Denkschrift 2007

1 Vorbemerkung

In der vorliegenden Denkschrift werden wesentliche Ergebnisse ausgewählter Prüfungen des Rechnungshofs und der staatlichen Rechnungsprüfungsämter aus den Jahren 2006/07 vorgestellt. Sie enthält damit die Informationen, die für die Entlastung der Landesregierung von Bedeutung sind. Die Denkschrift ist kein abschließender Bericht über die Tätigkeit der Finanzkontrolle in diesem Zeitraum. Sie enthält vielmehr eine Zusammenstellung wichtiger Prüfungsergebnisse aus verschiedenen Bereichen der Landesverwaltung, die das Parlament und die Landesregierung in deren Bemühen unterstützen soll, die Wirtschaftlichkeit des Verwaltungshandelns weiter zu verbessern und finanzielle Nachteile für das Land zu vermeiden. Allgemeine Schlüsse zur Qualität der Landesverwaltung lassen sich aus den Einzeldarstellungen nicht ziehen.

Die internen Senatsberatungen zu dieser Denkschrift wurden am 26.04.2007 abgeschlossen. Die Zuordnung der Prüfungsergebnisse zu den einzelnen Geschäftsbereichen in Abschnitt III richtet sich nach der Geschäftsbereichsabgrenzung der Ministerien zu diesem Zeitpunkt.

Im Laufe der letzten 12 Monate legte der Rechnungshof vier Beratende Äußerungen vor:

  • Am 07.08.2006 veröffentlichte er die Beratende Äußerung zur „Struktur der Sportselbstverwaltung in Baden-Württemberg“ (Landtagsdrucksache 14/243). Er konnte bei dieser Prüfung keine wirtschaftlichen Gründe feststellen, die Organisationsänderungen nahe legen würden. Die Festlegung von Art und Höhe der Sportförderung ist eine politische Entscheidung.
  • Die Ergebnisse seiner Prüfung zur „Struktur der Grundbuchämter und Einführung des Elektronischen Grundbuchs in Baden-Württemberg“ stellte der Rechnungshof am 06.10.2006 der Landesregierung und dem Landtag vor (Landtagsdrucksache 14/392). Darin empfahl er unter anderem, die kommunalen Grundbuchämter in Baden aufzulösen und so 38 Mio. € einzusparen.
  • Mit der Beratenden Äußerung zur „Förderung von Existenzgründungen und Existenzfestigungen“ vom 12.12.2006 (Landtagsdrucksache 14/698) kritisierte der Rechnungshof den geringen gesamtwirtschaftlichen Nutzen des Förderprogramms durch eine zu breite Streuung der Förderdarlehen.
  • Am 29.03.2007 schließlich unterrichtete der Rechnungshof die politischen Entscheidungsträger über die Ergebnisse seiner umfassenden Untersuchung zur „Wirtschaftlichkeit des Projektes NSI in der Landesverwaltung“ (Landtagsdrucksache 14/1084). Das millionenschwere Projekt, durch das die Verwaltung zukünftig effektiver und effizienter gesteuert werden sollte, hat bisher keine seiner Zielsetzungen umfassend erreicht. Der Rechnungshof hat konkrete Vorschläge zur Optimierung und Neuausrichtung des Projektes gemacht

2 Wesentliche Inhalte

Mit der Denkschrift 2007 unterbreitet der Rechnungshof dem Landtag und der Landesregierung eine breite Auswahl an Verbesserungsvorschlägen, die zur Entlastung des Haushalts beitragen können oder eine wirtschaftlichere Verwendung der vorhandenen Ressourcen bewirken sollen. Die meisten Beiträge der diesjährigen Denkschrift beschäftigen sich mit der Optimierung von Organisation und Personaleinsatz in den verschiedenen Bereichen der Erbringung öffentlicher Leistungen. Schwerpunkte liegen auch im Bereich der staatlichen Förderung und bei den Aufwendungen des Landes für die Schul- und Berufsausbildung.

Die Finanzkontrolle leistet mit ihren Untersuchungen, Feststellungen und Verbesserungsvorschlägen, wenn diese in die Tat umgesetzt werden, einen wesentlichen Beitrag zur weiterhin von der Landesregierung angestrebten notwendigen Haushaltskonsolidierung.

Trotz des im Jahr 2006 einsetzenden Wirtschaftsaufschwungs mussten auch in diesem Haushaltsjahr 1,5 Mrd. € über Kredite finanziert werden. Die Schulden des Landes einschließlich der verlagerten Verpflichtungen wuchsen damit bis zum Ende des Jahres 2006 auf 43,5 Mrd. € an (Nr. 3). Dies hat zur Folge, dass das Land allein für den Schuldendienst 7,4 Mrd. € aufwendet, was 19,3 % der Gesamtausgaben entspricht. Er stellt damit den drittgrößten Posten im Landesetat dar. Damit das Land auch in Zukunft handlungsfähig bleibt, muss ein strikter Sparkurs mit dem Ziel, den Schuldenberg abzubauen, nach wie vor oberste Priorität haben. Zur Erreichung dieses Ziels ist es unerlässlich, noch mehr Personal abzubauen, Organisationsstrukturen zu reformieren, Förderungen effektiver und effizienter zu gestalten und öffentliche Aufgaben wirtschaftlicher zu erbringen.

In mehreren Beiträgen zeigt der Rechnungshof Wege auf, wie durch Optimierung von Organisationsabläufen Personal- und Sachmittel eingespart werden können. So schlägt der Rechnungshof im Bereich des Wissenschaftsministeriums eine Konzentration der Service-Einrichtungen, welche für die Bereiche Datenverarbeitung und betriebswirtschaftliche Angelegenheiten für die nichtuniversitären Hochschulen, die Berufsakademien und Kunsteinrichtungen zuständig sind, an einem Standort vor. Bislang gibt es im Land drei solcher Service-Einrichtungen, was einen Mehraufwand von 800.000 € verursacht (Nr. 31). Eine Neuorganisation des vom Land betriebenen Bibliotheks-Zentrums sowie die Einführung kostendeckender Nutzungsentgelte würde zu einem wirtschaftlicheren und günstigeren Betrieb führen (Nr. 27). Ein Einsparpotenzial von jährlich 1,5 Mio. € zeigt der Rechnungshof bei der Gebäudereinigung der Universität Karlsruhe auf (Nr. 30). Bereits während der Prüfung konnte der Rechnungshof einem öffentlich-rechtlichen Unternehmen der Krankenversorgung zu Einsparungen durch eine effektivere Unternehmenssteuerung in Höhe von 230.000 € verhelfen (Nr. 29).

Ein Einsparpotenzial von mehr als 1,3 Mio. € und eine zusätzliche Personalkostenreduzierung hat die Finanzkontrolle bei der Fahrzeugflotte und der zentralen Fahrbereitschaft der vier Regierungspräsidien aufgezeigt (Nr. 8). Auf erhebliche Kosten stieß der Rechnungshof im Zusammenhang mit dem Aufenthalt und der Rückführung ausreisepflichtiger Ausländer. Durch eine gestraffte Organisation und einen strikteren Verwaltungsvollzug sind hier sowohl Personal- als auch Sachmittel in erheblichem Umfang einzusparen (Nr. 16). Bei der Prüfung der allgemeinen Beratungshilfe und des außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens sind die Ausgaben in den letzten 20 Jahren von 0,1 Mio. € auf 8,2 Mio. € im Jahr angestiegen. Durch eine Eingrenzung der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen, eine strikte Rechtsanwendung und eine angemessene Eigenbeteiligung der Rechtsuchenden lassen sich dort 3,8 Mio. € einsparen (Nr. 19).

Um eine bessere Kostendeckung geht es bei den Untersuchungen im Bereich des Nebentätigkeitsrechts bei den Zentren für Psychiatrie (Nr. 23) und bei den rechtsmedizinischen Instituten (Nr. 28). Die Chefärzte und Institutsleiter generieren durch Nebentätigkeiten in ihren Einrichtungen erhebliche Nebenverdienste. Es sollte darauf geachtet werden, dass für die Inanspruchnahme von Ressourcen für diese Nebentätigkeiten in Zukunft kostendeckende Nutzungsentgelte erhoben werden. Eine Anpassung der Entgelte schlagen die Prüfer auch für das Beschussamt in Ulm vor, um so die finanzielle Unterdeckung etwas aufzufangen. Im Rahmen dieser Prüfung wurde bei der haushaltsrechtlichen Abwicklung eines Erweiterungsbaus festgestellt, dass, dem Grundsatz der Haushaltswahrheit und -klarheit widersprechend, zur Schaffung von fiktiven Mehreinnahmen durch den Bau der Haushaltsansatz um jeweils 150.000 € zu niedrig angesetzt wurde (Nr. 9).

Jedes Jahr gehen dem Land Millionen Euro an Steuern durch Rechtsanwendungs- und Bearbeitungsfehler bei den Finanzämtern verloren. Der Rechnungshof schlägt hier eine Vereinfachung des Steuerrechts und eine Qualitätssicherung durch maschinelle Unterstützung vor (Nr. 24). Um eine effizientere Datenverarbeitung geht es auch bei der Polizei. Sie sollte zügig modernisiert und optimiert werden (Nr. 10).

Viel Geld fließt nach wie vor im Zuwendungsbereich. Der Rechnungshof mahnt in regelmäßigen Abständen die Überprüfung der Förderprogramme auf Wirtschaftlichkeit, Zweckerreichung und Gesetzmäßigkeit bei der Vergabe der Gelder an. So stellten die Finanzkontrolleure sowohl bei der Förderung von Park-and-ride-Anlagen (Nr. 12) als auch beim Förderprogramm „Virtuelle Hochschule“ (Nr. 26) fest, dass die Mittel ihren Förderzweck nicht immer erfüllten. Bei den Park-and-ride-Anlagen liegt häufig eine zu geringe Auslastung vor. Das Programm „Virtuelle Hochschule“ wurde mit 23,2 Mio. € vom Land unterstützt, ohne dass nachhaltige Erfolge erzielt werden konnten. Kritischere Antragsprüfungen verlangt der Rechnungshof bei der Bewilligung von Gemeindeverbindungs-straßen und Ortsumfahrungen (Nr. 14 und 15). Mehr Transparenz wünscht sich der Rechnungshof bei den Förderprogrammen im Geschäftsbereich des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum. Diese sollten systematisch zusammengeführt und neu strukturiert werden, um so Zielkonflikte und Mitnahmeeffekte zukünftig zu vermeiden (Nr. 22). Eine Vielzahl von Förderprogrammen verbirgt sich auch hinter den Konzepten „Kinderfreundliches Baden-Württemberg“ und „Kinderland Baden-Württemberg“. Da der Rechnungshof eine einheitliche und schlüssige Gesamtkonzeption nicht feststellen konnte, sieht er hier Verbesserungsbedarf (Nr. 7). Schließlich sieht der Rechnungshof im Ökokonto ein geeignetes Instrument, Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Vorhaben im Straßenbau und in der Gewässerentwicklung zu bewältigen (Nr. 6).

Auch im Bereich der Ausgaben für Bildung sollte mit Augenmaß vorgegangen werden. Bei der Ausbildung zum gehobenen Dienst könnte die öffentliche Hand bis zu 23 Mio. € jährlich einsparen, wenn die Ausbildung und die Hochschulstruktur reformiert werden würden (Nr. 5). Ein großes Einsparpotenzial fand der Rechnungshof auch bei der Hochschule der Polizei in Villingen-Schwenningen (Nr. 11). Eine bedarfsorientierte Ausrichtung des gestuften zweijährigen kaufmännischen und gewerblichen Berufskollegs würde jährlich um 14 Mio. € geringere Deputatsausgaben verursachen (Nr. 18). Bei der Prüfung des allgemeinen Entlastungskontingents an den öffentlichen Realschulen stellte der Rechnungshof fest, dass die nicht-unterrichtsbezogenen Aufgaben von den Lehrern im Rahmen einer 41-Stunden-Woche ohne jegliche Entlastung geleistet werden können. Die Kosten für das unnötig zur Verfügung gestellte Entlastungskontingent belaufen sich auf 9 Mio. € jährlich (Nr. 17).

Zwei Beiträge befassen sich mit Beteiligungen des Landes. Das Land sollte sich aus dem Rheinhafen Kehl zurückziehen; die Hafenverwaltung sollte von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts in eine GmbH umgewandelt werden (Nr. 21). Auch die Betätigung des Landes als mittelbarer Gesellschafter der Film- und Medienfestival GmbH sollte überdacht werden. Sie forderte bislang einen hohen personellen und finanziellen Einsatz, ohne dass ein entsprechendes Landesinteresse dies rechtfertigen würde (Nr. 20).

Immer wieder bemängelt der Rechnungshof, dass notwendige Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen gar nicht oder nur unzureichend angestellt werden. So stellte die Finanzkontrolle bei der Überprüfung von Mensaneubauten teilweise überhöhte Investitionen sowie eine dauerhafte Belastung des Landes durch hohe Folgekosten fest. Außerdem sollten hier künftig auch privatwirtschaftliche Lösungen in die Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen einbezogen werden (Nr. 25). Auch beim Bau von Behandlungsanlagen für Straßenoberflächenwasser ließe sich einiges verbessern. So sollten die Planung, der Betrieb und die Unterhaltung der Anlagen optimiert werden, damit Bau- und Folgekosten geringer ausfallen (Nr. 13).

Einen haushaltsrechtlichen Verstoß sieht der Rechnungshof in der Inanspruchnahme des Notbewilligungsrechts des Finanzministeriums bei der Übertragung der Aufgaben der Bewährungs- und Gerichtshilfe auf einen freien Träger (Nr. 4).

Ziel der unabhängigen Finanzkontrolle ist es, die Behörden dabei zu unterstützen, dass mit öffentlichen Geldern wirtschaftlich und sparsam umgegangen wird. Dabei ist sie aber darauf angewiesen, dass die geprüften Stellen ihre Empfehlungen und Verbesserungsvorschläge umsetzen. Im Abschnitt IV der Denkschrift wird daher anhand exemplarischer Fälle berichtet, wie sich die Tätigkeit der Prüfer auswirkte. Bei der Prüfung der Kosten und der Organisation der Asylbewerberunterbringung stießen die Finanzkontrolleure auf fehlerhafte Abrechnungen der Kommunen zulasten des Landes. Bis zum Jahr 2002 wurden aufgrund dieser Prüfung rund 72 Mio. € an das Land zurückbezahlt. Eine Fortführung der Prüfung in den Folgejahren führte zu weiteren Rückzahlungen in Höhe von 12 Mio. €. Beim Förderprogramm MEKA (Marktentlastungs- und Kulturlandschaftsausgleich), mit welchem die Europäische Union und das Land eine besonders umweltschonende Landbewirtschaftung unterstützen, stellte der Rechnungshof fest, dass die beabsichtigte Wirkung bei mehreren geförderten Maßnahmen nicht eindeutig nachweisbar war. Das Förderprogramm wurde daraufhin modifiziert, wodurch 18 Mio. € jährlich eingespart werden.

3 Parlamentarische Beratung der Denkschrift 2006

Die parlamentarische Beratung der Denkschrift 2006 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes Baden-Württemberg mit Bemerkungen zur Haushaltsrechnung 2004 (Landtagsdrucksache 14/70) ist abgeschlossen. Der Landtag von Baden-Württemberg hat in seiner 20. Sitzung am 14.02.2007 der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zur Denkschrift 2006 (Landtagsdrucksache 14/843) unverändert zugestimmt und die Landesregierung ersucht, bestimmte Maßnahmen zu treffen und ihm hierüber zu berichten (§ 114 Abs. 2 und 4 Landeshaushaltsordnung). Der Verfahrensstand ergibt sich aus der Zusammenstellung der dem Landtag noch zuzuleitenden Berichte der Landesregierung

In dieser Sitzung hat der Landtag auch die in der Haushaltsrechnung 2004 nachgewiesenen über- und außerplanmäßigen Ausgaben sowie die in der Übersicht 1 A dargestellten Abweichungen von den Stellenübersichten - unter Berücksichtigung etwaiger einschlägiger Feststellungen des Rechnungshofs - nachträglich genehmigt und der Landesregierung Entlastung erteilt (Landtagsdrucksache 14/845). >

Schließlich hat der Landtag in dieser Sitzung beschlossen, den Präsidenten des Rechnungshofs hinsichtlich der Rechnung des Rechnungshofs für das Haushaltsjahr 2004 nach § 101 Landeshaushaltsordnung zu entlasten (Landtagsdrucksache 14/844).


Anhänge

Der Haushalt des Landes wurde im Haushaltsjahr 2005 nach den Vorgaben des Staatshaushaltsplans vollzogen.


1 Haushalts-Soll und Haushalts-Ist 2005

Mit dem Gesetz über die Feststellung des Staatshaushaltsplans von Baden-Württemberg für die Haushaltsjahre 2005 und 2006 (Staatshaushaltsgesetz 2005/06) vom 01.03.2005 (Gesetzblatt für Baden-Württemberg 2005, S. 147) wurde der Staatshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2005 in Einnahme und Ausgabe auf 30.936.703.700 € festgestellt.

Das rechnungsmäßige Jahresergebnis 2005 (Haushalts-Ist einschließlich Haushaltsreste 2005) weist gegenüber dem Haushalts-Soll (Haushaltsansätze einschließlich Haushaltsreste aus dem Vorjahr) einen Überschuss in Höhe von 180.394.662,77 € aus (siehe Beitrag Nr. 1, Tabelle 1), der sich aus dem Saldo der Mehreinnahmen von 1.309.732.356,17 € und der Mehrausgaben von 1.129.337.693,40 € ergibt.

Wie sich die Mehreinnahmen und die Mehrausgaben aus den Teilergebnissen der Einzelpläne errechnen, ist in der Landeshaushaltsrechnung 2005 (Anlage 1 zur Gesamtrechnung, S. 38/39, Spalte 9) sowie in den Erläuterungen hierzu (S. 43 bis 50) dargestellt.

2 Jahresvergleich - einschließlich Vorschau auf das Haushaltsjahr 2006

Die Tabellen 1 und 2 zeigen die Entwicklung der Ausgabe-Ansätze und Ist-Ausgaben insgesamt sowie der Ist-Ausgaben je Einzelplan. Zur Tabelle 1 wird darauf hingewiesen, dass die Drittmittel der Universitäten seit dem Jahr 2000 nicht mehr im Soll veranschlagt sind.

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Von 1997 bis 2006 stiegen die Gesamt-Ist-Ausgaben um 4,6 % und die Personalausgaben um 14,9 %.

Als Folge der Kommunalisierung von Personal im Zuge der Verwaltungsstrukturreform waren die Personalausgaben in den Jahren 2005 und 2006 geringer als im Haushaltsjahr 2004.

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Seit dem Haushaltsjahr 2004 sind die Ausgaben für die Versorgungsbezüge der Beamten und Richter sowie ihrer Hinterbliebenen - bis auf Restbereiche - in den Einzelplänen der jeweiligen Ressorts nachgewiesen. Dies gilt ebenso für die Beihilfen der Versorgungsempfänger. Bis 2003 waren diese Ausgaben im Einzelplan 12 veranschlagt.

3 Globale Minderausgaben

Im Staatshaushaltsplan 2005/06 waren für das Haushaltsjahr 2005 bei Kapitel 1212 Titel 972 01 globale Minderausgaben in Höhe von 126 Mio. € veranschlagt; sie verteilen sich auf die Einzelpläne, wie in der Tabelle 3 dargestellt.

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Die Einsparungen bei den Sachausgaben - Haushaltsgruppen 5 bis 8 - wurden von den Ressorts nachgewiesen.

4 Haushaltsreste und Vorgriffe

4.1 Haushaltsjahr 2005

Beim Abschluss der Haushaltsrechnung für das Haushaltsjahr 2005 wurden folgende Reste in das Haushaltsjahr 2006 übertragen:

Einnahmereste 1.333.822.055,30 €
Ausgabereste 1.076.979.123,45 €
Mehrbetrag Einnahmereste 256.842.931,85 €

Die Einnahmereste umfassen fast ausschließlich noch nicht verbrauchte Kreditermächtigungen in Höhe von 87,6 Mio. € für das Projekt Neue Steuerungsinstrumente (Kapitel 1230 Titel 261 01) und in Höhe von 1.245,7 Mio. € für Kreditmarktmittel (Kapitel 1206 Titel 325 86). Wie sich die Ausgabereste zusammensetzen, ist auf den S. 51 bis 54 der Haushaltsrechnung dargestellt.

Mit Schreiben vom 05.09.2006 hat das Finanzministerium gemäß § 7 Abs. 5 Staatshaushaltsgesetz 2006/06 dem Finanzausschuss des Landtags die in das Haushaltsjahr 2006 übertragenen Ausgabereste mitgeteilt. Der Finanzausschuss hat hiervon in seiner 2. Sitzung am 28.09.2006 Kenntnis genommen.

Wie in den Vorjahren war die Landesregierung nach § 9 Abs. 2 Staatshaushaltsgesetz 2005/06 ermächtigt, unverbrauchte Mittel aus übertragbaren Bewilligungen (Ausgabereste) in Abgang zu stellen; sie hat diese Ermächtigung im Umfang von rd. 98 Mio. € ausgeschöpft.

4.2 Jahresvergleich

Die Tabellen 4 und 5 zeigen, wie sich die Haushaltsreste in den letzten Jahren entwickelt haben. Bei den Einnahmeresten handelt es sich im Wesentlichen um noch nicht verbrauchte Kreditermächtigungen.

Die Höhe der Haushaltsreste 2006 stand bei Abschluss der Denkschriftberatungen des Rechnungshofs noch nicht fest.

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Was wurde aus dem Beitrag?

Die parlamentarische Behandlung finden Sie hier


Anhänge

Die Schulden des Landes, einschließlich der sogenannten verlagerten Verpflichtungen, sind zum Ende des Jahres 2006 auf 43,6 Mrd. € angewachsen. Die haushaltsmäßige Nettokreditaufnahme belief sich im Haushaltsjahr 2006 auf 1,5 Mrd. €. Ein Haushaltsausgleich ohne neue Kredite wird auf Dauer nicht ohne weitere strukturelle Einsparmaßnahmen gelingen.


1 Verschuldungslage

1.1 Schuldenzuwachs

Die Verschuldung des Landes ist im Haushaltsjahr 2006 erneut angestiegen. Die Landesschulden und verlagerten Verpflichtungen haben sich gegenüber dem Vorjahr, wie in Tabelle 1 dargestellt, verändert.

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Danach sind die Schulden, einschließlich der verlagerten Verpflichtungen, im Haushaltsjahr 2006 um insgesamt 1.581,9 Mio. € (425,7 Mio. € weniger als im Vorjahr) gestiegen.

Die für die Pro-Kopf-Verschuldung maßgeblichen Kreditmarktschulden haben gegenüber dem Vorjahr um 1.531,0 Mio. € auf 41.071,6 Mio. € zugenommen.

Die im Jahr 2006 um 55,0 Mio. € reduzierten Schulden gegenüber dem Bund und dem Lastenausgleichsfonds für den Wohnungsbau sind finanzwirtschaftlich nicht von Bedeutung, weil den Schuldendienstverpflichtungen entsprechende Einnahmen von den Darlehensnehmern gegenüberstehen.

Die auf die Landeskreditbank Baden-Württemberg - Förderbank (L-Bank), die LBBW Immobilien Projektmanagement GmbH und die Finanzierungsgesellschaft für öffentliche Vorhaben des Landes Baden-Württemberg mbH verlagerten Verpflichtungen, für die das Land den Schuldendienst oder den Finanzierungsaufwand erstattet, haben sich um 105,9 Mio. € auf 1.053,9 Mio. € erhöht.

Im Laufe des Jahres 2006 nahm das Land aufgrund der Ermächtigung im Staatshaushaltsgesetz Kassenverstärkungskredite an 26 Tagen (Vorjahr 11 Tage) in Anspruch; mit 947,1 Mio. € war am 02.11.2006 der höchste Stand der Kassenkredite zu verzeichnen. Am 31.12.2006 waren keine Kassenkredite aufgenommen.

Die Entwicklung der Landesschulden und der verlagerten Verpflichtungen in den letzten zwanzig Jahren zeigt Abbildung 1.

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1.2 Haushaltsmäßige Kreditaufnahme

Im Haushaltsjahr 2006 wurden am Kapitalmarkt 6.522,8 Mio. € neue Darlehen aufgenommen. Gleichzeitig wurden 4.987,3 Mio. € getilgt. Die haushaltsmäßige Nettokreditaufnahme war somit 2006 mit 1.535,5 Mio. € um 150,9 Mio. € geringer als im Vorjahr (1.686,4 Mio. €) und um 399,9 Mio. € niedriger als die haushaltsgesetzliche Kreditermächtigung von 1.935,4 Mio. €. Danach sind zum Ende des Haushaltsjahres 2006 weiterhin noch 1.645,6 Mio. € nicht in Anspruch genommene Kreditermächtigungen früherer Haushaltsjahre in Form von Einnahmeresten verblieben. Da das Haushaltsjahr 2006 mit einem kassenmäßigen Überschuss in Höhe von 535,2 Mio. € abgeschlossen hat, lag in diesem Umfang eigentlich kein Kreditbedarf vor. Insoweit wäre an sich eine geringere Nettokreditaufnahme möglich gewesen.

Der gegenüber der Nettokreditaufnahme von 1.535,5 Mio. € um 4,5 Mio. € geringere Zuwachs der Kreditmarktschulden zum 31.12.2006 (1.531,0 Mio. €) ist darauf zurückzuführen, dass einerseits im Haushaltsjahr 2006 gebuchte Kredite in Höhe von 389,5 Mio. € bereits im Haushaltsjahr 2005 valutiert waren und andererseits von den im Jahre 2006 valutierten Krediten 385,0 Mio. € erst im Jahr 2007 haushaltsmäßig nachgewiesen werden.

Die Kreditfinanzierungsquote im Sinne des Anteils der Nettokreditaufnahme von 1.535,5 Mio. € an den bereinigten Gesamtausgaben (ohne die besonderen Finanzierungsvorgänge) in Höhe von 32.856,0 Mio. € hat sich gegenüber dem Vorjahr von 5,3 % auf 4,7 % reduziert.

Die Entwicklung der Kreditaufnahmen einschließlich der Tilgungsleistungen in den letzten zehn Jahren zeigt Abbildung 2.

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1.3 Kreditaufnahme und Schuldendienst

Die Entwicklung der jährlichen (haushaltsmäßigen) Brutto- und Nettokreditaufnahme sowie der Aufwendungen für den Schuldendienst in den letzten zehn Jahren zeigt Tabelle 2.

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Die Ist-Ausgaben des Schuldendienstes für die Kreditmarktmittel (Zinsen und Tilgungsleistungen bei Kapitel 1206, Ausgabe-Titelgruppe 86 - ohne Titel 563 86 Ausgleichsstock - und bei Kapitel 1230 Titel 571 01) sind im Haushaltsjahr 2006 gegenüber dem Vorjahr um 196,6 Mio. € gestiegen. Dies ist im Wesentlichen auf höhere Zinsaufwendungen gegenüber dem Haushaltsjahr 2005 zurückzuführen.

Die Zinsausgaben für die Kreditmarktschulden sind im Vergleich zum Haushaltsjahr 2005 (1.958,0 Mio. €) um 287,4 Mio. € auf 2.245,4 € gestiegen (siehe Tabelle 7). Darin enthalten sind 264,7 Mio. € für in den Jahren 1997 bis 2005 ausgesetzte Zinszahlungen, die im Jahr 2006 für ein mit einer Laufzeit von 40 Jahren im Jahr 1986 aufgenommenes sogenanntes Zero-Darlehen (322,6 Mio. €) fällig waren. Danach betrug die Zinsausgabenquote als Verhältniszahl der Zinsausgaben zu den bereinigten Gesamtausgaben 6,8 % (Vorjahr 6,2 %).

Der Schuldendienst an die L-Bank und die Erstattung des Finanzierungsaufwands an die Finanzierungsgesellschaft für öffentliche Vorhaben des Landes Baden-Württemberg mbH sowie an die LBBW Immobilien Projektmanagement GmbH beliefen sich im Haushaltsjahr 2006 auf 128,7 Mio. €. Darin sind auch die Ersatzleistungen an die L-Bank für die Finanzierung des Darlehensanteils des Landes bei der Ausbildungsförderung für Studierende in Höhe von 20,2 Mio. € enthalten, die aus systematischen Gründen dem gesamten Schuldendienst zuzurechnen sind.

Die Ausgaben des Schuldendienstes für die Kreditmarktmittel und der Aufwand für die verlagerten Verpflichtungen beliefen sich im Haushaltsjahr 2006 auf 7.361,4 Mio. €. Dementsprechend beträgt der Anteil des gesamten Schuldendienstes an den Gesamtausgaben (einschließlich der haushaltsmäßig nicht ausgewiesenen Tilgungsausgaben in Höhe von 4.987,3 Mio. €) des Landes 19,3 % (Vorjahr 19,4 %).

Der Aufwand für den Schuldendienst entsprach somit rund einem Fünftel der Gesamtausgaben und war nach den Personalausgaben und den Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse nach wie vor der drittgrößte Posten im Landesetat.

1.4 Pro-Kopf-Verschuldung

Die Verschuldung des Landes am Kreditmarkt (einschließlich öffentliche Sondermittel) erhöhte sich zum 31.12.2006 auf 41.071,6 Mio. €. Die Pro-Kopf-Verschuldung betrug danach 3.823 € (Vorjahr 3.682 €) und ist gegenüber dem 31.12.2005 um 3,8 % gestiegen; in allen Flächenländern belief sie sich durchschnittlich - bei einer Steigerung um 2,3 % - auf 5.038 € (Vorjahr 4.923 €). Zur Pro-Kopf-Verschuldung im Einzelnen siehe Tabelle 3.

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Wie bisher liegt Baden-Württemberg zwar weiterhin auf dem drittbesten Platz aller Flächenländer und weiterhin auf dem zweitbesten Platz der acht alten Flächenländer. Während die Pro-Kopf-Verschuldung im Jahr 2006 aber in einigen Ländern nur wenig anwuchs oder sogar zurückging, ist sie in Baden-Württemberg überdurchschnittlich gestiegen.

2 Verfassungsrechtliche Kreditfinanzierungsgrenze

Nach Art. 84 der Landesverfassung (LV) dürfen die Einnahmen aus Krediten die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen grundsätzlich (bei wirtschaftlicher Normallage) nicht überschreiten.

Entsprechend der Begründung zu Art. 84 LV umfasst das Investitionsvolumen die nach der Haushaltssystematik im Haushaltsplan unter den Hauptgruppen 7 und 8 des Gruppierungsplans veranschlagten Ausgaben. Die Gesetzesbegründung zu § 10 des für Bund und Länder maßgeblichen Haushaltsgrundsätzegesetzes definiert die Investitionsausgaben als eigenfinanzierte Investitionen und verlangt, von Dritten gewährte Zuweisungen, Zuschüsse und Beiträge zu Investitionen (Obergruppen 33 und 34) bei der Ermittlung der Summe der Ausgaben für Investitionen abzuziehen.

Danach ergibt sich für das Haushaltsjahr 2006 das aus Tabelle 4 ersichtliche Bild.

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Nach der derzeitigen Auslegung des Investitionsbegriffs durch das Finanzministerium hat das Land die verfassungsmäßige Verschuldungsgrenze auch im Haushaltsjahr 2006 eingehalten.

Der Rechnungshof hält allerdings eine engere Auslegung des Investitionsbegriffs für sachgerecht (siehe Denkschrift 2006, Nr. 3, Landesschulden). Danach sollten insbesondere die Zuweisungen und Zuschüsse für Investitionen Dritter nicht in das Investitionsvolumen des Landes einbezogen werden.

Auf dieser Basis ergibt sich das in Tabelle 5 dargestellte Bild.

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Unter Zugrundelegung des vom Rechnungshof geforderten engeren Investitionsbegriffs stehen der Nettokreditaufnahme im Haushaltsjahr 2006 keine eigenfinanzierten Investitionen des Landes gegenüber. Dabei ist noch nicht einmal der Werteverzehr an hergestellten oder beschafften Investitionsgütern in Höhe der kalkulatorischen Abschreibungen berücksichtigt

3 Kreditaufnahme und Steueraufkommen

Tabelle 6 zeigt die Entwicklung und den Vergleich der Nettokreditaufnahmen und der Einnahmen aus Steuern in den letzten zehn Jahren.

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Das Steueraufkommen ist im Haushaltsjahr 2006 gegenüber dem Vorjahr um 1.778 Mio. € (+8,0 %) gestiegen und lag um 1.376 Mio. € (+6,1 %) über dem Haushaltsansatz. Unter Berücksichtigung der Mehrausgaben im Länderfinanzausgleich in Höhe von 10,4 Mio. € und im kommunalen Finanzausgleich in Höhe von 350 Mio. € verblieben dem Land von diesen Mehreinnahmen gegenüber dem Haushaltssoll netto rd. 1 Mrd. €.

Die Steuerdeckungsquote, d. h. das Verhältnis der Steuereinnahmen zu den bereinigten Gesamtausgaben, hat sich im Haushaltsjahr 2006 mit 73,1 % gegenüber dem Vorjahr (70,3 %) deutlich verbessert.

4 Zinsausgaben und Steueraufkommen

In Tabelle 7 sind die Zinsausgaben für Kreditmarktschulden im Vergleich und im Verhältnis zu den Steuereinnahmen (Zins-Steuer-Quote) in den letzten zehn Jahren dargestellt.

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Im Haushaltsjahr 2006 musste ein Anteil von 9,4 % des Steueraufkommens (Vorjahr 8,8 %) zur Deckung der Zinsverpflichtungen verwendet werden.

Die Zins-Steuer-Quote hat sich in den letzten Jahren durch die beträchtliche Neuverschuldung kontinuierlich verschlechtert. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund bedenklich, dass die voraussichtlich zu erwartende Erhöhung des Zinsniveaus zu einem erheblichen Anstieg der Zinslast führen wird.

5 Ausgabenstruktur

Tabelle 8 zeigt die Entwicklung der wesentlichen Ausgabearten und die prozentualen Anteile an den bereinigten Gesamtausgaben des Landes in den letzten zehn Jahren.

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Die bereinigten Gesamtausgaben sind im Haushaltsjahr 2006 gegenüber dem Vorjahr um 1.246 Mio. € (+3,9 %) auf 32.856 Mio. € gestiegen.

Die Personalausgaben haben sich um 186 Mio. € (+1,5 %) erhöht; da sie im Verhältnis zu den Gesamtausgaben geringer gestiegen sind, ist die Personalausgabenquote um 0,9 Prozentpunkte auf 39,6 % gesunken.

Die Investitionsausgaben sind im Haushaltsjahr 2006 im Vergleich zum Vorjahr um 223 Mio. € (+8,3 %) wiederum gestiegen. Damit hat sich die Investitionsquote im Haushaltsjahr 2006 um 0,3 Prozentpunkte auf 8,9 % erhöht.

Der Anteil der sächlichen Verwaltungsausgaben hat sich nominal um 154 Mio. € und prozentual von 5 % auf 5,3 % erhöht. Demgegenüber hat sich der Anteil der Zuweisungen und Zuschüsse einschließlich der Leistungen im Länderfinanzausgleich gegenüber dem Vorjahr nominal zwar um 382 Mio. € (+3,1 %) erhöht, aber prozentual um 0,3 Prozentpunkte auf 39,2 % reduziert.

Die Zinsausgabenquote ist durch die Erhöhung der Zinsausgaben um 287 Mio. € (+14,7 %) von 6,2 % auf 6,8 % gestiegen.

6 Beurteilung und Fazit

Die Haushaltslage des Landes hat sich im Haushaltsjahr 2006 durch die in diesem Umfang nicht zu erwartenden Steuermehreinnahmen von netto rd. 1 Mrd. € positiv entwickelt. Dadurch konnte die vorgesehene Nettokreditaufnahme um rd. 400 Mio. € reduziert und zugleich ein kassenmäßiger Überschuss von rd. 535 Mio. € erzielt werden.

Durch die derzeit günstige konjunkturelle Entwicklung mit weiter steigenden Steuereinnahmen haben sich die Prämissen zur Einhaltung der nach der Mittelfristigen Finanzplanung vorgesehenen Kreditlinie und zur Realisierung der im Jahr 2011 angestrebten Nettonullverschuldung deutlich verbessert.

Indes ist es zur dauerhaften Sicherstellung des ab 2011 grundsätzlich geltenden Verbots der Neuverschuldung weiterhin dringend geboten, die Haushaltskonsolidierung von der Ausgabenseite her konsequent fortzusetzen. Deshalb müssen alle Anstrengungen auf eine nachhaltige Änderung der derzeitigen Ausgabenstruktur ausgerichtet werden.

Gerade angesichts der in den nächsten Jahren dramatisch ansteigenden Versorgungsausgaben wird ein Haushaltsausgleich ohne neue Kredite und ein Schuldenabbau auf Dauer ohne die vom Rechnungshof wiederholt geforderten strukturellen Einsparmaßnahmen nicht gelingen. Darüber hinaus ist ungewiss, wie lange die derzeit guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen anhalten werden und ob die in der Mittelfristigen Finanzplanung zugrunde gelegte jährliche Wachstumsrate von 3 % bei den Steuereinnahmen tatsächlich erreicht wird.

Im Übrigen hält es der Rechnungshof nach wie vor für notwendig, das Verschuldungsverbot in die Landesverfassung aufzunehmen.

7 Landesschuldbuch

Das Landesschuldbuch erbringt den ordnungsgemäßen Nachweis über die Buchschulden des Landes. Der Rechnungshof hat die im Haushaltsjahr 2006 in das Landesschuldbuch eingetragenen Schuldbuchforderungen geprüft. Die Prüfung hat keine Beanstandungen ergeben.


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Der Rechnungshof hat keine für die Entlastung der Landesregierung wesentlichen Abweichungen zwischen den in der Haushaltsrechnung 2005 und in den Büchern aufgeführten Beträgen festgestellt. Die geprüften Einnahmen und Ausgaben sind - von wenigen Einzelfällen abgesehen - ordnungsgemäß belegt.


1 Vorlage und Gestaltung der Haushaltsrechnung des Landes

Gemäß Art. 83 Abs. 1 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg und § 114 Abs. 1 Satz 1 der Landeshaushaltsordnung für Baden-Württemberg (LHO) hat der Finanzminister dem Landtag mit Schreiben vom 19.12.2006 die Haushaltsrechnung für das Haushaltsjahr 2005 als Grundlage für die Entlastung der Landesregierung vorgelegt (Landtagsdrucksache 14/753).

Die Haushaltsrechnung ist entsprechend den Vorschriften der §§ 81 bis 85 LHO gestaltet. Sie enthält alle in § 81 Abs. 1 und 2 LHO vorgeschriebenen Angaben für den Nachweis der bestimmungsgemäßen Ausführung des Staatshaushaltsplans. Die finanziellen Ergebnisse der Rechnungslegung sind in

  • einem kassenmäßigen Abschluss gemäß § 82 LHO (Ist-Ergebnisse ohne Haushaltsreste),
  • einem Haushaltsabschluss gemäß § 83 LHO (Ist-Ergebnisse zuzüglich Haushaltsreste) und
  • einer Gesamtrechnung (Soll-Ist-Vergleich der Einzelpläne)

dargestellt.

Der kassenmäßige Abschluss, der Haushaltsabschluss und die Gesamtrechnung sind entsprechend § 84 LHO auf S. 15 bis 20 der Haushaltsrechnung erläutert. Die in § 85 Abs. 1 LHO genannten Übersichten sind beigefügt (S. 1015 bis 1032 und S. 1037 bis 1039); weitere Erläuterungen über den Haushaltsvollzug enthalten die besonderen Übersichten auf den S. 43 bis 85.

2 Ergebnisse der Haushaltsrechnung

Der kassenmäßige Abschluss und der Haushaltsabschluss der Haushaltsrechnung 2005 sind in der Tabelle 1 zusammengefasst und dem Vorjahr gegenübergestellt.

2007-B01-Tab1

Der kassenmäßige Überschuss im Haushaltsjahr 2005 in Höhe von 224.766,60 € wurde im Haushaltsjahr 2006 bei Kapitel 1212 Titel 361 02 als Einnahme nachgewiesen.

3 Feststellungen des Rechnungshofs nach § 97 Abs. 2 Nr. 1 Landeshaushaltsordnung

Der Rechnungshof hat die Ordnungsmäßigkeit der Haushaltsrechnung des Landes für das Haushaltsjahr 2005 mit Unterstützung des Staatlichen Rechnungsprüfungsamts Stuttgart geprüft. Die in der Haushaltsrechnung aufgeführten Beträge der Einnahmen und Ausgaben stimmen mit den in den Rechnungslegungsbüchern nachgewiesenen Beträgen überein. In den geprüften Rechnungen sind keine Einnahmen oder Ausgaben festgestellt worden, die nicht belegt waren; etwaige Ordnungsverstöße wurden mit den betroffenen Ressorts erörtert.

Allerdings wurden durch Buchungen im Rahmen des internen Leistungsaustauschs von Instituten der Universität Stuttgart bei Kapitel 1418 Titel 119 49 und Titel 281 01 Einnahmen in Höhe von insgesamt 31.838,40 € doppelt nachgewiesen.

4 Druck- und Darstellungsfehler

Bei der Gesamtrechnungsprüfung hat der Rechnungshof keine wesentlichen Druck- und Darstellungsfehler in der Haushaltsrechnung des Landes festgestellt.

5 Haushaltsüberschreitungen

Über- und außerplanmäßige Ausgaben bedürfen der vorherigen Zustimmung des Finanzministeriums, die nur im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses erteilt werden darf. Die überplanmäßigen Ausgaben einschließlich der Vorgriffe sowie die außerplanmäßigen Ausgaben sind in der Haushaltsrechnung einzeln nachgewiesen und in der Übersicht 1 zur Haushaltsrechnung (S. 1017 bis 1032) zusammengestellt und begründet. Sie betragen insgesamt rd. 178 Mio. €. Bereinigt um die außerplanmäßige Ausgabe zum Ausgleich des kassenmäßigen Fehlbetrags des Haushalts 2004 in Höhe von rd. 112 Mio. € summieren sich die Haushaltsüberschreitungen auf rd. 66 Mio. € (Vorjahr: 154 Mio. €). Hiervon waren rd. 56 Mio. € Sachausgaben und rd. 10 Mio. € Personalausgaben.

Mehrausgaben in größerem Umfang sind für folgende Zwecke angefallen:

  • 4,3 Mio. € für Zuweisungen und Zuschüsse zur Förderung von vor- und außerschulischen Maßnahmen der Hausaufgaben-, Sprach- und Lernhilfen (Kapitel 0436 Titel 633 81 und Titel 684 81),

 

  • 3,8 Mio. € für Gebührenanteile der Notare des badischen Rechtsgebiets wegen des späteren Inkrafttretens der Neuregelung des Gebührenanteilrechts für die Amtsnotare (Kapitel 0511 Titel 459 52),

 

  • 12,2 Mio. € für Zuschüsse an soziale Einrichtungen und sonstige Institutionen im Rahmen von Maßnahmen zur Umsetzung des Ziel 3 des Europäischen Sozialfonds im Förderzeitraum 2000 bis 2006 (Kapitel 0903 Titel 684 73),

 

  • 6,2 Mio. € für Kostenerstattungen bei Gewährung von Jugendhilfe nach der Einreise gemäß § 89d Sozialgesetzbuch Achtes Buch Kinder- und Jugendhilfe (Kapitel 0911 Titel 671 01),

 

  • 6,8 Mio. € für den Ausgleich gemeinschaftlicher Leistungen im öffentlichen Personennahverkehr an kommunale und nichtkommunale öffentliche Unternehmen gemäß § 6a Allgemeines Eisenbahngesetz (Kapitel 1003 Titel 682 88 A und Titel 682 88 B).

Mit Schreiben vom 10.07.2006 hat das Finanzministerium dem Landtag gemäß § 7 Abs. 4 Staatshaushaltsgesetz 2005/06 die über- und außerplanmäßigen Ausgaben des Haushaltsjahres 2005 von mehr als 100.000 € im Einzelfall mitgeteilt. Die Mitteilung (Landtagsdrucksache 14/104) wurde vom Finanzausschuss des Landtags in der 2. Sitzung am 28.09.2006 zur Kenntnis genommen.

Nach dem Ergebnis der Rechnungsprüfung lag im Haushaltsjahr 2005 bei den über- und außerplanmäßigen Ausgaben von 500 € und mehr in 47 Fällen die Einwilligung des Finanzministeriums nicht vor. Die Summe dieser Haushaltsüberschreitungen beträgt 9,8 Mio. € (Vorjahr: 0,9 Mio. €). Davon entfallen auf Personalausgaben 507.000 € (Vorjahr: 113.000 €).

Die vom Finanzministerium bewilligten Abweichungen von den Stellenübersichten sind in der Haushaltsrechnung, Übersicht 1 A, S. 1033 bis 1035, dargestellt und begründet.

Die über- und außerplanmäßigen Ausgaben bedürfen nach Art. 81 Satz 3 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg der Genehmigung des Landtags. Diese wurde, zugleich für die Abweichungen von den Stellenübersichten, vom Finanzministerium im Zusammenhang mit der Vorlage der Haushaltsrechnung (siehe Pkt. 1) beantragt.

6 Buchungen an unrichtiger Stelle

In der Übersicht 1 zur Haushaltsrechnung (über- und außerplanmäßige Ausgaben einschließlich der Vorgriffe) sind auch Fälle von Buchungen an unrichtiger Haushaltsstelle - sogenannte Titelverwechslungen - enthalten, die auf Versehen der Verwaltung beruhen (Verstöße gegen § 35 Abs. 1 LHO). Sie haben eine relativ geringe Bedeutung für das Gesamtbild des Landeshaushalts.

Die Titelverwechslungen von mehr als 1.000 € sind - soweit diese die über- oder außerplanmäßigen Ausgaben verändern - in der Tabelle 2 dargestellt.

2007-B01-Tab2.jpg

Bei richtiger Buchung wären die in der Haushaltsrechnung nachgewiesenen über- und außerplanmäßigen Ausgaben um 167.476,95 € niedriger gewesen.


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Das Finanzministerium erteilte für die Aufgabenübertragung der Bewährungs- und Gerichtshilfe auf einen freien Träger seine Einwilligung in eine außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigung. Für die Inanspruchnahme dieses Notbewilligungsrechts lagen die rechtlichen Voraussetzungen nicht vor.


1 Sachverhalt

Der Ministerrat billigte am 16.12.2003 in seiner Grundsatzentscheidung zur Justizreform das Vorhaben des Justizministeriums, ein Pilotprojekt zur Übertragung der sozialen Dienste in der Justiz, insbesondere der Bewährungs- und Gerichtshilfe, mit dem Ziel einer generellen Übertragung auf freie Träger durchzuführen. Die rechtliche Möglichkeit für die Aufgabenübertragung auf einen freien Träger wurde mit Art. 58 des Verwaltungsstruktur-Reformgesetzes vom 01.07.2004 geschaffen.

Das Land führte vom 01.01.2005 bis 31.12.2006 in den Landgerichtsbezirken Stuttgart und Tübingen ein Pilotprojekt durch. Für die Dauer des Pilotprojekts übertrug es die Aufgaben der Bewährungs- und Gerichtshilfe auf einen privaten Auftragnehmer.

Den Dienstleistungsauftrag für die landesweite „Übernahme der Bewährungs- und Gerichtshilfe in Baden-Württemberg“ schrieb das Justizministerium am 18.05.2006 europaweit aus. Die Ausschreibung sah einen Vertragsbeginn am 01.01.2007 mit einer Laufzeit von zehn Jahren vor. In der Ausschreibung war unter „Sonstige Informationen“ folgende Bedingung enthalten: „Die Ausschreibung erfolgt unter dem Vorbehalt der Verfügbarkeit entsprechender Haushaltsmittel. Diese Mittel sollen in den Staatshaushaltsplan 2007/08 des Landes Baden-Württemberg eingestellt werden. Die notwendige Verpflichtungsermächtigung soll noch im Laufe des Jahres 2006 zur Verfügung gestellt werden.“

Die Ausschreibung wurde als wettbewerblicher Dialog durchgeführt. Bieter sollten ihre Teilnahmeanträge bis zum 30.06.2006 abgeben. Von den zwei Trägern, die ihr Interesse an einer Teilnahme bekundet hatten, zog einer seine Bewerbung am 01.08.2006 zurück. Nach drei Verhandlungsterminen legte der verbliebene Anbieter am 10.11.2006 ein Angebot vor.

Der Ministerrat beschloss am 07.11.2006 den Entwurf des Staatshaushaltsplans 2007/08. Darin sind bei Kapitel 0503 Titel 534 71 die Ausgaben des Landes an einen freien Träger für die Erbringung von Leistungen der Bewährungs- und Gerichtshilfe in Baden-Württemberg in den Jahren 2007 mit 7,5 Mio. € und 2008 mit 7,3 Mio. € veranschlagt. Der Beschluss des Ministerrats basierte auf der Kabinettsvorlage des Finanzministeriums vom 06.11.2006, in der auf die Aufgabenübertragung der Bewährungs- und Gerichtshilfe hingewiesen wird.

Parallel dazu bereiteten Finanzministerium und Justizministerium die Unterrichtung des Landtags über die beabsichtigte Einwilligung des Finanzministeriums in eine außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigung vor. Mit Schreiben vom 09.11.2006 teilte der Finanzminister dem Präsidenten des Landtags von Baden-Württemberg mit, dass nach erfolgreicher Beendigung des Pilotprojekts die Aufgaben der Bewährungs- und Gerichtshilfe landesweit auf einen freien Träger übertragen werden sollen. Vor Unterzeichnung dieses Vertrags bedürfe es aus haushaltsrechtlichen Gründen einer außerplanmäßigen Verpflichtungsermächtigung in Höhe von insgesamt bis zu 65 Mio. €, die ab dem Jahr 2007 verteilt auf zehn Jahre kassenwirksam würde. Die Verpflichtungsermächtigung habe bei der Aufstellung des Staatshaushaltsplans 2005/06 bzw. des Haushaltsnachtrags 2006 nicht aufgenommen werden können, da die Ausgestaltung der Bewährungshilfe in freier Trägerschaft und die erforderlichen finanziellen Leistungen an den freien Träger zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehbar gewesen seien.

Nach § 7 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 Staatshaushaltsgesetz 2005/06 dürften über- und außerplanmäßige Bewilligungen ohne vorherige Konsultation des Landtags nur bis zu einem kassenwirksam werdenden Jahresbetrag in Höhe von 5 Mio. € im Einzelfall erteilt werden. Da die erforderliche Verpflichtungsermächtigung diese Betragsgrenze übersteige, habe der Finanzminister nach § 47a Abs. 3 der Geschäftsordnung des Landtags anzufragen, ob der Landtag rechtzeitig über eine Bewilligung in der Form eines Nachtragshaushalts entscheiden könne.

Der Finanzminister führte weiter aus: „Aufgrund des besonderen Zeitdrucks gehe ich davon aus, dass eine rechtzeitige Bewilligung durch den Landtag nicht möglich sein wird. Die Ausschreibung war auf eine landesweite Übertragung der Aufgaben der Bewährungs- und Gerichtshilfe auf einen freien Träger zum 01.01.2007 ausgerichtet. Ein Hinausschieben dieses Termins ist aus vergaberechtlichen Gründen nicht möglich. Eine verzögerte Ermächtigung zum Eingehen der Zahlungsverpflichtung würde zu einem Scheitern des gesamten Projekts führen. Ich beabsichtige daher, auf Antrag des Justizministeriums die erforderliche Verpflichtungsermächtigung außerplanmäßig gemäß §§ 37 und 38 Landeshaushaltsordnung (LHO) bereitzustellen.“

Der Finanzausschuss des Landtags behandelte das Schreiben des Finanzministers vom 09.11.2006 am 23.11.2006. Mitglieder des Finanzausschusses stellten dabei die Rechtmäßigkeit der beabsichtigten Einwilligung in eine außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigung durch das Finanzministerium in Frage. Ein Antrag, das Vorgehen des Finanzministeriums zu missbilligen, wurde im Finanzausschuss mehrheitlich abgelehnt.

Das Justizministerium beantragte am 14.11.2006 die Einwilligung in eine außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigung beim Finanzministerium. Der Ministerrat beauftragte am 20.11.2006 das Justizministerium, nach Vorliegen der haushaltsrechtlichen Voraussetzungen dem Bieter den Zuschlag für die flächendeckende Erfüllung der Aufgaben der Bewährungs- und Gerichtshilfe in Baden-Württemberg zu erteilen.

Das Finanzministerium willigte mit Schreiben an das Justizministerium vom 29.11.2006 in eine außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigung in Höhe von bis zu 58 Mio. € ein. Das Justizministerium erteilte darauf hin mit Schreiben vom 30.11.2006 dem freien Träger den Zuschlag. Am 06.12.2006 unterzeichneten der Justizminister und der freie Träger den Vertrag.

Eine Landtagsfraktion reichte am 18.01.2007 Klage beim Staatsgerichtshof ein. Darin wird im Wesentlichen die Feststellung beantragt, dass die Einwilligung des Finanzministers und das Unterlassen eines Nachtragshaushaltsgesetzes durch die Landesregierung zur Finanzierung der Aufgabenübertragung der Bewährungs- und Gerichtshilfe verfassungswidrig waren und die Mitwirkungsrechte des Landtags verletzt haben.

2 Rechtsgrundlagen

Nach Art. 79 der Landesverfassung sind alle Einnahmen und Ausgaben des Landes in den Haushaltsplan einzustellen und in einem Haushaltsgesetz vom Landtag festzustellen. Ein Nachtragshaushaltsgesetz gemäß § 33 LHO kommt in Betracht, wenn die Haushaltsansätze für die vorgesehenen Zwecke nicht ausreichen oder neue Aufgaben finanziert werden müssen. Nach Art. 81 der Landesverfassung in Verbindung mit §§ 37 und 38 LHO kann der Finanzminister jedoch auch in über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen einwilligen. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 25.05.1977 wird dem Finanzminister bei Ausübung dieses Notbewilligungsrechts lediglich eine subsidiäre Kompetenz für dringende Notfälle eingeräumt (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Band 45, Seite 1).

Der Finanzminister darf seine Einwilligung zu solchen Ausgaben oder Verpflichtungsermächtigungen nur im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses erteilen. Unvorhergesehen ist ein Bedarf, der dem Grunde oder der Höhe nach so spät erkannt wird, dass eine Veranschlagung im Haushaltsplan nicht mehr möglich ist (Verwaltungsvorschrift Nr. 2.1.1 zu § 37 LHO). Als unabweisbar ist ein Bedürfnis nach § 37 Abs. 1 Satz 3 LHO insbesondere nicht anzusehen, wenn nach Lage des Einzelfalls ein Nachtragshaushaltsgesetz rechtzeitig herbeigeführt oder die Ausgabe bis zum nächsten Haushaltsgesetz zurückgestellt werden kann.

Ein Nachtragshaushaltsgesetz ist bei neuen Verpflichtungsermächtigungen nach § 7 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 Staatshaushaltsgesetz 2005/06 dann nicht erforderlich, wenn die voraussichtlich kassenwirksam werdenden Jahresbeträge 5 Mio. € nicht überschreiten.

Zur Beschleunigung des parlamentarischen Verfahrens kann der Präsident des Landtags den Entwurf eines Nachtragshaushaltgesetzes nach § 47a Abs. 1 der Geschäftsordnung des Landtags im Einvernehmen mit den Fraktionen unmittelbar an den Finanzausschuss überweisen.

3 Bewertung des Finanzministeriums und des Justizministeriums

Das Finanzministerium und das Justizministerium teilten dem Rechnungshof ihre Bewertung der haushaltsmäßigen Abwicklung der Maßnahme in einem gemeinsamen Schreiben vom 27.12.2006 mit:

Bei Verabschiedung des Staatshaushaltsplans 2005/06 im Februar 2005 und des Nachtrags zum Staatshaushaltsplan 2006 am 30.11.2005 seien weder die konkrete Form der Ausgestaltung der Bewährungshilfe noch die erforderlichen finanziellen Leistungen an einen freien Träger absehbar gewesen. Vor einer Ausschreibung der Maßnahme sei die Landtagswahl 2006 und die Koalitionsvereinbarung abgewartet worden. Das endgültige Konzept der Aufgabenübertragung habe erst im September 2006 festgestanden.

Vor Abgabe des Angebots am 10.11.2006 hätten die Grundlagen für den Entwurf eines Nachtragshaushaltsplans nicht vorgelegen. Es sei bis zuletzt offen gewesen, ob das Projekt insgesamt scheitere oder die Betragsgrenze für kassenwirksame Jahresbeträge von 5 Mio. € überschritten werde. Bei den vom Justizministerium im April 2006 angemeldeten Planansätzen für den Staatshaushaltsplan 2007/08 habe es sich um vorläufige Bedarfsermittlungen gehandelt. Bei einem frühzeitigen parlamentarischen Nachtragsverfahren hätte der einzige Anbieter von dem vom Land ins Auge gefassten Gesamtvolumen des Entgelts Kenntnis erhalten. Außerdem sei eine Abweichung vom vorgesehenen Vertragsbeginn zum 01.01.2007 vergaberechtlich äußerst problematisch gewesen.

Der Landtag sei inhaltlich mit der Aufgabenübertragung der Bewährungs- und Gerichtshilfe befasst gewesen. Die Inanspruchnahme des Notbewilligungsrechts in derartigen Fällen entspreche einer bislang nicht beanstandeten Praxis. Das Finanzministerium sei seiner Kommunikations- und Konsultationspflicht gegenüber dem Landtag rechtzeitig nachgekommen. Auch habe der Finanzausschuss in seiner Sitzung am 23.11.2006 keinen Nachtragshaushalt gefordert.

Im Ergebnis kommen das Finanzministerium und das Justizministerium zu der Auffassung, dass die Einwilligung des Finanzministers in eine außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigung tatsächlich und rechtlich nicht zu beanstanden sei. Das gewählte Verfahren und die erteilte Einwilligung seien mit der Landesverfassung vereinbar.

4 Beurteilung des Rechnungshofs

Der Rechnungshof prüfte im Januar 2007 beim Finanzministerium und beim Justizministerium die haushaltsmäßige Abwicklung der Maßnahme, insbesondere die Frage der Zulässigkeit der Einwilligung in die außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigung.

Nach dem Ergebnis dieser Erhebungen lagen die Voraussetzungen für die Einwilligung in eine außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigung in Höhe von bis zu 58 Mio. € aus folgenden Gründen nicht vor:

4.1 Unvorhersehbarkeit

Die vorgesehene landesweite Aufgabenübertragung entsprach der Beschlusslage der Landesregierung. Die Haushaltswirksamkeit der beabsichtigten Maßnahme war deshalb bereits seit dem Beschluss des Ministerrats im Dezember 2003 dem Grunde nach vorhersehbar. Somit konnten ab diesem Zeitpunkt die notwendigen Ermittlungen für die „Haushaltsreife“ des Vorhabens in die Wege geleitet werden. Die Möglichkeit, dass eine neue Regierung das Projekt eventuell nicht mehr umsetzen will, rechtfertigt nicht, von einer rechtzeitigen Schaffung der haushaltsrechtlichen Voraussetzungen abzusehen.

Für eine Veranschlagung reicht eine Kostenschätzung aus. Die Veranschlagung von Verpflichtungsermächtigungen im Staatshaushaltsplan basiert regelmäßig auf Kostenschätzungen. Das von den Ministerien als Voraussetzung für eine Veranschlagung geforderte konkrete Angebot auf eine Ausschreibung ist nicht erforderlich. Die vorherige Veranschlagung von Verpflichtungsermächtigungen wird auch vom Justizministerium in anderen Fällen praktiziert. So ist z. B. im Staatshaushaltsplan 2007/08 bei Kapitel 0508 Titel 534 02 bereits die Verpflichtungsermächtigung für den teilprivatisierten Betrieb der voraussichtlich im Jahr 2009 in Betrieb gehenden Justizvollzugsanstalt Offenburg mit den zu erwartenden Jahresbeträgen für die Jahre 2009 bis 2013 enthalten.

Das Justizministerium erstellte im April 2006 für den Voranschlag des Staatshaushaltsplans 2007/08 eine Vollkostenrechnung. Die auf dieser Basis geschätzten Ausgaben blieben bis zur Verabschiedung des Staatshaushaltsplans 2007/08 im Februar 2007 unverändert. Lediglich der Planvermerk und die Erläuterungen wurden im Oktober 2006 aktualisiert. Die Vollkostenrechnung bildete auch noch die Grundlage für den vom Finanzminister in seinem Schreiben an den Landtag vom 09.11.2006 genannten Bedarf der Verpflichtungsermächtigung von bis zu 65 Mio. €. Die im November 2006 vom Finanzministerium auf der Basis des tatsächlichen Angebots bewilligte Verpflichtungsermächtigung lag mit einem Gesamtvolumen von 58 Mio. € nicht wesentlich unter diesem Betrag.

