt es sich nicht um die vollständigen Kosten für den BOS-Digitalfunk. Die Berechnungen des Finanzcontrollings des Projekts sind deshalb im Wesentlichen um Folgendes zu ergänzen:

      • Interne Personalkosten,
      • Einnahmen von nichtpolizeilichen BOS,
      • geringere Risikozuschläge sowie
      • Sachkosten außerhalb der für den BOS-Digitalfunk geschaffenen Titelgruppe 70.

      In Tabelle 1 ist die Kostenberechnung des Rechnungshofs der Planrechnung 2012 gegenübergestellt.

      2013-B06-Tab1.jpg

      Nach der vollständigen Kostenberechnung des Rechnungshofs belastet der BOS-Digitalfunk den Landeshaushalt bis 2021 mit 637 Mio. Euro (Best Case) bis 648 Mio. Euro (Worst Case). Hinzukommen der vorzufinanzierende Bundesanteil und die Kosten für den Weiterbetrieb des Analogfunks.

      2.5 Folgekosten des BOS-Digitalfunks von 2022 bis 2031

      Die Einführung des BOS-Digitalfunks wird nach 2021 zwangsläufig zu erheblichen Folgekosten führen. Damit ergibt sich eine Vorbelastung der jeweiligen Haushalte. Wir haben die Folgekosten deshalb in einer Modellrechnung geschätzt. Wir unterstellen, dass sich die verwendete Technik und die Kostenverteilung zwischen Bund und Land nicht grundlegend verändern. Basis sind die aktuellen Mengengerüste aus der Planrechnung 2012. Für die Betriebskosten werden die Berechnungen aus der Planrechnung 2012 fortgeschrieben, für die Personalkosten der Personalbedarf für den Regelbetrieb ab 2014 berücksichtigt.

      Tabelle 2 zeigt die voraussichtlichen Ausgaben, die vom Land von 2022 bis 2031 zu tragen sind.

      2013-B06-Tab2.jpg

      Insgesamt wird das Land nahezu 500 Mio. Euro in diesem Zeitraum bereitstellen müssen. Die durchschnittliche jährliche Haushaltsbelastung dürfte sich auf rund 50 Mio. Euro belaufen.

      3 Empfehlungen

      3.1 Dem Landtag realistische Kostenschätzung vorlegen

      Beim BOS-Digitalfunk in Baden-Württemberg sind nicht die ursprünglich prognostizierten Kosten aus dem Ruder gelaufen. Vielmehr wurden die ersten Kostenschätzungen als nicht finanzierbar eingestuft. Um das Projekt im Land zu retten, wurden nicht realisierbare Einsparungen gegengerechnet. In der Folge wurden unzureichende Haushaltsmittel beantragt und ausgewiesen. Dem Haushaltsgesetzgeber blieb die tatsächliche Haushaltsbelastung lange Zeit vorenthalten, obwohl das Innenministerium die Situation spätestens ab 2008 richtig einschätzen konnte.

      Wie bereits in der Denkschrift 2012, Beitrag Nr. 17 (Landtagsdrucksache 15/1917), Landesmesse Stuttgart, empfiehlt die Finanzkontrolle, bei Großprojekten, deren Planung und Realisierung sich über mehrere Jahre erstrecken, dem Landtag von Anfang an realistische, vollumfängliche Kostenschätzungen vorzulegen. Dabei sind Risiken, Preissteigerungen, insbesondere durch Projektverzögerungen, und Folgekosten zu kalkulieren sowie auch ein Worst-Case-Szenario zu erstellen.

      Der Haushaltsgesetzgeber ist darüber hinaus bei Großprojekten unverzüglich zu informieren, wenn der von ihm vorgegebene Rahmen überschritten würde.

      3.2 Projektorganisation effizient gestalten

      Das Land sollte außerdem bei Großprojekten eine effiziente Projektorganisation sicherstellen. Dazu gehört auch ein gewisses Mindestmaß an Personalkontinuität. Erfahrungs- und Projektwissen darf nicht verloren gehen, wenn maßgebliche oder eine Vielzahl von Mitarbeitern aus dem Projekt ausscheiden.

      Der Personalbedarf der ASDBW und KSDBW sollte spätestens ein Jahr nach Beginn des Regelbetriebs neu bewertet werden.

      4 Stellungnahme des Ministeriums

      Das Innenministerium und das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft halten die Verpflichtungsermächtigung von 400 Mio. Euro und das Beibehalten bis 2011 für sachgerecht.

      Das Innenministerium sieht zwar die Projektorganisation als effizient an, habe aber zwischenzeitlich Maßnahmen ergriffen, um für mehr Personalkontinuität zu sorgen.

      Das Innenministerium weist daraufhin, dass Aussagen zu den Folgekosten nach 2021 rein spekulativ seien.

      5 Schlussbemerkung

      Nach Auffassung des Rechnungshofs hätte spätestens nach Vorlage der Planrechnung 2008 die Haushaltsvorsorge angepasst werden müssen.

      Die Folgekosten werden zwangsläufig nach 2021 hoch sein. Unsere Modellrechnung basiert auf bereits heute bekannten Mindestannahmen, berücksichtigt aber nicht alle Risiken.


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      Die Polizei braucht kein Landespolizeiorchester. Musizieren ist eine polizeifremde Aufgabe. Das Landespolizeiorchester sollte aufgelöst werden, die Stellen sind zu streichen.


      1 Ausgangslage

      Zur Konsolidierung des Landeshaushalts müssen die Personalkosten gesenkt werden (siehe Denkschrift 2013, Beitrag Nr. 3, Landtagsdrucksache 15/3803 und Denkschrift 2012, Beitrag Nr. 4, Landtagsdrucksache 15/1904). Nach Auffassung der Landesregierung muss der notwendige Personalabbau mit einer Aufgabenkritik einhergehen. Gleichzeitig hat die Polizei wiederholt einen Personalmehrbedarf von 1.000 Stellen geltend gemacht. Dies hat die Finanzkontrolle veranlasst, 2012 in einem eng begrenzten Bereich eine aufgabenkritische Prüfung im Polizeihaushalt vorzunehmen und die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landespolizeiorchesters zu prüfen.

      Das Landespolizeiorchester versteht sich als „Guter Ton der Polizei“. Es soll landesweit als Repräsentant der Polizei durch sein künstlerisches und musikalisches Niveau Öffentlichkeitsarbeit leisten.

      2 Prüfungsergebnisse

      2.1 Organisation

      Als klassisches Blasorchester setzt sich das Landespolizeiorchester zusammen aus Blech- und Holzbläsern und einer Schlagzeuggruppe. Die 36 Orchestermitglieder sind ausgebildete Musiker und werden ausschließlich im musikalischen Dienst eingesetzt. Weitere drei Mitarbeiter betreuen das Orchester administrativ.

      Das Landespolizeiorchester verursacht jährliche Ausgaben von mehr als 2 Mio. Euro. Dem stehen nur geringe Einnahmen gegenüber.

      Das Polizeipräsidium Stuttgart ist für Führung, Einsatz und Verwaltung des Orchesters zuständig. Die künstlerische Ausrichtung steuert seit 2010 im Innenministerium das Landespolizeipräsidium. Seinen Sitz hat das Landespolizeiorchester bei der Bereitschaftspolizei in Böblingen.

      Die Verteilung der Zuständigkeiten auf zwei Dienststellen ist nicht zielführend und erschwert den ordnungsgemäßen Ablauf des Dienstbetriebs.

      2.2 Aufgaben und Aufgabenerfüllung

      Das Landespolizeiorchester soll durch öffentliche Auftritte Imagewerbung für die Polizei betreiben. Dafür gibt es weder eine Konzeption, in die sich das Orchester überzeugend einordnen ließe, noch wurde je der Effekt dieser Imagewerbung evaluiert und etwa mit Alternativen verglichen.

      2.2.1 Öffentlichkeitsarbeit durch polizeiinterne und externe Auftritte

      Das Landespolizeiorchester tritt als Gesamtorchester oder mit einem Kammerensemble auf. 2010 trat es 70-mal und 2011 insgesamt 55-mal auf.

      Abbildung 1 zeigt, wie sich die Auftritte auf die Anlässe 2010 und 2011 verteilen.

      2013-B07-Abb1.jpg

      Auftritte aus originär polizeilichen Anlässen waren beispielsweise Amtsleiterwechsel, Beerdigungen oder Gewerkschaftsveranstaltungen. Dabei handelte es sich überwiegend um polizeiinterne Einsätze, die der breiten Öffentlichkeit nicht zugänglich waren. Das Landespolizeiorchester leistete hier keine Öffentlichkeitsarbeit, sondern kulturellen Innendienst für die Polizei.

      Die Auftritte bei Behördenveranstaltungen, wie die Amtseinführung eines Amtsgerichtsdirektors, ließen fast ausnahmslos keinerlei Polizeibezug erkennen. Andere Berufs- oder Freizeitmusikorchester hätten diese Auftritte ebenso bestreiten können. So wurde z. B. die Feier anlässlich des Präsidentenwechsels beim Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart vom ehrenamtlichen OLG-Chor musikalisch umrahmt.

      Mehr als 50 Prozent aller Auftritte waren Benefizkonzerte. Nur durchschnittlich 8 Prozent dieser Benefizkonzerte wurden mit oder im unmittelbaren Interesse der Polizei durchgeführt. Bei 67 Prozent lagen die Benefizzwecke überwiegend oder ausschließlich im Interesse des Konzertveranstalters. Hier unterstützte die Polizei beispielsweise Musikvereine, um für deren eigene Jugendkapellen Geld zu sammeln. Die oftmals nur geringen Zuhörerzahlen und Spendenerlöse stehen in einem gewissen Widerspruch zu dem hohen Ansehen, welches die Polizei ihrem Orchester beimisst.

      Sonstige öffentlichkeitswirksame Auftritte waren Veranstaltungen Dritter, bei denen das Landespolizeiorchester kostenfrei oder gegen geringes Honorar engagiert wurde. Ein polizeiliches Interesse an der Durchführung derartiger Veranstaltungen war überwiegend nicht zu erkennen.

      Im Prüfungszeitraum waren dem polizeilichen Auftrag des Landespolizeiorchesters im engeren Sinne nur jeweils 15 Auftritte zuzuordnen. Diese standen in keinem akzeptablen Verhältnis zu den Ausgaben, die der Polizei für das Berufsorchester entstanden.

      Für solche Veranstaltungen könnten auch die Freizeitmusikkorps der Polizei eingesetzt werden, die ohnehin bereits erfolgreich Öffentlichkeitsarbeit leisten. Sie erzielen oft eine beeindruckende Resonanz in der Bevölkerung. Im Einzelfall wären auch Kooperationen mit anderen Landespolizeiorchestern denkbar.

      2.2.2 Auslastung

      Das Landespolizeiorchester war 2010 und 2011 bei Weitem nicht ausgelastet. Die Einsätze waren stark rückläufig. 2011 waren es nur noch 55 Einsätze. Dies ist für ein eingespieltes Orchester deutlich zu wenig.

      Auch im Vergleich der großen Flächenländer war das Landespolizeiorchester im Land unterdurchschnittlich präsent. Die Orchester der anderen Länderpolizeien traten durchschnittlich dreimal häufiger auf.

      2.2.3 Landesweite Streuung der Auftritte

      Für die überregionale Öffentlichkeitsarbeit ist eine angemessene landesweite Streuung der Auftrittsorte notwendig.

      2013-B07-Abb2.jpg

      Die Auftritte 2011 konzentrierten sich - wie auch in den Jahren zuvor - auf den Großraum Stuttgart. Die anderen Landesteile waren deutlich unterrepräsentiert. Damit kam das Landespolizeiorchester seinem Auftrag der landesweiten Öffentlichkeitsarbeit nur unzureichend nach.

      2.2.4 Öffentlichkeitsarbeit durch CD-Produktionen

      Das Landespolizeiorchester spielte bisher 35 CDs ein. Dabei handelte es sich weit überwiegend um Verlagsproduktionen. Musikverlage engagieren zu diesem Zweck Orchester gegen Honorar für das Einspielen von Noten. Ein messbarer Nutzen dieser CD-Aufnahmen für die Polizei ist nicht zu erkennen. Nur neun CDs, die als Öffentlichkeitsarbeit gewertet werden könnten, produzierte das Landespolizeiorchester im eigenen Interesse.

      Zwei Eigenproduktionen konnte das Landespolizeiorchester nur über Kredite der Polizeistiftung Baden-Württemberg realisieren. Diese Vorfinanzierungen stellen verdeckte Kreditaufnahmen dar. Sie waren - wie auch die Zinszahlungen - haushaltsrechtlich unzulässig.

      2.3 Personal

      Das Landespolizeiorchester beschäftigte bis Mitte der Neunzigerjahre ausschließlich Beamte. In den Siebzigerjahren wurden gesonderte Anforderungen an Bewerber für den Polizeimusikdienst eingeführt. Die Musiker erhielten eine reduzierte Polizeiausbildung. Sie wurden zu Polizeivollzugsbeamten ernannt, ohne für den Polizeivollzugsdienst vollwertig einsetzbar zu sein oder je eingesetzt zu werden.

      Nach einer Organisationsuntersuchung änderte sich die Beschäftigtenstruktur des Landespolizeiorchesters. Fortan wurden Musiker nur noch als Tarifbeschäftigte eingestellt.

      Im Prüfungszeitraum befanden sich von den 36 Musikern noch 19 in einem Beamtenverhältnis.

      2.3.1 Beamte im Polizeimusikdienst

      Die verbeamteten Musiker sind Polizeivollzugsbeamten vollumfänglich gleichgestellt. Sie

      • erhalten die Zulage für Beamte mit vollzugspolizeilichen Aufgaben, haben aber nur eine eingeschränkte polizeiliche Ausbildung und werden ausschließlich im Musikdienst eingesetzt;

       

      • haben auch ein vorgezogenes Pensionseintrittsalter, waren aber nie der außerordentlichen Belastung eines Polizeivollzugsbeamten ausgesetzt;

       

      • beziehen Heilfürsorgeleistungen, mit denen den Erschwernissen des Vollzugsdienstes Rechnung getragen werden soll;

       

      • absolvieren Laufbahnaufstiege, ohne sich je auf einem Dienstposten des gehobenen Polizeivollzugsdienstes bewährt zu haben.

      2.3.2 Arbeitszeit, Mehrarbeit und Überstunden

      Die Orchestermusiker nahmen vormittags dienstplanmäßig an gemeinsamen Proben am Dienstort teil. Daneben konnten ihnen noch bis zu drei Stunden täglich für Einzelproben zu Hause als Arbeitszeit angerechnet werden. Das führte häufig zu einer Überschreitung der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit. Auch wurde regelmäßig die Mittagspause als Arbeitszeit berücksichtigt. Dadurch häufte sich die Zahl der Überstunden.

      Die Auftritte des Landespolizeiorchesters waren zumeist an Abenden und Wochenenden. Demnach fielen Mehrarbeit und Überstunden an. Ein Teil der Musiker erhielt Mehrarbeits- bzw. Überstundenvergütung. Andere Musiker konnten solche Stunden im laufenden Orchesterbetrieb mit Freizeit ausgleichen. Einheitliche Regelungen im Umgang mit der Mehrarbeit und deren Erfassung bestehen nicht.

      Musiker des Landespolizeiorchesters betrieben regelmäßig Dienst- bzw. Betriebssport. Die dafür verwendeten Zeiten erfassten sie bisher nicht elektronisch einheitlich und nachprüfbar. Dadurch wurden beim Betriebssport teilweise die Zeiten für die Fahrtwege und die Vor- und Nachbereitung als Arbeitszeit anerkannt.

      2.3.3 Interessenkollision von Orchestertätigkeit und Nebentätigkeit

      Fast alle Mitglieder des Orchesters übten Nebentätigkeiten aus. Kam es dabei zu zeitlichen Überschneidungen, ordnete das Landespolizeiorchester seine dienstlichen Belange wiederholt den Interessen der Musiker an ihren Nebentätigkeiten unter. Die Musiker erhielten trotz dienstlicher Verpflichtungen dienstfrei; sie mussten lediglich einen Aushilfsmusiker organisieren und finanzieren. Die dienstlichen Pflichten wurden damit nicht ordnungsgemäß erfüllt.

      Außerdem hat das Landespolizeiorchester Benefizkonzerte zugunsten von Musikvereinen gespielt, in denen Mitglieder des Landespolizeiorchesters eine entgeltliche Nebentätigkeit ausübten. Das Landespolizeiorchester darf sich für solche Interessen seiner Mitglieder nicht instrumentalisieren lassen.

      2.3.4 Viele Aushilfsmusiker sichern die Spielfähigkeit

      2011 hatte das Landespolizeiorchester 126 Aushilfen engagiert, um die Spielfähigkeit bei seinen 55 Auftritten und für die fünf CD-Produktionen zu sichern.

      2.4 Investitionsbedarf für die Beschaffung von Instrumenten

      Das Landespolizeiorchester beschaffte nur unregelmäßig und nicht bedarfsorientiert Instrumente. Dies führte zu einem Investitionsstau von nunmehr 160.000 Euro. Eine bedarfsgerechte Ausstattung würde eine mehrjährige deutliche Erhöhung des Sachmittel-Budgets bedeuten, welches derzeit 68.000 Euro beträgt.

      2.5 Nutzung und Auslastung der Dienstfahrzeuge

      Drei Fahrzeuge waren dem Landespolizeiorchester zugewiesen. Zwei Kleintransporter befinden sich im Landeseigentum; ein Personenkraftwagen ist geleast.

      Alle Fahrzeuge waren bei Weitem nicht ausgelastet. Die geringen Einsatztage rechtfertigen nicht die alleinige Nutzung der Fahrzeuge durch das Landespolizeiorchester.

      3 Empfehlungen

      3.1 Auflösung des Landespolizeiorchesters

      Das Landespolizeiorchester ist ein professionelles sinfonisches Blasorchester. Es leistet damit einen kulturellen Beitrag. Die Polizei hat aber keinen Kulturauftrag. Sie sollte sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren. Musizieren gehört nicht dazu. Auch andere große Berufsgruppen im Landesdienst haben keine eigenen Klangkörper für die Öffentlichkeitsarbeit. Es gibt weder ein professionelles Landesschulorchester noch ein Landesjustizorchester.

      Das Landespolizeiorchester sollte umgehend aufgelöst werden. Dafür spricht auch, dass beim Landespolizeiorchester höhere Sachausgaben als bisher anstehen. Die Stellen sollten eingespart werden.

      Alle verbeamteten Musiker sollten aus dem Orchester herausgelöst und in den Polizeivollzugsdienst integriert werden, für den sie besoldet werden. Alternativ sollten Möglichkeiten für einen Laufbahnwechsel geschaffen werden.

      3.2 Notwendige Maßnahmen in der Übergangszeit

      Bis zur vollständigen Auflösung müssen die Ausgaben reduziert und die Einnahmen deutlich erhöht werden. Dabei sollten folgende Empfehlungen beachtet werden:

      Die organisatorischen und fachlichen Zuständigkeiten für das Landespolizeiorchester sind zu bündeln. Die bestehenden Regelungen zum Dienstbetrieb sollten ergänzt und zu einer Dienstvereinbarung zusammengefasst werden.

      Das Landespolizeiorchester sollte seine Aufgaben präzisieren und priorisieren. Bei den Auftritten des Landespolizeiorchesters muss bis zur vollständigen Auflösung die Einnahmenerzielung im Vordergrund stehen.

      Da CD-Produktionen für Musikverlage weder zu den Aufgaben des Orchesters gehören noch wirtschaftlich sind, sollte darauf verzichtet werden.

      Das Verlassen des Dienstgebäudes sollte stets am Zeitterminal quittiert werden. Für eine Teilnahme am Betriebssport dürfen nur 30 Minuten auf die Arbeitszeit angerechnet werden.

      Die Arbeitszeitregelung sollte so angepasst werden, dass künftig keine Überstunden mehr entstehen können. Durch eine konsequente Dienstplangestaltung und -umsetzung, die Einhaltung der Pausenregelungen sowie die Kontrolle der Arbeitszeitaufschreibungen werden zukünftig Mehrarbeits und Überstundenvergütungen nahezu entbehrlich.

      Bei der Konzertakquise muss sorgfältig geprüft werden, ob ein Musiker sich dadurch persönliche Vorteile verschafft. Um jeden Anschein der persönlichen Vorteilnahme zu vermeiden, sollte in Zweifelsfällen keine Zusage erteilt werden.

      Die Dienstfahrzeuge sollen in einen Fahrzeugpool eingegliedert werden.

      4 Stellungnahme des Ministeriums

      Das Innenministerium ist nicht bereit, das Landespolizeiorchester aufzulösen. Es sieht in ihm einen wichtigen imagebildenden Werbefaktor und musikalischen Botschafter der Polizei. Gleichwohl erkennt es an, dass verschiedene Aspekte kritisch zu hinterfragen sind, in letzter Konsequenz auch die Notwendigkeit des Landespolizeiorchesters selbst. In einem ersten Schritt soll der Klangkörper um 15 auf maximal 21 Mitglieder verkleinert werden. Für die nicht mehr benötigten beamteten Musiker sollen andere Verwendungsmöglichkeiten im Polizeivollzugsdienst geprüft werden. Diese Maßnahmen will das Ministerium in einem Jahr evaluieren. Dabei will es auch prüfen, ob die Einnahmen, die Zahl der Auftritte und die Zuschauerzahlen erhöht werden konnten.

      Der Empfehlung, die Benefizkonzerte auf Einzelfälle zu beschränken und auf behördeninterne Auftritte zu verzichten, wird nicht gefolgt. Das Ministerium betrachtet diese Auftritte wegen ihrer Öffentlichkeitswirksamkeit als vertretbar. Außerdem hält es an seiner bisherigen Zuständigkeit für das Landespolizeiorchester fest.

      Im Übrigen hat das Innenministerium die Hinweise des Rechnungshofs bereits weitgehend umgesetzt.

      Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft hat sich im Prüfungsverfahren dafür ausgesprochen, dass die Option einer vollständigen Auflösung des Landespolizeiorchesters erhalten bleiben muss.


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      Einzelplan 04: Ministerium für Kultus, Jugend und Sport

      Das Kultusministerium kann auf Ressourcen von bis zu 191 Mio. Euro jährlich zurückgreifen, um die Unterrichtsversorgung zu sichern. Inwieweit dies gelingt, ist vor allem eine Frage der sachgerechten Steuerung der Krankheitsvertretungsreserve und der für Vertretungen verfügbaren Haushaltsmittel.


      1 Ausgangslage

      Die Unterrichtsversorgung zu verbessern, zählt das Kultusministerium zu den wichtigsten Aufgaben der Bildungspolitik. Zur Sicherung der Unterrichtsversorgung für das Schuljahr 2012/13 wurden 200 zusätzliche Deputate als Krankheitsvertretungsreserve bereitgestellt. Insgesamt sind für alle Schularten landesweit 1.466 Deputate als Krankheitsvertretungsreserve, die sogenannte feste Lehrerreserve, ausgewiesen. Neben dieser festen Lehrerreserve und den im Staatshaushaltsplan ausgewiesenen Mitteln für Vertretungslehrkräfte zur Sicherung der Unterrichtsversorgung von jährlich 75 Mio. Euro gibt es weitere Ressourcen, um Unterrichtsausfälle zu vermeiden (z. B. Mehrarbeit der Lehrkräfte, variabler Einsatz Regelstundenmaß).

      Unterrichtsausfall ist in der bildungspolitischen Diskussion zu einem Kampfbegriff für echte oder vermutete Defizite an den Schulen geworden. Jeder kennt den Begriff Unterrichtsausfall, aber nicht immer ist auch dasselbe gemeint. Für die sachliche Darstellung ist eine präzise Definition dieses Begriffes dringend geboten. Die Allgemeinheit zählt jede nicht gemäß dem Stundenplan von der regulären Lehrkraft in der Klasse gehaltene Unterrichtsstunde zum Unterrichtsausfall. Neben einem solchen „situativen“ Unterrichtsausfall gibt es den „strukturellen“ Unterrichtsausfall. Dieser liegt vor, wenn aufgrund generell fehlender Personalressourcen, z. B. Fachlehrermangel, der Unterricht von vornherein nicht eingeplant werden kann.

      Das Kultusministerium ermittelt ausschließlich den situativen Unterrichtsausfall im Pflichtbereich. Nach Definition des Ministeriums liegt dieser vor, wenn bei Abwesenheit der Lehrkraft Unterricht im Pflichtbereich nicht durch Vertretungsmaßnahmen aufgefangen werden kann. Der Pflichtbereich umfasst die Erfüllung des Pflicht- und Wahlpflichtunterrichts der jeweiligen Stundentafel. Die über den Pflichtbereich hinausgehenden Stunden bilden den Ergänzungsbereich. Die Untersuchung geht von dieser Definition aus.

      Das Ministerium hat im Laufe der Jahre im Wesentlichen drei Säulen zur Vermeidung von Unterrichtsausfall entwickelt: die feste Lehrerreserve, die Haushaltsmittel für Vertragskräfte und Mehrarbeitsvergütungen sowie personelle und schulorganisatorische Maßnahmen auf Schulebene.

      2 Prüfungsergebnisse

      2.1 Stichproben des Kultusministeriums

      Das Kultusministerium ermittelt jährlich die Unterrichtssituation an den öffentlichen Schulen und wählt aus den mehr als 4.000 öffentlichen Schulen bis zu 632 Schulen für die Stichprobe aus. Diese Erhebungen erfassen die Situation einer Unterrichtswoche im November (Stichwoche).

      Im Mittel der letzten fünf Schuljahre (Betrachtungszeitraum von 2008 bis 2012) betrug der rechnerische Unterrichtsausfall im Pflichtunterricht nach Abzug der Vertretungsmaßnahmen über die Schularten (ohne Gemeinschaftsschule) 3 Prozent. An den Grundschulen fiel am wenigsten Unterricht aus, an den allgemeinbildenden Gymnasien am meisten.

      2012 lag der Durchschnitt aller Schularten bei 2,9 Prozent. Bei den Grundschulen waren es 0,7 Prozent, bei den allgemeinbildenden Gymnasien 4,8 Prozent.

      Im Betrachtungszeitraum war der häufigste Grund für den Vertretungsbedarf die Krankheit von Lehrkräften mit durchschnittlich 57 Prozent. An zweiter Stelle lagen mit 18 Prozent die Fortbildungsmaßnahmen. Es folgen mit deutlichem Abstand und wechselnder Platzierung die übrigen Abwesenheitsgründe wie außerunterrichtliche Veranstaltungen, dienstliche Aufgaben, Prüfungsteilnahme, Mutterschutz/Elternzeit und sonstige Gründe.

      2.2 Feste Lehrerreserve

      Die feste Lehrerreserve wird aus den vorhandenen Lehrerressourcen entnommen. Auch bei der Erhöhung der Krankheitsvertretungsreserve wurde auf vorhandene Lehrerstellen zurückgegriffen. Neue Stellen für Vertretungen wurden nicht geschaffen. Dieses Vorgehen ist ressourcenschonend und belastet den Personalhaushalt nicht zusätzlich.

      In der Schulpraxis ist diese Reserve eine wesentliche Maßnahme, um die Unterrichtsversorgung zu sichern. Ihre Wirksamkeit hängt von der jeweiligen Schulart ab. Bei den fächerspezifischen Schularten (z. B. Gymnasium) kann die in der festen Lehrerreserve eingeplante Lehrkraft die Fachvertretung oft nicht leisten, da sie nicht über die entsprechende Fachausrichtung verfügt.

      Bei den Grund-, Haupt- und Werkrealschulen ist der Einsatz der festen Lehrerreserve sachgerecht. Die Stichwochenergebnisse erhärten dies. Bei den beruflichen Schulen und den Sonderschulen wird die feste Lehrerreserve überwiegend für den Unterricht und nicht für Vertretungen eingesetzt. Das Kultusministerium verweist dabei auf das strukturelle Defizit in diesen Schularten. An diesen Schulen wird daher die feste Lehrerreserve im Allgemeinen zweckfremd eingesetzt.

      Im Übrigen haben große mehrzügige Schulen bessere Möglichkeiten, die Unterrichtsversorgung sicherzustellen.

      2.3 Vertretungspotenzial

      Neben der festen Lehrerreserve und den im Staatshaushaltsplan ausgewiesenen Mitteln für Vertretungen gibt es zusätzliche Ressourcen zur Vermeidung von Unterrichtsausfällen im Pflichtbereich. Hierzu gehören die unbezahlte Mehrarbeit der Lehrkräfte und der variable Einsatz der Regelstundenmaße bei den beruflichen Schulen und den allgemeinbildenden Gymnasien. Dies ergibt zusammen ein rechnerisches Potenzial von bis zu 3.319 Lehrerstellen und entspricht einem Finanzvolumen von 191,8 Mio. Euro. Das sind 4 Prozent der im unmittelbaren Schuldienst eingesetzten 83.898 Lehrerstellen. Hinzu kommen vielfältige unterrichtsorganisatorische und pädagogische Vertretungsmaßnahmen, die schwer quantifizierbar sind.

      Die Tabelle zeigt die Aufteilung des Vertretungspotenzials.

      2013-B08-Tab.jpg

      2.4 Datenlage

      An den Schulen gibt es reichlich Daten zur Unterrichtssituation, zur Abwesenheit von Lehrkräften und zu Vertretungsmaßnahmen. Diese Informationen werden in verschiedenen Medien analog oder digital vorgehalten, sind aber für eine effiziente Auswertung nicht erschlossen; steuerungsrelevante Kennzahlen fehlen. So ist die Schulverwaltung auf gesonderte Datenerhebungen angewiesen, um die Zahl der langzeiterkrankten Lehrkräfte zu ermitteln, obwohl für jede Lehrkraft ein detailliertes Abwesenheitsblatt an den Schulen geführt wird. Diese Sondererhebungen werden zu Schuljahresbeginn als Vollerhebung durchgeführt. Im Gegensatz dazu werden die bedeutsameren jährlichen Erhebungen der Unterrichtssituation des Kultusministeriums lediglich stichprobenweise vorgenommen.

      An den meisten Schulen gibt es professionelle Stundenplanprogramme, die neben der Unterrichtsplanung auch die Vertretungsplanung unterstützen können. Manche dieser Planungstools können bei der konkreten Personaleinsatzsteuerung helfen sowie Auswertungen und Statistiken zur Unterrichtssituation liefern.

      Diese Schul-IT-Lösungen haben eines gemeinsam: Es sind Werkzeuge, die meistens der Schulträger zur Verfügung stellt und die mit den Softwarelösungen der staatlichen Schulverwaltung nicht verbunden sind.

      Bei den Schulaufsichtsbehörden zeigt sich ebenfalls kein einheitliches Bild. So gibt es Schulämter, die ihre feste Lehrerreserve mit ausgefeilten, selbstentwickelten Datenbanklösungen verwalten, während andere klassische Tabellenkalkulationsprogramme verwenden. Ähnlich ist die Situation bei der Verwaltung der Mittel in den oberen Schulaufsichtsbehörden.

      2.5 Bewertung

      Die Sicherstellung der Unterrichtsversorgung ist eine komplexe Aufgabe und eine organisatorische Herausforderung für alle Beteiligten. Vor allem die Schulleitungen und Lehrkräfte an den Schulen sorgen neben der Schulverwaltung durch ihr tägliches Engagement dafür, eine geordnete Unterrichtsversorgung sicherzustellen.

      Das Kultusministerium stützt sich bei seinen Aussagen zur Unterrichtssituation hauptsächlich auf die Erhebungen einer Stichwoche im November eines jeden Schuljahres. Diese Erhebungen bilden die Schulwirklichkeit nicht ausreichend ab. So können z. B. keine konkreten Daten zum tatsächlichen Einsatz der festen Lehrerreserve gewonnen werden, weil diese gemeinsam mit den Vertragskräften erhoben werden. Zudem fehlen Informationen zu Abwesenheit der Lehrkräfte wegen Mutterschutz und Elternzeit. Ebenfalls werden Kurz- und Langfristerkrankungen nicht differenziert aufgeführt. Fraglich ist, ob die Stichproben die Unterrichtssituation realistisch abbilden und die gewonnenen Informationen belastbar sind. Steuerungsrelevante Informationen wie Lehrerreserve, Nebenlehrkräfte (Vertragskräfte), Mutterschutz und Elternzeit sollten getrennt erfasst werden. Die Stichprobenerhebung und die Sondererhebung Langzeiterkrankte sollten zusammengefasst und als Vollerhebung ausgeführt werden.

      Um die Unterrichtsversorgung zu verbessern, ist der zielgerichtete und sachgerechte Einsatz der Ressourcen vor Ort ausschlaggebend. Die Erhebungen an den Schulen bestätigten dies. Das Organisationsgeschick der Schulleitung und das Engagement des Lehrerkollegiums bestimmen im Wesentlichen die Wirksamkeit der Vertretungsmaßnahmen.

      Die Datenlage insgesamt ist zur Ressourcensteuerung nicht ausreichend. Zwar sind im System Schule viele Daten analog und digital vorhanden, aber für eine effiziente Auswertung nicht erschlossen. Außerdem besteht Handlungsbedarf bei der Optimierung der Steuerungsprozesse. Insbesondere bei der Ermittlung der notwendigen Steuerungsdaten und der einheitlichen Handhabung der Verwaltungsprozesse (IT-Lösungen, Workflows) kann die Kultusverwaltung nachbessern. Gute und geeignete Lösungen gibt es bereits im System. „Best-Practice-Beispiele“ könnten helfen, praxistaugliche Werkzeuge zur Datenermittlung und Steuerung weiter zu entwickeln. Gute und praktikable IT-Lösungen sollten flächendeckend angeboten werden. Hier ist die zentrale IT-Administration der Schulverwaltung gefordert.

      Mittelfristig sollten von jeder Schule steuerungsrelevante Kennzahlen (z. B. direkte Vertretungsquote, Krankenstand) zur Unterrichtssituation vorliegen. Dann kann mit Benchmarking-Prozessen von den besten Schulen gelernt werden.

      Überdacht werden sollte der Einsatz der festen Lehrerreserve bei den fächerspezifisch ausgerichteten Schularten. Es bietet sich an, bei Bedarf die Fachvertretungen frühzeitig, gegebenenfalls schon zu Beginn des Schuljahres, durch Vertragskräfte zu sichern.

      In der Praxis haben große schulische Einheiten mit mehrzügigem Aufbau naturgemäß bessere Möglichkeiten, die Unterrichtsversorgung sicherzustellen. Bei den Planungen zur regionalen Schulentwicklung gilt es, diesen Aspekt zu berücksichtigen.

      Die derzeit vorhandenen personellen und finanziellen Mittel sowie der schulorganisatorische Handlungsspielraum reichen grundsätzlich aus, die Unterrichtsversorgung im Pflichtbereich sicherzustellen. In der Gesamtbetrachtung ist die Sicherung des Unterrichts durch Vertretungsmaßnahmen vor allem eine Frage der sachgerechten Steuerung der vorhandenen Ressourcen und weniger ein Mengenproblem.

      3 Empfehlungen

      Der Rechnungshof empfiehlt,

      • die jährliche Erhebung zur Unterrichtssituation mit der Sondererhebung Langzeiterkrankte zu verbinden und zu einer differenzierten Vollerhebung auszubauen;

       

      • bereits vorhandene geeignete Lösungen zur Datenermittlung und Steuerung im Rahmen von „Best-Practice“ zu erschließen;

       

      • mittelfristig an allen Schulen steuerungsrelevante Kennzahlen zur Unterrichtsversorgung vorzuhalten;

       

      • bei den beruflichen Schulen und den Sonderschulen mit Blick auf deren strukturellen Defizite keine feste Lehrerreserve auszuweisen;

       

      • den Einsatz der festen Lehrerreserve bei fächerspezifisch ausgerichteten Schularten zu überdenken und die Fachvertretungen bei Bedarf vermehrt und möglichst frühzeitig durch Vertragskräfte zu sichern;

       

      • in der regionalen Schulentwicklungsplanung den Vertretungsaspekt zu berücksichtigen und die Vorteile schulischer Einheiten mit mehrzügigem Aufbau zu nutzen.

      4 Stellungnahme des Ministeriums

      Das Kultusministerium merkt an, dass verschiedene Versuche, die vielfältige Schulverwaltungssoftware durch Schnittstellen medienbruchfrei zugänglich zu machen, in der Vergangenheit gescheitert seien. Derzeit werde eine einheitliche Schulverwaltungssoftware entwickelt. Auch unterstütze das Ministerium eine mehrfach im Jahr durchgeführte zentrale Abfrage über die Unterrichtssituation. Allerdings müsse dafür ein geeignetes IT-Programm entwickelt werden. Zur Ressourcensteuerung werde derzeit das Projekt Vertretung-Online entwickelt. Mit einem solchen IT-Projekt könnten viele Prozesse vereinheitlicht und mehr Daten erhoben werden als bisher. Bezüglich der festinstallierten Lehrerreserve könne das Ministerium die Problematik bei den mehr fachspezifisch orientierten Schularten nachvollziehen.

      Bei den Empfehlungen könne das Ministerium „generell mitgehen“.


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      Einzelplan 05: Justizministerium

      Die Personalbedarfszahlen des Personalbedarfsbemessungssystems der Justiz (PEBB§Y) sind zu hoch. In Baden-Württemberg können bei Staatsanwaltschaften in Ermittlungsverfahren und bei Amtsgerichten in den Straf- und Bußgeldverfahren insgesamt 91 Stellen eingespart werden. Die Personalkosten lassen sich jährlich um 6,8 Mio. Euro reduzieren.


      1 Ausgangslage

      Den Justizverwaltungen der Länder steht das bundeseinheitliche System PEBB§Y für die Personalbedarfsermittlung bei den ordentlichen Gerichten, Staatsanwaltschaften und Fachgerichten zur Verfügung. Sie berechnen jährlich den Personalbedarf auf Grundlage der bundesweit ermittelten durchschnittlichen Bearbeitungszeiten in Minuten (Basiszahlen), der Fallzahlen (Verfahrensmengen) und der länderspezifischen Jahresarbeitszeit.

      Die Rechnungshöfe der Länder Baden-Württemberg (federführend), Bayern, Berlin, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein haben eine länderübergreifende Untersuchung im Aufgabenbereich „Ermittlungsverfahren bei Staatsanwaltschaften und Straf- und Bußgeldsachen bei Amtsgerichten“ durchgeführt. Insgesamt sind in den beteiligten Ländern jährlich 2,9 Mio. Verfahren zu bearbeiten. In den Staatsanwaltschaften der Länder waren 2.169 Servicekräfte und 2.336 Staats- und Amtsanwälte eingesetzt. Auf Baden-Württemberg entfielen 357 Servicekräfte und 468 Staats- und Amtsanwälte. In den Amtsgerichten waren 1.590 Servicekräfte und 848 Richter eingesetzt. Auf Baden-Württemberg entfielen 448 Servicekräfte und 235 Richter.

      Ziele der Untersuchung waren u. a., das Personalbemessungssystem der Justiz zu bewerten, die bundesweiten PEBB§Y-Basiszahlen für den Service-Bereich durch analytische Personalbedarfsberechnungen zu überprüfen, Empfehlungen für künftige PEBB§Y-Erhebungen zu geben und länderintern den Personalbedarf auch auf der Grundlage landesspezifischer Basiszahlen zu ermitteln.

      2 Prüfungsergebnisse

      2.1 Prüfungsmethodik und -umfang

      Für die Erhebungen bei den Servicekräften wurde eine kombinierte Methodik aus Selbsteinschätzung, Selbstaufschreibung, Zeitmessungen und Aktenanalyse, ergänzt durch Erhebungen zu Arbeitsabläufen und Strukturdaten eingesetzt. Demgegenüber wurden bei den bisherigen PEBB§Y-Erhebungen der Justizverwaltung die Basiszahlen für Servicekräfte weitgehend durch Selbstaufschreibungen mit Geschäftskarten ermittelt.

      Die Rechnungshöfe haben bei den Staatsanwaltschaften 864 Servicekräfte und bei den Amtsgerichten 575 Servicekräfte in die Prüfung einbezogen. Bei den Servicekräften wurden über die Selbstaufschreibungen insgesamt 431.000 und über die Zeitmessungen 33.500 Zeitwerte gewonnen. Zur Ermittlung der Arbeitsmengen wurden 16.500 Akten analysiert. Damit wurden belastbare Länderergebnisse zur Personalbemessung erzielt. Diese wurden gewichtet und hieraus neue länderübergreifende Basiszahlen gebildet.

      Um Hinweise zum Personaleinsatz der in diesem Aufgabenfeld tätigen 1.025 Staats- und Amtsanwälte sowie 315 Richter geben zu können, wurden diese auf freiwilliger Basis in die Selbsteinschätzung einbezogen und Kennzahlen verglichen.

      2013-B09-Abb.jpg

      2.2 Länderübergreifende Ergebnisse

      2.2.1 Staatsanwaltschaften

      Die bundesweiten PEBB§Y-Basiszahlen aus 2002 betragen für die Personalbemessung der Servicekräfte in Strafsachen 81 Minuten und in Verkehrsstrafsachen 61 Minuten. Die von den Rechnungshöfen neu ermittelten länderspezifischen Basiszahlen im Servicebereich sind aus Tabelle 1 ersichtlich.

      2013-B09-Tab1.jpg

      Die länderspezifischen Basiszahlen der Rechnungshöfe liegen bei den Strafsachen und den Verkehrsstrafsachen zwischen 15 und 55 Prozent unter den bisher genutzten länderspezifischen PEBB§Y-Basiszahlen. Letztere sind daher deutlich zu hoch.

      Die Rechnungshöfe haben die Strafsachen in die Großen Wirtschaftsstrafsachen und in die übrigen allgemeinen Strafsachen tiefer gegliedert und hierfür erstmals Basiszahlen gebildet. Bei den Großen Wirtschaftsstrafsachen zeigt sich wegen den extrem unterschiedlichen Bearbeitungszeiten bei geringen Fallzahlen eine große Bandbreite.

      Werden die neu ermittelten Basiszahlen der Rechnungshöfe verwendet, ergeben sich Einsparpotenziale in allen Ländern. Sie liegen zwischen 16 Prozent in Baden-Württemberg und 49 Prozent in Land E. Insgesamt ergibt sich allein in den sechs beteiligten Ländern ein rechnerisches Einsparpotenzial von 439 Vollzeitäquivalenten für Servicekräfte.

      Die Rechnungshöfe haben aus den Länderergebnissen länderübergreifende Basiszahlen gebildet. Den Vergleich zur bisherigen PEBB§Y-Basiszahl zeigt Tabelle 2.

      2013-B09-Tab2.jpg

      Die länderübergreifenden Basiszahlen liegen um 25 bzw. 30 Prozent unter den PEBB§Y-Basiszahlen.

      2.2.2 Amtsgerichte

      PEBB§Y verwendet für Strafsachen bei den Amtsgerichten bisher nur eine Basiszahl für die Servicekräfte. Sie beträgt 120 Minuten in der Klasse „modern“. Einzelne Länder verwenden auch die PEBB§Y-Basiszahlen der Klasse „traditionell“ mit 150 Minuten bzw. „Durchschnitt“ mit 130 Minuten.

      Die Rechnungshöfe haben für Strafsachen erstmals vier Basiszahlen gebildet. Die Ergebnisse zeigt Tabelle 3.

      2013-B09-Tab3.jpg

      Die ermittelten differenzierten Basiszahlen spiegeln den bei den jeweiligen Geschäften notwendigen unterschiedlichen Zeitbedarf deutlich wider. So ist die Basiszahl für Strafsachen gegen Jugendliche und Heranwachsende in manchen Ländern doppelt so hoch wie für Strafsachen gegen Erwachsene.

      Nach diesen differenzierten Basiszahlen ergeben sich Einsparpotenziale in allen beteiligten Ländern. Sie liegen zwischen 6 Prozent in Land C und 28 Prozent in Land B. Insgesamt ergibt sich allein in den sechs beteiligten Ländern ein rechnerisches Einsparpotenzial von 193 Vollzeitäquivalenten für Servicekräfte.

      Um einen Vergleich mit PEBB§Y herzustellen, das nur eine Basiszahl verwendet, haben die Rechnungshöfe die länderspezifischen Ergebnisse zu einer Basiszahl aggregiert. Die länderübergreifende Basiszahl der Rechnungshöfe liegt mit 116 Minuten um 3 Prozent unter der PEBB§Y-Basiszahl der Klasse „modern“, 11 Prozent unter der Klasse „Durchschnitt“ und 23 Prozent unter der Klasse „traditionell“. Die in einigen Ländern verwendeten Basiszahlen von 130 bzw. 150 Minuten sind deutlich überhöht.

      Die in den teilnehmenden Ländern neu ermittelten Basiszahlen zeigen Einsparvolumen bei den Staatsanwaltschaften und Amtsgerichten von 632 Vollzeitäquivalenten auf.

      2.3 Ergebnisse in Baden-Württemberg

      2.3.1 Staatsanwaltschaften

      In Baden-Württemberg wurden die Staatsanwaltschaften in Mannheim, Stuttgart, Freiburg und Tübingen geprüft. Hier waren insgesamt 825 Personen eingesetzt, davon 385 Staatsanwälte, 83 Amtsanwälte sowie 357 Servicekräfte. Im Servicebereich wurden über die Zeitmessungen am Arbeitsplatz 7.756 Zeitwerte gewonnen. Zur Ermittlung der Arbeitsmengen wurden 806 Akten analysiert.

      Der Rechnungshof hat für Baden-Württemberg folgende Basiszahlen für Strafsachen und Verkehrsstrafsachen ermittelt.

      2013-B09-Tab4.jpg

      Die Basiszahlen der Staatsanwaltschaften im Land weisen eine große Bandbreite auf. Bei Strafsachen werden in Mannheim 20 Minuten mehr als in Freiburg benötigt. Bei den Verkehrsstrafsachen hat Stuttgart den deutlich niedrigsten Wert. Die aus den Einzelergebnissen der geprüften Staatsanwaltschaften gebildeten Basiszahlen liegen bei den Strafsachen 20 Prozent und bei den Verkehrsstrafsachen 43 Prozent unter den PEBB§Y-Basiszahlen.

      Mit der neu ermittelten länderspezifischen Basiszahl wurde eine Personalbedarfsberechnung durchgeführt und mit dem tatsächlich eingesetzten Personal verglichen.

      Das Einsparpotenzial bei den vier geprüften Staatsanwaltschaften beträgt danach 26 Vollzeitäquivalente, das entspricht einem jährlichen Einsparvolumen von 1,9 Mio. Euro. Überträgt man diese Ergebnisse auch auf die nicht geprüften Staatsanwaltschaften, ergibt sich ein landesweites Einsparpotenzial von 56 Vollzeitäquivalenten. Das jährliche Einsparvolumen erhöht sich auf 4,1 Mio. Euro.

      Da für die Staatsanwälte und Amtsanwälte keine analytische Personalbedarfsberechnung durchgeführt wurde, hat der Rechnungshof die Personalausstattung mit den Erledigungszahlen verglichen. Das Ergebnis ergibt sich aus Tabelle 5.

      2013-B09-Tab5.jpg

      Diese Entwicklung deutet - bei gleichbleibender Personalausstattung - auf ein Optimierungspotenzial auch bei den Entscheidern hin.

      2.3.2 Amtsgerichte

      In Baden-Württemberg wurden die Amtsgerichte Backnang, Bad Urach, Baden-Baden, Calw, Emmendingen, Heidelberg, Konstanz, Ludwigsburg, Mannheim, Reutlingen und Villingen-Schwenningen mit insgesamt 129 Vollzeitäquivalenten in die Prüfung einbezogen. Davon entfielen 44 Vollzeitäquivalente auf die Richter, 6 Vollzeitäquivalente auf die Rechtspfleger und 79 Vollzeitäquivalente auf die Servicekräfte. Im Servicebereich wurden über die Selbstaufschreibung 20.028 und über die Zeitmessungen am Arbeitsplatz 4.071 Zeitwerte gewonnen. Zur Ermittlung der Arbeitsmengen wurden 1.940 Akten analysiert. Die bisherige Basiszahl Strafsachen wurde weiter differenziert.

      Die vier neuen Basiszahlen im Servicebereich (siehe Tabelle 3) geben den für die einzelnen Geschäfte notwendigen Zeitbedarf realistisch wieder und weisen eine große Bandbreite auf. Die hierauf basierende Personalbedarfsberechnung ergibt einen Bedarf von 397 Vollzeitäquivalenten. Bisher sind 432 Vollzeitäquivalente in diesem Aufgabenbereich eingesetzt. 8 Prozent des bisherigen Personals können eingespart werden.

      Bei den Servicekräften besteht demnach ein Einsparpotenzial von 35 Vollzeitäquivalenten. Davon entfallen 22 auf die neu ermittelten landesspezifischen Basiszahlen und 13 auf die bereits jetzt bestehende Überdeckung nach der PEBB§Y-Basiszahl. Das jährliche Einsparvolumen liegt bei 2,7 Mio. Euro.

      Um einen Vergleich mit PEBB§Y herstellen zu können, haben wir aus den analytisch ermittelten Basiszahlen durch Gewichtung eine eigene landesspezifische Basiszahl für Baden-Württemberg gebildet. Diese beträgt 114 Minuten und liegt damit 6 Minuten unter der bisher in Baden-Württemberg verwendeten PEBB§Y-Basiszahl.

      Die in Baden-Württemberg untersuchten Amtsgerichte sind hinsichtlich ihrer Größe und auch der wahrzunehmenden Geschäfte sehr unterschiedlich. Sinnvolle Vergleiche waren nur auf Grundlage gebildeter Größenklassen möglich.

      Diese Vergleiche zeigen, dass die Basiszahlen für Strafsachen mit zunehmender Größe der Strafabteilungen abnehmen. Je größer die Strafabteilungen sind, umso effizienter werden die Verfahren bearbeitet. Dies ist ein weiteres Indiz dafür, dass die kleinteilige Amtsgerichtsstruktur in Baden-Württemberg zu einem erhöhten Personalbedarf führt. Darauf hatte der Rechnungshof bereits in seiner Denkschrift 1998, Beitrag Nr. 9, hingewiesen.

      In mehr als der Hälfte der 108 Amtsgerichte sind weniger als zwei Richter und weniger als drei Servicekräfte in den Abteilungen für Straf- und Bußgeldsachen eingesetzt. In derart kleinen Organisationseinheiten kann eine gleichmäßige Auslastung der Richter und der Servicekräfte nur schwer sichergestellt werden. Effizienzgewinne durch Spezialisierung sind kaum möglich.

      Im Durchschnitt betreut jedes Amtsgericht in Baden-Württemberg 100.000 Einwohner. In vergleichbaren Flächenländern wie Bayern oder Hessen betreuen die Amtsgerichte im Durchschnitt 160.000 Einwohner.

      Für die Richter wurde keine analytische Personalbedarfsberechnung durchgeführt. Die Personalkapazitäten bei den Richtern in Strafsachen wurden zwischen 2008 und 2011 um 9,5 Vollzeitäquivalente reduziert. Weder der Abbau von Personalkapazitäten noch der tatsächliche Personaleinsatz von lediglich 92 Prozent des sich aus PEBB§Y ergebenden Personalbedarfs haben zwischen 2008 und 2011 zu einem Anstieg der zum Jahresbeginn anhängigen Verfahren geführt. Dies lässt den Schluss zu, dass die Personalausstattung der Richter in Strafsachen bei den Amtsgerichten ausreichend bemessen ist. Ein Personalmehrbedarf, wie er sich aus PEBB§Y ergibt, kann nicht festgestellt werden.

      Zu dem IT-Fachverfahren forumSTAR haben wir strukturierte Interviews durchgeführt. Danach waren weniger als 10 Prozent der Richter und weniger als ein Viertel der Servicekräfte der Meinung, dass sich durch die Einführung des Fachverfahrens der Bearbeitungsaufwand reduziert habe. 41 Prozent der Richter und 36 Prozent der Servicekräfte gaben an, dass sich der Aufwand sogar erhöht habe.

      3 Empfehlungen

      3.1 Bei PEBB§Y-Erhebung 2014 Basiszahlen differenzierter bilden

      Die länderübergreifende Justizprüfung hat die Ergebnisse anderer Prüfungen der Finanzkontrolle (siehe Denkschrift 2010, Beitrag Nr. 11, Landtagsdrucksache 14/6611, und Denkschrift 2011, Beitrag Nr. 14, Landtagsdrucksache 15/114) und der Organisationsberatung des Justizministeriums in den Fachgerichtsbarkeiten bestätigt. Die PEBB§Y-Basiszahlen der Servicekräfte sind zu hoch. Die zehn von der Finanzkontrolle überprüften PEBB§Y-Basiszahlen waren alle zu hoch, im Durchschnitt um 29 Prozent. Die von der Organisationsberatung des Ministeriums untersuchten Basiszahlen waren im Durchschnitt um 28 Prozent zu hoch.

      Diese konstanten Ergebnisse lassen erwarten, dass die PEBB§Y-Erhebung 2014 bei den Servicekräften zu deutlich niedrigeren Basiszahlen als bisher führen muss. Bei den Richtern und Staatsanwälten lassen die Prüfungsergebnisse den Schluss zu, dass die bisherigen PEBB§Y-Basiszahlen zumindest nicht zu niedrig sind. Die im Servicebereich aufgezeigten Personaleinsparungen dürfen deshalb nicht genutzt werden, um im Wege der Stellenumwandlung neue Entscheiderstellen zu schaffen.

      Die differenzierten Erhebungsmethoden der Rechnungshöfe haben zu valideren, aussagekräftigeren Basiszahlen als PEBB§Y (alt) geführt. Durch Selbstaufschreibungen mit Geschäftskarten verteilten die Mitarbeiter bei PEBB§Y (alt) ihre Arbeitszeit auf die anfallende Arbeitsmenge. Sinkt die Arbeitsmenge, steigt die Basiszahl. Demgegenüber wurden die Ergebnisse der Finanzkontrolle durch einen hohen Anteil an Zeitmessungen ermittelt, deren Ergebnisse von der Entwicklung der Fallzahlen unabhängig sind. Die Justizverwaltungen haben die Erhebungsmethoden für die PEBB§Y-Erhebung 2014 bei den Servicekräften zwar modifiziert. Da diese jedoch wieder weitgehend auf Selbstaufschreibungen beruhen sollen, bleibt abzuwarten, ob die geplante Erhebung zu realistischeren Basiszahlen führen wird.

      Um eine bedarfsgerechte Personalsteuerung zu ermöglichen, sollten bei der PEBB§Y-Erhebung 2014 differenziertere Basiszahlen gebildet und danach zur Personalsteuerung eingesetzt werden.

      Auf eine Unterscheidung der Basiszahlen in einzelne Klassen sollte künftig verzichtet werden. Die Voraussetzungen für die Klasse „modern“ sind in allen Ländern erfüllt.

      3.2 Zeitnah Personal einsparen

      Die von der Finanzkontrolle bei den Staatsanwaltschaften ermittelten Einsparpotenziale von landesweit 56 Vollzeitäquivalenten und bei den Amtsgerichten von landesweit 35 Vollzeitäquivalenten bei den Servicekräften sollten zeitnah realisiert und danach die Personalkapazität vermindert werden. Bei den Amtsgerichten sollten in Strafsachen mindestens vier Basiszahlen gebildet werden, um den Personaleinsatz zielorientiert und gerechter zu steuern. Die von uns auf analytischer Grundlage ermittelten Basiszahlen sollten bereits jetzt, unabhängig von den Ergebnissen der PEBB§Y-Erhebung 2014, zur Personalbemessung genutzt werden.

      3.3 Schnittstellen bei IT-Fachverfahren automatisieren

      Eine medienbruchfreie Übermittlung der Daten von der Ersterfassung bei den Ermittlungsbehörden bis zum Verfahrensabschluss bei den Gerichten ist in keinem der eingesetzten IT-Fachverfahren möglich. Durch die fehlende Automation der Schnittstellen kommt es zu Medienbrüchen. Dies verursacht einen vermehrten Prüf- und Kontrollaufwand und gefährdet die Qualität der Daten. Entsprechende Schnittstellen sollten eingerichtet oder vorhandene optimiert werden, auch um den Personalaufwand zu verringern.

      4 Stellungnahme des Ministeriums

      Kernpunkte der umfangreichen Stellungnahme des Justizministeriums sind:

      Aufgrund schwerwiegender methodischer Mängel der Rechnungshofprüfung könnten die neu gebildeten Basiszahlen nicht der Personalbedarfsberechnung der Justiz zugrunde gelegt werden.

      Eine Personaleinsparung werde abgelehnt.

      Die bei der PEBB§Y-Erhebung 2014 angewandte Methode sei den vom Rechnungshof bei der Prüfung angewandten Methoden überlegen.

      5 Schlussbemerkung

      Der Rechnungshof kann die Kritik am methodischen Vorgehen nicht nachvollziehen. Für die Untersuchung der Staatsanwaltschaften und Amtsgerichte hat der Rechnungshof ein differenziertes Vorgehensmodell mit unterschiedlichen, den einzelnen Aufgaben angepassten Methoden angewandt. Der verwendete Aufgabenkatalog war im Detail mit den Justizdienststellen abgestimmt. Die eingesetzten Methoden sind in der Organisationslehre anerkannt. Auch die Organisationsberatung der Justizverwaltung zieht die Methode der Zeitmessung regelmäßig Selbstaufschreibungen vor. Deshalb überrascht der Versuch des Justizministeriums, eine Überlegenheit der bei der PEBB§Y-Erhebung 2014 vorgesehenen Methodik mit Selbstaufschreibungen zu konstruieren. Im Widerspruch dazu steht die Aussage der Justizverwaltung, dass die Tiefe und Methodik der Rechnungshofuntersuchung lediglich aus wirtschaftlichen Überlegungen nicht auf die PEBB§Y-Erhebung 2014 eins zu eins übertragen werden kann. Dafür hat der Rechnungshof Verständnis geäußert.

      Der Rechnungshof fordert weiterhin, die auf analytischer Grundlage erhobenen Basiszahlen für die Staatsanwaltschaften und Amtsgerichte anzuwenden und die ermittelten Einsparpotenziale zeitnah zu realisieren.


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      Der teilprivatisierte Betrieb der Justizvollzugsanstalt Offenburg hat in fünf Jahren gegenüber einer staatlichen Lösung einen finanziellen Nachteil von 0,5 Mio. Euro (2,2 Prozent des Vertragsvolumens). Bei der 2014 vorgesehenen Rückführung in einen rein staatlichen Betrieb kann auf die geforderten 37 zusätzlichen Stellen im Justizvollzug verzichtet werden, weil die Gefangenenzahlen landesweit deutlich gesunken sind. Das Haftplatzentwicklungsprogramm sollte fortgeschrieben und an die gesunkenen Gefangenenzahlen angepasst werden.


      1 Ausgangslage

      Das Land entschied im Juni 2005, rund 40 Prozent der betrieblichen Aufgaben in der neu zu bauenden Justizvollzugsanstalt Offenburg von einem privaten Dienstleistungsunternehmen erledigen zu lassen. Das Unternehmen sollte insbesondere Aufgaben in den Bereichen Arbeitsbetriebe, Verpflegung, Medizinische Versorgung, Sozialdienst, Psychologischer Dienst und Zentrale Hilfsdienste (Unterstützungsleistungen für Vollzugsbeamte) übernehmen.

      Als Voraussetzung hat das Justizministerium festgelegt, dass der teilprivatisierte Betrieb gegenüber einem Betrieb durch das Land kostengünstiger und zumindest qualitativ gleichwertig sein muss. Das Ministerium ging 2005 davon aus, „dass die zu vergebenden Leistungen durch einen privaten Betreiber um 10 bis 15 Prozent kostengünstiger erbracht werden können, als dies bei staatlichem Betrieb möglich ist“.

      Das Ministerium führte eine Ausschreibung durch. Es errechnete im November 2007 in einer abschließenden Wirtschaftlichkeitsuntersuchung für das günstigste Angebot eines privaten Dienstleistungsunternehmens gegenüber einem staatlichen Betrieb einen Kostenvorteil von 3,84 Prozent. Daraufhin wurde im Februar 2008 ein Vertrag mit dem privaten Dienstleistungsunternehmen über einen teilprivatisierten Betrieb der neuen Justizvollzugsanstalt Offenburg geschlossen. Der Vertrag hat während der Laufzeit von fünf Jahren ein finanzielles Volumen von 23,5 Mio. Euro.

      Die neu gebaute Justizvollzugsanstalt Offenburg wird seit Juni 2009 mit 440 Haftplätzen im Regelvollzug und 60 Haftplätzen in der Sozialtherapeutischen Abteilung als erste und einzige Justizvollzugsanstalt in Baden-Württemberg teilprivat betrieben. Das Ministerium setzte den Gesamtpersonalbedarf der Justizvollzugsanstalt Offenburg vor Betriebsbeginn mit 224 Stellen fest. Davon entfielen 123 Stellen auf den staatlichen Bereich und 101 Stellen auf den privatisierten Bereich.

      Die Landesregierung hat im Juli 2012 beschlossen, den Vertrag mit dem privaten Dienstleistungsunternehmen zum 31.05.2014 zu kündigen.

      Der Rechnungshof hat die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung des Ministeriums vom November 2007 überprüft und die bisherige Vertragsabwicklung beleuchtet. Für die Rückabwicklung bei Vertragsbeendigung wurden Empfehlungen erarbeitet.

      2 Prüfungsergebnisse

      2.1 Wirtschaftlichkeitsuntersuchung

      Das Justizministerium erwartete 2005 einen finanziellen Vorteil einer Betriebsprivatisierung in der neu zu errichtenden Justizvollzugsanstalt Offenburg von 10 bis 15 Prozent. Nach der Ausschreibung errechnete das Ministerium in einer ersten Wirtschaftlichkeitsuntersuchung zunächst einen Kostenvorteil des privaten Betriebs gegenüber einer staatlichen Eigenbesorgung von 8,22 Prozent. Nach inzwischen erhöhten Personalkostensätzen überarbeitete das Ministerium seine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung im November 2007. Der Kostenvorteil des Privatisierungsmodells gegenüber der staatlichen Aufgabenerfüllung betrug nun wegen der zwischenzeitlich erhöhten Personalkostensätze noch 3,84 Prozent.

      Der Rechnungshof hat die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung des Ministeriums vom November 2007 nochmals im Detail überprüft. Die vom Ministerium angewandte Berechnungsmethode und die gewählten Einzelansätze erscheinen weitgehend plausibel. Der Rechnungshof hält lediglich kleinere Einzelansätze bei den Sachkosten und den Erlösen für die Arbeitsbetriebe für nicht sachgerecht. Weiter hat das Ministerium in der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung Transaktionskosten für Ausschreibungs- und Beratungskosten nicht berücksichtigt. Nach Korrektur dieser Ansätze reduziert sich der zu erwartende Kostenvorteil des Privatisierungsmodells auf 2,96 Prozent.

      Der Rechnungshof erhebt gegen die nach damaligem Kenntnisstand getroffene Entscheidung des Ministeriums für eine Betriebsprivatisierung keine Einwendungen. Das Ministerium hat mit der teilweisen Betriebsprivatisierung einer Justizvollzugsanstalt Neuland betreten. Die operative Ebene im Ministerium hat das Privatisierungsprojekt - insbesondere das Vergabeverfahren und die Vertragsgestaltung - administrativ mit hohem Engagement und Sachverstand umgesetzt.

      2.2 Vertragsabwicklung

      Obwohl das Justizministerium vor Betriebsbeginn einen Personalbedarf von 123 Stellen für den staatlichen Bereich angenommen hatte, lag der tatsächliche Personaleinsatz bereits bei Betriebsbeginn 2009 bei 125,5 Stellen. In der Folgezeit wurden die staatlichen Stellen bis zum April 2012 schrittweise auf 139,5 Stellen erhöht.

      Ein Teil der Personalaufstockung im staatlichen Bereich wurde damit begründet, dass die im Bereich der Zentralen Hilfsdienste tätigen 26,1 Bediensteten des privaten Dienstleistungsunternehmens einen staatlichen Mitarbeiter im allgemeinen Vollzugsdienst aus rechtlichen und strukturellen Gründen nur zu 80 Prozent ersetzen können. Die nicht abgedeckten Aufgaben mussten vom staatlichen Personal aufgefangen werden. Dies führte zu einem privatisierungsbedingten Mehraufwand des Landes von mindestens 5,22 Stellen. Über die Vertragslaufzeit von fünf Jahren ergibt sich ein Mehraufwand des Landes von mindestens 1,2 Mio. Euro.