Dies belegt, dass diese Ausgabenschätzung auch als Grundlage für die Veranschlagung einer entsprechenden Verpflichtungsermächtigung in einem Nachtragshaushalt ausreichend gewesen wäre. Hätte das Justizministerium seine Vollkostenrechnung statt im April 2006 bereits im Herbst 2005 erstellt, wäre eine Veranschlagung der Verpflichtungsermächtigung in dem am 30.11.2005 vom Landtag beschlossenen Nachtrag zum Staatshaushaltsplan 2006 möglich gewesen.

Da die vorgesehene Maßnahme aber weder bei der Aufstellung des Urhaushalts noch zum Zeitpunkt der Vorbereitung des Nachtragshaushalts 2006 nach Kenntnis des Finanzministeriums haushaltsreif war, konnte das Finanzministerium für die Beurteilung der zur Realisierung der Maßnahme erforderlichen außerplanmäßigen Verpflichtungsermächtigung zwar zu diesem Zeitpunkt von einem unvorhergesehenen Bedürfnis ausgehen; das Finanzministerium hätte jedoch aufgrund seiner vorherigen Beteiligung an der Maßnahme schon damals auf eine rechtzeitige Ausgabenschätzung hinwirken müssen.

4.2 Unabweisbarkeit

Nach Auffassung des Rechnungshofs lag das für die Einwilligung in eine außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigung außerdem notwendige unabweisbare Bedürfnis nicht vor.

Als unabweisbar ist ein Bedürfnis nach § 37 Abs. 1 Satz 3 LHO insbesondere nicht anzusehen, wenn ein Nachtragshaushaltsgesetz rechtzeitig herbeigeführt werden kann.

Durch die vom Justizministerium im April 2006 erstellte Vollkostenrechnung war der voraussichtliche Mittelbedarf für das Projekt hinreichend bekannt. Insbesondere ging das Justizministerium bereits zu diesem Zeitpunkt von einer Überschreitung der für einen Nachtragshaushalt maßgeblichen Betragsgrenze aus. Aus den vom Rechnungshof eingesehenen Unterlagen ergaben sich jedenfalls keine Hinweise, dass die voraussichtlichen kassenwirksamen Jahresbeträge der Verpflichtungsermächtigung die Betragsgrenze von 5 Mio. € unterschreiten würden. Folglich hätte der Entwurf eines Nachtragshaushalts ohne Zeitdruck vorbereitet werden können, zumal über die Notwendigkeit einer haushaltsrechtlichen Grundlage in Form einer Verpflichtungsermächtigung im Haushaltsjahr 2006 nach einem Vermerk des Finanzministeriums vom 20.03.2006 zwischen dem Justizministerium und dem Finanzministerium Einvernehmen bestand.

Die nach Vorlage der Vollkostenrechnung damals noch offenen konzeptionellen Fragen und ihre - vergleichsweise nachrangigen - Kostenfolgen wurden bis Ende September 2006 geklärt. Für das Finanzministerium war zu diesem Zeitpunkt aus dem Sitzungsplan des Landtags erkennbar, dass eine rechtzeitige Verabschiedung eines Nachtragshaushaltsgesetzes 2006 möglich war, wenn dieses in der Finanzausschusssitzung des Landtags am 23.11.2006 behandelt würde.

Für die Finanzausschusssitzung am 23.11.2006 verfasste das Finanzministerium in Abstimmung mit dem Justizministerium jedoch das Schreiben an den Präsidenten des Landtags vom 09.11.2006, mit dem der Landtag über die beabsichtigte Einwilligung in eine außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigung durch den Finanzminister unterrichtet wurde. Das Finanzministerium knüpfte hierbei an vergleichbare Notbewilligungen in der Vergangenheit an. Es wurde eine Behandlung in der Sitzung des Finanzausschusses am 23.11.2006 angestrebt. Aus den Akten ergaben sich keine Hinweise auf alternative Überlegungen zur Aufstellung eines Entwurfs eines Nachtragshaushaltsgesetzes. Das Finanzministerium vertrat vielmehr in einem internen Vermerk vom 20.11.2006 die Auffassung, dass ein Nachtragshaushaltsplan wegen einer Einzelmaßnahme nicht aufzustellen sei.

Das Finanzministerium hätte anstelle seines „Konsultationsschreibens“ an den Landtag vom 09.11.2006 den Entwurf eines Nachtragshaushaltsgesetzes mit der Verpflichtungsermächtigung vorbereiten können. Dazu hätte der Ministerrat spätestens am 07.11.2006 zusammen mit dem Entwurf des Staatshaushaltsgesetzes 2007/08 den Entwurf eines Nachtragshaushaltsgesetzes 2006 beschließen können. Wenn bei der Aufgabenübertragung der Bewährungs- und Gerichtshilfe am 07.11.2006 die „Haushaltsreife“ für die im Entwurf des Staatshaushaltsplans 2007/08 veranschlagten Ausgaben vorlag, war diese auch für die in einem Nachtragshaushaltsgesetz 2006 zu veranschlagende Verpflichtungsermächtigung gegeben. Bei einer Übersendung des Entwurfs eines Nachtragshaushaltsgesetzes an den Landtag am 09.11.2006 hätte der Bieter vor seiner Angebotsabgabe am 10.11.2006 keine Kenntnis über den veranschlagten Betrag erhalten.

Unter Anwendung des nach der Geschäftsordnung des Landtags möglichen vereinfachten Verfahrens für Nachtragshaushaltsgesetze hätte ein am 07.11.2006 vom Ministerrat beschlossener Gesetzentwurf am 23.11.2006 im Finanzausschuss des Landtags behandelt werden können. Der Beschluss des Ministerrats vom 20.11.2006 zum Gesamtprojekt lag zu diesem Zeitpunkt gleichfalls vor. Die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses hätte auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Landtags am 06.12.2006 genommen und das Nachtragshaushaltsgesetz mit zusammengefasster zweiter und dritter Beratung am selben Tag verabschiedet werden können. Weitere Sitzungen des Landtags fanden am 07./13./14.12.2006 statt.

Die am 23.11.2006 aus anderen Gründen vereinbarte Sondersitzung des Finanzausschusses am 07.12.2006 wäre für das Nachtragshaushaltsgesetz nicht erforderlich gewesen.

Bei dieser Sachlage war das Bedürfnis nicht unabweisbar, weil die Verabschiedung eines Nachtragshaushaltsgesetzes ohne Weiteres zeitlich möglich gewesen wäre.

Das Bedürfnis für eine Einwilligung in eine außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigung war aber auch aus anderen Erwägungen nicht unabweisbar.

Die zum 01.01.2007 angestrebte Übertragung der Aufgaben der Bewährungs- und Gerichtshilfe auf einen freien Träger entsprach sicherlich dem politischen Willen der Landesregierung. Gleichwohl war die beabsichtigte Realisierung sachlich nicht zwingend notwendig und zeitlich nicht unaufschiebbar.

Das Vorhaben stand unter der Prämisse der Mittelbereitstellung durch den Haushaltsgesetzgeber. Demgemäß enthielt die auf einen Vertragsbeginn ab 01.01.2007 ausgerichtete europaweite Ausschreibung ausdrücklich einen „Haushaltsvorbehalt“. Danach konnte kein Bieter von einem unumstößlichen „Starttermin“ zum 01.01.2007 ausgehen. Vielmehr stand von vornherein fest, dass auch eine Aufhebung der Ausschreibung mangels Vorliegen der haushaltsrechtlichen Voraussetzungen in Betracht kommen kann.

Insoweit konnte auch der im Rahmen des wettbewerblichen Dialogs einzig verbliebene Bieter hinsichtlich der Schaffung der notwendigen Organisation, abgesehen von der finanziellen Wertung seines Angebots, nicht auf einen fixen Vertragsbeginn vertrauen.

Im Übrigen hätte auch eine eventuelle Zuschlagsfrist gemäß § 28 Ziffer 1 Abs. 2 Verdingungsordnung für Leistungen - Teil A einvernehmlich - etwa bis nach der Verabschiedung des Staatshaushaltsplans 2007/08 - verlängert werden können.

Jedenfalls wäre angesichts der Risiko- und Interessenlage des Bieters das Projekt bei einem späteren Beginn nicht insgesamt gescheitert. Bei einer Verschiebung bis nach der Verabschiedung des Staatshaushaltsplans 2007/08 hätten die Aufgaben in den beiden Pilotbezirken wieder vom Land übernommen werden müssen. Dies wäre bei dem vom Justizministerium und Finanzministerium auch für möglich gehaltenen Scheitern des Gesamtprojekts ebenfalls erforderlich gewesen. Das Vorhaben war deshalb auch von daher aufschiebbar und die Notwendigkeit einer außerplanmäßigen Verpflichtungsermächtigung somit nicht unabweisbar.

4.3 Bisherige Praxis des Finanzministeriums

Der Rechnungshof überprüfte die vom Finanzministerium dargestellten Vergleichsfälle über die parlamentarische Praxis bei Inanspruchnahme des Notbewilligungsrechts in der Vergangenheit nicht im Einzelnen. In manchen Fällen wurde eine - gesetzlich nicht vorgesehene - Zustimmung des Finanzausschusses für die Inanspruchnahme des Notbewilligungsrechts durch den Finanzminister herbeigeführt. In anderen Fällen wurde der Finanzausschuss über die Inanspruchnahme des Notbewilligungsrechts durch den Finanzminister unterrichtet.

Gegenüber der abweichenden Praxis des Finanzministeriums betont der Rechnungshof, dass auch für den Finanzbedarf einer Einzelmaßnahme ein Nachtragshaushalt aufzustellen ist, wenn die Betragsgrenze von 5 Mio. € überschritten wird. Dies wäre auch im vorliegenden Fall notwendig und möglich gewesen.

Eine in der Vergangenheit möglicherweise nicht beanstandete zu großzügige Praxis beim Notbewilligungsrecht wäre keine Rechtfertigung für die Nichtbeachtung gesetzlicher Vorschriften und damit auch keine Rechtfertigung für die Einwilligung in die außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigung in diesem Fall.

5 Stellungnahmen des Finanzministeriums und des Justizministeriums

Das Finanzministerium und das Justizministerium haben mitgeteilt, es solle zunächst eine Stellungnahme zu der beim Staatsgerichtshof anhängigen Organklage abgegeben werden. Im Hinblick auf dieses schwebende Verfahren könnten sie zu dem Denkschriftbeitrag nicht Stellung nehmen.

6 Schlussbemerkung

Ein planmäßig über einen langen Zeitraum vorangetriebenes politisches Projekt mit erheblichen finanziellen Folgen muss rechtzeitig in den Haushaltsplan aufgenommen werden. Andernfalls hätte es die Exekutive in der Hand, den Haushaltsgesetzgeber durch entsprechende Steuerung der Haushaltsreife zu umgehen.

Das Finanzministerium hätte die Einwilligung in die außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigung des Justizministeriums mangels Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen nicht erteilen dürfen. Ein Nachtragshaushaltsgesetz hätte, wie dargelegt, rechtzeitig herbeigeführt werden können.

Das Finanzministerium kann sich auch nicht darauf berufen, dass im Finanzausschuss am 23.11.2006 die Aufstellung eines Nachtragshaushalts nicht beantragt wurde. Es war die Aufgabe des Finanzministeriums, rechtzeitig dem Ministerrat den Entwurf eines Nachtragshaushaltsgesetzes vorzulegen und dessen Einbringung im Landtag vorzubereiten.


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An den Hochschulen für öffentliche Verwaltung in Kehl und Ludwigsburg können bei gegebener Aufgabenstellung bis zu 23 Stellen eingespart werden. Bei einer Reform der Ausbildung des gehobenen Dienstes könnte die öffentliche Hand je nach realisiertem Modell bis zu 23 Mio. € einsparen.


1 Ausgangslage

Das heute geltende Laufbahnrecht für Beamte unterscheidet die vier Laufbahngruppen des einfachen, des mittleren, des gehobenen und des höheren Dienstes. Die Laufbahngruppe des gehobenen Dienstes gliedert sich derzeit in zahlreiche Laufbahnen, die nach Fachrichtungen differenziert sind. Für jede ist eine spezielle Ausbildung vorgesehen, die bei der Mehrzahl der Laufbahnen ein Studium im Rahmen eines Vorbereitungsdienstes umfasst.

An der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl und der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg, deren Arbeit Gegenstand der Prüfung des Rechnungshofs war, werden Beamte des gehobenen Verwaltungsdienstes, des gehobenen Dienstes in der Steuerverwaltung, in der allgemeinen Finanzverwaltung und in der Rentenversicherung ausgebildet.

Die künftigen Beamten des gehobenen Verwaltungsdienstes werden als Beamtenanwärter in den Vorbereitungsdienst des Landes aufgenommen und absolvieren im Zuge dieses Vorbereitungsdienstes neben praktischen Studienzeiten insgesamt vier Semester an der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl oder der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg. Die Ausbildung umfasst bisher vier, künftig dreieinhalb Jahre. Dabei wirken Gemeinden, Landkreise und das Land sowohl bei der praktischen Durchführung des Vorbereitungsdienstes als auch bei dessen Finanzierung intensiv zusammen. Die Gemeinden decken etwa 95 % der Kosten des Vorbereitungsdienstes durch einen Vorwegabzug im kommunalen Finanzausgleich.

Am Ende der Ausbildung steht eine Staatsprüfung, die mit der Verleihung des akademischen Grads Diplom-Verwaltungswirt (FH) endet.

Die Absolventen dieses Studiengangs werden zu etwa 95 % von den Kommunen des Landes als Beamte des gehobenen Verwaltungsdienstes eingestellt, etwa 5 % übernehmen das Land und andere Körperschaften, die der Aufsicht des Landes unterstehen.

Die Beamten des gehobenen Dienstes in der Steuerverwaltung und in der allgemeinen Finanzverwaltung werden ebenfalls im Rahmen eines Vorbereitungsdienstes ausgebildet, der allerdings nur drei Jahre in Anspruch nimmt. Auch bei dieser Ausbildung werden das Studium an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg und praktische Studienzeiten bei Behörden der Steuerverwaltung bzw. der allgemeinen Finanzverwaltung kombiniert.

Die Absolventen dieser beiden Studiengänge streben an, von den Finanzbehörden des Landes als Beamte des gehobenen Dienstes übernommen zu werden. Die Übernahmequote war in den vergangenen Jahren je nach Bedarf der Steuer- und Finanzverwaltung starken Schwankungen unterworfen.

Die dreijährige Ausbildung zum Beamten des gehobenen Verwaltungsdienstes in der Rentenversicherung erfolgt ebenfalls im Rahmen eines Vorbereitungsdienstes. Dienstherr der Beamtenanwärter ist die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg. Bei ihr absolvieren die Anwärter auch ihre praktischen Studienzeiten, das Fachstudium erfolgt an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg.

Tabelle 1 zeigt, wie sich die Zahl der Absolventen dieser Ausbildungen in den vergangenen Jahren entwickelt hat.

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Seit mehreren Jahren befassen sich die zuständigen Ministerien des Landes und die beiden Hochschulen mit der Frage, wie die Ausbildungsgänge reformiert werden. Realisiert wurden bislang nur wenige kleine Reformschritte, so beispielsweise die Verkürzung der Ausbildung zum gehobenen Verwaltungsdienst von bisher vier Jahre auf dreieinhalb Jahre und die Übertragung der Zulassung zum Vorbereitungsdienst von den Regierungspräsidien auf die Hochschulen.

2 Personalbedarf der Hochschulen für öffentliche Verwaltung bei gegebener Aufgabenstellung

Der Rechnungshof hat im Jahr 2006 die Organisation und den Personalbedarf der beiden Hochschulen für öffentliche Verwaltung in Ludwigsburg und Kehl geprüft und dabei festgestellt, dass an beiden Hochschulen auch bei gegebener Aufgabenstellung Einsparpotenziale vorhanden sind.

2.1 Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl

Bei der Prüfung der Organisation und des Personalbedarfs der Hochschule Kehl haben sich nur wenige kritische Feststellungen ergeben. So könnte der Personalbestand des nichtwissenschaftlichen Dienstes in Kehl um zwei Stellen reduziert werden, ohne dass die Leistungsfähigkeit der Hochschule beeinträchtigt wäre. Die Bemessung der Stellen des wissenschaftlichen Dienstes (insbesondere die Zahl der Professorenstellen) entspricht den Aufgaben der Hochschule und ist auch rechnerisch nicht zu beanstanden.

Die Prüfung des Rechnungshofs hat überdies ergeben, dass in den Studienjahren 2002/2003 bis 2004/2005 zwei Drittel der Professoren ihre Lehrverpflichtung erfüllt oder übererfüllt haben, ein Drittel der Professoren blieb jedoch hinter der Lehrverpflichtung nach der Lehrverpflichtungsverordnung zurück. Der Umfang der Übererfüllung durch die Mehrheit der Professoren gleicht jedoch den Umfang der Untererfüllung durch die Minderheit annähernd aus, sodass sich daraus keine Auswirkungen auf den Personalbedarf ergeben.

Allerdings wird die Hochschulleitung in Zukunft stärker als bisher darauf hinwirken müssen, dass alle Professoren ihre gesetzliche Lehrverpflichtung einhalten.

2.2 Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg

Ein anderes, allerdings nach Fachbereichen stark differenziertes Bild ergab die Prüfung an der Hochschule in Ludwigsburg.

Dort könnten bei gegebener Aufgabenstellung bis zu 18 Professorenstellen eingespart werden, wenn u. a. der Personalbedarf an den tatsächlichen Studienanfängerzahlen ausgerichtet, der Anteil der Lehrbeauftragten in allen Studiengängen auf 40 % erhöht wird und die Gruppengrößen bei der Ausbildung für die Steuerverwaltung und die allgemeine Finanzverwaltung an die Verhältnisse in den anderen Studiengängen angepasst werden.

Mit diesen Überkapazitäten, die sich vor allem im Fachbereich Steuerverwaltung finden, korrespondiert die Feststellung, dass in den Studienjahren 2002/2003 bis 2004/2005 zwei Drittel der Professoren im Fachbereich Steuerverwaltung ihr Deputat nach der Lehrverpflichtungsverordnung nicht erfüllt haben, während ein Drittel das Deputat erfüllte oder übererfüllte. Allein in diesem Fachbereich ergab sich ein Defizit an nicht gehaltenen Stunden von 1.200 (verteilt auf drei Studienjahre und 35 Professoren).

In den anderen Fachbereichen glichen die Deputatsübererfüllungen die Defizite aus, allerdings waren es hier immerhin elf Professoren, die ihre Lehrverpflichtung nicht vollständig erfüllt haben.

Auch in Ludwigsburg wird die Hochschulleitung künftig mit geeigneten Maßnahmen darauf hinwirken müssen, dass alle Professoren ihre gesetzliche Lehrverpflichtung einhalten. Der Rechnungshof hat dazu entsprechende Hinweise gegeben.

Im nichtwissenschaftlichen Dienst können in Ludwigsburg bei gegebener Aufgabenstellung drei Stellen eingespart werden, ohne dass Leistungseinschränkungen zu befürchten sind. Darüber hinaus ist auch hier die Personalstruktur anzupassen.

2.3 Einsparpotenzial

Bei Realisierung der vom Rechnungshof vorgeschlagenen Stelleneinsparungen ergibt sich an beiden Hochschulen zusammen ein Einsparpotenzial an jährlichen Personalkosten in Höhe von 1,95 Mio. €.

3 Weitergehende Einsparungen durch eine Reform der Ausbildung

Weitergehende Einsparungen für das Land, die Deutsche Rentenversicherung und die baden-württembergischen Gemeinden sind möglich, wenn die Ausbildung der Beamten des gehobenen Dienstes grundlegend reformiert wird. In welche Richtung eine solche Reform gehen könnte, wird von den an der Ausbildung beteiligten Ministerien und den Hochschulen seit mehreren Jahren geprüft. Umgesetzt wurden bis heute nur wenige kleinere Reformschritte.

Durch die Föderalismusreform ist das Land Baden-Württemberg seit 01.09.2006 für das Laufbahnrecht der Beamten des Landes und der Gemeinden allein zuständig. Die Landesregierung plant, im Jahr 2008 von dieser Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch zu machen und das Laufbahnrecht zu novellieren. Im Zuge dieser Novellierung muss auch entschieden werden, ob eine grundlegende Reform der Ausbildung der Beamten des gehobenen Dienstes erfolgt.

Aus Sicht des Rechnungshofes kommen dafür drei alternative Szenarien in Betracht.

3.1 Szenario 1: Interne Ausbildung bei unveränderter Hochschulstruktur

Bei dieser Lösung werden auch künftig die Anwärter für die Laufbahn des gehobenen Dienstes als Beamte auf Widerruf im Rahmen eines Vorbereitungsdienstes ausgebildet. Das Studium an den Hochschulen für öffentliche Verwaltung in Kehl und Ludwigsburg bleibt Bestandteil dieses Vorbereitungsdienstes; die Studierenden werden während des Vorbereitungsdienstes nach Maßgabe des Besoldungsrechtes alimentiert.

Realisiert werden könnten im Rahmen dieser Lösung die heute schon geplante Umwandlung der Studiengänge in Bachelor-Studiengänge und (falls dies für zweckdienlich gehalten wird) auch eine Integration der Studiengänge für den gehobenen Dienst in der allgemeinen Finanzverwaltung und bei der Rentenversicherung in den Studiengang für den gehobenen (allgemeinen) Verwaltungsdienst.

Die Hochschulen in Kehl und Ludwigsburg bleiben in ihrer gegenwärtigen Struktur bestehen.

Bei dieser Lösung sind Einsparungen für das Land durch die Umsetzung der unter Pkt. 2 vorgeschlagenen Maßnahmen möglich. Insgesamt könnten bis zu 23 Stellen an den beiden Hochschulen eingespart werden; das entspricht einer jährlichen Personalkosteneinsparung von 1,95 Mio. €.

3.2 Szenario 2: Externalisierung dreier Studiengänge unter Beibehaltung der Hochschulstruktur

Bei dieser Lösung bleiben die beiden Hochschulen für öffentliche Verwaltung in Kehl und Ludwigsburg bestehen. Jedoch wird das Laufbahnrecht des gehobenen Dienstes in der allgemeinen Verwaltung, in der allgemeinen Finanzverwaltung und in der Rentenversicherung so novelliert, dass der Vorbereitungsdienst und die Ernennung der Studierenden zu Beamtenanwärtern entfallen. Es handelt sich dann bei diesen Studiengängen um normale externe Bachelor-Studiengänge (sieben Fachsemester, darunter ein bis zwei Praxissemester).

Mit dieser Externalisierung der drei Studiengänge sind folgende Vorteile verbunden:

  • Die Hochschulen gewinnen auch im Bereich der Verwaltungswissenschaften die Autonomie und Flexibilität, mit der sie wie in allen anderen Fachbereichen arbeitsmarktnahe und gut nachgefragte Studiengänge gestalten können. Der aufwendige Abstimmungsprozess mit den beteiligten Ministerien entfällt.

 

  • Die künftigen Beamten des gehobenen Dienstes werden von ihren Dienstherren nicht wie heute anhand der schulischen Leistungsfähigkeit ausgewählt, sondern anhand der im Bachelor-Studiengang gezeigten berufsnahen Leistungen.

 

  • Die angreifbare Sonderstellung der Beamtenausbildung gegenüber anderen Studiengängen entfällt.

 

  • Land und Kommunen können ihren Bedarf an Nachwuchskräften unmittelbar und ohne zeitlichen Verzug decken.

 

  • Es entfällt die Notwendigkeit, den Studierenden während ihrer Ausbildung Anwärterbezüge zu bezahlen; allerdings wird ein Teil der Studierenden stattdessen Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in Anspruch nehmen können.

Auch wenn dies vielleicht wünschenswert wäre, ist die Ausbildung zum gehobenen Dienst in der Steuerverwaltung gegenwärtig nicht in gleicher Weise reformierbar, da das einschlägige Bundesrecht einen Vorbereitungsdienst zwingend vorschreibt. Der zuständige Bundesgesetzgeber lässt insoweit keine Absicht zu einer Novellierung dieser Regelung erkennen.

Da die beiden Hochschulen für öffentliche Verwaltung erhalten bleiben, könnten die unter Pkt. 2 vorgeschlagenen Maßnahmen auch bei diesem Modell umgesetzt werden.

Fiskalisch führt dieses Modell damit - nach Abzug der Mehrausgaben nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - zu einem Einsparpotenzial für die öffentliche Hand in Höhe von 23,15 Mio. €.

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Dieses Einsparpotenzial verteilt sich auf die Gemeinden (17,9 Mio. €), die Deutsche Rentenversicherung (1,4 Mio. €) und das Land (3,85 Mio. €).

Außerdem können die beiden Hochschulen durch die Erhebung von Studiengebühren Mehreinnahmen von rd. 1,1 Mio. € jährlich erzielen.

Fiskalisch ohne Bedeutung ist die Frage, ob die Studiengänge für den gehobenen Dienst in der Rentenversicherung und in der allgemeinen Finanzverwaltung als eigenständige Studiengänge bestehen bleiben oder ob sie als mögliche Schwerpunktbildung in den Studiengang für den gehobenen (allgemeinen) Verwaltungsdienst integriert werden.

3.3 Szenario 3: Externalisierung und neue Hochschulstruktur

Bei dieser Lösung werden

  • wie bei Szenario 2 die Studiengänge für den gehobenen (allgemeinen) Verwaltungsdienst, für den gehobenen Dienst in der allgemeinen Finanzverwaltung und in der Rentenversicherung externalisiert und der Vorbereitungsdienst abgeschafft,

 

  • diese externalisierten Studiengänge von der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Ludwigsburg an eine benachbarte (externe) Fachhochschule (z. B. Esslingen) verlagert,

 

  • die Ausbildung der Beamtenanwärter für den gehobenen Dienst in der Steuerverwaltung an eine oder zwei Berufsakademien verlagert und

 

  • die Hochschule für öffentliche Verwaltung in Ludwigsburg aufgelöst.

Die (heute schon sehr kleine) Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl wird organisatorisch in die Hochschule Offenburg eingegliedert.

Für die Verlagerung der Ausbildung zum gehobenen Dienst in der Steuerverwaltung an eine oder mehrere Berufsakademien sprechen insbesondere folgende Argumente:

Der an den Berufsakademien gepflegte regelmäßige Wechsel zwischen Theorie und Praxis entspricht den gesetzlichen Vorgaben des Bundes, die Ausbildung zielt auf die spätere Beschäftigung bei einem Arbeitgeber und die Dauer der Ausbildung entspricht ebenfalls den Usancen an den staatlichen Berufsakademien.

Die für einen Berufsakademiestudiengang notwendigen nebenamtlichen Lehrbeauftragten könnten aus der Steuerverwaltung des Landes rekrutiert werden. Die Zahl der hauptamtlichen Professoren könnte dann gegenüber dem heutigen Modell deutlich reduziert werden.

Die Berufsakademien sind besser als die Fachhochschulen in der Lage, ihre Kapazitäten dem wechselnden Bedarf anzupassen, der gerade im Bereich der Steuerverwaltung in den letzten Jahren festzustellen war.

An den Berufsakademien wäre es möglich, externe Studierende (die etwa eine Tätigkeit bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft oder bei einem Steuerberater anstreben) ohne Schwierigkeiten in die Studiengänge zu integrieren. Die als Basis der Akademieausbildung notwendigen Ausbildungsverträge müssten von diesen Studierenden mit den betreffenden Unternehmen abgeschlossen werden.

Bei den künftigen Beamten der Steuerverwaltung würde an die Stelle eines Ausbildungsvertrages gemäß den bundesrechtlichen Vorgaben die Aufnahme in einen öffentlich-rechtlichen Vorbereitungsdienst treten.

Die hervorragende Position, die die Berufsakademien innerhalb der baden-württembergischen Hochschullandschaft einnehmen, insbesondere die ungebrochen gute Nachfrage nach den Absolventen der Akademien durch die Wirtschaft zeigt, dass die Berufsakademien den qualitativen Ansprüchen eines modernen Arbeitsmarktes mindestens in gleicher Weise gewachsen sind wie die Fachhochschulen.

Die Einsparungspotenziale für die öffentliche Hand summieren sich bei dieser Lösung auf jährlich 23,9 Mio. €, wie Tabelle 3 zeigt.

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Dieses Einsparpotenzial verteilt sich auch bei dieser Lösung - nach Abzug der Mehrausgaben nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - auf die Gemeinden (17,9 Mio. €), das Land (4,6 Mio. €) und die Deutsche Rentenversicherung (1,4 Mio. €).

Außerdem ergeben sich durch die Erhebung von Studiengebühren für die Hochschulen Offenburg und Esslingen Mehreinnahmen von 1,1 Mio. € jährlich.

3.4 Weitergehende Reform des Laufbahnrechts

Mit der bei den Szenarien 2 und 3 vorgeschlagenen Externalisierung der Studiengänge könnte eine weitergehende Reform des Laufbahnrechts einhergehen. Das neue Laufbahnrecht könnte dabei so gestaltet und gegenüber der heutigen Rechtslage vereinfacht werden, dass

  • es den Personalverwaltungen des Landes und der Kommunen mehr Verantwortung bei der Auswahl und Einstellung der Beamten des gehobenen Dienstes überträgt,

 

  • die starke Aufsplitterung der Laufbahngruppe des gehobenen Dienstes in eine Vielzahl von Laufbahnen, die nach Fachrichtungen differenziert sind, entfällt,

 

  • der Vorbereitungsdienst als Voraussetzung für die Laufbahnen des gehobenen Dienstes (außer bei Lehrern) entfällt und stattdessen ein Abschluss als Bachelor hinreichende Eingangsvoraussetzung für die Berufung ins Beamtenverhältnis wird und

 

  • ein Wechsel zwischen der Beamtenlaufbahn und einer Tätigkeit in der privaten Wirtschaft erleichtert wird.

4 Stellungnahmen der Hochschulen und der Ministerien

Die mit der Ausbildung der Beamten befassten Ministerien und die beiden Hochschulen für öffentliche Verwaltung haben zu den Vorschlägen des Rechnungshofs ausführlich Stellung genommen.

4.1 Stellungnahme des Innenministeriums

Das Innenministerium macht in seiner Stellungnahme geltend, dass die vom Rechnungshof aufgeworfenen Fragen der Reform der Ausbildung des gehobenen Dienstes aus verschiedenen Gründen noch nicht entscheidungsreif seien. So müsse vor der Reform der Laufbahnausbildung zunächst abgewartet werden, welche Möglichkeiten des Laufbahnzugangs das neue baden-württembergische Laufbahnrecht, das zum 01.01.2009 in Kraft treten solle, vorsehen werde. Weiterhin empfiehlt das Innenministerium, zunächst die zum 01.09.2007 geplante Umstellung der Ausbildung auf Bachelor-Studiengänge zu realisieren und zu evaluieren, bevor Entscheidungen über die weitere Entwicklung der Ausbildung getroffen werden sollen.

Zur fiskalischen Seite der Reformvorschläge des Rechnungshofs weist das Innenministerium darauf hin, dass für das Land selbst durch die Externalisierung der Ausbildung zum gehobenen Dienst in der allgemeinen Verwaltung möglicherweise Mehrkosten entstünden, weil sich neben den vom Rechnungshof kalkulierten Mehraufwendungen für Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz auch Mehrkosten durch eine höhere Zahl von Studienabbrecher ergeben könnten.

Die vom Rechnungshof vorgeschlagenen Personaleinsparungen bei gegebener Aufgabenstellung lassen nach Auffassung des Innenministeriums außer Betracht, dass im Laufe der nächsten Jahre die Studierendenzahlen wieder ansteigen werden und durch die Übertragung von Zuständigkeiten auf die Hochschulen auch weitere Aufgaben auf die Hochschulen und ihr Personal zukommen werden.

4.2 Stellungnahme des Wissenschaftsministeriums

Das Wissenschaftsministerium weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass gegenwärtig geprüft werde, ob im Zuge der Neuregelung des Besoldungsrechts durch den Landesgesetzgeber auch an den Hochschulen für öffentliche Verwaltung Studiengebühren eingeführt werden können.

Es unterstützt die Einsparvorschläge des Rechnungshofs und hat die Hochschulleitungen in Ludwigsburg und Kehl gebeten, intensiver als bisher auf die Einhaltung der Lehrverpflichtungsverordnung durch die einzelnen Professoren hinzuwirken.

Gegen die Reformvorschläge des Rechnungshofs, auch gegen die Neuordnung der Hochschulstruktur im Zuge des Szenarios 3, hat das Wissenschaftsministerium keine Einwendungen erhoben, allerdings auf die federführende Zuständigkeit der Fachministerien für die jeweiligen Ausbildungsgänge verwiesen.

4.3 Stellungnahme des Finanzministeriums

Das Finanzministerium weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass der Reform der Steuerbeamtenausbildung durch das Bundesrecht, insbesondere das Steuerbeamtenausbildungsgesetz, enge Grenzen gezogen seien. Die dort enthaltenen verbindlichen Vorgaben lassen nach Auffassung des Finanzministeriums weder eine Externalisierung des Studiengangs noch die vom Rechnungshof vorgeschlagene Übertragung der Ausbildung an eine Berufsakademie zu. Eine solche Übertragung sei allerdings auch deshalb nicht erstrebenswert, weil die hohe Qualität der Steuerbeamtenausbildung nur dadurch erhalten werden könne, dass auch weiterhin der Zugang in den gehobenen Dienst der Steuerverwaltung ein Hochschulstudium voraussetze. Auch dürfte die vom Rechnungshof geforderte und mit einer Übertragung an die Berufsakademie verbundene drastische Erhöhung des Lehrbeauftragtenanteils nicht möglich sein.

Auch den Einsparvorschlägen des Rechnungshofs bei gegebener Aufgabenstellung (Reduzierung der Professorenzahl, Vergrößerung der Gruppen, Erhöhung des Lehrbeauftragtenanteils) tritt das Finanzministerium mit dem Argument entgegen, dass bei Realisierung dieser Vorschläge ein Qualitätsverlust in der Ausbildung zu befürchten sei.

Für die Ausbildung zum gehobenen Dienst in der allgemeinen Finanzverwaltung steht das Finanzministerium einer Externalisierung des Studiengangs offen gegenüber, allerdings müsse insoweit das neue Laufbahnrecht mit seinen Vorgaben abgewartet werden. Die Übertragung der Ausbildung an eine Berufsakademie wäre hingegen nach Auffassung des Finanzministeriums mit einem Qualitätsverlust verbunden und werde deshalb nicht befürwortet.

4.4 Stellungnahme des Ministeriums für Arbeit und Soziales

Das für die Ausbildung zum gehobenen Dienst in der Rentenversicherung zuständige Ministerium für Arbeit und Soziales teilt mit, dass es (im Einvernehmen mit der Deutschen Rentenversicherung) eine Integration dieser Ausbildung in die Ausbildung zum gehobenen Dienst in der allgemeinen Verwaltung (mit einem Schwerpunkt Rentenversicherung) für möglich und sinnvoll halte und gegenüber einer Verlagerung der Ausbildung an eine Berufsakademie präferiere. Gegen den Vorschlag, den Studiengang zu externalisieren, werden keine Einwendungen erhoben.

4.5 Stellungnahme der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg

Die Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg wendet sich gegen die vom Rechnungshof vorgeschlagenen Personaleinsparungen. Der Bedarfsberechnung für die Professoren müssten anstelle der temporär geringeren Studierendenzahlen die Sollzahlen zugrunde gelegt werden. Im Übrigen werde bei Realisierung der Sparvorschläge die Überlebens- und Reformfähigkeit der Hochschule in Frage gestellt. Insbesondere könne die Umstellung der Diplomstudiengänge auf Bachelor-Studiengänge ohne die derzeit vorhandenen Ressourcen nicht geleistet werden.

Die vom Rechnungshof vorgeschlagene Erhöhung des Lehrbeauftragtenanteils werde den besonderen Verhältnissen der Studiengänge für die Steuerverwaltung, die Rentenversicherung und die allgemeine Finanzverwaltung nicht gerecht und sei überdies nicht praktikabel; die Erhöhung der Gruppengröße im Studiengang Steuerverwaltung komme aus didaktischen Gründen nicht in Betracht.

Die vom Rechnungshof vorgeschlagene Reform der Studiengänge für den allgemeinen gehobenen Verwaltungsdienst, den gehobenen Dienst in der Rentenversicherung und in der allgemeinen Finanzverwaltung könne erst dann sinnvoll geprüft werden, wenn die anstehende Einführung der Bachelor-Studiengänge realisiert und evaluiert sei.

Entschieden tritt die Hochschule der Verlagerung der Ausbildung für die Steuerverwaltung an die Berufsakademien des Landes und der Auflösung der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen entgegen. Beide Maßnahmen hätten nach Auffassung der Hochschule eine nicht hinnehmbare Verschlechterung der Ausbildung des öffentlichen Dienstes in Baden-Württemberg zur Folge.

4.6 Stellungnahme der Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl

Die Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl wendet sich gegen die vom Rechnungshof vorgeschlagene Reduzierung der Stellen für ihr nichtwissenschaftliches Personal. Der Rechnungshof habe bei seiner Berechnung nicht ausreichend berücksichtigt, dass den Hochschulen für öffentliche Verwaltung im Zuge der Novellierung des Landeshochschulgesetzes und der bereits eingeleiteten Reformen neue Aufgaben in einem Umfang zugewachsen seien, die eine Reduzierung des Personals ausschließe.

Hinsichtlich der Reform der Ausbildung weist die Hochschule darauf hin, dass eine sinnvolle Diskussion erst dann möglich sei, wenn die Inhalte der anstehenden Reform des Laufbahnrechts sichtbar werden. Außerdem müsse den kommunalen Spitzenverbänden Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden.

Zweifelhaft sei, ob es bei einer Externalisierung des Studiengangs und einem Wegfall der Anwärterbezüge auch in Zukunft gelingen werde, eine ausreichende Zahl qualifizierter Bewerberinnen und Bewerber für die Ausbildung zu gewinnen.

5 Schlussbemerkung

Die Einsparvorschläge bei gegebener Aufgabenstellung wurden aus einem Vergleich der Ausstattung der beiden Hochschulen hergeleitet, bei dem sich gerade gezeigt hat, dass die Funktionsfähigkeit durch eine geringere Personalausstattung nicht leidet. Zusätzlicher Ressourceneinsatz wegen neu übertragener Zuständigkeiten kann ohnehin nur dann in Betracht kommen, wenn diese Ressourcen bei der abgebenden Stelle eingespart werden.

Die Ausstattung der Hochschule Ludwigsburg an Soll-Zahlen und nicht an Ist-Zahlen auszurichten, ist in Zeiten, in denen das Land bemüht ist, seine Ausgaben nicht am Wünschenswerten, sondern am Notwendigen zu orientieren, nicht vertretbar. Im Übrigen zeigt die Tatsache, dass die Mehrzahl der Deputate der Professoren nicht ausgeschöpft wurden, dass Überkapazitäten jedenfalls im Bereich der Ausbildung für die Steuerverwaltung bestehen.

Richtig ist, dass die Reform des Laufbahnrechts und die Reform der Ausbildung zum gehobenen Dienst aufeinander abzustimmen sind. Der Rechnungshof erwartet nicht, dass seine Reformvorschläge innerhalb weniger Monate umgesetzt werden, zumal die Landesregierung, die in dieser Frage kein einheitliches Bild abgibt, die notwendigen Reformentscheidungen schon mehrere Jahre vor sich hergeschoben hat. Erwartet werden kann aber, dass gleichzeitig mit dem neuen Laufbahnrecht auch die Ausbildungen neu konzipiert und den gewandelten Erfordernissen des Arbeitsmarktes angepasst werden.

Unbestritten ist, dass die Reform nicht zu einer Qualitätsverschlechterung der Ausbildung führen darf. Allerdings wird in den Stellungnahmen des Finanzministeriums und der Hochschulen ein so nicht zutreffendes Bild über die vermeindlich geringere Leistungsfähigkeit der Berufsakademien gezeichnet. Dies zeigt die uneingeschränkt gute Nachfrage der Wirtschaft nach deren Absolventen. Die Ausbildung an den Berufsakademien ist deshalb im Landeshochschulgesetz der Ausbildung an einer Fachhochschule gleichgestellt worden. Warum im Bereich des öffentlichen Dienstes, der mehr als andere Sektoren auf eine enge Verzahnung von Theorie und Praxis angewiesen ist, die hohe Qualität der dualen Berufsakademieausbildung in Frage gestellt wird, ist nicht nachvollziehbar.

Bei der Beurteilung der fiskalischen Wirkung der vorgeschlagenen Reformen müssen die Einsparungen, die sich bei den Kommunen des Landes ergeben, in die Beurteilung einbezogen werden.


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Die Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft im Straßenbau weist oft Umsetzungsdefizite auf. Gleichzeitig steht die Wasserwirtschaft finanziellen Engpässen bei der Realisierung der naturnahen Gewässerentwicklung gegenüber. Das naturschutzrechtliche Ökokonto mit seinem interdisziplinären Lösungsansatz kann künftig dazu beitragen, diese Probleme zu bewältigen, ohne den Landeshaushalt zusätzlich zu belasten.


1 Vorbemerkung

Die schwierige Haushaltssituation und die sich daraus ergebenden finanziellen Einschnitte vor allem in den Förderbereichen von Fachplanungen, wie Straßenbau und Gewässerentwicklung, sowie Probleme bei der Flächenverfügbarkeit führen immer wieder zu Verzögerungen bei der Realisierung von Infrastrukturvorhaben, an denen ein Landesinteresse besteht. Vor diesem Hintergrund hat der Rechnungshof die Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen (Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für Eingriffe in Natur und Landschaft) bei Vorhaben im Landes- und kommunalen Straßenbau sowie von Vorhaben der Gewässerentwicklung geprüft.

2 Defizite bei der Eingriffskompensation im Straßenbau

Der Neu- und Ausbau von Straßen ist in der Regel ohne Eingriffe in den Naturhaushalt und in das Landschaftsbild nicht realisierbar. Bei Straßenbauvorhaben stehen sich daher stets die Interessen des Straßenbaulastträgers an einer verkehrlich optimalen Trasse und die Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes an einem möglichst geringen „Verbrauch von Schutzgütern“ gegenüber. Um diese Spannungen auszugleichen, ist nach dem Naturschutzrecht zwingend die stufenweise Eingriffsregelung anzuwenden. Danach sind

  • Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen oder zumindest zu minimieren,

 

  • unvermeidbare Beeinträchtigungen innerhalb einer Frist auszugleichen; dabei sollen Ausgleichsmaßnahmen in einem direkten räumlichen und funktionalen Bezug zur Eingriffsfläche die beeinträchtigten Schutzgüter wiederherstellen,

 

  • Ersatzmaßnahmen an anderer Stelle durchzuführen, sofern Ausgleichsmaßnahmen nicht möglich sind oder nicht ausreichen; bei Ersatzmaßnahmen ist sowohl der funktionale als auch der räumliche Bezug zum Eingriffsort gelockert, und

 

  • Ausgleichsabgaben (an die Stiftung Naturschutzfonds beim Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum) zu entrichten, sofern auch durch Ersatzmaßnahmen keine Kompensation erreicht werden kann.

Die Auswirkungen des Eingriffs werden im landschaftspflegerischen Begleitplan, der mit der Entwurfsplanung einer Straße erstellt wird, ermittelt und beschrieben. Außerdem werden in ihm im Benehmen mit der Naturschutzbehörde die Maßnahmen zur Vermeidung und Minimierung der Beeinträchtigung bzw. die Kompensationsmaßnahmen dargestellt. Aufbauend auf dem landschaftspflegerischen Begleitplan wird zeitgleich mit dem Bauentwurf für die Straße ein landschaftspflegerischer Ausführungsplan erstellt, um die landschaftspflegerischen Maßnahmen abstimmen zu können.

2.1 Finanzvolumen

Die Ausgaben für Kompensationsmaßnahmen im Landesstraßenbau liegen im Durchschnitt zwischen 3 % und 5 % der Gesamtausgaben eines Bauvorhabens; im Einzelfall können dies Millionenbeträge sein.

Vergleichbares trifft für den kommunalen Straßenbau zu. Hier liegen die Ausgaben für Kompensationsmaßnahmen vereinzelt sogar bei über 10 % der zuwendungsfähigen Ausgaben bzw. im mehrstelligen Millionenbereich. Bedingt durch die Förderung von bis zu 70 % der zuwendungsfähigen Ausgaben für Kompensationsmaßnahmen besteht für die Straßenbaulastträger bisher jedoch selten Anlass, neben der ökologischen auch insgesamt für eine wirtschaftliche(re) Lösung einzutreten.

2.2 Umsetzungsprobleme

Die Straßenbauverwaltung ist für die Durchführung der im Planfeststellungsverfahren festgesetzten Kompensationsmaßnahmen zuständig; ggf. werden die Naturschutzbehörden beteiligt. Die Straßenbauverwaltung ist in der Regel bestrebt, die Kompensationsmaßnahmen zeitnah umzusetzen. Angesichts der zunehmenden Eingriffsintensität und damit steigender Flächenanforderungen von naturschutzrechtlichen Kompensationen stellen sich die Umsetzungen aber oft als zeit- und arbeitsaufwendig heraus, sodass sie schleppend oder auch nur teilweise realisiert werden. Der Rechnungshof hat festgestellt, dass in einigen Fällen die Umsetzung der Kompensationsmaßnahmen auch Jahre nach Inbetriebnahme der Straße noch aussteht.

Beispiel: Im Zuge des Ausbaus einer Bundesstraße wurden Mitte der Neunzigerjahre im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens umfangreiche Kompensationsmaßnahmen gefordert, zu denen auch der Rückbau einer Landesstraße gehörte. Die Verkehrsfreigabe der Bundesstraße erfolgte im Mai 2000; der Rückbau der Landesstraße wurde jedoch bis heute nicht durchgeführt. Inzwischen ist nicht auszuschließen, dass der Rückbau in Teilbereichen nicht mehr erfolgen wird, da eine angrenzende Gemeinde für eine Gewerbegebietserschließung auf den Erhalt der Straße drängt, um den Ortskern vom Schwerlastverkehr zu entlasten.

Darüber hinaus treten immer wieder Schwierigkeiten beim Grunderwerb für Kompensationsmaßnahmen auf, da sich die Eigentümer gegen den Verkauf von bislang zumeist landwirtschaftlich genutzten Flächen wehren. Häufig werden Kompensationsmaßnahmen dann zurückgestellt (d. h. nicht ausgeführt). Lediglich in Ausnahmefällen hat die Straßenbauverwaltung auf Kompensationsmaßnahmen eines kommunalen Ökokontos zurückgegriffen.

Beispiel: Die Straßenbauverwaltung konnte die ursprünglich für Eingriffe im Zusammenhang mit dem Ausbau einer Landesstraße vorgesehene Kompensationsmaßnahme wegen Schwierigkeiten beim Grunderwerb nicht realisieren. Stattdessen wurden Gewässerentwicklungsmaßnahmen (Grunderwerb, Bepflanzung) aus dem kommunalen Ökokonto der Stadt B. finanziert.

Mitunter sind Kompensationsflächen auch gar nicht verfügbar, oder die Grunderwerbskosten sind sehr hoch, weil die Nachfrage das Angebot übersteigt. In der Regel werden dann die gerade zur Verfügung stehenden Flächen oder solche, bei denen der Zugriff unproblematisch ist, herangezogen. Damit geht aber häufig der nach dem Naturschutzrecht gebotene funktionale und räumliche Zusammenhang von Eingriff und Kompensation verloren.

Insgesamt bewegt sich der Umsetzungsgrad der Kompensationsmaßnahmen sowohl beim Landes- als auch beim kommunalen Straßenbau nach Erkenntnissen des Rechnungshofs zwischen 50 % und 70 %. Die Defizite sind sowohl der Straßenbau- als auch der Naturschutzverwaltung bekannt. Erste Ansätze der Straßenbauverwaltung, dem durch den Aufbau eines Kompensationskatasters entgegenzuwirken, in das alle umgesetzten, aber auch noch anstehende Kompensationsmaßnahmen aufzunehmen sind, wurden bislang nicht weiter verfolgt.

2.3 Erfolgskontrolle

Die Erfolgskontrolle der Kompensationsmaßnahmen umfasst im Einzelnen eine

  • Durchführungskontrolle (= Überprüfung der fachgerechten Umsetzung entsprechend den landschaftspflegerischen Begleit- bzw. Ausführungsplänen),

 

  • Funktionskontrolle (= Nachweis der Funktionserfüllung von Kompensationsmaßnahmen zu einem beliebigen Zeitpunkt nach Fertigstellung) und

 

  • Wirkungskontrolle (= Nachweis, ob die angestrebten positiven Wirkungen von Kompensationsmaßnahmen tatsächlich eintreten).

In der Praxis führen aber weder die Straßenbaulastträger noch die Genehmigungs- oder Naturschutzbehörden Funktions- und Wirkungskontrollen durch. Erschwert werden diese, weil bislang weder die Naturschutz- noch die Straßenbauverwaltung ein Kataster führt, aus dem hervorgeht, wo sich Kompensationsmaßnahmen befinden und inwieweit sie umgesetzt sind.

3 Finanzierungsengpässe bei der Umsetzung der Gewässerentwicklung

Die Gewässerentwicklung umfasst Maßnahmen, welche die wasserwirtschaftliche und ökologische Funktionsfähigkeit der Gewässer erhalten oder nachhaltig verbessern bzw. wieder herstellen sollen. In diesem Sinne haben die Träger der Unterhaltungslast nach den Wasserrechtsvorschriften die Aufgabe, bei nicht naturnah ausgebauten Gewässern in einem angemessenen Zeitraum die Voraussetzungen für eine naturnahe Entwicklung zu schaffen. Die Entwicklung und Unterhaltung der Gewässer erster Ordnung (rd. 4.000 km) ist Aufgabe des Landes, die der Gewässer zweiter Ordnung (rd. 46.000 km) liegt bei den Gemeinden.

Die Umsetzung der naturnahen Gewässerentwicklung erfolgt anhand von

  • Gewässerentwicklungskonzepten, in denen die wasserwirtschaftlichen und ökologischen Ziele für ein Einzugsgebiet oder für größere Gewässerabschnitte formuliert werden, und

 

  • Gewässerentwicklungsplänen, die auf den Gewässerentwicklungskonzepten aufbauen und parzellenscharf Maßnahmen beschreiben, wie z. B. die Beseitigung von ökologischen Wanderungshindernissen für Tiere und Kleinlebewesen (u. a. Wehr- und Wasserkraftanlagen) erfolgen soll.

3.1 Haushaltsansätze und Mittelherkunft

Im Staatshaushaltsplan waren für das Jahr 2006 Zuwendungen von rd. 43,0 Mio. € für „Wasserbau und Gewässerökologie“ an Gewässern zweiter Ordnung ausgewiesen. Während ein Großteil dieser Mittel für den technischen Hochwasserschutz (z. B. Rückhaltung, Dämme) benötigt wird, hat das Umweltministerium ab dem Jahr 2005 für die Gewässerökologie - im Zusammenhang mit Hochwasserschutz - aus diesen Haushaltsansätzen einen Förderkorridor von jährlich rd. 3,5 Mio. € eingerichtet. Bei den Gewässern erster Ordnung wurden die Mittelansätze für ökologische Maßnahmen ab dem Jahr 2001 deutlich zugunsten des technischen Hochwasserschutzes reduziert.

Daher ist die Umsetzung von Gewässerentwicklungsvorhaben mit Mitteln der Wasserwirtschaft seit etwa 2004 sowohl an Gewässern erster als auch zweiter Ordnung durch Land und Gemeinden nahezu zum Erliegen gekommen. So wurden beispielsweise 2006 landesweit noch acht Gewässerentwicklungspläne gefördert. Die Zahl der nach derzeitigem Stand im Land umsetzbaren Gewässerentwicklungspläne beläuft sich auf knapp 900.

Derzeit bleibt der Wasserwirtschaftsverwaltung meist nur der Weg, die Vorhaben als Kompensationsmaßnahmen durch Eingreifer in Natur und Landschaft finanzieren zu lassen (z. B. Deutsche Bahn AG, Straßenbaulastträger).

3.2 Mittelbedarf zur Umsetzung der Gewässerentwicklungspläne

Durch die Ende 2000 in Kraft getretene europäische Wasserrahmenrichtlinie wird innerhalb der Europäischen Union erstmals eine einheitliche und länderübergreifende Bewirtschaftung der Gewässer eingeführt. Mit ihr werden stärker als bisher die ökologischen Funktionen von Seen und Flüssen als Lebensraum für Pflanzen und Tiere berücksichtigt und auf diese Weise auch die Ziele des Naturschutzes einbezogen. Die Wasserrahmenrichtlinie wurde Ende 2003 durch Änderungen im Wassergesetz von Baden-Württemberg in Landesrecht umgesetzt.

Mit der Erstellung der Gewässerentwicklungskonzepte und -pläne und deren teilweiser Umsetzung wurden zwar wichtige Bausteine im Hinblick auf die Umsetzung der an EU-Recht angepassten Wasserrechtsvorschriften erarbeitet. Angesichts der in den letzten Jahren ins Stocken geratenen Umsetzung von Gewässerentwicklungsplänen und des verbindlichen Ziels, bis zum Jahre 2015 den „guten Zustand“ der Oberflächengewässer und des Grundwassers herzustellen, zeigen sich aber erhebliche Diskrepanzen zwischen dem zeitlichen Ziel und der tatsächlichen Finanzierbarkeit der Maßnahmen.

Der konkrete Kostenrahmen zur Erreichung des „guten Gewässerzustands“ kann zwar erst anhand der bis 2009 zu erstellenden Bewirtschaftungspläne beziffert werden. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist aber davon auszugehen, dass sich der Mittelbedarf im Land auf insgesamt etwa 500 Mio. € belaufen dürfte. Herunter gebrochen auf die Jahre 2007 bis 2015 ergibt sich ein durchschnittlicher jährlicher Mittelbedarf von rd. 62,5 Mio. €. Selbst wenn alle Fristverlängerungen ausgeschöpft werden, wäre - ausgehend vom letzten Berichterstattungstermin an die Europäische Union im Jahr 2027 - immer noch ein durchschnittlicher Mittelbedarf von rd. 25 Mio. € je Jahr erforderlich. Demgegenüber stehen momentan jährlich 3,5 Mio. €, die das Land den Gemeinden als Zuwendung für Gewässerentwicklungsvorhaben zur Verfügung stellt.

Eine Umschichtung von Mitteln aus anderen Fördertöpfen ist nicht realistisch, da der Hochwasserschutz noch über viele Jahre den Schwerpunkt des umweltpolitischen Handelns bilden wird.

4 Lösungsansatz „Naturschutzrechtliches Ökokonto“

Beide Problembereiche - Straßenbau und Gewässerentwicklung - veranschaulichen, dass aus den Prüfungserkenntnissen abgeleitete fachspezifische Empfehlungen, wie z. B. wirtschaftlichere Durchführung von Kompensationsmaßnahmen mit stärkerer Erfolgskontrolle sowie Mittelumschichtungen bei der Wasserwirtschaft zugunsten der Gewässerentwicklung, kaum machbar und finanzierbar sind. Eine Möglichkeit, den gesetzlichen Vorgaben im Umwelt- und Naturschutz nachzukommen, ohne die dringend erforderlichen Infrastrukturvorhaben zu gefährden, bietet sich indessen in einem interdisziplinären Lösungsansatz.

Eine Chance hierzu eröffnet das in Baden-Württemberg Ende 2005 novellierte Gesetz zum Schutz der Natur, zur Pflege der Landschaft und über die Erholungsvorsorge in der freien Landschaft (Naturschutzgesetz) mit dem darin enthaltenen naturschutzrechtlichen Ökokonto.

Die Schwierigkeiten, den Anforderungen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung nachzukommen, hatten bereits Mitte der Neunzigerjahre dazu geführt, dass von der Landschaftsplanung eine Form der Eingriffskompensation entwickelt wurde, die unter dem Begriff „Ökokonto“ Eingang in das Bauplanungsrecht fand. Mit ihm können Maßnahmen zugunsten der Natur bereits vor dem eigentlichen Eingriff durchgeführt und Schäden an Natur und Landschaftsbild nicht erst nachträglich „wieder gut gemacht“ werden.

So können in Baden-Württemberg die Gemeinden seit 1998 Ökokonten nach dem Bauplanungsrecht führen. Sie verfolgen damit vorrangig das Ziel, bauplanungsrechtliche Verfahren zu vereinfachen bzw. zu beschleunigen, indem realisierte und bewertete Kompensationsmaßnahmen (u. a. Bodenentsiegelungen und Gewässerentwicklungen) eingesetzt werden. Vorfinanziert werden die Kompensationsmaßnahmen in der Regel über einen Erschließungsträger; gelegentlich werden Mittel im kommunalen Haushalt veranschlagt. Erfolgt eine Abbuchung der Maßnahmen vom Ökokonto der Gemeinde, holt sich diese den entsprechenden Wert später über Erschließungsbeiträge zurück. Derartige Kompensationsmaßnahmen nach dem Bauplanungsrecht sind im Gegensatz zum neuen naturschutzrechtlichen Ökokonto nicht handelbar.

In § 22 des novellierten Naturschutzgesetzes werden nach den positiven Erfahrungen mit dem kommunalen Ökokonto in der Bauleitplanung vorgezogene Kompensationsmaßnahmen nunmehr auch außerhalb des Bereichs der Bauleitplanung, also im Außenbereich ermöglicht.

Eine Anrechnung vorgezogener Maßnahmen als Kompensation bei künftigen Eingriffen ist nur dann möglich, wenn diese „im eigenen Interesse oder für andere, aber ohne rechtliche Verpflichtung“ durchgeführt werden. Voraussetzung für die Anerkennung einer Kompensationsmaßnahme ist die vorherige Zustimmung der Naturschutzbehörde, welche die dauerhafte Aufwertung der Schutzgüter festzustellen und (in Ökopunkten) zu bewerten hat. Die Ansprüche auf Anrechnung als Kompensationsmaßnahme (also die Ökopunkte) sind handelbar.

Die Anwendung des naturschutzrechtlichen Ökokontos setzt Folgendes voraus:

  • Der Vermeidungsgrundsatz hat Vorrang vor der Durchführung von Kompensationsmaßnahmen.

 

  • Die ökologische Aufwertungsbedürftigkeit und -fähigkeit einer Fläche ist Voraussetzung für die Eignung als Kompensationsmaßnahme.

 

  • Ökokontomaßnahmen werden überwiegend als Ersatzmaßnahmen verwendet, da ein enger funktionaler oder örtlicher Bezug zu einem späteren Eingriff meist nicht gegeben ist. Sollten sie jedoch die rechtlichen und fachlichen Anforderungen von Ausgleichsmaßnahmen erfüllen, können sie auch für diese Art der Kompensation herangezogen werden.

Die Ausgestaltung des naturschutzrechtlichen Ökokontos soll in einer Rechtsverordnung geregelt werden, die das Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum im Einvernehmen mit dem Umweltministerium erarbeiten muss und die der Zustimmung des Landtags bedarf. Der gesetzliche Rahmen für das naturschutzrechtliche Ökokonto besteht also; die Bedingungen für die praktische Anwendung sind allerdings noch nicht festgelegt. Die Ergebnisse der Untersuchung des Rechnungshofs sollen ein Beitrag für die künftige praktische Anwendung des naturschutzrechtlichen Ökokontos sein und damit zugleich Wege aufzeigen, wie die beispielhaft bereits erwähnten Defizite minimiert werden können.

5 Schnittstellenfunktion des naturschutzrechtlichen Ökokontos

Mit der Anwendung des naturschutzrechtlichen Ökokontos würde sich für Kompensationsmaßnahmen im Bereich des Straßenbaus nicht nur die Erfolgskontrolle erübrigen, da auf bereits umgesetzte Kompensationsmaßnahmen zurückgegriffen wird; auch die aufwendige Suche nach Kompensationsflächen würde entfallen, und es ergäbe sich eine relative Planungssicherheit durch verlässliche Kalkulationsgrundlagen für den Erwerb der Ökopunkte. Die Gewässerentwicklungen wiederum eignen sich als Kompensationsmaßnahmen zur Einbuchung in ein naturschutzrechtliches Ökokonto, da Fließgewässer mit ihrer Artenvielfalt ein überdurchschnittliches ökologisches Vernetzungspotenzial darstellen und vielfach gleichzeitig Natura 2000-Gebiete sind. Für den Naturschutz bietet sich zudem die Möglichkeit, die Entwicklung großflächiger Naturräume gezielt zu steuern (siehe Abbildung).

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Aufgrund der Maßnahmenbevorratung und der Handelbarkeit der Ökopunkte bietet das naturschutzrechtliche Ökokonto überdies finanzielles Potenzial gegenüber der Kompensation nach dem Eingriff. So erfüllen die im Ökokonto enthaltenen Maßnahmen die neue Naturfunktion bereits in Teilen oder sogar vollständig, bevor der Eingriff (beispielsweise durch den Straßenbau) erfolgt. Dies wirkt sich in der Regel positiv auf die Bemessung des Kompensationsumfangs aus, sodass der Eingriffsverursacher eine geringere finanzielle Ausgleichslast beispielsweise dadurch zu tragen hat, dass weniger Fläche für den Ausgleich herangezogen wird.

Darüber hinaus kann der Träger des Ökokontos Flächen frühzeitig und ohne unmittelbaren Zeitdruck erwerben, sodass dies im Ergebnis zu günstigeren Bodenpreisen und damit zu einer „Preisdämpfung“ beim Erwerb der Ökopunkte führen kann. Hinzu kommt, dass eine bevorratete Fläche von ökologisch zunächst geringer Bedeutung im Laufe der Zeit durch Natur verbessernde Arbeiten (u. a. Pflege- und Unterhaltungsarbeiten) eine ökologische Wertsteigerung in Form zunehmender Ökopunkte erfahren kann. Mit den Ökopunkten wiederum kann gehandelt werden; d. h., die Maßnahmenfläche kann unabhängig vom eigentlichen Grundstückspreis eine Werterhöhung erfahren.

5.1 Finanzierungswege

Die Maßnahmenbevorratung nach dem naturschutzrechtlichen Ökokonto erfordert

  • Erst- bzw. Vorfinanzierungen der Ökokonto-Maßnahmen, einschließlich eventueller Vorfinanzierungskosten, ggf. in Form einer Anschubfinanzierung, und

 

  • Refinanzierungen der Durchführungsausgaben von Kompensationen (Grunderwerb, Wert der Kompensation mit Planungs- und Finanzierungskosten) sowie der laufenden Pflege- und Unterhaltungskosten.

Die Hauptproblematik besteht in der Vor- oder Anschubfinanzierung der Kompensationsmaßnahmen, also darin, wie das Startkapital bereitgestellt werden kann. Infrage kommen hierfür die (späteren) Eingreifer Landes- und kommunaler Straßenbau sowie Dritte, sei es in der Rechtsform einer Stiftung oder aus gewerblichem Interesse.

Im Einzelnen sind folgende Vorfinanzierungswege denkbar:

  • Eingreifer Landesstraßenbau

Vorstellbar sind hier projektbezogene Vorschusskonten, mit denen Kompensationsmaßnahmen für einen im Zusammenhang mit einer konkreten Straßenbaumaßnahme stehenden Eingriff finanziert werden. Ferner sollten Überlegungen angestellt werden, wie im Rahmen der für den Landesstraßenbau zur Verfügung stehenden Mittel Gelder für eine frühzeitige Durchführung von Kompensationsmaßnahmen bereitgestellt werden können. Möglicherweise ginge dies - zumindest kurzfristig - zulasten der für dringliche Straßenbaumaßnahmen verfügbaren Investitionsmittel. Deshalb könnte das Land als Straßenbaulastträger alternativ auch Ökopunkte aus von Dritten finanzierten Kompensationsmaßnahmen erwerben.

  • Eingreifer kommunaler Straßenbau

Die kommunalen Straßenbaulastträger werden Kompensationsmaßnahmen der eigenen Ökokonten für Eingriffe in ihrem Straßenbau einsetzen können. Insofern bleiben Vorfinanzierung und Refinanzierung zwar unter einem Dach; allerdings entfällt für die Gemeinden der Vorfinanzierungsweg über Erschließungsträger. Die Gemeinden können allerdings im Unterschied zum Ökokonto in der Bauleitplanung mit den Ökopunkten aus bevorrateten Maßnahmen und Flächen handeln. Im Übrigen sollte das Land anstreben, die Förderung der Kompensationsmaßnahmen zu deckeln (siehe Pkt. 5.5). In welchem Umfang die Gemeinden in eine Vorfinanzierung einsteigen werden, ist abhängig von der jeweiligen Haushaltslage, der Verfügbarkeit von (kostengünstigen) Flächen, die sich für Kompensationsmaßnahmen eignen, und vom künftigen Bedarf an Eingriffskompensationen.

  • Stiftung Naturschutzfonds

Die Stiftung Naturschutzfonds ist eine Einrichtung des öffentlichen Rechts beim Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum. Zu ihren Aufgaben zählt satzungsgemäß die Förderung von Projekten des amtlichen und privaten Naturschutzes, aber auch der Erwerb von Grundstücken für Zwecke des Naturschutzes. Die Aufgaben werden u. a. mit Erträgen aus der Grundausstattung, den Ausgleichsabgaben und Zuwendungen Dritter (z. B. Spenden, aber auch ggf. Zuwendungen des Landes nach Maßgabe des Staatshaushaltsplans) erfüllt. Das novellierte Naturschutzgesetz sieht in § 65 Absatz 4 weiterhin vor, dass die Stiftung Naturschutzfonds Maßnahmen nach dem naturschutzrechtlichen Ökokonto durchführt; sie kann hierfür Grundstücke erwerben und bisher mit ihren Mitteln erworbene Grundstücke im Landesbesitz verwenden.

Den Grundstock für die Anschubfinanzierung könnten die Flächen bilden, die von der Stiftung Naturschutzfonds bereits mit eigenen Mitteln erworben wurden. Im Weiteren wäre ein Finanzierungspool aufzubauen, der sich mittelfristig durch die Veräußerung von Flächen finanziert. Der Bedarf für ggf. zusätzlich bereitzustellende Landesmittel als Zuwendungen an die Stiftung im Sinne der Anschubfinanzierung kann derzeit nicht abgeschätzt werden. Er wäre aber in jedem Fall temporär, und die Mittel wären durch Refinanzierungen später wieder auszugleichen.

  • Stiftungen Dritter

Auch im Besitz gemeinnütziger Stiftungen befindliche Kompensationsflächen können in ein Ökokonto eingebracht werden. Solche Stiftungen finanzieren sich durch den Verkauf von im Rahmen der Maßnahmenentwicklungen geschaffenen Ökopunkten, die von allen Eingreifern erworben werden können.

  • Private Finanzierer

Grundsätzlich können Dritte, die naturschutzrechtlichen Anforderungen entsprechende vorlaufende Kompensationsmaßnahmen durchführen bzw. Flächen hierfür zur Verfügung stellen, deren Einbuchung in ein Ökokonto verlangen. In Frage kommen hierfür insbesondere Landwirte, die nicht mehr landwirtschaftlich genutzte Flächen einbringen und ggf. aufwerten. Anhand der Aufwertungen in Ökopunkten können monetäre Wertsteigerungen der Flächen erreicht werden.

5.2 Stiftung Naturschutzfonds als Handelsagentur

Die neuen naturschutzrechtlichen Bestimmungen eröffnen ein breites Spektrum an Maßnahmenträgern. So kommen „Agenturen zur Bereitstellung und Vermittlung von Ersatzmaßnahmen“ in Betracht, die sowohl juristische Personen des Privatrechts als auch Landesbetriebe sein können. Ebenso können die Gemeinden tätig werden.

Aufgabe einer Agentur wäre es,

  • einen Flächen- und Maßnahmenpool zur Bevorratung von Kompensationsmaßnahmen aufzubauen,

 

  • die eingebuchten Kompensationsmaßnahmen an die Eingreifer zu vermitteln und

 

  • die Pflege und Funktion der vermittelten Kompensationsmaßnahmen dauerhaft sicherzustellen, soweit dies nicht durch Dritte erfolgt.

Die Agentur könnte Flächen erwerben und Kompensationsmaßnahmen entwickeln bzw. entwickeln lassen, um diese zu einem späteren Zeitpunkt an Eingriffsverursacher (Straßenbau, Deutsche Bahn AG usw.) gegen Entgelt zu vermitteln. Die Mittel könnten dann wieder dem Ökokonto für den Erwerb neuer Flächen zufließen.

Um zu vermeiden, dass aus Landessicht völlig neue Verwaltungsapparate aufgebaut werden, sollte die Stiftung Naturschutzfonds entsprechend ihres Auftrags aus dem Naturschutzgesetz (siehe Pkt. 5.1) die Funktion einer landesweit tätigen Handelsagentur übernehmen.

5.3 Aufbau eines Maßnahmen- und Flächenkatasters

Der Aufbau eines Maßnahmen- und Flächenkatasters stellt eine wichtige Voraussetzung für eine wirksame Nutzung von Kompensationsflächen aus Ökokonten dar. Es bildet zudem die Grundlage für den Handel mit Ökopunkten, da es Flächen und Maßnahmen zwischen dem Ökokontoträger und dem Verursacher des Eingriffs zu vermitteln hilft. Hierfür sind die Maßnahmen und Flächen wie folgt aufzulisten:

  • Ökokontofähige Flächen, die zur Durchführung von Kompensationsmaßnahmen zur Verfügung stehen, soweit die unteren Naturschutzbehörden die Erfassung personell leisten können,

 

  • Kompensationsmaßnahmen, die in ein Ökokonto eingebucht sind, und

 

  • in Anspruch genommene Kompensationsmaßnahmen, die aus einem Ökokonto ausgebucht wurden.

Mittelfristig sollten diese Inhalte in einem zentralen, von der Naturschutzverwaltung geführten und kontinuierlich gepflegten Ökokonto-Kataster zusammengeführt werden. Der Öffentlichkeit ist der Zugang über das Internet zu gewähren. In diesem Zusammenhang kann auf dem seit einiger Zeit bestehenden DV-Programm „Ökokonto-Kataster“ der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg aufgebaut werden, das für die Flächen- und Maßnahmenbevorratung in der Bauleitplanung entwickelt wurde. Im Hinblick auf die Bewertung einer Maßnahme/Fläche („Ökokontofähigkeit“) könnten die unteren Naturschutzbehörden darüber hinaus durch eine in das Kataster einzustellende Muster- oder Beispielsammlung unterstützt werden.

5.4 Ökokontofähigkeit und Bewertung von Gewässerentwicklungsvorhaben

Ökokontofähige Kompensationsmaßnahmen werden in vielen Fällen aus zu entwickelnden Natura 2000-Gebieten bestehen. Daneben kommen Maßnahmen zur Renaturierung von Fließgewässern einschließlich der Uferbereiche und zur Herstellung der ökologischen Durchgängigkeit, z. B. für Fische, in Betracht.

Aus naturschutzrechtlicher Sicht sind jedoch nur solche Gewässerentwicklungsmaßnahmen ökokontofähig, die über die eigentlichen Pflichtaufgaben hinausgehen. So ist die Unterhaltung und punktuelle Pflege des Gewässerbettes und der Ufer eines Gewässers eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung. Demgegenüber ist der Ausbau eines Gewässers oder seiner Ufer mit dem Ziel, eine naturnahe Gewässerentwicklung zu schaffen, schon im Hinblick auf die Zweckbestimmung keine Pflichtaufgabe im Sinne des § 22 Absatz 2 Naturschutzgesetz. Dies gilt auch für die Anlage von Auebereichen und Gewässerrandstreifen zur Verbesserung der Gewässerqualität.

Allerdings sind die Grenzen zwischen der „herkömmlich ausreichenden“ und der weit darüber hinaus gehenden „höherwertigen“ Unterhaltung fließend. Die Ökokontofähigkeit von Gewässerentwicklungsvorhaben ist in der noch zu erarbeitenden Rechtsverordnung zu präzisieren.

Im Vergleich mit anderen Kompensationsmaßnahmen ist die Umsetzung von Gewässerentwicklungsplänen wegen der hohen Investitionen für die ökologische und morphologische Gewässerentwicklung oft sehr kostenintensiv. Da jedoch viele Gewässerabschnitte gleichzeitig Natura 2000-Gebiete sind, sie also auch von Bedeutung für Natur- und Artenschutz sind, bietet sich an, dies ggf. bei der Bewertung nach Ökopunkten entsprechend zu berücksichtigen.

5.5 Handlungsfeld Förderungen

Die Gewässerentwicklungspläne für Gewässer zweiter Ordnung und der kommunale Straßenbau liegen in der Planungshoheit und Zuständigkeit der Gemeinden. Da an der Realisierung dieser Vorhaben oft aber auch ein Landesinteresse besteht, können sie nach den „Förderrichtlinien Wasserwirtschaft“ bzw. nach der Verwaltungsvorschrift zum bisherigen Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz im Wege der Anteilsfinanzierung mit jeweils bis zu 70 % der zuwendungsfähigen Ausgaben gefördert werden. Zuwendungen sind freiwillige Leistungen, die dem Ermessen des Zuwendungsgebers unterliegen.

Nachdem die von der Wasserwirtschaftsverwaltung eingeplanten jährlichen Fördermittel von rd. 3,5 Mio. € bei Weitem nicht ausreichen, um die Vielzahl der umsetzbaren Gewässerentwicklungspläne in angemessener Zeit zu realisieren, sollte auch im Sinne der Gleichbehandlung der Antragsteller diese Förderung zu gegebener Zeit generell auf den Prüfstand gestellt werden, also sobald das naturschutzrechtliche Ökokonto sich wie vorgesehen in der Praxis bewährt hat.

Für den kommunalen Straßenbau sollten im Zuge der Nachfolgeregelung zum Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz neue Finanzierungsansätze für Kompensationen, wie z. B. die Deckelung der Förderung auf 20 % der dafür notwendigen Ausgaben, erwogen werden. Dies würde dem knapper werdenden Finanzbudget der Zuwendungen für den kommunalen Straßenbau entgegenkommen und könnte dazu beitragen, dass sich die Baulastträger bereits in der Planungsphase intensiver mit Trassenvarianten befassen, welche die Natur und Landschaft weniger beeinträchtigen.

5.6 Resümee

Neben fachplanerischen Impulsen können mit dem naturschutzrechtlichen Ökokonto deutliche Verfahrensbeschleunigungen verbunden sein, da der Aufwand für Gestattungsverfahren geringer sein wird. Hierdurch könnten umfassende volkswirtschaftliche Effekte, beispielsweise durch eine frühere Inbetriebnahme einer Straße, erzielt werden. Im Übrigen wird mit der Gewässerunterhaltung sowie mit den im gesamteuropäischen Rahmen zu beachtenden Gewässerschutzzielen eine gesicherte Entwicklung der Gewässerläufe gewährleistet.

Damit trägt das Ökokonto nicht nur zur finanziellen Entlastung einzelner Fachplanungen bei, sondern kann auch den Landeshaushalt insgesamt entlasten. Die Zuwendungsreduzierungen gehen zwar mit keiner direkten Einsparung im Landeshaushalt einher, da sie zweckgebunden für den kommunalen Straßenbau bzw. als Mittel aus dem kommunalen Investitionsfonds für Belange des Gewässerausbaus und dabei insbesondere für den Hochwasserschutz einzusetzen sind. Beide Zuwendungsbereiche sind jedoch gekennzeichnet durch einen erheblichen Antragsüberhang. So weisen die eingehenden Förderanträge einen sehr viel höheren Mittelbedarf auf, als im Haushalt zur Verfügung steht. Deshalb tragen die skizzierte Absenkung und der Wegfall der Förderung zu Entlastungen in den jeweiligen Zuwendungsbereichen bei. Beim kommunalen Straßenbau handelt es sich überschlägig um jährlich 2 Mio. € aus nicht mehr zu erbringenden Zuwendungen für Kompensationsmaßnahmen; bei der Gewässerentwicklung sind es die bisher im Förderkorridor jährlich eingesetzten rd. 3,5 Mio. €.

6 Stellungnahmen der Ministerien

Das Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum, das Umweltministerium und das Innenministerium führen aus, dass die Einführung einer landesweiten naturschutzrechtlichen Ökokontoregelung eines der Kernstücke der Novellierung des baden-württembergischen Naturschutzgesetzes ist, mit dem die Eingriffs-Ausgleichsregelung für den Außenbereich in zeitlicher und räumlicher Hinsicht flexibler gestaltet wird.

Die Ministerien begrüßen deshalb, dass der Rechnungshof das naturschutzrechtliche Ökokonto thematisiert und sich dabei schwerpunktmäßig mit den Anforderungen und Perspektiven einer interdisziplinären Zusammenarbeit auseinandersetzt. Neben dem Schutz der Biotope und Arten werden auch die abiotischen Schutzgüter Boden, Wasser, Klima, Luft sowie Landschaftspflege und Erholung für Kompensationsmaßnahmen des naturschutzrechtlichen Ökokontos herangezogen. Dies wird nach Ansicht der Ministerien die Zusammenarbeit der für die einzelnen Schutzgüter zuständigen Fachverwaltungen weiter fördern, Synergien freisetzen und zu Kosteneinsparungen führen.

Der Auffassung, dass ein Kompensationsverzeichnis oder Maßnahmen- und Flächenkataster eine wichtige Voraussetzung für Ökokontomaßnahmen darstellt, wird zugestimmt. Aus diesem Grund wurden dessen wesentlichen inhaltlichen und organisatorischen Kriterien in der Novelle des Naturschutzgesetzes festgelegt. Das bei der naturschutzrechtlichen Ökokontoregelung von jeder unteren Naturschutzbehörde zu führende Kompensationsverzeichnis wird die Nachprüfbarkeit der Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen wesentlich erleichtern und entscheidend zum Abbau von Defiziten beitragen. Dessen ungeachtet wird die Straßenbauverwaltung noch in diesem Jahr ein speziell auf Straßenbaumaßnahmen zugeschnittenes Kompensationskataster fertig stellen, mit dem auch die rückwirkende Erfassung von Kompensationsmaßnahmen möglich sein wird. Eine spätere Integration in das Kompensationsverzeichnis ist vorgesehen.

Der Vorschlag des Rechnungshofs zur Deckelung der Förderung des kommunalen Straßenbaus (20 % für Kompensationsmaßnahmen) wird bei der Nachfolgeregelung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes geprüft werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass naturschutzrechtlich erforderliche Kompensationsmaßnahmen überhaupt die Voraussetzung für ein Bauvorhaben sind. Außerdem sollten Gemeinden mit besonders hohem Anteil an schutzbedürftigen Flächen nicht benachteiligt werden.

Im Weiteren teilen die Ministerien die Ansicht des Rechnungshofs, dass die Frage der Vor- oder Anschubfinanzierung von Ökokontomaßnahmen entscheidend für den Erfolg des Ökokontos sein könnte. Sie begrüßen es daher, dass der Rechnungshof mit den hier zur Diskussion gestellten Finanzierungsalternativen den Blick für diese Problematik schärfen will. Alle Vorfinanzierungs-Modelle können aber immer nur die Funktion einer Initialzündung erfüllen. Ob und inwieweit tatsächlich die Notwendigkeit für eine derartige Vor- und Anschubfinanzierung besteht und welche Finanzierungswege ggf. Ziel führend sind, muss sich in der Praxis erweisen. Langfristig sollten das Ökokonto und der Handel mit Ökopunkten "Selbstläufer" sein, d. h. weitgehend nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten, ohne Unterstützung von außen funktionieren.

Es besteht Übereinstimmung, dass sich auch Gewässerentwicklungsmaßnahmen für die Eingriffskompensation eignen. Der Vorschlag des Rechnungshofs, die Ökokontofähigkeit von Gewässerentwicklungsmaßnahmen zu präzisieren und eine klare Abgrenzung gegenüber wasserwirtschaftlichen Pflichtaufgaben zu treffen, wird daher bei der Erarbeitung der Rechtsverordnung aufgegriffen.

Die Ministerien werden sich gemeinsam darum bemühen, die rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass das naturschutzrechtliche Ökokonto wesentlich dazu beitragen kann, das Verfahren des Eingriffs-Ausgleichs effizienter zu gestalten und gleichzeitig den Naturhaushalt mit seinen Schutzgütern zu stärken.

7 Schlussbemerkung

Die Einführung des naturschutzrechtlichen Ökokontos kann - zusammen mit den in Form einer Rechtsverordnung noch zu erarbeitenden Ausführungsbestimmungen - wesentlich dazu beitragen, die beispielhaft in den Bereichen Straßenbau und Gewässerentwicklung aufgezeigten Defizite zu reduzieren, ohne dass der Landeshaushalt zusätzlich belastet würde. Gleichzeitig bietet sich dadurch die Chance der engeren Verzahnung von Fachplanungen, sodass ein deutlicher Nutzen gegenüber den bisher teilweise parallel laufenden Verwaltungsabläufen erreicht werden kann.


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Dem Konzept „Kinderfreundliches Baden-Württemberg“ liegt weder eine einheitliche noch eine schlüssige Gesamtvorstellung zugrunde. Die Förderung der Kinderkrippen und des Ausbaus der Strukturen in der Tagespflege könnte eingestellt werden, wenn die Kommunen die festgeschriebene Pauschale zum Ausgleich der Kindergartenlasten auch für solche Zwecke verwenden würden.


1 Ausgangslage

Mit dem Konzept 2001 „Kinderfreundliches Baden-Württemberg“ und dem Konzept 2005 „Kinderland Baden-Württemberg“ sollen insbesondere die Familien durch einen bedarfsgerechten Ausbau der Betreuungsangebote gestärkt und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert werden.

Das Land fördert deshalb Krippen, Tagespflegepersonen, niederschwellige Angebote (Verlässliche Grundschule, flexible Nachmittagsbetreuung, kommunale Betreuungsangebote an Ganztagshauptschulen), Horte an Schulen und herkömmliche Horte. Im Jahr 2005 wurden dafür rd. 36 Mio. € ausgegeben.

Das Konzept 2001 sah auch eine zusätzliche Förderung für den Ausbau der altersgemischten Gruppen und eine Öffnung der Ganztagesgruppen für Kinder unter drei Jahren im Kindergarten vor. Für diese Förderung war bis einschließlich 2003 das Land zuständig, 2004 wurde die Förderzuständigkeit auf die Gemeinden übertragen. Diese erhalten zum Ausgleich der Kindergartenlasten pauschale Zuweisungen von jährlich 394 Mio. €.

Die Vielfalt der Förderprogramme und die Entwicklung der beiden Konzepte waren Anlass zu untersuchen, ob diesen eine einheitliche und schlüssige Gesamtvorstellung zugrunde liegt. Die Betrachtung beschränkte sich exemplarisch auf die Betreuungsangebote für Kleinkinder und Kinder.

2 Landesprogramme zur Förderung der Betreuungsangebote

Die vom Land festgelegten Fördervoraussetzungen sowie die Zuwendungshöhe sind in fünf verschiedenen Verwaltungsvorschriften geregelt. Doppelförderungen sind unzulässig. Die Zuwendungen werden als Projektförderung im Wege der Festbetragsfinanzierung gewährt. Die Anträge sind gleichzeitig die Verwendungsnachweise. Finanzierungspläne werden nicht gefordert.

2.1 Kommunale Verantwortung

Die Schaffung von Betreuungsplätzen für Kleinkinder und Kinder ist eine kommunale Aufgabe. Das Land hat es unterlassen, seine Förderungen von einer kommunalen Komplementärfinanzierung abhängig zu machen. Erst wenn der nach dem Sozialgesetzbuch Achtes Buch, Kinder- und Jugendhilfe, bis Oktober 2010 geforderte bedarfsgerechte Ausbau von Betreuungsplätzen für Kleinkinder abgeschlossen ist, wird die Landesförderung nur noch in Verbindung mit einer solchen Komplementärfinanzierung gewährt.

2.2 Festlegung der Zuwendungshöhe

Die Ressorts bestimmten die Zuwendungshöhe für die einzelnen Angebote durch Modellrechnungen. Bei den Krippen wurden die Personal- und die Sachkosten, bei den übrigen Betreuungsangeboten nur die Personalkosten als Basis genommen. Den Berechnungen für die niederschwelligen Angebote und für die Horte wurde dieselbe Vergütung für die Betreuungskräfte zugrunde gelegt, obwohl nur bei den Horten der Einsatz von Fachkräften gefordert wird.

Die inhaltlichen Anforderungen an die verschiedenen niederschwelligen Angebote sind vergleichbar. Dennoch wurden bei der Berechnung der Zuwendungshöhe der Verlässlichen Grundschule höhere Werte festgelegt als bei den anderen.

Eine Betreuungsstunde der Verlässlichen Grundschule wird mehr als doppelt so hoch gefördert wie die der betreuten Spielgruppe mit fünf Kindern, obwohl an das Angebot „Spielgruppe“ durch die vom Land geforderte Betriebserlaubnis deutlich strengere Anforderungen gestellt werden.

Bei den Krippen, den Horten an Schulen und den herkömmlichen Horten ist die Zuwendungshöhe nicht von leistungsbezogenen Kriterien abhängig. Mit zunehmenden Leistungen der Maßnahmeträger verringern sich deshalb die Zuwendungen je Betreuungsstunde.

2.3 Bedarfsgerechte Betreuung

Die Abhängigkeit der Förderung von der Gruppendefinition im Sinne der Betriebserlaubnis bei den Krippen und Horten lässt ein individuelles Betreuungsangebot der Träger und ein flexibles Reagieren auf den Betreuungsbedarf nicht zu. Wären die bestehenden Regelungen flexibler gefasst, könnten mit vorhandenen Plätzen mehr Kinder betreut sowie Ausgaben für das Land und die Kommunen vermieden werden.

2.4 Unzureichende Festlegungen

Die Zuwendungen werden je Gruppe gewährt. In den einschlägigen Verwaltungsvorschriften ist der Begriff einer Gruppe nicht geklärt. Die Ressorts gehen davon aus, dass sich eine Gruppe immer aus denselben Kindern zusammensetzt und eine feste Einheit bildet, die innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens betreut wird. Während bei Krippen und Horten Mindestbetreuungszeiten gefordert werden, sind bei den niederschwelligen Angeboten maximal förderfähige Betreuungsstunden festgelegt. Die Förderprogramme können kombiniert werden. Hinweise und Regelungen hierzu enthalten die Verwaltungsvorschriften nicht.

Die unzureichenden Festlegungen in den Verwaltungsvorschriften bewirken, dass

  • Träger die Höhe der Landeszuwendungen durch die gruppenbezogene Förderung zu ihren Gunsten steuern können, indem sie z. B. kleine Gruppen festlegen,

 

  • Gruppen bezuschusst werden, die keine feste Einheit bilden und auch nicht innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens betreut werden, weil die Zusammensetzung der Gruppen sich ständig ändert,

 

  • Träger die höheren Fördersätze der Verlässlichen Grundschule über die vom Land festgesetzten maximal förderfähigen Betreuungsstunden hinaus in Anspruch nehmen können, indem dieselben Kinder verschiedenen Gruppen zugeordnet werden,

 

  • selbst eine wesentliche Verminderung der Anzahl der Gruppenmitglieder oder eine geringere Relation Betreuungskräfte - Gruppenzahl keine Wirkung auf die Höhe der Zuwendung hat,

 

  • Angaben zur Anzahl der Gruppen und zur Anzahl der betreuten Kinder je Förderprogramm nur eingeschränkt aussagekräftig sind, weil z. B. Gruppen und betreute Kinder mehrfach erfasst werden, und

 

  • durch die Kombination von Förderprogrammen, wie z. B. die Verlässliche Grundschule in Verbindung mit der flexiblen Nachmittagsbetreuung, Kinder nahezu in einem zeitlichen Umfang betreut werden können, für den das Land grundsätzlich eine Betriebserlaubnis für erforderlich hält.

2.5 Zielerreichung

Das Land kann bei den Angeboten der Verlässlichen Grundschule, der flexiblen Nachmittagsbetreuung und den Horten nicht feststellen, in welchem Umfang die Zuwendungen auch zum finanziellen Ausgleich der sozial gestaffelten Elternbeiträge benötigt werden, weil solche Daten von den Zuwendungsempfängern nicht abgefragt werden.

Auch sind Aussagen nicht möglich, inwieweit durch die Förderprogramme die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit tatsächlich verbessert wurde, da entsprechende Dokumentationen nicht verlangt werden.

Die inhaltliche Ausgestaltung und die Verantwortung für die niederschwelligen Betreuungsangebote liegen ausschließlich bei den Maßnahmeträgern. Deshalb bleibt es diesen überlassen, die Betreuungszeiten mit schulischem Bezug zu gestalten oder sich nur auf die Verwahrung der Kinder zu beschränken. Letztere ist nur bedingt geeignet, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern, da beispielsweise die Hausaufgaben weiterhin im familiären Bereich zu leisten sind.

Nur die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sind verpflichtet, während der Ferien ein Betreuungsangebot sicherzustellen, die übrigen Maßnahmeträger jedoch nicht. Deshalb ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zumindest in den Ferienzeiten nur eingeschränkt gegeben.

3 Finanzierung von Betreuungsangeboten durch die Finanzausgleichsmasse A des Finanzausgleichsgesetzes

Mit dem Gesetz zur Änderung des Kindergartengesetzes und des Finanzausgleichsgesetzes wurde ab 2004 die Gesamtverantwortung für den Kindergarten auf die Gemeinden übertragen. Nach der Zielsetzung im Gesetzentwurf der Landesregierung sollte u. a. „dem Bedarf an zusätzlichen Tagesbetreuungsangeboten für unter Dreijährige, den auch in den kommenden Jahren weiter zurückgehenden Kinderzahlen und der notwendigen weiteren Vereinfachung des Zuschussverfahrens Rechnung“ getragen werden. Auch sollte diese Neuregelung zu einer Stärkung des Selbstverwaltungsrechts der Kommunen und damit zu einer erhöhten kommunalen Verantwortung für die Kinderbetreuung führen.

Die bisher von der Gruppenart abhängige Förderung wurde aufgegeben. Stattdessen erhalten die Träger der Kindergärten von den Gemeinden Zuschüsse von mindestens 63 % der Betriebsausgaben, soweit die Einrichtungen der örtlichen Bedarfsplanung entsprechen.

Die Gemeinden erhalten zum Ausgleich der Kindergartenlasten pauschale Zuweisungen nach dem Finanzausgleichsgesetz. Die Pauschale wurde auf der Grundlage der Zuschüsse des Jahres 2002 festgeschrieben und beträgt jährlich 394 Mio. €. Die Zuweisungen können zweckgebunden auch für die Betreuungsmaßnahmen für Kleinkinder eingesetzt werden. Die Mittel werden der Finanzausgleichsmasse A vorweg entnommen.

90 % der Pauschale werden auf die einzelnen Gemeinden entsprechend den Zuschüssen des Landes im Jahr 2002 verteilt und 10 % nach der Zahl der Kinder, die das siebte Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die Kinderkomponente wird ab 2006 mit 20 %, ab 2008 mit 30 % und ab 2010 mit 35 % berücksichtigt. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und der Planungssicherheit wird jeweils die Kinderzahl am Ende des zweitvorangegangenen Jahres zugrunde gelegt.

Von der Aufnahme der Zuschussregelung für die Kleinkindbetreuung in Kinderkrippen in das Kindergartengesetz wurde abgesehen, weil anders als beim Kindergarten damals kein Rechtsanspruch auf dieses Betreuungsangebot bestand. Seit 2005 sind die Kommunen jedoch verpflichtet, auch für Kinder unter drei Jahren bis spätestens Oktober 2010 stufenweise ein bedarfsgerechtes Angebot zur Verfügung zu stellen. Das Kindergartengesetz wurde bisher nicht entsprechend geändert.

Zur Finanzierung von Betreuungsplätzen für Kleinkinder stellen der Bund und das Land seit 2005 ebenfalls Mittel zur Verfügung.

3.1 Festschreibung der Pauschale

Mit der Einführung der Pauschale wurden die Aufwendungen für den Kindergarten nach oben begrenzt, Steigerungen wie in den vergangenen Jahren sind nunmehr unterbunden. Die bisherige Abhängigkeit der bereitzustellenden Mittel von der Betreuungsstruktur und von der Kinderzahl wurde aufgegeben.

Die Festschreibung der pauschalen Zuweisungen im Finanzausgleichsgesetz von jährlich 394 Mio. € ist nicht sachgerecht, weil kein Bezug zur Entwicklung der Kinderzahlen besteht. Im Vergleich zum Jahr 2002 verringern sich die prognostizierten Zahlen der Kindergartenkinder (3 bis 6 Jahre) kontinuierlich, im Jahr 2010 werden es voraussichtlich 15,4 % weniger sein. Der nach dem Sozialgesetzbuch, Achtes Buch, Kinder- und Jugendhilfe, bestehende Rechtsanspruch auf den Besuch eines Kindergartens ist spätestens seit dem 01.01.1999 voll erfüllt.

Der Rechnungshof geht davon aus, dass künftig weniger Plätze für die Altersgruppe der Drei- bis Sechsjährigen benötigt werden und Kindergartengruppen aufgelöst werden können, auch wenn Schwellenwerte für Gruppen, Einrichtungen und Personal erst unterschritten werden müssen, bevor sich kostenwirksame Veränderungen ergeben.

Ausschließlich auf der Grundlage der rückläufigen Kinderzahl überschlägig berechnet, stehen den Kommunen zwischen 2004 und 2010 jährlich zusätzliche Mittel zwischen 20 Mio. € und 60 Mio. € zur Verfügung, die auch für die Betreuung von Kleinkindern verwendet werden können. Ungeachtet dessen können die Kommunen für eigene Kinderkrippen die seit 2003 bereitgestellten Landesmittel in Anspruch nehmen; 2005 waren dies 6,75 Mio. €, 2008 sollen es 16,2 Mio. € sein.

3.2 Verteilungsparameter

Bei der Festlegung der Pauschale war die Komponente „Kinderzahl“ nicht relevant; dagegen wird sie bei der Mittelverteilung unter den Kommunen mit einbezogen. Dennoch sind die Verteilungsparameter nicht plausibel. So ist die Berücksichtigung der Kinderzahl als minderanteilige Komponente (ab 2010 mit 35 %) nicht sachgerecht, weil Kommunen, bei denen die Kinderzahlen zurückgehen, von dieser Regelung zulasten der Kommunen mit steigenden Kinderzahlen profitieren. Bei der Verteilung der Mittel nach dem Finanzausgleichsgesetz werden die im Jahr 2002 besser geförderten Gruppenarten weiterhin berücksichtigt, auch wenn diese nicht mehr bestehen. Demgegenüber haben aber solche neu eingerichteten Gruppen keinen Einfluss mehr auf die Verteilung.

Durch die getroffenen Regelungen wird bestimmten Kommunen in gewissem Umfang eine Besitzstandswahrung zulasten anderer eingeräumt.

4 Empfehlungen

Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass in verschiedener Hinsicht ein Handlungsbedarf besteht. Im Interesse klarer Aufgaben- und Finanzverantwortung empfiehlt der Rechnungshof

  • angesichts der prognostizierten rückläufigen Kinderzahlen mit den im Finanzausgleichsgesetz 2002 festgeschriebenen Mitteln von 394 Mio. € auch die Bereitstellung von Krippenplätzen und den Ausbau der Strukturen in der Kindertagespflege zu fördern; die Landesförderung der Kleinkindbetreuung (2008 mit 16,2 Mio. €) und der Strukturen in der Kindertagespflege (2008 mit 2,6 Mio. €) kann dann eingestellt werden;

 

  • eine sachgerechte Verteilung der pauschalen Zuweisungen an die Gemeinden zum Ausgleich der Kindergartenlasten vorzunehmen und deshalb als Verteilungsparameter die Anzahl der Kinder festzulegen;

 

  • die Notwendigkeit der Landesförderungen von Betreuungsangeboten für Schulkinder zu überprüfen.

5 Stellungnahme des Ministeriums

Das Ministerium für Arbeit und Soziales teilt in Abstimmung mit dem Kultusministerium und dem Finanzministerium u. a. mit, dass im Regierungskonzept „Kinderfreundliches Baden-Württemberg“ aus dem Jahr 2001 der klare Wille der Landesregierung zum Ausdruck gebracht werde, die Kommunen beim Ausbau der Betreuungsangebote für Kleinkinder finanziell zu unterstützen. Mit der Unterstützung einer originär kommunalen Aufgabe habe die Landesregierung noch vor Inkrafttreten des Tagesbetreuungsausbaugesetzes die Bedeutung des Ausbaus der Kleinkindbetreuung für die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf erkannt und hervorgehoben. So habe das Land mit den kommunalen Landesverbänden 2005 vereinbart, die Mitfinanzierung von Kinderkrippen im Umfang von rd. 10 % der Betriebskosten und die Förderung der Kindertagespflege beizubehalten. Durch die gegenwärtige bundespolitische Diskussion zum weiteren bedarfsgerechten Ausbau der Kindertagesbetreuung für Kinder unter drei Jahren in Deutschland erhielte diese Förderung einen noch größeren Stellenwert. Der Empfehlung des Rechnungshofs, die Finanzierungszuständigkeit bei den Kommunen zu bündeln, könne daher nicht gefolgt werden.

Hinsichtlich der Überprüfung der im Finanzausgleichsgesetz festgeschriebenen Fördermittel für den Ausgleich der Kindergartenlasten und deren sachgerechte Verteilung werde auf die Vereinbarung der Landesregierung mit den kommunalen Landesverbänden und den Kirchen sowie den gemeinsam entwickelten Regelungen verwiesen. Voraussetzung für die Umstellung der Kindergartenförderung sei ein für alle Seiten akzeptabler Schlüssel für die Mittelverteilung gewesen. Eine Verteilung ausschließlich nach der Kinderzahl, lehnten die kommunalen Landesverbände einhellig ab. Auch könne der Rückgang der Kinderzahlen eine Änderung der zentralen Regelungen nicht rechtfertigen. Soweit Spielräume durch zurückgehende Kinderzahlen entstehen, sollten die Gemeinden diese vereinbarungsgemäß für Innovationen, für bedarfsgerechte Angebote und den notwendigen Ausbau des Betreuungsangebots für Kleinkinder nutzen. Die aktuelle Entwicklung der Kindergartengruppen belege, dass entgegen den Ausführungen des Rechnungshofs die bedarfsgerechten teureren Angebotsformen weiter zunehmen und daraus Mehrbelastungen der Gemeinden resultieren würden.

Die Notwendigkeit der Überprüfung der Landesförderung von Betreuungsangeboten für Schulkinder erübrige sich, weil in den vergangenen Koalitionsvereinbarungen festgelegt worden sei, die Kommunen bei der Schaffung von Betreuungsangeboten zu unterstützen. Im Übrigen sei in der Vereinbarung mit den kommunalen Landesverbänden ausdrücklich festgehalten, dass das Land bis zur flächendeckenden Einführung des Jugendbegleiters seinen Beitrag zu den derzeitigen Betreuungsangeboten in vollem Umfang aufrechterhalten werde.

6 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof bleibt bei seinen Empfehlungen. Die Ressorts bestätigen in ihrer Stellungnahme, dass durch die rückläufigen Kinderzahlen finanzielle Spielräume bei der pauschalen Zuweisung zum Ausgleich der Kindergartenlasten nach dem Finanzausgleichsgesetze entstehen, die gerade auch für die Kleinkinderbetreuung nutzbar sind und offenbar auch genutzt werden.

Hinsichtlich der Zusammenführung der Aufgaben- und Finanzverantwortung für die Betreuung von Kindern bei den Kommunen weist der Rechnungshof auf Folgendes hin:

Politische Vereinbarungen über bestimmte Förderungen machen diese finanzwirtschaftlich nicht unantastbar. Es ist zwar nicht Aufgabe des Rechnungshofs, die politische Seite solcher Maßnahmen zu beurteilen, es ist aber seine Aufgabe, deren finanzwirtschaftliche Seite zu untersuchen. Die Ergebnisse des Rechnungshofs und die Stellungnahme der Ressorts zeigen, dass die eingesetzten Mittel und deren Höhe nicht nur von den gewollten Sachzielen bestimmt wurden, sondern dass auch ein „politischer Preis“ für die Vereinbarungen gezahlt wurde. Das Land sollte aber so (ver)handeln, dass Mittel möglichst wirtschaftlich eingesetzt werden.

Für den Rechnungshof ist nicht plausibel, warum das Land die Bündelung von Aufgaben- und Finanzverantwortung bei der Kinderbetreuung im Verhältnis Land-Kommune ablehnt, im Verhältnis Bund-Land aber entschieden fordert.


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Anhänge

Einzelplan 03: Innenministerium

Der Beschluss des Ministerrats aus dem Jahr 1999 über die Neustrukturierung des Kfz-Wesens ist bis heute nicht ausreichend umgesetzt worden. Bei den Kraftfahrerstellen und beim Einsatz der Berufskraftfahrer bestehen Einsparpotenziale in Millionenhöhe.


1 Allgemeines

Die Finanzkontrolle hat die Wirtschaftlichkeit des Kfz-Wesens (Fuhrpark und zentrale Fahrbereitschaften) bei den vier Regierungspräsidien untersucht. In diesem Zusammenhang wurde auch der Frage nachgegangen, inwieweit der Beschluss des Ministerrats aus dem Jahr 1999 zur Neustrukturierung des Kfz-Wesens umgesetzt wurde.

Vor allem aber sollten die durch die Verwaltungsstrukturreform entstandenen Optimierungsmöglichkeiten im Kfz-Wesen aufgezeigt werden.

2 Umsetzung des Ministerratsbeschlusses

2.1 Beschluss des Ministerrats

In den Jahren 1998 und 1999 untersuchte eine gemeinsame Arbeitsgruppe aus Vertretern des Finanzministeriums und des Rechnungshofs die Kostenstruktur des Kfz-Wesens im Bereich des Personendienstreiseverkehrs und der Kurierdienste der Landesverwaltung. In ihrem Abschlussbericht vom 29.07.1999 wurde als Ergebnis festgehalten, dass Kosten in Höhe von jährlich 11,2 Mio. € eingespart werden können. Das Finanzministerium unterbreitete daraufhin dem Ministerrat folgende Vorschläge zur Verbesserung des Kfz-Wesens:

  • Verzicht auf den Einsatz von Berufskraftfahrern im allgemeinen Dienstreiseverkehr und verstärkter Einsatz von Selbstfahrerfahrzeugen,

 

  • Optimierung des Fuhrparks durch Verkürzung der Laufzeit und Standardisierung der Kraftfahrzeuge,

 

  • Neuorganisation der damals elf Fahrbereitschaften im Land mit Änderung der Aufbau- und Ablauforganisation sowie Einführung elektronisch gestützter Controlling-Instrumente zur Herstellung von Kostentransparenz und dienststellenübergreifender Steuerungsmöglichkeiten und

 

  • Privatisierung von Teilbereichen des Kfz-Wesens, wie etwa Tank-, Reparatur- und Reifenservice sowie Fahrzeugverwertung.

Der Ministerrat nahm die Ergebnisse der Arbeitsgruppe mit Beschluss vom 08.11.1999 zustimmend zur Kenntnis und beauftragte das Finanzministerium, in Abstimmung mit den betroffenen Ressorts die notwendigen personellen, rechtlichen und organisatorischen Maßnahmen zur Neustrukturierung des Kfz-Wesens einzuleiten und nach Ablauf einer Pilotphase über die Ergebnisse und die Einsparungen zu berichten.

2.2 Maßnahmen des Finanzministeriums

Das Finanzministerium untersagte im Jahr 2000 jegliche Ausnahme vom Einstellungsstopp für die im allgemeinen Dienstreiseverkehr eingesetzten Berufskraftfahrer und novellierte im Jahr 2002 seine Verwaltungsvorschrift für den Kraftfahrzeugbetrieb des Landes (VwVKfz) aus dem Jahr 1988. Hierdurch wurde der Berechtigtenkreis zur Inanspruchnahme von Berufskraftfahrern (§ 8 VwVKfz) eingeschränkt; außerdem wurden Regelungen zur wirtschaftlicheren Struktur des Fahrzeugbestandes und der Fahrbereitschaften vorgegeben.

Nach der VwV-Haushaltsvollzug 2006 gilt der Einstellungsstopp ohne Ausnahmen für die im allgemeinen Dienstreiseverkehr eingesetzten Kraftfahrer weiterhin. Für sonstige Kraftfahrer gilt ein allgemeiner Einstellungstopp. Bei Wiederbesetzung von Kraftfahrerstellen (persönliche Fahrer oder Fahrer im Kurierdienst) sind die im allgemeinen Dienstreiseverkehr eingesetzten Kraftfahrer - auch aus anderen Verwaltungen - zu verwenden.

Zu dem vom Ministerrat geforderten Bericht des Finanzministeriums über die Ergebnisse und die erzielten Einsparungen während der Pilotphase ist es im Einvernehmen mit dem Staatsministerium jedoch nicht gekommen, weil sich das Einsparpotenzial direkt aus den jeweiligen Haushaltsplänen entnehmen lasse.

2.3 Situation bei den Ressorts

Zum Zeitpunkt der gemeinsamen Untersuchung von Finanzministerium und Rechnungshof im Jahr 1998 waren landesweit 323 Stellen für Kraftfahrer ausgebracht (ohne Kraftfahrerstellen der Polizei). Die Arbeitsgruppe hatte ermittelt, dass 83 Stellen zur Abwicklung des Personenreiseverkehrs und der Kurierdienste ausreichen, womit sich ein Einsparpotenzial von 240 Stellen ergab. In diesem Umfang sollten Vermerke über künftig wegfallende Personalstellen (kw-Vermerke) in den Einzelplänen der Ressorts ausgebracht werden. Die Arbeitsgruppe ging davon aus, dass bis Ende des Jahres 2006 im Wege der natürlichen Fluktuation 150 Stellen gestrichen werden könnten.

Der Rückgang der Stellen für Berufskraftfahrer hat sich landesweit in dem von der damaligen Untersuchung umfassten Verwaltungsbereich jedoch nicht entsprechend den Prognosen entwickelt. Allerdings liegen auch die ausgebrachten kw-Vermerke unter den damals übereinstimmend vom Ministerrat getroffenen Vorgaben, wie Tabelle 1 zeigt.

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Die Zunahme an Stellen im Ressortbereich des Innenministeriums ist Folge der Eingliederung der oberen Landes- und Sonderbehörden in die Regierungspräsidien durch die Verwaltungsstrukturreform. Die bisher in anderen Einzelplänen ausgebrachten Kraftfahrerstellen mussten in die Stellenpläne der Regierungspräsiden umgegliedert werden. Hinzu kommen noch weitere 24 Personalstellen (ohne kw-Vermerke) der ehemaligen Landespolizeidirektionen, die in die entsprechenden Kapitel der Regierungspräsidien umgesetzt wurden, aber bei der Untersuchung der Arbeitsgruppe nicht berücksichtigt worden waren. Sie werden daher in den Vergleich nicht einbezogen.

Um die im Nachtrag zum Staatshaushaltsplan 2006 noch ausgebrachten 187 Stellen auf das von der Arbeitsgruppe als notwendig erachtete Maß von 83 Stellen zurückzuführen, wären insgesamt 104 kw-Vermerke auszubringen. Gegenüber dem aktuellen Stand von 74 kw-Vermerken fehlen damit landesweit 30 kw-Vermerke.

3 Prüfung bei den Regierungspräsidien

3.1 Kraftfahrerstellen und Berufskraftfahrer

Ende 2006 verfügten die Regierungspräsidien über 110 Kraftfahrerstellen, für die nur zum Teil kw-Vermerke ausgebracht sind. In Tabelle 2 ist dies dargestellt.

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Neben den 93 auf Kraftfahrerstellen geführten Bediensteten sind beim Regierungspräsidium Stuttgart zwei Personen und beim Regierungspräsidium Freiburg eine weitere Person als Fahrer tätig. Sie werden auf Stellen für Angestellte oder Arbeiter geführt, jedoch nach dem besonderen Fahrertarifvertrag erhöht entlohnt. Diese Praxis ist mit geltendem Haushaltsrecht unvereinbar.

Außerdem wurde beim Regierungspräsidium Tübingen festgestellt, dass vier Bedienstete auf Kraftfahrerstellen der ehemals selbstständigen Behörden geführt werden, obwohl sie nicht als Kraftfahrer eingestellt worden waren. Es ist nicht auszuschließen, dass hiermit der generelle Einstellungsstopp für Berufskraftfahrer des allgemeinen Dienstreiseverkehrs umgangen wurde.

Die derzeitige Stellenbesetzung bei den Regierungspräsidien lässt einen sofortigen Vollzug von 17 kw-Vermerken zu; davon sind im Staatshaushaltsplan 2007/2008 bereits acht realisiert.

3.2 Bedarf an Kraftfahrerstellen bei den Regierungspräsidien

Der Bedarf an Kraftfahrerstellen bemisst sich nach den Regelungen des § 8 VwVKfz, wonach nur den dort genannten Personen Berufskraftfahrer zur Verfügung stehen. Außerdem wird er durch den Umfang der Aufgaben mit überwiegender Fahrtätigkeit begrenzt.

Bei den Regierungspräsidien können derzeit ein Staatssekretär und die vier Regierungspräsidenten Dienstkraftfahrzeuge mit Berufskraftfahrern zur alleinigen bzw. zur bevorzugten Benutzung beanspruchen. Außerdem können die in § 8 Abs. 3 VwVKfz genannten Personen Berufskraftfahrer für einzelne Dienstfahrten anfordern. Vier dieser bevorrechtigten Funktionsträger fallen in den Zuständigkeitsbereich des Regierungspräsidiums Stuttgart; für die übrigen ist derzeit noch die Fahrbereitschaft der Oberfinanzdirektion Karlsruhe zuständig. Nach den Aufzeichnungen in den Fahrtenbüchern der Dienstfahrzeuge des Regierungspräsidiums Stuttgart wurden Fahrerkapazitäten von maximal einem halben Vollzeitäquivalent je beförderte Person in Anspruch genommen. Das ergibt einen Bedarf von zwei Kraftfahrerstellen.

Im Rahmen der Verwaltungsstrukturreform wurden auch je nach Regierungspräsidium fünf bis neun Kraftfahrerstellen der ehemaligen Landespolizeidirektionen aus Kapitel 0314 in die entsprechenden Kapitel der Regierungspräsidien umgegliedert. Der Bedarf an Berufskraftfahrern für Fahrdiensttätigkeiten bei der Polizei ist indes nach denselben Grundsätzen zu beurteilen wie in der übrigen Verwaltung. Daher ist ein Ausbringen von Kraftfahrerstellen für die Beförderung bestimmter Personen nicht gerechtfertigt. Insgesamt sind für unabweisbar notwendige Fahrtätigkeiten beim Regierungspräsidium Stuttgart höchstens zwei bis drei und bei den anderen Regierungspräsidien höchstens ein bis zwei Berufskraftfahrer erforderlich.

Das Regierungspräsidium Stuttgart ist als einzige der vier Behörden dafür zuständig, eine Vertretung für die persönlichen Fahrer der Ministerien sicher zu stellen. Hierfür ergab sich in der Vergangenheit ein Bedarf im Umfang von zwei Vollzeitäquivalenten.

Neben dem Fahrdienst zur Personenbeförderung sind im Rahmen der Verwaltungsstrukturreform bei den Regierungspräsidien in unterschiedlichem Umfang zusätzliche Kurierdienste eingerichtet worden. Die Prüfung beim Regierungspräsidium Stuttgart hat aber aufgezeigt, dass die dortigen Kurierrouten von derzeit 16 auf maximal 10 Routen reduziert werden können, weil sich die Zahl der Standorte und Außenstellen seit dem Stichtag der Verwaltungsstrukturreform deutlich verringert hat. Dadurch reduziert sich auch der für Kurierfahrten notwendige Personalbedarf von 16 auf 10 Berufskraftfahrer.

Derzeit werden bei den Regierungspräsidien in unterschiedlichem Umfang auch noch Kraftfahrerstellen für Fachaufgaben vorgehalten, z. B. für den Bereich Flurbereinigung. Die Auswertung von Fahrtenbüchern bei drei Regierungspräsidien ergab, dass die eigentliche Fahrtätigkeit deutlich weniger als die Hälfte der üblichen Arbeitszeit ausmacht. Daher besteht kein Bedarf für das Ausbringen spezieller Kraftfahrerstellen.

Tabelle 3 zeigt den unter Berücksichtigung anfallender Fahrervertretungen ausreichenden Stellenbedarf.

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Die Zahl der Kraftfahrerstellen übersteigt den aktuellen Bedarf somit um insgesamt 69 Stellen.

Das Innenministerium hält den von der Finanzkontrolle errechneten Bedarf des Regierungspräsidiums Stuttgart für nicht ausreichend, ohne allerdings eine eigene Berechnung vorzulegen. Sein Hinweis, die Fahrer müssten auch Selbstfahrerfahrzeuge pflegen und warten, ist eher ein Beleg dafür, dass die vorhandenen Kraftfahrerstellen nicht in diesem Umfang für den eigentlichen Zweck benötigt werden.

3.3 Folgerungen für den Bestand an Kraftfahrerstellen

Der deutlich geringere Bedarf an Kraftfahrerstellen für gesetzlich vorgesehene und wirtschaftlich begründete Fahrtätigkeiten bei den Regierungspräsidien erfordert Konsequenzen. In einem ersten Schritt müssen alle nicht besetzten Stellen gestrichen werden.

Soweit der Einsatz von bisher auf Kraftfahrerstellen geführten Bediensteten zur Erledigung von Fach- oder Querschnittsaufgaben weiterhin unabweisbar notwendig ist (z. B. Messgehilfen), sind die Kraftfahrerstellen in normale Arbeiterstellen umzuwandeln.

Des Weiteren sind alle über den aktuellen Bedarf von 41 Kraftfahrerstellen hinaus vorhandenen Stellen mit kw-Vermerken zu versehen.

Unabhängig davon sollten die Regierungspräsidien für alle Kurierdienste prüfen, ob die dauerhafte Verwendung von Landesbediensteten wirtschaftlicher ist als der Einsatz privater Dienstleister.

Im Übrigen sind bei einer landesweiten Bestandsanpassung auch die Stellen für den Fahrerpool der Oberfinanzdirektion in die Überlegungen mit einzubeziehen.

3.4 Senkung der Personalkosten der Berufskraftfahrer

Unabhängig vom notwendigen Bedarf an Berufskraftfahrern zur Abwicklung des Personenreiseverkehrs und der Kurierfahrten waren Art und Umfang des Einsatzes der vorhandenen Berufskraftfahrer zu bemängeln.

Für Berufskraftfahrer gilt der Tarifvertrag über die Arbeitsbedingungen der Personenkraftwagenfahrer der Länder (Pkw-Fahrer-TV-L). Hiernach erhalten sie in Abhängigkeit von ihrer geleisteten Arbeitszeit einen erhöhten Pauschallohn gemäß den folgenden Pauschalgruppen:

Pauschalgruppe Monatliche Arbeitszeit

I 185 bis 196 Stunden
II 197 bis 221 Stunden
III 222 bis 244 Stunden
IV 245 bis 268 Stunden

Von den Berufskraftfahrern der Regierungspräsidien erhalten rd. 70 % Lohn nach der höchsten Pauschalgruppe und werden damit für Dienstzeiten von durchschnittlich mehr als 250 Stunden je Monat oder rd. 12 Stunden je Tag entlohnt. Weitere fast 20 % werden nach der zweithöchsten Gruppe bezahlt.

Vor diesem Hintergrund hat die Finanzkontrolle bei drei Regierungspräsidien das Tätigkeitsprofil der Berufskraftfahrer im Personenreiseverkehr anhand der Fahrtenbücher und Tätigkeitsnachweise näher untersucht.

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Es zeigt sich, dass die hohen Arbeitszeiten von täglich fast 12 Stunden nur zu einem kleineren Anteil durch notwendige Fahr- und Beförderungszeiten (einschließlich der Arbeitsbereitschaft) bestimmt sind. Der Anteil für Rüst- und Nebenarbeiten in Höhe von 35 % beruht auf Rüstzeiten, welche die im Runderlass des Finanzministeriums aus dem Jahr 1990 angegebenen Richtwerte von 20 Minuten je Arbeitstag zum Teil deutlich übersteigen, sowie auf sonstigen Tätigkeiten, zu denen die Fahrer eingeteilt werden, wie Wagenpflege, Pförtner-, Schließ- oder anderen hausmeisterähnlichen Diensten.

Mehrere als Berufskraftfahrer beschäftigte Personen waren überdies ausschließlich mit reinen Innendiensttätigkeiten betraut, erhielten aber trotzdem die erhöhten Pauschalvergütungen.

Die intern dokumentierten Arbeitszeiten lassen überdies Rückschlüsse darauf zu, dass die dargestellten Tätigkeiten häufig nicht am tatsächlichen Bedarf für die Personenbeförderung ausgerichtet sind, sondern der Erfüllung der Mindeststundenzahl für die Erhaltung der Eingruppierung in eine höhere Pauschallohngruppe dienen.

Die langen Arbeitszeiten der Berufskraftfahrer sind maßgeblich durch Tätigkeiten verursacht, welche entweder entbehrlich sind (Fahrdienste für nicht nach § 8 VwVKfz berechtigte Personen) oder die nach dem Umfang der Fahrtätigkeit eine Beschäftigung als Kraftfahrer nicht rechtfertigen. Das gilt beispielsweise für das gelegentliche Führen eines Dienstkraftfahrzeugs für Fachabteilungen, wie beispielsweise das bloße Verbringen eines Messbusses an einen Einsatzort.

Bei entsprechender Planung bzw. Steuerung des Fahrereinsatzes und durch flexible Gestaltung der Arbeitszeiten könnten die vorhandenen Berufskraftfahrer die meisten Arbeiten einschließlich der anfallenden Fahrten innerhalb einer regelmäßigen Arbeitszeit nach § 6 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) erledigen. Dadurch würde eine erhöhte Vergütung nach Pkw-Fahrer-TV-L vermieden. Die Regierungspräsidien sollten deshalb sicherstellen, dass die noch vorhandenen Kraftfahrer nur noch für zulässige und unabweisbar notwendige Fahrdienste eingesetzt werden und dabei

  • die vom Finanzministerium festgelegten Richtwerte für Rüstzeiten einhalten,

 

  • notwendige Vor- und Nacharbeiten und Wagenpflege innerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit nach TV-L erledigen, wie dies beispielsweise beim Regierungspräsidium Tübingen geregelt ist,

 

  • aufgrund konkreter Reinigungs- und Pflegevorgaben für den gesamten Fuhrpark unnötige Mehrfachreinigungen vermeiden,

 

  • für sonstige Tätigkeiten nur im Rahmen der nach TV-L üblichen Arbeitszeit eingesetzt werden.

Hierdurch können Einsparungen von jährlich 0,5 Mio. € erzielt werden.

4 Wirtschaftlichkeit der Fuhrparks

4.1 Bestand und Struktur der Dienstfahrzeuge bei den Regierungspräsidien

Im Rahmen der Verwaltungsstrukturreform mussten die Regierungspräsidien auch die Fahrzeugbestände der eingegliederten Behörden übernehmen, wodurch sich bei ihnen die Zahl der Dienstfahrzeuge vervielfachte. Die Fahrzeuge lassen sich ihrem Bestimmungszweck nach grob wie folgt unterteilen:

  • Fahrzeuge zur Personenbeförderung (Personenkraftwagen in Form von Pkw und Kleinbussen),

 

  • Sonderfahrzeuge, beispielsweise für Straßenbau und Landwirtschaft.

Da sich der Ministerrat im Jahr 1999 nur mit Fahrzeugen zur Personenbeförderung befasste, welche in der Regel auch zu Kurierdiensten eingesetzt werden können, und auch den Fuhrpark der Polizei unberücksichtigt ließ, hat sich die Prüfung auf diesen Bereich beschränkt. Die Regierungspräsidien taten sich allerdings zum Teil recht schwer, ihre aktuellen Fahrzeugbestände nach der Verwaltungsstrukturreform zu benennen und zu dokumentieren. In Tabelle 5 sind deshalb bei der Darstellung des Gesamtbestands und der Verteilung auf Leasing- und Kauffahrzeuge Ungenauigkeiten nicht ganz auszuschließen.

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Auffällig ist die hohe Zahl von 75 gekauften Kleinbussen beim Regierungspräsidium Stuttgart, die sich auf sämtliche Abteilungen verteilen und auch zum Personentransport eingesetzt werden.

Der noch hohe Anteil von 63 % an Kauffahrzeugen findet sich hauptsächlich in der Gruppe der von den eingegliederten Behörden übernommenen Fahrzeuge. Hingegen sind die Dienstfahrzeuge der bisherigen zentralen Fahrzeugpools mehrheitlich geleast. Bei Pkw handelt es sich weitgehend um Serienfahrzeuge der Mittelklasse deutscher Automobilhersteller.