      Sieben Stellen der Personalaufstockung erhielt die Justizvollzugsanstalt Offenburg, weil das Land 2012 Aufgaben des privaten Dienstleistungsunternehmens in der Medizinischen Versorgung und bei den Zentralen Hilfsdiensten vorzeitig übernahm. Im Gegenzug wurde das Entgelt für das private Dienstleistungsunternehmen gekürzt.

      Weiterer Mehraufwand des Landes von mindestens 50.000 Euro entstand bei Vertragsanpassungen und durch ein unzureichendes Vertragscontrolling bei den Kosten für Lebensmittel.

      Wird dieser während der bisherigen Vertragslaufzeit entstandene Mehraufwand von mindestens 1,25 Mio. Euro berücksichtigt, ergibt sich bei der privaten Lösung nunmehr ein finanzieller Nachteil für das Land von 0,5 Mio. Euro oder 2,23 Prozent. Der vor Vertragsbeginn erwartete finanzielle Vorteil hat sich somit mehr als aufgezehrt.

      Der Rechnungshof hält daher die von der Landesregierung im Juli 2012 beschlossene Kündigung des Vertragsverhältnisses zum 31.05.2014 wirtschaftlich für sinnvoll. Eine endgültige Bewertung der Betriebsprivatisierung kann jedoch erst stattfinden, wenn das Projekt 2014 beendet wurde.

      2.3 Personalzuwachs der Justizvollzugsanstalt Offenburg bei Beendigung der Privatisierung

      Das Justizministerium will das staatliche Personal in der Justizvollzugsanstalt Offenburg bei Beendigung der Privatisierung 2014 um 101 Stellen aufstocken. Dies entspricht dem 2008 vereinbarten Personalvolumen des privaten Dienstleistungsunternehmens.

      Bei dieser Personalforderung ist nicht berücksichtigt, dass das staatliche Personal während der bisherigen Vertragslaufzeit gegenüber der Festlegung vor Betriebsbeginn um 16,5 Stellen erhöht wurde. Weiter fällt bei Beendigung der Privatisierung eine staatliche Stelle für die Koordinierung der Zusammenarbeit zwischen dem Land und dem privaten Dienstleistungsunternehmen weg. Die Personalforderung des Ministeriums ist somit um bis zu 17,5 Stellen zu hoch.

      Der genaue Umfang ist vom Ministerium noch zu ermitteln. Der privatisierungsbedingte Stellenzuwachs von mindestens 5,22 Stellen im Sicherheitsbereich und die für vorab übernommene Aufgaben des privaten Dienstleistungsunternehmens bereits zugegangenen 7 Stellen sind jedenfalls in Abzug zu bringen. Nach einer alternativen Berechnung des Rechnungshofs, die nur Personal des allgemeinen Vollzugsdienstes berücksichtigt, wäre der geltend gemachte Personalzuwachs um 10 Stellen zu reduzieren.

      Der zusätzliche Personalbedarf der Justizvollzugsanstalt Offenburg vermindert sich bei Berücksichtigung dieser Faktoren um 10 bis 17,5 Stellen. Das Personal in der Justizvollzugsanstalt Offenburg muss somit statt um 101 nur um 83,5 bis 91 Stellen aufgestockt werden.

      2.4 Stellenzuwachs im Justizvollzug

      Das Justizministerium will bei Beendigung des teilprivatisierten Betriebs 2014 in der Justizvollzugsanstalt Offenburg zusätzliches staatliches Personal in einem Umfang einsetzen, der dem ursprünglichen Personaleinsatz des privaten Dienstleistungsunternehmens mit 101 Stellen entspricht. Durch die parallele Schließung der Außenstelle Heidenheim der Justizvollzugsanstalt Schwäbisch Gmünd und der Außenstelle Heidelberg der Justizvollzugsanstalt Mannheim soll ein Personalvolumen von 64 Stellen gewonnen werden. Die restlichen 37 Stellen wurden im Staatshaushaltsplan 2014 zusätzlich ausgebracht.

      Die beiden Außenstellen Heidenheim und Heidelberg können geschlossen werden, weil die landesweiten Gefangenenzahlen in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken sind. Diese Entwicklung zeigt auch die Tabelle.

      2013-B10-Tab.jpg

      Das 2007 beschlossene Haftplatzentwicklungsprogramm sah vor, bis 2015 per saldo 1.200 zusätzliche Haftplätze zu schaffen. Unwirtschaftliche „Kleinanstalten“ sollten geschlossen werden. Die landesweite Kapazität sollte unter Berücksichtigung der Rechtsprechung auf 9.140 Haftplätze erhöht werden.

      Die landesweite Höchstbelegung lag in 2009 bis 2012 dagegen lediglich bei 7.747 Gefangenen. Nach Auffassung des Rechnungshofs sollte angesichts der deutlich rückläufigen Gefangenenzahlen ein Personalzuwachs im Justizvollzug vermieden werden. Auf die maximal 37 zusätzlichen Stellen für die Justizvollzugsanstalt Offenburg könnte verzichtet werden, wenn eine weitere Vollzugseinrichtung in der Größenordnung von bis zu 80 Haftplätzen geschlossen würde.

      3 Empfehlungen

      Der Rechnungshof empfiehlt,

      • die Personalforderungen für die Justizvollzugsanstalt Offenburg ab 2014 zu überprüfen und um mindestens 10 Stellen zu reduzieren,

       

      • das Haftplatzentwicklungsprogramm fortzuschreiben und dabei die gesunkenen Gefangenenzahlen zu berücksichtigen,

       

      • die Inanspruchnahme der im Staatshaushaltsplan 2014 ausgebrachten 37 zusätzlichen Stellen durch Schließung weiterer unwirtschaftlicher Vollzugseinrichtungen zu vermeiden,

       

      • die Wirtschaftlichkeit der Betriebsprivatisierung nach Vertragsbeendigung zu evaluieren.

      4 Stellungnahme des Ministeriums

      Das Justizministerium erhebt gegen die Sachdarstellung und die Wirtschaftlichkeitsberechnungen des Rechnungshofs keine Einwände.

      Beim Personalbedarf der Justizvollzugsanstalt Offenburg habe sich nach Betriebsbeginn gezeigt, dass für den staatlichen Bereich statt der ursprünglich angenommenen 123 Stellen aus baulichen Gründen 139,5 Stellen erforderlich seien. Das Ministerium räumt ein, dass nach Beendigung des teilprivatisierten Betriebs von den zusätzlich geforderten 101 Stellen 6,22 Stellen für den privatisierungsbedingten Mehraufwand und den wegfallenden Koordinator in Abzug zu bringen seien.

      Diese 6,22 Stellen könnten jedoch nicht gestrichen werden, sondern seien trotz der gesunkenen Gefangenenzahlen für den gestiegenen Aus- und Vorführaufwand in anderen Justizvollzugsanstalten erforderlich.

      Das Ministerium beabsichtige, das Haftplatzentwicklungsprogramm fortzuschreiben. Bereits im Dezember 2012 sei entschieden worden, 2015 die Außenstelle Ellwangen der Justizvollzugsanstalt Schwäbisch Gmünd mit 36 Haftplätzen zu schließen. Die dort eingesetzten 16 Stellen würden jedoch für eine Erweiterung der Justizvollzugsanstalt Heilbronn um 60 Haftplätze benötigt. Weitere unwirtschaftliche Vollzugseinrichtungen könnten erst geschlossen werden, wenn die im Raum Rottweil vorgesehene neue Justizvollzugsanstalt in Betrieb genommen werde.

      Die Wirtschaftlichkeit der Betriebsprivatisierung solle nach Vertragsbeendigung evaluiert werden.

      5 Schlussbemerkung

      Der Rechnungshof hält an seinen Empfehlungen fest:

      • Das Justizministerium will die ursprünglichen Personalforderungen für die Justizvollzugsanstalt Offenburg nur um 6,22 Stellen reduzieren. Auf die daneben zugegangenen 7 Stellen für vorab übernommene Aufgaben geht es in seiner Stellungnahme nicht ein.

       

      • Das Haftplatzentwicklungsprogramm ist zeitnah an die gesunkenen Gefangenenzahlen anzupassen. Anstelle von Einzelmaßnahmen sollte in einem Gesamtkonzept neben einer geringeren Haftplatzkapazität auch eine Personalreduzierung im Justizvollzug angestrebt werden.

       

      • Bis zur Vorlage dieses Gesamtkonzepts sollte auf die Inanspruchnahme der im Staatshaushaltsplan 2014 ausgebrachten 37 zusätzlichen Stellen verzichtet werden. Die in der Justizvollzugsanstalt Offenburg nicht benötigten 6,22 Stellen können unverzüglich wieder abgebaut werden. Auch bei der derzeitigen Anstaltsstruktur sollte angesichts der deutlich rückläufigen Gefangenenzahlen ein gestiegener Aus- und Vorführaufwand mit dem vorhandenen Personal aufgefangen werden können.

      Der Landeshaushalt kann nur konsolidiert werden, wenn auch die Personalausgaben reduziert werden. Wenn - wie im Justizvollzug - die Aufgaben rückläufig sind, müssen Potenziale zum Stellenabbau konsequent genutzt werden. In dieser Situation ist es nicht zielführend, zunächst zusätzliche Stellen zu besetzen und diese danach - mit allen personalwirtschaftlichen Schwierigkeiten - wieder abzubauen.


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      Einzelplan 07: Ministerium für Finanzen und Wirtschaft (Wirtschaft)

      Die Förderung der Stiftung Deutsche Institute für Textil- und Faserforschung sollte künftig auf einen Festbetrag umgestellt werden. Der Förderbetrag ist deutlich zu reduzieren. Mehrerlöse sollen bis zu einer zu vereinbarenden Höhe für Rücklagen und Vorhaben verwendet werden dürfen.


      1 Ausgangslage

      1.1 Rechtliche Grundlagen und Ziel der Förderung

      Das Land fördert wirtschaftsnahe Forschungseinrichtungen auf der Grundlage von § 12 des Gesetzes zur Mittelstandsförderung vom 13.12.2000. Die geförderten Forschungseinrichtungen sollen kleine und mittlere Unternehmen (KMU) wettbewerbsfähig machen und erhalten, die selbst keine eigene Forschungseinrichtung vorhalten. Zwölf wirtschaftsnahe Vertragsforschungseinrichtungen haben sich 2007 zur Innovationsallianz Baden-Württemberg zusammengeschlossen.

      Die institutionelle Förderung wurde seit ihrem Bestehen als Fehlbedarfsförderung gewährt. Zusätzlich bewilligte das Ministerium den Instituten der Innovationsallianz eine erfolgsabhängige jährliche KMU-Prämie.

      1.2 Stiftung Deutsche Institute für Textil- und Faserforschung

      Die Stiftung Deutsche Institute für Textil- und Faserforschung (DITF) ist ein Textilforschungszentrum mit Sitz in Denkendorf und gehört zur Innovationsallianz. Sie wird vom Verein der Förderer der Deutschen Textil- und Faserforschung Denkendorf e. V. finanziell unterstützt. Laut Satzung fördert sie Wissenschaft und Forschung und verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne der Abgabenordnung. Dies soll ausschließlich durch Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf dem Gebiet der Fasern und Textilien geschehen.

      1.3 Frühere Prüfungen des Rechnungshofs

      Der Rechnungshof hatte 1999 untersucht, wie die Landesförderung bei wirtschaftsnahen Forschungseinrichtungen von 1990 bis 1997 wirkte. In seiner Beratenden Äußerung vom 20.12.1999 (Landtagsdrucksache 12/4731) hatte der Rechnungshof insbesondere empfohlen, für die Institute mithilfe einer externen Gutachterkommission ein strategisches Handlungskonzept zu entwickeln. Weiter wurde vorgeschlagen, die Institute sollten sich höchstens zu einem Drittel durch institutionelle Förderung (Betriebskostenzuschuss) finanzieren. Der Anteil aus Industrieaufträgen sollte auf mindestens ein Drittel der Gesamtfinanzierung erhöht werden.

      2003 hatte der Rechnungshof die Ergebnisse seiner Prüfungen der DITF und anderer Institute dargestellt.

      Sieben der Forschungseinrichtungen hatte der Rechnungshof 2008 erneut untersucht und die Ergebnisse in der Denkschrift 2009, Beitrag Nr. 15 (Landtagsdrucksache 14/4715), präsentiert. Der Landtag hat daraufhin beschlossen, die Forschungseinrichtungen sollen mehr Industrieaufträge akquirieren, intensiver zusammenarbeiten sowie Öffentlichkeitsarbeit und Controlling optimieren.

      In der Denkschrift 2011, Beitrag Nr. 17 (Landtagsdrucksache 15/117), hat der Rechnungshof über die Prüfung des Forschungsinstituts für Edelmetalle in Schwäbisch Gmünd berichtet. Angesichts der guten Einnahmemöglichkeiten des Instituts sollte die Förderung verringert werden. In Zukunft sollte die Förderstruktur Anreize schaffen, damit das Institut sich wirtschaftlich weiter verbessert. Der Landtag hat die Landesregierung gebeten, die vom Rechnungshof empfohlene Förderstruktur zu prüfen. Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft hat angekündigt, ab 2013 sollten alle Institute der Innovationsallianz mit Festbeträgen gefördert werden (siehe Landtagsdrucksache 15/1824, Seite 2).

      Die Prüfung des Hohenstein Instituts für Textilinnovation (HIT) durch den Rechnungshof ergab, dass dort kein Fehlbedarf mehr besteht. Aufgrund der Empfehlungen des Rechnungshofs wurde die Förderung eingestellt.

      1.4 Inhalt der jetzigen Prüfung

      Der Rechnungshof hat 2012 die DITF erneut geprüft. Untersucht wurde, inwieweit sie früheren Empfehlungen und denen der Gutachterkommission gefolgt ist und wie sie sich fortentwickelt hat. Zudem wurde betrachtet, ob die Fördervoraussetzungen gegeben waren und die institutionelle Förderung bestimmungsgemäß und wirtschaftlich verwendet wurde.

      2 Prüfungsergebnisse

      2.1 Organisation und Personal

      Die DITF ist derzeit in drei Institute gegliedert: Das Institut für Textil- und Verfahrenstechnik Denkendorf (ITV), das Institut für Textilchemie und Chemiefasern Denkendorf (ITCF) und das Zentrum für Management Research (DITF-MR).

      Die DITF hatte im Prüfungszeitraum zunächst Personal abgebaut und ab 2008 wieder erhöht. Der Abbau der Personalkapazität hing noch mit der Ausgliederung eines Arbeitsbereichs in eine Tochtergesellschaft (ITVP-GmbH) zusammen. Die DITF beschäftigte jahresdurchschnittlich 208 Personen ohne Vorstand, Auszubildende und wissenschaftliche Hilfskräfte. Von 2008 bis 2010 erhöhte die DITF die Personalkapazität wegen der hohen Zahl öffentlich geförderter Projekte um bis zu 23 Vollzeitäquivalente.

      2.2 Einnahmestruktur/Förderung durch das Land

      Die DITF finanziert sich hauptsächlich aus öffentlichen Forschungs- und Entwicklungsaufträgen. Der nächstgrößte Einnahmeblock resultiert aus Aufträgen der Industrie. Die institutionelle Förderung des Landes, die sonstigen Einnahmen und die Einnahmen aus Beteiligungen an Gesellschaften bilden den Rest. Die DITF wurde im Prüfungszeitraum vom Land institutionell mit durchschnittlich 2,5 Mio. Euro je Jahr gefördert. 2001 hatte die Förderung noch 2,3 Mio. Euro betragen. Unter den vom Land Baden-Württemberg institutionell geförderten Instituten der Innovationsallianz hat die Förderung bei der DITF damit seit 2010 zwar den geringsten prozentualen Anteil am Haushalt des geförderten Instituts. Die DITF erhielt mit zuletzt 2,6 Mio. Euro aber den vierthöchsten absoluten Förderbetrag.

      Das damalige Wirtschaftsministerium hat die Förderung in einem zweiten Verfahren um eine KMU-Prämie ergänzt. Sie wurde jeweils zum Jahresende ausgezahlt und erhöhte die institutionelle Förderung geringfügig.

      2.3 Ausgabenstruktur

      Die Gesamtausgaben waren nur von 2005 auf 2006 rückläufig (um 340.000 Euro). Von 2006 bis 2010 stiegen die Gesamtausgaben dann um 6,7 Mio. Euro auf 22,6 Mio. Euro. Einen maßgeblichen Anteil an der Ausgabensteigerung hatten die Sachausgaben und die Investitionen. Diese waren um bis zu 3 bzw. 2 Mio. Euro höher als 2006.

      2.4 Erreichen des Förderziels

      Von 2005 bis 2010 hat die DITF durchschnittlich 247 Industrieaufträge im Jahr abgewickelt und dafür 4,5 Mio. Euro eingenommen. 117 Aufträge waren von KMU mit weniger als 250 Beschäftigten. Das waren 47 Prozent aller Aufträge. Gemessen an den Industrieeinnahmen betrug der Anteil dieser KMU mit 2,9 Mio. Euro Einnahmen sogar 66 Prozent. Mehr als ein Drittel der Industrieaufträge stammten von KMU aus Baden-Württemberg. Gemessen an den Kennzahlen „Aufträge nach Anzahl und Volumen“ hat die DITF das Förderziel erreicht. Wirkungsdaten liegen nicht vor.

      2.5 Förderbedarf

      Der tatsächliche Förderbedarf war deutlich geringer als in den Anträgen der DITF angegeben. Dies beruhte darauf, dass in den Anträgen die Erträge deutlich zu niedrig angegeben waren. Die Differenzen lagen zwischen 0,3 und 2,3 Mio. Euro. Durchschnittlich waren die Erträge um 1,2 Mio. Euro höher als im Antrag angegeben. Dieser Betrag ist keine geringe Abweichung mehr. Er hängt auch nicht mit unabsehbaren Veränderungen zusammen.

      Die DITF erhöhte zwar auch ihre Ausgaben gegenüber den Anträgen. Das Gesamtergebnis nach Rechnungsabschluss war dennoch durchschnittlich um 200.000 Euro besser als in den Anträgen angegeben. Da sich die der Bewilligung zugrunde gelegte Finanzierungssituation der DITF verbessert hat, war die Förderung insoweit zu hoch und ist zurückzufordern.

      Die höheren Erträge beruhten hauptsächlich auf Gewinnausschüttungen einer Tochtergesellschaft. Deren Geschäftstätigkeit war früher Teil des DITF. Nach der Ausgliederung standen der DITF als Alleingesellschafterin die Gewinne zu. In den sechs Jahren unseres Prüfungszeitraums sind jährlich durchschnittlich 0,5 Mio. Euro Gewinne für die Förderung nicht berücksichtigt worden, obwohl sie tatsächlich abgeführt wurden. Den Anträgen und Bewilligungen wurde damit ein Fehlbedarf zugrunde gelegt, der insoweit nicht vorhanden war. Die DITF als Antragstellerin und das Wirtschaftsministerium als Bewilligungsstelle kannten die Höhe der tatsächlichen Gewinnausschüttungen im Einzelfall sogar noch vor der Bewilligung.

      Wir hatten das Ministerium bereits in der Prüfungsmitteilung 2003 darauf hingewiesen, dass nach Ausgliederung der Geschäftstätigkeit in eine Tochtergesellschaft auf eine Gewinnabführung zu achten ist. Im Hinblick auf die daraus zu erwartenden Erträge sollte die institutionelle Förderung reduziert werden. Stattdessen wurde die Förderung von 2,2 Mio. Euro auf zuletzt 2,6 Mio. Euro erhöht.

      Darüber hinaus hat die DITF weitere Einnahmemöglichkeiten nicht genutzt. Sie hat unter anderem Leistungen an ihre Tochtergesellschaft zu niedrig abgerechnet. Bei der Tochtergesellschaft entstand dadurch ein höherer Gewinn. Über die bereits geschilderten Beträge hinaus hat die DITF beträchtliche Gewinne bei der Tochtergesellschaft stehen lassen.

      Es ist nicht erstaunlich, dass unter diesen Umständen ein gefühlter Engpass bei den Finanzen entsteht. Dies insbesondere, weil gleichzeitig Sonderinvestitionen vorgenommen wurden, die nicht von der Bewilligung der Förderung laufender Betriebsausgaben umfasst sind.

      Dem Ministerium war die Verbesserung der Finanzierung gegenüber den Bewilligungen anhand der Rechnungsabschlüsse bekannt. Es hat dies weder bei den folgenden Bewilligungen fördermindernd berücksichtigt noch verlangt, dass die DITF die Anträge richtig erstellte. Für die Förderhöhe ist jedoch nicht eine vom Antragsteller geäußerte Liquiditätskrise entscheidend, sondern die tatsächliche Notwendigkeit der Förderung für die laufenden Betriebskosten. Die Wirtschaftsführung des Antragstellers muss sich danach ausrichten.

      Die DITF führt kaufmännisch Buch. Ihre Gewinn- und Verlustrechnung wies von 2006 bis 2010 jährlich durchschnittlich 0,36 Mio. Euro Überschüsse aus.

      3 Empfehlungen

      3.1 Zu hohe Förderbeträge zurückfordern

      Für die Jahre 2005 bis 2010 sind insgesamt 1,2 Mio. Euro zurückzufordern, erforderlichenfalls nach Aufhebung der zugrunde liegenden Förderbescheide. Dabei sind die zusätzlichen Einnahmemöglichkeiten noch nicht berücksichtigt. Zudem ist die Leistungsabrechnung mit der Tochtergesellschaft ab 2005 zu überprüfen. Soweit Aufwendungen zu Unrecht gefördert wurden, sind sie zurückzufordern. Die DITF kann die Beträge bei der Tochtergesellschaft geltend machen.

      3.2 Nicht berücksichtigte Einnahmemöglichkeiten realisieren

      Die Bewilligungen sollten künftig berücksichtigen, inwieweit der Förderempfänger seine Einnahmemöglichkeiten aus Beteiligungsgewinnen realisierte. Konkret sollte das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft prüfen, in welcher Höhe eine einmalige Gewinnausschüttung an die DITF möglich ist. Sie dürfte bei etwa 1 Mio. Euro liegen.

      3.3 Künftige Förderung anpassen

      Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft hat angekündigt, künftig statt der Fehlbedarfsfinanzierung einen Festbetrag zu gewähren. Wir halten dies für die richtige Förderart. Allerdings setzt das Zuwendungsrecht voraus, dass der Festbetrag niedriger als der Bedarf kalkuliert wird. Wenn die DITF bei gutem Wirtschaften dann einen Überschuss erzielt, sollte sie diesen behalten können, um Rücklagen zu bilden. Dadurch kann sie künftig ihren Anteil an Investitionen finanzieren, die wie bisher mit einem gesonderten Festbetrag gefördert werden. Der Rücklagenbestand ist in den Anträgen jeweils nachrichtlich anzugeben. Er dient u. a. als Entscheidungsgrundlage, ob der Festbetrag zu ändern ist. Die Förderung sollte nach Einnahmen und Ausgaben bewilligt und abgerechnet werden.

      Wir empfehlen, den Festbetrag auf jährlich 1,9 Mio. Euro festzusetzen und den Haushaltsansatz entsprechend zu reduzieren. Dabei haben wir berücksichtigt, dass die ITVP-GmbH Gewinne ausschüttet. Die DITF hat die Möglichkeit, im Bereich der Industrieaufträge Überschüsse zu erreichen. Diese kann sie heranziehen, um nicht geförderte Teile der öffentlichen Forschungsaufträge zu finanzieren. Neben der Förderung der laufenden Betriebsausgaben kann die DITF weiterhin Zuschüsse zu Sonderinvestitionen erhalten.

      4 Stellungnahme des Ministeriums

      4.1 Zu hohe Förderbeträge zurückfordern

      Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft sieht bei der DITF keine Überförderung. Der Prüfungszeitraum von 2005 bis 2010 bilde die wirtschaftliche Lage der DITF nicht vollständig ab. Die ausgesprochen schwierige wirtschaftliche Entwicklung in den Jahren 2002 bis 2004 habe einen kumulierten Fehlbedarf von mehr als 1,7 Mio. Euro verursacht. Dieser habe trotz Fehlbedarfsfinanzierung mangels Haushaltsmitteln nicht über die institutionelle Förderung ausgeglichen werden können. Die Liquiditätslage sei trotz erheblicher Kreditaufnahme während des Prüfungszeitraums durchgängig sehr angespannt gewesen. Auf der Grundlage einer Einnahmen-/Ausgabenrechnung ergebe sich keine Überförderung. Die vom Rechnungshof errechnete Rückforderung würde die Forschungsaktivitäten der DITF erheblich einschränken, im aktuellen weltweiten Forschungswettbewerb zurückwerfen und sie deren Vorrangstellung in der europäischen Textilforschung gefährden.

      4.2 Nicht berücksichtigte Einnahmemöglichkeiten realisieren

      Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft weist darauf hin, dass die ITVP-GmbH unter sehr schwierigen unternehmerischen Rahmenbedingungen nach kaufmännischen Grundsätzen geführt werde. Dennoch habe die ITVP-GmbH im Prüfungszeitraum rund 8 Mio. Euro Gewinne an die DITF ausschütten und sukzessive an eine angemessene wirtschaftliche Lage heran führen können. Aus Gründen kaufmännischer Vorsicht sei eine weitestgehende Gewinnausschüttung bei einem nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen nicht möglich. Andernfalls würde auch eine wichtige langfristige Finanzierungsgrundlage der Muttergesellschaft in Frage gestellt. Das Ministerium könne als Zuwendungsgeber der DITF nicht unmittelbar und allein über die Gewinnverwendung der ITVP-GmbH entscheiden. Es werde aber zu der entsprechenden Empfehlung des Rechnungshofs von der ITVP-GmbH eine Entscheidung einholen.

      4.3 Künftige Förderung anpassen

      Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft folgt der Empfehlung des Rechnungshofs, die institutionelle Förderung der Forschungsinstitute der Innovationsallianz Baden-Württemberg von der Fehlbedarfsfinanzierung auf eine Festbetragsfinanzierung umzustellen und dabei auch die Bildung von Rücklagen zuzulassen. Das Ministerium teilt die Auffassung, dass bei solchen Forschungseinrichtungen die Festbetragsfinanzierung besser mit unternehmerischen Grundsätzen vereinbar ist. Der jährliche Festbetrag solle bei der DITF nicht unter dem tatsächlichen Bedarf kalkuliert werden. Er müsse so festgelegt werden, dass sie langfristig in die Lage versetzt werden könne, weiterhin in der angewandten Textil- und Faserforschung europaweit führend zu bleiben.

      5 Schlussbemerkung

      Die Förderung der wirtschaftsnahen Forschungseinrichtungen ist ein wichtiger Beitrag zur Mittelstandsförderung. Dies rechtfertigt aber nicht, Fördergrundsätze außer Acht zu lassen. Die Förderung ist immer nachrangig zu bewilligen. Anträge und Verwendungsnachweise sind auf einer einheitlichen Basis zu erstellen. Nur so kann das Land als Zuwendungsgeber den echten Finanzbedarf beurteilen, der mit dem geförderten laufenden Betrieb zusammenhängt. Allgemeiner Liquiditätsbedarf eines Zuwendungsempfängers ist kein Fördermaßstab. Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft kann die Förderung auch nicht als festen Betrag bewilligen, der unabhängig vom Bedarf im Zuwendungszeitraum bestimmt wird.

      Dies gilt auch bei der von uns empfohlenen und vom Ministerium für Finanzen und Wirtschaft akzeptierten Umstellung auf Festbetragsfinanzierung. Hierbei bedarf es einer sorgfältigen Bemessung des Förderbetrags für den laufenden Betrieb, die erwarten lässt, dass keine Überförderung eintritt. Anhand der bisherigen Entwicklung haben wir den künftigen Festbetrag auf jährlich 1,9 Mio. Euro beziffert.

      Rücklagen aus Überschüssen können erlaubt werden. Die Höhe und gegebenenfalls die zulässige Verwendung sind zu definieren. In folgenden Jahren sind für die Entscheidung über die Förderhöhe Umfang und Stand der Rücklagen in die Abwägung einzubeziehen.

      Bei der hier gegebenen Sonderkonstellation eines Zuwendungsempfängers mit ausgegliederten Tochtergesellschaften ist darauf zu achten, dass finanzielle Zuordnungen keinen Einfluss auf den Zuwendungsbetrag haben. Gegebenenfalls ist der Zuwendungsbetrag so niedrig zu halten, dass die Entscheidungen des Zuwendungsempfängers im Innenverhältnis ausgeglichen werden.

      Rückforderungen für die Vergangenheit können zeitlich gestreckt abgewickelt werden.


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      Einzelplan 08: Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz

      Die Prüfung des Bürokommunikationssystems im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz bestätigt die Strategie des Rechnungshofs zur „IT-Konsolidierung in einem IT-Zentrum“. Ein zentralisierter Betrieb im Informatikzentrum Landesverwaltung Baden-Württemberg bringt Kostenvorteile.


      1 Ausgangslage

      Der Betrieb des Bürokommunikationssystems ist keine Kernaufgabe des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz. Trotzdem betreibt es sein Bürokommunikationssystem selbst. Für die Bürokommunikation wurde weder die Dienstleistung seines IT-Fachzentrums, des heutigen Geodatenzentrums im Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung, noch eines der beiden IT-Zentren bisher genutzt.

      Dies entspricht nicht

      • den Empfehlungen des Rechnungshofs aus der Beratenden Äußerung vom August 2009 zur „Neuausrichtung der Organisation der Informations- und Kommunikationstechnik (IuK) in der Landesverwaltung“ (Landtagsdrucksache 14/5032) und

       

      • der Beschlusslage des Landtags, durch die die Landesregierung ersucht wird, die IT in einem einheitlichen Systemhaus zu bündeln (Landtagsdrucksache 14/5503).

      2 Prüfungsergebnisse

      2.1 Aufgabenerfüllung

      Das Bürokommunikationssystem des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz funktioniert gut. Das liegt an einem langjährig eingespielten Team, einer intensiven Anwenderbetreuung und an der Unterstützung externer Dienstleister. Das Ministerium hat die Personalausstattung während der Prüfung reduziert.

      Einige Aufträge an Externe waren allerdings angesichts der eigenen Personalressourcen unnötig. Außerdem waren einzelne dieser Aufträge nicht vergabekonform.

      2.2 Wirtschaftlichkeit

      Der Rechnungshof hat die Betriebskosten mit den Kosten bei Betrieb der Bürokommunikation durch das Informatikzentrum Landesverwaltung Baden-Württemberg (IZLBW) verglichen. Das IZLBW hat dazu auf Basis seines IT-Service-Katalogs (Stand: März 2012, Version 1.0) eine Preisinformation erstellt. Die enthaltenen Leistungen sind mit dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz abgestimmt. Das Vergleichsergebnis spricht für den Betrieb durch das IZLBW.

      Eine Vergleichsberechnung mit anderen IT-Dienstleistern erfolgte nicht, weil die bekannten laufenden Verträge und Preise nicht ausreichend aktuell sind.

      Der Betriebskostenvergleich basiert einheitlich auf einer Vollkostenrechnung. Danach liegen die Kosten für den Betrieb durch das Ministerium bei 178 Euro (je IT-Arbeitsplatz und Monat). Sie sind damit höher als die Kosten bei Betrieb durch das IZLBW mit 168 Euro (je IT-Arbeitsplatz und Monat).

      Einige Anforderungen und Leistungen ließen sich vorausschauend nicht exakt benennen.

      Dazu gehören insbesondere

      • der Aufwand für das Bereitstellen von nicht im Standard enthaltener Software durch den Dienstleister als Vorbereitung für automatisierte Installationen,

       

      • das Bereitstellen von ersatzbeschaffter Technik,

       

      • das Übertragen und Anpassen vorhandener Daten und Einstellungen auf neue Geräte sowie

       

      • das Abbauen und Deinstallieren ausgedienter Geräte am Arbeitsplatz.

      Solche mengen- und qualitätsabhängigen Kosten hat der Rechnungshof pauschal veranschlagt.

      Unberücksichtigt ist die Ankündigung des IZLBW, dass einzelne Preise als Ergebnis aktueller Ausschreibungen und Neukalkulationen ab 2013 sinken sollen. Der Betrieb durch das IZLBW wird dadurch im Vergleich zukünftig eher günstiger.

      Das Ministerium hat ein internes Outsourcing an das IZLBW bereits seit Längerem vorgesehen, aber noch nicht vollzogen. Laufende Leasing-Verträge erlauben einen Wechsel zum IZLBW erst Ende 2013. Die Haushaltsansätze im Staatshaushaltsplan 2013/2014 sind noch nicht angepasst.