Die Kauffahrzeuge sind überwiegend älter als vier, teilweise sogar älter als zehn Jahre. Die vom Land angestrebte kürzere Haltedauer zur Reduzierung von Unterhaltungskosten bei den Kauffahrzeugen wurde also vielfach nicht erreicht bzw. eingehalten. Die Fahrzeuge wurden in der Vergangenheit meistens einzeln beschafft. Dadurch entstand ein sehr heterogener Fuhrpark mit unterschiedlichen Fahrzeugmarken und -typen.

4.2 Vergabewesen bei Dienstfahrzeugen

Der Bedarf an Ersatz- und Neubeschaffungen wird von den zentralen Fahrbereitschaften und nach wie vor von den Fachabteilungen ermittelt. Lediglich die Abwicklung der Vergabe, die Bezahlung und die Bestandsverwaltung sind überwiegend in den Organisations- und Haushaltsreferaten zusammen geführt worden. Mangels Abstimmung kommt es jedoch häufig nicht zu der kostengünstigeren Bündelung von Beschaffungen, und zwar unabhängig davon, ob gekauft oder geleast wird.

Die Regierungspräsidien haben in jedem Jahr im Schnitt mehr als 200 Fahrzeuge zur Personenbeförderung beschafft, und zwar überwiegend einzeln in freihändiger Vergabe. Nach eigenen Angaben haben sie zumeist eine telefonische Preisabfrage bei zwei bis drei Herstellern durchgeführt und die Fahrzeuge dann bei den günstigsten Anbietern bestellt. Trotzdem ergaben die Recherchen der Finanzkontrolle teilweise günstigere Angebote bei anderen vergleichbaren deutschen Herstellern. Auch waren teilweise erhebliche Mängel beim Führen der Vergabeakten festzustellen. Weder wurden Vergleichsangebote schriftlich festgehalten noch wurden die Gründe für die Wahl der Vergabeart und des Zuschlags an einen Anbieter angeführt. Hierin liegen Verstöße gegen die Vorschriften der Verdingungsordnung für Leistungen - Allgemeiner Teil und der Beschaffungsanordnung, weil die Auftragswerte häufig zumindest eine beschränkte Ausschreibung erfordert hätten und revisionssichere Vergabeakten nicht geführt werden.

4.3 Auslastung der Dienstkraftfahrzeuge

Die Regierungspräsidien verfügten über keine verwertbaren Auslastungszahlen für die Fahrzeuge zur Personenbeförderung. Daraus lässt sich schließen, dass Fahrzeuge ohne nähere Prüfung des wirklichen Bedarfs routinemäßig ersatzbeschafft wurden. Die Finanzkontrolle hat deshalb anhand der Fahrtenbücher für zahlreiche Fahrzeuge Auslastungskennzahlen ermittelt. Die Auslastung lag im Schnitt bei rd. 65 %, bei zahlreichen Fahrzeugen jedoch unter 50 % und in einigen Fällen sogar unter 30 %. Auch die durchschnittliche Fahrleistung unter 15.000 km je Jahr ist bei vielen Fahrzeugen zu gering. Damit ist ein wirtschaftlicher Einsatz nicht gewährleistet. Erhebliche Überkapazitäten sind die Folge.

Beispielsweise unterhält das Regierungspräsidium Stuttgart acht gekaufte Kleinbusse zur gelegentlichen Beförderung von externen Delegationen. Diese Fahrzeuge wurden im Schnitt nur an 57,5 Tagen in Anspruch genommen, in einem Fall nur an 9 Tagen. Diese geringe Auslastung ist unwirtschaftlich und führt zu vermeidbaren Fahrzeug- und Unterbringungskosten. Dem Regierungspräsidium wird daher empfohlen, die Zahl der Kleinbusse von acht auf drei zu reduzieren. Die übrigen Fahrzeuge sollten verwertet werden.

Auch bei den übrigen Personenkraftwagen der einzelnen Regierungspräsidien besteht erhebliches Effizienzpotenzial durch eine optimierte Fahrzeugauslastung. Allein beim Regierungspräsidium Tübingen macht dieses Wirtschaftlichkeitspotenzial bis zu 15 % der Personenkraftwagen (7 Fahrzeuge) am Standort Tübingen aus. Beim Regierungspräsidium Stuttgart sind von 54 Selbstfahrerfahrzeugen sogar fast 30 % (15 Fahrzeuge) überzählig.

4.4 Unterhaltungskosten der Dienstkraftfahrzeuge

Die Marken- und Typenvielfalt verbunden mit einem relativ hohen Bestand an älteren gekauften Fahrzeugen verursachen einen erhöhten Unterhaltungsaufwand bei der Fuhrparkbewirtschaftung. Bei der heterogenen Struktur der Fahrzeugflotte können beispielsweise kaum Winterreifen für Folgefahrzeuge wieder verwendet werden. Ältere Fahrzeuge erzeugen naturgemäß höhere Reparaturkosten, da die Laufzeiten die Gewährleistungsfrist überschreiten. Schließlich müssen Geschäftsbeziehungen mit zahlreichen Vertragspartnern (Leasingfirmen, Werkstätten) unterhalten werden, was erhöhten Verwaltungsaufwand nach sich zieht.

4.5 Wirtschaftlichkeitsvergleich Kauf oder Leasing

Die den Regierungspräsidien seit einigen Jahren von den Fahrzeugherstellern angebotenen Konditionen in Leasingverträgen sind für die Behörden kostengünstig (Jahresleasingverträge ohne Kaufoption). Bei einem Kostenvergleich für einen Pkw zum Kaufpreis von 21.000 € ergibt sich ein jährlicher Kostenvorteil bei Leasing von deutlich mehr als 2.000 € gegenüber Kauf, bei fünf- oder sechsjähriger Nutzungsdauer. Bei vollständigem Übergang auf Leasingfahrzeuge wäre somit bei den Regierungspräsidien mit einer Reduzierung der jährlichen Sachausgaben von bis zu 0,5 Mio. € zu rechnen.

Der Kauf von Fahrzeugen kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn besondere Gründe hierfür sprechen, beispielsweise die Gefahr hoher sogenannter Beulengelder durch außergewöhnliche Beanspruchung. Dies dürfte sich jedoch auf Fahrzeuge beschränken, die häufig abseits befestigter Straßen im Einsatz sind, z. B. im Forstbereich.

4.6 Handlungsbedarf bei der Fahrzeugflotte der Regierungspräsidien

Um die festgestellten Schwachstellen zu beseitigen, sind verschiedene Maßnahmen erforderlich.

Der Rechnungshof empfiehlt bei Kauffahrzeugen eine deutlich kürzere Haltedauer. Der Beschaffung von Dienstfahrzeugen durch Kauf sollte allerdings nur noch in begründeten Ausnahmefällen der Vorzug gegeben werden; Leasing ist in der Regel günstiger.

Die Regierungspräsidien sollten zügig die Auslastungszahlen für ihre Dienstkraftfahrzeuge ermitteln und die Möglichkeiten prüfen, wie durch optimierten Fahrzeugeinsatz Überkapazitäten an den jeweiligen Standorten freigesetzt werden können. Bei den Selbstfahrerfahrzeugen sollte ein Einsatz an durchschnittlich vier Arbeitstagen und eine jährliche Kilometer-Leistung von mehr als 30.000 km erreicht werden, wie dies beispielsweise bei vielen Fahrzeugen des zentralen Fahrzeugpools der Regierungspräsidien Karlsruhe und Tübingen vor der Verwaltungsstrukturreform der Fall war. In der Summe könnte dadurch der Bestand an Fahrzeugen um 15 % bis 20 % reduziert werden; jährlich könnten somit Fahrzeugkosten von 0,2 Mio. € eingespart werden.

Wie der Rechnungshof schon bei der Prüfung von Beschaffungen im Bereich der IuK festgestellt hat (Denkschrift 2003, Nr. 6, Beschaffung von IuK-Geräten), bringt eine Atomisierung gleichartiger Beschaffungsvorgänge Kostennachteile mit sich. Durch fehlende Bündelungen können Preisvorteile verloren gehen. Bei abgestimmter behördenübergreifender Bedarfsermittlung und gemeinsamer Beschaffung sind günstigere Ergebnisse zu erzielen. Auch verursachen Einzelbeschaffungen, vor allem durch sogenannte Gelegenheitsbeschaffer, erhöhten Zeitaufwand bei der Abwicklung von Vergaben. Auch eine professionelle Praxis in der Anwendung vergaberechtlicher Vorschriften ist nicht gewährleistet. Diesen negativen Erscheinungen könnte durch eine Zusammenfassung von Fahrzeugbeschaffungen entgegen gewirkt werden.

Die Vielfalt an Fahrzeugmarken und -typen ist ebenfalls für erhöhten Unterhaltungsaufwand verantwortlich, weshalb eine weitere Standardisierung der Fahrzeuge erforderlich ist, zumal die Einsatzzwecke im Bereich des Personenreiseverkehrs bei den Regierungspräsidien im Wesentlichen gleich sind. Auch dies könnte durch Ausschreibung größerer Lose von Fahrzeugen erreicht werden.

Der Rechnungshof empfiehlt daher, die Beschaffung von Serienfahrzeugen für den Personenreiseverkehr an einer zentralen Stelle zusammenzuführen. Hierfür bieten sich mehrere Möglichkeiten an:

  • Die gemeinsame Beschaffungsstelle des Landes, das Logistikzentrum Baden-Württemberg, welches über ausreichende Kompetenz im Vergabewesen verfügt, mittlerweile auch in der Abwicklung über das Internet,

 

  • ein Vorort-Regierungspräsidium oder

 

  • das Innenministerium, das die Polizeieinsatzfahrzeuge bereits zentral beschafft.

Eine solche zentrale Beschaffung sollte sich darüber hinaus nicht auf die Dienstkraftfahrzeuge für den Personenreiseverkehr der Regierungspräsidien beschränken. In den Verwaltungsbereichen des Landes werden mehr als 1.000 Personenkraftwagen und Kleinbusse als Dienstkraftfahrzeuge im Personenreise- und Kurierverkehr eingesetzt. Dabei sind die Dienstfahrzeuge der Polizei nicht eingerechnet. Die Erfahrungen bei der Bundeswehr zeigen, dass eine zentrale Beschaffung wirtschaftlich ist. Die Bundeswehr hat durch eine Zentralisierung der Kfz-Beschaffung - hierzu wurde im Jahr 2002 die bundeseigene BW Fuhrpark Service GmbH gegründet - erhebliche Einsparungen erzielt.

In diesem Zusammenhang sollte geprüft werden, ob auch bei den Sonderfahrzeugen eine gemeinsame Beschaffung möglich ist.

Der Empfehlung für eine zentrale Beschaffung steht das Innenministerium aufgeschlossen gegenüber. Es lässt jedoch die von ihm favorisierte Lösung nicht erkennen.

5 Optimierung der Strukturen bei den zentralen Fahrbereitschaften

Das Finanzministerium hat in §§ 20 ff. VwVKfz Regelungen geschaffen, um die Strukturen der zentralen Fahrbereitschaft zu optimieren und den Einsatz neuer Steuerungsinstrumente sowie die Verlagerung von Aufgaben auf private Dienstleister zu prüfen.

5.1 Zentrale Einsatzplanung von Fahrern und Fahrzeugen

Bei den zentralen Fahrbereitschaften gibt es Synergiedefizite. Vor allem die Vorgaben der VwVKfz wie

  • zentraler Fahrzeugstandort in der Nähe der Einsatzzentrale,
  • Dienst- und Fachaufsicht über alle Kraftfahrer bei der zentralen Fahrbereitschaft und
  • Verfügungsbefugnis der Einsatzzentrale über alle Dienst-Kfz

sind noch nicht konsequent umgesetzt worden.

Bei den Regierungspräsidien sind zwar zentrale Fahrbereitschaften eingerichtet; die Einsätze von Dienstkraftfahrzeugen und Berufskraftfahrern werden jedoch noch in erheblichem Umfang von den ehemaligen bis zur Verwaltungsstrukturreform selbstständigen Dienststellen (heute Abteilungen) eigenständig geplant. Auch die Dienst- und Fachaufsicht über die Kraftfahrer wird teilweise durchbrochen. So verfügen beispielsweise die Abteilungen 6 - Landespolizeidirektionen - häufig über ihre ehemaligen Fahrer, ohne die zentrale Fahrbereitschaft über den Zweck und die Dauer der Einsätze zu unterrichten.

Von den Regierungspräsidien wurde vorgetragen, dass die ehemals eigenständigen und nunmehr eingegliederten Dienststellen Zentralisierungsmaßnahmen der Leitung der Regierungspräsidien als Kompetenzbeschneidung ansehen und folglich in Teilbereichen die Rationalisierungsmaßnahmen kritisch betrachten und zeitlich verzögern. Sie planen die Einsätze ihrer bisherigen Fahrzeuge für den Personenreiseverkehr immer noch selbst, und zwar auch soweit es sich um Fahrzeuge am zentralen Standort der Regierungspräsidien handelt. Art und Umfang kann am Beispiel des Regierungspräsidiums Tübingen verdeutlicht werden. In ähnlicher Weise stellt sich die Situation bei den übrigen Regierungspräsidien dar.

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Die dezentrale Einsatzplanung der an einem Standort vorhandenen Berufskraftfahrer und Fahrzeuge für die Personenbeförderung bindet an mehreren Stellen Personalkapazitäten. Sie ist unwirtschaftlich und widerspricht den Regelungen in § 20 VwVKfz. Überdies wird das Ausnutzen vorübergehend freier Kapazitäten erschwert.

Zur Beschleunigung der Abläufe und zur Kostenreduzierung sollten der haushaltsmäßigen Umgliederung der Kraftfahrerstellen auch die organisatorischen Konsequenzen folgen und sämtliche Berufskraftfahrer der Regierungspräsidien den zentralen Fahrbereitschaften unterstellt werden. Eine weitere Verbesserung lässt sich durch eine zentrale Einsatzplanung erreichen.

5.2 Einsatz von Steuerungsinstrumenten

Nach § 21 Abs. 3 VwVKfz haben die zentralen Fahrbereitschaften nutzerbezogene Kfz-Betriebskosten zu ermitteln und den Nutzern mitzuteilen. Hierdurch sollte ein Kostenbewusstsein bei allen die Leistungen der zentralen Fahrbereitschaft in Anspruch nehmenden Einrichtungen und Dienststellen hergestellt werden.

Die Regierungspräsidien haben zwar im Rahmen des NSI-Projekts eine Kosten- und Leistungsrechnung eingeführt und der zentralen Fahrbereitschaft eine Kostenstelle zugeordnet; eine systematische kostenrechnungsgestützte Kennzahlenbildung ist bislang jedoch nicht erfolgt. Auch die Fahrtenbücher, Arbeitszeitnachweise und die Unterhaltskostennachweise konnten keine ausreichenden Daten für die Steuerung liefern. Sie waren häufig unvollständig und uneinheitlich geführt. Deshalb verfügen die zentralen Fahrbereitschaften weder über detaillierte Angaben zum Kfz-Einsatz und zur Kfz-Auslastung noch über gesichertes Datenmaterial hinsichtlich der fahrzeugbezogenen Kosten.

Ohne solche Basisdaten und steuerungsrelevante Kennzahlen ist ein modernes und der Größe des Fuhrparks angemessenes Management nicht möglich. Ziel muss die Darstellung der Gesamtkosten und Gesamtfahrleistungen sowie der fahrzeugbezogenen Einzelkosten sein, damit Daten für Beschaffungs- und Aussonderungsentscheidungen sowie für eine verursachergerechte Kostenzuordnung zur Verfügung stehen (Kostenmanagement).

Die Sicherstellung eines wirtschaftlichen Fuhrparkbetriebs (Bewirtschaftung und Einsatz der Dienst-Kfz) erfordert eine systematische Erhebung aussagekräftiger Kennzahlen über den Fahrzeugeinsatz.

Für die Regierungspräsidien sollte deshalb zügig ein geeignetes elektronisch gestütztes Fuhrparkmanagement-System mit klar definierten Steuerungskennzahlen eingeführt werden. Hierfür könnte sich das bereits bei der Polizei flächendeckend eingesetzte System Cosware anbieten. Die Regierungspräsidien sollten ihrerseits sicherstellen, dass die dafür erforderlichen Daten zur Verfügung stehen.

6 Einsatz privater Dienstleister

Die Arbeitsgruppe war bei Ihrer Untersuchung zum Ergebnis gelangt, dass eine Vergabe des gesamten Fuhrparkmanagements auf einen privaten Dienstleister unwirtschaftlich ist, weil

  • das Kfz-Wesen eng mit den nutzenden Dienststellen verflochten und deshalb dezentral zu strukturieren sei,

 

  • sich der Personalaufwand in den Dienststellen bei der Einrichtung eines völlig zentralisierten Betriebs nicht nennenswert reduzieren ließe, da der meiste Arbeitsaufwand mit dem täglichen Betrieb und den bei den Dienststellen verbleibenden Halterpflichten zusammenhänge und vor Ort erledigt werden müsse.

Lediglich die Vergabe der Teilbereiche Tankservice, Reparatur, Reifen und Zahlungsabwicklung sowie der Verwertung der Fahrzeuge wurde als wirtschaftlich sinnvoll angesehen. Die Regierungspräsidien haben diese Teilbereiche bisher nur teilweise und nur in Ansätzen auf private Dienstleister verlagert, z. B. bei der Betankung und bei der Fahrzeugverwertung. Reparaturen werden teilweise an private Kfz-Werkstätten vergeben, teilweise aber auch in Polizei-Werkstätten durchgeführt. Zur Erledigung von Reifen- und Pflegediensten werden häufig die noch vorhandenen Berufskraftfahrer eingesetzt.

Die Rahmenbedingungen, die der Bewertung der Arbeitsgruppe zugrunde lagen, haben sich durch die Verwaltungsstrukturreform allerdings geändert. Sie brachte eine deutliche Konzentration zuvor eigenständiger Fuhrparks und Fahrbereitschaften bei den Regierungspräsidien. Die damalige Argumentation der Arbeitsgruppe, bei den zahlreichen Dienststellen würden weiterhin erhebliche Personalressourcen zur Sicherstellung des Fuhrparkbetriebs gebunden, ist deshalb zu überdenken. Die Landesregierung sollte mit Blick auf die aktuelle Situation bei den Regierungspräsidien unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit erneut prüfen, ob Fuhrpark und zentrale Fahrbereitschaften nunmehr kostengünstiger durch einen privaten Dienstleister betrieben werden können. Diese Auffassung wird vom Innenministerium grundsätzlich geteilt.

Solange ein solcher Paradigmenwechsel allerdings noch nicht vollzogen ist, sollten die Regierungspräsidien prüfen, ob Leistungen wie Reifen- und Pflegedienste anstelle einer Fremdvergabe nicht kostengünstiger durch derzeit noch über Bedarf vorhandene Berufskraftfahrer erbracht werden können.

7 Zusammenfassende Stellungnahme der Ministerien

Innenministerium und Finanzministerium stehen den Anregungen des Rechnungshofs trotz verschiedener Einwendungen im Detail insgesamt positiv gegenüber, sehen aber noch Abstimmungs- und Abklärungsbedarf mit den Regierungspräsidien.

8 Schlussbemerkung

Als Ergebnis der Untersuchung der Finanzkontrolle kann festgehalten werden, dass der Beschluss des Ministerrats aus dem Jahr 1999 auch nach sieben Jahren noch nicht ausreichend umgesetzt wurde.

Die Prüfung hat zudem erhebliche Wirtschaftlichkeitspotenziale im Kfz-Wesen der Regierungspräsidien ergeben. Diese Potenziale können durch die Verwaltungsstrukturreform nunmehr besser erschlossen werden.

Entgegen der Auffassung von Innenministerium und Finanzministerium hält der Rechnungshof die Unterrichtung des Landtags vor der Evaluierung der Verwaltungsstrukturreform nicht für verfrüht, weil damit dem Landtag kurzfristig realisierbare Einsparmöglichkeiten aufgezeigt werden.


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Anhänge

Das Beschussamt Ulm hat für seinen privatrechtlichen Aufgabenbereich seit zehn Jahren die Entgelte nicht angepasst. Dadurch entstand in den Jahren 2002 bis 2005 ein Einnahmenverlust von rd. 680.000 €. Für das Beschussamt Ulm wurde ein 1,6 Mio. € teurer Erweiterungsbau bewilligt. Nachdem der Rechnungshof die Wirtschaftlichkeit und die Finanzierbarkeit der Maßnahme ohne zusätzliche Belastung des Landeshaushalts bezweifelt hatte, wurde die Baumaßnahme nachträglich mit Sicherheitsaspekten begründet.


1 Vorbemerkung

Das Beschussamt Ulm wurde 1952 gegründet. Es ist die einzige staatliche Behörde für Waffen- und Sicherheitstechnik in Baden-Württemberg und die größte von sieben Einrichtungen dieser Art in der Bundesrepublik Deutschland mit 20 Personalstellen.

Die Zuständigkeit der Beschussämter erstreckt sich auf die Prüfung von Jagd-, Sport- und Verteidigungswaffen sowie deren Munition. Eine örtliche Zuständigkeit ist nicht festgelegt; alle Beschussämter stehen somit zueinander in Konkurrenz.

Das Beschussamt Ulm gehörte bis 2004 zum damaligen Landesgewerbeamt. Zum Jahresbeginn 2005 wurde es als eigenständiges Referat in das Regierungspräsidium Tübingen eingegliedert. Die Dienstaufsicht obliegt nun dem Innenministerium, die Fachaufsicht verblieb dem Wirtschaftsministerium.

Die Aufgaben des Beschussamts sind im Wesentlichen hoheitlicher Art und insbesondere durch das Waffengesetz und das Beschussgesetz festgelegt. Daneben werden gesetzlich nicht geregelte Sonderaufgaben (Waffen- und Munitionserprobungen) und durch Erlasse als Dienstaufgabe auferlegte Aufgaben der Sicherheitstechnik (Materialprüfungen) durchgeführt. So prüft das Beschussamt Ulm im Aufgabenbereich Sicherheitstechnik für Herstellerfirmen, Banken, Behörden, Architekten und Ingenieurbüros neben den beiden bayerischen Beschussämtern Mellrichstadt und München Materialien (z. B. Panzerglas, Schutzwesten, Sonderschutzfahrzeuge) zur Feststellung ihrer Angriff hemmenden Wirkung. Im Sonderaufgabenbereich zertifiziert das Beschussamt Waffen und Munition für Herstellerbetriebe, die dieses Zertifikat benötigen, um sich an Ausschreibungen im Rahmen von Beschaffungsmaßnahmen der Polizei beteiligen zu können.

2 Haushalts- und Wirtschaftsführung

2.1 Einnahmen

Die Einnahmen für Amtshandlungen, Prüfungen und Untersuchungen basieren auf unterschiedlichen Gebühren- bzw. Entgeltregelungen.

Im Bereich der Waffen- und Munitionstechnik sind die Gebührensätze bundeseinheitlich bestimmt. Die maßgeblichen Gebührensätze wurden zuletzt 1997 angepasst. Zeitgebühren für Tätigkeiten (z. B. Reisezeiten, Berichtszeiten und Kleinreparaturen) ohne gesetzlich festgelegte Gebührensätze sind nach den Stundensätzen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt festzusetzen. Für Beratungs- und Gremienarbeit dürfen aufgrund gesetzlicher Regelung keine Gebühren erhoben werden.

Im Bereich der Sicherheitstechnik werden für die Materialprüfungen die Entgelte nach wie vor aufgrund einer privatrechtlichen Entgeltregelung des damaligen Landesgewerbeamts erhoben. Die Entgeltregelung vom Juli 1991 wurde letztmals im Juli 1996 angepasst.

Für die Sonderaufgaben wurden keine privatrechtlichen Entgeltregelungen getroffen, sondern seit 1997 Entgelte in Anlehnung an die Stundensätze der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt des Jahres 1995 erhoben. Obwohl diese Stundensätze auf Bundesebene dreimal fortgeschrieben wurden, hat das Beschussamt seine Stundensätze nicht angepasst. Dadurch sind dem Land in erheblichem Umfang Einnahmen entgangen.

Sowohl die Einnahmen aus dem Bereich Sicherheitstechnik als auch aus dem Bereich Sonderaufgaben werden steuerlich als Einnahmen eines Betriebs gewerblicher Art behandelt und unterliegen der Umsatzsteuer.

Die vom Beschussamt gebuchten Einnahmen der Jahre 2002 bis 2005 sind in Tabelle 1 dargestellt.

2007-B09-Tab1.jpg

Zwei Drittel der Einnahmen im Mittel der Jahre 2002 bis 2005 wurden im hoheitlichen Aufgabenbereich (Waffen- und Munitionstechnik) erzielt, insgesamt rund ein Drittel in den privatrechtlichen Aufgabenbereichen „Sicherheitstechnik“ und „Sonderaufgaben“.

2.2 Einnahmen nach der neuen Entgeltregelung

Aufgrund der Prüfungsfeststellungen des Staatlichen Rechnungsprüfungsamts Tübingen wurden die Stundensätze des Beschussamts für die Aufgabenbereiche Sicherheitstechnik und Sonderaufgaben zum Jahresbeginn 2007 erhöht und jeweils den aktuellen Stundensätzen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt angepasst. Bei typisierten Prüfungen mit pauschalen Kostensätzen, wie zum Beispiel beim Durchschuss oder Durchbruch von Glasscheiben, sowie bei den Entgelten für die Anlagennutzung werden aber weiterhin die Kostensätze des Jahres 1996 angesetzt.

Zur Darstellung der Auswirkung der neuen Entgeltregelung wurden für den Bereich der Sicherheitstechnik die Einnahmen der Jahre 2002 bis 2004 nach der bisherigen Entgeltregelung und fiktiv nach der neuen Entgeltregelung berechnet (siehe Tabelle 2). Für das Jahr 2005 war mangels geeigneter Daten keine Berechnung möglich.

2007-B09-Tab2.jpg

Die fiktive Berechnung zeigt, dass die neue Entgeltregelung zu einer durchschnittlichen Einnahmenerhöhung von jährlich rd. 44.000 € führt. Dennoch verbleibt jährlich eine durchschnittliche Unterdeckung von rd. 115.000 €.

2.3 Kostendeckung

2.3.1 Allgemeines

Nach § 16 des Beschussgesetzes sind die Gebührensätze für Amtshandlungen für den hoheitlichen Bereich der Waffen- und Munitionsprüfung so zu bemessen, dass der mit der Amtshandlung, Prüfung oder Untersuchung verbundene Personal- und Sachaufwand gedeckt wird. Abschreibungen und kalkulatorische Zinsen werden bisher nicht berücksichtigt.

Im privatrechtlichen Bereich werden laut Wirtschaftsministerium die Entgelte auf der Basis einer betriebswirtschaftlichen Kostenkalkulation und unter Beachtung der VwV-Kostenfestlegung erhoben, was zu dem hohen Kostendeckungsgrad des Beschussamts von rd. 90 % führe.

2.3.2 Vollkostenrechnung

Auf der Grundlage der vorgelegten Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen für die Jahre 2002 bis 2004 sowie nach der beim Regierungspräsidium Tübingen für das Jahr 2005 geführten Kosten- und Leistungsrechnung wurde vom Staatlichen Rechnungsprüfungsamt Tübingen eine Vollkostenrechnung durchgeführt. Hierbei wurden insbesondere die bisher nicht enthaltenen Abschreibungen und die kalkulatorischen Zinsen für Gebäude und Wirtschaftsgüter berücksichtigt.

Zur Darstellung der Kostendeckung sowohl für die hoheitlichen als auch für die privatrechtlichen Aufgabenbereiche wurden zudem die Kosten den verschiedenen Aufgabenbereichen zugeteilt. Die sich hiernach ergebenden Ergebnisrechnungen sowie die Kostendeckung der Jahre 2002 bis 2005 sind in Tabelle 3 dargestellt.

2007-B09-Tab3.jpg

In den Jahren 2002 bis 2005 entstand danach insgesamt eine Unterdeckung von 1,73 Mio. €. Davon entfallen auf den Bereich der Waffen- und Munitionstechnik 1,02 Mio. € (rd. 59 %), auf den Bereich der Sicherheitstechnik 0,62 Mio. € (rd. 36 %) und auf den Bereich der Sonderaufgaben 0,09 Mio. € (rd. 5 %) der Kostenunterdeckung.

Im privatrechtlichen Aufgabenbereich der Sicherheitstechnik lag entgegen den Annahmen des Wirtschaftsministeriums der Kostendeckungsgrad in den Jahren 2002 bis 2005 nur bei durchschnittlich 65 %. Dies entspricht einer Gesamtunterdeckung von rd. 620.000 €. Unter Berücksichtigung von nicht abrechenbaren Leistungen in Höhe von rd. 35.000 € (2 % der Gesamtausgaben des Bereichs Sicherheitstechnik) verbleibt ein nicht durch Einnahmen gedecktes Defizit in Höhe von insgesamt rd. 585.000 €. Die Hauptursache dieser Kostenunterdeckung liegt in den seit mehr als zehn Jahren nicht mehr angepassten Entgelten. Begünstigt wurde die Kostenunterdeckung außerdem durch die fehlende Kontrolle des Wirtschaftsministeriums. Das Wirtschaftsministerium hat am 08.07.2003 im Wirtschaftsausschuss des Landtags erklärt, höhere Gebühren würden die Belastungen der baden-württembergischen Wirtschaft erhöhen, was nicht im Sinne des Wirtschaftsministeriums sei. Der Rechnungshof hat keine Unterlagen gefunden, aus denen sich ergibt, dass das Wirtschaftsministerium die zugesagte Prüfung einer Gebührenerhöhung durchgeführt hat.

Bei den Sonderaufgaben errechnet sich für den Zeitraum 2002 bis 2005 eine Kostenunterdeckung in Höhe von insgesamt rd. 92.000 €, die bei Berücksichtigung der fortgeschriebenen Stundensätze der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt nicht angefallen wäre.

2.4 Bewertung und Empfehlung

Für den Bereich der Waffen- und Munitionstechnik erfolgte die Gebührenanpassung auf Bundesebene bisher nur sehr schleppend. Die neue Verordnung des Bundesministeriums des Inneren zur Änderung der Kostenverordnung zum Waffengesetz soll nun voraussichtlich im Laufe des Jahres 2007 in Kraft treten. Aufgrund der erheblichen finanziellen Auswirkung beim Beschussamt in der Vergangenheit wird empfohlen, künftig auf zeitnahe Anpassungen hinzuwirken.

Bei der Sicherheitstechnik wird auch die Berechnung der seit dem 01.01.2007 erhöhten Stundensätze nicht die gewünschte Kostendeckung bewirken. Wie in Tabelle 2 dargestellt, hätte die neue Entgeltregelung in den Jahren 2002 bis 2004 zwar zu einer Einnahmenerhöhung, bei weitem aber zu keiner vollen Kostendeckung beigetragen. Die Entgelte sind daher aufgrund einer vollständigen Kosten- und Leistungsrechnung mit dem Ziel einer vollen Kostendeckung neu zu kalkulieren. Des Weiteren ist dafür Sorge zu tragen, dass künftig die Entgelte zeitnah angepasst werden.

Für den Bereich der Sonderaufgaben kann die Anwendung der erhöhten Stundensätze künftig zu einer Kostendeckung beitragen.

3 Erweiterungsbau

3.1 Vorgeschichte

Das Beschussamt Ulm hatte im Jahr 2000 zur Verbesserung der räumlichen Situation beim Materialbeschuss, zur Durchführung von Beschussprüfungen gepanzerter Fahrzeuge und großer Bauobjekte sowie zur Schaffung neuer Räume für neue Prüfaufgaben die Erstellung und Finanzierung eines Erweiterungsbaus beantragt. Die beantragte Baumaßnahme bezog sich damit ausschließlich auf die nicht gesetzlich geregelten Aufgabenbereiche Sicherheitstechnik (Materialprüfungen) und Sonderaufgaben (Waffen- und Munitionserprobungen).

Nachdem der erste Antrag wegen der schwierigen Haushaltslage im Jahr 2000 vom Finanzministerium zurückgestellt worden war, wiederholte das Wirtschaftsministerium im Februar 2003 seinen Antrag mit dem Hinweis, dass der Erweiterungsbau für die Aufgabenerfüllung des Beschussamts Ulm unabdingbar sei. Es werde künftig mit einer Kostendeckung von 90 % gerechnet. Durch die Baumaßnahme würden jährliche Mehreinnahmen erwartet. Dadurch würden sich die Bauinvestitionen in längstens zehn Jahren amortisieren.

Daraufhin wurden im Haushaltsplan 2005/2006 die Haushaltsmittel mit dem Haushaltsvermerk „die Ausgabenermächtigung erhöht sich um Mehreinnahmen bei Titel 111 85“ bereitgestellt. Vorfinanziert werden soll die Maßnahme von der Finanzierungsgesellschaft für öffentliche Vorhaben des Landes Baden-Württemberg GmbH (Baufinanz). Das Finanzministerium ging davon aus, dass die Finanzierung durch eine Transferleistung von jährlich 149.000 € refinanziert werde. Diese Transferleistung sollte entsprechend den Angaben des Wirtschaftsministeriums aus den geschätzten Mehreinnahmen des Beschussamts finanziert werden. Sollten die Mehreinnahmen nicht in ausreichender Höhe erzielt werden, müsste die jährliche Transferleistung bis zur vollständigen Tilgung aus dem Einzelplan 03 geleistet werden.

Im Rahmen der Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Beschussamts Ulm im Jahr 2005/2006 durch das Staatliche Rechnungsprüfungsamt Tübingen entstanden erhebliche Zweifel an der Wirtschaftlichkeit und Rentabilität der Baumaßnahme. Der Rechnungshof hat aufgrund dieser Feststellungen dem Finanzministerium seine Bedenken gegen den Erweiterungsbau mitgeteilt. Daraufhin wurde die für Mai 2006 geplante Ausschreibung vom Finanzministerium vorläufig gestoppt. Im Oktober 2006 erklärte das Innenministerium, ohne nochmals auf die Finanzierbarkeit und die Wirtschaftlichkeit der Erweiterungsbaumaßnahme einzugehen, im Einvernehmen mit dem Wirtschafts- und dem Finanzministerium, die Durchführung der Baumaßnahme aus Sicherheitsgründen und im Interesse einer rationellen Aufgabenerfüllung für notwendig. Zur Begründung wurde auf einen im August 2006 stattgefundenen schweren Arbeitsunfall verwiesen, obwohl dieser mit den baulichen Gegebenheiten nichts zu tun hatte. Zugleich wurde die Fortsetzung des Bauvorhabens veranlasst. Baubeginn war Mitte April 2007.

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3.2 Wirtschaftlichkeit und Rentabilität

Die Aktenprüfung beim Wirtschaftsministerium führte zu folgenden Feststellungen:

  • Das Landesgewerbeamt hat mit Schreiben vom 11.08.2003 gegenüber dem Wirtschaftsministerium bestätigt, die Wirtschaftlichkeit und die Rentabilität der Erweiterungsmaßnahme seien nachgewiesen. Nach Inbetriebnahme des Erweiterungsbaus seien (nach damaligem Kenntnisstand) Mehreinnahmen in Höhe von durchschnittlich 125.000 € zu erwarten. Diese Aussage basiert darauf, dass der Haushaltsansatz bei Kapitel 0703 Titel 111 85 auf maximal 970.000 € festgesetzt wird. Sollte sich wider Erwarten, z. B. aufgrund nicht absehbarer Entwicklungen in der Gesetzgebung, konjunktureller Entwicklung oder sonstiger Umstände, ein Einnahmenrückgang ergeben, solle der Sollansatz beim Einnahmentitel so angepasst werden, dass die Tilgung möglich bleibe.

 

  • Wirtschaftlichkeitsberechnungen, die die Wirtschaftlichkeit und Rentabilität belegen, waren in den Akten nicht vorhanden und konnten auf Nachfrage auch nicht vorgelegt werden.

 

  • Die Bedarfsangaben beruhen auf dem Sachstand des Antrags vom Jahr 2000. Der Bedarf wurde damals u. a. mit der geplanten Neuausrüstung der Polizei der Bundesländer mit Dienstpistolen begründet, was eine zügige Zulassung dieser Waffen erfordere, die unter den gegebenen Arbeitsbedingungen kaum zu realisieren sei. Tatsächlich aber wurde die Polizei des Landes Baden-Württemberg bereits im Jahr 2002 mit den neuen Dienstpistolen ausgerüstet.

 

  • Mit dem Erweiterungsbau sollen durch die Übernahme weiterer Aufgaben bzw. durch die Steigerung der Auftragszahlen Mehreinnahmen erzielt werden. Das vorhandene Personal ist aber laut Beschussamt bereits voll ausgelastet.

3.3 Bewertung

Die Genehmigung des Antrags des Wirtschaftsministeriums für einen Erweiterungsbau des Beschussamts beruhte auf der Annahme, dass die Wirtschaftlichkeit und Rentabilität der Maßnahme gegeben sei und die Refinanzierung durch Mehreinnahmen aufgrund des Erweiterungsbaus erfolge. Demgegenüber zeigen die Erhebungen und Berechnungen des Rechnungshofs, dass dies nicht zutrifft.

Die der Berechnung der Mehreinnahmen zugrunde gelegten Sollansätze der Einnahmen entsprechen nicht den haushaltsrechtlichen Vorschriften. Danach sind alle im Haushaltsjahr zu erwartenden Einnahmen mit größtmöglicher Genauigkeit zu errechnen oder zu schätzen und in den Haushaltsplan aufzunehmen. Entgegen dieser Vorgabe hat das Wirtschaftsministerium die Sollansätze im Zeitraum 1999 bis 2005 zum Teil deutlich niedriger veranschlagt.

In Tabelle 4 ist die Entwicklung der in den Staatshaushaltsplänen der Jahre 1999 bis 2005 abgebildeten Soll-Einnahmen (Haushaltsansätze) und der Ist-Ergebnisse dargestellt.

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Die Haushaltsansätze lagen in den Jahren 1999 bis 2005 im Durchschnitt bereits um 184.700 € unter den Ist-Ergebnissen. Spätestens im Jahr 2002 und in den folgenden Haushaltsjahren hätte der Haushaltsansatz den Ist-Ergebnissen nach den haushaltsrechtlichen Vorschriften angepasst werden müssen. Durch die Nichtbeachtung der Landeshaushaltsordnung bzw. durch die Anweisung, bei Einnahmen unter 970.000 € den Ansatz um die Tilgungsrate von 150.000 € zu verringern, errechnet sich zwar immer eine Mehreinnahme. Diese Verfahrensweise widerspricht aber den Grundsätzen der Haushaltswahrheit und -klarheit. Die der Genehmigung der Baumaßnahme zugrunde liegende Annahme, dass durch den Erweiterungsbau Mehreinnahmen von 150.000 € erwirtschaftet werden, beruht demnach auf einem manipulativen Haushaltsansatz.

Außerdem ist zu beanstanden, dass bei dem neuerlichen Antrag des Wirtschaftsministeriums vom Februar 2003 keine aktualisierte Berechnung vorgelegt wurde, die den tatsächlichen Bedarf darstellt. Hinzu kommt, dass es dem Beschussamt offensichtlich gelungen ist, auch unter den gegebenen erschwerten personellen und räumlichen Bedingungen die Erprobung und Zulassung der für die Polizei des Landes Baden-Württemberg vorgesehenen Dienstpistolen im Jahr 2002 ordnungsgemäß durchzuführen.

Schließlich wurde außer Acht gelassen, dass die mit dem Bau angestrebte Akquisition weiterer Aufträge mit zusätzlichem Personal- und Sachaufwand verbunden ist. Nach Auffassung des Rechnungshofs widerspricht dies der Vorgabe der Landesregierung, beim Beschussamt im Rahmen der Effizienzrendite vier der 20 Personalstellen abzubauen.

4 Stellungnahmen der Ministerien und des Regierungspräsidiums Tübingen

4.1 Haushalts- und Wirtschaftsführung

Zur Haushalts- und Wirtschaftsführung trägt das jetzt zuständige Innenministerium im Einvernehmen mit dem Wirtschaftsministerium vor, Aufgaben aus dem Bereich Sicherheitstechnik und Sonderaufgaben seien „als quasi hoheitlich“ und nicht privatrechtlich einzustufen. Die Qualifizierung der Aufgaben wirke sich auch auf die Kostenabrechnung mit den jeweiligen Antragstellern aus. Bei der Erhebung und Berechnung kostendeckender Entgelte für die Sicherheitstechnik sei deshalb vom gleichen Berechnungs- und Kostensatz wie für die hoheitlichen Aufgaben der Waffen- und Munitionsprüfung auszugehen. Entsprechend der Kostenverordnung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt wolle man deshalb künftig auch für die Sicherheitstechnik und die Sonderaufgaben einen Stundensatz von 99 € (Tätigkeiten mit geringer bis mittlerer technischer Infrastruktur) bzw. 71 € für Hilfstätigkeiten (Tätigkeiten ohne nennenswerte technische Infrastruktur) berechnen. Damit werde auf dem Gebiet der Sicherheitstechnik eine Preisgestaltung wie in Bayern erreicht.

Das Innenministerium wendet sich gegen die Kostendeckungsberechnungen des Staatlichen Rechnungsprüfungsamts Tübingen. Es möchte künftig die Sätze der VwV-Kostenfestlegung anwenden. Beratungs- und Gremienarbeit werde in der Kosten- und Leistungsrechnung des Beschussamts künftig als gesondertes Produkt ausgewiesen.

Das Kostenberechnungsverfahren und die Kostendeckung könnten aber nicht vor 2009/2010 überprüft werden, weil die durch den schweren Arbeitsunfall im Jahr 2006 notwendigen Renovierungen der Räume und Prüfeinrichtungen und die dadurch bedingte Ausbildung und Qualifizierung eines neuen Mitarbeiters sowie die Baumaßnahmen für den Erweiterungsbau den Arbeitsablauf erheblich beeinträchtigen würden.

4.2 Erweiterungsbau

Zum Erweiterungsbau führt das Innenministerium aus, das Beschussamt bedürfe zur ordnungsgemäßen Erledigung der äußerst sensiblen Ordnungstätigkeiten einer bestimmten Infrastruktur, die mit dem Erweiterungsbau geschaffen werden solle. Vor allem für die Bereiche Sicherheitstechnik und Sonderaufgaben könne bei einem Verzicht auf den Erweiterungsbau eine sachgerechte Erledigung der gesetzlichen Aufgaben auf Dauer nicht mehr sichergestellt werden. Der Erweiterungsbau würde außerdem eine wesentlich rationellere und damit wirtschaftlichere Aufgabenwahrnehmung ermöglichen.

Eine umfassende Wirtschaftlichkeit - wie vom Rechnungshof gefordert - dürfe für Pflichtaufgaben nicht verlangt werden, sofern keine wirtschaftlichere Form der Aufgabenerfüllung möglich sei.

Das Innenministerium könne nicht garantieren, dass das Beschussamt die vom Finanzministerium vorgegebene Personaleinsparungsquote von 20 % (Effizienzrendite) nicht erbringen muss.

5 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof kann den Einlassungen der Ministerien und des Regierungspräsidiums Tübingen zur Festsetzung der Entgelte aber auch zu der Erweiterungsbaumaßnahme des Beschussamts nicht folgen.

5.1 Haushalts- und Wirtschaftsführung

Der Rechnungshof teilt insbesondere nicht die Auffassung der Ministerien, dass die Bereiche Sicherheitstechnik und Sonderaufgaben deshalb nicht kostendeckend betrieben werden müssten oder gar dürften, weil sie „quasi hoheitlich“ seien. Die Qualifizierung als „quasi hoheitlich“ hat in Wahrheit keinerlei rechtliche Relevanz.

Die Auffassung der Ministerien steht auch im Widerspruch zur steuerlichen Behandlung der Einnahmen als Einnahmen eines Betriebs gewerblicher Art, also als Einnahmen aus einem privatrechtlichen Tätigwerden. Dies bedeutet aber auch, dass bei der Entgeltberechnung alle betriebswirtschaftlichen Kostenfaktoren zu berücksichtigen sind.

Einer Entgeltberechnung mit dem Ziel der Kostendeckung im privatrechtlichen Bereich der Sicherheitstechnik und Sonderaufgaben auf der Basis einer Trennungsrechnung zwischen hoheitlichen und privatrechtlichen Tätigkeiten steht nach Ansicht des Rechnungshofs nichts entgegen.

In Anbetracht der bisher schon eingetretenen Einnahmenverluste durch die Nichtanpassung der Entgelte sieht der Rechnungshof dringenden Handlungsbedarf. Dem stehen auch die vom Regierungspräsidium Tübingen vorgebrachten gegenwärtigen Arbeitsbeeinträchtigungen nicht entgegen. Auch die Konkurrenz durch bayerische Institutionen kann nicht zu dem Ergebnis führen, dass privatrechtliche Dienstleistungen des Beschussamts subventioniert werden.

5.2 Erweiterungsbau

Die Ministerien haben die Kritik des Rechnungshofs am Vorgehen zur Durchsetzung des Erweiterungsbaus nicht entkräftet. Insbesondere die Veranschlagungspraxis der Haushaltsansätze wird weiterhin beanstandet.

Der Rechnungshof bezweifelt nicht, dass der Erweiterungsbau grundsätzlich im Bereich der Sicherheitstechnik und der Sonderaufgaben bessere Voraussetzungen für die Arbeit des Beschussamts bringt. Festgehalten wird aber an der Kritik, dass die Finanzierung einer Maßnahme zunächst mit der Behauptung der Wirtschaftlichkeit durchgesetzt werden sollte, obwohl diese nicht gegeben war. Nachdem dies erkannt worden war, wurde die Notwendigkeit der Maßnahme mit anderen Begründungen dargestellt. Künftig ist sicherzustellen, dass die Bedarfsfrage und die Wirtschaftlichkeit (Kostendeckungsgrad) eindeutig dargelegt werden, damit auch eventuelle Folgekosten bei der Maßnahmenentscheidung Berücksichtigung finden (§ 7 LHO).

Der laut Beschussamt durch den Erweiterungsbau erwartete Leistungs- und Einnahmenanstieg im privatrechtlichen Entgeltbereich und die grundsätzliche, insbesondere auch technische Entwicklung im Beschusswesen, bedingen nach Ansicht des Rechnungshofs eine transparentere Haushaltsführung als gegenwärtig. Auch die Möglichkeit der Umwandlung des Beschussamts in einen Landesbetrieb sollte deshalb geprüft werden. Dafür spricht sowohl die bisherige steuerliche Behandlung als Betrieb gewerblicher Art sowie die dadurch erreichbare größere Flexibilität und Eigenverantwortlichkeit bei betrieblichen Entscheidungen.


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Anhänge

Die seit Jahren mit hohem Aufwand und großen Verzögerungen betriebene Modernisierung der IuK der Polizei sollte nunmehr rasch vollendet werden. Der Personalbedarf für die Maßnahmen kann durch den Polizeihaushalt abgedeckt oder gegenfinanziert werden. Nach der Modernisierung und Optimierung können Personalkapazitäten in einer Größenordnung von mehreren hundert Stellen freigesetzt werden.


1 Vorbemerkungen

1.1 Ausgangslage

Zentral betriebene Großrechnersysteme prägten Mitte der Neunzigerjahre die DV-Strukturen der Polizei. In den Dienststellen waren aber mangels einheitlicher Vorgaben unterschiedliche Hardware und ergänzende DV-Verfahren im Gebrauch. Die für Fahndung und Vorgangsbearbeitung genutzten Haupt-Fachverfahren waren veraltet, die Gerätestruktur unmodern. Die gesamten DV-Systeme entsprachen nicht mehr den polizeilichen Anforderungen. Die Polizei begann deshalb, ihre IuK-Ausstattung zu modernisieren und ihre IuK-Organisation neu auszurichten, wobei

  • die polizeilichen Haupt-Fachverfahren durch medienbruchfreie Lösungen ersetzt,
  • die DV-Technik vereinheitlicht, ertüchtigt und erweitert sowie
  • die Administration und die Betriebsverantwortung zentralisiert

werden sollten.

1.2 Entwicklungen bis 2002

Für die IuK-Modernisierung in den Jahren 1999 bis 2002 standen Mittel im Umfang von 71,7 Mio. € aus dem sogenannten Technik-Zukunftsprogramm zur Verfügung. Sie sollten in erster Linie der schrittweisen Einführung einer dezentralen (sogenannten Client-Server)Infrastruktur und der Neuentwicklung eines Informationssystems zum Anschluss an das neu konzipierte INPOL-Bund-Verfahren dienen, der zentralen Fahndungsdatenbank des Bundeskriminalamtes. Parallel dazu sollte das polizeiliche Vorgangsbearbeitungssystem M/Text durch ein neues System (POLIS) ersetzt werden.

Wegen Abstimmungsproblemen und Schwierigkeiten bei der technischen Umsetzung der Vorhaben und auch durch den Verzicht des externen Outsourcing-Partners des Landes, ab dem Jahr 2002 weitere DV-Systeme für die Landesverwaltung zu betreiben, konnten in diesen Jahren keine grundlegende Modernisierung und Neuorganisation der IuK der Polizei durchgeführt werden. Dennoch wurden Finanzmittel in Millionenhöhe ausgegeben, ohne ein in sich stimmiges, akzeptables oder erfolgreiches Ergebnis zu erzielen.

1.3 Neuausrichtung ab 2003

Um die neuen Haupt-Fachverfahren gleichwohl zentral und mit einheitlicher Technik betreiben zu können, fasste der Ministerrat Anfang des Jahres 2003 weitere Beschlüsse zur IuK-Modernisierung der Polizei.

  • Im Wege eines verwaltungsinternen Outsourcing sollten durch den Landesbetrieb Informatikzentrum Landesverwaltung Baden-Württemberg (IZLBW), der Nachfolgeeinrichtung des damaligen Zentrums für Kommunikationstechnik und Datenverarbeitung (ZKD), die technische Infrastruktur bereitgestellt und die polizeilichen DV-Systeme betrieben werden.

 

  • Mit dem Beitritt Baden-Württembergs zur bestehenden Kooperation der Länder Hamburg und Hessen sollten insbesondere das Fahndungssystem POLAS zur Anbindung der Landesdatenbank an das neue zentrale Bundessystem und das Vorgangsbearbeitungssystem ComVor übernommen werden.

Außerdem hat der Lenkungsausschuss „Polizei-IuK“ im September 2003 einen Gesamtprojektverantwortlichen zur Koordinierung der Modernisierungsprojekte bestellt.

2 Stand der Modernisierung

Die Modernisierungsprojekte konnten auch nach der Neuausrichtung im Jahr 2003 zumeist nicht fristgerecht und teilweise bis heute nicht realisiert werden.

2.1 Projektorganisation

Die Modernisierung der polizeilichen DV umfasst zahlreiche Einzelprojekte, die von einer Vielzahl von Projektbeteiligten begleitet werden. Neben den unmittelbar verantwortlichen Stellen im Innenministerium (Landespolizeipräsidium, Stabsstelle für Verwaltungsreform) als Projektträger sowie dem Lenkungsausschuss „IuK Polizei“ sind das Landeskriminalamt, Abteilung 2, das IZLBW sowie insgesamt 27 weitere Ausschüsse und Gremien in diese Projekte involviert. Hierdurch werden Personalkapazitäten im Umfang von fast 90 Vollzeitäquivalenten (VZÄ) gebunden, die neben den Sachausgaben und den zusätzlichen Ausgaben für externe Berater jährlich etwa 7,5 Mio. € Personalkosten für Landesbedienstete verursachen. Auch wenn für die Mitarbeit in den Projekten keine Stellenverstärkungen erforderlich waren, stehen die betroffenen Bediensteten zum Teil jahrelang nicht für ihre eigentliche Aufgabe zur Verfügung, insbesondere nicht für den Polizeivollzug.

Der im Jahr 2003 eingesetzte Gesamtprojektverantwortliche hat die Einzelprojekte betreut; er besitzt allerdings keine Entscheidungsbefugnis in Haushalts- und Personalangelegenheiten und kann damit letztlich nur initiieren und koordinieren. Für die technische Realisierung hat das hierfür zuständige IZLBW eine eigenständige Projektgruppe eingerichtet. Die Projektorganisationen konkurrieren untereinander und haben zumindest in der Vergangenheit den Projektfortgang eher gehemmt.

Das Innenministerium versucht neuerdings, die Schwierigkeiten durch die Beauftragung eines externen technischen Projektleiters zu lösen, dessen Beratungsleistungen allerdings monatlich bis zu 26.000 € kosten.

2.2 Umsetzungsstand der Einzelprojekte

2.2.1 Zentrales Fahndungssystem POLAS-BW

Nachdem sich auf Bundesebene mehrjährige Verzögerungen bei der Modernisierung der Fahndungsdatenbank des Bundeskriminalamtes ergeben hatten, griff der Bund auf das von Hamburg und Hessen entwickelte System POLAS zurück und setzte für die Abschaltung seines Altsystems eine zeitliche Vorgabe bis Ende 2003. Um weiterhin die Bundesdatenbank nutzen zu können, sah sich auch die Polizei in Baden-Württemberg gezwungen, POLAS-BW umgehend zu realisieren.

POLAS-BW - auch INPOL-Land genannt - wird seit August 2003 vom IZLBW betrieben und hat zusammen mit der Ausweitung des polizeilichen Datennetzes auf der Ebene der Polizeireviere und -posten wesentliche Arbeitserleichterungen für den polizeilichen Fahndungsdienst gebracht. Die Vollzugsbeamten können beispielsweise nunmehr selbst vor Ort auf die zentralen Fahndungs- und Auskunftsdatenbanken zugreifen und müssen nicht mehr den Auskunftsdienst der sogenannten Datenstationen bei den Polizeipräsidien und -direktionen bemühen.

Es mangelt jedoch noch immer an einer medienbruchfreien Datenübermittlung der polizeilichen Vorgangsbearbeitung in das zentrale Fahndungssystem.

2.2.2 Vorgangsbearbeitung durch ComVor

Weil es auch Mitte 2006 noch immer an der nötigen technischen Infrastruktur fehlte, konnte das neue Vorgangsbearbeitungssystem ComVor, das u. a. eine medienbruchfreie Übermittlung von Falldaten in die zentralen Fahndungsdatenbanken sicherstellen soll, bis zu diesem Zeitpunkt nur probeweise bei einer einzigen Polizeidirektion installiert werden. Für die Dauer der Pilotphase musste dort ein eigenes Rechenzentrum, neben dem des IZLBW, betrieben werden.

2.2.3 Technische Infrastruktur

Die dem IZLBW mit der Rahmenvereinbarung vom 03.09.2003 zugewiesenen technischen Betriebsaufgaben, welche zuvor vom Landeskriminalamt und den Polizeidienststellen wahrgenommen wurden, sind im Bericht der Arbeitsgruppe „Struktur der IuK-Aufgaben im Geschäftsbereich des Innenministeriums“ vom 02.04.2003 klar beschrieben.

Dennoch ist die dort vorgesehene Trennung zwischen den Aufgaben der Polizei (Auftraggeber) und den Aufgaben des IZLBW (Auftragnehmer) in der Praxis nach wie vor nicht befriedigend umgesetzt, sodass es zu Überschneidungen, Parallelarbeit und Mischbetriebsformen (z. B. bei POLAS) kommt.

Das IZLBW beklagt, dass sich die Polizei nicht auf ihre Rolle als Auftraggeber beschränkt und dass Konzepte viel zu häufig geändert werden. Die Polizei wiederum sieht in den vom IZLBW vorgelegten Betriebskonzepten die polizeispezifischen Belange oft nicht genügend berücksichtigt. So waren sich Polizei und IZLBW noch im Juli 2005 bei der Abnahme der zur Einführung der technischen Infrastruktur erforderlichen Referenzumgebung uneinig, ob mit den vom IZLBW entwickelten Systemen die Polizei-IuK überhaupt betrieben werden kann. Zur endgültigen Klärung wurde ein externer Gutachter mit einem Honorar in Höhe von rd. 45.000 € beauftragt.

Nach Auskunft des Innenministeriums konnte die Referenzumgebung Anfang September 2006 zwar abgenommen werden. Dennoch werde die landesweite Einführung der neuen Geräte und Systeme voraussichtlich bis 2009 dauern. Für die Migration der Betriebssysteme können laut Innenministerium nämlich nur wenige, speziell ausgebildete Mitarbeiter des Landeskriminalamts eingesetzt werden.

2.2.4 Stand der Modernisierungsprojekte im Überblick

Mängel in der Projektorganisation und unklare Aufgabenabgrenzungen zwischen Polizei und IZLBW führten in den letzten Jahren zu teilweise jahrelangen Terminüberschreitungen, wie Tabelle 1 zeigt.

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Infolge der Verzögerungen waren die Polizeidienststellen gezwungen, ihre Systeme in Eigenregie auf neue Betriebssysteme umzustellen, um zumindest POLAS-BW betreiben und die Vorgangsbearbeitung sicherstellen zu können. Bei flächendeckender Einführung von ComVor müssen die Systeme erneut migriert werden.

Nach Auffassung des Innenministeriums sind für diese Überschreitungen weniger die projektinternen Probleme ursächlich, sondern vor allem das Nichtzustandekommen des Outsourcing-Vertrags mit einem privaten Unternehmen, die Komplexität der Problemstellungen, fehlende finanzielle und personelle Ressourcen und daraus folgend unzureichende Planungssicherheit sowie technische Abhängigkeiten.

Dabei wird jedoch verkannt, dass Millionenbeträge im Technik-Zukunftsprogramm für die Modernisierung der polizeilichen IuK ausgewiesen waren und das Innenministerium mit mangelnder Steuerung und zum Teil unklaren Nutzervorgaben selbst in hohem Maße zu den Verzögerungen beigetragen hat.

2.3 Finanzierung der Sachausgaben für die Modernisierung

Der Lenkungsausschuss hat im Jahr 2003 in Ergänzung zum Technik-Zukunftsprogramm für die Zeit bis 2007 einen zusätzlichen Finanzbedarf von 127 Mio. € angemeldet. Der für die einzelnen Jahre sehr konkret bezifferte Mittelbedarf ist jedoch nicht durch fundierte Wirtschaftlichkeitsanalysen und somit durch Aussagen zum Nutzen und den Folgekosten eines Projektes begründet. Außerdem fehlen Aussagen zur haushaltswirksamen Gegenfinanzierung aus dem Polizeihaushalt. Auch ein Controlling mit aussagekräftigen IuK-Kennzahlen, welche in Erfolgskontrollberichten nach VV Nr. 3.3 zu § 7 Landeshaushaltsordnung ihren Niederschlag finden müssten, findet nicht statt.

Die Mittelanforderungen des Innenministeriums wurden deshalb vom Finanzministerium in zähen Verhandlungen zum Teil bis auf ein Drittel abgeschmolzen (Stichworte: „Notkonzept“ und „Not-Not-Konzept“), was das Innenministerium wiederum veranlasste, die Projektverzögerungen zu einem erheblichen Teil nicht gesicherten Finanzierungen anzulasten. Allerdings mussten in den Jahren 2003 bis 2005 Haushaltsreste zwischen 3,6 Mio. € und 6 Mio. € gebildet werden, weil die Realisierung der Projekte, und damit der Geldabfluss in wesentlichen Bereichen, deutlich hinter der Planung zurückblieb .

Das Innenministerium weist darauf hin, dass bereits im Jahr 2003 Wirtschaftlichkeitsüberlegungen - einschließlich des Aufzeigens von Mehrwerten und Einsparpotenzialen - angestellt worden seien. Eine Darlegung und Bewertung von Handlungsalternativen sei deshalb nicht nötig gewesen, weil es zur Modernisierung der polizeilichen IuK keine realistische Alternative gegeben habe.

Die Polizei geht nunmehr für die Jahre 2007 bis 2011 von einem Finanzbedarf für die Fortführung der IuK-Modernisierung in Höhe von 128,2 Mio. € aus. Dieser Schätzung liegen keine belastbaren Zahlen zugrunde. Außerdem ist die Frage der Gegenfinanzierung nach wie vor unbeantwortet.

2.4 Wertung und Handlungsempfehlung

2.4.1 Beschleunigung der Modernisierungsprojekte

Die Finanzkontrolle hält die von der Polizei eingeleiteten Projekte zur Modernisierung, Standardisierung und Zentralisierung im Wesentlichen für sinnvoll und notwendig. Planung und Umsetzung sind allerdings erheblich zu verbessern und deutlich zu beschleunigen. Vor allem sollten die Entscheidungsabläufe gestrafft und der Gesamtprojektverantwortliche mit umfassenderen Entscheidungsbefugnissen auch gegenüber den Projektbeteiligten im IZLBW ausgestattet werden. Dass die landesweite Einführung von ComVor nicht vor Mitte 2009 abgeschlossen sein soll, ist aus der Sicht der Finanzkontrolle sehr unbefriedigend. Der späte Termin vermindert die angestrebten Wirtschaftlichkeitseffekte und bindet teures Personal für Projektarbeit.

Das Innenministerium hat die Kritik der Finanzkontrolle teilweise schon aufgegriffen und weitere Maßnahmen zur Optimierung getroffen. So wurden die bisher getrennten Projektorganisationen unter dem Dach des IZLBW und unter einheitlicher Leitung des Gesamtprojektverantwortlichen zusammengeführt.

Auch geht das Innenministerium inzwischen selbst davon aus, dass bei genügend verfügbaren Personalressourcen mit entsprechender Erfahrung eine Verkürzung der Projektdauer erreichbar ist, zumal durch die bisher schon vollzogenen Systemumstellungen in den dezentralen Dienststellen günstige Voraussetzungen für die Implementierung der neuen Systeme geschaffen worden seien. Finanzielle und personelle Restriktionen setzten jedoch enge Grenzen.

Weitere Personalverstärkungen beim IZLBW und beim Landeskriminalamt sind nicht erforderlich. Bei den Dienststellen in der Fläche steht ausreichend qualifiziertes IuK-Personal - laut Innenministerium in einer Größenordnung von rd. 300 VZÄ - zur Verfügung, welches herangezogen werden muss, um die für das neue Vorgangsbearbeitungssystem ComVor notwendige technische Infrastruktur schneller installieren zu können. Die Möglichkeit, auf bereits vorhandene Personalressourcen der Polizei ohne Weiteres zurückgreifen zu können, verbietet die Schaffung von Neustellen.

2.4.2 Mögliche Effizienzsteigerungen

Nach erfolgreicher Einführung von ComVor und nach der medienbruchfreien Anbindung an die zentralen Fahndungs- und Auskunftsdatenbanken erwartet der Rechnungshof die von der Polizei immer wieder betonte Effizienzsteigerung im Vollzug. Den Präsenzgewinn, also das Freisetzen von Personalkapazitäten für die eigentliche operative Polizeiarbeit, hat das Innenministerium schon selbst in einem (nicht beschlossenen) Entwurf einer Kabinettsvorlage aus dem Jahr 1996 auf der Basis einer externen Organisationsuntersuchung wie folgt beziffert:

  • Bezirksdienst, Posten 948 Stellen
  • Kriminalpolizei 447 Stellen
  • Datenstationen 258 Stellen
  • Gesamt 1.653 Stellen.

Das Innenministerium hält nunmehr aber die damals genannte Effizienzsteigerung für unrealistisch. Im Rahmen der Haushaltsaufstellung 2007/08 wurde gegenüber dem Finanzministerium ein maximal realisierbarer Effizienzgewinn aus der modernisierten Datenverarbeitung von 250 Personalstellen im Vollzugsdienst, zuzüglich 150 Stellen im Nichtvollzugsdienst dargelegt, der für Aufgabenzuwächse aufgrund veränderter Schwerpunktsetzungen verwendet werden könne.

Die Finanzkontrolle geht jedoch von einem wesentlich höheren Effizienzpotenzial aus, weil der Berechnung des Innenministeriums nur die voraussichtliche Entwicklung in diesem und im nächsten Jahr und nicht der Endzustand nach Abschluss des Modernisierungsprojekts zugrunde liegt. Im Übrigen empfiehlt der Rechnungshof nicht, die Effizienzsteigerung ausschließlich für Stellenstreichungen heranzuziehen; vielmehr können die freigesetzten Personalkapazitäten teilweise für andere dringende operative Aufgaben der Polizei verwendet werden. Dadurch lassen sich Neustellen vermeiden.

2.4.3 Aufgabenabgrenzung zwischen Landeskriminalamt und IZLBW

Die dem Rechnungshof vorliegenden Unterlagen geben noch kein hinlänglich klares Bild über die künftig im Landeskriminalamt zu erledigenden Aufgaben in Abgrenzung zum IZLBW. Die Polizei will möglichst viel in ihrem „Hoheitsbereich“ belassen und damit möglichst viele technische Funktionen selbst erledigen. Dies birgt die Gefahr, dass die Abteilung 2 insgesamt zu rechenzentrums- bzw. techniklastig wird. Deshalb sollten die einmal gefassten Grundsatzbeschlüsse konsequent umgesetzt werden. Das bedeutet:

  • Das Landeskriminalamt ist Auftraggeber; ihm obliegen die strategische Planung, die Haushaltsabwicklung sowie die Kontrolle und die Steuerung.

 

  • Die Polizeiabteilung im IZLBW ist zuständig für technische und fachliche Konzepte, die Softwareentwicklung und die Betreuung von Fachverfahren.

 

  • Das IZLBW nimmt das gesamte operative Geschäft wahr.

Der Rechnungshof empfiehlt daher mit Nachdruck, das Auftraggeber/Auftragnehmerverhältnis zwischen IZLBW und Landeskriminalamt auf der Basis der Rahmenvereinbarung vom September 2003 zu konkretisieren und die Aufgaben so zu verteilen, dass die gesamten IuK-Dienstleistungen nur noch vom IZLBW erbracht werden.

Das von der Finanzkontrolle favorisierte Modell einer Polizeiabteilung im IZLBW setzt voraus, dass den Polizeivollzugsbeamten, die für eine Tätigkeit beim IZLBW gewonnen werden sollen, der Verbleib in der Polizeilaufbahn und die Rückkehr in den Polizeibereich ermöglicht werden kann. Die Voraussetzungen hierfür müssen Innen- und Finanzministerium gemeinsam und zügig schaffen.

Die Finanzkontrolle erwartet von der vorgeschlagenen Lösung in erster Linie eine höhere Effizienz der polizeilichen IuK und eine schnellere Umsetzung der Grundsatzentscheidungen. Hierdurch könnten 20 % des bisherigen IuK-Personals (90 VZÄ) eingespart werden.

Das Innenministerium weist darauf hin, dass sich die Zusammenarbeit zwischen IZLBW und Landeskriminalamt mittlerweile durch personelle und organisatorische Maßnahmen verbessert habe und weiter optimiert werde. Allerdings erfordere die konsequente Beschreibung der Ablaufprozesse nach anerkannten Grundsätzen Zeit. Außerdem hält das Innenministerium das von der Finanzkontrolle vorgeschlagene Organisationsmodell für zu idealtypisch. Es will z. B. die Softwareentwicklung weiterhin im Verantwortungsbereich der Polizei belassen. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass momentan noch ein Parallelbetrieb der Infrastruktur (alte und neue Technik) zu gewährleisten sei, zumal auch in Zukunft nicht zentralisierbare IuK-Aufgaben bei der Polizei mit entsprechendem Personal erledigt werden müssten.

Nach Auffassung der Finanzkontrolle ist dann aber zu befürchten, dass wegen weiterhin unklarer Aufgabenabgrenzungen mögliche Effizienzpotenziale auch künftig nur unzureichend ausgeschöpft werden können.

2.4.4 Weitere Finanzierung

Dem Innenministerium ist es bisher nicht gelungen, den notwendigen Mittelbedarf mit den unmittelbar anstehenden Maßnahmen und Ausgaben in Einklang zu bringen. Das zeigt sich insbesondere darin, dass der Polizeihaushalt in mehreren Jahren Haushaltsreste bildete und die Übertragungen wie eine Bugwelle vor sich herschob. Dem Finanzministerium ist deshalb wegen seiner restriktiven Haltung bei Veranschlagung der Ausgabenansätze kein Vorwurf zu machen.

Auch wenn die Finanzkontrolle die Modernisierungsbestrebungen hinsichtlich der polizeilichen IuK mitträgt, sollten die aktuellen Bedarfsanmeldungen für die weiteren Jahre der Modernisierung aufgrund der Erfahrungen in der Vergangenheit kritisch hinterfragt werden. Die weitere Finanzierung erfordert vom Innenministerium realistische Planungen, die mit einer intensiven Steuerung des Projekts und klaren Umsetzungsvorgaben innerhalb der Polizei einhergehen müssen. Hierzu gehört auch die Einrichtung eines IuK-Controllings, damit sich die Diskussionen um Kosten und Nutzen nicht weiterhin im Ungefähren bewegen.

Das Innenministerium weist darauf hin, dass im Haushaltsjahr 2006 keine Ausgabenreste mehr entstanden seien und verschiedene nicht von ihm beeinflussbare Sachverhalte einen in der Vergangenheit nicht rechtzeitigen Mittelabfluss bewirkt hätten.

3 IuK-Personal

3.1 Personalstand im Jahr 2006

Für die Polizeidienststellen gab es in der Vergangenheit kein einheitliches bedarfsorientiertes IuK-Personalkonzept. Auch fehlten sichere Zahlen über die Bediensteten der Landespolizei, die mit IuK-Aufgaben betraut waren. Die IuK-Personalstrukturen in den einzelnen Dienststellen entwickelten sich daher unterschiedlich. So reicht das Verhältnis IuK-Personal zu PC auf Kreisebene von unter 1 zu 40 bis zu mehr als 1 zu 130. Der Mittelwert liegt bei 1 zu 58. Zwar kann - wie das Innenministerium zu Recht einwendet - hieraus mit Blick auf die anstehende Zentralisierung kein Benchmarking für die künftige personelle Ausstattung der Polizeidienststellen abgeleitet werden. Die große Bandbreite der Betreuungskennzahlen ist jedoch auch ein Beleg dafür, dass es für die Personalausstattung im IuK-Bereich bisher keine landeseinheitlichen Vorgaben gibt und insoweit keine Steuerung erkennbar ist.

3.2 Entwicklung des IuK-Personals im Zuge der Modernisierung

Die Modernisierung der polizeilichen Datenverarbeitung bringt eine deutliche Zentralisierung der IuK-Aufgaben und geht mit umfangreichen Aufgabenverlagerungen aus der Fläche in die Zentralen (Landeskriminalamt, IZLBW) einher. In diesem Zusammenhang plant das Landeskriminalamt auch eine Umorganisation und Neuausrichtung der für IuK-Aufgaben zuständigen Abteilung 2. Die Aufgabenverlagerungen ziehen nach den Planungen des Innenministeriums eine Veränderung der Stellenausstattung nach sich, die per saldo einen Zuwachs von insgesamt 40 Personalstellen einschließt. Tabelle 2 zeigt die geplante Veränderung der Stellenausstattung im Einzelnen.

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Den geltend gemachten Personalverstärkungen der Abteilung 2 des Landeskriminalamts liegen jedoch für die Bereiche Leitung, Organisation, Haushalt, Controlling, Beschaffung, Hard- und Software-Management unklare Planungen zugrunde. Die Bedarfszahlen sind nicht durch geeignete Nachweise untermauert, etwa durch Erfahrungswerte über eingehende Störungsmeldungen bei der Anwender- und Systembetreuung (sogenannte Calls).

Die Personalplanungen für das IZLBW beruhen zwar auf einem externen Gutachten, welches der Lenkungsausschuss in Auftrag gegeben hat. Das Gutachten geht jedoch zum Teil von zweifelhaften Fallzahlen aus, wie beispielsweise zu hohen Eingängen bei der elektronischen Post oder einer zu niedrig angesetzten Erstlösungsrate durch dezentrales IuK-Personal bei Anwenderproblemen. Außerdem ist sich der Gutachter offenbar selbst nicht der Belastbarkeit seiner Zahlen sicher, denn die Herkunft der verwendeten Vergleichsdaten wird nicht offen gelegt. Schließlich spricht das Gutachten von bestehenden Organisationsdefiziten beim IZLBW, deren Beseitigung bei den Berechnungen außer Betracht geblieben sei.

Unabhängig davon, ob der ermittelte Bedarf realistisch ist, lässt sich nicht erkennen, wie die in der Tabelle 2 aufgezeigten Personalumschichtungen realisiert werden sollen. Die Polizei konnte hierzu bisher kein schlüssiges Konzept präsentieren. Soweit eine Aufgabenverlagerung vom Landeskriminalamt auf das IZLBW schon stattgefunden hat, war dies nicht an eine entsprechende Stellenverlagerung gekoppelt, sondern führte zur Schaffung von 36 Neustellen. Die Gegenfinanzierung wurde bisher durch Sachkosteneinsparungen und durch Streichung von 47,5 Stellen des Nichtvollzugsbereichs innerhalb des Polizeihaushalts erbracht. Die Polizei hat hierdurch allerdings ihre Möglichkeiten zur Erzielung der Effizienzrendite aufgrund der Verwaltungsstrukturreform beschnitten.

3.3 Wertung und Handlungsempfehlung

Der Grundsatz „Personal folgt Aufgabe“ sollte künftig strenger beachtet werden. Dies gilt in erster Linie für die Aufgabenverlagerung vom Landeskriminalamt zum IZLBW. Vermieden werden muss, dass - trotz Einführung moderner Techniken und (Fach)Verfahren mit entsprechend hohem finanziellen Aufwand - Personalkostensteigerungen eintreten.

Das Finanzministerium wird darauf achten müssen, dass zweckbestimmte Streichungen nicht auf eventuelle andere Einsparverpflichtungen angerechnet werden.

4 Auswirkung der bisher eingeführten neuen Verfahren auf den Personalbedarf der Datenstationen

4.1 Struktur und Aufgaben

Die Polizei versteht unter Datenstation (DASTA) die Dezernate der Kriminalpolizei, in denen alle Falldaten von Straftaten erfasst, geprüft, in die elektronischen Bundes- und Landes-Falldatensammlungen eingestellt werden und auch wieder abfragbar sind. In Baden-Württemberg wurden im Jahre 2005 mehr als 600.000 Fälle eingegeben. Darüber hinaus führen die DASTA als Serviceeinrichtung für die eigenen oder nachgeordneten Schutz- und Kriminalpolizeidienststellen Anfragen und Recherchen in den Informationssystemen durch, pflegen neben den elektronischen Beständen auch kriminalpolizeiliche Akten und übernehmen deren Archivierung. Außerdem werden in geringerem Umfang Behördenanfragen bearbeitet.

4.2 Auswirkung der neuen Software POLAS

Die Einführung von POLAS-BW im August 2003 ermöglichte den Vollzugsbeamten in den Polizeirevieren und -posten, die Vielzahl einfach gelagerter Abfragen nach Personen, Sachen oder Kfz-Kennzeichen selbst durchzuführen. Hierzu wurden an nahezu alle betroffenen Bediensteten insgesamt 21.000 Abfrageberechtigungen vergeben. Allerdings ist die Nutzung bei einigen Dienststellen noch gering, weil die dortige DASTA nach wie vor einen „Full-Service“ für Abfragen anbietet.

Eine vor diesem Hintergrund von einer polizeiinternen Projektgruppe durchgeführte Personalbedarf-Analyse ergab immerhin schon jetzt einen Personalüberhang im Abfragedienst von 86 VZÄ.

Mit der landesweiten Einführung des neuen Vorgangsbearbeitungssystems ComVor wird eine deutliche Vereinfachung bei der Belegerstellung durch den Vollzugsdienst, aber vor allem eine medienbruchfreie Übermittlung von Daten in das POLAS-System möglich. Die Datenübergabe an POLAS soll dann weitgehend automatisch ablaufen. Hinzu kommt, dass mit der Verfügbarkeit von systemseitigen Plausibilitätsprüfungen auch der Prüfdienst bei den DASTA deutlich entlastet werden kann. Das muss Auswirkungen auf die bisher gebundenen Personalkapazitäten haben.

4.3 Wertung und Handlungsempfehlung

Das DASTA-Aufgabenfeld hat sich durch den Technologiefortschritt verändert, die bisherigen Strukturen sind überholt; der Personalbestand ist auf Dauer viel zu hoch. Das Innenministerium darf im Interesse der Sparsamkeit nicht zu lange daran festhalten und sollte in einem ersten Schritt den schon derzeit bestehenden Personalüberhang von 86 VZÄ zügig abbauen. Außerdem sollten die Vollzugsbeamten noch stärker ermuntert werden, die Recherchemöglichkeiten von POLAS selbstständig zu nutzen. Damit könnten die restlichen noch im Abfragedienst gebundenen Personalstellen mittelfristig nahezu vollständig abgebaut werden. Auch in der Fallbelegbearbeitung muss es durch den Wegfall von Medienbrüchen und den vereinfachten Prüfdienst zu einer weiteren deutlichen Personalreduzierung von etwa 20 % kommen.

Mit den zurückgehenden Aufgaben sollte das Innenministerium baldmöglichst die DASTA-Strukturen verschlanken und auf der Leitungsebene mindestens 50 % der Stellen einsparen. In der Summe hält die Finanzkontrolle gegenüber dem derzeitigen Stand etwa 270 VZÄ des DASTA-Personals mittelfristig für entbehrlich.

Das Innenministerium sieht die von der Finanzkontrolle in den Raum gestellten Einsparpotenziale, welche über die von der Projektgruppe ermittelten Zahlen hinausgehen, nicht durch Fakten belegt. Insbesondere sei nicht davon auszugehen, dass in absehbarer Zeit der Abfragedienst komplett abgebaut oder das Prüfpersonal durch die ComVor-Einführung reduziert werden könne. Eine automatische Datenübergabe an POLAS mit der erforderlichen Datenqualität werde in absehbarer Zeit nicht zu erreichen sein. Auch ein Abbau von DASTA-Personal im Landeskriminalamt wird angesichts dort ständig zunehmender Aufgaben als kritisch betrachtet.

Der Nutzen einer modernen IuK wird dabei teilweise in Frage gestellt. Außerdem übersieht das Innenministerium, dass erst durch die landesweite Einführung von ComVor wesentliche Personalressourcen für neue Aufgaben erschlossen werden können.

5 Dienstleistungen Dritter

Die Ausgaben für externe Beratung betragen im Zeitraum 2003 bis 2005 mindestens 11 Mio. €. Es bestehen Zweifel, ob die Beschäftigung externer Berater in diesem Umfang in der Vergangenheit in jedem Fall notwendig war. Künftig sollte die Beratung deutlich zurückgeführt werden. Grundsätzliche Hinweise zur Praxis der Vergabe von Gutachten durch die Ministerien ergeben sich aus der Beratenden Äußerung des Rechnungshofs vom 18.01.2005 .

Das Innenministerium teilt die Ansicht der Finanzkontrolle nicht, da strenge Maßstäbe bei der Beauftragung von externen Beratern angelegt würden. Im Übrigen sei der Aufwand bei einem Projekt dieser Größenordnung wirtschaftlich und angemessen. Der Rechnungshof bleibt bei seiner Auffassung, dass zu viele und zu teure externe Beratungsleistungen eingekauft wurden, die nicht oder nur bedingt zum gewünschten Erfolg geführt haben.

6 Schlussbemerkung

Die Polizei bemüht sich seit mehreren Jahren, den IuK-Bereich neu zu organisieren sowie Hauptfachanwendungen und Technik zu modernisieren. Alle Ziele waren im Zeitpunkt der Prüfung nicht oder erst mit großen Verzögerungen erreicht:

  • Die Aufgabenverteilung zwischen Landeskriminalamt, Rechenzentrum IZLBW und Dienststellen in der Fläche ist noch unklar.

 

  • Die zu modernisierende Hauptfachanwendung POLAS ist zwar in Betrieb; der Rahmen für ablauforganisatorische und personelle Konsequenzen wurde aber bisher nur in geringem Umfang ausgeschöpft.

 

  • Der Aufbau einer einheitlichen Infrastruktur ist immer noch nicht realisiert. Daher konnte auch das neue Vorgangsbearbeitungssystem ComVor mit entsprechenden Effizienzgewinnen noch nicht landesweit eingeführt werden.

Die Modernisierung der polizeilichen Datenverarbeitung und die Neuorganisation führen zu wirksameren DV-Verfahren. Als Konsequenz kann - neben einer um bis zu 10 % erhöhten Effizienz des Vollzugs - Personal bei der IuK und bei den Datenstationen freigesetzt werden:

  • 20 % des IuK-Personals (rd. 90 Personalstellen) durch klare und abgestimmte Arbeitsvorgänge zwischen den IuK-Organisationseinheiten und Auflösung der besonderen Projektorganisation nach Übergang in den Regelbetrieb;

 

  • 270 Stellen im Nichtvollzugsbereich bei den Datenstationen durch Reduzierung der Datenstationen, plausibilisierte Dateneingaben, Verlagerung des Auskunftsdienstes sowie Verminderung des Arbeitsaufwands bei der Datenerfassung.

Das Innenministerium hält eine solche Personalreduzierungsvorgabe für zu hoch, ist aber bereit, nach Abschluss der Modernisierungsmaßnahmen den Personalbedarf neu zu berechnen. Der Rechnungshof empfiehlt dem Landtag, sich diese neue Personalbedarfsberechnung vorlegen zu lassen.


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Die Hochschule für Polizei ist sehr gut ausgestattet. Einsparpotenziale bestehen insbesondere bei der Unterbringung, der Verpflegung und der Besoldung der Studierenden, bei der Zahl und beim Status der Dozenten sowie bei der Ausstattung der Hochschule in den Bereichen Kraftfahrzeuge, Bibliothek und Druckerei. Mehr als 5 Mio. € jährliche Personalkosten könnten eingespart werden, wenn das Land auf die Kurse zum Erwerb der Fachhochschulreife für Polizeibeamte verzichten würde, für die sie von ihren Dienstaufgaben freigestellt werden.


1 Die Hochschule für Polizei

Für die Ausbildung zum Beamten des gehobenen Polizeivollzugsdienstes wurde 1979 im Geschäftsbereich des Innenministeriums die Fachhochschule für Polizei in Villingen-Schwenningen errichtet. Es handelt sich um eine verwaltungsinterne Fachhochschule ohne eigene Rechtsfähigkeit, die der Fachaufsicht des Innenministeriums untersteht.

Das Studium bereitet auf die Staatsprüfung zum Diplom-Verwaltungswirt Polizei (FH) vor und umfasst (einschließlich der Praktika) drei Studienjahre. Bei den Studierenden handelt es sich überwiegend um Polizeibeamte des mittleren Dienstes, die nach erfolgreichem Studium in den gehobenen Dienst aufsteigen können. In geringerem Umfang werden auch Beamtenanwärter als Direkteinsteiger zugelassen, die nach Abschluss des Studiums unmittelbar in den gehobenen Polizeivollzugsdienst eintreten.

Daneben wirkt die Hochschule an der Ausbildung der Beamten des höheren Dienstes mit und bietet einzelne Fortbildungsveranstaltungen für die baden-württembergische Polizei an.

Der Ablauf und die Inhalte der Ausbildung sind in einer vom Innenministerium erlassenen Ausbildungs- und Prüfungsordnung geregelt.

Aus der nachfolgenden Tabelle ergibt sich, wie sich die Zahl der Studierenden in den letzten Jahren entwickelt hat.

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Bei diesen Zahlen ist zu berücksichtigen, dass wegen der umfangreichen Praxisphasen jeweils nur zwei Drittel der Studierenden an der Hochschule präsent sind.

2 Prüfung des Rechnungshofs

Der Rechnungshof hat im Studienjahr 2005/06 die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Hochschule für Polizei geprüft.

Sie hat sich dabei als eine sehr gut ausgestattete Einrichtung erwiesen, die in mancherlei Hinsicht noch Wirtschaftlichkeitsreserven aufweist. Die als Ergebnis einer früheren Rechnungshof-Prüfung zugesagten Einsparungen und Mehreinnahmen sind bisher nur teilweise realisiert worden.

3 Leistungen an die Studierenden

Die Mehrzahl der Studierenden an der Hochschule sind Polizeivollzugsbeamte des mittleren Dienstes, die übrigen sind Beamtenanwärter (sogenannte Direkteinsteiger). Das bedeutet, dass die meisten Studierenden während der gesamten Studiendauer ihre Bezüge als Beamte des mittleren Dienstes erhalten; die Beamtenanwärter erhalten Anwärterbezüge.

Daneben erhalten die Studierenden weitere Leistungen.

3.1 Unterbringung der Studierenden

Für die Unterbringung der Studierenden stehen auf dem Campus der Hochschule 374 landeseigene Wohnheimplätze sowie weitere 496 Plätze in drei vom Land angemieteten Gebäuden bereit. In der Jubiläumsschrift von 2004 teilte die Hochschulleitung mit, dass die Wohnbedingungen kaum noch Wünsche übrig ließen und deutschlandweit ihresgleichen suchten.

Die Zimmergröße in den Wohnheimen auf dem Campus beträgt 15,5 m². Dafür wird ein Nutzungsentgelt von 78,48 € monatlich erhoben. Für jede dieser Wohneinheiten entstehen dem Land monatliche Kosten in Höhe von 176 €, sodass das Nutzungsentgelt weniger als 50 % der entstehenden Kosten deckt.

Ähnliche Verhältnisse ergeben sich bei den im Stadtgebiet von Villingen-Schwenningen angemieteten Wohnungen, bei denen durchschnittlichen monatlichen Kosten von 188 € je Wohneinheit durchschnittliche Nutzungsentgelte von 58 € gegenüberstehen.

Insgesamt ergibt sich für das Land durch die Bereitstellung der Wohnungen für die Studierenden ein jährliches Defizit von rd. 1 Mio. €.

Die Nettobelastung der Studierenden reduziert sich durch die Gewährung anteiligen Trennungsgeldes. Der Unterkunftsanteil des Trennungsgeldes für alle Studierenden beläuft sich rechnerisch auf rd. 275.000 € jährlich.

Der Rechnungshof schlägt vor, künftig ein kostendeckendes Nutzungsentgelt zu erheben. Sollte dadurch, wie von der Hochschule erwartet, die Nachfrage nach Wohnheimplätzen zurückgehen, so kann dem durch Beendigung von Mietverhältnissen bei angemieteten Objekten Rechnung getragen werden.

Bei Erhebung kostendeckender Nutzungsentgelte würde das oben genannte Defizit des Landes weitgehend entfallen. Allerdings stünde den Beamten in diesem Falle ein erhöhter Trennungsgeldanspruch zu, der etwa ein Viertel dieses wirtschaftlichen Effekts wieder kompensieren würde.

Als erster Schritt wäre eine Verdopplung der Nutzungsentgelte denkbar; sie würde nach Berechnungen des Rechnungshofs per Saldo für das Land eine Verminderung des Defizits um 290.000 € jährlich ergeben.

Rechtliche Bedenken gegen die Zulässigkeit dieser Erhöhung bestehen jedenfalls dann nicht, wenn es sich um die Nutzung von Wohnraum durch neue Studierende handelt.

3.2 Verpflegungswesen

Die Hochschule betreibt eine Mensa und eine Cafeteria für die Verpflegung der Studierenden und der Bediensteten.

Bereits in der Denkschrift 1995, Nr. 9, hatte der Rechnungshof die hohen Aufwendungen des Landes für den Verpflegungsbetrieb beanstandet.

Das Innenministerium hat daraufhin verschiedene Maßnahmen eingeleitet, die nach Berechnungen des Rechnungshofs dazu führten, dass das Defizit des Verpflegungsbetriebs auf rd. 580.000 € begrenzt werden konnte. Allerdings ist es heute höher als im Jahre 1994, als es 491.000 € betrug.

Die seinerzeit vorgeschlagene Privatisierung des Verpflegungsbetriebs durch Verpachtung an einen privaten Betreiber ist unterblieben. Eine im Jahr 1998 durchgeführte Ausschreibung hatte kein realisierungsfähiges Ergebnis erbracht.

Der Rechnungshof hält es vor diesem Hintergrund für erforderlich, die Verpflegungsentgelte weiter zu erhöhen, um einen kostendeckenden Betrieb sicherzustellen, so wie dies in anderen Behörden des Landes ebenfalls angestrebt und weitgehend realisiert ist. Die von der Hochschule vertretene Auffassung, dass die Wertungen des Studentenwerksgesetzes entsprechend heranzuziehen seien und die Verpflegung der Studierenden deshalb staatlich subventioniert werden müsse, kann angesichts der Tatsache, dass es sich bei den Studierenden um alimentierte Beamte handelt, die überdies Trennungsgeld mit einem entsprechenden Verpflegungskostenanteil erhalten, nicht akzeptiert werden.

Mittelfristig sollte weiterhin die Privatisierung des Verpflegungsbetriebs (z. B. durch Verpachtung) angestrebt werden.

3.3 Polizeizulage und Bekleidungskonten

Neben ihren Beamtenbezügen erhalten die Studierenden auch für die Zeit ihrer Präsenz an der Hochschule die Polizeizulage nach dem Bundesbesoldungsgesetz und, soweit es sich um Beamte der Schutzpolizei handelt, auch Gutschriften auf den jeweiligen Bekleidungskonten.

Durch die Gewährung der Polizeizulage an die Studierenden auch während der Präsenzphasen entstehen dem Land jährliche Ausgaben von rd. 1 Mio. €. Die Gutschriften auf den Bekleidungskonten der zur Schutzpolizei gehörenden Studierenden belaufen sich auf einen jährlichen Gesamtwert von etwa 70.000 €.

Für beide Leistungen besteht zwar die erforderliche Rechtsgrundlage, sie sind jedoch sachlich nicht gerechtfertigt.

So dient die Polizeizulage nach dem Willen des damals zuständigen Bundesgesetzgebers dem Ausgleich der Erschwernisse, die für einen Polizeibeamten durch den Streifendienst und den Nachtdienst entstehen. Diese Erschwernisse treten während des Studiums an der Hochschule für Polizei, jedenfalls in den Präsenzphasen, nicht auf.

Der nach der Föderalismusreform zuständige Landesgesetzgeber sollte daher bei der Neuregelung des Besoldungsrechts in Baden-Württemberg vorsehen, dass die Polizeizulage während der Präsenzphasen des Studiums an der Hochschule entfällt.

Dasselbe gilt für die Gutschriften auf den Bekleidungskonten. Da an der Hochschule keine Dienstkleidung getragen werden muss, ergibt sich auch keine sachliche Rechtfertigung für die Gewährung einschlägiger Sachleistungen.

4 Der Status der Dozenten und die Erfüllung der Lehrverpflichtungsverordnung

Die Hochschule für Polizei verfügte im Jahr 2005 über 124 Stellen, von denen 60,5 Stellen auf Lehrpersonal (einschließlich Rektor und Prorektor) entfielen.

Teilweise handelt es sich beim Lehrpersonal um Professoren, die dem allgemeinen Dienstrecht unterliegen, teilweise um Dozenten, die aus dem Personalkörper der Polizei stammen und nach wie vor Polizeivollzugsbeamte im rechtlichen Sinne bleiben.

Für diese Dozenten wird ebenfalls die Polizeizulage nach dem Bundesbesoldungsgesetz bezahlt, für die ebenso wenig wie bei den Studierenden eine sachliche Rechtfertigung besteht. Auch insoweit sollte der Landesgesetzgeber bei der Neuregelung des Besoldungsrechts den sachlichen Gegebenheiten Rechnung tragen und die Polizeizulage für diesen Personenkreis streichen.

Dasselbe gilt für die Anwendung der vorgezogenen polizeispezifischen Altersgrenze auf die Dozenten der Hochschule. Es gibt keinen sachlichen Grund, der bei diesem Personenkreis eine andere Altersgrenze rechtfertigt als bei den Professoren.

Der Rechnungshof schlägt dem Landesgesetzgeber vor, diese nicht gerechtfertigte Privilegierung der Polizeibeamten, die als Dozenten an der Hochschule für Polizei tätig sind, im Zuge der Neuregelung der Besoldung und der Altersgrenzen zu beenden.

Außerdem hat die Prüfung des Rechnungshofs ergeben, dass die Zahl der Lehrenden gemessen an den Studierendenzahlen um etwa 7 Vollzeitäquivalente überdimensioniert ist. Die Verpflichtung der Lehrenden nach der Lehrverpflichtungsverordnung wird nicht durchgehend erfüllt; der Rechnungshof hat auf notwendige Korrekturen bei der Praxis der Umsetzung der Lehrverpflichtungsverordnung an der Hochschule für Polizei hingewiesen.

Weitere Einsparpotenziale von rd. 500.000 € jährlich ergeben sich, wenn die Zahl der Lehrbeauftragten auf 20 % erhöht wird.

5 Ausstattung der Hochschule

Auch bei der Prüfung der Ausstattung der Hochschule haben sich Wirtschaftlichkeitsreserven ergeben:

So verfügt sie über einen Bediensteten, der überwiegend als Kraftfahrer im Dienstreiseverkehr eingesetzt wird.

Entsprechend der mittlerweile in allen Bereichen der Landesverwaltung eingeführten Praxis sollte die Stelle des Kraftfahrers eingespart werden, sobald der Stelleninhaber in den Ruhestand geht. Allfällige Kurier- und Botenfahrten können andere Mitarbeiter machen.

Der Rechnungshof hat überdies festgestellt, dass der Bestand an Kraftfahrzeugen, der an der Hochschule vorgehalten wird, nicht den Erfordernissen einer sparsamen und wirtschaftlichen Verwaltung entspricht. Durch eine Erhöhung des Auslastungsgrades der vorhandenen Fahrzeuge, die Zulassung privater Fahrzeuge zum Dienstreiseverkehr und die stärkere Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel können mindestens zwei der fünf Pkw eingespart werden; außerdem sollte der an der Hochschule vorgehaltene Omnibus abgeschafft werden.

Weitere Einsparpotenziale haben sich beim Personal der Druckerei und der Bibliothek der Hochschule ergeben.

6 Der Erwerb der Fachhochschulreife und die Zulassung zum Studium

6.1 Das Zulassungsverfahren zum Studium

Bis zum Jahr 2006 konnten sich alle Beamten des mittleren Dienstes um die Zulassung zum Studium an der Hochschule bewerben. Sie nahmen dann an einem Auswahlverfahren teil, das sehr aufwendig ausgestaltet war. Jeder Beamte konnte - unabhängig von der Frage, wie er in seiner bisherigen Laufbahn beurteilt wurde - beliebig oft an diesem Auswahlverfahren teilnehmen. Jahr für Jahr bewarben sich etwa 3.000 Beamte um die rd. 350 Studienplätze an der Hochschule für Polizei. Die Kosten des Auswahlverfahrens lagen in einer Größenordnung von etwa 1 Mio. € jährlich.

Vor diesem Hintergrund bewertet der Rechnungshof die vom Innenministerium zum Jahr 2007 eingeführte Reform des Zulassungsverfahrens positiv. Indem der Teilnehmerkreis beschränkt wird, gewinnt das Verfahren an personalwirtschaftlicher Stringenz und vermeidet unnötige Kosten.

6.2 Der Erwerb der Fachhochschulreife in Vollzeitkursen

Voraussetzung für die Aufnahme des Studiums an der Hochschule für Polizei ist der Nachweis der Fachhochschulreife oder eines anderen als gleichwertig anerkannten Bildungsstands.

Die Mehrzahl der Polizeibeamten des mittleren Dienstes, die zum Studium zugelassen werden, erfüllt diese Voraussetzung. Jene Bewerber, die nicht über die Fachhochschulreife verfügen, können sie bei der Polizei in elfmonatigen Kursen erwerben. Da es sich dabei um Kurse mit Vollzeitunterricht handelt, werden die Polizeibeamten in dieser Zeit von ihren übrigen Dienstaufgaben freigestellt. Sie erhalten während des Lehrgangsbesuchs Trennungsgeld und Reisekostenvergütung und werden bei Bedarf in den Unterkünften der Bereitschaftspolizei unentgeltlich untergebracht.

Im Durchschnitt der letzten Jahre nahmen jährlich etwa 100 Polizeibeamte an diesen Lehrgängen teil. Die Mehrzahl der Teilnehmer war zuvor im Schichtdienst bei Polizeirevieren des Landes beschäftigt.

Die Möglichkeit, unter Freistellung von Dienstaufgaben bei vollem Gehalt die Fachhochschulreife zu erwerben, gibt es außer in Baden-Württemberg nur noch im Land Sachsen-Anhalt. Auch bei anderen Laufbahnbeamten des Landes ist ein solches Angebot nicht vorhanden.

Die Kosten dieser Lehrgänge setzen sich aus den Personalkosten der Teilnehmer, aus den Personalkosten der Dozenten und aus den Sachkosten für den Unterricht zusammen und betragen rd. 5,7 Mio. € jährlich. Müssten die Polizeibeamten wie andere Beamte oder Arbeitnehmer die Fachhochschulreife berufsbegleitend und auf eigene Kosten erwerben, könnte das Land Baden-Württemberg 100 Stellen des mittleren Polizeivollzugsdienstes streichen, ohne dass die Personalausstattung der Polizei beeinträchtigt wäre.

Der Aufwand, den das Land Baden-Württemberg für diese Lehrgänge betreibt, ist sachlich nicht zu rechtfertigen. Die Rahmenbedingungen, die diesen Beamten geboten werden, stellen eine Privilegierung gegenüber anderen Beamten und Arbeitnehmern innerhalb und außerhalb des öffentlichen Dienstes dar. Da eine ausreichende Zahl von Laufbahnbewerbern vorhanden ist, die die geforderte Qualifikation schon mitbringen, besteht auch kein spezielles Interesse des Landes an der Durchführung dieser Kurse.

Der Rechnungshof empfiehlt deshalb, die Lehrgänge zum Erwerb der Fachhochschulreife einzustellen. Zu prüfen ist, ob für besonders qualifizierte Polizeibeamte des mittleren Dienstes der Zugang zur Hochschule auch ohne Erwerb der Fachhochschulreife ermöglicht werden kann.

7 Stellungnahme des Innenministeriums

In seiner Stellungnahme weist das Innenministerium darauf hin, dass sich die Hochschule in einer Umbruchphase befinde. Es sei geplant, kurz- bis mittelfristig die gesamten Aus- und Fortbildungsstrukturen der Polizei ergebnisoffen zu untersuchen. Dabei müsse allerdings berücksichtigt werden, dass die Zahl der notwendigen Nachwuchsbeamten des gehobenen Polizeivollzugsdienstes im Hinblick auf die Altersstruktur der Polizei nach 2013 deutlich ansteigen werde.

Im Einzelnen nimmt das Innenministerium zu den Vorschlägen des Rechnungshofs wie folgt Stellung:

7.1 Nutzungsentgelte

Die Nutzungsentgelte für die Unterkünfte der Studierenden sollen nach Auffassung des Innenministeriums zunächst um allenfalls 10 % erhöht werden, denn es handle sich bei den studierenden Beamten im Unterschied zu den Studenten an den vom Rechnungshof genannten anderen Ausbildungseinrichtungen überwiegend um Personen mit Familie und eigenem Hausstand, weshalb bei diesem Personenkreis durch das Studium entsprechende Mehrkosten anfallen würden. Die Erhebung einer kostendeckenden Miete erscheine daher weder durchsetzbar noch rechtlich möglich.

7.2 Verpflegungsbetrieb

Das Innenministerium vertritt dazu die Auffassung, dass allenfalls eine Erhöhung der - im Vergleich zu anderen Bildungseinrichtungen nicht niedrigeren - Essenspreise um bis zu 5 % realisierbar sei, damit es zu keiner weiteren Verringerung der Essensteilnahme kommt. Die Übertragung des Verpflegungsbereichs auf ein Studentenwerk bzw. eine materielle Privatisierung seien in der Vergangenheit geprüft, aber verworfen worden. Es seien keine Gründe für eine nunmehr verbesserte Realisierungschance ersichtlich.

7.3 Polizeizulage und Bekleidungskonten

Das Innenministerium weist darauf hin, dass im Zuge der Neugestaltung des Besoldungsrechts durch den Landesgesetzgeber geprüft werden müsse, ob Korrekturen bei der Besoldung der Studierenden in Betracht kommen.

7.4 Status der Dozenten

Die geforderten Änderungen im Status der Dozenten an der Hochschule für Polizei werden vom Innenministerium nicht befürwortet. Bei Wegfall der Polizeizulage für Vollzugsbeamte, die an der Hochschule als Lehrkräfte eingesetzt sind, müsse befürchtet werden, dass kaum noch fachlich qualifizierte und persönlich geeignete Dozenten zur Übernahme einer Lehrtätigkeit gewonnen werden können. Eine Entscheidung über die Heraufsetzung der Altersgrenze für Dozenten im Polizeivollzugsdienst werde im Zusammenhang mit der Entscheidung der Landesregierung über eine Anhebung der Altersgrenze bei Beamten zu treffen sein.

7.5 Erfüllung der Lehrverpflichtung und Auslastung der Hochschule

Das Innenministerium macht dazu geltend, dass die Hochschule im Rahmen der Einführung eines Bachelor-Studienganges im Frühjahr 2009 ein neu erarbeitetes Curriculum einführen werde. Dieses werde die Grundlage für die Berechnung des künftigen Lehrangebots und damit auch des erforderlichen Lehrkörpers darstellen. Ein Abbau von Dozentenstellen im Vorfeld des neuen Curriculums wäre somit ungeachtet des Vorgenannten grundsätzlich nicht sinnvoll.

Gleichwohl sei beabsichtigt, die Hochschule in den Abbau von Planstellen des Polizeivollzugsdienstes im Rahmen der Verlängerung der Wochenarbeitszeit einzubeziehen. Das Innenministerium werde ferner bis zur anstehenden Neuberechnung unbesetzte bzw. freiwerdende Stellen, soweit sie auf der Basis des aktuellen Curriculums und der aktuellen Auslastung der Hochschule nicht benötigt werden, nicht besetzen.

Das Innenministerium beabsichtige, das System mit hauptamtlichen Vollzugsdozenten, die überwiegend für einige Jahre bei der Hochschule fest eingesetzt werden, und einem relativ geringen Anteil an nebenamtlichen Lehrkräften grundsätzlich beizubehalten. Die spezifische Aufgabenstellung der Hochschule erfordere Lehrbeauftragte mit Praxiserfahrung und Polizeikenntnissen. Eine Erhöhung des Anteils nebenamtlicher Lehrkräfte des Polizeivollzugsdienstes sei aufgrund der hohen und ereignisabhängig oft nicht steuerbaren Belastungen der Führungskräfte im Polizeidienst kaum erreichbar und würde sowohl den regelmäßigen und verlässlichen Unterricht an der Hochschule als auch die hauptamtliche Wahrnehmung der Führungsaufgaben dieser Beamten beeinträchtigen.

7.6 Ausstattung der Hochschule

Das Innenministerium macht geltend, dass nach seinen Feststellungen der mit Fahrdiensten betraute Beschäftigte zu weniger als 50 % seiner Dienstzeit im Dienstreiseverkehr tätig sei und deshalb nicht zu dem Kreis der Berufskraftfahrer gehöre, deren Stellen nach den für die Landesverwaltung geltenden Regelungen wegfallen sollen. Das Innenministerium werde aber zu gegebener Zeit gleichwohl über den Wegfall der Stelle entscheiden.

Weiterhin weist das Innenministerium darauf hin, dass es die Einschränkungen, die der Rechnungshof hinsichtlich der Ausstattung der Hochschule verlangt, in Teilen realisieren werde. So werde der Bedarf an Dienstfahrzeugen zeitnah mit dem Ziel der Reduzierung und die Weiterverwendung des Omnibusses kontinuierlich unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten geprüft. Hingegen solle das Personal in der Druckerei infolge der technischen Möglichkeiten einen Aufgabenzuwachs erhalten und in der Bibliothek sollen die Öffnungszeiten verlängert werden, weshalb in beiden Bereichen vorläufig kein Einsparpotenzial gesehen werde.

7.7 Erwerb der Fachhochschulreife in Vollzeitkursen

Zu diesem Komplex macht das Innenministerium geltend, dass die vom Rechnungshof beanstandeten Kurse zum Erwerb der Fachhochschulreife ein wesentlicher Beitrag zu dem in Baden-Württemberg verwirklichten Konzept der Einheitslaufbahn seien. An diesem Konzept solle auch in Zukunft festgehalten werden. Gleichwohl werde im Zuge der Untersuchung der Aus- und Fortbildungsstrukturen die Möglichkeit geprüft werden, Beamte auch dann zum Studium zuzulassen, wenn sie nicht über die Fachhochschulreife verfügen.

8 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof bleibt bei seinen Vorschlägen.

Dass die Privatisierung des Verpflegungsbetriebs im Jahr 1998 bereits einmal nicht zustande gekommen ist, macht weitere Bemühungen um mehr Wirtschaftlichkeit in diesem Bereich nicht obsolet. Durch die mittlerweile erfolgte Reduzierung des (zu übernehmenden) Personals haben sich die Chancen, einen übernahmebereiten neuen Betreiber zu finden, jedenfalls verbessert.


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Die vom Land geförderten Park-and-ride-Anlagen sind teilweise unzureichend ausgelastet. Bei einigen Anlagen entspricht die Nutzung nur teilweise dem Förderzweck. Die Fördervoraussetzungen und der Fördererfolg müssen strenger geprüft werden. Im Hinblick auf die knappen Fördermittel sollte künftig auch für Parkhäuser nur der einfache Fördersatz gewährt werden.


1 Vorbemerkung

Das Land fördert nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) den Bau von Park-and-ride-Anlagen (P+R-Anlagen). Seit 1993 wurden hierfür jährlich zwischen 0,5 Mio. € und mehr als 6 Mio. € eingesetzt. Insgesamt wurden seither rd. 38 Mio. € GVFG-Fördermittel für P+R-Anlagen aufgewendet.

Mit der Förderung von P+R-Anlagen soll die Attraktivität des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) verbessert werden, wobei möglichst frühzeitig innenstadtorientierte Pendlerströme auf öffentliche Verkehrsmittel umgelenkt werden sollen, um Stadtzentren vom Individualverkehr zu entlasten.

Der Rechnungshof hat zusammen mit den staatlichen Rechnungsprüfungsämtern Karlsruhe und Tübingen landesweit 20 P+R-Anlagen (ebenerdige Anlagen und Parkhäuser) geprüft.

2 Implementierung der Erfolgskontrolle in Park-and-ride-Zuwendungsverfahren

Seit Juli 2000 schreibt die Verwaltungsvorschrift (VwV) zu § 44 der Landeshaushaltsordnung (LHO) für Zuwendungen die zweifelsfreie Festlegung der Förderziele in den Bewilligungsbescheiden vor, sodass der Fördererfolg nach Verwirklichung der Maßnahme über Erfolgskontrollen überprüft werden kann. Die Erfolgskontrolle bezieht sich nicht nur auf die Wirtschaftlichkeit bereits abgeschlossener Vorhaben (abschließende Erfolgskontrolle). Sie ist vielmehr im Sinne eines Erfolgscontrolling in den gesamten Planungs- und Durchführungsprozess von Vorhaben zu implementieren (begleitende Erfolgskontrolle).

Ausgehend von dieser Zielsetzung lässt sich der Fördererfolg von P+R-Vorhaben im Wesentlichen anhand der Auslastung der Anlagen sowie deren zweckentsprechender Nutzung beurteilen (Erfolgsfaktoren).

Bei der Antragsprüfung sind deshalb alle wesentlichen Attraktivitätsmerkmale für P+R-Anlagen (siehe Tabelle 1) zu berücksichtigen. Als Ergebnis dieser Prüfung sind dann in die Bewilligungsbescheide die förderfähigen P+R-Stellplätze sowie konkrete und verbindliche Vorgaben zur Auslastung und zweckentsprechenden Nutzung aufzunehmen, die nach Fertigstellung der Anlage überprüft werden können.

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3 Exemplarische Darstellung eines Förderfalls

Für den Bau einer P+R-Anlage an einem neu zu errichtenden Bahnhaltepunkt wurde am 26.07.1999 ein Förderantrag beim zuständigen Regierungspräsidium gestellt. Die Antragstellerin begründete den Stellplatzbedarf u. a. mit fehlenden Parkmöglichkeiten am bereits bestehenden S-Bahn-Endhaltepunkt der Stadt. In einer Stellungnahme des Verkehrsverbundes wurde für den neuen Bahnhaltepunkt der Bau von 100 bis maximal 150 Stellplätze empfohlen.

Die P+R-Stellplätze sollten als Parkdeck im Zuge eines neu zu errichtenden Parkplatzes eines Einkaufszentrums gebaut werden. Am 21.10.1999 wurde vom Regierungspräsidium ein förderunschädlicher vorzeitiger Baubeginn zugelassen, weil der Initiator des Einkaufszentrums mit dem Bau des Parkdecks beginnen wollte. In einem Vermerk vom 20.11.2000 stellte die Bewilligungsstelle als Ergebnis der Antragsprüfung fest, dass gegen das Vorhaben keine Bedenken bestünden. Die Anlage wurde bereits im Juli 2000 fertig gestellt. Der Förderbescheid wurde vom Regierungspräsidium am 04.12.2000 erteilt. Auf der Basis von 89 Stellplätzen wurde die Gesamtzuwendung auf rd. 696.000 € festgesetzt.

Die Antragstellerin wurde im Bewilligungsbescheid aufgefordert, den Nachweis über die Belegung der Anlage im Rahmen des Schlussnachweises zu erbringen. In diesem rechnete die Stadt am 03.02.2003 lediglich Zuwendungen in Höhe von rd. 641.000 € ab, da infolge der Privatisierung von Stellplätzen nur noch 82 P+R-Stellplätze zuwendungsfähig seien. Die Bahnstation wurde am 29.11.2003 in Betrieb genommen. Der Schlussbescheid wurde noch nicht erlassen.

Auf Nachfrage der Bewilligungsstelle nannte die Stadt im Oktober 2006 eine Auslastung von 5 - 10 % der geförderten Stellplätze. Bei einer Ortsbesichtigung des Rechnungshofs an einem normalen Werktag im November 2006 war lediglich ein Fahrzeug geparkt (siehe Abbildung).

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3.1 Prüfung des Förderantrages

Um in die Landeshauptstadt zu gelangen, müssen P+R-Kunden, die ab dem Haltepunkt die Bahn benutzen, in der Regel bereits an der nächsten Bahnstation, dem Stadtbahnhof, erneut umsteigen. Für P+R-Kunden des Bahnhaltepunkts sind dies im Vergleich zum Stadtbahnhof, der Endhaltepunkt einer S-Bahnlinie ist, klare Wettbewerbsnachteile im Hinblick auf die Erfolgsfaktoren Umsteigehäufigkeit, Takthäufigkeit und Fahrzeiten. Für P+R-Pendler, die in Orten westlich der neuen Bahnstation wohnen, ist die P+R-Anlage nicht attraktiv, da ihre Wohngemeinden von den gleichen Zugverbindungen erschlossen werden oder sogar bessere Verkehrsangebote bestehen und die P+R-Stellplätze dort kostenlos benutzt werden können.

Am neuen Bahnhaltepunkt wurden zunächst Parkgebühren in gleicher Höhe wie im Parkhaus am Stadtbahnhof erhoben. Seit Dezember 2006 hat die Stadt die Parkgebühren um rd. 50 % gesenkt. Ein vollständiger Gebührenverzicht ist allerdings wegen steuerlicher Folgen nicht möglich, da die P+R-Anlage als Betrieb gewerblicher Art (BgA) gemäß § 4 Körperschaftsteuergesetz geführt wird. Durch diese Gestaltung eröffnen sich für den Betreiber Steuervorteile, die jedoch eine nachhaltige Einnahmenerzielungsabsicht voraussetzen.

Die geringe Inanspruchnahme der P+R-Anlage führte die Stadt auch darauf zurück, dass das angrenzende Neubaugebiet erst von rund 600 - 700 Bürgern bewohnt würde. Nach Aufsiedelung des Gebietes wäre aber mit rd. 5.000 Menschen zu rechnen. Im Rahmen der örtlichen Erhebung stellte der Rechnungshof fest, dass die Bewohner des Neubaugebietes den Bahnhaltepunkt bequem zu Fuß erreichen können.

Über die Anzahl der angebotenen P+R-Stellplätze am Bahnhaltepunkt gibt es unterschiedliche und widersprüchliche Angaben. Während die Stadt für 82 Stellplätze Zuschüsse abrechnete, hatte der Verkehrsverbund im Internet zunächst 347 Plätze ausgewiesen. Neuerdings werden nur noch 68 Stellplätze angegeben.

Der Rechnungshof betrachtete deshalb auch das nähere Umfeld des Bahnhaltepunktes nach weiteren Abstellmöglichkeiten. Dabei wurde östlich des Bahnhaltepunktes ein Schulparkplatz festgestellt, der keiner Nutzerbeschränkung unterliegt und rd. 170 freie Stellplätze aufweist. Außerdem kann der Bahnsteig in Richtung Landeshauptstadt im Vergleich zum P+R-Parkdeck von dort komfortabler erreicht werden, da die Landesstraße nicht überquert werden muss. Die Stadt versäumte es allerdings, diese Parkflächen in den Antragsunterlagen zu erwähnen. Die Bewilligungsstelle hätte möglicherweise eine andere Entscheidung getroffen, wenn sie hierüber informiert gewesen wäre oder die Örtlichkeiten vor der Bewilligung in Augenschein genommen hätte.

3.2 Verankerung der Erfolgsfaktoren im Bewilligungsbescheid

Das damalige Verkehrsministerium hatte nach Einwendungen kommunaler Antragsteller im Jahr 1996 die Bewilligungsstellen angewiesen, die Bewilligungspraxis zu ändern und bereits im Förderbescheid die zuwendungsfähigen Stellplätze grundsätzlich endgültig festzusetzen. Nur in Ausnahmefällen, z. B. wenn keine zuverlässige Bedarfsanalyse vorliegt, sollte die Förderung von der späteren Inanspruchnahme abhängig gemacht werden. Die Bewilligungsstelle hat von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht und auslastungsunabhängig für alle beantragten Stellplätze Fördermittel in Höhe von rd. 696.000 € zugesagt. In den Nebenbestimmungen des Bewilligungsbescheids wird die Stadt lediglich aufgefordert, im Schlussnachweis die Auslastung der Anlage zu dokumentieren.

Ein Auslastungsvorbehalt wäre jedoch geboten gewesen, da es sich um einen neuen Haltepunkt handelte und der P+R-Bedarf sich ausschließlich auf Prognosen stützte. Eine auslastungsbedingte Kürzung des Zuschusses bei der Schlussabrechnung ist daher nur schwer zu begründen. Eine „Schadensbegrenzung“ wäre möglich, wenn die Stadt die Stellplätze im Parkhaus anderweitig verwerten (z. B. Verkauf oder Vermietung an Anwohner und Gewerbetreibende des Neubaugebietes) und den Zuschuss zurückbezahlen würde.

3.3 Erfolgskontrolle im Zuge der Schlussverwendungsnachweisprüfung

Im Schlussverwendungsnachweis wurden nur 82 zuwendungsfähige Stellplätze zur Abrechnung eingereicht. Die örtlichen Erhebungen der Finanzkontrolle im November 2006 erbrachten, dass lediglich 67 Stellplätze auf dem Parkdeck für P+R-Pendler zur Verfügung stehen. Die weiteren Stellplätze waren zu diesem Zeitpunkt, wie die Abbildung zeigt, bereits anderweitig (privat) genutzt. In einem Gespräch zwischen dem Rechnungshof und der Stadt wurde dies aber bestritten. Eine Ortsbesichtigung des Rechnungshofs im Februar 2007 ergab, dass die Trennlinie „überstrichen“ worden war, die einzelnen Stellplätze waren aber bis auf eine Ausnahme nach wie vor mit einem Schild mit dem Aufdruck „Privat“ gekennzeichnet. Die „Privatparkplätze“ waren zu über 50 % belegt.

4 Allgemeine Empfehlungen für die künftige Förderung von Park-and-ride-Anlagen

Der Rechnungshof empfiehlt, die Erfolgskontrolle stärker in die Zuwendungsverfahren zu implementieren und den Fördertatbestand stringenter vorzugeben. Dazu ist jetzt Gelegenheit, weil infolge des Auslaufens der Bundesregelungen neue Landesrichtlinien zu erlassen sind.

4.1 Erfolgsorientierte Antragsprüfung

Die Prüfung zeigte, dass P+R-Anlagen dann angenommen werden, wenn sich deren Bedarf auf vorhandene „Wildparker“ stützt (ÖPNV-Umsteiger, die mangels vorhandener P+R-Stellplätze im Umfeld der Haltestelle Wohngebiete zuparken). Anlagen mit hohem Prognoseanteil des künftigen P+R-Nutzeraufkommens haben dagegen ein deutlich höheres Auslastungsrisiko. Die Bewilligungsstellen sollten entsprechende Anträge besonders kritisch beurteilen und die Zahl der förderfähigen Stellplätze zurückhaltend festsetzen. Der Rechnungshof empfiehlt, bei geeigneten Vorhaben „in Etappen“ zu fördern, d. h., zunächst nur (funktionsfähige) Teilabschnitte zu fördern; weitere Bauabschnitte könnten bei entsprechendem Bedarf später ohne erneuten Selbstbehalt bezuschusst werden.

Bei der Prüfung der Anträge sollten die Bewilligungsstellen das Erfolgsmerkmal „Parktarife“ verstärkt berücksichtigen, da hohe Parkgebühren auslastungsschädlich sein können und damit das Förderziel gefährden. Bei Stellplatzanlagen, die aus steuerlichen Gründen als Betrieb gewerblicher Art geführt werden sollen, ist grundsätzlich vorab zu prüfen, ob die damit verbundenen Parkgebühren am Markt überhaupt durchsetzbar sind. Die aktuelle Diskussion über das hohe Feinstaubaufkommen in den Innenstädten gibt Anlass zu prüfen, ob P+R-Anlagen in Stadtzentren künftig überhaupt nicht mehr gefördert werden sollten, weil sonst weiterer motorisierter Individualverkehr in die Zentren gelenkt wird, anstatt ihn bereits in den peripheren Randbereichen abzufangen.

Eine ganzheitliche Prüfung der P+R-Förderanträge erfordert von den Bewilligungsstellen auch die Berücksichtigung der Angebote der ebenfalls nach dem GVFG bezuschussten öffentlichen Buszubringersysteme. P+R-Anlagen sollten als konkurrierendes Nischenprodukt nur nachrangig gefördert werden.

4.2 Vorgaben zur Erfolgskontrolle im Zuwendungsbescheid

Bei Anlagen mit hohem Prognoseanteil des künftigen P+R-Nutzerpotenzials sollte die Förderung stärker als bisher auslastungsabhängig gewährt werden. Die Bescheide sollten konkrete Angaben darüber enthalten, ab welchem „Nichtauslastungsgrad“ die Förderung gekürzt wird. Der Rechnungshof empfiehlt den Bewilligungsstellen ein zweistufiges Vorgehen, wonach eine zu erwartende „Grundlast“ (z. B. in Höhe der festgestellten Wildparker) bereits im Erstbescheid endgültig gefördert wird, während die weiteren Stellplätze unter Auslastungsvorbehalt gestellt und Fördermittel erst nach Erbringung des Nachweises der Auslastung ausbezahlt werden.

Die Bewilligungsbescheide enthalten ein Widerrufsrecht für den Fall der zweckfremden Nutzung. Die Zweckbindungsfrist beträgt grundsätzlich zehn Jahre. Die Finanzkontrolle hält diese Zweckbindungsfrist bei Parkhäusern für zu kurz, zumal deren Abschreibung 30 Jahre beträgt. Die Zweckbindungsfrist für P+R-Parkhäuser sollte zukünftig an der Abschreibungsdauer ausgerichtet werden.

In den Förderbescheiden fehlen grundsätzlich einzelfallbezogene Vorgaben zur zweckentsprechenden Nutzung solcher Anlagen durch ÖPNV-Umsteiger. Insbesondere bei P+R-Anlagen mit standortbedingt hohem Fremdparkerpotenzial, z. B. wegen ihrer Innenstadtnähe oder wegen naher Wohnbebauung, sollten über das Aufstellen von P+R-Schildern hinaus zusätzliche Vorgaben, beispielsweise die Ausgabe von Parkberechtigungsscheinen, in den Bewilligungen vorgegeben werden. Darüber hinaus hat der Rechnungshof vereinzelt festgestellt, dass P+R-Stellplätze als Taxi- und Kurzzeitparkerstellplätze genutzt werden. Den Bewilligungsstellen wird empfohlen, im Rahmen der Schlussabrechnung die Umsetzung in Augenschein zu nehmen.

4.3 Einheitliche Förderpauschale

Die Prüfung ergab auch, dass die Auslastung von Parkhäusern deutlich unter der von ebenerdigen Stellplätzen liegt. Ausgehend von der durchschnittlichen Auslastung ergibt sich in Parkhäusern je genutztem Stellplatz eine Förderung von rd. 13.000 €, im geschilderten Beispielsfall sogar von mehr als 100.000 € (siehe Tabelle 2). Für den Bau von P+R-Parkhäusern sehen die Förderrichtlinien eine Stellplatzpauschale (zuwendungsfähiger Höchstbetrag) von 7.500 € vor, bei ebenerdigen Stellplätzen beträgt dieser Pauschalsatz 2.500 €.

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Der erhöhte Pauschalsatz für Parkhäuser ist nicht gerechtfertigt, da für den einzelnen ÖPNV-Umsteiger überproportional hohe Fördermittel aufgebracht werden. Parkhäuser sollten zukünftig nur noch mit dem einfachen Fördersatz für ebenerdige Stellplätze bezuschusst werden.