      3 Empfehlungen

      Der Betrieb des Bürokommunikationssystems des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz ist auf das IZLBW zu übertragen.

      Beim Ministerium sind 2,75 Vollzeitäquivalente einzusparen und die notwendigen Sachmittel für die Leistungsentgelte an das IZLBW bereit zu stellen. Beim IZLBW ist die notwendige Personalkapazität zu schaffen.

      4 Stellungnahme des Ministeriums

      Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz erklärte, dass es den Betrieb des Bürokommunikationssystems in den zentralen Betrieb beim IZLBW überführen wolle. Es befinde sich bereits in der Verhandlungsphase. Das erste Projektgespräch habe am 19.12.2012 stattgefunden.

      Die haushaltsmäßige Umsetzung in das interne Outsourcing wolle das Ministerium nach der abschließenden vertraglichen Vereinbarung im Rahmen des Haushaltsvollzugs innerhalb des informationstechnischen Gesamtbudgets durchführen.


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      Die betriebswirtschaftliche Entwicklung der geförderten Unternehmen ist in vielen Fällen unbefriedigend verlaufen. Das Ziel „Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit“ wurde nur teilweise erreicht. Deshalb sollten künftig Erfolgskontrollen durchgeführt werden. Bei großen Investitionen sollte das Land nur Unternehmen fördern, die gute Chancen haben, auf Dauer im Wettbewerb zu bestehen.


      1 Ausgangslage

      1.1 Rechtsgrundlagen und Ziele des Agrarinvestitionsförderungsprogramms

      Das aktuelle Agrarinvestitionsförderungsprogramm (AFP) basiert auf der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 (ELER). Bundesrechtliche Grundlage ist das Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK). Landesrechtlich ist die Förderung Teil des Maßnahmen- und Entwicklungsplans Ländlicher Raum Baden-Württemberg (MEPL). Das AFP wird im Grundsatz mit EU-Mitteln kofinanziert, woraus sich eine Finanzierung der Förderung im Verhältnis 50 (Europäische Union), 30 (Bund) und 20 (Land) ergibt.

      Das AFP will durch investive Maßnahmen eine wettbewerbsfähige, nachhaltige, Umwelt schonende, tiergerechte und multifunktionale Landwirtschaft unterstützen. Dabei sind die Interessen der Verbraucher, die Entwicklung des ländlichen Raums sowie die Erhaltung der biologischen Vielfalt ebenso zu berücksichtigen wie die Verbesserung der Lebens-, Arbeits- und Produktionsbedingungen.

      Die grundsätzlichen Ziele des AFP nach dem GAK-Rahmenplan sind weiter zu entwickeln.

      1.2 Förderbedingungen

      Förderfähig sind Investitionen in langlebige Wirtschaftsgüter, beispielsweise Ställe, Gewächshäuser und Maschinen.

      Die Prosperitätsgrenze (Summe der positiven Einkünfte) liegt bei 80.000 Euro für Ledige und 100.000 Euro für Verheiratete. Das zuwendungsfähige Investitionsvolumen beträgt mindestens 30.000 Euro bis maximal 1 Mio. Euro.

      Junglandwirte (Antragsteller unter 40 Jahren) können einen um bis zu 20.000 Euro erhöhten Zuschuss erhalten.

      Förderfälle mit einem zuwendungsfähigen Investitionsvolumen von bis zu 100.000 Euro werden durch die Unteren Landwirtschaftsbehörden abgewickelt. Darüber liegende Investitionsvolumina sind von den Regierungspräsidien zu bewilligen.

      Die Europäische Kommission verlangt, dass die Anträge grundsätzlich vor Bewilligung priorisiert werden. Dabei gelten Auswahlkriterien, die zuvor der Begleitausschuss des MEPL beschlossen hat.

      1.3 EU-Evaluierung

      Das Land hat der Kommission jährliche Zwischenberichte, eine Ex-ante-Bewertung, eine Zwischenbewertung und eine Ex-post-Bewertung der Programme vorzulegen. Die Bewertungen müssen von unabhängigen Bewertungsbeauftragten auf Kosten der Mitgliedstaaten durchgeführt werden. Dabei ist eine finanzielle Beteiligung der Europäischen Union im Rahmen der technischen Hilfe möglich. Fortschritt, Effizienz und Wirksamkeit der Programme werden anhand festgelegter Indikatoren beurteilt.

      1.4 Bisherige und aktuelle Prüfungen des Rechnungshofs

      Der Rechnungshof hat sich in der Vergangenheit wiederholt kritisch zur bestehenden Programmvielfalt im Geschäftsbereich des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz geäußert. Im Anschluss an die Prüfung zum Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem Denkschrift 2008, Beitrag Nr. 15 (Landtagsdrucksache 14/3415), hat der Landtag die Landesregierung aufgefordert, ihm mitzuteilen, inwieweit die Programmvielfalt reduziert werden konnte.

      Das AFP war 2006 Gegenstand einer Zuwendungsprüfung. Empfohlen wurde, eine konsequente Analyse der Betriebsentwicklung (insbesondere der Eigenkapitalbildung) durchzuführen, um den Erfolg zu kontrollieren. Ein großer Teil der beanstandeten Punkte wurde in der laufenden Förderperiode durch Richtlinienänderung erledigt. Das Ministerium hat es bisher abgelehnt, das Mindestinvestitionsvolumen zu erhöhen.

      Wir haben die Zielerreichung des Förderprogramms der Förderperiode 2000 bis 2006 anhand bewilligter Anträge der Jahre 2002 bis 2006 untersucht.

      2 Prüfungsergebnisse

      2.1 Zielerreichung

      Die betriebswirtschaftliche Entwicklung der geförderten Unternehmen befriedigte nicht. Trotz langjähriger und intensiver Investitionsförderung ist es in Baden-Württemberg nicht gelungen, den Wettbewerbsrückstand der landwirtschaftlichen Unternehmen gegenüber den Unternehmen in anderen Ländern zu verringern. Investitionsschwerpunkte waren Rinderställe und Schweineställe. Hinzu kamen im Untersuchungszeitraum Biogasanlagen, Gewächshäuser und sonstige Investitionsschwerpunkte. Wir haben die Planwerte der Investitionskonzepte mit den Buchführungsergebnissen bei den geförderten Unternehmen verglichen. Um temporäre Einflüsse wie Preisschwankungen auszugleichen, haben wir Durchschnittswerte aus drei Wirtschaftsjahren gebildet. In der folgenden Darstellung konzentrieren wir uns auf Rinderställe und Schweineställe.

      2.1.1 Investitionsschwerpunkt Rinderställe

      Die Unternehmen investierten überwiegend in Milchviehställe. Daneben flossen die Fördermittel in Jungvieh- und Mastrinderställe.

      Wie Tabelle 1 zeigt, lagen die geplanten Gewinne im Durchschnitt unter den Ausgangswerten. Laut dem Ergebnis der Buchführung wurden sie im Durchschnitt um 23 Prozent übertroffen. Deutlich schwächer hat sich die Eigenkapitalbildung entwickelt. Es ist zu vermuten, dass die Lebenshaltungskosten zu niedrig angesetzt wurden. Soweit die Unternehmer Kapital für ihre private Vermögensbildung entnommen haben, haben wir dies als Eigenkapitalbildung berücksichtigt. Die Verbindlichkeiten waren nur wenig höher als im Investitionskonzept.

      2013-B13-Tab1.jpg

      Die Buchführungsergebnisse zeigen jedoch eine weite Bandbreite. Trotz der relativ guten Durchschnittswerte ist der Gewinn bei 53 Prozent der Unternehmen niedriger als geplant. 32 Prozent der Unternehmen haben weniger als 75 Prozent des geplanten Gewinns erreicht.

      Völlig unbefriedigend ist auch die tatsächliche Eigenkapitalbildung, die im Durchschnitt um 36 Prozent unter dem Ziel lag. 38 Prozent der Unternehmen verloren Eigenkapital. Die angestrebte Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit wurde somit in diesen Fällen gerade nicht erreicht.

      2.1.2 Investitionsschwerpunkt Schweineställe

      Die untersuchten Unternehmen mit Schweinehaltung verteilen sich auf die Investitionsschwerpunkte Schweinemastställe (47,6 Prozent) und Zuchtsauenställe (14,3 Prozent). 38,1 Prozent der Unternehmen betrieben gleichzeitig Schweinemast- und Zuchtsauenställe.

      Im Durchschnitt wurden die geplanten Gewinne allerdings bei Weitem nicht erreicht (-49 Prozent). Die negative Gewinnentwicklung hat sich stark auf die Eigenkapitalbildung und den Stand der Verbindlichkeiten ausgewirkt. Hier sind im Durchschnitt Eigenkapitalverluste von rund 9.000 Euro aufgetreten. Die Verbindlichkeiten waren um 86.000 Euro (+23 Prozent) höher als ursprünglich geplant.

      Aufgrund der Investitionsmaßnahmen wurden die Produktionskapazitäten um durchschnittlich 300 Prozent ausgeweitet.

      2013-B13-Tab2.jpg

      Die Buchführungsergebnisse zeigen folgendes Bild: Rund 86 Prozent der geförderten Unternehmen haben weniger Gewinn als geplant erzielt, 57 Prozent weniger als drei Viertel des prognostizierten Wertes. 24 Prozent hatten im Durchschnitt der drei untersuchten Wirtschaftsjahre gar Verluste zu verzeichnen. Über die Hälfte der Unternehmen mussten infolge der ungünstigen Gewinnsituation Eigenkapitalverluste hinnehmen.

      Die betriebswirtschaftliche Bilanz ist bei den Unternehmen mit Schweinehaltung besonders negativ. Die Ziele wurden weit überwiegend nicht erreicht. Die Unternehmen hatten deshalb im Zeitraum von vier bis sechs Jahren nach der Investition im Durchschnitt massiv schlechtere Betriebsergebnisse und weit höhere Verbindlichkeiten als zuvor. Viele sind in eine Existenz bedrohende Krise geraten.

      Die unbefriedigenden Ergebnisse sind auch der zeitweise ungünstigen Marktsituation geschuldet. Dies ändert jedoch nichts an den erzielten Ergebnissen.

      2.1.3 Junglandwirteförderung

      Unsere Erhebungen ergaben keine messbaren Effekte der Junglandwirteförderung. Auch die EU-Evaluatoren halten eine Lenkungswirkung dieser begrenzten Prämie für unwahrscheinlich. Sie haben zudem starke Mitnahmeeffekte festgestellt (Update der Halbzeitbewertung des Entwicklungsprogramms für den Ländlichen Raum 2000 - 2004, Seite 64 f.)

      2.2 Verwaltungsverfahren

      2.2.1 Erfolgskontrolle

      Obwohl als Hauptziel der Förderung die Wettbewerbsfähigkeit verbessert werden soll, wird die anschließende wirtschaftliche Entwicklung der geförderten Unternehmen von den Bewilligungsstellen nicht weiter verfolgt. Es wird insbesondere nicht überprüft, ob die Zielwerte der mit großem Aufwand und Kosten entwickelten Investitionskonzepte erreicht werden. Damit entfällt das notwendige Feedback im Hinblick auf die verwendeten Planungsdaten. Nachdem die Investition getätigt und der Verwendungsnachweis anerkannt ist, gilt das Projekt als abgeschlossen. Dabei steht es im Hinblick auf das Hauptziel der Förderung erst vor der eigentlichen Bewährungsprobe. Als Grund für die mangelnde Erfolgskontrolle wurde uns Personalmangel genannt.

      2.2.2 Buchführungsdaten

      Die Antragsteller müssen sich verpflichten, ihre Buchführung für mindestens sieben Jahre fortzuführen und die Abschlüsse jährlich in elektronischer Form bei der Stabstelle Steuerung und Koordinierung von EU-Maßnahmen, Kornwestheim (SEU), vorzulegen.

      Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz nutzt die bei der SEU gespeicherten Daten, um Auswertungen im Zusammenhang mit der Kofinanzierung durch die Europäische Union durchzuführen.

      Um die betriebswirtschaftliche Entwicklung der geförderten Unternehmen zu analysieren, haben wir versucht, die notwendigen Buchführungsdaten aus der SEU-Datenbank abzurufen. Von den 118 Unternehmen in der Zufallsauswahl waren bei 79 Prozent die Daten fehlerhaft beziehungsweise unvollständig.

      2.2.3 Priorisierung

      Aufgrund der Projektauswahlkriterien werden die vorliegenden Förderanträge landeseinheitlich priorisiert. Daraus ergibt sich die Reihenfolge der Bewilligung. Die Priorisierung wirkt prinzipiell nur dann, wenn ein Antragsüberhang besteht. Stehen dagegen ausreichend Fördermittel zur Verfügung, kann eine Priorisierung nicht zu einem Förderausschluss führen.

      Der Vergleich mit der vergangenen Förderperiode, in der nicht priorisiert wurde, zeigt eine zunehmende Verengung des Förderspektrums auf priorisierte Investitionen in die Milchvieh- und Schweinehaltung. In der vergangenen Förderperiode 2000 bis 2006 wurden 44 Prozent der Fördermittel für Rinderställe und Schweineställe ausgegeben. Im letzten Jahr unseres Prüfungszeitraums 2011 hat sich der Fördermittelanteil dieser beiden Förderschwerpunkte auf 88 Prozent verdoppelt. Damit ging eine starke regionale Konzentration auf wenige Landkreise mit hoher Viehdichte einher.

      Die Priorisierung verlängert das Antragsverfahren und macht es komplizierter. Die Verwaltung muss die vorliegenden Anträge in eine Rangfolge bringen, die sich bei jedem Neueingang wieder verändert. Für die Antragsteller bedeutet dies längere Wartezeiten und große Unsicherheit, ob und wann ihr Antrag bewilligt werden kann. Es ist auch davon auszugehen, dass landwirtschaftliche Betriebe mit niedrig priorisierter Produktionsrichtung im Hinblick auf die Projektauswahlkriterien von vornherein keine Anträge stellen. Dadurch verengt sich das Förderspektrum zusätzlich.

      2.3 EU-Evaluierung

      2.3.1 Sektorale und regionale Wirkung

      Die Fördermaßnahmen sollen der Unterstützung einer wettbewerbsfähigen, nachhaltigen, umweltschonenden, tiergerechten und multifunktionalen Landwirtschaft dienen. Das grundsätzliche Ziel ist demnach, die Landwirtschaft als Wirtschaftssektor unter den genannten Aspekten weiter zu entwickeln. Die Entwicklung einzelner Landwirtschaftsbetriebe ist dabei nur eine notwendige, keinesfalls aber hinreichende Bedingung. Es ist deshalb erforderlich, auch bei der Evaluierung den Gesamtsektor mit seinen regionalen Aspekten im Blickfeld zu behalten.

      Die EU-Evaluierung geht dagegen von einem einzelbetrieblichen Ansatz aus. Dies zeigt sich beispielsweise an den Indikatoren, die bereits bei der Halbzeitbewertung 2010 verwendet wurden. Sie sind ausschließlich einzelbetrieblich ausgerichtet. Der Ansatz der EU-Evaluierung bleibt deshalb in Bezug auf die Zielsetzung unvollständig. Unberücksichtigt bleiben wichtige überbetriebliche Faktoren wie Konkurrenzverhältnisse, Pachtpreisentwicklungen, Marktanteile und regionale Umweltbelastungen. Diese Faktoren spielen für die Effektivität und die Effizienz des Förderprogramms jedoch eine große Rolle.

      2.3.2 Verwaltungskosten bei EU-Evaluation nicht enthalten

      Die EU-Evaluierung befasst sich ausschließlich mit den Wirkungen der Förderprogramme im Sinne der vorgegebenen Ziele. Dieser Ansatz ist unzureichend. Die Effizienz der Programme kann nur beurteilt werden, wenn auch die Verwaltungskosten berücksichtigt werden.

      2.3.3 Terminierung der Halbzeitbewertung

      Der Bericht kommt einerseits für eine grundlegende Nachsteuerung in der laufenden Förderperiode zu spät. Andererseits ist die Datengrundlage mit drei Haushaltsjahren, darunter dem Anlaufjahr, für eine zuverlässige Wirkungsanalyse noch zu schwach. Schon in der vorangegangenen Förderperiode musste die Halbzeitbewertung aktualisiert werden. Eine Verschiebung der Halbzeitbewertung um ein Jahr würde die Datengrundlage für die Programmausrichtung in der folgenden Förderperiode wesentlich verbessern. Auf Update-Berichte könnte dann verzichtet werden.

      3 Empfehlungen

      3.1 Die Zielerreichung verbessern

      Bei großen Investitionen sollten nur leistungsfähige Unternehmen gefördert werden, die überdurchschnittliche produktionstechnische und betriebswirtschaftliche Kennzahlen nachweisen. Die Wirtschaftlichkeit der geförderten Investitionen sollte strenger geprüft werden.

      Tierschutz- und Umweltziele sollten zulasten der Basisförderung stärker gewichtet und besser auf den Bedarf ausgerichtet werden. Dabei wäre insbesondere an Maßnahmen in den Bereichen Immissionsschutz, artgerechte Tierhaltung und Innovationen zu denken. Folglich sollte die Regelförderung auf einen Basissatz von 15 Prozent abgesenkt werden. Darüber hinaus gewährte Zuschüsse sind an besondere und einfach überprüfbare Bedingungen aus den Bereichen Tier-, Umweltschutz und an Innovationen zu knüpfen.

      Das Programm sollte nicht mit flächenbezogenen Zielen in den Bereichen Landschaftspflege und Naturschutz belastet werden. Es kann auch natürliche Nachteile nicht dauerhaft ausgleichen. Dieser Ausgleich sollte allein durch die Ausgleichszulage erfolgen.

      Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz sollte in Erwägung ziehen, auf die Junglandwirteförderung zu verzichten.

      Das Mindestinvestitionsvolumen sollte auf 50.000 Euro angehoben werden.

      3.2 Das Verwaltungsverfahren verbessern

      Durch eine Erfolgskontrolle sollte überprüft werden, ob die Zielwerte der Investitionskonzepte erreicht werden.

      Die Qualität der zentral gespeicherten Buchführungsdaten muss sichergestellt werden. Die Buchführungsergebnisse bei mehreren Betrieben eines Unternehmens sollten konsolidiert und zusammengefasst werden.

      Die Projektauswahlkriterien sollten entsprechend der Zielsetzung des Programms differenziert, regionale und Branchengesichtspunkte sollten berücksichtigt werden.

      Soweit EU-rechtlich möglich, sollte auf eine standardisierte Priorisierung verzichtet werden.

      Die Förderkonditionen sollten so angepasst werden, dass nur geringe Antragsüberhänge entstehen. Bei bewilligungsreifen Anträgen ist eine maximale Wartezeit von sechs Monaten anzustreben.

      3.3 Die EU-Evaluierung verbessern

      Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz sollte auf den ihm möglichen Wegen darauf hinwirken,

      • die sektorale und regionale Wirkung zusätzlich zur einzelbetrieblichen Wirkung der Förderung zu berücksichtigen,

       

      • bei den EU-Evaluationen auch die Verwaltungskosten aus dem Fördercontrolling einzubeziehen und

       

      • die Halbzeitbewertung bezüglich der investiven Maßnahmen in der nächsten Förderperiode auf das Ende des fünften Jahres zu terminieren.

      4 Stellungnahme des Ministeriums

      Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz betont, die Verringerung des Wettbewerbsrückstands mit anderen Ländern sei nicht das zentrale Ziel des AFP. Das Programm solle vielmehr einen Beitrag leisten, das landwirtschaftliche Einkommen zu stabilisieren sowie die Lebens-, Arbeits- und Produktionsbedingungen zu verbessern. Dieses Ziel werde in vielen geförderten Betrieben erreicht. Das Ministerium unterstreicht, gefördert würden nicht nur Investitionen zur Erweiterung. Angesichts starker Preisschwankungen bei der Milch- und Ferkelerzeugung seien auch Rationalisierungsinvestitionen wesentlich. Deren Effekt drücke sich nicht immer in höheren absoluten Unternehmensgewinnen aus. Vielmehr werde die Arbeit erleichtert und die Produktivität und der Gewinn je Arbeitskraft erhöht.

      Das AFP sei ein wichtiges Instrument, höhere Umwelt- und Tierschutzstandards umzusetzen. In der künftigen Förderperiode solle diesen Zielen (und damit auch den Empfehlungen des Rechnungshofs) noch mehr Gewicht beigemessen werden.

      5 Schlussbemerkung

      Die Zielerreichung - insbesondere im Bereich des wirtschaftlichen Erfolgs der Förderprojekte - ist zu verbessern. Gelingt dies nicht nachhaltig, sollte das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz die Fortsetzung des AFP kritisch prüfen. Um keinen Wettbewerbsnachteil der baden-württembergischen Landwirtschaft zu erzeugen, sollte darüber mindestens bundesweit diskutiert werden.


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      Einzelplan 12: Allgemeine Finanzverwaltung

      Fast jeder zweite geprüfte Einkommensteuerbescheid, der Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung von mindestens 5.000 Euro berücksichtigte, war in diesem Punkt fehlerhaft. Würde diese Fehlerquote landesweit unterstellt, ergäben sich Steuerausfälle in einer Größenordnung von jährlich 9 Mio. Euro. Um diese zu vermeiden, sind Änderungen bei der Datenerhebung und beim Risikomanagement erforderlich.


      1 Ausgangslage

      Der Rechnungshof prüfte 2011/2012 gemeinsam mit den staatlichen Rechnungsprüfungsämtern die im Veranlagungszeitraum 2009 als Werbungskosten abgezogenen Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung.

      Solche Aufwendungen entstehen einem Arbeitnehmer, wenn dieser außerhalb seines Wohnorts aus beruflichen Gründen einen weiteren Hausstand unterhält. Abzugsfähig sind im Wesentlichen die Kosten für eine angemessene Zweitwohnung, für wöchentliche Familienheimfahrten und die Verpflegungsmehraufwendungen der ersten drei Monate.

      Die Steuerverwaltung hat durch zahlreiche Maßnahmen versucht, die zutreffende Besteuerung in diesem Bereich zu gewährleisten. Gleichwohl hatten die turnusmäßigen Prüfungen der Finanzkontrolle bei den Finanzämtern weiterhin zu zahlreichen Beanstandungen geführt. Vor diesem Hintergrund haben wir den Abzug von Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung landesweit untersucht.

      2 Prüfungsergebnisse

      2.1 Finanzielle Bedeutung

      Im Veranlagungszeitraum 2009 hat die Steuerverwaltung in 46.041 Fällen Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung von insgesamt 227,5 Mio. Euro anerkannt. Dadurch wurde die festgesetzte Steuer um 73,9 Mio. Euro gemindert.

      Für die Prüfung haben wir Steuerbescheide des Veranlagungszeitraums 2009 ausgewählt, bei denen

      • Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung von mindestens 5.000 Euro als Werbungskosten abgezogen wurden und

       

      • das zu versteuernde Einkommen mehr als 15.668 Euro (doppelter Grundfreibetrag) betrug.

      Diese Auswahlkriterien erfüllten 17.633 Fälle. Das sind 38,3 Prozent der 46.041 Fälle mit Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung. Sie betreffen allerdings 65 Prozent der Mehraufwendungen und 73 Prozent der gesamten steuerlichen Auswirkung.

      2.2 Kennziffern bei den Basisdaten zu wenig differenziert

      Die Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung werden in der Anlage N der Einkommensteuererklärung nach den einzelnen Aufwendungsarten getrennt erfragt. Die einzelnen Angaben sind jedoch nicht für eine maschinelle Verarbeitung mit Kennziffern versehen (verkennziffert). Vielmehr wird für die maschinelle Verarbeitung der Gesamtaufwand in einer einzigen Kennzahl abgebildet. Daher stehen für das maschinelle Risikomanagement weder die einzelnen Aufwendungsarten noch deren Basisdaten zur Verfügung. Aus diesem Grund musste sich das Risikomanagement in den geprüften Fällen auf pauschale Prüfhinweise beschränken.

      2.3 Beanstandungsquote und finanzielles Ergebnis

      Die Finanzkontrolle hat 822 Steuerbescheide untersucht. Davon wurden 386 Steuerbescheide beanstandet. Dies entspricht einer Beanstandungsquote von 47 Prozent. Das finanzielle Ergebnis je geprüftem Steuerbescheid belief sich auf 496 Euro.

      Würde diese Fehlerquote landesweit unterstellt, ergäben sich Steuerausfälle in einer Größenordnung von jährlich 9 Mio. Euro. Weitere Steuerausfälle könnten bei den nicht untersuchten Fallkategorien (rund 26.000 Fälle) entstanden sein.

      2.4 Fehlerschwerpunkte

      In den 386 beanstandeten Steuerbescheiden wurden insgesamt 480 Fehler festgestellt. In nahezu allen beanstandeten Fällen hatte das Risikomanagementsystem pauschale Prüfhinweise ausgegeben. Die geltend gemachten Werbungskosten waren daher personell zu überprüfen.

      76,7 Prozent der Fehler und mehr als zwei Drittel des Fehlervolumens (67,7 Prozent) sind auf den Ansatz der Unterkunftskosten und der Aufwendungen für Familienheimfahrten einschließlich Firmenwagennutzung zurückzuführen. Weitere rund 7 Prozent der Fehler und 6 Prozent des Fehlervolumens entfallen auf den Ansatz der Mehraufwendungen für Verpflegung. Prüfungsfeststellungen zum eigenen Hausstand oder zum Lebensmittelpunkt führten insgesamt zu rund 10 Prozent der Fehler und zu knapp 20 Prozent des Fehlervolumens.

      2.4.1 Unterkunftskosten

      Als Unterkunftskosten sind nur die Aufwendungen für eine angemessene Wohnung abziehbar. Nach höchstrichterlicher Finanzrechtsprechung gelten Aufwendungen bis zu der ortsüblichen Miete für eine bis zu 60 Quadratmetern große und nach Lage und Ausstattung durchschnittliche Wohnung als angemessen. In vielen Fällen war der geltend gemachte Mietaufwand für eine Wohnung unangemessen. In einigen Fällen wurden zu Unrecht Mietaufwendungen für Garagen und Stellplätze als Werbungskosten anerkannt. Die Größe der Wohnung als grundlegender Basiswert für die Kosten der Unterkunft am Arbeitsort ist in der Anlage N bislang nicht anzugeben. Daher konnte sich insoweit bei der Veranlagung kein offensichtlicher Prüfungsansatz ergeben.

      2.4.2 Familienheimfahrten

      Aufwendungen für Familienheimfahrten können jeweils nur für eine Heimfahrt wöchentlich mit der Entfernungspauschale abgezogen werden. Aufwendungen für Familienheimfahrten mit einem dem Steuerpflichtigen unentgeltlich überlassenen Firmenwagen können nicht berücksichtigt werden. In einer Vielzahl von Fällen trafen wir Prüfungsfeststellungen bei der Anzahl der Familienheimfahrten und insbesondere bei der angesetzten Entfernung. Zudem haben wir oftmals Fälle beanstandet, in denen die Heimfahrten mit einem Firmenwagen durchgeführt wurden.

      2.4.3 Mehraufwendungen für Verpflegung

      Mehraufwendungen für Verpflegung sind nur für die ersten drei Monate der doppelten Haushaltsführung abzugsfähig. Oftmals wurde von den Finanzämtern Verpflegungsmehraufwand für längere Zeiträume anerkannt, insbesondere wenn der geltend gemachte Zeitraum einen Jahreswechsel umfasste und damit zwei Veranlagungszeiträume betraf.

      2.4.4 Eigener Hausstand und Mittelpunkt der Lebensinteressen

      Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung sind abziehbar, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, an dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Außerdem muss sich am Ort des eigenen Hausstands der auf Dauer angelegte Mittelpunkt der Lebensinteressen befinden. Bei nicht verheirateten Arbeitnehmern haben wir mehrfach beanstandet, dass kein eigener Hausstand außerhalb des Beschäftigungsorts vorlag, insbesondere bei einem Zimmer in der elterlichen Wohnung. Zudem unterließen es die Finanzämter oftmals, bei einer länger andauernden doppelten Haushaltsführung zu prüfen, ob sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen noch am Ort des eigenen Hausstands befand.

      2.5 Bewertung

      Trotz verschiedener Maßnahmen ist es der Steuerverwaltung bisher nicht gelungen, eine befriedigende Bearbeitungsqualität bei den Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung zu erreichen. Wir halten dafür den Erklärungsvordruck, das Risikomanagementsystem und die begrenzten Personalressourcen für ursächlich.

      3 Empfehlungen

      3.1 Basisdaten konkretisieren und verkennziffern/Risikomanagement verbessern

      Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft sollte sich auf Bundesebene dafür einsetzen, die Anlage N anzupassen und das Risikomanagement so bald wie möglich zu verbessern. Auch der Bundesrechnungshof und der Rechnungshof Rheinland-Pfalz haben erhebliche Mängel beim Abzug der Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung festgestellt und ähnliche Vorschläge gemacht.

      Wir empfehlen, in der Anlage N 2013 die Größe der Wohnung und die Nutzung eines Firmenwagens zusätzlich zu erfragen. Sämtliche erfragten Daten sollten zudem maschinell verwertbar dargestellt und verkennziffert werden. Bei einer derart verbesserten Datenbasis wäre das Risikomanagementsystem in der Lage, die erklärten Besteuerungsgrundlagen zu plausibilisieren, die risikobehafteten Fälle zu erkennen und nur noch diese zur Bearbeitung auszusteuern. Dadurch könnten die begrenzten Personalressourcen entlastet und die Autofallquote positiv beeinflusst werden.

      Mit den jeweils vollständigen Adressdaten zum Beschäftigungsort und zum Hausstand am Lebensmittelpunkt wäre es dem Bearbeiter zudem einfacher möglich, in den als risikobehaftet ausgesteuerten Fällen auch die Entfernungskilometer zu überprüfen. In diesen Fällen ergäbe sich eine deutliche Arbeitserleichterung, da die für den Einsatz eines Routenplaners notwendigen Angaben nicht zeitintensiv ermittelt werden müssten.

      3.2 Vorhandene Hinweise um Fehlerschwerpunkte erweitern

      Falls die vorstehenden Empfehlungen nicht zeitnah realisiert werden können, sollten als Sofortmaßnahme die bereits vorhandenen Hinweise zur doppelten Haushaltsführung konkreter formuliert werden. Die häufigsten Fehlerschwerpunkte - Angemessenheit der Wohnung, Anzahl der Familienheimfahrten, Entfernungskilometer und Dreimonatszeitraum - sollten den Bearbeitern klar benannt werden.

      3.3 Landesweites Prüffeld konzipieren

      Sehr gute Erfahrungen machte die Steuerverwaltung mit dem landesweiten Prüffeld „Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung“. Es zeigte sich, dass die Finanzämter die Vermietungseinkünfte in diesen Fällen weitgehend fehlerfrei veranlagten. Zudem konnten auch Folgewirkungen für künftige Veranlagungen erzielt werden.

      Da doppelte Haushaltsführungen oftmals über Jahre bestehen, empfehlen wir, die Thematik zum Gegenstand eines landesweiten Prüffelds zu machen.

      4 Stellungnahme des Ministeriums

      Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft erhebt keine Einwendungen zu den getroffenen Feststellungen und Empfehlungen. Es teilt mit, dass mit den Erklärungsvordrucken 2012 die Anlage N bereits auf dreistellige Kennzahlen umgestellt worden sei. Dies ermögliche eine tiefere Verkennzifferung. Für die Erklärungsvordrucke 2013 könne voraussichtlich den Empfehlungen des Rechnungshofs entsprochen werden.

      Darüber hinaus führt das Ministerium aus, dass eine kurzfristige Ergänzung der Hinweise im bundeseinheitlichen Verfahren Konsens nicht möglich sei. Die Oberfinanzdirektion Karlsruhe habe jedoch die Finanzämter auf die Fehlerschwerpunkte hingewiesen. Das Ministerium beabsichtige zudem, die Mehraufwendungen bei doppelter Haushaltsführung im Jahr 2015 zu einem landesweiten Prüffeld zu machen.

      Das Ministerium weist im Übrigen auf eine aktuelle Gesetzesänderung hin, die ab 2014 die abzugsfähigen Unterkunftskosten auf 1.000 Euro je Monat begrenzt. Damit entfalle die bisher notwendige Angemessenheitsprüfung.

      5 Schlussbemerkung

      Der Rechnungshof hält es für sinnvoll und richtig, dass die Oberfinanzdirektion Karlsruhe bereits erste Maßnahmen ergriffen hat und die Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung zudem als landesweites Prüffeld konzipiert werden sollen.