5 Stellungnahme des Ministeriums

Das Innenministerium wird die Vorschläge und Hinweise des Rechnungshofs hinsichtlich der künftigen Förderung von P+R-Anlagen im Rahmen der Neufassung der Verwaltungsvorschrift für die GVFG-Nachfolgeregelung prüfen und - soweit möglich - berücksichtigen. Insbesondere sollen Regelungen über eine Erfolgskontrolle in die neuen Richtlinien aufgenommen werden.

Beim geschilderten Einzelfall beabsichtigt die Bewilligungsstelle nach Vorlage der Stellungnahme der Antragstellerin und erneuter Prüfung vor Ort, die Fördermaßnahme abschließend zu beurteilen und auch die Rückforderung von Fördermitteln in Betracht zu ziehen.

6 Schlussbemerkung

Die Empfehlungen des Rechnungshofs machen deutlich, dass die nach der Landeshaushaltsordnung vorgeschriebene Erfolgskontrolle gerade bei derartigen Fördermaßnahmen unverzichtbar ist. Außerdem zeigen sie erhebliche Einsparpotenziale auf und tragen dazu bei, die Arbeit der Bewilligungsstellen zu erleichtern.


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Das von Straßen abfließende Niederschlagswasser wird häufig in eigens dafür erstellten Behandlungsanlagen gereinigt. Mit der Optimierung von Planung, Betrieb und Unterhaltung könnten Bau und Folgekosten dieser Anlagen verringert und der Gewässerschutz - auch unter ökologischen Gesichtspunkten - verbessert werden.


1 Ausgangslage

Die Notwendigkeit der Entwässerung von Verkehrsflächen ergibt sich in erster Linie aus den konstruktiven Anforderungen des Straßenoberbaus, aber auch aus nutzungsbedingten Sicherheitsansprüchen an das Bauwerk. Zugleich darf sich die Niederschlagswasserbeseitigung nicht nachteilig auf Boden und Gewässer auswirken, zumal mit ihr zahlreiche belastende Stoffe von den Straßenoberflächen abgespült werden. Verkehrsunfälle, z. B. mit Tanklastfahrzeugen, bei denen Wasser gefährdende Flüssigkeiten freigesetzt werden, sind vor allem in Wassergewinnungsgebieten ein zusätzliches Gefährdungspotenzial.

Das von Verkehrsflächen abfließende Niederschlagswasser wird daher meist gesammelt, abgeleitet und in eigens dafür erstellten Behandlungsanlagen gereinigt. Je nach Schutzziel werden Anlagen zur Ablagerung von Stoffen oder zum Rückhalt von Leichtflüssigkeiten (z. B. Benzin, Öle) eingesetzt. Regenrückhaltebecken werden für den Fall errichtet, dass Fließgewässer in Spitzenlastzeiten das Straßenoberflächenwasser mengenmäßig nicht mehr aufnehmen können. Häufig werden auch Anlagenkombinationen erstellt, um stoffliche und zugleich hydraulische Gewässerbelastungen zu reduzieren.

Seit Inkrafttreten der Verwaltungsstrukturreform am 01.01.2005 sind die Regierungspräsidien als Straßenbaubehörden zuständig für Planung, Bau und Erhaltung der Landesstraßen einschließlich der Entwässerungsanlagen. Der gesamte Straßenbetriebsdienst, und damit auch die Unterhaltung der Entwässerungsanlagen, wurde den Landratsämtern und den Bürgermeisterämtern der Stadtkreise übertragen; die Kreise erhalten dafür vom Land jährliche Ausgleichszahlungen.

2 Planung, Bau und Betrieb von Straßenentwässerungsanlagen

Beim Aus- oder Neubau von Straßen ist zu klären, ob und wie das von Verkehrsflächen abfließende Niederschlagswasser zu sammeln, abzuleiten und zu beseitigen ist.

Innerhalb geschlossener Ortschaften wird das von befestigten Verkehrsflächen abfließende Niederschlagswasser bislang überwiegend gesammelt und in die öffentliche Kanalisation eingeleitet. Das Straßenoberflächenwasser außerhalb geschlossener Ortschaften fließt normalerweise großflächig über die Bankette und Böschungen ab und versickert oder es wird in Straßenentwässerungsgräben eingeleitet. Diese Entwässerungsart wird angewendet, wenn die Auswirkungen auf den Boden- und Wasserhaushalt tolerierbar sind.

Reichen die Platzverhältnisse entlang der Straßen nicht aus bzw. lassen die Untergrundverhältnisse oder ein zu geringer Abstand zum Grundwasserleiter eine Versickerung nicht zu, werden die Niederschlagsabflüsse gesammelt, in Kanälen oder Rohrleitungen abgeleitet und an geeigneter Stelle versickert oder in oberirdische Gewässer eingeleitet.

In Wassergewinnungsgebieten ist im Regelfall die Behandlung des Straßenoberflächenwassers geboten, bevor es in Gewässer eingeleitet wird. Außerhalb der sensiblen Bereiche wird dies dann erforderlich, wenn das Straßenoberflächenwasser in leistungsschwache und/oder ökologisch empfindliche Oberflächengewässer eingeleitet werden soll.

Welche Art der Abwasserbeseitigung anzuwenden ist, wird im Einzelfall, ggf. im Rahmen einer Machbarkeitsstudie, entschieden. Hierbei werden mögliche Kombinationen von Entwässerungsarten für einzelne Streckenabschnitte bzw. für Abflussteilmengen untersucht. Die Art der Entwässerung wird maßgeblich von den örtlichen Gegebenheiten beeinflusst.

3 Wirtschaftliche Aspekte bei der Planung

Die Investitionen für die Ableitung und Behandlung von Straßenoberflächenwasser binden langfristig viel Kapital. Das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit erfordert, dass für diejenigen Verkehrsflächen, an denen Schutzmaßnahmen durchzuführen sind, die Notwendigkeit von Art und Umfang der Maßnahmen qualifiziert und angemessen abgewogen wird.

Im Rahmen einer Prüfung von Behandlungsanlagen an Landesstraßen hat der Rechnungshof zusammen mit dem Staatlichen Rechnungsprüfungsamt Stuttgart festgestellt, dass nur vereinzelt Varianten für die Ableitung und Behandlung von Straßenoberflächenwasser untersucht wurden. Auch die Festlegung der Standorte für Behandlungsanlagen orientierte sich nur vereinzelt an ökonomischen Aspekten für den Bau und Betrieb solcher Anlagen. Der Wirtschaftlichkeitsnachweis der jeweils gewählten Art der Niederschlagswasserbeseitigung beschränkte sich regelmäßig auf die Gegenüberstellung von Vor- und Nachteilen möglicher Varianten. Hinzu kommt, dass bei keinem der geprüften Straßenentwässerungsprojekte die in der Regel nicht unerheblichen Folgekosten berücksichtigt wurden.

Es ist hinreichend bekannt, dass der Einfluss auf die Optimierung eines Projekts und dessen Bau- und Folgekosten zu Beginn eines Planungsprozesses am größten ist, während Möglichkeiten zur Kostenminimierung in den weiteren Planphasen immer geringer werden.

Entsprechend kann bei der Niederschlagswasserbeseitigung von Verkehrswegen eine Kostenoptimierung und umfassende Qualitätsverbesserung nur erzielt werden, wenn mögliche Abwasseranlagen bereits in die Untersuchung von Trassenvarianten einbezogen werden.

Die Planungen sollten nicht nur stärker auf eine wirtschaftliche und technische Optimierung neuer und ggf. bestehender Anlagen ausgerichtet werden, sondern vorzugsweise auch die Belange der Bauausführung und des Betriebs berücksichtigen. Ein wesentliches Kosteneinsparpotenzial kann dabei durch eine differenzierte und zeitgemäße Anlagenbemessung ausgeschöpft werden. Hierzu gehört beispielsweise die Anwendung hydrodynamischer Berechnungsmethoden, die zu kleineren Kanalrohr- oder Leitungsquerschnitten führen können.

Ein unverzichtbarer Bestandteil der Planoptimierung ist ein intensiver Informationsaustausch zwischen den planenden Ingenieuren, den Bauleitern und dem Straßenbetriebsdienstpersonal. Viele Anlagen für die Behandlung von Straßenoberflächenwasser sind bereits seit mehreren Jahrzehnten in Betrieb, sodass nunmehr auch Schlussfolgerungen für eine optimierte Bemessung, Gestaltung und den Betrieb zukünftiger Anlagen abgeleitet werden können. Die Bemessungs- und Konstruktionsansätze sollten anhand praktischer Erkenntnisse ebenso regelmäßig hinterfragt werden wie die Ansätze hinsichtlich Betrieb, Kontrolle und Unterhaltung. Somit könnten planungs-, bau- und betriebsbedingte Erschwernisse künftig bereits frühzeitig weitgehend ausgeschlossen werden.

4 Wirtschaftliche Aspekte bei Betrieb und Unterhaltung

Der ordnungsgemäße Betrieb der Behandlungsanlagen (z. B. Bedienung von Absperrschiebern und Pumpen) war in etwa der Hälfte der Fälle nicht in vollem Umfang sichergestellt. Überdies wurden Kontroll-, Wartungs- und Reinigungsintervalle der Straßenentwässerungsanlagen häufig nicht eingehalten. Der Grund dafür waren fehlende Anlagendokumentationen (u. a. die für den jeweiligen Betriebsablauf erforderlichen Angaben und Anweisungen).

Kanäle, Leitungen, Pumpwerke und Anlagen für die Behandlung von Straßenoberflächenwasser sind jedoch kostenintensive abwassertechnische Einrichtungen, deren Funktionsfähigkeit regelmäßige Kontrollen voraussetzt. Wartung und zeitnahe Instandsetzung müssen von gut aus- und fortgebildetem Betriebspersonal durchgeführt werden. Vor allem in Einzugsbereichen von Wassergewinnungsanlagen müssen die Schutzfunktionen der Anlagen sichergestellt werden. Dazu sind genaue Kenntnisse über die Anlagen sowie die verfahrenstechnischen Zusammenhänge der Ableitung und Behandlung von Straßenoberflächenwasser erforderlich.

Zu einem ordnungsgemäßen Betrieb gehören ferner Dienst- und Betriebsanweisungen. In aktuellen Alarm- und Gefahrenabwehrplänen sind insbesondere Eingriffsmöglichkeiten und Schadenabwehrmaßnahmen für den Fall vorzusehen, dass Wasser gefährdende Stoffe durch einen Unfall freigesetzt werden. Dazu gehören auch dokumentierte und zugängliche Anfahrtswege sowie die Abstimmung der Zusammenarbeit mit den Einsatzkräften der örtlichen Feuerwehren.

5 Entsorgung von Abfällen und Rückständen

Zur Klärung möglicher Entsorgungspfade für die Reststoffe aus Behandlungsanlagen für Straßenoberflächenwasser (z. B. Ablagerungen und Leichtstoffe) wurden z. T. sehr teure Wasser- und Schlammanalysen durchgeführt. Ebenso war die Entsorgung von Reststoffen durch private Entsorgungsunternehmen mit sehr hohen Kosten verbunden.

Durch optimierte Entnahmezyklen für Leichtstoffe und Ablagerungen aus den Behandlungsanlagen und kostengünstige Entsorgungswege, z. B. Abfuhr der Reststoffe auf kommunale Kläranlagen, könnten erhebliche Kosten eingespart werden. Ferner sollte die Reststoffentsorgung wegen der erheblichen Kosten auch bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung von Behandlungsanlagen im Hinblick auf die Folgekosten berücksichtigt werden.

6 Bestands- und Zustandserfassung, Dokumentation

Straßenbauämter, die mit der Erfassung der Behandlungsanlagen begonnen hatten, haben diese wegen der Umsetzung der Verwaltungsstrukturreform zum 01.01.2005 eingestellt. Die für technische Einrichtungen vorgeschriebenen Dokumentationen - sogenannte Beckenbücher - lagen daher nur selten vor.

Der ordnungsgemäße Anlagenbetrieb kann jedoch nur sichergestellt werden, wenn Kenntnisse über den Anlagenbestand, die Funktionsweise sowie den baulichen und technischen Zustand der Bauwerke vorliegen. Die Erfassung dieser Grunddaten und deren Dokumentationen sind daher zwingend erforderlich. Zudem ist die vollständige Erfassung der technischen und betriebswirtschaftlichen Daten für eine Kostenkontrolle unerlässlich. Sie trägt wesentlich zu einer transparenten Kostenplanung sowohl für das Land als auch für die Landratsämter und Bürgermeisterämter der Stadtkreise bei. Ferner eignet sie sich dazu, u. a. Defizite aufzudecken und Verbesserungsmöglichkeiten zu erkennen.

Im Hinblick auf optimierte Planungen sollten betriebliche Besonderheiten von Anlagen zur Ableitung und Behandlung von Straßenoberflächenwasser dokumentiert und den Planern zur Verfügung gestellt werden. Die Rückkopplung aus der Praxis ist für die Planung von Straßenentwässerungsanlagen eine wertvolle Grundlage, um künftig bessere, an die örtlichen Gegebenheiten angepasste und damit wirtschaftlichere Lösungen zu ermöglichen. Durch Informationsrückflüsse können Fehlplanungen sowohl bei Neubau- als auch bei Sanierungsvorhaben vermieden und damit die Investitionen und Folgekosten verringert werden. Dieses Vorgehen gewährleistet auch, dass die Funktionsweise der Bauwerke dauerhaft aufrechterhalten und der Betrieb optimal geführt werden kann.

Einen Beispiel gebenden Ansatz hierzu verfolgte ein ehemaliges Straßenbauamt. Die Grobkonzeption zur Verbesserung des Anlagebetriebs umfasste die Vorgehensweise von der Planung, dem Bau und dem Betrieb sowie der Ertüchtigung von Abwasseranlagen und mündete in ein Kostenmanagement. Ziel war die wirtschaftliche und technische Optimierung neuer, aber auch bestehender Anlagen unter Berücksichtigung der Investitionen und Folgekosten. Die Arbeiten wurden wegen der Umsetzung der Verwaltungsstrukturreform unterbrochen und durch das inzwischen zuständige Landratsamt bislang nicht fortgeführt.

Unter dem Gesichtspunkt der Trennung der Zuständigkeiten für die Erhaltung (Regierungspräsidium) und die Unterhaltung (Landratsämter und Bürgermeisterämter der Stadtkreise) ist eine koordinierte Gesamtkostenplanung - auch im Sinne der gezielten Bewirtschaftung der Landesmittel - künftig unumgänglich.

7 Stellungnahme des Ministeriums

Das Innenministerium gibt zu bedenken, dass sich die Ausführungen des Rechnungshofs im Wesentlichen auf Erkenntnisse aus einem Regierungsbezirk gründen und deshalb nicht ohne Weiteres auf die gesamte Straßenbauverwaltung übertragen werden können. Es teilt aber grundsätzlich die Auffassung des Rechnungshofs, dass durch gezielte Maßnahmen erhebliche Kosteneinsparpotenziale ausgeschöpft und zugleich ein verbesserter Gewässerschutz erzielt werden können. Hierzu zählen vor allem die frühzeitige Abstimmung zwischen den für die Planung verantwortlichen Straßenbaubehörden und den anderen Fachplanungen, die Berücksichtigung der Belange der Bauausführung und des ordnungsgemäßen Betriebs bereits bei der Planung sowie eine differenzierte und zeitgemäße Anlagenbemessung.

Das Innenministerium geht davon aus, dass ein großer Teil der vom Rechnungshof beschriebenen Defizite mittelfristig nicht mehr bestehen wird. Es sieht einen wichtigen Lösungsansatz in der Einführung des gemeinsam von Straßenbau- und Wasserwirtschaftsverwaltung aufgestellten, bislang als Entwurf bei den Dienststellen vorliegenden und mittlerweile nochmals überarbeiteten „Handbuchs zur Ableitung und Behandlung von Straßenoberflächenwasser". Das Handbuch soll in Kürze mit einer gemeinsamen Verwaltungsvorschrift von Innen- und Umweltministerium innerhalb der Straßenbau- und Wasserwirtschaftsverwaltung verbindlich eingeführt werden, wobei auch die Landratsämter in ihrer Funktion als untere Verwaltungsbehörden die technischen Regeln anwenden müssen. Die Einführung soll durch Schulungsmaßnahmen und durch einen mittelfristig durchzuführenden interdisziplinären Erfahrungsaustausch zwischen Straßenbauverwaltung (Bereiche Planung und Betrieb) und Wasserwirtschaftsverwaltung begleitet werden.

Die Forderung des Rechnungshofs nach Einhaltung der Vorschriften zur Dokumentation der Behandlungsanlagen wird vom Innenministerium unterstützt. Es werde darauf hinwirken, dass die hierfür vorgesehenen Beckenbücher künftig ausnahmslos bereits während der Planung erstellt werden. Soweit dies bisher nicht erfolgt sei, solle die erforderliche Dokumentation durch Nacherfassungen gewährleistet werden. Der vom Rechnungshof empfohlene Aufbau eines speziellen Fachinformationssystems für die Behandlungsanlagen könne derzeit mangels personeller und finanzieller Ressourcen nicht realisiert werden. Das Innenministerium weist aber darauf hin, dass seitens der Straßenbauverwaltung angedacht sei, den Datenbestand der dortigen Straßendatenbank Zug um Zug um Informationen über Bestand, Zustand und Betriebsdaten von Anlagen zur Behandlung von Straßenoberflächenwasser zu erweitern.

8 Schlussbemerkung

Angesichts der erheblichen Investitionen und Folgekosten müssen für die Niederschlagswasserbeseitigung bei Verkehrswegen zeitgemäße, ganzheitliche und wirtschaftliche Lösungen angestrebt werden. Das von der Beseitigung des Straßenoberflächenwassers ausgehende Restrisiko für den Boden und den Wasserhaushalt muss dabei auf ein für die Umwelt vertretbares Maß reduziert werden.

Die Regierungspräsidien sollten stärker als bisher im Rahmen ihrer Fachaufsicht auf die Erfüllung der Unterhaltungsarbeiten an den Entwässerungsanlagen durch die unteren Verwaltungsbehörden achten. Der erhebliche Einsatz von Landesmitteln ist nämlich nicht zu rechtfertigen, wenn die Ableitungs- und Behandlungsanlagen für Straßenoberflächenwasser nach ihrer Inbetriebnahme mehr oder weniger sich selbst überlassen werden und infolgedessen ihre Funktionen immer mehr nachlassen.

Der vom Innenministerium eingeschlagene Weg, alle Beteiligten einzubeziehen und sowohl aus wirtschaftlichen als auch aus ökologischen Gründen der Optimierung von Planung, Betrieb und Unterhaltung der Entwässerungsanlagen mehr Bedeutung beizumessen, ist richtig.


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Eine Gemeindeverbindungsstraße soll mit Zuwendungen von rd. 358.000 € ausgebaut werden, um das Verkehrsaufkommen aus einer geplanten Freizeitanlage aufzunehmen. Die bisherigen Fördervoraussetzungen nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz sind nicht erfüllt; von der Förderung des Vorhabens ist abzusehen. Der Rechnungshof fordert vor der Aufnahme in das Förderprogramm eine strengere Prüfung der Fördervoraussetzungen.


1 Vorbemerkung

Das Land förderte bis Ende 2006 Vorhaben des kommunalen Straßenbaus nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) mit bis zu 120 Mio. € jährlich. Gefördert wurden durch eine Anteilsfinanzierung von bis zu 70 % der zuwendungsfähigen Ausgaben beispielsweise

  • verkehrswichtige innerörtliche Straßen und

 

  • zwischenörtliche Straßen, soweit sie der Schaffung und Verbesserung notwendiger Verkehrsverbindungen in zurückgebliebenen Gebieten dienen.

Explizit ausgenommen von der Förderung waren Anlieger- und Erschließungsstraßen.

Voraussetzung für die Förderung war die Aufnahme der Vorhaben in das fünf Jahre laufende und jährlich fortgeschriebene GVFG-Förderprogramm. Hierfür mussten u. a. die Beschreibung des Vorhabens sowie eine vereinfachte Ausgabenberechnung vorgelegt werden. Aus der Aufnahme in das Förderprogramm ergibt sich kein Rechtsanspruch auf Förderung.

Das GVFG ist zum 31.12.2006 außer Kraft getreten; eine Nachfolgeregelung steht noch aus.

2 Frühere Prüfungserkenntnisse

Die Finanzkontrolle befasste sich schon mehrmals mit den Verfahren zur Aufnahme von Vorhaben in das GVFG-Programm und der Förderung kommunaler Straßenbauvorhaben. So wurde den Bewilligungsstellen die kritische Betrachtung von Bedarf und Dringlichkeit der Vorhaben in der Denkschrift 2001, Nr. 19, Bewilligungsverfahren im kommunalen Straßenbau, sowie in der Denkschrift 2005, Nr. 17, Unzulässige Förderung im kommunalen Straßenbau, empfohlen. Außerdem wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass Anlieger- und Erschließungsstraßen nicht förderfähig sind. Der Landtag folgte mit seinen Beschlüssen jeweils dem Anliegen des Rechnungshofs.

Das Beispiel unter Pkt. 3 zeigt, dass diese Vorgaben von den Bewilligungsstellen nach wie vor nicht immer beachtet werden.

3 Förderung einer Gemeindeverbindungsstraße

Das Regierungspräsidium nahm im Juni 2006 das Vorhaben „Verkehrliche Anbindung eines Teilorts der Gemeinde A an das überörtliche Verkehrsnetz“ mit zuwendungsfähigen Ausgaben von rd. 580.000 € und Zuwendungen von rd. 358.000 € in das GVFG-Förderprogramm auf. Die Aufnahme der rd. 2,3 km langen Straße erfolgte unter Hinweis auf den Fördertatbestand „verkehrswichtige zwischenörtliche Straße in zurückgebliebenen Gebieten“ (s. Abbildung).

2007-B14-Abb.jpg

Die verkehrliche Bedeutung wurde mit der Verbindungsfunktion und insbesondere mit der künftigen Verkehrsbelastung durch eine geplante Westernstadt, die in unmittelbarer Nähe des Teilorts errichtet werden soll, begründet. Die bisherige Straßenverbindung vom Haupt- zum Teilort dient als Zufahrt zur Kläranlage sowie zu dem Teilort, bestehend aus zwei Höfen und einem Naturfreundehaus. Nach Angaben des zuständigen Landkreises handelt es sich um eine festgestellte Gemeindeverbindungsstraße.

Wegen der Planung der Freizeitanlage ist nach Darstellung der Bewilligungsstelle eine adäquate verkehrliche Anbindung des Teilorts an das überörtliche Verkehrsnetz erforderlich. So rechne die für die Planung der Freizeitanlage verantwortliche Investorengruppe aufgrund von Vergleichszahlen zum Verkehrsaufkommen ähnlicher Anlagen wochentags mit rd. 280 Pkw und 15 Bussen und am Wochenende mit rd. 2.000 Pkw. Die Bewilligungsstelle geht deshalb davon aus, dass sich die Verkehrsbedeutung der Gemeindeverbindungsstraße wesentlich erhöhen wird.

Nach Ansicht des Rechnungshofs hätte das Vorhaben nicht in das GVFG-Förderprogramm aufgenommen werden dürfen, da der Ausbau ausschließlich zur Anbindung der geplanten Freizeitanlage erforderlich ist. Damit ist das Vorhaben nach bisheriger Rechtslage nicht förderfähig.

Darüber hinaus ist die Realisierung dieser Freizeitanlage aber fraglich. Das Regierungspräsidium hat im Dezember 2006 mitgeteilt, dass in einer Nachbargemeinde eine weitere Freizeitanlage gleicher Art geplant ist. Eine wirtschaftliche Basis für zwei ähnliche Anlagen in unmittelbarer Nähe hält das Regierungspräsidium aber für kaum gegeben. Nachdem Einwände von Naturschutzverbänden hinzukommen, sei offen, ob sich die Freizeitanlage in der Gemeinde A überhaupt realisieren lässt.

Nach alledem sollte das bislang noch nicht rechtsverbindlich bewilligte Vorhaben aus dem GVFG-Förderprogramm herausgenommen werden. Künftig sollten die Fördervoraussetzungen bereits vor der Aufnahme in das Förderprogramm strikt geprüft werden.

4 Allgemeine Folgerungen für die künftige Förderung

Die Fördertatbestände „verkehrswichtige innerörtliche bzw. zwischenörtliche Straßen“ sind in der Förderrichtlinie nicht näher eingegrenzt, um den örtlichen Verkehrsverhältnissen sowie den Unterschieden zwischen Ballungsräumen und ländlichen Gebieten Rechnung zu tragen. Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass Gemeindestraßen mit Blick auf die Förderfähigkeit - z. B. durch entsprechende Darstellung im Straßennetz - als verkehrswichtige zwischenörtliche Straße bezeichnet werden.

Darüber hinaus sollten die Bewilligungsstellen konsequent den Bedarf und die Dringlichkeit hinterfragen und Vorhaben nicht auf Zuruf für eine Förderung vorsehen.

Im Übrigen geht der Rechnungshof davon aus, dass in Anbetracht der begrenzten Fördermittel für die noch nicht rechtsverbindlich bewilligten Vorhaben der GVFG-Förderprogramme kein Automatismus für eine Förderung besteht. Diese Vorhaben sollten vielmehr den strengen Maßstäben einer Nachfolgeregelung des GVFG unterliegen. Da bereits heute erkennbar ist, dass umfangreiche Mittel (knapp 400 Mio. €) durch rechtsverbindlich zugesagte Förderungen gebunden sind, wird eine Durchforstung der im Programm befindlichen noch nicht bewilligten Vorhaben unumgänglich sein. Nur auf diese Weise können Finanzierungsspielräume für neue dringliche Fördervorhaben geschaffen werden.

5 Stellungnahme des Ministeriums

Das Innenministerium macht geltend, dass die Anbindung des Teilorts an das überörtliche Verkehrsnetz förderfähig sei, da die Straße als Gemeindeverbindungsstraße gewidmet ist. Der Straßenzug liege in einem strukturschwachen Gebiet und verbinde derzeit bereits den Teilort mit dem Hauptort. Da die kommunale Straße durch die im Bereich des Teilorts geplante Freizeitanlage eine signifikante Verkehrszunahme erfahren werde, sieht das Innenministerium die Förderfähigkeit nach dem bisherigen GVFG im Grundsatz gegeben.

Nach Ausführungen des Innenministeriums wird die Gemeinde A für die Realisierung der Freizeitanlage ein Raumordnungsverfahren beantragen, das noch im Laufe des Jahres 2007 eingeleitet werden soll; mit seinem Abschluss ist bis Anfang 2008 zu rechnen. Das Innenministerium betont, dass es den Ausgang des Raumordnungsverfahrens abwarten werde. Sollte dies gegen die Realisierung der Freizeitanlage sprechen, seien die Fördervoraussetzungen nicht mehr gegeben, da dann keine Verkehrszunahme mehr zu erwarten sei. Ein Bewilligungsbescheid werde deshalb erst dann erteilt, wenn sicher sei, dass die geplante Freizeitanlage im Teilort verwirklicht wird und sich die bisherigen verkehrlichen Annahmen bestätigen.

Im Übrigen erläutert das Innenministerium, dass sich die Nachfolgeregelung des GVFG voraussichtlich an den bisherigen Regelungen orientieren werde. Das Land werde aber auch die nach der beendeten GVFG-Förderung bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten nutzen und neue Akzente in den Förderbereich einbringen.

6 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof bleibt bei der Ansicht, dass der Ausbau der Gemeindestraße nicht zu fördern ist. Zwar liegen mit der Widmung der Straße als Gemeindeverbindungsstraße - sie verbindet den aus wenigen Häusern bestehenden Teilort mit dem Hauptort - dem Grunde nach formale Fördervoraussetzungen vor. Der Rechnungshof sieht aber in dem eventuellen Bau der Freizeitanlage und einer vom etwaigen Investor bereitgestellten Prognose für eine künftige Verkehrszunahme keine belastbaren Gründe für den dringend notwendigen Bedarf der Straße gemäß dem früheren GVFG. Hier werden stattdessen von der Bewilligungsstelle Wünsche der Gemeinde erfüllt, ohne dass dafür fundierte Daten und erforderliche Wirtschaftlichkeitsüberlegungen vorgelegen haben. Die Straße mag formal Gemeindeverbindungsstraße sein; der geplante Ausbau hat gleichwohl in erster Linie die Zielsetzung, die geplante Freizeitanlage anzubinden.

Eine größere Sorgfalt und strengere Prüfung der Fördervoraussetzungen wird angesichts des mit einer Nachfolgeregelung des GVFG in den kommenden Jahren geringer werdenden Förderspielraums ohnehin unabdingbar sein.

Die jetzige Situation bietet aber auch die Möglichkeit, das Förderwesen insgesamt neu zu strukturieren und auf die knapper werdenden finanziellen Gegebenheiten auszurichten. Vor diesem Hintergrund sind die Empfehlungen des Rechnungshofs zu sehen, nur solche Vorhaben in die Förderung auf zu nehmen, für die auch ein nachweisbar verkehrlich vorrangiger Bedarf besteht und die mit angemessenem Mittelaufwand zu realisieren und zu finanzieren sind.


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Bei Bau und Förderung von Ortsumfahrungen wurde der Bedarf nicht immer hinreichend geprüft. Die Bauausgaben standen teilweise nicht in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen. Der Rechnungshof verlangt künftig eine konsequente Bedarfsorientierung, nachvollziehbare Kosten-Nutzen-Betrachtungen und verbindliche Erfolgskontrollen.


1 Vorbemerkung

Die Verkehrsbelastung in den Städten und Gemeinden hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Die Lösung der innerstädtischen Durchgangsverkehrsprobleme wurde und wird häufig im Bau von Ortsumfahrungen oder Ortsentlastungsstraßen gesehen, da sie dazu beitragen können, die Belastungen der Bürger durch Lärm- und Schadstoffemissionen zu reduzieren und mehr Verkehrssicherheit zu erreichen. Als Allheilmittel können Ortsumfahrungen aber nicht betrachtet werden, zumal die Verkehrsprobleme in den Ortskernen dauerhaft nur dann gelöst werden, wenn der Durchgangsverkehr konsequent, z. B. durch Verkehrsberuhigung, unterbunden wird.

Ortsumfahrungen sind in der Regel mit hohen Bauausgaben verbunden und erfordern zeit- und arbeitsaufwendige Planungen sowie langwierige Rechtsverfahren. Aus diesen Gründen, vor allem aber wegen zunehmender Finanzierungsnöte der öffentlichen Haushalte, bemühen sich Gemeinden oftmals viele Jahre um den Bau ihrer Umfahrung, sei es als Landes- oder als Kommunalstraße. Infolge der Fokussierung auf die ursprünglich beabsichtigte Umfahrung wird dann gelegentlich übersehen, dass andere, auch kostengünstigere, Alternativen bestehen.

Bedarf, Priorität und Ausbaustandard einer Ortsumfahrung sind deshalb auf der Grundlage der herangezogenen Verkehrsdaten nicht immer nachvollziehbar. Im Vordergrund der Entscheidung sollte stets stehen, dass mit den Vorhaben eine spürbare Entlastungswirkung erreicht und dabei ein angemessenes Kosten-Nutzen-Verhältnis gewahrt wird.

Der Rechnungshof hat zusammen mit dem Staatlichen Rechnungsprüfungsamt Stuttgart landesweit 40 Umfahrungen im Landesstraßenbau und im kommunalen Straßenbau geprüft, die mit bis zu 70 % der zuwendungsfähigen Ausgaben nach dem bis 31.12.2006 gültigen Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) gefördert werden.

2 Bedarfsorientierung

In der Regel wird der Bedarf für eine Ortsumfahrung durch Verkehrsuntersuchungen ermittelt. Dazu gehören Verkehrszählungen zum Ist-Zustand und darauf aufbauende Prognosen zu Planfällen (sogenannten Varianten), anhand derer die Entlastungswirkung der Ortsdurchfahrt nachgewiesen wird. Bei der Durchsicht dieser Verkehrsuntersuchungen hat der Rechnungshof festgestellt, dass

  • zwischen der Verkehrsuntersuchung und der Umsetzung einer Maßnahme teilweise bis zu 10 Jahre liegen, nur vereinzelt wurde der Bedarf aktualisiert,

 

  • bei den Prognosewerten mitunter Verkehrszunahmen in den Ortsdurchfahrten angenommen wurden, die bei objektiver Betrachtung nicht zu erwarten sind, sodass die Entlastungswirkung oftmals deutlich geringer ausfällt.

Geringe Entlastungswirkungen sollten Anlass sein, Umfahrungen hinsichtlich ihres Bedarfs und ihrer Dringlichkeit kritischer zu hinterfragen. Zwar mag der Bau einer Umfahrung von betroffenen Anwohnern belasteter Ortsdurchfahrten als notwendig angesehen werden. Dennoch hat die Verwaltung bei der Prüfung solcher Vorhaben die mit der Maßnahme angestrebten Entlastungswirkungen so zu definieren, dass sie als Grundlage für eine messbare Erfolgskontrolle dienen können (s. Pkt. 5).

Dies wäre ein erster Schritt in Richtung einer Priorisierung von Vorhaben, die zwingend erfolgen muss, weil die Straßenbauvorhaben des Landes und der Kommunen um die knappen Mittel konkurrieren.

3 Wirtschaftlichkeit

Die Wirtschaftlichkeit einer Straßenbaumaßnahme wird danach beurteilt, ob der Nutzen - im Falle der Umfahrungen ist das die Verkehrsentlastung - in einem vertretbaren Verhältnis zu den Ausgaben steht. Deshalb werden in der Regel verschiedene Trassenvarianten betrachtet, um unter Berücksichtigung aller Rahmenbedingungen die wirtschaftlichste Trasse auszuwählen.

Besondere Bedeutung kommt dabei den kostenintensiven Ingenieurbauwerken zu, die erhebliche Folgekosten für die Straßenbaulastträger mit sich bringen. Aber auch die Möglichkeit der sparsamen Querschnittsgestaltung oder des Verzichts auf kreuzungsfreie Anlagen sollte überlegt werden. Die Straßenbauverwaltung sollte außerdem nur die technisch notwendigen Bauvorhaben sowie die Lärmschutz- und Kompensationsmaßnahmen, die sich aus rechtlichen Verpflichtungen ergeben, finanzieren bzw. fördern.

Diesen Wirtschaftlichkeitsüberlegungen stehen die bei der Prüfung mitunter festgestellten Förder- und Finanzierungsrealitäten gegenüber. Danach wurden zwar überwiegend verschiedene Trassenvarianten planerisch untersucht und bewertet; dies führte jedoch nicht immer dazu, dass die verkehrlich und wirtschaftlich günstigste Variante auch tatsächlich realisiert wurde. So hat der Rechnungshof festgestellt, dass eine Kommune im Rahmen ihrer Planungshoheit im kommunalen Straßenbau ihre Wunschtrasse ungeachtet von Mehrausgaben als insgesamt förderfähig durchgesetzt hat.

Eine Folge davon ist, dass die Bewilligungsstellen kaum mehr der Verpflichtung nachkommen, eine Betrachtung des Gesamtverkehrsnetzes anzustellen, die unter Umständen zu anderen Lösungen mit wesentlich besseren Entlastungswirkungen führen würde. Auch werden häufig keine zusammenhängenden und geschlossenen Verkehrskonzeptionen mehr entwickelt und realisiert. Statt dessen gibt es sogenannte Schlingenlösungen, bei denen mit jeder Ortsumfahrung der Verkehr vor die Tore der nächsten Gemeinde verlagert wird, die wiederum eine individuelle (und meist ebenfalls teure) Lösung ihrer Verkehrsprobleme herbeiführen muss.

Die Mittelengpässe haben außerdem dazu geführt, dass knapp ein Fünftel der untersuchten Vorhaben nicht mehr entsprechend der Baulastträgerschaft aus Bundes- oder Landesmitteln, sondern - modifiziert und umgestuft - aus dem GVFG-Fördertopf finanziert wurde. Durch die Verlagerung der Finanzierung von Umfahrungen wird diesem Fördertopf jedoch ein erheblicher Betrag entzogen.

In Anbetracht dieser Entwicklungen sollte sich die Förderung von Umfahrungen an objektiven Kriterien des Bedarfs und der Dringlichkeit orientieren, die eine Realisierung ohne Finanzierungsumwege erlauben. Auch sollte im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen Genehmigungsverfahren der Kosten-Nutzen-Betrachtung ein höherer Stellenwert beigemessen werden, damit unter Abwägung aller Belange eine ökologisch sinnvolle und zugleich wirtschaftlich vernünftige Trasse mit der besten verkehrlichen Wirkung gewählt werden kann.

4 Vereinfachung des Zuwendungsverfahrens

Die Höhe der Bauausgaben für die geprüften Vorhaben zeigt eine breite Streuung; beispielsweise für den gebauten Kilometer Umfahrung: von rd. 1 Mio. € bis zu mehr als 5 Mio. €. Selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass lokale Gegebenheiten die Investitionen beeinflussen, hält es der Rechnungshof für notwendig, dass solche Abweichungen kritisch hinterfragt werden.

Die Bauausgaben müssen künftig realitätsnah geschätzt werden, nachträgliche Erhöhungen dürfen das Land nicht belasten. Der Rechnungshof empfiehlt daher:

  • Pauschalen für einzelne Fördergegenstände (z. B. Kunstbauwerke) zur Vereinfachung des Zuwendungsverfahrens sowie zur Überprüfung der Plausibilität von Kostenansätzen im Landesstraßenbau zu entwickeln und einzusetzen; im Zweifel sind bei örtlichen und topografischen Besonderheiten Zu- oder Abschläge vorzunehmen; mittels der Pauschalen können aufwendige gestalterische Elemente oder eine ausgabenintensive Bauausführung - wegen der hohen Förderquote vorrangig zulasten des Landes - vermieden werden;

 

  • Kostendeckelungen bei Fördervorhaben zu nutzen, vor allem dann, wenn kostengünstigere und verkehrlich sowie ökologisch nahezu gleichwertige Lösungen wegen kommunalpolitisch gegenläufiger Interessen verworfen werden. Mehrausgaben für aufwendigere Lösungen, die aus kommunalpolitischer Sicht wünschenswert sein mögen, dürfen nicht zulasten des Landes gehen;

 

  • Festbetragsfinanzierungen anzustreben, um damit eine größere Finanzierungssicherheit für Bewilligungsstelle und Vorhabensträger zu schaffen und um Ergänzungs- und Erhöhungsanträge weitgehend auszuschließen.

5 Erfolgskontrollen

Erfolgskontrollen im Förderbereich dienen dazu festzustellen, ob und in welchem Ausmaß die angestrebten Förderziele erreicht wurden und ob der damit verbundene Mitteleinsatz wirtschaftlich war. In diesem Sinne werden vor Beginn des Vorhabens Erfolgskriterien festgelegt, anhand derer später die Zielerreichung gemessen wird.

Die bei der Prüfung vorgefundene Praxis der Erfolgskontrolle blieb weit hinter den Vorgaben der Verwaltungsvorschrift zu § 44 Landeshaushaltsordnung zurück; meist gab es überhaupt keine Erfolgskontrolle. Die zuwendungsrechtlichen Vorschriften enthalten dafür nur unzureichende Vorgaben. Aus diesem Grund legten die Bewilligungsstellen meist kaum Gewicht auf eine ausreichende Beschreibung des Ausgangszustands oder auf ausformulierte Zielbeschreibungen.

Der Rechnungshof fordert eine effektive Erfolgskontrolle. Hierzu gehört auch, dass Ziel- und Messgrößen, die der Planung zugrunde liegen, in die Bewilligungsbescheide aufgenommen werden, sodass nach Abschluss des Vorhabens ein Soll-Ist-Vergleich möglich ist. Wird zum Beispiel die Entlastungswirkung nicht erreicht, könnte der Vorhabensträger zu flankierenden Maßnahmen aufgefordert werden, die vom Rückbau der alten Ortsdurchfahrt über Fahrbahnverengungen bis zu Bepflanzungen reichen können.

6 Stellungnahme des Ministeriums

Das Innenministerium stimmt zu, dass mit dem Bau einer Umgehungsstraße als Landesmaßnahme oder als GVFG-Vorhaben eine spürbare Entlastungswirkung erreicht und dabei ein angemessenes Kosten-Nutzen-Verhältnis gewahrt sein muss. Ebenso müssen bei der Bedarfsorientierung von Umfahrungen alle relevanten Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Hierzu gehörten insbesondere die Verkehrsbelastung und die verkehrliche Entlastungswirkung der Projekte.

Nach Ansicht des Innenministeriums muss weiterhin in jedem Einzelfall sorgfältig geprüft bzw. entschieden werden, ob der Bau einer Umgehungsstraße angesichts der spezifischen örtlichen Verhältnisse gerechtfertigt ist oder nicht. Dabei dürfe keinem Belang von vornherein ein besonderer Vorrang eingeräumt werden. Es werde jedoch nicht verkannt, dass der Wirtschaftlichkeit ein hoher Stellenwert beizumessen ist. Im Hinblick auf die oftmals sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen der Projekte erscheint aus Sicht des Innenministeriums die Festsetzung stringenter Grenzwerte, vor allem für die Entlastungswirkung, jedoch schwierig, da auch dann ein begründeter Bedarf für den Bau einer Umgehungsstraße bestehen könne, wenn die Mindestverkehrsbelastung und die Entlastungswirkung nicht in vollem Umfang erfüllt werden.

Weiterhin sagt das Innenministerium die Prüfung zu, inwieweit bestimmte Förderleistungen, wie z. B. Brücken bis zu 20 m Spannweite, kombinierte Geh- und Radwege sowie Park+Mitnahme-Plätze, pauschaliert werden können. Erkenntnisse, ob sich diese Pauschalen bewähren und tatsächlich zu einer Verwaltungsvereinfachung beitragen, lägen voraussichtlich Ende des Jahres 2007 vor. Ebenso seien, wie frühere Erfahrungen zeigen, die Kostendeckelung und Festbetragsfinanzierung Instrumentarien, die für eine GVFG-Förderung eingesetzt werden können.

Das Innenministerium will in einer landesrechtlichen Nachfolgevorschrift des GVFG neben der Anteilsförderung auch die Festbetragförderung sowie Vorgaben für die Erfolgskontrolle aufnehmen.

7 Schlussbemerkung

Unstreitig sind oft Umfahrungen notwendig, um Ortsdurchfahrten zu entlasten und die Bürger vor schädlichen Emissionen zu schützen. Aber nicht jede Umfahrung muss bei kritischer Beurteilung der Entlastungswirkung auch vom Land gefördert oder gar vorrangig behandelt werden. In diesem Zusammenhang ist das Land gefordert, seine Steuerungsfunktion in Bezug auf überregionale Verkehrskonzepte verstärkt zu nutzen.

Im Hinblick auf die weiterhin bestehende Mittelknappheit sowohl im Landesstraßenbau als auch im geförderten kommunalen Straßenbau wird eine kritische Prüfung geplanter Umfahrungen, ihrer Dringlichkeit, ihres Nutzens und der Bauausgaben unerlässlich sein.


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Die Verwaltung kann den gesetzlichen Auftrag, ausreisepflichtige Ausländer konsequent und zügig in ihre Herkunftsländer abzuschieben, nur unzureichend und mit hohem Aufwand erfüllen. Rückführungen sollten künftig zentral vom Regierungspräsidium Karlsruhe durchgeführt werden. Aufgaben der Großen Kreisstädte als untere Ausländerbehörden sollten auf die Landratsämter übertragen werden. Bei den unteren Ausländerbehörden können so mindestens 100 Stellen eingespart werden.


1 Ausgangslage

Die Zahl der Asylantragsteller in Baden-Württemberg ist in den letzten Jahren deutlich gesunken, und zwar von 13.377 im Jahr 1996 auf 3.703 im Jahr 2005. Rund 97 % der Erstanträge von Asylbewerbern in Baden-Württemberg wurden im Jahre 2005 abschlägig beschieden. Die aus der Ablehnung von Asylanträgen resultierende Ausreisepflicht wird von den betroffenen Personen vielfach nicht befolgt. Eine zwangsweise Abschiebung scheitert in zahlreichen Fällen, weil Duldungsgründe (§ 60a Aufenthaltsgesetz) vorliegen. Die Zahl der geduldeten Ausländer belief sich in Baden-Württemberg im Jahr 2005 auf 24.075 Personen. Außerdem gab es 5.152 Ausländer mit einer Aufenthaltsgestattung, deren Asylverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war.

Der Aufwand, der zum Zwecke der Rückführung ausreiseunwilliger Personen betrieben werden muss, ist hoch. Die bei Land und Kommunen hierfür entstandenen Kosten beliefen sich nach den Feststellungen des Rechnungshofs im Jahr 2005 auf 31,3 Mio. €.

Darüber hinaus sind von den Stadt- und Landkreisen hohe Sozialaufwendungen zu leisten. Im Jahr 2005 betrugen die Bruttoausgaben der Kommunen u. a. nach dem Asylbewerberleistungsgesetz 90,4 Mio. €; davon entfallen etwa 46,4 Mio. € Sozialleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz an Geduldete.

Nach den politischen Zielsetzungen von Land, Bund und EU soll gegenüber ausreisepflichtigen Ausländern die Ausreisepflicht zügig durchgesetzt werden, gegebenenfalls in Form von Abschiebungen.

Grundsätzlich lässt sich aufgrund von Prüfungserhebungen feststellen, dass eine Rückführung von ausreisepflichtigen Personen aus verschiedenen Gründen umso schwieriger wird, je länger der Aufenthalt im Lande andauert.

2 Prüfungsziel

Wesentliches Ziel der Prüfung war die Erhöhung der Effizienz beim Vollzug der Rückführung ausreisepflichtiger Ausländer. Mit der Prüfung sollten aufzeigt werden:

  • welche Schwachstellen Asyl- und Abschiebungsverfahren aufweisen,
  • wie die rechtlichen Möglichkeiten genutzt werden, um den Aufenthalt zu verlängern oder die Abschiebung zu verhindern,
  • welchen Umfang Personaleinsatz sowie Ausgaben des Landes und der Kommunen in diesem Bereich haben und
  • ob und wie Kosten reduziert werden können.

Der Rechnungshof hat sich bei seiner Prüfung auf den zahlenmäßig bedeutsamen Kreis der ausreisepflichtigen abgelehnten Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge konzentriert. Mangels Prüfungszuständigkeit konnte nur am Rande der Frage nachgegangen werden, inwieweit das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seiner Verpflichtung nachkommt, die Anstrengungen des Landes zu unterstützen.

3 Duldungen in Baden-Württemberg

3.1 Zahl der Duldungen

Wie sich die Zahl der geduldeten Personen entwickelt hat, zeigt Abbildung 1.

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Die Zahl der Duldungen hat sich im Vergleich der Jahre 1996 und 2001 nahezu halbiert. Im Jahr 2005 wurde mit 24.075 der bisher niedrigste Stand an Duldungen erreicht.

3.2 Herkunftsstaaten der Geduldeten

Hauptherkunftsstaaten der Geduldeten sind das ehemalige Jugoslawien sowie Serbien und Montenegro (2004: 45,5 %, 2005: 43,8 %). Danach folgen die Türkei (2004: 8,3 %, 2005: 7,1 %) und der Irak (2004: 4,2 %, 2005: 5,3 %).

3.3 Gründe für Duldungen

Duldungsgründe sind insbesondere ungeklärte Identität, rechtliche Gründe, humanitäre Gründe und Krankheit/Reiseunfähigkeit. Abbildung 2 zeigt die Duldungsgründe der abgelehnten und ausreisepflichtigen Asylbewerber am 01.01.2006.

2007-B16-Abb2.jpg

3.4 Langjährig Geduldete in Baden-Württemberg

Die Aufenthaltsdauer der Duldungsinhaber, die in Baden-Württemberg leben, ist in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung. Vor allem wirkt er sich auf den Umfang der finanziellen Leistungen aus, die gewährt werden müssen. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass eine Rückführung aus verschiedenen Gründen umso schwieriger wird, je länger der Aufenthalt im Land andauert. Eine Bestandsaufnahme zum Stichtag 31.03.2005 zeigt Tabelle 1.

2007-B16-Tab1.jpg

Danach hielten sich 2005 rd. 16.000 Geduldete länger als sechs Jahre und rd. 12.000 Geduldete länger als acht Jahre in Deutschland auf.

4 Hauptursachen für den langjährigen Aufenthalt Geduldeter

4.1 Ausschöpfung der rechtlichen Möglichkeiten

Die Bundesgesetze, welche die Belange von Flüchtlingen und ausreisepflichtigen Ausländern konkret regeln, sind äußerst komplex und bereiten bei der Umsetzung vielfach Probleme.

In Asylverfahren steht gegen ablehnende Entscheidungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten offen; ein Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) findet nicht statt. Zwischen 60 % und 70 % der Asylbewerber, deren Asylantrag abgelehnt wird, machen von dieser Möglichkeit Gebrauch.

Dazu folgende Sachverhalte:

Bis Ende 2004 war häufig zu beobachten, dass die einzelnen Familienmitglieder nacheinander Asylantrag gestellt haben. Erst wenn der Asylantrag des einen Ehegatten bestandskräftig abgelehnt war, folgte der Asylantrag des anderen Ehegatten und danach der für jedes Kind. Damit war es möglich, den Aufenthalt über viele Jahre zu sichern bzw. die Aufenthaltsbeendigung über viele Jahre hinauszuzögern. Erst durch das Zuwanderungsgesetz wurde diese Möglichkeit eingeschränkt.

Die Neuregelung wird in Einzelfällen inzwischen in der Weise umgangen, dass zunächst nur für die Kinder ein Asylantrag gestellt wird. So besteht für die Eltern die Möglichkeit, zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die Asylverfahren der Kinder abgeschlossen sind, einen eigenen Asylantrag zu stellen. Damit kann auch weiterhin die Aufenthaltsdauer der gesamten Familie erheblich verlängert werden.

Eine Methode, Rechtsmittel geschickt einzusetzen, besteht darin, erst in letzter Sekunde kurz vor einer Rückführung z. B. am Flughafen einen Asylantrag zu stellen.

4.2 Dauer der Verwaltungs- und Rechtsverfahren in Asylsachen

4.2.1 Verfahrensdauer bei Behörden und Gerichten

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verfügt über Zahlen zur gesamten Dauer der Verfahren bei Behörden und Gerichten, d. h. für den Zeitraum von der Stellung des Asylantrags bis zum Eintritt der Bestandskraft bzw. Rechtskraft der Entscheidung. Danach betrug die durchschnittliche Geamtverfahrensdauer

  • im Jahr 2003 in Baden-Württemberg 21,6 Monate, bundesweit 23,7 Monate;
  • im Jahr 2004 in Baden-Württemberg 19,5 Monate, bundesweit 21,3 Monate;
  • im Jahr 2005 in Baden-Württemberg 19,9 Monate, bundesweit 22,0 Monate.

Auffällig ist, dass trotz des Rückgangs der Zahl der Asylanträge, im Jahr 2005 die Dauer der Verfahren sowohl in Baden-Württemberg als auch bundesweit wieder angestiegen ist.

4.2.2 Verfahrensdauer in der Verwaltungsgerichtsbarkeit

In der Verwaltungsgerichtsbarkeit Baden-Württemberg betrug im Jahr 2005 die durchschnittliche Verfahrensdauer der erledigten Verfahren

  • bei den Verwaltungsgerichten in
  • Hauptsacheverfahren (Erst- und Folgeverfahren) 12,5 Monate,
  • Eilverfahren 1,9 Monate;
  • beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg 3,6 Monate.

In der Statistik des Justizministeriums wird allerdings nicht zwischen Erst- und Folgeverfahren unterschieden. Nach einer Auswertung der Bezirksstelle für Asyl beim Regierungspräsidium Freiburg wurden in deren Zuständigkeitsbereich die Erstverfahren bei 6.562 Personen innerhalb eines Jahres, bei 5.457 Personen innerhalb von zwei Jahren und bei 3.001 Personen innerhalb von drei Jahren rechtskräftig abgeschlossen. Einige Fälle wurden erst nach vier und mehr Jahren entschieden. Im Durchschnitt dauerten die verwaltungsgerichtlichen Erstverfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss rd. zwei Jahre, was nur schwer nachvollziehbar ist.

4.3 Verzögerungen im Rückführungsverfahren

4.3.1 Fehlende Mitwirkungsbereitschaft der Ausreisepflichtigen

Neben Gründen, die die Asylbewerber nicht zu vertreten haben, gibt es in einer Vielzahl von Fällen Verzögerungsgründe, die in der Sphäre der Asylbewerber liegen:

Etwa 90 % der Asylbewerber legen weder einen Pass noch sonstige Dokumente zur Identitätsfeststellung vor. Teilweise verschleiern ausreisepflichtige Ausländer ihre Identität und Herkunft. Die Betroffenen behaupten auch, Staatsangehörige eines Landes zu sein, von dem bekannt ist, dass dorthin aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen Abschiebungen nicht vollzogen werden können.

Die Ausländerbehörden können mit den Maßnahmen zur Beschaffung von Reisedokumenten erst beginnen, wenn das Asylverfahren unanfechtbar abgeschlossen ist. Vielfach wirken die Betroffenen bei der Ersatzbeschaffung von Dokumenten durch deutsche Behörden bei den Auslandsvertretungen der jeweiligen Herkunftsländer nicht oder nur bedingt mit, was teilweise zu mehrjährigen Verzögerungen führt.

Zum Teil werden krankheitsbedingte Abschiebungshindernisse (zunehmend die posttraumatische Belastungsstörung) in auffälliger Weise erst unmittelbar vor Vollzug der Abschiebung geltend gemacht. Die Folgen sind langwierige ärztliche Untersuchungen und erhebliche zeitliche Verzögerungen.

4.3.2 Verfahrensweise des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in bestimmten Fällen

Die Regierungspräsidien heben die gute Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hervor. Sie kritisieren jedoch, dass dieses Bundesamt im gerichtlichen Verfahren, zu Fällen, in denen nachträglich Beweismittel zugehen, nicht Stellung nimmt und in mündlichen Verhandlungen stärker präsent sein müsste. Sie bemängeln zudem, dass eine regelmäßige Überprüfung des Wegfalls von Asylgründen oder Abschiebungshindernissen durch das Bundesamt mit dem Ziel eines Rücknahme- oder Widerrufsverfahrens nicht stattfinde. Die Ausländerbehörden haben hierbei kaum eine Möglichkeit, selbst eine Änderung der Sachlage nachzuweisen, z. B. durch Anforderung ärztlicher Gutachten oder Atteste im Falle eines dem Asylbewerber wegen Erkrankung ursprünglich zuerkannten Abschiebungshindernisses.

Das Innenministerium hat zwischenzeitlich seinen Kontakt zu dem Bundesamt intensiviert, um derartige Problemfälle gegebenenfalls unter Hinzuziehung der Regierungspräsidien zu lösen.

4.3.3 Unkooperative Staaten

Für Baden-Württemberg gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den Auslandsvertretungen von 25 Staaten schwierig. Diese zeigen eine nur sehr geringe Kooperationsbereitschaft oder sind grundsätzlich nicht bereit, ihrer völkerrechtlichen Verpflichtung zur Aufnahme ihrer eigenen Staatsangehörigen nachzukommen. Als Beispiele für die geringe Kooperation sind zu nennen:

  • Schwierige und langwierige Pass- bzw. Passersatzbeschaffungsmaßnahmen bei den Auslandsvertretungen des Heimatlandes. Selbst in Fällen, in denen die Staatsangehörigkeit feststeht, verlangen einige Vertretungen noch weitere Unterlagen oder es werden Unterlagen verlangt, die mit der Staatsangehörigkeit nichts zu tun haben.

 

  • Mangelnde Mithilfe der Auslandsvertretungen bei Klärung der Identität oder Staatsangehörigkeit. Teilweise lehnen Auslandsvertretungen Vorführungen zur Abklärung der Identität oder der Staatsangehörigkeit ab.

 

  • Verschiedene Auslandsvertretungen stellen Heimreisedokumente nur aus, wenn der Ausländer erklärt, freiwillig ausreisen zu wollen.

 

  • Probleme im Zusammenhang mit der Rückführung in das Kosovo (Stichwort: Verweigerungshaltung der Mission der Vereinten Nationen zur Übergangsverwaltung des Kosovo - UNMIK).

Damit wird in vielen Fällen die Abschiebung um Jahre verzögert oder unmöglich gemacht. Durch die Verweigerungshaltung dieser Staaten werden nach den Berechnungen des Rechnungshofs schätzungsweise jährliche Kosten in Höhe von 46,8 Mio. € verursacht.

4.4 Auswirkungen

Aufgrund der langen Verfahrensdauer bei den Gerichten, der Möglichkeit der Asylfolgeantragstellung und der sukzessiven Antragstellung für einzelne Familienmitglieder sowie fehlender Heimreisedokumente lässt sich relativ leicht ein mehrjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet erreichen. Damit einhergeht eine Gewöhnung an die hiesigen Verhältnisse, insbesondere an die besseren Lebensbedingungen.

Dies hat dazu beigetragen, dass sich die Zahl der Abschiebungen in den letzten Jahren rückläufig entwickelt hat. Im Jahr 2005 wurden aus Baden-Württemberg 2.687 Ausländer abgeschoben. Die Entwicklung der Zahl der Abschiebungen von 1996 bis 2005 zeigt Abbildung 3.

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Der Rückgang entspricht dem bundesweiten Trend. Nach dem Ergebnis einer Länderumfrage des Bundesministers des Inneren im Jahr 2005 sind hierfür, neben den bereits vorgenannten, folgende weitere Gründe verantwortlich:

  • Skandalisierung geplanter Abschiebungen.
  • Scheinehen und (Schein-)Vaterschaftsanerkennungen.
  • Untertauchen.
  • Renitentes Verhalten unmittelbar bei der Rückführung.
  • Stellung eines Asylantrags kurz vor oder im Zusammenhang mit der geplanten Rückführung.

5 Finanzielle Leistungen an Asylbewerber und Geduldete

Nach Mitteilung des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg haben im Jahr 2005 insgesamt 17.399 Menschen Leistungen (Regelleistungen und besondere Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft oder Geburt) nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten. Darunter sind 9.344 geduldete Ausländer. Die Bruttoausgaben nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in den Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs lagen im Jahr 2005 bei 90.422.455 €. Davon entfallen auf die Stadtkreise 23.063.789 € und auf die Landkreise 67.358.666 €.

Da die Statistik bei den Ausgaben nicht nach Personengruppen unterscheidet (Asylbewerber, Geduldete, Familienangehörige usw.), hat der Rechnungshof eigene Berechnungen angestellt. Danach dürften im Jahr 2005 für 9.344 von insgesamt 24.075 geduldeten Ausländern - das ist ein Anteil von 38,8 % - Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Höhe von durchschnittlich rd. 5.000 € je Person angefallen sein. Daraus folgt, dass im Jahr 2005 für geduldete Ausländer etwa 46,7 Mio. € an Sozialleistungen allein nach dem Asylbewerberleistungsgesetz aufgewendet wurden. Andere Sozialleistungen lassen sich mangels entsprechender Statistiken nicht quantifizieren.

6 Verfahrenskosten

6.1 Landesverwaltung - ohne Polizei und Justiz

In der Landesverwaltung (oberste Ausländerbehörde, Geschäftsstelle Härtefallkommission und höhere Ausländerbehörden) war im Jahr 2005 Personal in Höhe von insgesamt 132,5 Vollzeitäquivalenten (VZÄ) für die Rückführung ausreisepflichtiger Ausländer eingesetzt. Den Personal- und Sachaufwand für diese 132,5 VZÄ zeigt Tabelle 2.

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6.2 Landespolizei

Der Personal- und Sachaufwand bei den fünf Abschiebegruppen und -diensten der Polizei wurde in Abstimmung mit den Dienststellen berechnet.

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In diesen Kosten nicht enthalten ist der erhebliche Personal- und Sachaufwand des Polizeivollzugsdienstes, der die Abzuschiebenden den Abschiebegruppen und -diensten zuführt. Hierüber liegen keine Zahlen vor.

6.3 Justiz des Landes

Die Kosten

  • der Verwaltungsgerichtsbarkeit für die Durchführung von Asylverfahren,
  • der allgemeinen Gerichtsbarkeit in Abschiebehaftsachen und
  • der Justizvollzugsanstalten für den Vollzug der Abschiebungshaft

hat das Justizministerium für das Jahr 2005 beziffert.

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Allerdings entfällt nur ein geringer Teil der Kosten der Verwaltungsgerichtsbarkeit auf Rechtsverfahren, die in direktem Zusammenhang mit Abschiebungen stehen. Im Hinblick darauf, dass rd. 98 % der Asylverfahren negativ beschieden werden und viele Verfahren nur zur Verlängerung des Aufenthalts im Lande dienen, können aber diese Kosten nicht unberücksichtigt bleiben.

6.4 Kommunalverwaltung

Bei den 133 unteren Ausländerbehörden (35 Landkreise, 9 Stadtkreise und 89 Große Kreisstädte) war im Jahr 2005 Personal im Umfang von insgesamt 167,8 VZÄ für die Rückführung ausreisepflichtiger Ausländer eingesetzt. Der Personal- und Sachaufwand ergibt sich aus Tabelle 5.

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Einzelne untere Ausländerämter haben darauf hingewiesen, dass der Personalbedarf für die Rückführung ausreisepflichtiger Ausländer nur grob geschätzt wurde, da belastbare Zahlen hierüber nicht vorliegen.

6.5 Gesamtkosten der Rückführung

Demnach betragen im Jahr 2005 die Kosten (Personal- und Sachaufwand), die direkt oder indirekt (Asylverfahren in der Verwaltungsgerichtsbarkeit) mit der Rückführung von ausreisepflichtigen Ausländern im Zusammenhang stehen, für das Land und die Kommunen zusammen 31.251.943 €.

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Den Gesamtkosten von 31.251.943 € stehen im Jahr 2005 insgesamt 2.687 Abschiebungen gegenüber.

7 Empfehlungen zur Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen

Der Rechnungshof ist der Auffassung, dass nicht alle gesetzlichen Regelungen das politische Ziel, ausreisepflichtige Ausländer konsequent abzuschieben, unterstützen. Insoweit sollte das Land alle Möglichkeiten nutzen und forcieren - auch mittels gemeinsamer Initiativen mit anderen Bundesländern - den Bundesgesetzgeber im Rahmen der EU-Vorgaben für entsprechende Änderungen zum Zwecke der Beschleunigung der Verfahren zu gewinnen, z. B. durch Erweiterung der Liste sicherer Drittstaaten und sicherer Herkunftsländer.

8 Empfehlungen zur Neuordnung der ausländerrechtlichen Zuständigkeiten

Der Vollzug des Ausländerrechts obliegt zu großen Teilen den vier Regierungspräsidien als höhere Ausländerbehörden sowie den 44 Stadt- und Landkreisen und 89 Großen Kreisstädten als untere Ausländerbehörden. Zwischen unteren und höheren Ausländerbehörden gibt es zergliederte Zuständigkeiten; die Passbeschaffung und Abschiebung für bestimmte Länder ist auf drei Regierungspräsidien konzentriert.

Vor dem Hintergrund zurückgehender Zahlen bei Asylbewerbern und ausreisepflichtigen Ausländern sowie des komplexen Ausländerrechts, das durch die EU-Gesetzgebung und EU-Rechtsprechung immer höhere Anforderungen an den Verwaltungsvollzug stellt, hält der Rechnungshof zur Verbesserung der Effizienz der Aufgabenerledigung eine Reduzierung der Zahl der unteren Ausländerbehörden und eine Zentralisierung von Aufgaben im Bereich der höheren Ausländerbehörden für erforderlich.

8.1 Reduzierung der Zahl der unteren Ausländerbehörden

Zurzeit gibt es 133 untere Ausländerbehörden (nachfolgend Ausländerbehörden). Mit jeder neu hinzukommenden Großen Kreisstadt wächst diese Zahl. Bei den 133 Ausländerbehörden war im Jahr 2005 Personal in Höhe von insgesamt 763,66 VZÄ eingesetzt. Davon entfallen auf die 35 Landkreise 252,03 VZÄ, auf die 9 Stadtkreise 207,67 VZÄ und auf die 89 Großen Kreisstädte 303,96 VZÄ.

8.1.1 Personalausstattung

Die Personalausstattung der Ausländerämter ist sehr unterschiedlich. Sie schwankt bei

  • den Landratsämtern zwischen 2,75 VZÄ und 14,40 VZÄ,
  • den Stadtkreisen zwischen 2,40 VZÄ und 91,50 VZÄ und
  • den Großen Kreisstädten zwischen 1,00 VZÄ und 10,50 VZÄ.

Bei den 89 Großen Kreisstädten sind lediglich 19 Ausländerämter mit fünf und mehr VZÄ besetzt; allerdings sind dabei nach den Berechnungen des Rechnungshofs 15 Ausländerämter überbesetzt. Bei den übrigen 70 Großen Kreisstädten haben

  • 24 Ausländerämter zwischen 3 VZÄ und 4,9 VZÄ,
  • 29 Ausländerämter zwischen 2 VZÄ und 2,9 VZÄ und
  • 17 Ausländerämter zwischen 1 VZÄ und 1,8 VZÄ.

Demnach hat bei den Großen Kreisstädten die Mehrzahl der Ausländerämter (46) weniger als drei VZÄ.

Die Aufteilung der ausländerrechtlichen Aufgaben zwischen den Landkreisen und den Großen Kreisstädten hat dazu geführt, dass bei acht von 35 Landratsämtern das Ausländeramt mit weniger als fünf VZÄ besetzt ist; davon haben zwei Ausländerämter weniger als vier und zwei Ausländerämter weniger als drei VZÄ. Bei den neun Stadtkreisen hat ein Ausländeramt weniger als fünf VZÄ.

Kleine, mit weniger als fünf VZÄ besetzte Organisationseinheiten können der Aufgabenstellung in einem Ausländeramt nur unzureichend gerecht werden. Die bisher von den Großen Kreisstädten wahrgenommenen Aufgaben der unteren Ausländerbehörden sollten deshalb auf die Landkreise übertragen werden.

8.1.2 Besetzung mit ausreichend ausgebildetem Personal

Effizienz und Effektivität des Verwaltungshandelns hängt entscheidend von der richtigen Qualifikation der Mitarbeiter ab. Bei den meisten Ausländerbehörden ist die Besetzung des Ausländeramtes mit ausreichend ausgebildetem Personal (Sachbearbeiter mit der Ausbildung für den gehobenen Verwaltungsdienst) nicht gegeben. Gut funktionierende Ausländerämter, die das komplexe Ausländerrecht umsetzen können, sollten mindestens mit zwei Mitarbeitern, die dem gehobenen Dienst zuzurechnen sind (nachfolgend Sachbearbeiter genannt), besetzt sein.

Bei den Großen Kreisstädten sind in fünf Ausländerämtern überhaupt keine, bei 29 Ausländerämtern weniger als eine und bei 38 Ausländerämtern weniger als zwei Vollzeitstellen für Sachbearbeiter ausgewiesen. Bei den Landratsämtern sind in sieben Ausländerämtern weniger als eine und in zwölf Ausländerämtern weniger als zwei Vollzeitstellen für Sachbearbeiter vorhanden. Bei den Stadtkreisen verfügen zwei Ausländerämter über weniger als zwei Vollzeitstellen für Sachbearbeiter.

Zu berücksichtigen ist auch, dass die Bearbeiter in den Ausländerämtern zum Teil mit weiteren Zeitanteilen auch noch in anderen Aufgabenbereichen tätig sind. Aus Zeitgründen können sie sich oft nicht mit dem komplizierten Ausländerrecht vertraut machen. Folge ist, dass die ausländerrechtlichen Vorgaben des Innenministeriums oftmals nur unzureichend oder nicht rasch genug umgesetzt werden.

Die Ausländerämter müssen mit genügend qualifiziertem Personal ausgestattet werden. Nach Auffassung des Rechnungshofs sollten bei einer Mindestausstattung von fünf VZÄ mindestens zwei VZÄ für den gehobenen Verwaltungsdienst ausgebildet sein.

8.1.3 Auslastung des Personals

Aus der Zahl der zu betreuenden Ausländer je VZÄ sowie der Zahl der Aufenthaltstitel und Duldungen je VZÄ wurde jeweils ein dienststellenbezogenes Benchmarking durchgeführt.

8.1.3.1 Belastungskennzahl nach der Zahl der zu betreuenden Ausländer

Betrachtet man die Personalausstattung der Ausländerämter und die Zahl der zu betreuenden Ausländer, ergibt sich eine sehr unterschiedliche Auslastung. Sie reicht von 619 bis 3.842 zu betreuende Ausländer je VZÄ. Auch wenn verschiedene Sonderfaktoren, wie z. B. eine große Anzahl von EU-Bürgern oder die Konzentration von problematischen Fällen und Saisonarbeitern, zu berücksichtigen sind, können diese eine derartige Diskrepanz nicht begründen.

Bei Zugrundelegung der errechneten Belastungskennzahl 1.915 - d. h. eine Vollzeitstelle betreut 1.915 Ausländer - ergibt sich bei den Ausländerbehörden ein rechnerisches Personaleinsparpotenzial von insgesamt 145 VZÄ. Demnach kann die Zahl der VZÄ von 763 auf 618 reduziert werden.

8.1.3.2 Belastungskennzahl nach der Zahl der zu bearbeitenden Aufenthaltstitel und Duldungen

Bei Betrachtung der erteilten Aufenthaltstitel und Duldungen je Vollzeitstelle ergibt sich gleichfalls eine sehr unterschiedliche Auslastung. Sie reicht von 375 bis 3.108 erteilte Aufenthaltstitel und Duldungen je Vollzeitstelle.

Bei Zugrundelegung der errechneten Belastungskennzahl 1.285 - d. h. eine Vollzeitstelle erteilt 1.285 Aufenthaltstitel und Duldungen - ergibt sich bei den Ausländerbehörden ein rechnerisches Einsparpotenzial von 148 VZÄ. Demnach kann die Zahl der VZÄ von 763 auf 615 reduziert werden; dies ist ein ähnliches Ergebnis wie bei der vorigen Kennzahl.

8.1.3.3 Stelleneinsparpotenzial

Der Rechnungshof geht davon aus, dass bei Berücksichtigung einer besonderen Belastung des Personals in den Großstädten (insbesondere Stuttgart und Mannheim) von dem errechneten Einsparpotenzial von 145 bis 148 Stellen im Ergebnis zumindest 100 Stellen eingespart werden können. Mit dieser Stellenreduzierung einhergehen muss jedoch die Besetzung mit ausreichend ausgebildetem Personal.

Das aufgezeigte Einsparpotenzial muss nach Auffassung des Rechnungshofs entsprechende Auswirkungen auf die Höhe der Zuweisungen nach § 11 Abs. 1 des Gesetzes über den kommunalen Finanzausgleich haben.

8.1.4 Bündelung von Aufgaben

Das Staatsangehörigkeitswesen sowie die Aufgaben nach dem Eingliederungsgesetz und dem Flüchtlingsaufnahmegesetz sind von der Zuständigkeit der Großen Kreisstädte und Verwaltungsgemeinschaften als untere Verwaltungsbehörden ausgeschlossen (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 und 7 Landesverwaltungsgesetz). Wegen der engen Verbindung dieser Rechtsgebiete zum Ausländerwesen sollte dieser Katalog um das Ausländerwesen erweitert werden. Mit dem Verbleib der Aufgabe Ausländerwesen bei den Landkreisen würde auch erreicht werden, dass die Zuständigkeit für Entscheidungen nach dem Ausländerrecht und für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bei der gleichen Behörde liegt. Die leistungsgewährenden Stellen müssten dann nicht mehr mit mehreren Ausländerbehörden korrespondieren.

8.2 Aufgabenverlagerung von den unteren Ausländerbehörden auf die Regierungspräsidien

Die bisherige Trennung der Zuständigkeit betreffend Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern und sonstigen Ausländern (z. B. illegal eingereiste Personen) ist nicht sachgerecht. Die Zuständigkeit für beide Personengruppen sollte auf Regierungspräsidiumsebene angesiedelt werden. Damit kann die Effizienz der Aufgabenerfüllung gesteigert werden. Dies hätte eine Entlastung der Ausländerämter zur Folge, ohne dass bei den Regierungspräsidien ein nennenswerter Mehrbedarf an Personal entstehen würde.

8.3 Zentralisierung von Aufgaben der vier Bezirksstellen für Asyl bei einem Regierungspräsidium

Die rückläufigen Zugangszahlen bei den Asylbewerbern und die Tatsache, dass die Asyl- und Aufenthaltsbeendigungsverfahren immer komplizierter werden, erfordern eine weitere Bündelung der Fachkompetenz bei einem Regierungspräsidium. Dieses sollte nach Auffassung des Rechnungshofs das Regierungspräsidium Karlsruhe sein, wo in der Landesaufnahmestelle schon jetzt die Funktionen einer Bezirksstelle für Asyl und einer Erstaufnahmeeinrichtung angesiedelt sind. Dafür sprechen vor allem folgende Überlegungen:

  • Es entstünde ein Kompetenzzentrum, bei dem die Verantwortlichkeit in einer Hand liegt. Spezialwissen müsste nicht bei vier Regierungspräsidien vorgehalten werden.

 

  • Auch nach Verlegung des Ausländers wird der Fall bei der Landesaufnahmestelle weiter bearbeitet (ganzheitliche Bearbeitung).

 

  • Die einzige Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in Baden-Württemberg befindet sich im Gebäude, in dem auch die Landesaufnahmestelle untergebracht ist. Durch den engen Kontakt sollte eine frühzeitige Zusammenarbeit bereits in der Entscheidungsphase möglich sein.

 

  • Auslandsvertretungen hätten nur noch einen Ansprechpartner in Baden-Württemberg.

 

  • Sammelvorführungen könnten in den vorhandenen Räumen der Landesaufnahmestelle durchgeführt werden.

 

  • Durch Synergieeffekte kann Personal (Sachbearbeiter und Servicepersonal) eingespart werden.

 

  • Der Abstimmungsaufwand zwischen Regierungspräsidien und Innenministerium wird vermindert.

 

  • Die Zahl der Abschiebegruppen der Polizei (bisher fünf) kann reduziert werden. Durch Synergieeffekte könnte die Belastung der Polizei mit Abschiebungen verringert werden.

Vor allem die Nähe zu dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und die enge, schon in einem frühen Stadium mögliche Zusammenarbeit und Abstimmung mit dem Bundesamt lassen deutliche Beschleunigungen in jedem Verfahrensstadium erwarten.

Dabei können die Schritte zur Neuordnung der ausländerrechtlichen Zuständigkeiten, die in den Aufgabenbereich des Landes fallen, unabhängig von den Maßnahmen auf kommunaler Ebene eingeleitet werden.

9 Stellungnahme des Ministeriums

Das Innenministerium unterstützt die Empfehlungen zur Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Es verweist auf die Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Selbstverständlich versuche das Land bei Gesetzgebungsverfahren, Einfluss auf die bundesrechtlichen Regelungen in diesem Bereich zu nehmen.

Zur Neuordnung der ausländerrechtlichen Zuständigkeiten bestätigt das Innenministerium, dass die Vorschläge dem Ziel dienen, die Effizienz und Qualität der Aufgabenerfüllung im Bereich Ausländerrecht auch hinsichtlich der Aufenthaltsbeendigung zu verbessern. Es beabsichtigt, die Vorschläge umzusetzen.


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Einzelplan 04: Ministerium für Kultus, Jugend und Sport

Das Arbeitszeitpotenzial für nicht-unterrichtsbezogene Aufgaben der Lehrkräfte an Realschulen wird nur zum Teil benötigt. Daraus ergibt sich ein ungenutztes Volumen an bezahlter, aber nicht geleisteter Arbeitszeit. Auf dieses darf das Land aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und der Gleichbehandlung nicht verzichten.


1 Ausgangslage

Die Lehrkräfte an Realschulen haben neben ihrer Kernfunktion, dem Unterrichten, sowie den damit verbundenen Tätigkeiten (unterrichtsbezogene Aufgaben) zahlreiche sonstige dienstliche Pflichten, vor allem administrative, organisatorische und besondere pädagogische Aufgaben (nicht-unterrichtsbezogene Aufgaben ) zu erfüllen. Für die Wahrnehmung dieser besonderen ständigen außerunterrichtlichen Aufgaben bzw. zum Ausgleich besonderer unterrichtlicher und außerunterrichtlicher Belastungen sowie für die Betreuung von Lehramtsanwärtern und Praktikanten steht den Realschulen eine bestimmte Anzahl von Lehrerwochenstunden zur Verfügung (allgemeines Entlastungskontingent). Diese bestimmt sich entsprechend einer Verwaltungsvorschrift des Kultusministeriums nach der Anzahl der in der jeweiligen Realschule eingerichteten Klassen. Das allgemeine Entlastungskontingent hatte für alle eigenständigen Realschulen im Schuljahr 2004/05 einen Umfang von rd. 4.750 Lehrerwochenstunden oder 176 Lehrervollzeitäquivalenten; dies entspricht Kosten von rd. 9 Mio. €.

Im Wesentlichen wurden die für die Untersuchung des Rechnungshofs erforderlichen Informationen durch eine Fragebogenerhebung bei 364 öffentlichen Realschulen gewonnen. Die Aussagen dieses Berichts basieren auf den Rückmeldungen von 298 Realschulen (82 %) für das Schuljahr 2004/05.

Die Anrechnungen aus dem allgemeinen Entlastungskontingent dürfen nur in Anspruch genommen werden, wenn hierzu ein dienstliches Bedürfnis besteht und eine entsprechende Belastung des Lehrers vorliegt. Die Gewährung von Anrechnungsstunden obliegt dem jeweiligen Schulleiter nach pflichtgemäßem Ermessen.

2 Prüfungsanlass und Prüfungsprämissen

Das allgemeine Entlastungskontingent wirkt sich sowohl auf die individuelle Unterrichtsverpflichtung als auch auf die Summe der insgesamt zur Verfügung stehenden Unterrichtsstunden aus. Dies ist nur dann gerechtfertigt, wenn die nicht-unterrichtsbezogenen Aufgaben nicht im Rahmen des den Realschulen zur Verfügung stehenden Arbeitszeitpotenzials oder der individuellen Arbeitszeitverpflichtung erfüllt werden können. Könnten sie jedoch im Rahmen der Arbeitszeit erfüllt werden, würde das Land mit dem allgemeinen Entlastungskontingent Arbeitsleistungen honorieren, die bereits mit der regulären Besoldung finanziert sind.

Die Arbeitszeit und der Urlaubsanspruch der Beamtinnen und Beamten des Landes ist in der Arbeitszeit- und Urlaubsverordnung geregelt. Danach beträgt die regelmäßige Arbeitszeit im Durchschnitt 41 Stunden wöchentlich. Dies gilt auch für Lehrkräfte, da die Dauer der Unterrichtsverpflichtung „im Rahmen der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit“ zu regeln ist. Die Arbeitszeit- und Urlaubsverordnung stellt damit klar, dass die Festsetzung der Unterrichtsverpflichtung die regelmäßige Wochenarbeitszeit von 41 Zeitstunden unberührt lässt.

Diese Gleichstellung der Lehrkräfte mit allen andern Beamtinnen und Beamten des Landes besteht darüber hinaus auch beim Urlaubsanspruch. So steht Lehrkräften ein jährlicher Urlaubsanspruch je nach Alter zwischen 26 und 30 Tagen zu. Ausgehend von diesen Prämissen muss in Anlehnung an die Berechnung der Arbeitsstunden in der VwV-Kostenfestlegung davon ausgegangen werden, dass eine Vollzeitlehrkraft eine jährliche Arbeitsleistung von 1.697 Zeitstunden zu erbringen hat.

3 Untersuchungsergebnisse

3.1 Inanspruchnahme des allgemeinen Entlastungskontingents

Die in die Untersuchung einbezogenen Realschulen verfügten nach ihren Angaben im Schuljahr 2004/05 über ein allgemeines Entlastungskontingent in Höhe von 4.178,50 Lehrerwochenstunden. Der größere Teil diente zum Ausgleich von Belastungen, die durch die Wahrnehmung nicht-unterrichtsbezogener dienstlicher Aufgaben entstanden sind. Diese Aufgaben sind in Kategorien zusammengefasst und mit der jeweiligen zeitlichen Inanspruchnahme in Tabelle 1 für das Schuljahr 2004/05 dargestellt.

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Die Realschulen wiesen von den 4.178,50 Lehrerwochenstunden des allgemeinen Entlastungskontingents lediglich 3.606 Lehrerwochenstunden nach. Zu der Verwendung der restlichen 572,50 Lehrerwochenstunden wurden keine Angaben gemacht.

Die von den Realschulen genannten Entlastungsgründe konnten uneingeschränkt unter die betreffenden Tatbestandsmerkmale der VwV Lehrerarbeitszeit subsumiert werden. Insoweit wurden diese einschlägigen Bestimmungen beachtet.

3.2 Arbeitsleistung für nicht-unterrichtsbezogene Aufgaben

Mit der Gewährung von Anrechnungsstunden sollen in erster Linie der Aufwand bzw. die Belastungen durch nicht-unterrichtsbezogene Aufgaben abgegolten werden. Die hierfür erbrachten Arbeitsleistungen zeigt Tabelle 2. Außerdem ist die Differenz zwischen Arbeitsleistung und Entlastung dargestellt.

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Die Daten zeigen, dass die Jahresarbeitsleistung für nicht-unterrichtsbezogene Aufgaben, für die Entlastungen gewährt wurden, laut Rückmeldung der Realschulen um insgesamt 27.730 Zeitstunden (12,2 %) höher ausfiel, als die Jahresentlastungen durch die Anrechnungsstunden aus dem allgemeinen Entlastungskontingent.

Die in Tabelle 2 genannte Jahresarbeitsleistung von rd. 254.000 Stunden stellt allerdings nicht die Gesamtarbeitszeit dar, welche für nicht-unterrichtsbezogene Aufgaben an den Realschulen im Schuljahr 2004/05 erbracht wurde. Hier muss sie um die Arbeitsstunden ergänzt werden, die ohne Anrechnungen erbracht wurden. Den Umfang und die Verwendung dieser Arbeitsleistung zeigt Tabelle 3.

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Die untersuchten Realschulen haben somit im Schuljahr 2004/05 nach ihren Angaben für nicht-unterrichtsbezogene Aufgaben eine Gesamtjahresarbeitsleistung von 422.614 Zeitstunden erbracht. Deren Verwendung und die jeweiligen Volumina zeigt Tabelle 4.

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4 Analyse

4.1 Regelstundenmaß und dienstliche Arbeitszeitverpflichtung

Die Unterrichtsverpflichtung für Lehrkräfte ist in der VwV Lehrerarbeitszeit geregelt. Danach haben Lehrer an Realschulen 27 Lehrerwochenstunden zu je 45 Minuten zu leisten. Dieses Regelstundenmaß kann für Lehrkräfte u. a. wegen der Wahrnehmung besonderer Aufgaben oder besonderer Belastungen durch Anrechnungsstunden reduziert werden.

Die Reduzierung der Unterrichtsverpflichtung durch Anrechnungsstunden verringert die persönliche Unterrichtszeit des jeweils Begünstigten. Dies ist gerechtfertigt, wenn die Lehrkraft nicht-unterrichtliche Aufgaben wahrnimmt und sie ohne Reduzierung in unzumutbaren Umfang Mehrarbeit leisten müsste. Hierbei ist zu beachten, dass eine Lehrkraft als Beamter erst dann ihre dienstrechtliche Arbeitsverpflichtung im vollen Umfang erfüllt, wenn sie im Jahr 1.697 Zeitstunden leistet.

Würden Realschullehrer für ein volles Deputat von 27 Lehrerwochenstunden einschließlich aller dazugehörenden unterrichtsbezogenen Aufgaben im Regelfall jährlich etwa 1.700 Zeitstunden benötigen, so würden sie damit ihre Gesamtjahresarbeitsverpflichtung erfüllen. Dies hätte zur Folge, dass die zusätzliche Wahrnehmung nicht-unterrichtsbezogene Aufgaben im Allgemeinen zu Mehrarbeit führen würde und somit Anrechnungsstunden aus dem allgemeinen Entlastungskontingent grundsätzlich gerechtfertigt wären.

Es wird daher nachfolgend untersucht, ob das vom Land insgesamt für die geprüften Realschulen finanzierte Jahresarbeitszeitpotenzial vollständig für unterrichtsbezogene Tätigkeiten benötigt wird oder ob ein freies Arbeitszeitpotenzial für nicht-unterrichtsbezogene Aufgaben zur Verfügung steht.

4.2 Jahresarbeitszeitpotenzial der Realschullehrer

Um feststellen zu können, ob im Rahmen des dienstrechtlichen Arbeitszeitpotenzials ausreichend Kapazität für nicht-unterrichtsbezogene Aufgaben zur Verfügung steht, muss zunächst das Gesamtarbeitszeitpotenzial als Jahresarbeitszeitpotenzial ermittelt werden. Hierbei ist zu beachten, dass die den einzelnen Realschulen zugewiesene Personalkapazität nicht nach Vollzeitstellen, sondern nach Lehrerwochenstunden berechnet wird.

So erhielten die untersuchten Realschulen für die Unterrichtserteilung im Schuljahr 2004/05 laut Angaben des Kultusministeriums 219.544,60 Lehrerwochenstunden. Hinzuzurechnen sind alle Verminderungen des Regelstundenmaßes in Höhe von 18.033,70 Lehrerwochenstunden, da das Gesamtarbeitszeitpotenzial ermittelt werden soll. Somit standen den Realschulen für das Schuljahr 2004/05 insgesamt 237.578,30 Lehrerwochenstunden zur Verfügung. Dividiert man diese Summe durch die Regelunterrichtsverpflichtung von 27 Lehrerwochenstunden, errechnen sich 8.799,20 Lehrervollzeitäquivalente.

Erfüllen diese Lehrkräfte ihre beamtenrechtliche Arbeitszeitverpflichtung, so ergibt sich ein Jahresarbeitszeitpotenzial von 14.932.242 Zeitstunden (1.697 Zeitstunden x 8.799,20 Lehrervollzeitäquivalente).

4.3 Inanspruchnahme des Jahresarbeitszeitpotenzials

Das Jahresarbeitszeitpotenzial wird dem Dienstherrn für Funktionen, Unterricht, unterrichtsbezogene Aufgaben sowie für nicht-unterrichtsbezogene Aufgaben zur Verfügung gestellt. Zur Klärung der Frage, ob im Rahmen dieses Potenzials auch freie Kapazitäten für nicht-unterrichtsbezogene Aufgaben vorhanden sind, müssen zunächst alle dienstlichen Gründe der Inanspruchnahme beziffert und entsprechend auf das Jahresarbeitszeitpotenzial angerechnet werden. Diese Gründe der Inanspruchnahme sind

  • Alters- und Schwerbehindertenermäßigung,
  • Anrechnungen ohne allgemeines Entlastungskontingent,
  • Freistellungen und Arbeitsbefreiungen,
  • Unterrichtsverpflichtungen,
  • unterrichtsbezogene Aufgaben,
  • Pausen und
  • Fortbildung.

Die Summe der Ermäßigungen, sonstigen Anrechnungen und Freistellungen bzw. Arbeitsbefreiungen sind in der Schulstatistik dokumentiert; die Summe der Jahresunterrichtsverpflichtung errechnet sich aus dem Regelstundenmaß. Der Rechnungshof unterstellt in Anlehnung an das sogenannte Hamburger Lehrerarbeitszeitmodell je Unterrichtsstunde im Durchschnitt 45 Minuten für die nachfolgende Berechnung als notwendigen Zeitaufwand und damit als Arbeitszeit für bestimmte unterrichtsbezogene Aufgaben (insbesondere Vor- und Nachbereitung, Korrekturen, Eltern- und Schülergespräche, Konferenzen). Hinzugerechnet werden 5 Minuten Pause je Unterrichtsstunde sowie jährlich 30 Zeitstunden Fortbildungsbedarf je Lehrervollzeitäquivalent. Wird das vorhandene Jahresarbeitszeitpotenzial nicht ausschließlich für die genannten dienstlichen Aufgaben benötigt, so steht der verbleibende Teil als bereits finanzierte Arbeitszeit für alle sonstigen nicht-unterrichtsbezogenen Aufgaben einschließlich der außerunterrichtlichen pädagogischen sowie der besonderen unterrichtlichen Belastungen zur Verfügung. Die Inanspruchnahme des Jahresarbeitszeitpotenzials für die genannten dienstlichen Aufgaben sowie das verbleibende Potenzial für nicht-unterrichtsbezogene Aufgaben ist in Tabelle 5 dargestellt.

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4.4 Bedarf für individuelle Anrechnungsstunden

Die vorstehende Berechnung zeigt, dass für nicht-unterrichtsbezogene Aufgaben noch ein Jahresarbeitszeitvolumen von 981.825 Zeitstunden vorhanden ist. Von diesem wurde laut Rückmeldung der Realschulen nur ein Teil, insgesamt 422.614 Zeitstunden, benötigt. Die Lehrkräfte an den Realschulen hätten somit weitere dienstliche Aufgaben im Umfang von 559.211 Zeitstunden wahrnehmen können, ohne ihr insgesamt vorhandenes Jahresarbeitszeitpotenzial zu überschreiten. Demnach besteht keine Rechtfertigung für ein allgemeines Entlastungskontingent, da generell kein Bedarf an Arbeitsleistungen über das vorhandene Potenzial hinaus gegeben ist.

Die vielfältigen nicht-unterrichtsbezogenen Aufgaben sind weder gleichmäßig auf alle Lehrkräfte eines Schulkollegiums verteilt, noch sind alle Lehrkräfte gleichermaßen geeignet, bestimmte Aufgaben wahrzunehmen. Dies hat zur Folge, dass bestimmte Lehrkräfte lediglich ihr Deputat sowie die dazugehörenden unterrichtsbezogenen Tätigkeiten erfüllen, andere dagegen in erheblichem Umfang mit zusätzlichen Aufgaben belastet sind. Daraus ergibt sich im Interesse der Gleichbehandlung die Notwendigkeit, besondere individuelle Mehrbelastungen einzelner Lehrer durch Anrechnungsstunden auszugleichen.

Gleiches gilt, wenn die zusätzlichen Aufgaben einer Lehrkraft im Einzelfall so zeitintensiv sind, dass die persönliche Arbeitszeitverpflichtung überschritten wird. Diese individuelle Notwendigkeit zum Arbeitszeitausgleich rechtfertigt jedoch aus wirtschaftlicher Sicht nicht die Bereitstellung eines allgemeinen Entlastungskontingents. Es müsste vielmehr im Rahmen des vorhandenen Arbeitszeitpotenzials dafür Sorge getragen werden, dass eine individuelle Notwendigkeit zum Arbeitszeitausgleich nicht mehr entsteht. Dies könnte z. B. durch eine gleichmäßige und generelle Verpflichtung aller Realschullehrer zur Übernahme von nicht-unterrichtsbezogenen Aufgaben neben ihrem Deputat erreicht werden.

Die zusätzlichen Arbeitsstunden, die dann eine Vollzeitlehrkraft leisten müsste, lassen sich aus der Berechnung des Gesamtarbeitszeitpotenzials für nicht-unterrichtsbezogene Aufgaben ableiten. Ausgangsgröße ist das Jahresarbeitszeitpotenzial von 14.932.242 Zeitstunden (100 %). Davon können 981.825 Zeitstunden oder 6,6 % für nicht-unterrichtsbezogene Aufgaben verwendet werden. Wird dieses Verhältnis auf die individuelle Arbeitszeit einer Lehrkraft übertragen, so stehen 6,6 % ihrer Arbeitszeit bzw. 3,2 Zeitstunden je Unterrichtswoche (bei durchschnittlich 39 Unterrichtswochen im Schuljahr) für solche Aufgaben zur Verfügung.

Wären alle Realschullehrer neben ihrem Deputat und entsprechend ihres Arbeitszeitanteils zu Leistungen im errechneten Umfang verpflichtet, so könnten sich die Realschulen ein Arbeitszeitpotenzial für nicht-unterrichtsbezogene Aufgaben in Höhe von 981.825 Zeitstunden erschließen.

5 Fazit

Die Untersuchung des Rechnungshofs zeigt, dass nur ein Teil des für nicht-unterrichtsbezogene Aufgaben vorhandenen Potenzials benötigt wird. Deshalb ist die volle Ausschöpfung des betreffenden Arbeitszeitpotenzials in Form einer 3-Stunden-Arbeitsverpflichtung für nicht-unterrichtsbezogene Aufgaben nicht erforderlich.

Daraus ergibt sich ein ungenutztes Potenzial an bezahlter, aber nicht geleisteter Arbeitszeit. Auf dieses Potenzial darf das Land aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und der Gleichbehandlung aller Lehrer nicht verzichten.

Bei Nutzung dieses Potenzials könnte Unterrichtsausfall vermieden und das schulische Angebot verbessert werden, wenn die Lehrkräfte, die keine nicht-unterrichtsbezogenen Aufgaben wahrnehmen, neben ihrem Deputat in angemessenem zeitlichen Umfang zu weiteren dienstlichen Leistungen verpflichtet würden. Die Lehrkräfte könnten z. B. zum Abbau von Unterrichtsausfall bzw. zu ergänzenden Unterrichtsangeboten, Vertretungsunterricht, Aufsichten, Arbeitsgemeinschaften oder im Rahmen des Ganztagesbetriebs eingesetzt werden.

6 Stellungnahme des Ministeriums

Das Kultusministerium hält die dargestellte Berechnungsweise für sachlich falsch. Die Bedenken des Ministeriums seien nicht aufgegriffen worden. Grundlage des Berichtsentwurfs sei nach wie vor das sogenannte Hamburger Arbeitszeitmodell. Eine andere fundierte Begründung, wie der Rechnungshof zu der Berechnung des Zeitaufwands für die unterrichtsbezogenen Aufgaben gelange, stehe nach wie vor aus. Damit basiere die gesamte Kritik des Rechnungshofs auf einer nicht nachvollziehbaren Annahme und könne keinesfalls akzeptiert werden.

7 Schlussbemerkung

Die Kultusverwaltung bestimmt den Umfang der Arbeitsverpflichtung der Lehrkräfte vor allem über die Deputatsverpflichtung. Für die Arbeitszeit der Landesbeamten gilt jedoch generell die Arbeitszeit- und Urlaubsverordnung. Danach haben auch Lehrkräfte eine Jahresarbeitsverpflichtung von 1.697 Zeitstunden. Grundlage der Überlegungen des Rechnungshofs war daher die Jahresarbeitszeit für Landesbeamte in Baden-Württemberg und nicht das Hamburger Arbeitszeitmodell.

In der Berechnung des Rechnungshofs werden zunächst alle dienstlichen Aufgaben auf die Jahresarbeitszeit angerechnet, deren zeitliche Größen bestimmt sind. Nicht festgesetzt ist jedoch der Zeitaufwand für unterrichtsbezogene und nicht-unterrichtsbezogene Aufgaben. Der Rechnungshof hat für die unterrichtsbezogenen Aufgaben einen bestimmten Zeitaufwand gesetzt und den verbleibenden Rest rechnerisch ermittelt. Würden wie bisher die Zeitressourcen für beide Aufgabenbereiche ins Belieben der Lehrkräfte gestellt, so würde jede Lehrkraft autonom den Umfang ihrer Arbeitszeitverpflichtung bestimmen.

Mit Blick auf die wesentliche Bedeutung und die finanzielle Wirkung des Umfangs der zeitlichen Dienstpflicht ist es zwingend geboten, auch die Zeitressourcen für unterrichtsbezogene und nicht-unterrichtsbezogene Aufgaben festzulegen.

Der Rechnungshof ist sich sehr wohl bewusst, dass der Wert von 45 Minuten für unterrichtsbezogene Aufgaben je Unterrichtsstunde keine empirisch gesicherte Größe darstellt. Dennoch erscheint diese Zeitressource für eine erfahrene Lehrkraft großzügig bemessen. Nur insoweit hat sich der Rechnungshof an das Hamburger Arbeitszeitmodell angelehnt.

Im Übrigen ist es offenkundig, dass durch eine Erhöhung der Zeitressource für unterrichtsbezogene Aufgaben das vorhandene Jahresarbeitszeitpotenzial völlig aufgebraucht werden kann. Auch insoweit kann die Zeitressource nicht in das Belieben der Lehrkräfte gestellt werden.

Aus den genannten Gründen hält der Rechnungshof sein Berechnungsschema für sachgerecht. Im Übrigen bleibt es dem Ministerium unbenommen, unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, eigene Zeitrahmen für unterrichtsbezogene und nicht-unterrichtsbezogene Aufgaben zu bestimmen. Die bisherige Praxis, hier keine Regelung zu treffen, wird einer wirtschaftlichen Verwaltung der Personalressourcen nicht gerecht.

Der Rechnungshof empfiehlt daher, unter Beachtung seiner Untersuchungsergebnisse zu prüfen, ob und wie die Ressource Lehrerarbeitszeit besser, nachvollziehbarer und gerechter als bisher erschlossen werden kann.


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Mit einer Neustrukturierung und der bedarfsorientierten Ausrichtung der gestuften zweijährigen kaufmännischen und gewerblichen Berufskollegs ließen sich Deputatsausgaben von jährlich 14 Mio. € sparen.


1 Ausgangslage

Bei den Berufskollegs handelt es sich um vollzeitschulische Bildungsgänge, die einen mittleren Bildungsabschluss voraussetzen und neben der beruflichen Qualifikation optional den Erwerb der Fachhochschulreife anbieten.

Berufliche Schulen und die Schulverwaltung kritisierten bei einer Orientierungsprüfung des Rechnungshofs im Jahr 2005 die unzureichende Akzeptanz bestimmter Berufskollegs durch die Wirtschaft. Die staatlichen Berufsabschlüsse würden von den Betrieben nicht anerkannt und die Zeiten des Schulbesuchs nur in einem geringen Umfang auf nachfolgende Berufsausbildungen angerechnet. Dadurch würde die Verweildauer der Jugendlichen an den Schulen unnötig verlängert.

Hintergrund der mangelnden Akzeptanz ist die grundsätzliche Konkurrenz der beruflichen Ausbildungssysteme mit den ausschließlich schulisch erworbenen staatlich anerkannten Abschlüssen einerseits und den im dualen System erworbenen Kammerabschlüssen andererseits.

Auf die davon besonders betroffenen Berufskollegs entfällt fast die Hälfte der Schülerzahl mit Deputatsausgaben von jährlich knapp 60 Mio. €. Nur diese waren Gegenstand der Prüfung des Rechnungshofs.

2 Angebotsentwicklung

Das Angebot der untersuchten Berufskollegs wird von der Konjunktur und der demografischen Entwicklung beeinflusst. Die seit Mitte der Achtzigerjahre negative Entwicklung auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt und der Anstieg der Schulabgängerzahlen der allgemein bildenden Schulen, der sich bis zum Schuljahr 2009/10 fortsetzen wird, führen dazu, dass auch Jugendliche mit einem mittleren Bildungsabschluss vermehrt ohne Ausbildungsplatz bleiben. Um diesen Bewerbern eine adäquate Alternative zur Jugendarbeitslosigkeit bzw. dem Berufsvorbereitungsjahr zu bieten, baute das Land die Berufskollegs aus. Die Entwicklung der Schülerzahlen in den untersuchten Berufskollegs ist in Tabelle 1 dargestellt.

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3 Analyse des Bildungsangebots und Bildungsbedarfs

3.1 Bildungsangebot

Die Bildungsgänge waren ursprünglich für Schüler mit überdurchschnittlichen Leistungen gedacht, die sich Grundkenntnisse in einem bestimmten Berufsfeld aneignen wollten oder die mit der Fachhochschulreife ein Studium anstrebten. Das Zusatzangebot Fachhochschulreife wurde im Schuljahr 2004/05 durchschnittlich von mehr als 80 % der Schüler angenommen. Die unmittelbare Aufnahme einer Berufstätigkeit auf der Grundlage der im Berufskolleg erworbenen beruflichen Qualifikation stand nicht im Mittelpunkt der Konzeption.

Die Berufskollegs für Fremdsprachen und für Wirtschaftsinformatik sind zweijährige Bildungsgänge. Bei den übrigen Bildungsgängen bauen zwei einjährige Bildungsgänge aufeinander auf. Das Bestehen der Prüfung nach dem ersten Jahr ist die Voraussetzung für die Teilnahme im zweiten Jahr. Jeweils ein Drittel bis zur Hälfte der Schüler qualifiziert sich für das zweite Jahr.

3.2 Bildungsbedarf

Zum aktuellen Bildungsbedarf der Schüler an Berufskollegs hat der Rechnungshof 32 berufliche Schulen (17 kaufmännische, 9 gewerbliche und 6 pflegerische Schulen) zunächst danach befragt, ob die Schüler nach den Zeugnisnoten ihrer Vorgängerschulen eher zu den unterdurchschnittlichen, durchschnittlichen oder überdurchschnittlichen Schülern gehörten. Das Ergebnis zeigt die Tabelle 2.

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Die Bildungsgänge für Wirtschaftsinformatik und für Fremdsprachen zogen die meisten überdurchschnittlichen und die wenigsten unterdurchschnittlichen Realschulabsolventen an; der Bildungsgang Technik und Medien wurde dagegen von den meisten unterdurchschnittlichen und den wenigsten überdurchschnittlichen Schülern besucht.

Weiter wurde nach den Schülerzielen bei Abschluss des Berufskollegs nach dem zweiten Jahr gefragt. Der Rechnungshof hat die Ziele „duale Ausbildung“ und „Studium“ ins Verhältnis gesetzt und unterstellt, dass sich die sonstigen genannten Ziele wie Wehr- und Zivildienst letztlich in ähnlichem Verhältnis auf die duale Ausbildung und das Studium verteilen werden. In Tabelle 3 ist das Ergebnis dargestellt.

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Das Ergebnis bestätigt eine frühere Untersuchung des Kultusministeriums zum kaufmännischen Berufskolleg für das Schuljahr 2000/01, wonach mehr als 75 % der Anfänger wieder auf das duale System oder andere Ausbildungen zukommen.

Auf die Frage nach der weiteren Laufbahn jener Teilnehmer, die nur das erste Jahr absolvierten, erklärten die Schulen, ohne konkrete Angaben zur Verfügung stellen zu können, die meisten würden eine duale Ausbildung aufnehmen.

Der Rechnungshof forderte die Schulen dazu auf, ihre Angaben zu erläutern und zu interpretieren. Die wesentlichen Äußerungen waren:

  • Für viele Teilnehmer sei der Bildungsgang nur die zweite oder dritte Wahl.
  • Die Entscheidung für ein Studium sei meist abhängig von den Chancen auf einen Ausbildungsplatz.
  • Häufig schätzten die Schüler ihre Leistungsfähigkeit unrealistisch hoch ein.
  • Viele Schüler seien von den schulischen Ansprüchen des Berufskollegs überfordert.
  • Die Teilnehmer verfügten über immer geringere Grundkompetenzen und -kenntnisse.
  • Trotz Fachhochschulreife seien viele Absolventen nicht studierfähig.

4 Analyse der Verwertbarkeit der beruflichen Qualifikationen

4.1 Akzeptanzprobleme

Die Erfahrungsberichte der Schulen und die Erhebungen des Rechnungshofs bestätigen, dass die unmittelbare Aufnahme einer Tätigkeit im erlernten Beruf praktisch nicht möglich ist und die im Berufskolleg absolvierte Zeit nur geringfügig auf eine nachfolgende duale Ausbildung angerechnet wird. Vielen Betrieben sind die beruflichen Abschlüsse der Berufskollegs unbekannt oder zumindest unklar. Sie bewerten diese Ausbildung lediglich als eine berufliche Grundbildung für die nachfolgende duale Ausbildung. Die Wirtschaft lehnt die schulischen Bildungsgänge auch deshalb ab, weil das duale System durch den Ausbau schulischer Berufsausbildung insgesamt gefährdet werde. Speziell wird die fehlende Akzeptanz vor allem mit der unzureichenden Praxisorientierung der Bildungsgänge begründet.

4.2 Verzahnungsmodell

Mit dem sogenannten Verzahnungsmodell griff das Land die Akzeptanzprobleme auf. Mit dem Kabinettsbeschluss vom 23.03.2004, dem „Bündnis zur Stärkung der beruflichen Ausbildung in Baden-Württemberg“ vom 29.06.2004 und in den Spitzengesprächen mit der Wirtschaft wurden Festlegungen zum Verzahnungsmodell getroffen. Auf das anstehende Berufsbildungsreformgesetz wurde Bezug genommen; u. a. wurde die zeitnahe Umsetzung der durch das Berufsbildungsreformgesetz eröffneten Anrechnungs- und ggf. Zulassungsoptionen vereinbart.

Am 01.04.2005 trat das Berufsbildungsreformgesetz in Kraft und ermöglichte den Landesregierungen, verpflichtende Regelungen zur Anrechnung von Zeiten schulischer beruflicher Ausbildung auf eine duale Ausbildung und zur Zulassung von Absolventen von Bildungsgängen berufsbildender Schulen zur Kammerprüfung zu treffen.

Am 07.03.2006 wurde die „Gemeinsame Vereinbarung gemäß Ziffer 9 des Bündnisses zur Stärkung der beruflichen Ausbildung in Baden-Württemberg vom 29.06.2004“ (Gemeinsame Vereinbarung) zwischen der Landesregierung und der Wirtschaft unterzeichnet und damit das Verzahnungsmodell installiert. Für die untersuchten Berufskollegs sind folgende Bestimmungen relevant:

  • Bildungswege für Jugendliche, die nach Ende des Besuchs einer allgemein bildenden Schule nicht unmittelbar in eine duale Ausbildung wechseln, müssen zielführend, zeit- und ressourceneffizient sein.

 

  • Absolventen der Berufskollegs soll je nach Dauer der Teilnahme eine Verkürzung der anschließenden einschlägigen Berufsausbildung von einem Jahr bzw. von bis zu zwei Jahren dadurch ermöglicht werden, dass die Berufskollegs die Ausbildungsinhalte entsprechender dualer Ausbildungsberufe aufnehmen.

 

  • Die Kammern werden den Betrieben empfehlen, diese Verkürzungsmöglichkeiten umfassend zu nutzen.

Die Ermächtigung des Berufsbildungsreformgesetzes, verpflichtende Regelungen zu treffen, wurde nicht genutzt und die Zulassung von Absolventen der Berufskollegs zu den Kammerprüfungen in der Vereinbarung nicht aufgegriffen. Dafür waren nach den Darlegungen des Kultusministeriums und des Wirtschaftsministeriums politische Gründe maßgebend.

Bis zum Oktober 2006 hatten die Kammern ihre Betriebe noch nicht umfassend über das Verzahnungsmodell informiert. Repräsentative Erfahrungen lagen bis dahin nur zum kaufmännischen Bereich vor. Knapp 60 % der Absolventen des Verzahnungsmodells nahmen im Anschluss eine duale Ausbildung auf; davon nur ein Viertel im Ausbildungsberuf, allerdings mit einer durchschnittlichen Anrechnung ihrer Zeiten am Berufskolleg von 45 %. Den übrigen drei Vierteln der Absolventen, die eine Ausbildung in einem anderen Beruf aufnahmen, wurden durchschnittlich nur 10,5 % ihrer Zeiten angerechnet, eine Quote, die deutlich unter den bisher bekannten Werten von rd. 20 % liegt.

Die Schulbefragungen des Rechnungshofs bestätigen, dass mit der Verzahnung die Anrechnung der Ausbildungszeiten am Berufskolleg deutlich steigt, dass jedoch nur ein geringer Teil der Absolventen des Verzahnungsmodells eine Ausbildung im Verzahnungsberuf beginnt. Die in der Gemeinsamen Vereinbarung empfohlene Anrechnung von bis zu zwei Jahren halten die Schulen für nicht durchsetzbar.

Die Schulen kritisieren die landesweit zentrale Vorgabe und schlagen vor, die Verzahnungsberufe und die Schwerpunkte der Bildungsinhalte standortbezogen zwischen der einzelnen Schule und den Unternehmen festzulegen. Die Umsetzung halten sie für unproblematisch, da sie die entsprechenden Bildungsinhalte in der Berufsschule ohnehin vermitteln.

5 Wertung und Modellrechnungen

Handlungsbedarf besteht, ausgehend von der Schülerzahl und den Leistungen der Schüler, in erster Linie beim kaufmännischen Berufskolleg, den Bildungsgängen Technik und Medien sowie Technische Kommunikation (gewerbliche Berufskollegs). Auf diese Bildungsgänge beziehen sich die weiteren Überlegungen.

5.1 Wertung

Der Bildungsbedarf der heutigen Teilnehmer reicht von überdurchschnittlich qualifizierten Schülern, die ernsthaft ein Studium anstreben, über Schüler, die eine duale Ausbildung absolvieren wollen und die das Berufskolleg zur Verbesserung künftiger Bewerbungschancen wählen, bis zu solchen Schülern, die wegen schlechter Perspektiven aufgefangen werden sollen. Trotz der breiten Bedarfsspanne und des relativ geringen Anteils der studierfähigen Schüler besuchen zunächst alle denselben Bildungsgang, der auf den Erwerb der Fachhochschulreife ausgerichtet ist. Die Teilnahme-Quote am Zusatzunterricht zur Fachhochschulreife übersteigt offensichtlich den tatsächlichen Bedarf.

Die fehlende Akzeptanz der beruflichen Abschlüsse an Berufskollegs wirkt sich umso nachteiliger für das Land und die Bewerber aus, je mehr das Berufskolleg wegen der prekären Ausbildungsplatzsituation als Ausweichlösung dient. Das Land wird durch den verlängerten Schulbesuch finanziell belastet, und die Jugendlichen müssen einen Zeitverlust von bis zu zwei Jahren hinnehmen. Das Verzahnungsmodell sollte nach Auffassung der Schulen enger am Bedarf und an den Chancen der Praxis orientiert werden.

5.2 Modellrechnungen

Entsprechend dem unterschiedlichen Bildungsbedarf könnten die bisher zweijährig gestuften Bildungsgänge ersetzt werden durch einen einjährigen Bildungsgang für die Schüler mit dem Hauptziel duale Ausbildung und einen zweijährigen Bildungsgang für die Schüler mit dem Hauptziel Studium.

Orientiert man sich an den Quoten nach Tabelle 3, hätte die Neustrukturierung zur Folge, dass im künftig zweijährigen Bildungsgang sehr viel weniger Plätze erforderlich wären, selbst wenn man einen Zuschlag von 20 % für untypische Bildungskarrieren hinzurechnete. Das derart verminderte Platzangebot würde auch keine Bildungskarrieren verhindern, weil Absolventen des mittleren Bildungsabschlusses die Studierberechtigung nach wie vor über das berufliche Gymnasium und den zweiten Bildungsweg erwerben können. Bezogen auf das Schuljahr 2005/06 würde sich ein Einsparpotenzial von 1.763 Schülerjahren Vollzeitunterricht ergeben, dessen Berechnung aus Tabelle 4 ersichtlich ist.

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Die künftig einjährigen Bildungsgänge könnten, dem Vorschlag der Schulen folgend, inhaltlich so ausgerichtet werden, dass die Absolventen bereits nach einem Jahr Berufskolleg einen Ausbildungsplatz mit voller Anrechnung erhalten. Dies setzt eine enge Abstimmung und Kooperation mit der örtlichen Wirtschaft voraus. Die erhöhte Anrechnung würde zu Einsparungen in der Berufsschule führen, wie sie, bezogen auf das Schuljahr 2005/06, die Tabelle 5 zeigt.

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Die Einsparungen im Voll- und Teilzeitunterricht laut den Modellrechnungen hätten die in Tabelle 6 dargestellten finanziellen Auswirkungen. Der Berechnung wurden die anerkannten rechnerischen Deputatsausgaben je Schüler und Jahr von 2.933 € im Vollzeitunterricht und 1.571 € im Teilzeitunterricht zugrunde gelegt.

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6 Empfehlungen

Der veränderte Bildungsbedarf und die mangelhafte Akzeptanz der Abschlüsse von Berufskollegs durch die Wirtschaft erfordern eine Anpassung insbesondere der stärker frequentierten gestuften Bildungsgänge, da sie den größten Teil der Ressourcen binden. Auch wenn es sich bei dem Einsparvolumen von 13,7 Mio. € zunächst nur um ein rechnerisches Ergebnis handelt, wird deutlich, welches finanzielle Potenzial sich mit den vergleichsweise überschaubaren Modifikationen erschließen lässt. Der Wert der von den Teilnehmern unnötig investierten Lebenszeit ist dabei noch nicht eingerechnet. Der Rechnungshof empfiehlt, unter Berücksichtigung der Modellrechnungen für das kaufmännische Berufskolleg und die Berufskollegs Technik und Medien sowie Technische Kommunikation zu prüfen,

  • inwieweit die Bildungsgänge jeweils durch einen einjährigen Bildungsgang für die Schüler mit dem Hauptziel duale Ausbildung und einen zweijährigen Bildungsgang für die Schüler mit dem Hauptziel Studium ersetzt werden könnten,

 

  • wie viele Plätze - orientiert am tatsächlichen Bildungsbedarf der Interessierten - in den künftig zweijährigen Bildungsgängen noch erforderlich wären und

 

  • ob für die künftig einjährigen Bildungsgänge ein „regionales Verzahnungsmodell“ eingeführt werden könnte.

7 Stellungnahme des Ministeriums

Das Kultusministerium sieht im Prüfungsergebnis insgesamt zwar eine Bestätigung der bereits begonnenen Weiterentwicklung der Berufskollegs, möchte die Empfehlungen jedoch nicht umsetzen. Die Begrenzung der Plätze im zweijährigen Bildungsgang führe zu einer Ausdünnung des Bildungsangebotes insbesondere im ländlichen Raum. Außerdem widerspreche eine Einschränkung wissenschaftlichen Erkenntnissen, wonach es notwendig sei, die Verbreitung formaler Abschlüsse zu erhöhen. Das vom Rechnungshof empfohlene regionale Verzahnungsmodell entspreche dem seit dem Schuljahr 2004/05 bereits eingerichteten Verzahnungsmodell.

8 Schlussbemerkung

Bildungsbedarf ist generell schwer ermittelbar. Dennoch sollten soweit möglich der Inhalt eines Bildungsangebotes am Regelfall und der Umfang am tatsächlichen Bedarf ausgerichtet werden. Der Rechnungshof hat sich dazu an den Einschätzungen und Vorschlägen der Schulen orientiert und darauf seine Empfehlungen gestützt.

Der Rechnungshof hält an seinen Empfehlungen fest. Sie sind bedarfsorientiert, genügen dem Anspruch des Landes, Bildungswege zielführend, zeit- und ressourceneffizient zu gestalten, und nehmen Rücksicht auf die Lebenszeit der Schüler.

Die Orientierung des Platzangebots zum Erwerb der Fachhochschulreife im Berufskolleg am tatsächlichen Bedarf führt nicht zu einer Verminderung der Bildungschancen. Denn zum einen wird beim Platzangebot ein Spielraum für untypische Bildungskarrieren hinzugerechnet; zum anderen kann dieses Bildungsziel nach wie vor auch anderweitig erreicht werden. Das Verzahnungsmodell in der jetzigen Form ist nach den Erkenntnissen des Rechnungshofs nicht für alle Standorte geeignet und könnte in modifizierter Form deutlich erfolgreicher sein.


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Einzelplan 05: Justizministerium

Die Ausgaben für die Beratungshilfe sind zwischen 1981 und 2005 von 0,1 Mio. € auf 8,2 Mio. € gestiegen. Bei den Amtsgerichten bestehen erhebliche Unterschiede in der Rechtsanwendung. Der Rechnungshof sieht bei Eingrenzung der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen und einer Vereinheitlichung der Rechtsanwendung ein Einsparpotenzial von 3,8 Mio. €. Durch eine angemessene Eigenbeteiligung der Rechtsuchenden könnte die Justiz erhebliche Einnahmen erzielen.


1 Ausgangslage

Nach dem Gesetz über Rechtsberatung und Vertretung von Bürgern mit geringem Einkommen (Beratungshilfegesetz) vom 18.06.1980 wird Beratungshilfe als Hilfe für die Wahrnehmung von Rechten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens gewährt. Rechtsuchende erhalten fachkundigen Rat durch einen Rechtsanwalt. Wie die zeitgleich eingeführte Prozesskostenhilfe ist die Beratungshilfe eine Leistung der staatlichen Daseinsfürsorge, um einkommensschwachen Bevölkerungsschichten die Wahrnehmung ihrer Rechte zu erleichtern.

Die Zahl der Beratungshilfefälle hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Im Jahr 2005 wurden insgesamt 8,2 Mio. € an Rechtsanwaltsgebühren für Beratungshilfe aus dem Justizhaushalt bezahlt.

Ein Sonderfall der Beratungshilfe stellt seit Inkrafttreten der Insolvenzordnung im Jahr 1999 die außergerichtliche Schuldenbereinigung dar. Gemäß § 305 Abs. 1 Ziff. 1 der Insolvenzordnung kann ein Verbraucherinsolvenzverfahren nur mit der Bescheinigung einer geeigneten Person oder Stelle beantragt werden, dass eine außergerichtliche Einigung des Schuldners mit den Gläubigern auf der Grundlage eines Schuldenbereinigungsplans erfolglos versucht worden ist. Geeignete Personen sind primär Rechtsanwälte, geeignete Stellen sind kommunale oder freie Schuldnerberatungsstellen.

Die Rechtsanwälte erhalten für ihre Tätigkeit aus dem Justizhaushalt eine nach der Zahl der im Einigungsversuch einbezogenen Gläubiger gestaffelte Gebühr nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.

Die Schuldnerberatungsstellen erhalten für den außergerichtlichen Einigungsversuch aus dem Haushalt des Ministeriums für Arbeit und Soziales sogenannte Fallpauschalen. Im Haushaltsjahr 2005 wurden nach den Verwaltungsvorschriften des Ministeriums für Arbeit und Soziales an rd. 80 Schuldnerberatungsstellen 2.804 Fallpauschalen in Höhe von zusammen 0,79 Mio. € ausgezahlt.

Für die Schuldnerberatungsstellen ist der Einigungsversuch nach der Insolvenzordnung nur ein Teil ihrer Aufgaben. Sie werden vornehmlich durch ihre kommunalen bzw. freien, insbesondere kirchlichen Träger finanziert.

Der Prüfungsgegenstand kann, wie aus Tabelle 1 ersichtlich, zusammengefasst werden.

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Der Rechnungshof hat zusammen mit den staatlichen Rechnungsprüfungsämtern Freiburg, Karlsruhe und Stuttgart das verfügbare Datenmaterial analysiert und Erhebungen bei 20 Amtsgerichten und 4 Schuldnerberatungsstellen durchgeführt.

2 Geschäftszahlen und Ausgaben der Beratungshilfe

Von 1981 bis 2005 ist die Zahl der Beratungshilfeverfahren von 13.726 auf 82.842 um das Fünffache angestiegen. Nur zu einem geringen Teil ist dieser Anstieg auf die seit 1999 möglichen außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren zurückzuführen.

Die Ausgaben der Justiz für die Beratungshilfe stiegen zwischen 1981 und 2006 von 0,13 Mio. € auf 9,79 Mio. €. Für das Jahr 2008 sind im Staatshaushaltsplan 15 Mio. € veranschlagt. Die Entwicklung der Ist-Ausgaben bis 2006 ist in der folgenden Abbildung dargestellt.

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Die Ausgaben, die ausschließlich auf den Bereich „allgemeine Beratungshilfe“ entfielen, beliefen sich im Haushaltsjahr 2005 auf 5,85 Mio. €. Im Haushaltsjahr 1998 waren es nur 2,50 Mio. €.

3 Ausgabenunterschiede und Rechtsanwendung bei den Amtsgerichten

Bei den 108 Amtsgerichten war eine starke Spreizung der Pro-Kopf-Ausgaben für die Beratungshilfe zwischen 0,09 € und 1,82 € je Einwohner festzustellen. Diese Spreizung kann nicht mit der unterschiedlichen Sozialstruktur in den Amtsgerichtsbezirken erklärt werden; vielmehr ist nach Auffassung des Rechnungshofs eine sehr unterschiedliche Rechtsanwendung der Amtsgerichte die Ursache für die Ausgabedifferenzen.

Bei den Amtsgerichten mit einer geringen Ausgabenbelastung je Einwohner werden die Anträge auf Beratungshilfe sehr stringent geprüft und restriktiv beschieden. Im Gegensatz dazu werden die Anträge bei den Gerichten mit den höchsten Pro-Kopf-Ausgaben großzügig beschieden.

Zum Beispiel wurden bei einem Amtsgericht lediglich 0,3 %, bei einem anderen Gericht 36,9 % der Anträge auf Gewährung von Beratungshilfe zurückgewiesen. Im Durchschnitt betrug die Zurückweisungsquote im Jahr 2004 bei allen Amtsgerichten 2,5 %. Von erheblichen Unterschieden in der Rechtsanwendung ist somit auszugehen.

Probleme im Beratungshilfeverfahren treten nach den Feststellungen des Rechnungshofs insbesondere bei der Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Rechtsuchenden sowie bei der Prüfung auf, ob die beabsichtigte Rechtswahrnehmung mutwillig ist und ob nicht andere Möglichkeiten der Hilfe zur Verfügung stehen (Grundsatz der Subsidiarität).