      Der Rechnungshof erwartet, dass durch die verbreiterte Datenbasis das Risikomanagementsystem baldmöglichst optimiert wird und in der Folge die Bearbeitungsqualität signifikant steigt. Enthält die Anlage N zudem sämtliche notwendigen Adressdaten, dürfte sich der Prüfungsaufwand zusätzlich reduzieren.

      Sofern die Anlage N 2013 entsprechend geändert wird, hält es der Rechnungshof im vorliegenden Fall für hinnehmbar, dass Hinweistexte nicht konkretisiert werden können. Grundsätzlich sollte die Finanzverwaltung aber auch bei bundeseinheitlichen Verfahren in der Lage sein, bestehende Texte kurzfristig anzupassen, da solche Hinweise besonders wirksame direkte Hilfestellungen bei der Fallbearbeitung sind.


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      Bisher erfüllen die Landesgebäude die rechtlich verbindlichen Nachrüstpflichten nicht. Auch für energetische Sanierungen gilt, dass die Wirtschaftlichkeit nachzuweisen ist. Zu dem Bezug von Ökostrom gibt es wirtschaftlichere Alternativen.


      1 Ausgangslage

      Die jährlichen Kosten für Strom und Wärme der Landesgebäude ohne Universitäten betragen 95 Mio. Euro (Jahresabschluss 2011).

      Energetische Sanierungen und höhere Energiestandards bei Neubaumaßnahmen ließen den spezifischen Wärmeverbrauch bei Landesgebäuden von 1990 bis 2010 um ein Drittel von 235 kWh auf 154 kWh je m² Nutzfläche und Jahr sinken. Gleichwohl erhöhten sich die spezifischen Wärmekosten je m² Nutzfläche im gleichen Betrachtungszeitraum von 4,70 Euro auf 8,50 Euro je m² Nutzfläche und Jahr ausschließlich wegen gestiegener Energiekosten.

      Der spezifische Stromverbrauch nahm von 1990 bis 2010 um 24 Prozent von 49 kWh auf 61 kWh je m² Nutzfläche und Jahr zu. Grund für die Zunahme ist der Ausbau der Informations- und Kommunikationstechnik. Ohne die gleichzeitigen Effizienzverbesserungen zum Beispiel bei der Beleuchtung würde die Verbrauchszunahme noch deutlich höher ausfallen. Die Stromkosten stiegen von 1990 bis 2010 um 61 Prozent von 6,90 Euro auf 11,10 Euro je m² Nutzfläche und Jahr wegen höherer Verbräuche und gestiegener Energiekosten.

      In der Denkschrift 2010, Beitrag Nr. 26 (Landtagsdrucksache 14/6626), wurde der energetische Zustand von Universitätsgebäuden thematisiert. 2012 haben der Rechnungshof und die staatlichen Rechnungsprüfungsämter bei Verwaltungsgebäuden und nicht universitären Hochschulgebäuden (sogenannter Bezirksbau) den energetischen Zustand untersucht.

      Das Land errichtet zurzeit zwei Hochschulneubauten in Passivhausbauweise und plant eine Energie-Plus-Liegenschaft in einem landwirtschaftlichen Zentrum. Wie stark sich die aktuellen Projekte auf die landesweite CO2-Emission auswirken, bleibt abzuwarten.

      2 Prüfungsergebnisse

      In die Prüfung wurden 194 landeseigene und angemietete Gebäude mit einer Nutzfläche von 757.000 m² einbezogen. Damit wurden 16 Prozent der Nutzfläche im Bezirksbau des Landes untersucht.

      Als durchschnittlicher Energieverbrauch für die 194 Gebäude wurde ein Wärmeverbrauch von 158 kWh je m² sowie ein Stromverbrauch von 82 kWh je m² ermittelt.

      Die untersuchten Gebäude wurden entsprechend ihres Sanierungsgrades in drei Gruppen eingeteilt:

      • Vollsanierte Gebäude und Neubauten,
      • teilsanierte Gebäude und
      • nicht sanierte Gebäude.

      Dabei wurden nur energetische Sanierungen nach dem Jahr 2000 gewertet. Bei den vollsanierten Gebäuden wurden sowohl die Gebäudehülle, als auch die Haustechnik erneuert. Bei den teilsanierten Gebäuden wurde entweder das Dach, die Fassade oder die Haustechnik erneuert.

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      51 Prozent der ausgewählten Gebäude waren nicht saniert. 30 Prozent waren teilsaniert und 19 Prozent der ausgewählten Gebäude waren vollsaniert oder Neubauten. Die nicht sanierten Gebäude verbrauchten im Mittel 199 kWh je m² für Wärme. Vollsanierte Gebäude und Neubauten verbrauchten im Mittel 116 kWh je m² für Wärme. Beim Stromverbrauch liegen die Verbrauchswerte deutlich näher beieinander. Sie betragen zwischen 67 und 84 kWh je m².

      Die Auswertung zeigt, dass Einspareffekte beim Stromverbrauch nur in geringem Maße möglich sind. Größer, aber immer noch geringer als 40 Prozent ist das maximale Einsparpotenzial beim Wärmeverbrauch (von 199 auf 116 kWh je m²).

      2.1 Nicht genutztes Einsparpotenzial

      Der Rechnungshof stellte fest, dass die Nachrüstpflichten aus der Energieeinsparverordnung 2009 oftmals nicht erfüllt wurden. Bei 67 Prozent der untersuchten Gebäude war die oberste Geschossdecke noch nicht gedämmt. Die Dämmung der obersten Geschossdecke ist eine wirtschaftliche Maßnahme, die sich regelmäßig innerhalb von zehn Jahren amortisiert. Bei 83 Prozent der untersuchten Gebäude waren die Heizungs- und Warmwasserleitungen noch nicht vollständig gedämmt. Oberste Geschossdecken sowie offen liegende Heizungs- und Warmwasserleitungen sind mit wenigen Ausnahmen mit Dämmungen nachzurüsten.

      Die technische Dämmung von Heizungsverteilern wie Armaturen und Pumpen ist häufig unvollständig. Die vorhandene Dämmung wurde nach gesetzlichen Mindestanforderungen dimensioniert, nicht aber nach Wirtschaftlichkeit. So erwärmt sich z. B. in der Justizvollzuganstalt Freiburg die Raumluft in der Heizzentrale übermäßig. Diese Überhitzung wird durch die zusätzliche Installation einer Wärmepumpe wieder abgebaut. Dies ist unwirtschaftlich, während eine verbesserte Dämmung der Heizungszentralen auch ohne Sanierung der zentralen Betriebstechnik wirtschaftlich wäre.

      Häufig sind Heizkörpernischen nicht gedämmt. Die Heizkörper befinden sich vor dem Bauteil mit dem schlechtesten Wärmedurchgangskoeffizienten. Bei Heizkörpern vor bodentiefen Fenstern fehlt regelmäßig der Strahlungsschirm.

      Oft sind veraltete, unwirtschaftliche Umwälzpumpen installiert. Moderne Hocheffizienzpumpen sind erheblich wirtschaftlicher. Ein Austausch amortisiert sich innerhalb von zwei bis fünf Jahren. Während das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Haus- und Wohnungseigentümer zum Pumpentausch auffordert, führte das Land bisher keinen systematischen Austausch veralteter Pumpen in seinen Gebäuden durch. Der Landesbetrieb Vermögen und Bau beabsichtigt, ab Mitte 2013 hierzu ein Programm aufzulegen.

      In 43 Prozent der Gebäude sind raumlufttechnische Anlagen installiert, von denen deutlich weniger als die Hälfte mit einer Wärmerückgewinnung ausgestattet ist. Auch bei neuen Anlagen werden keine hocheffizienten Ventilatoren eingesetzt.

      In jedem sechsten Gebäude befinden sich teilweise einfach verglaste Fenster, vor allem in Fluren und Treppenhäusern.

      2.2 Energiekatalog als neues Steuerungsinstrument

      Der Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg hat 2010 einen zentralen Energiekatalog als neuen strategischen Ansatz zur Energieeinsparung eingeführt. Dem Energiekatalog war ein komplexes Ermittlungs- und Auswahlverfahren vorgeschaltet. Dabei wurden 183 Vorschläge für energiesparende Baumaßnahmen gesammelt. Bei 151 von 183 Vorschlägen waren Energiekosteneinsparung und Amortisation angegeben. Diese hat der Rechnungshof ausgewertet.

      Rein technische Maßnahmen amortisieren sich demzufolge schneller als bauliche Maßnahmen. Viele Amortisationszeiten, insbesondere für bauliche Maßnahmen, betragen mehr als 40 Jahre. Diese sind nicht wirtschaftlich realisierbar, da sie die Nutzungsdauer der Bauteile überschreiten. Es kann also im Einzelfall wirtschaftlicher sein, auf eine energetische Ertüchtigung zu verzichten und das Gebäude bis zur vollständigen Abnutzung zu betreiben.

      2.3 CO2-Emission der landeseigenen Gebäude

      Im Oktober 2012 legte das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft einen Gesetzentwurf zur Förderung des Klimaschutzes in Baden-Württemberg vor. Darin ist das Ziel genannt, „bis zum Jahr 2040 die Landesverwaltung […] weitgehend klimaneutral zu organisieren“.

      2013-B15-Abb2.jpg

      Das Land stellt seit 1990 seine Heizungen zunehmend auf Fernwärme und Erdgas um, wodurch weniger CO2 emittiert wird. Wurden 1990 noch 14 Prozent der Landesgebäude mit Fernwärme und 31 Prozent mit Kohle versorgt, waren es 2008 bereits 49 Prozent Fernwärme und nur noch 3 Prozent Kohle.

      Einige Hackschnitzelheizungen wurden gebaut, und einzelne Passivhäuser oder Forschungsprojekte befinden sich in konkreter Umsetzung.

      Von 1990 bis 2000 konnte die CO2-Emission um ein Fünftel gesenkt werden. Seit 2000 ist zunächst ein geringfügiger Rückgang und seit 2007 durch steigenden Stromverbrauch wieder ein Zuwachs zu verzeichnen.

      Das Land beschafft seit 2010 rund ein Drittel der verbrauchten elektrischen Energie aus erneuerbaren Energien. Ökologisch sinnvoller und wirtschaftlicher für das Land wäre der Ausbau von Blockheizkraftwerken und landeseigenen Photovoltaik-Anlagen. Die Stromgestehungskosten solcher Anlagen sind niedriger als die Strompreise, welche das Land bei landesweiten Ausschreibungen erzielen kann. Große Landesliegenschaften, insbesondere Hochschulen, erlauben dabei einen hundertprozentigen Eigenverbrauch. Eine zunehmend dezentrale Stromerzeugung würde außerdem den Bedarf neuer „Stromautobahnen“ senken.

      Die Photovoltaik-Anlagen auf Landesgebäuden gehören heute in der Regel privaten Investoren. Die Energieeffizienz der Landesgebäude als solcher wird damit nicht verbessert. Das Land profitiert lediglich in Form von Pachteinnahmen.

      3 Empfehlungen

      3.1 Zuerst gesetzliche Nachrüstpflichten erfüllen

      Vorrangig sind die gesetzlichen Auflagen zur Dämmung von Gebäuden zu erfüllen. Viele Maßnahmen können kurzfristig und ohne größeren finanziellen Aufwand realisiert werden.

      3.2 Energiekatalog validieren

      Die strategischen Schwerpunkte für Sanierungen müssen anhand eines validierten Energiekatalogs festgelegt werden. Die energetischen Maßnahmen des Energiekatalogs sollten nach Amortisation und Einsparung priorisiert und vom Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg zentral gesteuert werden. Technische Maßnahmen sind gegenüber baulichen Maßnahmen zu bevorzugen. Kostenintensive, vollumfängliche Sanierungen sind zurückzustellen, wenn die Amortisationszeiten nicht wirtschaftlich sind.

      3.3 Pilotprojekte anschieben und evaluieren

      Vor der flächendeckenden Umsetzung der klimaneutralen Landesverwaltung sollten Pilotprojekte gestartet werden, beispielsweise ein klimaneutraler Hochschulcampus. Nach einer ausreichenden Erprobungsphase sind Ergebnisse zu evaluieren. Dabei ist neben der ökologischen Zielsetzung vor allem die Wirtschaftlichkeit zu beachten.

      3.4 Ökonomische und ökologische Stromversorgung

      Das Land sollte ein Konzept für eine ergänzende landeseigene Stromerzeugung aus Photovoltaik- oder Windkraftanlagen für seine Gebäude entwickeln. Dies ist wirtschaftlicher als der Einkauf von Ökostrom, insbesondere wenn der erzeugte Strom selbst verbraucht wird.

      4 Stellungnahme des Ministeriums

      Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft sieht sich durch die Feststellungen des Rechnungshofs bestätigt, dass seine aktuelle Strategie zur Verbesserung der Energieeffizienz der Landesgebäude sinnvoll und zweckmäßig sei. Die Empfehlungen des Rechnungshofs entsprächen den von der Landesregierung im Dezember 2012 beschlossenen Maßnahmen zur energetischen Sanierung.

      Das Ministerium führt aus, dass bei der Dämmung oberster Geschossdecken nicht grundsätzlich von einer Wirtschaftlichkeit und einer Amortisationszeit von zehn Jahren ausgegangen werden könne. Außerdem habe der Rechnungshof die Zulässigkeit von Ausnahmen, die in den 2011 erschienenen Auslegungshinweisen des Deutschen Instituts für Bautechnik beschrieben sind, nicht berücksichtigt.

      Nach Auffassung des Ministeriums dürfen vollumfängliche Sanierungen nicht zurückgestellt werden, weil auch der Werterhalt der Gebäude eine wesentliche Aufgabe der Vermögens- und Hochbauverwaltung sei.

      Sämtliche Pilotprojekte zur Steigerung der Energieeffizienz würden evaluiert. Photovoltaik-Anlagen auf landeseigenen Dachflächen würden weiter ausgebaut. Das Ministerium sieht im Einkauf von Ökostrom eine wirtschaftliche Alternative zur eigenen Stromerzeugung aus erneuerbarer Energie.

      5 Schlussbemerkung

      Der Rechnungshof bleibt bei seinen Empfehlungen. Auch bei den vom Ministerium angesprochenen Ausnahmen ist eine Wirtschaftlichkeit der Dämmmaßnahmen überwiegend gegeben.


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      Einzelplan 13: Ministerium für Verkehr und Infrastruktur

      Die Brücken an Landesstraßen befinden sich wie das gesamte Straßennetz des Landes in einem unbefriedigenden Zustand. Dies ist das Ergebnis der jüngsten Zustandserfassung und -bewertung der Straßenbauverwaltung. Der Erhalt der Brücken wurde über viele Jahre vernachlässigt. Bereits jetzt drohen Sperrungen an Brücken. Der Rechnungshof empfiehlt, aus den Mitteln für den Erhalt der Landesstraßen mindestens 20 Mio. Euro für die Brücken zu verwenden.


      1 Ausgangslage

      In Baden-Württemberg gab es am 01.01.2012 an Landesstraßen 3.147 Brücken mit einer Brückenfläche von 675.000 m². Der Großteil dieser Brücken ist älter als 30 Jahre, ein Viertel ist bereits über 50 Jahre alt.

      Die Brücken müssen regelmäßig auf Standsicherheit, Dauerhaftigkeit und Verkehrssicherheit untersucht werden. Ihr Zustand wird mit Noten von 1,0 (sehr guter Zustand) bis 4,0 (ungenügender Zustand) bewertet. Die Noten bilden die Grundlage für eine Erhaltungsplanung.

      Für den Erhalt der Brücken an Landesstraßen standen bisher je Jahr zwischen 10 und 12 Mio. Euro zur Verfügung. Die Straßenbauverwaltung konzentrierte sich mit diesem Budget darauf, Brücken mit einer Zustandsnote schlechter als 3,5 zu erhalten.

      Der Rechnungshof hat das Erhaltungsmanagement der Straßenbauverwaltung geprüft.

      2 Prüfungsergebnisse

      2.1 Der Zustand der Brücken ist schlecht

      Zum Stichtag 01.01.2012 befanden sich 149 der 3.147 Brücken in einem nicht ausreichenden oder ungenügenden Zustand (gleich Zustandsnote 3,0 und schlechter). Hierzu gehören besonders viele Spannbetonbrücken, die ab den Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts erbaut wurden. Gründe für die heutigen baulichen Mängel sind damalige planerische, technologische oder normative Defizite.

      Durch eine konsequente Ausrichtung auf den Erhalt der Brücken mit einem ungenügenden Zustand (gleich Zustandsnote 3,5 und schlechter) konnte der Anteil der Brückenfläche mit nicht ausreichenden bis ungenügenden Zustand in den letzten Jahren leicht verringert werden. Das derzeit praktizierte Verfahren führt jedoch dazu, dass in den kommenden Jahren bei einem Großteil der Brücken, die aktuell noch einen befriedigenden Zustand (gleich Zustandsnote 2,0 bis 2,4) aufweisen, vermehrt Erhaltungsbedarf entstehen wird.

      2.2 Aus den Erhaltungsmitteln für Landesstraßen wird zu wenig für die Brücken verwendet

      Derzeit sind für den Erhalt der Landesstraßen je Jahr im Haushalt 100 Mio. Euro veranschlagt. Diese stehen durch die Refinanzierung des Landesinfrastrukturprogramms (von 2012 bis 2014 sind 23,3 Mio. Euro je Jahr zurück zu zahlen) nicht vollständig zur Verfügung. Für den Brückenerhalt werden nur 10 bis 12 Mio. Euro je Jahr verwendet. Dieser Betrag wird nach Einschätzung des Rechnungshofs nicht ausreichen, den künftigen Mittelbedarf für den Brückenerhalt auch nur annähernd abzudecken. Eine dauerhaft wirksame Schadensprävention durch Erhaltungsmaßnahmen bei Brücken mit einem befriedigenden bis nicht ausreichenden Zustand (gleich Zustandsnote 2,0 bis 3,4) ist mit dem Finanzvolumen, wie es seither bereit gestellt wurde, nicht möglich.

      Hinzu kommt, dass nicht alle Brücken, die sich in einem ungenügenden Zustand (gleich Zustandsnote 3,5 und schlechter) befinden, in angemessener Zeit erhalten werden können. Mittlerweile müssen Brücken daher wegen zu starker Beanspruchung durch den Schwerlastverkehr teilgesperrt (Fahrbahneinengung) werden oder können nur eingeschränkt genutzt werden (Tonnagebeschränkung). Dies kann den regionalen Wirtschaftsverkehr erheblich beeinträchtigen, wie das Beispiel der Kocherbrücke in Kochersteinsfeld zeigt. Bei dieser Brücke musste eine Fahrbahneinengung auf 3,50 Meter und eine Verkehrsbeschränkung auf 7,5 Tonnen vorgenommen werden.

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      2.3 Bei zahlreichen Brücken muss die Tragfähigkeit erhöht werden

      Bei vielen Brücken reicht der Erhalt des Status quo nicht aus. Wegen der gestiegenen Nutzungsanforderungen durch Verkehrszunahme und höhere Tonnagen ist ihre Tragfähigkeit unzureichend. Bei einem festgestellten Defizit sind die Brücken zu erhalten und zusätzlich ist die Tragfähigkeit zu erhöhen; gegebenenfalls muss eine Ersatzbrücke gebaut werden.

      In einer ersten Auswertung der Straßenbauverwaltung wurden mehr als 200 Bauwerke an Landesstraßen identifiziert, die statisch nachgerechnet werden müssen. Dies ist bislang nicht erfolgt. Falls ihre Tragfähigkeit nicht ausreicht, sind umgehend bauliche Maßnahmen einzuleiten. Ansonsten könnten Sperrungen von Brücken und damit erhebliche Einschränkungen der Infrastruktur notwendig werden.

      Die statische Nachberechnung der zu ertüchtigenden Brücken wird künftig eine Daueraufgabe der Straßenbauverwaltung sein.

      2.4 Mittelfristige Erhaltungsprogramme werden nicht aufgestellt

      Die Straßenbauverwaltung stellt für Erhaltungsmaßnahmen keine mittelfristigen Bauprogramme auf. Erhaltungsprogramme, die sich beispielsweise an der Verkehrsstärke oder der Bedeutung der Brücke im Landesstraßennetz orientieren, gibt es nicht. Die Erhaltungsstrategie orientiert sich vielmehr an den finanziellen Möglichkeiten. Sie ist nicht auf eine systematische Schadensprävention ausgerichtet.

      3 Empfehlungen

      3.1 Dem Brückenerhalt ist Vorrang gegenüber dem Straßenerhalt einzuräumen

      Für den funktionsfähigen Erhalt von Brücken an Landesstraßen sind nach Einschätzung des Rechnungshofs jährlich zumindest 20 Mio. Euro nötig. Die Straßenbauverwaltung muss sonst damit rechnen, dass eventuell Brückensperrungen notwendig werden, die zu gravierenden Einschnitten in das Straßenverkehrsnetz des Landes führen. Der Rechnungshof hält es für zwingend, dass der Anteil für den Brückenerhalt aus den Mitteln für den Erhalt von Landesstraßen erhöht wird.

      Dem Erhalt von Brücken ist Vorrang gegenüber dem Straßenerhalt einzuräumen. Bei schlechten Straßenzuständen können im Bedarfsfall übergangsweise Geschwindigkeitsbegrenzungen oder einspurige Sperrungen ausgesprochen werden, komplette Sperrungen sind nicht die Regel. Bei einem bestimmten Schadensbild an Brücken ist eine Vollsperrung zwingend.

      3.2 Die statische Überprüfung der Brücken ist zu beschleunigen

      Die mehr als 200 identifizierten Brücken mit einem potenziellen Tragfähigkeitsdefizit müssen schnellstmöglich statisch überprüft werden, um den Investitionsbedarf ermitteln zu können. Sind bauliche Maßnahmen zum Erhalt und zur Erhöhung der Tragfähigkeit an diesen Bauwerken nötig, müssen diese umgehend durchgeführt werden.

      3.3 Das Erhaltungsmanagement ist auszubauen

      Das Erhaltungsmanagement mit der kontinuierlichen Erhaltungsplanung ist weiter zu entwickeln. Ein Investitionsrahmenplan für fünf Jahre ist aufzustellen, der eine landesweite Priorisierung der zu erhaltenden Brücken enthält. Daraus ist ein mittelfristiges Bauprogramm mit Sanierungsvorschlägen zu Bauwerken und Fahrbahnen abzuleiten. In diesem Bauprogramm müssen sich Dringlichkeit, Finanzierung und eine an örtlichen Randbedingungen angepasste Baudurchführung niederschlagen. Auf der Grundlage des zukünftig zur Verfügung stehenden Bauwerksmanagementsystems ist das strategische und technische Controlling zügig auszubauen.

      4 Stellungnahme des Ministeriums

      Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur stimmt den Empfehlungen des Rechnungshofs zu. Es weist jedoch darauf hin, dass der vom Rechnungshof dargestellte Finanzbedarf für den Erhalt der Brücken im Netz der Landesstraßen von jährlich rund 20 Mio. Euro nur die reine Erhaltung der Ingenieurbauwerke im Sinne einer Sicherstellung des Status quo abdeckt. Nur dieser Betrag sei in der Berechnung der insgesamt erforderlichen Erhaltungsmittel für den Straßenbau berücksichtigt.

      Für die aus Gründen der Tragfähigkeit erforderlichen Brückenertüchtigungen seien nach den derzeitigen Erkenntnissen des Ministeriums für einen Zeitraum von 15 Jahren zusätzlich 40 Mio. Euro je Jahr erforderlich.


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      Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur und das Regierungspräsidium Freiburg müssen ihr Förderhandeln im Bereich des Straßenbaus angesichts der festgestellten gravierenden Verstöße gegen das Zuwendungsrecht überprüfen und korrigieren. Im Fall der Kreisstraße 5349 bei Rust sind die gebotenen rechtlichen Konsequenzen zu ziehen.


      1 Ausgangslage

      Der Ortenaukreis stellte als Baulastträger der Kreisstraße K 5349 im Oktober 1998 einen Förderantrag nach dem damaligen Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, um das Straßennetz im Raum Rust/Ringsheim neu zu ordnen. Beantragt wurden der dreispurige Ausbau der K 5349, Ortsumgehungen von Rust und Ringsheim sowie der Anschluss der K 5349 an die Autobahn A 5 bei Ringsheim. Die neue Autobahnanschlussstelle ist eine Gemeinschaftsmaßnahme von Bund und Ortenaukreis.

      Das Regierungspräsidium Freiburg bewilligte mit Genehmigung des Ministeriums für Umwelt und Verkehr den Antrag im März 1999. Die zuwendungsfähigen Ausgaben betrugen 15,8 Mio. Euro, die Zuwendungen bei einem Fördersatz von 80 Prozent 12,6 Mio. Euro. Im Juni 2002 wurde die ausgebaute K 5349 für den Verkehr freigegeben. Zu diesem Zeitpunkt waren einzelne Wirtschaftswege, die Begrünung und die Ausgleichmaßnahmen noch nicht hergestellt.

      Der Erstantrag war fast zehn Jahre nach der Verkehrsfreigabe immer noch nicht schlussgerechnet. Für das Fördervorhaben hätte 2003, ein Jahr nach der Verkehrsfreigabe, der Schlussverwendungsnachweis vorgelegt werden müssen. Eine Straßenbaumaßnahme gilt mit der Abnahme der wesentlichen Bauteile als beendet. Dies ist mit der Verkehrsfreigabe zweifelsohne erreicht. Das Regierungspräsidium versäumte es, den Schlussverwendungsnachweis anzufordern. Erst im März 2009 setzte das Regierungspräsidium dem Ortenaukreis eine Frist zur Vorlage des Schlussverwendungsnachweises bis 30.09.2009. Die Frist verstrich, ohne dass dieser reagierte oder die Bewilligungsstelle mahnte. Die Bewilligungsstelle hat daraus keine rechtlichen Konsequenzen gezogen.

      Im November 2011 legte der Ortenaukreis beim Regierungspräsidium formal einen Erhöhungsantrag vor. Begründet wurde der Antrag damit, dass die Grenze der Leistungsfähigkeit der K 5349 und der Anschlussstelle Rust an die A 5 immer häufiger erreicht werde und daher geplant sei, einen Fahrtrichtungswechselbetrieb auf der Kreisstraße einzurichten.

      Im Juli 2011 hatte das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur vorbehaltlich einer Antragsprüfung ein Fördervorhaben zum weiteren Ausbau der Kreisstraße zwischen Rust und Ringsheim unter folgenden Bedingungen erwogen:

      • Die Förderung einer Ergänzung/Optimierung ist möglich, solange der Schlussverwendungsnachweis nicht vorliegt.

       

      • Ein neuer, niedrigerer Fördersatz von 70 Prozent ist nicht notwendig.

       

      • Der Endausbau nach Erhöhungsantrag wird abzüglich des „Zwischenausbaus“ aus dem Erstantrag gefördert.

       

      • Ein Verkehrsgutachten mit Lösungsvorschlägen ist erforderlich.

      Das Regierungspräsidium bewilligte den Erhöhungsantrag mit Schreiben vom 24.11.2011 an den Ortenaukreis. Die zuwendungsfähigen Ausgaben des Gesamtvorhabens betragen 20,6 Mio. Euro, die Zuwendungen 16,5 Mio. Euro. Von den Zuwendungen entfallen 3,9 Mio. Euro auf den Erhöhungsantrag. Die „Verkehrsuntersuchung zur Ertüchtigung der Autobahnanschlussstelle Rust/Ringsheim und Neubau einer Wechselverkehrsanlage im Zuge der K 5349 beim Europa-Park Rust“ datiert vom Dezember 2011. Sie lag demnach erst nach der Bewilligung des Erhöhungsantrags durch das Regierungspräsidium vor. Dem Ministerium wurde die Bewilligung nicht vorgelegt.

      Im Januar bzw. Februar 2012 schlossen der Ortenaukreis und die Europa-Park GmbH & Co. Freizeit- und Familienpark Mack KG einen Vertrag über die „Beteiligung des Europa-Parks an der Verbesserung der Verkehrsverhältnisse von der Autobahnanschlussstelle Rust bis zu den Besucherparkplätzen des Parks“ ab. Darin wird geregelt, dass der Europa-Park die Rückzahlung der Förderbeträge des Landes für im Erstantrag enthaltene, bereits bestehende Bauteile von 430.000 Euro übernimmt (Fahrbahndecke der K 5349 zwischen der Autobahn und Park, Kreisverkehr westlich der A 5). Bis Juli 2012 hatte der Ortenaukreis dem Regierungspräsidium den Vertrag nicht zur Kenntnis gegeben.

      Die wechselseitige Fahrstreifensignalisierung ist bereits gebaut und am 31.07.2012 für den Verkehr freigegeben worden. Für die Ertüchtigung der Autobahnanschlussstelle Rust/Ringsheim wird derzeit der Vorentwurf erarbeitet.

      2 Prüfungsergebnisse

      2.1 Schlussverwendungsnachweis des Erstantrags

      In früheren Denkschriftbeiträgen, zuletzt in der Denkschrift 2010, Beitrag Nr. 18 (Landtagsdrucksache 14/6618), hatte der Rechnungshof einen sehr nachlässigen Umgang der Bewilligungsstellen mit der Schlussrechnung von Fördervorhaben im kommunalen Straßenbau festgestellt. Schon 1992 hatte das damalige Verkehrsministerium gegenüber dem Landtag zugesagt, dass es die nachgeordneten Dienststellen anweisen werde, die bestehenden Regelungen in der Verwaltungsvorschrift zum Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz restriktiv anzuwenden und nur noch in begründeten Einzelfällen Ausgaben zu berücksichtigen, die später als zwölf Monate nach Beendigung der Baumaßnahme nachgewiesen werden.

      Die in parlamentarischen Verfahren gemachten Aussagen der Straßenverkehrsabteilung des Ministeriums hinterließen beim konkreten Fördervorhaben des Ausbaus der K 5349 bei Rust/Ringsheim keine Spuren. Bei den Schlussverwendungsprüfungen von Fördervorhaben im kommunalen Straßenbau bestehen immer noch erhebliche Rückstände.

      2.2 Erhöhungsantrag für den weiteren Ausbau der Kreisstraße

      Nach der Verwaltungsvorschrift zum Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz hat der Vorhabenträger unverzüglich nach Auftreten einer Kostenerhöhung (gegenüber den in der Bewilligung festgesetzten Kosten) oder einer Planänderung der Bewilligungsstelle einen Änderungsantrag mit den zur Beurteilung notwendigen Unterlagen vorzulegen.

      Der Erhöhungsantrag des Ortenaukreises vom 08.11.2011 erfüllt die zuwendungsrechtlichen Voraussetzungen nicht. Das Vorhaben war mit der Verkehrsfreigabe 2002 baulich längst abgeschlossen. Die Straßenbauabteilung des Ministeriums hat im Juli 2011 dem Erhöhungsantrag vorbehaltlich einer Antragsprüfung zugestimmt, das Regierungspräsidium hat ihn ohne Rechtsgrundlage im November 2011 bewilligt.

      Die Einrichtung einer wechselseitigen Fahrstreifensignalisierung und die begleitenden Tiefbauarbeiten hätten über einen eigenständigen Förderantrag vom Ortenaukreis dem Regierungspräsidium vorgelegt werden müssen. Seine Erfolgsaussichten wären allerdings gering gewesen, da das Ministerium den Regierungspräsidien im Herbst 2011 mitteilte, dass im kommunalen Straßenbau in den Jahren 2012 und 2013 keine neuen Vorhaben gefördert werden können.

      2.3 Verwaltungshandeln beim Erhöhungsantrag

      Der Erhöhungsantrag ist nicht nur dem Grunde nach unzulässig. Das Prüf- und Förderverfahren verstößt darüber hinaus gegen das Zuwendungsrecht.

      Nach überschlägiger Kalkulation des Rechnungshofs wären die Zuwendungen von 3,9 Mio. Euro bei ordnungsgemäßer Prüfung um 2,0 Mio. Euro zu reduzieren gewesen. Sofern die Antragsprüfung ergeben hätte, dass Dritte an der Finanzierung zu beteiligen sind, wären sie noch geringer ausgefallen.

      Im Einzelnen:

      • Der Ortenaukreis hätte anstelle des mit 80 Prozent geförderten Erhöhungsantrags einen eigenständigen Förderantrag für die wechselseitige Fahrstreifensignalisierung einschließlich der Tiefbauarbeiten stellen müssen. Für diesen wäre lediglich der 2007 eingeführte Fördersatz von 70 Prozent abzüglich des Selbstbehalts in Betracht gekommen.

       

      • Im Erstantrag sind Vorhabensteile - Kreisverkehr an der Autobahnanschlussstelle Rust/Ringsheim und die Fahrbahndecke der K 5349 zwischen Autobahnanschlussstelle und Europa-Park - enthalten, die mit der Einrichtung der wechselseitigen Fahrbahnsignalisierung baulich verändert wurden. Diese Vorhabensteile unterliegen einer Zweckbindungsfrist von zehn Jahren, die bei der Vorlage des Erhöhungsantrags 2011 noch nicht abgelaufen war. Die Bewilligungsstelle hätte die Vorhabensteile von einer nochmaligen Förderung ausnehmen müssen. Damit liegt eine zuwendungsrechtlich nicht erlaubte Doppelförderung vor.

       

      • Im Erhöhungsantrag ist eine Unterflurbefeuerung der Kreisstraße aufgeführt. Die Unterflurbefeuerung ist nicht zuwendungsfähig, da nur Vorhabensteile gefördert werden können, die für die Funktion der Straße unerlässlich sind. Die Kosten für die Unterflurbefeuerung gehen über den Standard von Markierungsarbeiten weit hinaus. An Kreisstraßen ist die Unterflurbefeuerung bundesweit nicht bekannt. Sie wurde bisher in Einzelfällen an hochfrequentierten Stadtautobahnen eingebaut.

       

      • Liegt der zu fördernde Zweck auch im Interesse Dritter, ist dies bei der Festlegung der Zuwendung zu berücksichtigen. Die Dritten sollen sich angemessen an den zuwendungsfähigen Ausgaben beteiligen. Die Einrichtung der wechselseitigen Fahrbahnsignalisierung mit den begleitenden Tiefbaumaßnahmen liegt auch nach Aussage des Ortenaukreises im besonderen Interesse des Europa-Parks. Eine verbesserte und verkehrssichere Anbindung der Gemeinden Rust und Ringsheim war kein vorrangiges Ziel des weiteren Ausbaus der K 5349. Das Regierungspräsidium hätte deshalb vor der Genehmigung des Erhöhungsantrags prüfen müssen, ob die Zuwendung von einer Beteiligung des Europa-Parks abhängig zu machen war.

       

      • Die im Erhöhungsantrag für die Gemeinschaftsmaßnahme „Teilumbau der Autobahnanschlussstelle A 5 Rust/Ringsheim“ enthaltene Kostenteilung zwischen Bund und Landkreis basiert auf dem angenommenen künftigen sechsstreifigen Ausbau der A 5 und nicht auf dem Bestand einer vierstreifigen Autobahn. Solange der sechsstreifige Ausbau der A 5 im Bundesverkehrswegeplan im „Weiteren Bedarf“ eingestuft bleibt, ist diese Kostenteilung zulasten des Bundes nicht korrekt.

      3 Empfehlungen

      3.1 Der Erstantrag ist umgehend schlusszurechnen

      Das 1999 bewilligte Fördervorhaben zum Ausbau der K 5349 ist entsprechend der Zusagen des Ministeriums an den Landtag aus der parlamentarischen Beratung der Denkschrift 2010, Beitrag Nr. 18 (Landtagsdrucksache 14/6618), umgehend schlusszurechnen. Die im Erhöhungsantrag enthaltenen Mehrkosten für zusätzlichen Grunderwerb im Zusammenhang mit dem Erstantrag sind nicht zuwendungsfähig. Ausgaben, die später als zwölf Monate nach Beendigung des Vorhabens nachgewiesen werden, können nach der Verwaltungsvorschrift zum Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz nicht bezuschusst werden.

      3.2 Die Bewilligung des Erhöhungsantrags ist zurückzunehmen

      Die Bewilligung des Erhöhungsantrags durch das Regierungspräsidium vom 24.11.2011 ist zurückzunehmen, da sie von Anfang an rechtswidrig war.

      Unabhängig davon hat der Ortenaukreis seine Mitteilungspflicht verletzt. Er zeigte dem Regierungspräsidium nicht unverzüglich nach Abschluss des Vertrags mit dem Europa-Park im Januar/Februar 2012 an, dass er Mittel von Dritten erhält. Das Regierungspräsidium erfuhr erst durch die Prüfung des Rechnungshofs im Juli 2012 von dem Vertrag. In diesem Zusammenhang ist unerheblich, dass der Europa-Park laut Vertrag die Rückzahlung der Förderbeträge für die zwei bestehenden Vorhabensteile übernimmt. Die Leistungen Dritter an den Zuwendungsempfänger sind als Deckungsmittel für alle zuwendungsfähigen Ausgaben einzusetzen.

      Selbst wenn der Bescheid Bestand hätte, hätte sich wegen des Beitrags des Europa-Parks im Januar/Februar 2012 der bewilligte Betrag reduziert. Denn durch diesen Beitrag ist eine auflösende Bedingung aus dem Zuwendungsbescheid eingetreten.

      3.3 Ein eigenständiger Förderantrag ist sorgfältig zu prüfen

      Dem Ortenaukreis ist es unbenommen, einen eigenständigen Förderantrag für seinen Kostenanteil der noch in Planung befindlichen Gemeinschaftsmaßnahme von Bund und Landkreis zum Ausbau der Autobahnanschlussstelle Rust/Ringsheim zu stellen.

      Für die Ende Juli 2012 in Betrieb genommene wechselseitige Fahrbahnsignalisierung auf der Kreisstraße können Ministerium und Regierungspräsidium keinen eigenständigen Förderantrag mehr bewilligen. Gemäß der Verwaltungsvorschrift zu § 44 der Landeshaushaltsordnung dürfen Zuwendungen nur für Vorhaben bewilligt werden, die noch nicht begonnen worden sind.

      4 Stellungnahme des Ministeriums

      Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur legt dar, dass nach derzeitigem Kenntnisstand bei der am 24.11.2011 vom Regierungspräsidium Freiburg erteilten Bewilligung für den vom Ortenaukreis gestellten Erhöhungsantrag auf Förderung des Ausbaus der K 5349 maßgebliche förderrechtliche Vorgaben nicht beachtet wurden. Derzeit würden die vom Rechnungshof beanstandeten Sachverhalte rechtlich geprüft. Zu den Ergebnissen soll der Ortenaukreis als Zuwendungsempfänger angehört werden. Danach würden in der zweiten Jahreshälfte 2013 die abschließende rechtliche Bewertung und die Festlegung der weiteren Vorgehensweise erfolgen.

      Im Weiteren werde das Ministerium dafür Sorge tragen, dass die Beschlüsse des Landtags zur Abrechnung und Bereinigung des Förderprogramms umgesetzt werden. Dies gelte insbesondere für die Abrechnung der mit Mitteln des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes geförderten und bis 2007 fertiggestellten Maßnahmen. Dem Landtag werde über den Sachstand zum 30.06.2013 berichtet. Anschließend erfolge die weitere Abrechnung von nach 2007 fertiggestellten Fördervorhaben. Die vom Rechnungshof geforderte Einführung von Regelungen für eine zügige Durchführung des Förderprogramms werde mit der vorgesehenen Novellierung der Verwaltungsvorschrift zum Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz bis zum 01.01.2014 (Auslaufen des derzeit geltenden Förderstopps) umgesetzt.


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      Einzelplan 14: Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst

      Die Universitätsklinik Ulm konnte als Bauherr den Kosten- und Zeitrahmen des Pilotprojekts Neubau Chirurgie nur durch Qualitätseinbußen einhalten. Die Übertragung der Bauherrenfunktion vom Landesbetrieb Vermögen und Bau auf die Universitätsklinik hat nicht zu nachhaltigerem und wirtschaftlicherem Bauen geführt. Bei einer Gesamtfinanzierung über den Landeshaushalt wären geringere Finanzierungskosten angefallen.


      1 Ausgangslage

      Seit 1998 dürfen die Universitätskliniken Baumaßnahmen mit Gesamtbaukosten bis zu 4 Mio. Euro in eigener Bauherrenfunktion durchführen. Das Land Baden-Württemberg gestattete der Universitätsklinik Ulm (Universitätsklinik), das Großprojekt ausnahmsweise in eigener Bauherrschaft zu realisieren, da eine Finanzierung über den Bauhaushalt des Landes nicht sichergestellt werden konnte. In der Vereinbarung zwischen Land und Universitätsklinik wurde geregelt, dass sich das Land zeitversetzt hälftig an den Gesamtkosten beteiligt.

      Der Neubau Chirurgie und Dermatologie der Universitätsklinik am Oberen Eselsberg ist eines der größten Klinikprojekte des Landes. Nach einer Bauzeit von vier Jahren wurde der Neubau im Juni 2012 bezogen. Die Gesamtkosten betragen voraussichtlich 240 Mio. Euro. Hierin sind Kosten der Ersteinrichtung mit 50 Mio. Euro enthalten. Das Gebäude hat eine Nutzfläche von 30.000 m², verfügt über 15 Operationssäle, 235 Normalpflegebetten, 80 Intensivbetten und einen Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach.

      Der Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg (Landesbetrieb) führte 2001 einen Architektenwettbewerb für den Neubau durch. Grundlage des Wettbewerbs war die genehmigte Nutzungsanforderung. Mit Abschluss der Planungsphase Ende 2007 ging die Wahrnehmung der Bauherrenfunktion vom Landesbetrieb auf die Universitätsklinik über. Danach folgten kostenrelevante Umplanungen aufgrund zusätzlicher Wünsche der Universitätsklinik und baurechtlicher Vorgaben.

      Bauherrenfunktion der Universitätskliniken für eigene Baumaßnahmen2013-B18-Abb1.jpg

      Die Bauleistung wurde als Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm ausgeschrieben und an einen Generalunternehmer vergeben. Projektleitung und Bauherrenfunktion wurden von der Universitätsklinik selbst wahrgenommen. Mit der Funktion des beratenden Projektsteuerers zur Kosten-, Termin- und Qualitätskontrolle wurde der Landesbetrieb (Amt Ulm) beauftragt.

      Die Universitätsklinik erhoffte sich, dadurch die baulichen Erfordernisse der einzelnen medizinischen Fachbereiche besser einschätzen zu können, Terminvorgaben konsequent umzusetzen, Folgekosten zu berücksichtigen und nachhaltigen Lösungen den Vorzug zu geben. Ein Value-Engineering war mit dem Generalunternehmer vertraglich vereinbart. Value-Engineering beim Bauen beschreibt innovative ingenieurtechnische Lösungen bei gleicher oder besserer Qualität zu gleichen oder geringeren Kosten.

      Ziel der Prüfung des Rechnungshofs war, die Funktion und das Handeln der Universitätsklinik als Bauherr bei der Baudurchführung der großen Baumaßnahme zu untersuchen. Die Programm- und Planungsphase vor Übertragung der Bauherrenfunktion auf die Universitätsklinik 2007 war nicht Teil der Prüfung.

      Schwerpunkte der Prüfung waren,

      • wie die Universitätsklinik die Vertragserfüllung des Generalunternehmers kontrollierte und durchsetzte,

       

      • wie sich Planungsänderungen und Nachträge auswirkten,

       

      • ob die im Generalunternehmervertrag definierte Qualität am Bau erreicht wurde und

       

      • wie sich die Finanzierung durch die Universitätsklinik im Vergleich zu einer direkten Landesfinanzierung darstellt.

      2 Prüfungsergebnisse

      2.1 Universitätsklinik als Bauherr - ein Modell für die Zukunft?

      Der Termin für die Inbetriebnahme des neuen Klinikgebäudes wurde eingehalten. Ob der Kostenrahmen für die Gesamtbaukosten eingehalten werden kann, ist offen, da Streitigkeiten aus dem Vertrag mit dem Generalunternehmer beim Abschluss der Prüfung noch nicht abschließend geklärt waren.

      Bei Nachtrags- und Sondervereinbarungen wurden die Auswirkungen auf den Lebenszyklus des Gebäudes immer wieder außer Acht gelassen. Kurzfristige Einsparungen beispielsweise durch Standardreduzierung wurden zur Finanzierung zusätzlicher Leistungen und für Änderungswünsche der Universitätsklinik eingesetzt. Die Werthaltigkeit und die Qualität des Gebäudes wurden dadurch vermindert. Die Universitätsklinik und das Land haben dadurch langfristig höhere Belastungen.

      Die Universitätsklinik hat es nicht geschafft, die ausgeschriebenen Qualitäten am Bau einzufordern. Davon betroffen sind die Gründung als Ganzes, die Entwässerung und konstruktive Details im Innenausbau. Hierdurch werden erhöhte Kosten im Bauunterhalt entstehen.

      Die ursprünglich vertraglich vereinbarten geschossweisen Übernahmen wurden bis zu sechs Monate und die Gesamtbauzeit um drei Monate überschritten. Mit dem Generalunternehmer vereinbarte Vertragsstrafen wurden gegen Umplanungen und neue Forderungen der Universitätsklinik eingetauscht.

      Die Universitätsklinik ließ die geänderte Ausführungsplanung des Generalunternehmers vom ursprünglich beauftragten Architekten erstellen. Der Architekt war dazu nur bereit, wenn er von der Haftung für die baurechtlich genehmigungspflichtigen Änderungen freigestellt würde. Hiermit übernahm die Universitätsklinik zusätzliche Haftungsrisiken.

      Das vertraglich vereinbarte Value-Engineering fand nicht statt.

      Die Universitätsklinik unterließ es, vom Generalunternehmer mit Nachdruck die geschuldete Fortschreibung der Bauzeitenpläne zu fordern. Dadurch war eine transparente und termingerechte Bauabwicklung erschwert bzw. unmöglich. Am Ende konnte der Termin zur Inbetriebnahme nur zulasten des Probebetriebs eingehalten werden.

      Die Wahrnehmung der Bauherreneigenschaft durch die Universitätsklinik anstelle des Landesbetriebs als Bauherr führte zu keinen wesentlichen Verbesserungen bei der Projektplanung und Projektabwicklung. Wie bei anderen Großprojekten kam es auch bei diesem Bauvorhaben zu Programm- und Änderungswünschen der Universitätsklinik während der Bauzeit und zu Nachtragsforderungen des Generalunternehmers. Diese wurden dadurch ausgeglichen, dass die Universitätsklinik punktuell Qualitätsminderungen und den Verzicht auf nachhaltiges Bauen in Kauf nahm.

      2.2 Planungsänderungen nach Vertragsabschluss

      Verträge mit Generalunternehmern sind nach bisherigen Prüfungserkenntnissen des Rechnungshofs nur dann sinnvoll, wenn Größe und Qualität eines Bauwerks im Vorfeld abschließend beschrieben werden können. Erfahrungsgemäß führen nachträgliche Änderungen bei einem Generalunternehmer-Vertrag im Vergleich mit Ausschreibungen nach Gewerken regelmäßig zu höheren Kosten. Grundsätzlich können entgangener Gewinn bei nicht ausgeführter Leistung sowie organisatorischer und planerischer Mehraufwand geltend gemacht werden. Die allgemein bekannten Nachteile solcher Vertragsgestaltungen stellte der Rechnungshof auch bei dieser Prüfung fest.

      Nach Vertragsabschluss wurden zwischen der Universitätsklinik und dem Generalunternehmer eine Reihe von vertraglichen Änderungen beschlossen, die wesentliche Auswirkungen auf die Konstruktion, die Gestaltung und die Qualität des Neubaus hatten. Langfristig können diese Entscheidungen gravierende Auswirkungen auf den Bauunterhalt haben. So wurde statt einer Tiefgründung eine Flachgründung gewählt. Dadurch wurde in Kauf genommen, dass es langfristig zu Schäden durch Setzungen zwischen den einzelnen Gebäudeteilen kommen kann. Mangelhaft verlegte Grundleitungen, die keinen Spielraum für zukünftige Erweiterungen zulassen, mussten teilweise bereits während der Bauzeit saniert werden. Die Universitätsklinik versuchte, erhöhte Kosten von 540.000 Euro für Unterhaltung der mangelhaften Grundleitungen in Rechnung zu stellen. Man einigte sich letztlich auf einen finanziellen Ausgleich. Die Universitätsklinik erhielt eine sofortige Baukosten-Gutschrift von 179.000 Euro. Der Betrag für finanzielle Mehraufwendungen durch zusätzliche Wartungskosten war zum Zeitpunkt der Prüfung noch nicht vereinbart.

      Nach Übergang der Bauherrschaft an die Universitätsklinik gab es Planungs- und Ausführungsänderungen, die in drei Vereinbarungen über bauliche Änderungen, sechs Sondervereinbarungen und 106 Nachtragsangeboten mündeten. Hier eine exemplarische Auflistung:

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      Die Änderungen brachten auch funktionelle Beeinträchtigungen mit sich. So musste beispielsweise bei der Rohrpostanlage zur Wahrung ihrer Funktion eine zusätzliche Schnelltrasse nachgerüstet werden. Die lichte Breite des unterirdischen Verbindungsgangs mit der Automatischen-Waren-Transport-Anlage wurde durch größere Stützenabmessungen reduziert.

      2.3 Qualität am Bau

      Bei einer Vielzahl der Änderungen zur Kosteneinsparung wurden Materialien geringerer Qualität in Kauf genommen. So waren im Vertrag beispielsweise 1.500 m² Vogelschutznetz aus Edelstahl beim Betriebshof vorgesehen. Ausgeführt wurde ein Netz aus Kunststoff mit deutlich kürzerer Lebensdauer.

      Viele bauliche Details wie Verfugungen oder Übergänge wurden unzureichend geplant oder mangelhaft ausgeführt. Das Ausmaß von regelmäßig zu erneuernden Wartungsfugen ist enorm und führt zu erhöhten Kosten im Bauunterhalt. Auch ein halbes Jahr nach Bezug des Gebäudes waren noch erhebliche Mängel feststellbar.

      2013-B18-Abb3.jpg

      In Abbildung 3 sind überbreite Dehnungsfugen, fehlender Rammschutz und unfachmännisch ausgeführte Anschlusspunkte exemplarisch dargestellt.

      2.4 Zusammenwirken zwischen Projektbeteiligten

      Das Zusammenwirken von Universitätsklinik, Projektsteuerung des Landesbetriebs (Amt Ulm) und Generalunternehmer wäre verbesserungsfähig gewesen. Empfehlungen der Projektsteuerung wurden von der Universitätsklinik nicht immer umgesetzt. Die Universitätsklinik schloss zum Beispiel entgegen den Empfehlungen der Projektsteuerung Sondervereinbarungen zulasten der Bauqualität ab.

      Darüber hinaus wurden Vereinbarungen abgeschlossen, die zum Nachteil der Universitätsklinik waren. Kurz vor Jahresende 2011 wurde mit einer „Handschriftlichen Festlegung“ vereinbart, dass statt 20,5 Mio. Euro, die von der Projektsteuerung anerkannt waren, 29 Mio. Euro noch im selben Jahr an den Generalunternehmer gezahlt wurden. Dabei wurde das Eintreten bestimmter vertraglicher Ereignisse bekräftigt, die nach Auffassung der Projektsteuerung des Landesbetriebs (Amt Ulm) noch nicht eingetreten waren. Der Generalunternehmer wurde überzahlt, da Leistungen nicht vollständig erbracht waren.

      2013-B18-Abb4.jpg

      Der von der Universitätsklinik und vom Generalunternehmer unterzeichneten handschriftlichen Vereinbarung vom 21.12.2011 lagen keine weiteren begründenden Unterlagen bei.

      2.5 Finanzierung

      Die Finanzierungsverantwortung für das Bauvorhaben wurde vom Land auf die Universitätsklinik übertragen. Das Land beteiligt sich an den Gesamtkosten mit einem Festbetragszuschuss von 85 Mio. Euro, der in vier Raten zwischen 2012 und 2015 an die Universitätsklinik ausbezahlt wird. Nachdem das vorhandene Eigenkapital sowie der Zuschuss des Landes zur Gesamtfinanzierung nicht ausreichen, musste die Universitätsklinik vorübergehend Kredite in dreistelliger Millionenhöhe aufnehmen. Zur Sicherung des Zinsniveaus schloss die Universitätsklinik bereits 2007 Zinssicherungsgeschäfte über bis zu 70 Prozent des voraussichtlichen Kreditbedarfs ab.

      Der Abschluss von Zinssicherungsgeschäften zur Begrenzung von Zinsänderungsrisiken ist grundsätzlich nachvollziehbar. Derivative Finanzinstrumente werden auch vom Land zur Risikooptimierung eingesetzt. Beim Land darf jedoch gemäß Staatshaushaltsgesetz der Bestand der Zinssicherungsvereinbarungen grundsätzlich höchstens 25 Prozent der Kreditmarktschulden am Ende des vorangegangenen Haushaltsjahres betragen. Diese Begrenzung wurde von der Universitätsklinik deutlich überschritten, somit wurde ein höheres Risiko eingegangen. Tatsächlich entwickelte sich das Zinsniveau in Bezug auf die eingegangenen Zinsderivatgeschäfte erheblich zum Nachteil der Universitätsklinik.

      Die Universitätsklinik muss für einen Teil der aufgenommenen Kredite deutlich höhere Zinsen zahlen als im Falle einer Finanzierung über den Landeshaushalt.

      3 Empfehlungen

      3.1 Bauherrenfunktion für Großprojekte beim Land belassen

      Nachhaltiges Bauen darf nicht wegen kurzfristiger Kostenvorteile oder zeitigerer Fertigstellung relativiert werden. Bei vom Land finanzierten Baumaßnahmen mit mehr als 4 Mio. Euro Gesamtbaukosten sollte die Bauherrenfunktion deshalb weiterhin beim Land, vertreten durch den Landesbetrieb, bleiben. Es ist nicht im Interesse des Landes, parallel zum Landesbetrieb bei jeder Universitätsklinik eigene Klinikbauverwaltungen weiter auszubauen.

      Der Rechnungshof sieht aufgrund dieses Pilotprojekts keinen Handlungsbedarf zur Neuordnung der Bauherrenfunktion. Das Land als Bauherr muss jedoch Lösungen finden, um bei großen Baumaßnahmen lange Projektzeiten von der anerkannten Bedarfsanmeldung bis zur Fertigstellung des Gebäudes zu vermeiden.

      3.2 Klinikbauten nicht an Generalunternehmer vergeben

      Im Laufe sehr langer Planungs- und Bauzeiten ändern sich die Konzepte und Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen bei technisch hoch ausgestatteten Bauwerken. Die Leistungen sind bei diesen Gebäuden im Vorfeld nicht erschöpfend und abschließend beschreibbar. Die Wirtschaftlichkeit von zusätzlichen oder geänderten Leistungen ist bei Vergaben an Generalunternehmer regelmäßig nicht nachweisbar. Technisch hoch installierte Gebäude wie Kliniken sollten deshalb grundsätzlich nicht an Generalunternehmer vergeben werden.

      3.3 Günstige Kreditkonditionen des Landes nutzen

      Die Universitätsklinik ging bei ihren Finanzgeschäften ein deutlich höheres Risiko als das Land ein. Das Land kann sich insgesamt zu günstigeren Konditionen refinanzieren als die Universitätskliniken. Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft verfügt im Umgang mit Derivaten anerkannter Maßen über mehr Erfahrung. Daher sollte die Gesamtfinanzierung von Neubauten der Universitätskliniken mit Gesamtbaukosten über 4 Mio. Euro beim Land bleiben. Auch im Hinblick auf die Gewährträgerhaftung des Landes für die vier Universitätskliniken sollten risikobehaftete Finanzierungsmodelle künftig vermieden werden.

      4 Stellungnahme des Ministeriums

      Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst sieht in der langen Projektzeit seit 1999 einen Grund, inhaltliche und prozessuale Veränderungen vorzunehmen. Es sei 2007 nicht mehr möglich gewesen, die Planung aus dem Jahr 2001 grundlegend zu überarbeiten und zu modernisieren.

      Aus Sicht des Ministeriums hatte die Universitätsklinik mit dem Neubau der Chirurgie besondere Schwierigkeiten zu erfüllen. Gemäß einer Stellungnahme im Auftrag der Universitätsklinik seien bei Vergleichsprojekten im Instituts- und Klinikbau Kostensteigerungen von 28 Prozent ermittelt worden.

      Das Finanz- und Prüfmanagement sei von der Universitätsklinik verantwortungsvoll und erfolgreich wahrgenommen worden.

      Das Ministerium sieht die 2007 abgeschlossenen Zinssicherungsgeschäfte als alternativlos an. Es erachtet eine retrospektive Betrachtung der damaligen Situation des Finanzmarkts für nicht gerecht.

      Die Durchführung des Pilotprojekts mit der erstmaligen Bauherrenschaft einer Universitätsklinik wird vom Ministerium als erfolgreich gewertet. Die Universitätsklinik habe sehr verantwortungsvoll gehandelt und einen unternehmerischen und Risiko abwägenden Weg der Projektumsetzung erfolgreich verfolgt.

      5 Schlussbemerkung

      Der Rechnungshof bleibt bei seiner Auffassung, dass die Bauherrenfunktion bei vom Land finanzierten Großprojekten im direkten Einfluss des Landes durch die Staatliche Vermögens- und Hochbauverwaltung bleiben muss.

      Die vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst genannte Kostensteigerung von 28 Prozent bei Vergleichsprojekten ist einer mangelhaften gutachtlichen Stellungnahme entnommen, die den zugrunde liegenden Sachverhalt einer Diplomarbeit unreflektiert darstellt.

      Die Anmerkungen des Rechnungshofs zur Sicherstellung der Finanzierung durch die Universitätsklinik, im Vergleich zu einer Finanzierung durch den Landeshaushalt, sind auch aus heutiger Sicht sachgerecht.


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      Die baden-württembergischen Hochschulen sind an mehr als 60 Unternehmen beteiligt. Die Prüfung zeigte Professionalitätsdefizite in den Beteiligungsverwaltungen der Hochschulen sowie rechtswidriges und unwirtschaftliches Verhalten auf. Der Rechnungshof empfiehlt daher den Hochschulen, sich mit der Beteiligung an Unternehmen zurückzuhalten. Das Wissenschaftsministerium muss darauf hinwirken, dass die festgestellten Defizite behoben werden.


      1 Ausgangslage

      Die staatlichen Hochschulen in Baden-Württemberg dürfen zur Erfüllung ihrer Aufgaben Unternehmen gründen oder sich an Unternehmen beteiligen. Die Voraussetzungen dafür hat der Gesetzgeber in § 2 Absatz 5 Landeshochschulgesetz geregelt:

      „Die Hochschulen dürfen ungeachtet der Rechtsform wirtschaftliche Unternehmen nur errichten, übernehmen, wesentlich erweitern oder sich daran beteiligen, wenn

      1. öffentliche Zwecke des Technologietransfers, der Verwertung von Forschungsergebnissen und der wissenschaftlichen Weiterbildung dies rechtfertigen,

      2. das Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Hochschule und zum voraussichtlichen Bedarf steht,

      3. die Hochschule einen angemessenen Einfluss in den Organen des Unternehmens erhält und

      4. die Einlageverpflichtung und die Haftung der Hochschule auf einen bestimmten und ihrer Leistungsfähigkeit angemessenen Betrag begrenzt werden.“

      Der Rechnungshof hat das Recht, die Haushalts- und Wirtschaftsführung dieser Unternehmen zu prüfen, wenn die Beteiligung der Hochschule mehr als 50 Prozent der Gesellschaftsanteile beträgt. Bei Minderheitsbeteiligungen setzt das Prüfungsrecht des Rechnungshofs voraus, dass ein solches Recht im Gesellschaftsvertrag oder der Satzung der Gesellschaft vereinbart ist. Von dieser Möglichkeit haben die Hochschulen nur in wenigen Fällen Gebrauch gemacht, sodass der Rechnungshof bei Minderheitsbeteiligungen meist nur die Betätigung der Hochschule als Gesellschafter prüfen kann, aber keine Erhebungen bei der Gesellschaft und ihrer Geschäftsführung vornehmen darf. Tatsächlich verweigern die Vorstände und Geschäftsführer von Unternehmen, an denen nur Minderheitsbeteiligungen bestehen, in der Praxis immer wieder die vom Rechnungshof erbetenen Auskünfte.

      Das Wissenschaftsministerium berichtet dem Landtag einmal jährlich über sämtliche Beteiligungen der Hochschulen.

      Aus dem aktuellen Bericht des Ministeriums (Landtagsdrucksache 15/3308) ergibt sich, dass

      • die Universitäten an insgesamt 46 Unternehmen,

       

      • das Karlsruher Institut für Technologie (Großforschungsbereich) an 12 Unternehmen,

       

      • die Pädagogischen Hochschulen an 2 Unternehmen,

       

      • die Hochschulen für angewandte Wissenschaften an insgesamt 19 Unternehmen,

       

      • die Duale Hochschule Baden-Württemberg an 2 Unternehmen und

       

      • die Kunst- und Musikhochschulen an 2 Unternehmen

      beteiligt sind.

      Der Rechnungshof hat 2011 und 2012 exemplarisch Unternehmensbeteiligungen an vier Universitäten und an zwei Hochschulen für angewandte Wissenschaften geprüft. Außerdem liegen Prüfungserkenntnisse aus weiteren Hochschulprüfungen vor, bei denen wegen eines Bezugs zum Prüfungsthema einzelne Unternehmensbeteiligungen in den Fokus der Finanzkontrolle genommen wurden.

      2 Prüfungsergebnisse

      2.1 Allgemeine Feststellungen

      Bei den Prüfungen des Rechnungshofs wurde in vielen Fällen rechtswidriges oder unwirtschaftliches Verhalten der Unternehmen festgestellt. Die Beteiligungsverwaltung durch die Hochschulen wies an nahezu allen Standorten Professionalitätsdefizite auf. In Fällen, in denen die Vorstände oder Geschäftsführer der Unternehmen ihre unternehmerische Freiheit eigennützig oder zugunsten privater Dritter missbraucht haben, waren die Hochschulen regelmäßig nicht in der Lage, schnell und angemessen gegenzusteuern. Dasselbe gilt für Gesellschaften, bei denen aufgrund unternehmerischen Ungeschicks oder unzureichender Ausstattung jahrelang Verluste aufgelaufen waren.

      Auf diese Weise sind finanzielle Defizite verursacht worden, die die Hochschulen aus Landesmitteln oder aus ihrem Körperschaftsvermögen decken mussten oder in Zukunft decken müssen.

      Die Prüfungen haben die Hypothese bestätigt, dass die Hochschulen und ihre Mitarbeiter mit den klassischen öffentlich-rechtlichen Instrumenten und Handlungsformen sehr viel professioneller und effektiver umgehen können als mit den (neuen) privatrechtlichen Handlungsformen, die einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) oder einem in anderer Form geführten Unternehmen zu Gebote stehen. Eine ausgeprägte Kompetenz, die Handlungsmöglichkeiten des Gesellschaftsrechts angemessen und effektiv wahrzunehmen, haben wir bei den geprüften Hochschulen selten vorgefunden.

      Aufgrund der Prüfungen des Rechnungshofs haben mehrere Hochschulen Konsequenzen gezogen und ihre Beteiligungsverwaltung weiterentwickelt und in einem Fall eine Gesellschaft aufgelöst.

      2.2 Verstöße gegen geltendes Recht

      An mehreren Hochschulen wurden, ohne dass die Voraussetzungen des § 2 Absatz 5 Landeshochschulgesetz vorlagen, Unternehmen gegründet oder Beteiligungen erworben. So wurde an verschiedenen Standorten eine GmbH gegründet, um Merchandising-Artikel und andere Waren zu vertreiben, Veranstaltungen und Kongresse zu organisieren, Räume zu vermieten, einen Kindergarten zu betreiben oder reguläre Lehrveranstaltungen durchzuführen.

      Das eigentliche Motiv, sich über die Restriktionen des Landeshochschulgesetzes hinwegzusetzen, bestand manchmal darin, auf diese Weise haushaltsrechtliche Regelungen (z. B. den verbindlichen Stellenplan), Regelungen über die Vergütung von Führungskräften und Mitarbeitern oder die Regelungen des Nebentätigkeitsrechts zu umgehen.

      An einigen Standorten wurden zwingende Regeln des GmbH-Gesetzes teilweise aus Unkenntnis, teilweise bewusst und gewollt nicht eingehalten (fristgerechte Jahresabschlüsse, regelmäßige Gesellschafterversammlungen, Ausschluss von Interessenkollisionen).

      An mehreren Standorten haben die Hochschulen „ihren“ Unternehmen unentgeltlich oder gegen Ermäßigung Ressourcen zur Verfügung gestellt, obwohl die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen dafür nicht vorlagen.

      In einigen Fällen haben es die Hochschulen unterlassen, die geplante Gründung einer Gesellschaft beim Wissenschaftsministerium anzuzeigen und den Gesellschaftsvertrag vorzulegen.

      2.3 Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten

      Bei einer Hochschule für angewandte Wissenschaften wurde ein Gesellschaftsanteil bewusst auf einen Mitarbeiter der Verwaltung übertragen, um dadurch eine Minderheitsbeteiligung der Hochschule zu erreichen, die einerseits das Prüfungsrecht des Rechnungshofs und andererseits im Verhältnis zu den Kunden und Partnern des Unternehmens eine Grundrechtsbindung (Artikel 3 und 33 Grundgesetz) verhindern sollte.

      An mehreren Standorten wurden Aufgaben an die Unternehmen übertragen und dort von Professoren oder Mitarbeitern der Hochschule als entgeltliche Nebentätigkeit erledigt, obwohl sie an der Hochschule selbst ohne zusätzliches Entgelt im Rahmen des Hauptamtes hätten erledigt werden können.

      Manchmal diente die Übertragung einer Aufgabe auf die GmbH dem Zweck, über die für die Hochschule verbindliche Vergütungsregelung hinausgehen zu können (z. B. bei Dozentenhonoraren in der Weiterbildung).

      In einem Fall wurde die Gründung einer GmbH explizit damit gerechtfertigt, dass mit den eigentlich der Hochschule zustehenden Einnahmen der GmbH über den verbindlichen Stellenplan hinaus weitere Personalkapazitäten bezahlt werden können.

      In einigen Fällen haben Hochschulen einen eingetragenen Verein gegründet, um dadurch - ohne jeden Zugriff der Rechtsaufsicht und des Rechnungshofs - Gestaltungsmöglichkeiten zu gewinnen, die bei Erledigung der Aufgaben durch die Hochschule selbst oder eine von der Hochschule beherrschte GmbH nicht möglich gewesen wären. Auf diese Weise wurden Zusatzeinkommen für vermeintlich unterbezahlte Mitarbeiter generiert oder Einnahmen dem Zugriff der zuständigen Hochschulorgane oder des Haushaltsgesetzgebers entzogen.

      2.4 Wirtschaftlichkeit der Unternehmen

      Die Wirtschaftlichkeit der Unternehmen, an denen sich die Hochschulen beteiligt haben, wurde insbesondere durch folgende Faktoren beeinträchtigt:

      • Die Betätigung als privatrechtliches Unternehmen verursacht Folgekosten und Transferaufwand durch Bilanzierungspflichten, Jahresabschlüsse und die Beauftragung von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern, durch zusätzliche Steuerlasten in Form von Umsatzsteuer und Ertragsteuern, durch die Notwendigkeit der Abrechnung bei Transferleistungen und beim Ressourcenaustausch.

       

      • Das in den Gesellschaften vereinbarte Vergütungsniveau liegt in aller Regel höher als an der Hochschule selbst, ohne dass dies durch höhere Leistungen gerechtfertigt wäre.

       

      • Durch den mancherorts von der Hochschule praktizierten jährlichen Defizitausgleich entfiel für die Geschäftsführung jedes Motiv, die Wirtschaftlichkeit der Unternehmensaktivitäten zu verbessern.

      Unwirtschaftlich ist es auch, mit Haushaltsmitteln des Landes bei einer Gesellschaft ein hohes Eigenkapital oder Rücklagen aufzubauen.

      2.5 Professionalitätsdefizite in der Beteiligungsverwaltung der Hochschulen

      Die Beteiligungsverwaltungen an den Hochschulen werden ihren Aufgaben häufig nicht gerecht.

      Einige Vertreter der Hochschulen in den Gesellschaftsorganen gingen unvorbereitet oder ohne Absprache mit ihrer Beteiligungsverwaltung in die Sitzungen der Gesellschaftsorgane. Das Abstimmungsverhalten, die dabei angewendeten Maximen und die Ergebnisse der Sitzungen waren in vielen Fällen nicht dokumentiert, Entscheidungsprozesse und Verantwortlichkeiten bei der Wahrnehmung der Gesellschafterrechte waren nicht mehr nachvollziehbar.

      Für eine Kontrolle der Vorstände und Geschäftsführer fehlte den Beteiligungsverwaltungen und den Hochschulvertretern häufig das notwendige Know-how. Bei wirtschaftlichen Krisen, eigennützigem Verhalten oder Rechtsverstößen der Unternehmensleitung wurde nicht zeitnah, nicht angemessen und nicht effektiv reagiert. An einer Universität haben die Geschäftsführer einer Gesellschaft ihre Vergütungen Jahr für Jahr erhöht, ohne dass dies durch die Universität hinterfragt wurde. Eine Prüfung der Jahresabschlüsse durch die Beteiligungsverwaltung findet häufig nicht statt. Stattdessen wird auf die Prüfung der Wirtschaftsprüfer vertraut, deren Aufgabe jedoch eher dem Gläubigerschutz als dem Schutz der Gesellschafter dient.

      An einem der geprüften Standorte war die zentrale Beteiligungsverwaltung der Hochschule zu Beginn der Prüfung nicht in der Lage, bei einzelnen Gesellschaften die Gründe zu rekonstruieren, warum diese Unternehmen vor vielen Jahren gegründet worden waren.

      3 Empfehlungen

      3.1 Geltendes Recht beachten

      Die Errichtung von und die Beteiligung an Unternehmen ist Hochschulen nur gestattet, wenn sie einem der in § 2 Absatz 5 Landeshochschulgesetz genannten Zwecke (Technologietransfer, Verwertung von Forschungsergebnissen, Weiterbildung) dienen. Unternehmensbeteiligungen, die andere Zwecke verfolgen (z. B. Einnahmengenerierung durch Merchandising, Konzeption und Durchführung von Lehrveranstaltungen außerhalb der Weiterbildung, Betrieb eines Kindergartens oder Veranstaltungsmanagement) sind rechtswidrig und deshalb zu unterlassen.

      Die Hochschulen müssen die ordnungspolitischen Vorgaben des Mittelstandsförderungsgesetzes und den dort normierten Grundsatz der Subsidiarität wirtschaftlicher Betätigung des Staates (§ 3 Mittelstandsförderungsgesetz) beachten.

      Dasselbe gilt für den Public Corporate Governance Kodex des Landes Baden-Württemberg.

      Die gesetzlich vorgesehene Haftungsbegrenzung ist zu beachten. Dies schließt die Beteiligung an einer Offenen Handelsgesellschaft, an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts und an einer Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung regelmäßig aus. Auch die Vereinbarung einer unbegrenzten Nachschusspflicht bei einer GmbH ist nicht zulässig.

      Die Pflicht zur Anzeige einer Unternehmensbeteiligung und das gesetzliche Prüfungsrecht des Rechnungshofs gilt nicht nur dann, wenn eine einzelne Hochschule eine Mehrheitsbeteiligung hält oder erwirbt, sondern auch dann, wenn mehrere staatliche Hochschulen insgesamt Anteile von mehr als 50 Prozent einer Gesellschaft halten. Das Wissenschaftsministerium sollte diese Rechtslage, die sich aus dem Sinn und Zweck des § 2 Absatz 5 Landeshochschulgesetz, aber auch aus den grundsätzlichen Regelungen des § 53 Haushaltsgrundsätzegesetz ergibt, durch einen Erlass an alle Hochschulen klarstellen.

      Außerdem ist die Anzeigepflicht gegenüber dem Ministerium rechtzeitig vor der Gründung der Gesellschaft zu erfüllen.

      Das Ministerium als Rechtsaufsichtsbehörde sollte in kritischen Einzelfällen darauf hinwirken, dass die Hochschulen die gesetzlichen Vorgaben des Landeshochschulgesetzes nicht durch Gründung von oder die Mitgliedschaft in eingetragenen Vereinen umgehen. Der eingetragene Verein ist schon nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts in der Regel keine geeignete Rechtsform zum Betrieb eines wirtschaftlichen Unternehmens.

      Soweit die Unternehmen für ihre Aufgaben Ressourcen des Landes oder der Hochschulen in Anspruch nehmen (Räume, Labore, Personal usw.), muss die Hochschule nach geltendem Haushaltsrecht auf kostendeckende Entgelte bestehen. Verdeckte Subventionen durch Entgeltermäßigungen sind in der Regel nicht zulässig.

      3.2 Mit dem Instrument der Unternehmensgründung und Unternehmensbeteiligung zurückhaltend umgehen

      Wegen der unter Punkt 2 dargestellten Probleme sollten die Hochschulen von der Möglichkeit einer Unternehmensgründung oder Unternehmensbeteiligung nur in Ausnahmefällen Gebrauch machen. Notwendig ist immer die explizite Formulierung einer Unternehmensstrategie, die sich an der Aufgabenerfüllung der Hochschule orientiert und eine Wirtschaftlichkeitsberechnung auf der Grundlage realistischer Annahmen.

      Bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung sind insbesondere der erhöhte Transferaufwand, die rechtlich zwingenden Folgekosten einer Gesellschaftsgründung und das in vielen Fällen deutlich höhere Vergütungsniveau zu berücksichtigen. Außerdem ist zu beachten, dass bei Unternehmen, an denen die öffentliche Hand beteiligt ist, aus politischen Gründen ein Insolvenzverfahren häufig vermieden wird, woraus sich eine faktische Nachschusspflicht für die Hochschule ergibt.

      Die Hochschulen sollten ihre Aufgaben im Regelfall selbst mit den klassischen öffentlich-rechtlichen Instrumenten und in der Verantwortung ihrer Organe erfüllen.

      3.3 Minderheitsbeteiligungen vermeiden

      Minderheitsbeteiligungen können im Bereich des Technologietransfers sinnvoll sein, um die auch ordnungspolitisch gewollte Beteiligung mittelständischer Partner oder der Existenzgründer zu ermöglichen.

      Minderheitsbeteiligungen, um die Ablieferungspflicht des Nebentätigkeitsrechts, die Geltung von Grundrechten oder das Prüfungsrecht des Rechnungshofs zu umgehen, sind weder zweckmäßig noch legitim. Der vermeintliche Vorteil wird in diesen Fällen durch eine risikobehaftete Minderung des Einflusses der Hochschule erkauft.

      Wenn dennoch Minderheitsbeteiligungen eingegangen werden, ist nach Möglichkeit ein Prüfungsrecht des Rechnungshofs beim Unternehmen zu vereinbaren.

      3.4 Beteiligungsverwaltung professionalisieren

      Soweit Unternehmensbeteiligungen bestehen oder nach sorgfältiger Prüfung neu eingegangen werden, müssen die Hochschulen für eine professionelle Beteiligungsverwaltung sorgen.

      Wir empfehlen, die Zuständigkeit für die Beteiligungsverwaltung in der zentralen Hochschulverwaltung zu konzentrieren und die Vertreter der Hochschule in den Gesellschaftsorganen professionell vorzubereiten und zu unterstützen. Zu einer professionellen Beteiligungsverwaltung gehört auch ein Controlling, das die wirtschaftliche Entwicklung und die strategische Aufgabenerfüllung der Gesellschaft begleitet und steuert.

      Interessenkonflikte, die dadurch entstehen, dass die Hochschule in den Organen der Gesellschaft von Professoren oder Mitarbeitern vertreten wird, die eigene wirtschaftliche Interessen an den Aktivitäten der Gesellschaft haben (z. B. weil sie für die Gesellschaft entgeltlich tätig sind oder selbst Gesellschaftsanteile halten), sind zwingend auszuschließen.

      Eine Konstruktion, bei der Mitarbeiter der Hochschulverwaltung Gesellschaftsanteile halten, ist zu vermeiden.

      3.5 Erträge für öffentliche Zwecke verwenden und Defizite vermeiden

      Die Unternehmen, an denen Hochschulen beteiligt sind, sind so zu führen, dass sie Erträge erwirtschaften oder mindestens kostendeckend arbeiten. Unternehmensbeteiligungen, bei denen dauerhaft Defizite entstehen, sind zeitnah zu beenden.

      In den Organen der Gesellschaft muss darauf hingewirkt werden, dass der wirtschaftliche Erfolg der Hochschule (und gegebenenfalls den anderen Gesellschaftern) zugutekommt und nicht durch überhöhte Entgelte für die in Anspruch genommenen Ressourcen (Geschäftsführervergütungen, Dozentenhonorare, Mieten usw.) an private Dritte abfließt.

      3.6 Gesetzliches Prüfungsrecht des Rechnungshofs auch bei Minderheitsbeteiligungen

      Um auch bei Minderheitsbeteiligungen die Rechtmäßigkeit und die Wirtschaftlichkeit der Unternehmensaktivitäten kontrollieren zu können, sollte der Gesetzgeber die in § 2 Absatz 5 Landeshochschulgesetz normierte Anzeigepflicht und das Prüfungsrecht des Rechnungshofs auf die Haushalts- und Wirtschaftsführung jener Unternehmen erstrecken, an denen Minderheitsbeteiligungen der Hochschulen von mehr als 25 Prozent bestehen. Ein solches Prüfungsrecht schränkt die Handlungsfähigkeit der Unternehmen nicht zusätzlich ein, sondern stellt lediglich sicher, dass die geltenden Regeln eingehalten und durchgesetzt werden.

      4 Stellungnahme des Ministeriums

      Das Wissenschaftsministerium hat im Wesentlichen keine Einwendungen gegen die Empfehlungen und teilt grundsätzlich die Einschätzungen des Rechnungshofs. Es werde die Hochschulen im Rahmen seiner Fachaufsicht erneut auf die Verpflichtung zur Beachtung der Feststellungen des Rechnungshofs hinweisen. Für die Genehmigung von Nebentätigkeiten der Professorinnen und Professoren sei die jeweilige Hochschule zuständig. Diese prüfe bei Vorliegen eines entsprechenden Antrags, ob die rechtlichen Voraussetzungen für eine Genehmigung vorlägen.

      Zu den Empfehlungen merkt das Ministerium an, dass § 3 Mittelstandsförderungsgesetz und der dort normierte Grundsatz der Subsidiarität wirtschaftlicher Betätigung des Staates nach seiner Auffassung nur dann für die Hochschulen einschlägig sei, wenn diese die Beteiligung aus ihrem Körperschaftsvermögen vornähmen. Für Unternehmensbeteiligungen der Hochschulen nach § 2 Absatz 5 Landeshochschulgesetz hingegen sei § 3 Mittelstandsförderungsgesetz nicht einschlägig. Dies ergäbe sich aus dem Wortlaut und der Gesetzesbegründung, wonach § 3 Mittelstandsförderungsgesetz nur „vorbehaltlich des Fehlens spezifischer Regelungen zur wirtschaftlichen Betätigung“ anwendbar sei. Nach Auffassung des Ministeriums sei § 2 Absatz 5 Landeshochschulgesetz eine solche spezifische Regelung.

      Bei den Empfehlungen des Rechnungshofs zur Mitgliedschaft sowie zur Gründung von Vereinen als möglichen Umgehungstatbestand verweist das Ministerium auf die Bestimmungen des § 2 Absatz 5 Landeshochschulgesetz, den die Hochschulen stets zu beachten hätten. Außerdem hätten die Hochschulen die Vorschriften über eine rechtlich begrenzte Verbandskompetenz zu beachten, sodass eine Beteiligung oder Mitgliedschaft innerhalb der Aufgabenstellung der Hochschule liegen müsse.

      Zur Einführung eines gesetzlichen Prüfungsrechts des Rechnungshofs auch bei Minderheitsbeteiligungen ist das Ministerium der Ansicht, dass die geltende Regelung in § 2 Absatz 5 Landeshochschulgesetz sachgerecht und angemessen sei. Unabhängig davon werde das Ministerium im Rahmen der anstehenden Novellierung des Landeshochschulgesetzes das Prüfungsrecht des Rechnungshofs in diesem Bereich in den Blick nehmen.


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      Die direkten Kosten für Weiterbildungsangebote an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften müssen durch Gebühren, Entgelte oder Zuwendungen Dritter vollständig gedeckt werden. Externe Anbieter dürfen weder offen noch verdeckt subventioniert werden.

      Für gebührenpflichtige berufsbegleitende Bachelorstudiengänge sind die erforderlichen Rechtsgrundlagen zu schaffen.


      1 Ausgangslage

      Zu den Aufgaben aller wissenschaftlichen Hochschulen in Baden-Württemberg gehören neben Lehre und Forschung auch Angebote zur wissenschaftlichen Weiterbildung (§ 31 Absatz 1 Landeshochschulgesetz). Mögliche Angebotsformen sind dabei Weiterbildungsstudiengänge und Kontaktstudien.

      Die Lehrleistungen im Rahmen dieser Weiterbildungsstudiengänge und der Kontaktstudien können von der Hochschule selbst oder auf der Grundlage von Kooperationsvereinbarungen von Dritten erbracht werden.

      Das Landeshochschulgebührengesetz sieht vor, dass im Unterschied zu Bachelor- und gewöhnlichen Masterstudiengängen, für die seit 2012 keine Studiengebühren mehr erhoben werden dürfen, für weiterbildende Masterstudiengänge Studiengebühren zu erheben sind.

      Aus der Systematik der einschlägigen Bestimmungen des Landeshochschulgesetzes und der Lehrverpflichtungsverordnung ergibt sich, dass Weiterbildungsstudiengänge der Hochschulen grundsätzlich kostendeckend finanziert werden müssen, z. B. durch Gebühren, Zuwendungen Dritter oder andere Einnahmen. Bei den Kontaktstudien sieht das Landeshochschulgebührengesetz die Möglichkeit privatrechtlicher Entgelte vor. Ob auch diese Entgelte kostendeckend sein müssen, lässt der Gesetzgeber offen.

      Der Rechnungshof hat 2012 die Organisation und die Wirtschaftlichkeit der Weiterbildungsangebote an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften geprüft und dabei örtliche Erhebungen an sieben ausgewählten Hochschulen durchgeführt.

      2 Prüfungsergebnisse

      2.1 Weiterbildungsaktivitäten an den Hochschulen

      Die Prüfung hat ergeben, dass von den 23 staatlichen Hochschulen für angewandte Wissenschaften 18 Hochschulen wissenschaftliche Weiterbildung anbieten. Keine Weiterbildungsangebote gibt es an den Hochschulen Heil¬bronn, Rottenburg, Schwäbisch Gmünd und den Hochschulen für Polizei Villingen-Schwenningen und für Rechtspflege Schwetzingen.

      Zehn Hochschulen organisieren die Weiterbildungsangebote ausschließlich selbst und erheben für die Teilnahme an den Weiterbildungsstudiengängen Gebühren und für die Teilnahme an den Kontaktstudien privatrechtliche Entgelte.

      Vier Hochschulen (Biberach, Konstanz, Reutlingen und Ulm) bedienen sich für ihre Weiterbildungsangebote ausschließlich externer Anbieter.

      An weiteren vier Hochschulen (Aalen, Kehl, Mannheim und Nürtingen) werden sowohl eigene Weiterbildungsangebote organisiert als auch externe Anbieter eingeschaltet.

      2.2 Kooperation mit externen Anbietern, an denen die Hochschule nicht beteiligt ist

      Einige Hochschulen bieten ihre Weiterbildungsstudiengänge und Kurse in Zusammenarbeit mit Vereinen und Stiftungen an, an denen sie selbst juristisch nicht beteiligt sind. Diese Form der hochschulnahen Weiterbildung hat sich überwiegend in einer Zeit etabliert, in der die Hochschulen keine Unternehmensbeteiligungen eingehen durften und in der keine ausreichenden Rechtsgrundlage für eigene Weiterbildungsangebote bestand.

      Ein institutioneller Einfluss der Hochschule auf diese Weiterbildungseinrichtungen besteht naturgemäß nicht. Allerdings kann die Hochschule im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Qualitätssicherung durch Kooperationsverträge Bedingungen für die hochschulnahen Weiterbildungsangebote stellen.

      Problematisch bei dieser Form der Kooperation ist die bei der Prüfung mehrfach festgestellte verdeckte Subventionierung der externen Anbieter durch unentgeltliche oder nicht kostendeckend entgoltene Leistungen der Hochschule. An mehreren Standorten wurden Räume der Hochschulen entgegen den Vorschriften des Haushaltsrechts unentgeltlich oder verbilligt an die externen Anbieter überlassen. Von den Hochschulen geleisteter Personalaufwand wurde von externen Anbietern nicht in voller Höhe erstattet. Konzeptionelle Beiträge der Hochschule und die Verwendung des Hochschulnamens wurden von den externen Anbietern häufig ohne angemessenes Entgelt in Anspruch genommen.

      Für die Teilnehmerbeiträge dieser externen Anbieter gibt es keine hochschulspezifischen Regeln. In einigen Fällen ist die Höhe der Beiträge so bemessen, dass bei den externen Anbietern beachtliche Überschüsse entstehen, die allein dem Anbieter und gegebenenfalls den Dozenten zugutekommen. Umgekehrt hat die Hochschule bei dieser Form der Kooperation in der Regel kein eigenes wirtschaftliches Risiko.

      In mehreren Fällen musste der Rechnungshof Interessenkollisionen beanstanden, weil ein Professor oder ein Mitarbeiter der Hochschule im Rahmen der Weiterbildungskooperation sowohl die Hochschule vertrat als auch im eigenen privaten Interesse oder als Organ oder Vertreter des externen Anbieters tätig wurde.

      2.3 Kooperation mit Unternehmen, an denen die Hochschule beteiligt ist

      Ein ähnliches Bild ergibt sich an jenen Hochschulen, die Weiterbildung mit Hilfe von Unternehmen (in der Regel in der Rechtsform der GmbH) anbieten, an denen sie selbst beteiligt sind. Als weitere Gesellschafter sind je nach Standort Hochschulfördervereine, kommerzielle Unternehmen oder Professoren und Mitarbeiter der Hochschule an den Tochtergesellschaften beteiligt.

      Die nach § 2 Absatz 5 Landeshochschulgesetz juristisch zulässige Unternehmensbeteiligung sichert der Hochschule ein Mindestmaß an institutionellem Einfluss auf die Aktivitäten des Unternehmens und die Verwendung eventuell entstehender Überschüsse. Andererseits schafft diese Form der Beteiligung faktisch wirtschaftliche Risiken, wenn die Unternehmen auf dem Weiterbildungsmarkt Defizite erwirtschaften.

      Das Hauptproblem, das sich bei der Prüfung des Rechnungshofs gezeigt hat, ist auch in diesen Fällen die akkurate Verrechnung der von der Hochschule selbst erbrachten Leistungen und Ressourcenbeiträge. Auch wenn es sich um ein Tochterunternehmen handelt, müssen für die Inanspruchnahme von Räumen, sächlichen und personellen Ressourcen nach Maßgabe des geltenden Haushaltsrechts kostendeckende Entgelte geleistet werden.

      Bemerkenswert ist, dass es sich in allen Fällen der Beteiligung der Hochschulen an Weiterbildungsunternehmen um Minderheitsbeteiligungen handelt. Als Motive für diese auf den ersten Blick ungünstigen Mehrheitsverhältnisse werden von einzelnen Hochschulen rechtliche Freiräume genannt. Sie ergeben sich daraus, dass bei Minderheitsbeteiligungen z. B. keine Restriktionen aufgrund der Grundrechte möglicher Teilnehmer oder Dozenten bestehen und weder ein Prüfungsrecht des Rechnungshofs noch die Ablieferungspflichten des Nebentätigkeitsrechts gelten.

      2.4 Weiterbildung als hochschuleigenes Angebot

      An 14 Standorten bieten die Hochschulen für angewandte Wissenschaften wissenschaftliche Weiterbildung in eigener Regie an.

      Die Vorteile dieser Form des Angebots sind offenkundig:

      • Die Hochschule und ihre Organe sind unmittelbar für Inhalt, Umfang und Qualität der Angebote verantwortlich. Der mit einer vertraglich geregelten Kooperation verbundene Transferaufwand bei der Einschaltung externer Anbieter entfällt.

       

      • Für die Gestaltung der Weiterbildungsstudiengänge und der Kontaktstudien bestehen klare Rechtsgrundlagen, ebenso für die Erhebung von Studiengebühren und privatrechtlichen Entgelten.

       

      • Da vollkostendeckende Gebühren und Entgelte erhoben werden können und sollen, ergeben sich bei wirtschaftlich erfolgreichen Weiterbildungsangeboten Deckungsbeiträge zu den Gemeinkosten der Hochschule, die mittelbar Forschung und grundständiger Lehre zugutekommen.

       

      • Lehrleistungen, die Professoren im Rahmen dieser Weiterbildungsangebote erbringen, können bei kostendeckender Gestaltung auf die hauptamtliche Lehrverpflichtung angerechnet oder - wenn die Lehrverpflichtung bereits erfüllt ist - als Nebentätigkeit an der eigenen Hochschule vergütet werden.

      Der Gesetzgeber hat durch zwei kürzlich erfolgte Novellierungen des Landeshochschulgesetzes die Rahmenbedingungen für eigene Weiterbildungsangebote der Hochschulen weiter verbessert.

      Als problematisch haben sich bei der Prüfung des Rechnungshofs folgende Aspekte erwiesen:

      • Wenn die Weiterbildungsangebote der Hochschulen nicht den erwarteten Erfolg zeigen und - entgegen der Prognose - faktisch keine Kostendeckung eintritt, muss die Hochschule die entstehenden Defizite aus Haushaltsmitteln decken, die für Forschung und Lehre bestimmt waren. Unklar ist auch, wie mit der Anrechnung von Lehrleistungen in der Weiterbildung auf die Lehrverpflichtung zu verfahren ist, wenn sich rückwirkend ergibt, dass keine Kostendeckung erzielt werden konnte.

       

      • Eine Kalkulation der Studiengebühren für Weiterbildungsstudiengänge auf der Grundlage einer umfassenden Vollkostenrechnung führt in manchen Fachbereichen zu Preisen, die am Weiterbildungsmarkt nicht mehr ausreichend akzeptiert werden. In einer der geprüften Hochschulen haben die zuständigen Organe daraufhin die Gebühren bewusst unterhalb der vom Gesetzgeber normierten Kostendeckung festgesetzt und damit eine im Haushalt der Hochschule nicht vorgesehene Teilsubventionierung der Weiterbildung bewirkt.

       

      • Es bedarf erheblicher Aufmerksamkeit der für die Haushalts- und Wirtschaftsführung zuständigen Hochschulorgane, damit bei der nach oben offenen Festsetzung der Honorarsätze für Lehrleistungen in der Weiterbildung durch den Senat nicht auf jenen Teil der Erlöse zugegriffen wird, der für die Deckung der übrigen von der Hochschule zur Verfügung gestellten Ressourcen (z. B. Räume, Geräte, Hilfspersonal) benötigt wird.

      2.5 Berufsbegleitende Bachelorstudiengänge

      An zwei der geprüften Hochschulen wurde festgestellt, dass mit Hilfe externer Kooperationspartner berufsbegleitende Bachelorstudiengänge angeboten werden beziehungsweise angeboten werden sollen.

      Für diese Studiengänge werden beträchtliche Entgelte erhoben.

      Die beiden Hochschulen haben plausibel dargelegt, dass die Unternehmen der Region solche Studiengänge nachfragen, um beispielsweise begabten Technikern eine berufsbegleitende Fortbildung zum Ingenieur zu ermöglichen, ohne sie als Arbeitnehmer zu verlieren. In vielen Fällen übernehmen die Unternehmen auch ganz oder teilweise die dabei anfallenden Entgelte.

      Auch machen die Hochschulen geltend, sie wollten den Markt berufsbegleitender Bachelorstudiengänge nicht ohne Weiteres privaten Anbietern überlassen, deren Qualität nicht in allen Fällen zweifelsfrei gegeben sei.

      Für diese Form eines externalisierten, durch Entgelte finanzierten Bachelorstudiengangs im Auftrag einer staatlichen Hochschule besteht im Landeshochschulgesetz bislang keine Rechtsgrundlage. Es handelt sich - wie sich aus der Legaldefinition im Landeshochschulgesetz ergibt - nicht um ein Weiterbildungsangebot, sodass die Regeln der §§ 31, 33 Landeshochschulgesetz nicht einschlägig sind.

      2.6 Motive für Weiterbildungsangebote

      Der Rechnungshof teilt die Auffassung, dass Weiterbildungsangebote der Hochschulen für angewandte Wissenschaften sinnvoll und notwendig sind.

      Sie tragen der wachsenden Nachfrage nach berufsbegleitender Weiterqualifizierung Rechnung, die von den in Baden-Württemberg beschäftigten Hochschulabsolventen und ihren Arbeitgebern an das Land und seine Hochschulen herangetragen wird.

      Angesichts des drohenden Fachkräftemangels unterstützen die Hochschulen mit ihren berufsbegleitenden Weiterbildungsangeboten die baden-württembergischen Unternehmen in ihrem Bemühen, Fachkräfte an die Unternehmen der Region zu binden.

      Der Bedarf an berufsbegleitenden wissenschaftlichen Weiterbildungsangeboten wird in Zukunft steigen.

      Ein weiteres nachvollziehbares Motiv für Weiterbildungsangebote der Hochschulen ist das Ziel, sich überregional als fachlich angesehene und leistungsfähige Bildungseinrichtungen über die grundständige Ausbildung von Studierenden hinaus so zu positionieren, dass auch in Zukunft genügend qualifizierte Studienbewerber den Weg an die jeweiligen Hochschulen finden.

      Als nicht hinreichend valide hat sich dagegen das gelegentlich genannte Argument erwiesen, durch lukrative Weiterbildungsleistungen hohe Deckungsbeiträge für die Hochschule zu erwirtschaften und dadurch den finanziellen Spielraum für Forschung und Lehre wesentlich zu erweitern. Die in der Weiterbildung erfolgreichen Hochschulen erwirtschaften Deckungsbeiträge, die neben den staatlichen Haushaltsmitteln und den Forschungsdrittmitteln kaum ins Gewicht fallen. Es hat sich bei der Prüfung des Rechnungshofs gezeigt, dass von am Markt erfolgreichen Weiterbildungsangeboten in erster Linie die Dozenten, in zweiter Linie die externen Anbieter und erst danach die Hochschulen selbst finanziell profitieren.

      3 Empfehlungen

      3.1 Kostendeckende Gebühren und Entgelte

      Nach den Bestimmungen des Landeshochschulgesetzes dürfen die Hochschulen Weiterbildungen in der Regel nur dann anbieten, wenn die direkten Kosten des Angebots durch Gebühren, Entgelte und andere Einnahmen gedeckt sind. Eine Vollkostendeckung ist anzustreben.

      Eine Quersubventionierung von Weiterbildungsangeboten aus den für Forschung und Lehre zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln ist nicht sinnvoll und in der Regel auch haushaltsrechtlich unzulässig.

      3.2 Weiterbildungsstudiengänge als eigene Angebote der Hochschule

      Der Rechnungshof empfiehlt den Hochschulen, Weiterbildungsstudiengänge und Kontaktstudien in der Regel als eigene Angebote der Hochschulen zu organisieren.

      Diese klassische Organisationsform sorgt für den größtmöglichen Einfluss der Hochschule auf die Inhalte und Methoden der Weiterbildungsangebote, sichert der Hochschule eventuelle Überschüsse und vermeidet den bei der Einschaltung Dritter zwangsläufig entstehenden Transferaufwand.

      3.3 Weiterbildungsangebote in Kooperation mit externen Anbietern

      Soweit die Hochschulen ihre Weiterbildungsangebote in Kooperation mit externen Anbietern gestalten, empfiehlt der Rechnungshof,

      • einen maßgeblichen Einfluss der Hochschule sicherzustellen,

       

      • auf eine vollständige und (voll)kostendeckende Vergütung aller von der Hochschule erbrachten Leistungen zu bestehen und die Ansprüche auch zeitnah geltend zu machen. Dies umfasst auch - wie an einzelnen Hochschulen bereits praktiziert - ein Entgelt für die Verwendung des Hochschulnamens und für die Konzeption der Studiengänge und Prüfungen.

       

      • von der offenen oder verdeckten Subventionierung der Weiterbildungsangebote der externen Partner konsequent abzusehen, zumal dies in der Regel auch gegen das Haushaltsrecht verstößt.

       

      • Interessenkollisionen zu vermeiden.

      3.4 Berufsbegleitende Bachelorstudiengänge

      Die Motive, die den Gesetzgeber bewogen haben, auf allgemeine Studiengebühren zu verzichten, lassen sich auf das berufsbegleitende Studium nicht übertragen, zumal die Studierwilligen häufig von ihren Arbeitgebern unterstützt werden und die Ansprüche berufstätiger Studierender an Komfort und Service während des Studiums in der Regel höher sind als bei Studierenden, die direkt von der Schule zum Studium übergehen.

      Der Rechnungshof empfiehlt dem Gesetzgeber,

      • nach bayerischem Vorbild eine Rechtsgrundlage für die Erhebung von Studiengebühren für berufsbegleitende Bachelorstudiengänge zu schaffen und

       

      • durch eine Ergänzung des Landeshochschulgesetzes klarzustellen, dass Lehrleistungen im Rahmen berufsbegleitender Bachelorstudiengänge auch von Dritten im Auftrag der Hochschule angeboten werden dürfen.

      4 Stellungnahmen des Ministeriums und der Rektorenkonferenz

      4.1 Stellungnahme des Ministeriums

      Das Wissenschaftsministerium stimmt den Ausführungen des Rechnungshofs insbesondere zur wachsenden Bedeutung der Weiterbildung, zur Empfehlung an die Hochschulen, in der Regel interne Weiterbildungsangebote einzurichten, und zur anzustrebenden Vollkostendeckung im Wesentlichen zu.

      Es ist aber der Auffassung, dass § 33 Landeshochschulgesetz mit der Möglichkeit von Externenprüfungen als Rechtsgrundlage auch für berufsbegleitende Bachelorstudiengänge ausreiche. Insbesondere sei darauf hinzuweisen, dass sich der Wortlaut der Vorschrift der Externenprüfung nicht auf weiterbildende Studiengänge beziehe. Zudem erstrecke sich die mit der Weiterbildungsnovelle vom 10.07.2012 eröffnete Möglichkeit von externen und internen Kontaktstudien als Modulstudien mit ECTS-Anrechnung auch auf berufsbegleitende Bachelorstudiengänge.

      Das Ministerium werde aber die Empfehlungen des Rechnungshofs, § 31 Landeshochschulgesetz auf Bachelorstudiengänge für Berufstätige auszuweiten beziehungsweise die Möglichkeit der Erhebung von Studiengebühren für berufsbegleitende Bachelorstudiengänge ausdrücklich zu schaffen, prüfen und mit den Rektorenkonferenzen besprechen.

      Hinsichtlich der Festsetzung der Honorarsätze für Lehrleistungen in der Weiterbildung weist das Ministerium auf § 46 Absatz 6 Sätze 3 und 4 Landeshochschulgesetz hin, wonach die Hochschulen bei der Festlegung der Vergütung insbesondere das Fach, den Schwierigkeitsgrad, die erforderliche Vor- und Nachbereitung, die Bedeutung der Lehrveranstaltung, die Nachfrage und die örtlichen Verhältnisse angemessen zu berücksichtigen haben. Zudem dürfe die Lehrvergütung nur aus Einnahmen von Weiterbildungsangeboten gezahlt werden.

      4.2 Stellungnahme der Rektorenkonferenz

      Die Rektorenkonferenz der Hochschulen für angewandte Wissenschaften stimmt dem Rechnungshof zu, dass eine Quersubventionierung der Weiterbildung aus Mitteln für Forschung und Lehre nicht sinnvoll ist. Sie weist ergänzend darauf hin, dass die Ausstattung der Hochschulen für angewandte Wissenschaften so knapp bemessen sei, dass die Finanzierung von Weiterbildungsaktivitäten aus eigenen Mitteln der Hochschulen praktisch nicht möglich sei, auch wenn sie im Einzelfall haushaltsrechtlich zulässig und im Blick auf den Aufgabenkatalog des § 2 Landeshochschulgesetz sogar geboten sei.

      Sie gibt zu bedenken, dass die Differenzierung im Gebührenrecht zwischen gebührenfreien konsekutiven Masterstudiengängen und entgeltpflichtigen Weiterbildungsmasterstudiengängen den Bologna-Ansatz gefährde. Die Studierenden sollen frei entscheiden, in welcher Phase ihrer Berufsbiografie sie ihre Weiterqualifikation durch Masterstudiengänge betreiben wollen. Die Rektorenkonferenz regt an, dieses Spannungsverhältnis durch gesetzgeberische Maßnahmen zu lösen.

      Im Unterschied zum Rechnungshof halte die Rektorenkonferenz die interne und externe Organisation von Weiterbildungsangeboten für gleichwertig. Ausschlaggebend für die freie Wahl der Organisationsform dürften allein die sehr heterogenen Rahmenbedingungen und die regionalen Gegebenheiten sein.

      Die Rektorenkonferenz betont die Notwendigkeit berufsbegleitender Bachelorstudiengänge und hält die Delegation von Lehrleistungen auf externe Anbieter unter Verweis auf § 33 Landeshochschulgesetz (Externenprüfung) schon heute für rechtmäßig. Eine Klarstellung im Gesetz würde eventuelle Unsicherheiten beseitigen und werde deshalb befürwortet.


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      Die Mehrzahl der Professoren an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften erfüllt ihre Lehrverpflichtung vollständig und korrekt. Unzureichend ist an mehreren Hochschulen die Dokumentation der individuell erbrachten Lehrleistungen. Außerdem waren Fehler und Rechtsverstöße bei der Gewährung von Ermäßigungen, der Anrechnung von Lehrleistungen auf das Deputat und beim Ausgleich von Mehr- und Minderleistungen zu beanstanden. Die einschlägigen Regeln der Lehrverpflichtungsverordnung sind sorgfältig zu beachten.


      1 Ausgangslage

      Jede Professorin und jeder Professor an einer staatlichen Hochschule in Baden-Württemberg ist verpflichtet, Dienstaufgaben in der Forschung, in der Lehre und in der Selbstverwaltung der Hochschule wahrzunehmen.

      Der vorgeschriebene Umfang der Dienstaufgaben im Bereich der Lehre wird durch das Landeshochschulgesetz und die auf seiner Grundlage erlassene Lehrverpflichtungsverordnung (LVVO) definiert. Weitere Konkretisierungen sind in den einschlägigen Verwaltungsvorschriften des Wissenschaftsministeriums enthalten, das in diesem Bereich die Fachaufsicht über die Hochschulen wahrnimmt.

      Nach § 1 Absatz 1 Nummer 2 LVVO beträgt die Lehrverpflichtung eines Professors an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften regelmäßig 18 Lehrveranstaltungsstunden.

      Diese Regellehrverpflichtung kann für die Vorstandsmitglieder der Hochschule vom Ministerium ermäßigt werden. Der Vorstand selbst kann einzelnen Professoren der Hochschule für die Wahrnehmung von Leitungsaufgaben in den Fakultäten, von besonderen Aufgaben in der Hochschulverwaltung und von Aufgaben in Forschung und Entwicklung Ermäßigungen ihrer Lehrverpflichtung gewähren. Die insoweit einschlägigen Vorschriften der §§ 6 ff. LVVO definieren für jede dieser Fallgruppen kollektive und individuelle Obergrenzen, die bei der Gewährung von Ermäßigungen zu beachten sind. § 8 LVVO ermöglicht den Hochschulen für angewandte Wissenschaften Ermäßigungen bis zur Höhe von 7 Prozent des Gesamtumfangs der Lehrverpflichtungen der hauptberuflichen Lehrpersonen der Hochschule. Diese Norm wenden die Vorstände der Hochschulen für angewandte Wissenschaften seit vielen Jahren differenziert auf verschiedene Fallgruppen an und gleichen dadurch Mehrbelastungen durch Sonderaufgaben an der Hochschule aus.

      Außerdem kann sich die individuelle Lehrverpflichtung durch die Zuweisung besonderer Aufgaben nach § 46 Absatz 1 Satz 3 Landeshochschulgesetz vermindern, wenn innerhalb der zuständigen Lehreinheit für einen angemessenen Ausgleich gesorgt wird.

      § 2 LVVO bestimmt differenziert, wie die einzelnen Arten von Lehrveranstaltungen, Betreuungsleistungen und die Mitwirkung an Auswahlverfahren auf die Lehrverpflichtung angerechnet werden.

      Das Ministerium hat 2005 und 2009 in zwei Erlassen auf Anregung des Rechnungshofs bestimmt, dass die individuelle Erfüllung der Lehrverpflichtung jeweils nach Abschluss des Semesters durch eine eigenhändige Erklärung jedes zur Lehre verpflichteten Hochschulangehörigen zu dokumentieren ist. In dieser Erklärung ist die (gegebenenfalls durch Ermäßigungen reduzierte) Lehrverpflichtung zu benennen und nachvollziehbar zu erklären, durch welche Lehrleistungen der Erklärende seine individuelle Lehrverpflichtung im abgelaufenen Semester erfüllt hat. Die Hochschulvorstände sind gehalten, die pünktliche und inhaltlich korrekte Abgabe dieser Erklärungen zu überwachen beziehungsweise durch die Dekane der Fakultäten überwachen zu lassen.

      Die Finanzkontrolle hat 2012 die Hochschulen für angewandte Wissenschaften Esslingen, Furtwangen, Offenburg, Pforzheim und Stuttgart (Technik) geprüft und dabei typische Fehler bei der Anwendung der LVVO und der einschlägigen Erlasse des Ministeriums festgestellt.

      2 Prüfungsergebnisse

      Die Prüfung an den fünf genannten Hochschulen hat ergeben, dass sich die Hochschulvorstände bemühen, den Vorgaben der LVVO und der einschlägigen Erlasse gerecht zu werden. Die Mehrzahl der Professorinnen und Professoren an den geprüften Hochschulen hat ihr Deputat ordnungsgemäß erfüllt. Der Anteil dieser Professoren reichte bei den erhobenen Stichproben von 72 Prozent an der Hochschule Offenburg bis zu 95 Prozent an der Hochschule Stuttgart.

      Schwerwiegende Mängel zeigten sich insbesondere bei der Dokumentation der individuellen Erfüllung der Lehrverpflichtung und bei der Handhabung der Vorschriften über die Ermäßigung der Lehrverpflichtung und die Anrechnung von Lehrveranstaltungen und Betreuungsleistungen.

      2.1 Dokumentation der Erfüllung der individuellen Lehrverpflichtung

      Obwohl die Regeln über die Dokumentation der Erfüllung der individuellen Lehrverpflichtung seit 2005 gelten, sind diese an drei der fünf geprüften Hochschulen nicht angemessen umgesetzt. An diesen drei Hochschulen lagen nicht von allen zur Lehre verpflichteten Hochschulangehörigen die notwendigen Erklärungen vor.

      Die von den Professoren - oft verspätet - vorgelegten Deputatsnachweise enthielten in vielen Fällen nicht alle notwendigen Angaben. Die verwendeten Formulare und Vordrucke unterschieden sich teilweise von Fakultät zu Fakultät. An einigen Fakultäten wurden - wie vor 2005 gebräuchlich - kollektive Erklärungen abgegeben, die keine individuelle Prüfung der Deputatserfüllung ermöglichen.

      Bei komplexeren Anrechnungen (z. B. bei der Betreuung von Studienabschlussarbeiten oder bei Exkursionen) fehlten häufig die für die Überprüfung des Umfangs der Anrechnung notwendigen Grundlagen.

      An einer der Hochschulen wurde zur Dokumentation der Deputatserfüllung ein IT-Verfahren angewendet, das es der Hochschulverwaltung ermöglichte, die Erklärungen nachträglich zu ändern und zu ergänzen, sodass zu keiner Zeit verbindlich abgeschlossene Erklärungen vorlagen.

      An einer anderen Hochschule konnte trotz IT-Unterstützung weder eine belastbare Übersicht über die abgegebenen Erklärungen erstellt werden noch war eine Kontrolle möglich. Außerdem war nicht nachzuvollziehen, wer die Eintragungen in die jeweiligen Listen verantwortlich vorgenommen hatte.

      2.2 Ermäßigungen der Lehrverpflichtung

      An zwei der fünf geprüften Hochschulen wurden den Fakultätsvorständen Ermäßigungen ihrer Lehrdeputate gewährt, die die in der LVVO explizit festgesetzte Höchstgrenze überschritten. Nicht immer nachvollziehbar war, nach welchen Kriterien der Vorstand der Hochschule die Freistellungspauschale auf die einzelnen Fakultätsvorstände verteilte.

      Ähnliches gilt für die in § 8 LVVO vorgesehene Ermäßigung für Forschungs- und Entwicklungsaufgaben und für besondere Aufgaben in der Hochschulverwaltung. Auch hier wurden an zwei der geprüften Hochschulen sowohl die kollektive Obergrenze als auch die individuell zu beachtende Obergrenze nach der LVVO überschritten.

      In manchen Fällen fehlte die nach der LVVO im besonderen Einzelfall erforderliche Entscheidung des Wissenschaftsministeriums über die Bewilligung der Ermäßigung.

      Die an zwei der geprüften Hochschulen praktizierte Ermäßigung der Lehrverpflichtung für neu berufene Professoren findet in der LVVO keine Rechtsgrundlage. Denkbar wäre allenfalls, dass Minderdeputate der neu berufenen Professoren durch Mehrleistungen der übrigen Professoren der Fakultät nach Maßgabe des § 4 LVVO ausgeglichen werden. Das war aber in den genannten Fällen nicht geschehen.

      2.3 Anrechnung von besonderen Lehrveranstaltungen und Betreuungsleistungen

      Als besonders fehleranfällig erwies sich - wie schon bei der Prüfung bei Universitäten und Pädagogischen Hochschulen - auch an den geprüften Hochschulen für angewandte Wissenschaften die Anrechnung besonderer Lehrveranstaltungen und die Anrechnung von Betreuungsleistungen für Studienabschlussarbeiten.

      So beachteten einige Fakultäten die in der LVVO vorgesehene Obergrenze für die Anrechnung der Betreuung von Studienabschlussarbeiten (höchstens zwei Lehrveranstaltungsstunden) nicht. An drei der geprüften Hochschulen wurde entgegen dem eindeutigen Wortlaut der LVVO und der dazu ergangenen Hinweise des Wissenschaftsministeriums die Betreuung von Studien- und Projektarbeiten, die während des Studiums gefertigt wurden (also keine Studienabschlussarbeiten), auf die Lehrverpflichtung angerechnet.

      Eine der geprüften Hochschulen gewährte bei besonders gut besuchten Lehrveranstaltungen ohne jede Rechtsgrundlage Zeitzuschläge von bis zu 30 Prozent.

      Als fahrlässige Verstöße sind die in einzelnen Fakultäten ungleichmäßig praktizierten und von den Vorgaben des Ministeriums abweichenden Anrechnungen von kompakt gehaltenen Veranstaltungen (z. B. Blockseminaren) zu bewerten.

      2.4 Ausgleich von Deputatsübererfüllungen und Minderleistungen

      Die LVVO sieht vor, dass Übererfüllungen der Lehrdeputate und Minderleistungen in einzelnen Semestern innerhalb von drei Studienjahren ausgeglichen werden können. Dabei sind die in der Verordnung bestimmten Maßgaben zu beachten.

      Diese Ausgleichsregelung wurde an vier der geprüften Hochschulen nicht korrekt angewendet. Sowohl Mehr- als auch Minderleistungen wurden über den Dreijahreszeitraum hinaus fortgeschrieben, wodurch bei einzelnen Professoren beachtliche offene Deputatssalden, in einem Fall bis zur Höhe von mehr als vier Regellehrverpflichtungen entstanden. Einzelne Professoren erbrachten in einzelnen Semestern weniger als die Hälfte ihrer Regellehrverpflichtung.

      Ein Ausgleich von Deputatsübererfüllungen und Minderleistungen setzt im Übrigen eine genaue Dokumentation voraus, die - wie unter Punkt 2.1 erwähnt - nicht an allen Hochschulen vorhanden ist.

      2.5 Bedeutung der Lehrverpflichtungsverordnung

      Die Regelungen der LVVO stellen einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Anspruch des Landes und damit letztlich der Studierenden auf eine umfassende Lehrleistung der Professoren einerseits und der an einer arbeitsteilig organisierten Hochschule unabdingbar notwendigen Flexibilität des individuellen Lehrdeputats andererseits dar.

      Für die Hochschulen für angewandte Wissenschaften haben dabei die seit vielen Jahren bewährten, in hohem Maße anpassungsfähigen Ermäßigungsregeln der §§ 6a und 8 LVVO eine besondere Bedeutung.

      Es handelt sich bei den Regeln der LVVO und den vom Wissenschaftsministerium dazu erlassenen Richtlinien nicht um „soft law“, sondern um eine rechtlich verbindliche Definition der Dienstaufgaben der Professoren und der übrigen zur Lehre verpflichteten Mitarbeiter der Hochschule.

      3 Empfehlungen

      Die Hochschulvorstände und die Fakultätsvorstände müssen die Einhaltung der Lehrverpflichtung sorgfältig überwachen und gewährleisten. Dies ist auch im Interesse der Mehrheit der Professoren geboten, die ihre Lehrverpflichtung akkurat erfüllen.

      Dazu bedarf es einer zeitnahen und korrekten Dokumentation der individuellen Lehrleistung, wie es die Erlasse des Wissenschaftsministeriums aus den Jahren 2005 und 2009 vorsehen.

      Die Rückstände bei der Deputatserfüllung müssen nachgeleistet werden.

      Das Ministerium sollte im Rahmen der ihm obliegenden Fachaufsicht dafür Sorge tragen, dass auch alle Hochschulen für angewandte Wissenschaften eine belastbare Dokumentation der individuellen Lehrleistungen und die Erfüllung der Lehrverpflichtungen sicherstellen, sodass Abweichungen von den Regeln der LVVO nach Möglichkeit unterbleiben.

      4 Stellungnahmen des Ministeriums und der Rektorenkonferenz

      4.1 Stellungnahme des Ministeriums

      Das Wissenschaftsministerium erhebt keine Einwendungen gegen den Denkschriftbeitrag des Rechnungshofs.

      Es teile die Einschätzung des Rechnungshofs und werde auch die von den Prüfungen nicht unmittelbar betroffenen Hochschulen im Rahmen seiner Fachaufsicht auf die Feststellungen des Rechnungshofs hinweisen. Eine Überprüfung der Einzelvorgänge obliege den Rektoren und den Dekanen, die für die Überwachung der Einhaltung der Lehrverpflichtung zuständig sind. Das Ministerium werde die Hochschulen bitten, bei unberechtigten Ermäßigungen und Anrechnungen dafür zu sorgen, dass dadurch entstandene Rückstände bei der Deputatserfüllung zeitnah nachgeleistet werden.

      4.2 Stellungnahme der Rektorenkonferenz

      Der Vorsitzende der Rektorenkonferenz der Hochschulen für angewandte Wissenschaften und die Rektoren der Hochschulen Esslingen und Stuttgart weisen darauf hin, dass es sich bei der Nichterfüllung des Lehrdeputats allenfalls um Einzelfälle handle und dass im Übrigen ein signifikanter Teil der Professorinnen und Professoren ihr individuelles Deputat deutlich übererfülle. In diesem Zusammenhang regen sie an, den Ausgleich von geleisteter Mehrarbeit über den bisher geltenden Dreijahreszeitraum hinaus zuzulassen.

      Sie teilen die Auffassung des Rechnungshofs, dass eine zeitnahe und korrekte Dokumentation der individuellen Lehrleistung erfolgen muss. Sie melden allerdings Zweifel an, ob die LVVO in ihrer geltenden Fassung den tatsächlichen Verhältnissen an der Hochschule noch gerecht wird. Die Arbeitsbelastung der Professorinnen und Professoren habe in den letzten Jahren massiv zugenommen. Dies komme - vor dem Hintergrund eines gesenkten Grundgehalts - einer verdeckten Deputatserhöhung gleich.

      Die Rektoren weisen auf Unsicherheiten hin, die sich bei der Anwendung der Regeln der LVVO ergeben: So sei die Anrechnung von Kompaktkursen und Blockseminaren unzureichend geregelt. Auch werde die LVVO der unterschiedlichen Belastung, die sich aus der Größe der Studierendengruppen ergebe, nicht gerecht.

      Notwendig seien eine Novellierung der LVVO, die den gewandelten Verhältnissen an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften Rechnung trage, und eine Klarstellung, welche Erlasse und Verwaltungsvorschriften des Wissenschaftsministeriums noch gelten und bei der Anwendung der LVVO zu beachten sind.


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      Die künftige Struktur und Größe der beiden Kunstakademien sollte in einem standortübergreifenden Struktur- und Entwicklungsplan definiert werden. Die Außenstelle Freiburg sollte aufgelöst werden, um die Studienbedingungen zu verbessern und die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen.


      1 Ausgangslage

      Das Land Baden-Württemberg unterhält zwei Staatliche Akademien der Bildenden Künste (Kunstakademien) in Stuttgart und Karlsruhe.

      1.1 Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart

      Die Kunstakademie Stuttgart bietet in den vier Fachgruppen Kunst, Architektur, Design und Kunstwissenschaften insgesamt 20 Studiengänge an. Sie verfügt über 124 Stellen (davon 48 Professorinnen und Professoren) und ein Ausgabenvolumen von 10 Mio. Euro jährlich. Im Wintersemester 2011/12 waren an der Kunstakademie Stuttgart 916 Studierende eingeschrieben.

      Der Hauptstandort der Kunstakademie Stuttgart befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft der Stuttgarter Weißenhof-Siedlung, einzelne Studiengänge sind an weiteren sieben Standorten im Stadtgebiet von Stuttgart, in Fellbach und in Esslingen untergebracht.

      1.2 Staatliche Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe

      Die Kunstakademie Karlsruhe hat ihren Ausbildungsschwerpunkt in den Studiengängen der Freien Kunst (Malerei, Grafik, Bildhauerei) und in der Kunsterziehung für das Lehramt an Gymnasien. Insgesamt sind an der Kunstakademie Karlsruhe 320 Studierende eingeschrieben. Sie verfügt über 51,5 Stellen (davon 22 Professorinnen und Professoren) und ein Ausgabenvolumen von jährlich 3,8 Mio. Euro.

      Die Mehrzahl der Einrichtungen der Kunstakademie Karlsruhe befindet sich in der Karlsruher Weststadt. Außerdem verfügt die Kunstakademie Karlsruhe über eine Außenstelle in Freiburg. Schon in seiner Denkschrift 1998, Beitrag Nr. 24, hatte der Rechnungshof vorgeschlagen, die Außenstelle Freiburg der Kunstakademie Karlsruhe aufzulösen. Die Landesregierung war diesem Vorschlag seinerzeit nicht gefolgt.

      2 Prüfungsergebnisse

      2.1 Aufnahmekapazität und Zulassungsverfahren

      Die Zahl der Studienplätze an den beiden Kunstakademien ist das Ergebnis einer langjährigen Entwicklung, die von der Landesregierung nur wenig gesteuert wurde. Weder liegt ihr eine Kapazitätsberechnung noch eine vom Wissenschaftsministerium festgelegte Zulassungszahl zugrunde.

      Die Zulassung der Studierenden war an beiden Akademien durch eine zeit- und arbeitsintensive Aufnahmeprüfung gesteuert. Durch die sorgfältige Auswahl werden die Qualität der Studierenden und eine hohe Wahrscheinlichkeit des Studienerfolgs (geringe Abbrecherquote) gesichert.

      In Stuttgart ist die Zahl der Studierenden trotz der sorgfältigen Auswahl von 2004 bis 2012 um 7 Prozent gestiegen. Dies führt zu Forderungen nach zusätzlicher räumlicher und personeller Ausstattung, was wegen des notwendigen hohen Ressourceneinsatzes je Studierendem problematisch ist.

      2.2 Wahrnehmung der Lehre

      Bei der Prüfung des Rechnungshofs erwies sich, dass insgesamt 10 Prozent der hauptamtlich Lehrenden die Lehrverpflichtung nicht vollständig erfüllt haben:

      Fast alle Professorinnen und Professoren erfüllten ihre Lehrverpflichtung vollständig. Das bei den künstlerischen Professuren angewendete Verfahren, die Betreuung einer Klasse mit mindestens 15 Studierenden der Leistung von 20 Lehrveranstaltungsstunden gleichzusetzen, hat sich als praktikabel und sachgerecht erwiesen.

      Mehr Beanstandungen ergaben sich hingegen bei der Wahrnehmung der Lehrverpflichtung einzelner akademischer Mitarbeiter. Teilweise lagen die vorgeschriebenen Dienstaufgabenbeschreibungen nicht vor, aus denen sich der Umfang der Lehrverpflichtung ergibt. Die obligatorischen Nachweise über die Erfüllung der Lehrverpflichtung wurden nicht immer zeitnah nach Ende des Semesters vorgelegt. In einigen Fällen waren sie bereits vor Semesterbeginn (und damit vor Erfüllung der Lehrverpflichtung) ausgestellt worden. Insgesamt muss die Dokumentation der Erfüllung der Lehrverpflichtung verbessert werden.

      Bei einigen Lehrbeauftragten hat der Rechnungshof die hohe Anzahl der an einem Tag geleisteten Lehrveranstaltungsstunden, in einem Einzelfall 16 Stunden, beanstandet. Die Obergrenze von zehn Stunden täglich ist zu beachten.

      2.3 Haushalts- und Wirtschaftsführung

      Die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung hat ergeben, dass die Mittelbewirtschaftung an beiden Standorten ordnungsgemäß und im Wesentlichen fehlerfrei erfolgt. Kleinere Beanstandungen betrafen den Bereich Beschaffungen und die Überwachung der Nebentätigkeiten des Personals.

      Potenziale zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit haben sich in folgenden Bereichen gezeigt:

      • An beiden Standorten zahlen die Kunstakademien einigen jungen Künstlern, die ihre Ausbildung an der Akademie abgeschlossen haben, Mietzuschüsse für die Anmietung eines Ateliers. Diese Form der Förderung des Berufseinstiegs gehört nicht zwingend zum Aufgabenspektrum der Akademien.

       

      • Das Wissenschaftsministerium stellt den Kunstakademien aus dem Innovations- und Qualitätsfonds befristete Mittel für Projekte und Maßnahmen zur Verfügung, um die sich die Kunstakademien wie alle anderen Hochschulen im Wettbewerb bemühen müssen. Dieses Antragsverfahren ist für die kleinen Hochschulen (Kunstakademien, Musikhochschulen) mit einem hohen Zeit- und Arbeitsaufwand verbunden, der innerhalb der kleinen Verwaltungen praktisch nicht delegiert werden kann und deshalb wertvolle Kapazität der Vorstandsmitglieder bindet. Dieser Aufwand steht außer Verhältnis zu dem geringen Effekt.

       

      • Die Kunstakademie Karlsruhe bietet für Meisterschüler einen gebührenpflichtigen Aufbaustudiengang an. Die Meisterschüler erhalten eigene Atelierräume und werden von einem Professor intensiv betreut. Im Zusammenhang mit der Abschaffung der allgemeinen Studiengebühren wurden die Gebühren für Meisterschüler von 500 Euro auf 120 Euro reduziert. Diese Gebühren sind angesichts der Leistungen, die die Meisterschüler in Anspruch nehmen, unangemessen gering. Selbst die bis 2012 erhobene Gebühr von 500 Euro war nicht kostendeckend.

      2.4 Außenstelle Freiburg

      Die Kunstakademie Karlsruhe unterhält in Freiburg eine Außenstelle, die in einem Schulgebäude der Stadt Freiburg untergebracht ist. Dort betreuen zwei Professorinnen im Fach Malerei zwei Klassen mit insgesamt 46 Studierenden. Außerdem sind dort eine Hausmeisterin, eine Verwaltungskraft mit 0,5 Vollzeitäquivalenten und eine Reinigungskraft tätig. Die Mietkosten übernimmt seit 2000 die Stadt Freiburg, die sich außerdem mit 4.000 Euro jährlich an den Fahrtkosten der Studierenden beteiligt.

      Die Studierenden, die der Außenstelle Freiburg zugeordnet sind, haben dadurch spürbare Nachteile gegenüber ihren in Karlsruhe studierenden Kommilitonen: Sie sind in der Auswahl des Lehrangebots und der Studienfächer eingeschränkt, können faktisch nicht die vollständige Infrastruktur der Kunstakademie (z. B. Werkstätten und Bibliothek) nutzen und müssen wegen einzelner nur in Karlsruhe angebotener Pflichtveranstaltungen regelmäßig zwischen Freiburg und Karlsruhe pendeln. Auch die beiden Professorinnen müssen - insbesondere zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben in der Selbstverwaltung - zwischen den beiden Standorten pendeln.

      Trotz des Miet- und Fahrtkostenzuschusses der Stadt Freiburg verursacht der Betrieb der Außenstelle Freiburg vermeidbare Ausgaben von 115.000 Euro jährlich.

      3 Empfehlungen

      Der Rechnungshof empfiehlt,

      • im Rahmen einer standortübergreifenden Strukturplanung die Zahl der an den Kunstakademien vorgehaltenen Studienplätze verbindlich festzulegen und die Entwicklung der personellen, räumlichen und sächlichen Ausstattung an diesen Zahlen auszurichten;

       

      • die Erfüllung der Lehrverpflichtung durch die hauptamtlich Lehrenden sorgfältig zu überwachen und auf die vorgeschriebene zeitnahe Dokumentation der Lehrleistung am Ende des Semesters hinzuwirken;

       

      • die Außenstelle Freiburg der Kunstakademie Karlsruhe zu schließen, die dort vorgehaltenen Kapazitäten in das Studienplatzangebot in Karlsruhe zu integrieren und auf diese Weise jährlich Ausgaben von 115.000 Euro einzusparen;

       

      • die auf die Kunstakademien entfallenden Mittel aus dem Innovations- und Qualitätsfonds pauschal an die Kunstakademien zu vergeben;

       

      • für den in Karlsruhe angebotenen Studiengang für Meisterschüler eine Gebühr von mindestens 500 Euro je Semester zu erheben;

       

      • künftig keine Mietzuschüsse mehr für die Anmietung eines Ateliers durch Absolventen zu gewähren.

      4 Stellungnahme des Ministeriums

      Das Wissenschaftsministerium erklärt, es werde die Empfehlung eines standortübergreifenden Strukturplans prüfen. Auch in diesem Falle solle eine mögliche Festlegung der Studierendenzahlen allerdings erst dann erfolgen, wenn hinreichend Klarheit über die künftige Gestaltung der Lehramtsausbildung bestehe, da die Lehramtsstudierenden einen nicht unerheblichen Anteil an der Gesamtstudierendenzahl der Akademien ausmachen.

      Aus Sicht des Ministeriums habe sich der Innovations- und Qualitätsfonds im Allgemeinen als Mittel zur Verbesserung der Lehre und der Hochschulstruktur bewährt. Es teile jedoch die Auffassung des Rechnungshofs, dass ein Einbezug der Kunst- und Musikhochschulen in den Innovations- und Qualitätsfonds aufgrund der dortigen Besonderheiten kritisch zu überprüfen ist.

      Das Ministerium schließe sich ferner der Einschätzung an, dass die Freiburger Studierenden insbesondere mit der Modularisierung im Studiengang „Kunsterziehung für das Lehramt an Gymnasien“ deutlich ungünstigere Studienbedingungen als die vergleichbaren Karlsruher Studierenden zu bewältigen haben. Es werde daher die Aufgabe der Außenstelle Freiburg nochmals eingehend prüfen.

      Bezüglich der vom Rechnungshof festgestellten Mängel bei der Wahrnehmung der Lehrverpflichtung einzelner akademischer Mitarbeiter hätten die Hochschulen erklärt, die Empfehlung des Rechnungshofs umsetzen zu wollen.

      Das Ministerium teile ferner die Einschätzung des Rechnungshofs, dass die bei einigen Lehrbeauftragten festgestellte Zahl der Lehrveranstaltungsstunden deutlich zu hoch bemessen sei. Die betroffene Hochschule habe zugesagt, die Empfehlung des Rechnungshofs künftig zu beachten.

      Hinsichtlich des Meisterschülerstudiums sei zu bedenken, dass mit der Ernennung zum Meisterschüler und der Aufnahme in den einschlägigen Studiengang auch eine persönliche Auszeichnung verbunden ist, die nur ausgewählte Absolventen der Akademie erhalten können. Zudem komme den Meisterschülern eine wichtige Funktion bei der Repräsentation der Akademie nach außen zu. Dennoch werde das Ministerium zusammen mit der Kunstakademie Karlsruhe das Verhältnis der Kosten des zweisemestrigen Meisterschülerstudiums zu den veranschlagten Gebühren erneut prüfen.


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