Der Rechnungshof hat für das Jahr 2005 das Einsparpotenzial bei einer einheitlich restriktiven Rechtsanwendung durch Benchmarking ermittelt.

Hierfür wurden die 20 % der Amtsgerichte herangezogen, die die niedrigsten Pro-Kopf-Ausgaben aufweisen. Diese 22 Amtsgerichte haben durchschnittliche Pro-Kopf-Ausgaben von 0,41 €. Wenn alle 108 Amtsgerichte einen Durchschnittswert von 0,41 € je Einwohner erreichten, würden die Beratungshilfeausgaben von 8,2 Mio. € auf 4,4 Mio. € sinken. Das Einsparpotenzial beliefe sich danach auf 3,8 Mio. €.

4 Gebühren der allgemeinen Beratungshilfe

Der Rechtsuchende zahlt an den Anwalt eine sogenannte Beratungshilfegebühr von 10 €. Der Anwalt kann auf die Gebühr verzichten. Wegen der Verzichtmöglichkeit stellt diese Gebühr keine wirksame Bremse für die mutwillige Inanspruchnahme von Beratungshilfe dar. In diesen Fällen ist die Gewährung von Beratungshilfe für den Rechtsuchenden unentgeltlich.

Der Anwalt erhält für die gewährte Beratungshilfe aus dem Justizhaushalt Gebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Die Gebühren werden nach der Tätigkeit des Rechtsanwalts unterteilt in drei Tatbestände: Für die beratende Tätigkeit gegenüber dem rechtsuchenden Bürger erhält der Anwalt die Beratungsgebühr. Wird der Anwalt darüber hinaus für den Rechtsuchenden gegenüber Dritten tätig, entsteht die Vertretungsgebühr. Wenn die Geschäftstätigkeit des Anwalts zu einer Einigung der Parteien oder zu einer Erledigung der Rechtssache führt, erhält der Anwalt die Einigungs- und Erledigungsgebühr.

Tabelle 2 zeigt die Verteilung der Gebührentatbestände in den untersuchten Fällen der allgemeinen Beratungshilfe.

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Die eigentliche Beratungstätigkeit des Rechtsanwalts findet nur noch in weniger als einem Fünftel der allgemeinen Beratungshilfeverfahren statt. Dagegen steigt der Anteil der Einigungen und Erledigungen an der Gesamtzahl der Fälle.

Die Fallzahlen der Einigungen und Erledigungen sind von 2001 bis 2005 um 158 %, die der Beratungen lediglich um 80 % und die der Vertretungen um 77 % gestiegen. Die Einigungs- und Erledigungsgebühr ist mit 125 € höher als die Gebühren für Beratung (30 €) und Vertretung (70 €). Wenn die Zahl der Einigungen und Erledigungen nur so stark gestiegen wäre wie die Zahl der Beratungen bzw. der Vertretungen, hätten 0,3 Mio. € eingespart werden können.

Bei den 20 geprüften Amtsgerichten ist der Anteil der Einigungs- und Erledigungsgebühren an der Gesamtzahl der Beratungshilfeverfahren sehr unterschiedlich. Dieser Anteil schwankt zwischen 1 % und 25 % der Beratungshilfeverfahren. Der Durchschnitt liegt bei 11 %.

Die Ursache der Differenzen sieht der Rechnungshof in der unterschiedlichen Rechtsauffassung über den Begriff der Einigung. Die Meinungen gehen vom bloßen Vorliegen einer schriftlichen Zusage der anderen Partei bis zum Erfordernis eines gerichtlichen Vergleichs gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 1 Zivilprozessordnung.

5 Begriff der „Angelegenheit“

Nach § 2 Abs. 2 Beratungshilfegesetz wird Beratungshilfe für „Angelegenheiten“ gewährt. Die Abgrenzung der Angelegenheit verursacht mit die meisten Schwierigkeiten bei der Entscheidung. Widersprüchliche Gerichtsentscheidungen erschweren zudem die Entscheidungsfindung. Exemplarisch für eine großzügige Gewährung von Beratungshilfe bei einem Amtsgericht mit weit überdurchschnittlichen Ausgaben sind folgende zwei Fälle:

1. Fall

Ein Anwalt beantragte am 20.07.2004 für einen Rechtsuchenden fünfzehn Mal die Gewährung von Beratungshilfe mit dem Ziel der Schuldenbereinigung mit 15 Gläubigern. Insgesamt wurden für 15 Verfahren 5.816,68 € erstattet. Gebührenrechtlich liegt ein einheitliches Verfahren der außergerichtlichen Schuldenbereinigung vor, das nur als eine Angelegenheit abgerechnet werden darf. Danach wäre die anwaltliche Tätigkeit mit einer Geschäftsgebühr für ein Verfahren der außergerichtlichen Schuldenbereinigung mit bis zu 15 Gläubigern abzugelten gewesen. Die Mehrausgaben für das Land betrugen 5.273,80 €.

2. Fall

Einer Rechtsuchenden wurde 2004 und 2005 in 53 verschiedenen Angelegenheiten Beratungshilfe gewährt. Hierfür wurden 4.988,62 € Anwaltsvergütung festgesetzt. Die anwaltlichen Dienste wurden u. a. auch für Formulierungshilfen sowie für Sozialberatungen zu Alltagsproblemen erbracht. Bei einer stringenten Prüfung hätte nur in wenigen Fällen Beratungshilfe gewährt werden dürfen.

6 Folgerungen zur allgemeinen Beratungshilfe

6.1 Reform der allgemeinen Beratungshilfe

Im Jahr 2006 wurde eine justizinterne Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Begrenzung der Ausgaben für die Beratungshilfe“ eingerichtet, die Rechtsänderungen zur Ausgabenbegrenzung in der Beratungshilfe vorschlagen soll. In die Reformvorschläge der Arbeitsgruppe sind Überlegungen des Rechnungshofs eingeflossen. Insbesondere folgende Vorschläge sollten weiter verfolgt werden:

  • stärkere Eigenbeteiligung der Rechtsuchenden zugunsten der Justiz;
  • Präzisierung des gebührenrechtlichen Begriffs der Angelegenheit;
  • Ausweitung des Begriffs der Mutwilligkeit;
  • Stärkung der Möglichkeit, auf andere Beratungsangebote zu verweisen (Stärkung der Subsidiarität);
  • gesetzliche Klarstellung des Einigungsbegriffs zur Reduzierung der kostenträchtigen Einigungs- und Erledigungsfälle.

6.2 Rechtsanwendung in der allgemeinen Beratungshilfe

Der Rechnungshof sieht in der allgemeinen Beratungshilfe neben gesetzgeberischen Maßnahmen vor allem im Bereich der tatsächlichen Rechtsanwendung Potenzial für eine spürbare Ausgabenbegrenzung. Zwischen den Amtsgerichten bestehen extreme Unterschiede bei den Ausgaben, in den Ablehnungsquoten und bei der Praxis der Gebührenfestsetzung. Auch die festgestellten Differenzen bei der Bedürftigkeitsprüfung und der Anwendung des Subsidiaritätsprinzips führen zu erheblichen finanziellen Belastungen des Landes.

Die Entscheidungen in der Beratungshilfe werden vom Rechtspfleger in sachlicher Unabhängigkeit getroffen. Gleichwohl erscheint es für die Selbsteinschätzung der eigenen Arbeit von großer Bedeutung, dass regelmäßig die wesentlichen Kennzahlen in der Beratungshilfe (z. B. Fallzahlen und Ausgaben je Einwohner, Anteile der Gebührentatbestände, Entwicklung der Ausgaben, Zurückweisungsquoten usw.) bereitgestellt werden. Den Gerichten sollten die im Rahmen der Neuen Steuerungsinstrumente aufzubereitenden Kennzahlen in geeigneter Weise zur Verfügung gestellt werden.

Im Bereich der Beratungshilfe sind Maßnahmen wie Qualitätszirkel, Fortbildungsmaßnahmen und Vergleichsringe geeignete Instrumente, um einem weiteren Kostenanstieg entgegenzuwirken. Hierbei sollten insbesondere Verfahrensweisen zur Bedürftigkeitsprüfung und die Konkretisierung anderweitiger Hilfsangebote für die Rechtsuchenden (Subsidiaritätsprinzip) thematisiert werden.

7 Außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren

Von den 2005 im Justizhaushalt angefallenen Beratungshilfeausgaben wurden für 5.107 außergerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren 2,37 Mio. € an Rechtsanwälte ausgezahlt. Daneben wurden für diese Aufgabe aus dem Haushalt des Ministeriums für Arbeit und Soziales 2.804 Fallpauschalen an Schuldnerberatungsstellen in Höhe von 0,79 Mio. € gewährt. Die Tätigkeit der Rechtsanwälte und Schuldnerberatungsstellen besteht entweder in dem Erteilen einer Bescheinigung über einen erfolglosen Einigungsversuch gemäß § 305 Abs. 1 Ziff. 1 Insolvenzordnung oder in einem außergerichtlichen Vergleich. Die Rechtsanwälte und die Schuldnerberatungsstellen erhalten für die Tätigkeit bei einem Vergleich höhere Gebühren bzw. Fallpauschalen als für die Tätigkeit, die zu einer Bescheinigung über einen erfolglosen Einigungsversuch führt.

Der Rechnungshof sieht bei den außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren folgende Problembereiche:

  • In 15 % der außergerichtlichen und in 7,5 % der gerichtlichen Verfahren liegt die Forderungshöhe unter 10.000 €. Bei Einführung einer entsprechenden Mindestforderungshöhe könnten insgesamt 0,7 Mio. € im außergerichtlichen und gerichtlichen Verfahren eingespart werden.

 

  • Bei den Rechtsanwälten folgte in 29 % der erfolglosen außergerichtlichen Verfahren kein gerichtliches Verfahren. Etwa 0,65 Mio. € der 2,37 Mio. € wurden somit nicht zielführend eingesetzt. Der Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts könnte von der Antragstellung im gerichtlichen Verbraucherinsolvenzverfahren abhängig gemacht werden.

Im politischen Raum wird derzeit eine Reform der Verbraucherinsolvenz diskutiert. Das Bundesjustizministerium hat im November 2006 Eckpunkte eines Gesetzentwurfs vorgestellt, die erheblich von dem im Juni 2006 beschlossenen Gesetzentwurf der Justizministerkonferenz abweichen. Aus dem Bereich der Schuldnerberatung bestehen gleichfalls sehr divergierende Vorstellungen zum Reformvorhaben.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist deshalb offen, ob und in welcher Form das außergerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren bei einer Reform der Verbraucherinsolvenz beibehalten wird.

Die Prüfungsfeststellungen zum außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren sollten in den weiteren Reformprozess der Verbrauchinsolvenz einbezogen werden.

8 Stellungnahmen der Ministerien

8.1 Justizministerium

Das Justizministerium weist darauf hin, dass es mit einer Reihe von Gegenmaßnahmen bereits auf den Ausgabenanstieg in der Beratungshilfe reagiert habe. Dazu würden neben der Prüfung gesetzgeberischer Maßnahmen durch die eingesetzte Arbeitsgruppe auch regelmäßig Kennzahlen aufbereitet und in Qualitätszirkeln und Vergleichsringen behandelt. Diese Maßnahmen begännen bereits zu greifen. So sei im zweiten Halbjahr 2006 erstmals seit vier Jahren ein Rückgang der Beratungshilfeaufwendungen um 2,2 % im Vergleich zum ersten Halbjahr festgestellt worden. Das Justizministerium wolle seine Bemühungen fortsetzen und auch die Empfehlungen des Rechnungshofs einbeziehen.

Bei den gesetzgeberischen Maßnahmen wolle die Arbeitsgruppe die Vorschläge zur „Mutwilligkeit“ und „Subsidiarität“ weiter verfolgen. Im Zentrum der Reformvorschläge stehe eine angemessene Erhöhung der Eigenbeteiligung der Rechtsuchenden. Es werde eine vom Anwalt zusätzlich zu erhebende, teilweise auf dessen Vergütungsanspruch anzurechnende Gebühr für die Gewährung von Beratungshilfe durch Vertretung angestrebt werden. Eine gesetzliche Neuregelung der Begriffe „Angelegenheit“ und „Einigung“ werde dagegen nicht weiter verfolgt.

Beim außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren lehnt das Justizministerium die Einführung einer Mindestforderungshöhe wegen ihrer Manipulierbarkeit und der bedenklichen Signalwirkung ab. Der Vorschlag des Rechnungshofs, den Vergütungsanspruch des Anwalts beim erfolglosen Einigungsversuch an die Stellung eines Insolvenzantrags zu knüpfen, werde abgelehnt, weil es der Anwalt nicht in der Hand habe, ob der Schuldner einen Insolvenzantrag stellt.

8.2 Ministerium für Arbeit und Soziales

Das Ministerium für Arbeit und Soziales bewertet die Einführung einer Mindestforderungshöhe aus sozialpolitischen Gründen sehr skeptisch. Der fiskalische Effekt einer Mindestforderungshöhe könne nicht ausschließlich an Einsparungen im gerichtlichen oder außergerichtlichen Verfahren gemessen werden.

9 Schlussbemerkung

Justizministerium und Rechnungshof stimmen in dem Ziel überein, den in den letzten Jahren zu verzeichnenden starken Ausgabenanstieg in der Beratungshilfe durch gesetzgeberische Maßnahmen und eine einheitliche Rechtsanwendung zu begrenzen. Die Auseinandersetzung der Entscheidungsträger in der Justiz mit den finanziellen Folgen ihrer Rechtsanwendung hat Kosten dämpfende Wirkung. So ist der Ausgabenrückgang im zweiten Halbjahr 2006 nicht zuletzt auf die Querschnittsprüfung des Rechnungshofs zurückzuführen.

Bei der anstehenden Reform der Verbraucherinsolvenz sollte für das außergerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren eine Regelung angestrebt werden, die einen zielorientierten Einsatz der Rechtsanwaltsvergütungen gewährleistet. Die Einwendungen der Ministerien gegen eine Mindestforderungshöhe sind nachvollziehbar. Gerade mit Blick auf die Verfahren mit niedriger Forderungshöhe sollte jedoch der finanzielle Aufwand für das außergerichtliche und gerichtliche Verfahren bei einer gesetzlichen Neuregelung generell reduziert werden.


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Einzelplan 06: Finanzministerium

Die Betätigung des Landes als mittelbarer Gesellschafter der Film- und Medienfestival GmbH erforderte bisher einen hohen finanziellen und personellen Einsatz, um den Fortbestand des Unternehmens sicherzustellen. Unabhängig von der Frage, ob ein weiteres Engagement noch durch ein Landesinteresse zu rechtfertigen ist, sollten die Risiken aus der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft minimiert werden.


1 Ausgangslage

Die gemeinnützige Film- und Medienfestival GmbH wurde im Jahr 2000 mit dem Ziel gegründet, für die beteiligten Akteure eine gemeinsame Plattform für bisher unter anderer Trägerschaft abgewickelte Medienaktivitäten zu schaffen. Es handelte sich hierbei um

  • das Internationale Trickfilm-Festival (Träger bisher: Internationales Trickfilm-Festival Stuttgart e. V.),

 

  • das Filmfest Stuttgart-Ludwigsburg-Cinema Europa (Träger bisher: Filmakademie, Land, Stadt Stuttgart),

 

  • das Filmfest Stuttgart-Ludwigsburg - Europäischer Kurzfilm (Träger bisher: Filmakademie, Stadt Ludwigsburg, private Stiftung) und

 

  • die fmx - Film- und Medienbörse Stuttgart - Kongress für digitale Medienproduktion - (Träger bisher: Filmakademie, Land direkt und zusätzlich indirekt über das Landesgewerbeamt).

Die drei Filmfestivals sollten einem breiten Publikum die aktuelle Vielfalt und neue Tendenzen in der Filmszene zugänglich machen. Alle Veranstaltungen dienten auch als Präsentationsmöglichkeit und Kontaktbörse für im Medienbereich tätige Produktionsfirmen, Filmemacher und Nachwuchskräfte und nicht zuletzt der Förderung des Medienstandorts Baden-Württemberg.

Von der Gründung der Film- und Medienfestival GmbH versprachen sich die Beteiligten auch einen bedarfsgerechten und besseren Personaleinsatz bei der Durchführung dieser Veranstaltungen.

Auf Betreiben des Landes (Federführung beim Staatsministerium) war die Filmakademie Baden-Württemberg GmbH (Filmakademie) bis Ende 2005 mit einer Beteiligungsquote in Höhe von 40 % größter Gesellschafter der Film- und Medienfestival GmbH. Die weiteren Geschäftsanteile werden von den Städten Ludwigsburg und Stuttgart sowie der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH gehalten. Im Rahmen einer Neuausrichtung der Finanzierungs- und Kapitalanteilsstrukturen im Jahr 2006 sank der Geschäftsanteil der Filmakademie auf 23,6 %.

Die Kapitalanteile der Gesellschafter entwickelten sich wie in Tabelle 1 dargestellt.

2007-B20-Tab1.jpg

Inzwischen haben sich die Aufgaben der Film- und Medienfestival GmbH geändert:

Das Filmfest Stuttgart-Ludwigsburg Cinema Europa wird nicht mehr angeboten; die fmx - Film- und Medienbörse Stuttgart (fmx) wird seit 2006 von der Filmakademie veranstaltet.

Seit dem Jahr 2006 organisiert die Film- und Medienfestival GmbH zusätzlich zu dem neuerdings jährlich stattfindenden Internationalen Trickfilm-Festival und dem Filmfest Stuttgart-Ludwigsburg die Verleihung des Deutschen Wirtschaftsfilmpreises und - in Kooperation mit dem Haus des Dokumentarfilms e. V. - den jährlichen Branchentreff Dokumentarfilm im Kulturzentrum Ludwigsburg (DOKVILLE) mit.

2 Beteiligung an der Film- und Medienfestival GmbH - Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftszweck der Filmakademie

Im Hinblick auf das finanzielle und personelle Engagement der Filmakademie im Interesse des Landes stellt sich die Frage, ob die Beteiligung an einer Gesellschaft, die als Aufgabe vorwiegend die Vorbereitung und Durchführung von Filmfestivals bzw. eines jährlichen Kongresses hat, noch unter den Gesellschaftszweck der Filmakademie, nämlich „Ausbildung, Forschung und Entwicklung“, fällt. Der Rechnungshof hält eine grundsätzliche Klärung, inwieweit die Organisation und Durchführung von Festivals und Kongressen zum Kerngeschäft der Filmakademie gehören, für geboten.

Das Staatsministerium ist sich der Problematik durchaus bewusst, weist jedoch gleichzeitig darauf hin, dass Festival-Engagements der Filmakademie für die Ausbildung der Studierenden wertvoll seien, weil eine Bekanntmachung von Filmen über Festivals ein wichtiger Türöffner für eine weitere Verwertung eines Films in Kinos oder im Fernsehen sei. Für Filmschaffende sei es daher wichtig zu wissen, wie Filmfestivals funktionieren. Für die Filmakademie selbst seien die Festivals ein wichtiges Forum zur Kontaktpflege und zur Gewinnung von Kooperationspartnern, Sponsoren und Auftraggebern für Drittmittelproduktionen. Daher sei eine direkte Beteiligung der Filmakademie an der Film- und Medienfestival GmbH außerordentlich hilfreich.

Jedenfalls sind der teilweise Rückzug des Landes durch Reduzierung der Anteile der Filmakademie am Stammkapital der Film- und Medienfestival GmbH im Jahr 2006 von 40 % auf 23,6 % und die höheren Gesellschafterbeiträge der Städte und der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH aus Sicht des Rechnungshofs Schritte in die richtige Richtung.

3 Finanzielle Schwierigkeiten des Unternehmens

Von Anfang an prägten finanzielle Schwierigkeiten die Entwicklung des Unternehmens, das deshalb mehrfach in die Gefahr einer Insolvenz geriet. Das Unternehmen ist zur Deckung der laufenden Kosten, die bei Erfüllung der Aufgaben anfallen, in hohem Maße auf Leistungen der Gesellschafter, Projektzuschüsse und Leistungen Dritter angewiesen. Darüber hinaus gewährte das Land für die fmx einen Projektzuschuss.

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In den Jahren 2001 bis 2005 stammten rd. 76 % der Gesamteinnahmen der Gesellschaft aus öffentlichen Mitteln, wobei allein der Anteil des Landes durchschnittlich bei rd. 44 % lag. Daneben erbrachten das Land und die Filmakademie für einzelne Veranstaltungen unentgeltliche Leistungen (Raumüberlassungen, technische Zuarbeit) in Höhe von jährlich rd. 115.000 €.

Tabelle 3 zeigt, dass die Film- und Medienfestival GmbH von Beginn an mit Verlusten aus ihrer Geschäftstätigkeit zu kämpfen hatte.

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Insbesondere der hohe Verlust im Jahr 2003 führte zu umfassenden Sanierungsmaßnahmen. An deren Ende stand im Jahr 2006 das stärkere finanzielle Engagement der beiden Städte Ludwigsburg und Stuttgart sowie der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH.

4 Ursachen der finanziellen Schwierigkeiten

Die Gründe für die finanziellen Probleme der Gesellschaft waren vielschichtig. Die wichtigsten Ursachen werden im Folgenden beschrieben.

4.1 Gründungsmängel und ihre Folgen

Schon bei der Errichtung der Gesellschaft wurden vom Land Planungsfehler begangen. So war die finanzielle Erstausstattung der Gesellschaft zu gering, da nicht berücksichtigt worden war, dass im Jahr 2001 drei Veranstaltungen organisiert werden mussten. Folglich kam es zur ersten finanziellen Schieflage bereits im Jahr 2001. Die Gesellschafter mussten zur Vermeidung der Überschuldung finanzielle Mittel nachschießen.

Im Jahr 2003 brachten zwei verlustreiche Festivals (Cinema Europa und Filmfest Stuttgart-Ludwigsburg - Europäischer Kurzfilm) - hervorgerufen durch massive Kostenüberschreitungen und unrealistische Einnahmeerwartungen - die Gesellschaft erneut an den Rand der Insolvenz. Nur durch ein von der Filmakademie gewährtes Darlehen konnte die Liquidität der Gesellschaft gesichert und eine drohende Insolvenz vermieden werden. Daraufhin trennte sich die Film- und Medienfestival GmbH von ihrem kaufmännischen Geschäftsführer und leitete ein Sanierungsprogramm ein.

Im Jahr 2004 trug das Land durch eine überhöhte Zuordnung von Gemeinkosten der Gesellschaft auf die „Kostenstelle fmx“ überproportional zur Sanierung der Gesellschaft bei. Wäre dies nicht so gehandhabt worden, hätte der Projektzuschuss des Landes für die fmx geringer ausfallen können.

Die aufgelaufenen Verluste konnten bis Ende 2005 ausgeglichen werden.

4.2 Fehlende Erfolgskontrolle bei den Veranstaltungen

Die finanziellen Ergebnisse der einzelnen Veranstaltungen werden in der Buchhaltung der Film- und Medienfestival GmbH dokumentiert, indem direkt zuordenbare Kosten der jeweiligen Veranstaltung zugerechnet werden. Darüber hinaus wurden in den Jahren 2001 bis Mitte 2003 die Allgemeinkosten nach speziell ermittelten Schlüsseln auf die einzelnen Veranstaltungen umgelegt, um insbesondere den Arbeitsaufwand des Personals der Film- und Medienfestival GmbH für die einzelnen Veranstaltungen verursachungsgerecht zu berücksichtigen. Aufzeichnungen darüber, wie sich z. B. die Arbeitskapazitäten der fest angestellten Mitarbeiter auf die Aktivitäten der Gesellschaft genau verteilen, wurden aber nicht geführt.

Zur Finanzierung der Festivals werden auch Gesellschafterleistungen herangezogen, welche ebenfalls auf die einzelnen Veranstaltungen umzulegen waren. Nicht einbezogen wurde die Veranstaltung fmx, da hierfür eigene Zuschüsse zur Verfügung standen.

Im Dezember 2003 kam der Aufsichtsrat zu dem Schluss, dass sich die bisherige Aufteilungspraxis von Gemeinkosten und Zuschüssen nicht bewährt habe und daher nicht fortgeführt werden solle. In den folgenden Jahren war dann nicht einmal eine grobe Abbildung der Ergebnisse einzelner Veranstaltungen der Film- und Medienfestival GmbH gewährleistet. Eine Bewertung und Analyse des finanziellen Ergebnisses der einzelnen Veranstaltungen war folglich kaum mehr möglich. Auch wurden entgegen der Geschäftsordnung den Aufsichtsorganen bis Ende 2005 keine Informationen zur Liquidität der Gesellschaft vorgelegt.

Die Gesellschaft muss nach Meinung des Rechnungshofs aber eine belastbare Spartenrechnung über ihre verschiedenen Aktivitäten aufbauen. Nur so lassen sich Rückschlüsse auf den wirtschaftlichen Erfolg der einzelnen Veranstaltungen ziehen und Entscheidungen darüber treffen, ob die nicht monetären Vorteile eines Beteiligungsengagements (Stärkung des Medienstandorts Baden-Württemberg, Schaffung einer Plattform für Nachwuchskräfte der Filmakademie und anderer Ausbildungseinrichtungen der Medienbranche) weiterhin einen entsprechenden finanziellen Einsatz des Landes rechtfertigen.

4.3 Niedrige Deckungsgrade bei den einzelnen Veranstaltungen

Bei zwei der von der Film- und Medienfestival GmbH durchgeführten Veranstaltungen (Filmfest Stuttgart-Ludwigsburg Cinema Europa, Filmfest Stuttgart-Ludwigsburg - Europäischer Kurzfilm) deckten die Erlöse aus verkauften Eintrittskarten nur 3 % bis 5 % der Kosten. Beim Internationalen Trickfilm-Festival lag der Wert bei rd. 18 %. Wenn darüber hinaus eine genauere Gemeinkostenumlage vorgenommen worden wäre, hätte der durch Eintrittsgelder erwirtschaftete Kostendeckungsgrad teilweise unter 2 % gelegen.

Der Kostendeckungsgrad bei Veranstaltungen, die auch für das (Fach)Publikum gedacht sind, zeigt, wie schwierig es ist, zahlende Gäste anzulocken. Prognosen der Gesellschaft, Erlössteigerungen über Eintrittsgelder erzielen zu können, müssen realistisch sein. Nur wenn es in den nächsten Jahren gelingt, die Angebote der Film- und Medienfestival GmbH besser am nationalen und internationalen Markt zu positionieren, werden sich nennenswerte Ertragsverbesserungen einstellen.

4.4 Besetzung der künstlerischen und kaufmännischen Geschäftsführung

Zum künstlerischen Geschäftsführer der Film- und Medienfestival GmbH wurde der ehemalige Leiter der Filmakademie bestellt. Für die Teilzeittätigkeit, die er bis Ende 2004 ausüben sollte, erhielt er eine nicht unerhebliche Vergütung. Ihm zur Seite gestellt wurde ein kaufmännischer Geschäftsführer. Allein die Jahresvergütung der beiden Geschäftsführer beanspruchte den größten Teil der bei Gründung der Gesellschaft ausgehandelten Mehrleistungen der Gesellschafter.

4.5 Personaleinsatz und -aufwand

Die Film- und Medienfestival GmbH beschäftigte seit ihrer Gründung - neben den Geschäftsführern und drei festen Mitarbeitern - auch Praktikanten, Volontäre, einige nur zeitweise beschäftigte freie Programmberater und sonstige freie Mitarbeiter. Ein Teil der freien Mitarbeiter rekrutiert sich aus dem Mitarbeiterstamm der Filmakademie.

Den Personalaufwand in den einzelnen Jahren zeigt Tabelle 4.

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In den Jahren 2001 bis 2005 entfielen durchschnittlich 37,4 % des Gesamtaufwands der Film- und Medienfestival GmbH auf Personalkosten. 36,6 % der Gesamterträge wurden durch Ausgaben für Personal aufgezehrt.

Daneben werden Leistungen externer Dienstleister (z. B. für Steuerberatung, Buchhaltung und Personalverwaltung sowie Fotografen, Designer usw.) in Anspruch genommen.

Die Gesellschaft sah sich mit dem Problem konfrontiert, dass bei einem an sich sinnvollen Einsatz von Praktikanten und Honorarkräften häufig Erfahrungswissen verloren geht und neue Kräfte immer wieder einen hohen Anlern- und Kontrollaufwand verursachen.

Der Rechnungshof empfiehlt dennoch, eine Personalaufstockung nur auf Grundlage von sorgfältigen Berechnungen und Bedarfsanalysen zuzulassen.

Dabei sind folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen:

  • Die Gesellschaft hat nur begrenzte Mittel zur Verfügung, die zum Teil von kurzfristigen Entscheidungen der Sponsoren und Zuschussgeber abhängig sind.

 

  • Unbefristete Beschäftigungsverhältnisse bei Geschäftsaktivitäten mit stark schwankendem Arbeitsanfall sollten nur in geringem Umfang eingegangen, die Belastungsspitzen vielmehr durch saisonale Kräfte abgedeckt werden.

 

  • Die personalintensive Abwicklung der fmx gehört künftig nicht mehr zum Aufgabengebiet der Gesellschaft.

4.6 Vermeidbare Mietkosten

Die Film- und Medienfestival GmbH war nach ihrer Gründung für die Dauer von vier Monaten in den bisher vom Verein Internationales Trickfilm-Festival Stuttgart e. V. genutzten Räumen im Kulturpark Berg in der Teckstraße untergebracht. Ab Mai 2001 mietete sie Räume im Stuttgarter Bosch-Areal an. Dadurch wollte man die Gesellschaft in unmittelbarer Nähe zu den Veranstaltungsorten der Festivals und der fmx ansiedeln. Die angemieteten Flächen in einer Größenordnung von 377 m² waren jedoch - gemessen an dem eigentlichen Raumbedarf - deutlich überdimensioniert. Durch eine Untervermietung versuchte die Gesellschaft eine Kostenentlastung zu erreichen.

Tabelle 5 gibt einen Überblick über die Entwicklung der Mietkosten.

2007-B20-Tab5.jpg

Die Anmietung größerer Flächen als zunächst benötigt verursachte hohe Kosten, die auch zu der finanziell schwierigen Lage der Gesellschaft beitrugen. Zwar konnte mit der Untervermietung an ein privates Unternehmen ab Ende 2001 und ab dem Jahr 2004 an die Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg mbH eine Kostenreduzierung erzielt werden, die Anmietung im Bosch-Areal war aber insgesamt betrachtet zu teuer. Nach intensiver Diskussion bezog die Film- und Medienfestival GmbH ab Juli 2005 in der Schlossstraße neue Räume. Es wurden rd. 100 m² weniger als im Bosch-Areal, zudem zu erheblich günstigeren Konditionen angemietet. Die Gesamtersparnis liegt immerhin bei jährlich rd. 22.000 €.

Auch wenn dem Staatsministerium die Unterbringung der Gesellschaft im Bosch-Areal wegen ihrer Nähe zur Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg mbH und zum Veranstaltungsort der Festivals sinnvoll erschien, außerdem Interessen des Vermieters zu berücksichtigen waren, so ändert das nichts daran, dass die Raumkapazitäten einschließlich der Miethöhe unter Sparsamkeitsgesichtspunkten besser und bedarfsgerechter hätten ausgehandelt werden müssen. Immerhin trat als Mieterin eine von Land und Kommunen getragene GmbH auf, deren Zahlungsfähigkeit trotz Phasen finanzieller Schwächen letztlich immer durch die öffentlichen Kapitaleigner garantiert werden konnte. Auch diese, für einen Vermieter nicht unerhebliche Vorteile, hätten bei Anmietung stärkere Beachtung finden müssen.

4.7 Erfolgsmessung bei den Veranstaltungen

Die Zielbeschreibungen für die einzelnen Veranstaltungen (Internationales Trickfilm-Festival, Filmfest Stuttgart-Ludwigsburg Cinema Europa, Filmfest Stuttgart-Ludwigsburg - Europäischer Kurzfilm und fmx) waren sehr weit gefasst und für eine Evaluation nur bedingt geeignet. Zielvorgaben, wie etwa Besucheraufkommen oder Kartenverkäufe, spielten in den Diskussionen der Gremien - wenn überhaupt - nur eine untergeordnete Rolle.

Der Rechnungshof verkennt nicht, dass eine Erfolgmessung bei den kulturellen Angeboten der Film- und Medienfestival GmbH, die nicht in erster Linie auf die Erzielung hoher Umsätze ausgerichtet sind, durchaus schwierig sein dürfte. Jedoch darf nicht gänzlich auf eine Evaluierung der einzelnen Veranstaltungen verzichtet werden. Nichtmonetäre Faktoren, wie beispielsweise Wahrnehmung in der Fachpresse oder Werbewirkung für den Standort, sind als durchaus wichtige Erfolgsfaktoren zu dokumentieren, dürfen jedoch nicht als alleinige Faktoren einer Evaluierung zugrunde gelegt werden. Insbesondere Kennzahlen, wie die Anzahl der Besucher und der verkauften Karten, dürfen nicht außer Acht bleiben, vor allem wenn über die finanzielle Unterstützung der Gesellschaft entschieden werden muss. Dazu bedarf es jedoch statistischen Zahlenmaterials, das nicht nur auf Schätzungen beruht, sondern annähernd den Realitäten entspricht, d. h. den Besuch einer Veranstaltung auch einigermaßen verlässlich abbildet.

Bei den Veranstaltungen, die in Beziehung zur Filmakademie stehen, sollten auch für sie wichtige Faktoren (Teilnahme von Studenten an Wettbewerben und Workshops, Besucherzahlen bezogen auf Studenten usw.) festgehalten werden.

5 Stellungnahme des Ministeriums und Replik

Das Staatsministerium, das die Landesbeteiligung initiierte und federführend verwaltet, hat zu den vom Rechnungshof genannten Ursachen der finanziellen Schwierigkeiten Stellung genommen.

5.1 Gründungsmängel und ihre Folgen

Es macht geltend, dass die bis zum Zeitpunkt der Gründung der Gesellschaft maßgeblich von der Filmakademie und ihrem damaligen Leiter mitgestalteten Festivals dringend einer neuen Trägerschaft bedurften. Die durch die Veranstaltungen teilweise verursachten Beeinträchtigungen der Lehraufgaben der Filmakademie seien nicht länger vertretbar gewesen. Die Verlagerung auf die Film- und Medienfestival GmbH habe für mehr Transparenz und einen breiteren Kreis von Geldgebern gesorgt.

Der jährliche Aufwand des Landes für die Festivals sei in den Gründungsjahren durch das verstärkte finanzielle Engagement der beteiligten Städte und der Wirtschaftsregion geringer gewesen.

Das Staatsministerium hat ferner eingeräumt, dass es im Jahr 2004 durch die überhöhte Zuordnung von Gemeinkosten der Film- und Medienfestival GmbH auf die „Kostenstelle fmx“ in erheblichem Maße zur Sanierung der Gesellschaft beigetragen habe.

5.2 Keine aussagekräftigen Ergebnisse der Veranstaltungen

Das Staatsministerium ist der Auffassung, dass der finanzielle Rahmen aller Veranstaltungen aufgrund von Erfahrungswerten sorgfältig ermittelt und damit klare Kostenvorgaben gemacht worden seien. Auch seien das Internationale Trickfilm-Festival, das Filmfest Stuttgart-Ludwigsburg Europäischer Kurzfilm und die fmx zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgreich positioniert gewesen.

Generell wendet sich das Staatsministerium aber nicht gegen die Forderung nach Kostentransparenz, weist jedoch auf die Schwierigkeiten und den enormen Verwaltungsaufwand hin, der sich nach seiner Auffassung bei einer exakten Erfassung und internen Verrechnung der Personal- und Infrastrukturkosten ergäbe. Das Staatsministerium hat aber im Aufsichtsrat der Film- und Medienfestival GmbH den Vorschlag durchgesetzt, künftig unabhängig vom Wirtschaftsplan eine Gesamtkostenrechnung für jedes einzelne Festival aufzustellen, um eine bessere Evaluation jeder Veranstaltung zu ermöglichen.

Die Initiative des Staatsministeriums geht in die richtige Richtung. Der Rechnungshof geht davon aus, dass eine einfache, aber nachvollziehbare Spartenrechnung aufgebaut wird. Die Film- und Medienfestival GmbH sollte belastbare Daten zur Finanzierungsstruktur, zum Personalaufwand sowie zu den Besucherzahlen erheben und zusammen mit den Ergebnissen der einzelnen Veranstaltungen darstellen.

5.3 Besetzung der Geschäftsführung

Das Staatsministerium ist der Auffassung, dass es aufgrund der Qualitäten und Erfahrungen des ehemaligen Leiters der Filmakademie keine personellen Alternativen gegeben habe, vielmehr wären das Internationale Trickfilm-Festival und das Filmfest Stuttgart-Ludwigsburg - Europäischer Kurzfilm ohne dessen Einbindung gefährdet gewesen.

Dem ist jedoch Folgendes entgegenzuhalten:

Zum einen ist es den beiden Geschäftsführern gerade nicht gelungen, die Gesellschaft und ihre Aktivitäten in einem finanziell noch tolerierbaren Rahmen zu betreiben. Zum anderen musste die Film- und Medienfestival GmbH nach dem frühzeitigen Ausscheiden des künstlerischen Geschäftsführers zum 31.03.2003 mit neuer Leitung fortbestehen. Eine andere Besetzung der Leitungsfunktionen von Anfang an hätte durchaus auch die Chance eröffnet, die Film- und Medienfestival GmbH mit neuen Ideen zu erfüllen oder Schwachstellen in der Konzeption der Veranstaltungen aufzudecken. Unabhängig davon hätte der ehemalige Leiter der Filmakademie - dessen Verdienste bei der Filmakademie unbestritten sind - durchaus noch der Gesellschaft beratend zur Seite stehen können.

Zumindest hätten bei der Besetzung des künstlerischen Geschäftsführers, etwa mithilfe einer Ausschreibung, Alternativen in Erwägung gezogen werden sollen.

Die Ausstattung der Gesellschaft mit zwei vollbeschäftigten Geschäftsführern war in den Anfangsjahren bis 2003 sehr kostenintensiv. In der Zeit vom April 2003 bis September 2005 übernahm die Geschäftsführerin der Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg mbH gegen eine geringe Vergütung die künstlerische Leitung. Mit Unterstützung der Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg mbH, der Filmakademie und des Staatsministeriums gelang es, den Betrieb bis zur grundlegenden Sanierung der Gesellschaft fortzuführen. Ab November 2005 wurden zwei Geschäftsführer in Teilzeitbeschäftigung (50 %/60 %) angestellt, deren Arbeitskapazitäten zur Führung der Gesellschaft nach Erkenntnissen des Rechnungshofs ausreichend sind.

5.4 Personaleinsatz und -aufwand

Das Staatsministerium teilt im Grundsatz die Empfehlung, die Gesellschaft mit einer restriktiven Personalausstattung zu betreiben.

6 Schlussbemerkung und Ausblick

6.1 Film- und Medienfestival GmbH

Trotz der finanziellen Neuausrichtung bleiben die Unternehmungen der Film- und Medienfestival GmbH risikobehaftet.

Voraussetzung für eine Verminderung der finanziellen Risiken sind die Akquisition von Sponsorengeldern sowie Kostentransparenz und Kostenkontrolle; gestalterische und künstlerische Ambitionen müssen hiergegen zurücktreten. Die jährlichen Finanzierungsbeiträge der Gesellschafter, die sich seit dem Jahr 2006 auf 867.000 € belaufen, lassen sich auch bei drohenden Verlusten nicht beliebig erhöhen.

Es mag zwar richtig sein, dass durch die Gründung der Gesellschaft und die Übernahme der Veranstaltungen der ursprünglich höhere Zuschussbedarf zunächst vermindert wurde. Das änderte jedoch nichts an der Notwendigkeit, den unter dem Dach der Film- und Medienfestival GmbH geplanten Aktivitäten unter Kostengesichtspunkten mehr kritische Aufmerksamkeit zu widmen. In der neuen Gesellschaft fielen die Bündelung und das Risiko von vier Veranstaltungen in einer Organisation zusammen. Dies hätte eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Frage erfordert, mit welchem finanziellen Aufwand eine dauerhaft erfolgreiche Positionierung der einzelnen Angebote der Gesellschaft innerhalb der nationalen und europäischen Konkurrenzangebote zu erreichen war.

Das Land hat durch den überhöhten Projektzuschuss für die fmx im Jahr 2004 Verluste der Veranstaltungen ausgeglichen, die ursächlich für die kommunale Beteiligung waren (Filmfest Stuttgart-Ludwigsburg Cinema Europa und Filmfest Stuttgart-Ludwigsburg - Europäischer Kurzfilm). Die beiden Städte haben damals nicht im gleichen Umfang zur Deckung der Verluste beigetragen. Folgerichtig - aber auch wegen der hinzugekommenen Aufgaben der Film- und Medienfestival GmbH (Wirtschaftsfilmpreis, DOKVILLE) - wurde im Jahr 2006 die Erhöhung der Gesellschafterbeiträge ausschließlich von den anderen Gesellschaftern getragen.

Die Beschäftigung mit der Gesellschaft sowie die Bereinigung finanzieller und personeller Probleme verursachte eine hohe zeitliche Belastung der Mitarbeiter des Staatsministeriums, weil dort Aufgaben übernommen wurden - so die Erstellung oder Überarbeitung von Haushaltsplänen, Quartalsberichten, Konzepten usw. -, die üblicherweise der Geschäftsführung der Gesellschaft obliegen. Die zum 01.01.2006 beschlossene Neuordnung der Gesellschaftsverhältnisse muss jetzt dazu führen, dass sich das Staatsministerium der Wahrnehmung der operativen Aufgaben bei der Gesellschaft entledigt und sich auf seine mittelbaren Gesellschafterfunktionen zurückzieht.

6.2 Ausblick fmx - Film- und Medienbörse Stuttgart

Seit dem Jahr 2006 wird die fmx wieder von der Filmakademie veranstaltet. Verantwortlich ist das dortige Institut für Animation, Visual Effects und Digitale Postproduktion, dessen Leiter nach Auffassung des Staatsministeriums in der Lage ist, die Veranstaltung weiter voranzubringen. Das Staatsministerium erhöhte in diesem Zusammenhang den Zuschuss des Landes von zuletzt 90.000 € auf nunmehr 360.000 €, mithin um 270.000 €. Weitere nicht unerhebliche Mittel für die fmx kommen von der Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg mbH, die hierfür ebenfalls Mittel vom Land erhält. Mit dem Übergang erfolgte beim Institut eine projektbezogene Personalausweitung um 5,5 Stellen, die Kosten von voraussichtlich rd. 270.000 € verursachen. Dadurch wird die Zuschusserhöhung weitgehend aufgezehrt. Soweit die Kosten durch zusätzliche Eigeneinnahmen im Rahmen der Kongressveranstaltung dauerhaft gedeckt werden könnten, wäre der Personalzuwachs unproblematisch.

So aber besteht die Gefahr, dass schwer kündbare Beschäftigungsverhältnisse eingegangen werden, die bei einem Scheitern des Ausbaus der fmx durch öffentliche Mittel finanziert werden müssen. Die ohnehin erkennbare Entwicklung, die ursprüngliche Anschubfinanzierung der fmx in eine Dauersubventionierung münden zu lassen, wird dadurch noch forciert. Eine in den kommenden Jahren eventuell aus haushaltsrechtlichen Gründen notwendige Minderung des Zuschusses wird erschwert.

Umso wichtiger ist es, dass die Ergebnisse der fmx transparent in einer Kostenstellenrechnung dokumentiert werden, in der sich auch die internen zusätzlichen Leistungen der Filmakademie bzw. des Instituts für Animation, Visual Effects und Digitale Postproduktion an die fmx (z. B. personeller Einsatz von Institutsangehörigen) nachvollziehen lassen.

Das Staatsministerium weist darauf hin, dass die zusätzlichen Mitarbeiter, welche die Filmakademie zur Durchführung der fmx 2006 rekrutiert hatte, nur mit befristeten Arbeitsverträgen ausgestattet waren. Dies sollte auch in Zukunft so gehandhabt werden.


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Die Hafenverwaltung Kehl sollte nicht weiter als Körperschaft des öffentlichen Rechts geführt, sondern in eine GmbH umgewandelt werden. Ein zumindest teilweiser Rückzug des Landes aus dieser GmbH zugunsten der Kommune und von Privaten ist anzustreben.


1 Allgemeines

1.1 Der Rheinhafen Kehl

Der Rheinhafen Kehl wurde in den Jahren 1887 bis 1900 von der Badischen Eisenbahnverwaltung erbaut. Die damals geschaffene Infrastruktur des Hafens (Hafenbecken mit Kais, Gleisanlagen, Straßen) wird im Wesentlichen auch heute noch genutzt.

Der Hafen hat eine Gesamtfläche von 316 Hektar. Hiervon stehen 82 % im Eigentum des Landes. Die übrige Fläche ist weitgehend in privater Hand.

1.2 Das Kehler Hafenabkommen und die Hafenverwaltung Kehl

Nach dem Zweiten Weltkrieg schlossen das damalige Land Baden und die Republik Frankreich das - bis zum Inkrafttreten einer Friedensregelung befristete - Kehler Hafenabkommen. Dieses legte fest, dass die Verwaltung des Rheinhafens Kehl einer Körperschaft des öffentlichen Rechts übertragen wird und der Badische Staat dieser Körperschaft den Hafen insgesamt (einschließlich Grundstücke, Gebäude und Betriebsvorrichtungen) verpachtet. Dem entsprechend errichtete das Land Baden die Hafenverwaltung Kehl als Körperschaft des öffentlichen Rechts und verpachtete ihr den Hafen. In der Satzung dieser Körperschaft wurde festgelegt, dass ihr Verwaltungsrat paritätisch mit fünf deutschen und fünf französischen Vertretern zu besetzen ist.

Aufgabe der Hafenverwaltung Kehl ist der Betrieb des ihr vom Land pachtweise überlassenen Rheinhafens in seinem gesamten Spektrum.

Im Zusammenhang mit der deutschen Wiedervereinigung schlossen das Land und Frankreich 1992 ein neues Abkommen betreffend die Zusammenarbeit zwischen den Hafenverwaltungen von Kehl und Straßburg ab. Dieses legt im Wesentlichen nur noch fest, dass die französische Seite nunmehr drei Vertreter in den weiterhin zehnköpfigen Verwaltungsrat der Hafenverwaltung Kehl entsendet und im Gegenzug die bisher nicht im Verwaltungsrat des Port Autonome de Strasbourg vertretene deutsche Seite drei Vertreter dorthin entsendet.

Mit der Einrichtung des Landesbetriebs „Staatlicher Verpachtungsbetrieb“ zum 01.01.1995 ging der vom Land an die Hafenverwaltung verpachtete Hafen auf diesen Landesbetrieb über. Wirkungen nach außen entfalteten sich hierdurch nicht, interne Wirkungen sind formaler Art. Wirtschaftliche Bedeutung hatte diese Änderung aber wegen damit verbundener steuerlicher Vorteile für das Land.

Zahlreiche Einzelfeststellungen des Rechnungshofs begründen Zweifel an der unternehmerischen Konzeption der Hafenverwaltung Kehl und geben Anlass, eine Neustrukturierung zu empfehlen.

2 Hafenbetriebe als Landesaufgabe

2.1 Prüfungen des Rechnungshofs bei Hafenunternehmen

Bei der Erörterung der Denkschrift 1996, Nr. 13, hatte sich der Landtag bezüglich einer zu zwei Dritteln dem Land gehörenden Hafengesellschaft (Rheinhafengesellschaft Weil am Rhein mbH) für eine Beendigung des Landesengagements ausgesprochen. Daraufhin hat das Land seine Geschäftsanteile an dieser Hafengesellschaft veräußert. Dagegen ist der Landtag der Empfehlung des Rechnungshofs in der Denkschrift 2004, Nr. 13, nicht gefolgt, ein anderes, zu 100 % dem Land gehörendes Hafenunternehmen (Staatliche Rhein-Neckar-Hafengesellschaft Mannheim mbH) zumindest teilweise zu privatisieren bzw. kommunalisieren. Der Rechnungshof hat sich bei der Hafenverwaltung Kehl erneut mit dem Thema „Landesaufgabe/Privatisierung bzw. Kommunalisierung“ befasst.

2.2 Landesengagement und Rechtsform des Unternehmens

Das Engagement des Landes im Rheinhafen Kehl ist historisch gewachsen und gründet nicht in einer erkennbar auf den Landesbereich ausgerichteten Strategie, wie sie bei jüngeren Beteiligungsengagements des Landes im Regelfall erkennbar ist. Als Folge des Kehler Hafenabkommens wird dieses Engagement auch derzeit noch zum einen durch die Hafenverwaltung als Körperschaft des öffentlichen Rechts erbracht, zum anderen durch das Land bzw. den Staatlichen Verpachtungsbetrieb als Verpächter des Hafens.

Während der Geltungsdauer des Kehler Hafenabkommens war das Land zu seinem Engagement im Rheinhafen Kehl rechtlich verpflichtet. Mit der völkerrechtlichen Regelung durch den sogenannten Zwei-plus-Vier-Vertrag im Jahr 1990 fiel aber die Verpflichtung des Landes zum teils indirekten, teils direkten Engagement im Rheinhafen Kehl (Hafenverwaltung bzw. Hafenverpachtung) weg. Das Abkommen von 1992 betreffend die Zusammenarbeit zwischen den Hafenverwaltungen von Kehl und Straßburg geht zwar vom Status quo aus (Hafenverwaltung durch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts), legt aber nicht fest, dass der Status quo beizubehalten ist. Der Rheinhafen Kehl ist daher hinsichtlich der Fragestellungen „Landesaufgabe/Landesinteresse“ mit anderen Häfen im Land vergleichbar.

Die neun öffentlichen Binnenhäfen in Baden-Württemberg werden - mit Ausnahme der beiden landeseigenen Häfen in Kehl und Mannheim - von den jeweils ortsansässigen Kommunen betrieben, teilweise unter Beteiligung von Privatunternehmen. Das Engagement des Landes im Rheinhafen Kehl ist historisch gewachsen und nicht Ergebnis einer strategischen Landesplanung. Die Beteiligungsverhältnisse bei den anderen Häfen im Land (insbesondere die zu 100 % der jeweiligen Stadt gehörenden Häfen Karlsruhe, Heilbronn und Stuttgart) und in anderen Bundesländern zeigen, dass es unter strukturpolitischen Aspekten eines Engagements des Landes beim Betrieb eines Hafens nicht oder allenfalls in eingeschränktem Umfang bedarf. Bundesweit sind die Städte fast ausnahmslos an den Hafenbetrieben beteiligt, oft sogar als Alleingesellschafter.

Die Gründe, die bei anderen Häfen für ein kommunales Engagement maßgebend sein dürften, sprechen auch beim Rheinhafen Kehl für eine finanzielle Einbindung der Stadt. Der ausschließlich auf der Gemarkung der Stadt Kehl liegende Rheinhafen ist eine der großen Gewerbeflächen in der Stadt. Nicht zuletzt wegen der dort ansässigen mehr als 100 Betriebe mit fast 4.000 Arbeitsplätzen, das sind 29 % der gesamten Arbeitsplätze in Kehl, hat er für die Stadt große strukturelle Bedeutung. Hierfür sollte der Stadt Verantwortung übertragen werden, indem sie in möglichst großem Umfang in den Hafenbetrieb eingebunden wird.

2.3 Vorschlag einer Neuorganisation

Das Land ist nicht mehr rechtlich verpflichtet, sich in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts beim Betrieb des Rheinhafens Kehl zu engagieren. Andere überzeugende Gründe, die für die Beibehaltung dieser Rechtsform sprechen könnten, kann der Rechnungshof nicht erkennen.

Als erster Schritt hin auf das Ziel einer Einbindung der Stadt Kehl und eventuell auch privater Unternehmen sollte die Hafenverwaltung in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung umgewandelt werden. Sowohl der staatliche Hafen Mannheim als auch die städtischen Häfen Karlsruhe und Stuttgart werden als GmbH geführt (wie auch die meisten Häfen außerhalb Baden-Württembergs). Diese Rechtsform stünde einer weiteren oder sogar intensiveren Zusammenarbeit der Hafenverwaltung Kehl mit dem Port Autonome de Strasbourg nicht entgegen; in einer zunehmend global agierenden Wirtschaft sind internationale Kooperationen jeglicher Art eher die Regel als die Ausnahme.

Der Rechnungshof empfiehlt, dass sich das Land aus dem Unternehmen zurückzieht.

Zuvor sind allerdings die Rechtsbeziehungen zwischen der Hafenverwaltung Kehl und dem Land auf eine neue Basis zu stellen. Es muss sichergestellt sein, dass die Vermögensinteressen des Landes, insbesondere als Grundeigentümer bzw. als Verpächter des Hafens, nachhaltig gewahrt werden und die Funktion der Hafenverwaltung auf Dienstleistungs- und Servicefunktionen fokussiert wird.

Langfristig wird das Land auch über eine Veräußerung seines umfangreichen Grundbesitzes im Rheinhafen Kehl zu befinden haben. Dies entspräche auch der in der Gründung der Landesimmobiliengesellschaft Baden-Württemberg GmbH zum Ausdruck gekommenen Strategie des Landes, sich von seinen Immobilienbeständen zu trennen, soweit dies wirtschaftlich und für das Land vorteilhaft ist.

3 Wirtschaftliche Abhängigkeit von einem einzelnen Kunden

Mit einem im Hafengebiet ansässigen Produktionsunternehmen unterhält die Hafenverwaltung umfangreiche Geschäftsbeziehungen. Auf diesen Kunden entfallen

  • mehr als 20 % der Pachterlöse,
  • mehr als 70 % des Schiffsgüterumschlags und
  • fast 60 % der Gesamttonnagen des hafeneigenen Umschlag- und Lagereibetriebs.

Geschäftsbeziehungen mit einem Großkunden sind nicht per se negativ zu bewerten. Der Vorteil einer festen Geschäftsbeziehung zu einem Kunden - Sicherung einer gewissen Auslastungskonstanz - droht sich jedoch ins Gegenteil zu verkehren, wenn die Geschäftsbeziehung einen solchen Umfang angenommen hat, dass einer der Geschäftspartner ohne den anderen kaum mehr existieren kann. Der Rechnungshof sieht diese Gefahr für die Hafenverwaltung. Ihre Abhängigkeit von dem Großkunden hat ein solches Ausmaß, dass die Hafenverwaltung bei einem Ausfall des Kunden in ernsthafte wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten dürfte. Für die Hafenverwaltung - und damit für das Land - sollte dieses Risiko soweit wie möglich reduziert werden.

4 Strukturpolitische Aktivitäten der Hafenverwaltung

Mit einem Zuschuss von 1,1 Mio. € unterstützte die Hafenverwaltung im Jahr 2000 die Standortentscheidung eines Unternehmens zugunsten des Rheinhafens Kehl. Empfänger des Zuschusses war ein im Hafengebiet ansässiges Produktionsunternehmen, dem die Hafenverwaltung schon in früheren Jahren hohe Zuschüsse zu Baumaßnahmen gewährt hatte. Wie bei den früheren Zuschüssen ging es bei dem Zuschuss im Jahr 2000 um die Standortentscheidung für eine große Investition. In dieser Frage konkurrierte der Rheinhafen Kehl mit Standorten im Osten Europas.

Vor Gewährung des Zuschusses hatte die Hafenverwaltung eine Wirtschaftlichkeitsberechnung durchgeführt. Diese ergab eine Amortisation des Zuschusses in 10 bis 15 Jahren. Dennoch blieb für die Hafenverwaltung ein bestimmtes finanzielles Risiko, dem sie erklärtermaßen als nicht quantifizierbaren Nutzen

  • die zusätzliche Absicherung des Standorts und die Absicherung der bisherigen Erträge,
  • die wirtschaftlichen Vorteile Dritter in der Region (Bau, Zulieferer, Dienstleister) und
  • 130 zusätzliche Arbeitsplätze

entgegensetzte.

Die in der Wirtschaftlichkeitsberechnung angesetzten finanziellen Vorteile der Hafenverwaltung stehen nicht in wirtschaftlich vernünftiger Relation zu dem gewährten Zuschuss. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Hafenverwaltung insoweit nicht ausschließlich nach wirtschaftlichen Grundsätzen gehandelt, sondern vielmehr auch zugunsten der Stadt Kehl bzw. der dortigen Region Strukturpolitik betrieben hat. Hierfür spricht auch, dass die Hafenverwaltung bei ihrer Entscheidungsfindung erklärtermaßen gewichtige infrastrukturelle Aspekte (wirtschaftliche Vorteile für andere Unternehmen in der Region und zusätzliche Arbeitsplätze) einfließen ließ. Es ist nicht ihre Aufgabe, Zuschüsse an private Unternehmen aus strukturpolitischen Gründen auszureichen. Die Hafenverwaltung sollte Zuschüsse an die Privatwirtschaft nur dann gewähren, wenn dies eine kaufmännisch sinnvolle Maßnahme ist, d. h. zu entsprechenden - vertraglich abgesicherten - Erträgen führt, die ohne die Zuschussgewährung nicht erzielt werden könnten.

5 Unzureichende Nutzung von Marktchancen

Die Hafenverwaltung nutzt die ihr vom Staatlichen Verpachtungsbetrieb pachtweise überlassenen Landesgrundstücke im Hafen im Wesentlichen dadurch, dass sie die Flächen anderen Unternehmen im Wege eines Erbbaurechts oder mietweise zur Verfügung stellt. Dabei vereinbarte sie in den entsprechenden Verträgen ganz bewusst Erbbau- bzw. Mietzinsen, die um mehr als 30 % niedriger waren als ortsüblich. Hierzu erklärte sie dem Verwaltungsrat der Hafenverwaltung schon im Jahr 2000, dass bei den im Hafen geltenden Erbbau- und Mietzinsen „Reserven bestehen, die - falls erforderlich - ertragsverbessernd ausgeschöpft werden können“. Durch den Verzicht auf dieses Einnahmepotenzial sind der Hafenverwaltung seit langer Zeit jedes Jahr über eine halbe Million Euro Erträge entgangen.

Im Laufe der Prüfung forderte der Rechnungshof, das Einnahmepotenzial bei den Erbbau- und Mietzinsen möglichst bald und umfassend zu erschließen. Hierzu teilte das Finanzministerium mit, dass ab sofort (2006) beim Neuabschluss von Erbbau- und Mietverträgen ein um 55 % höherer Erbbau- bzw. Mietzins erhoben werde. Bei den bestehenden Verträgen werde - auch bedingt durch bestimmte Regelungen in den Erbbaurechtsverträgen - eine so radikale Anpassung aber nicht möglich sein. Daher sei beabsichtigt, in Verhandlungen mit den größeren Flächennutzern ein mehrstufiges Konzept zu erarbeiten, wonach die Erbbau- und Mietzinsen in den nächsten fünf bis sechs Jahren sukzessive auf den neuen Satz angehoben würden.

6 Personalkosten

Der Rechnungshof hat beanstandet, dass übertarifliche Zuschläge in Höhe von 40.000 € bis 50.000 € jährlich gezahlt worden sind.

Das Finanzministerium hat veranlasst, dass diese Zuschläge ab 01.01.2007 nicht mehr gezahlt werden.

7 Stellungnahme des Ministeriums und Schlussbemerkungen

7.1 Hafenbetriebe als Landesaufgabe

Laut Finanzministerium ist das Engagement des Landes im Hafen Kehl nicht einer historischen Reminiszenz geschuldet. Vielmehr werde der Hafen zur Förderung des Standorts Baden-Württemberg mit einer auf den Landesbereich ausgerichteten Strategie betrieben. Wie der Hafen Mannheim sei der Hafen Kehl eine multifunktionale Schnittstelle zwischen den Verkehrsträgern Schiene, Straße und Wasser. Auch andere Bundesländer seien an vielen dort gelegenen Häfen beteiligt.

Es treffe zwar zu, dass der Rheinhafen als Gewerbegebiet für die Stadt Kehl von großem Interesse sei. An der Hafenverwaltung wolle sich die Stadt jedoch nicht finanziell engagieren, da sich auch bei einer Beteiligung der Stadt an der für sie jetzt schon vorteilhaften wirtschaftlichen Situation nichts ändern werde.

Auch Privatunternehmen sollten nach Auffassung des Finanzministeriums nicht gesellschaftsrechtlich in den Hafenbetrieb eingebunden werden, da andernfalls die Funktion der Hafenverwaltung als neutrales Dienstleistungsunternehmen für die im Hafen tätigen Unternehmen gefährdet werde.

Da weder die Stadt Kehl noch Privatunternehmen gesellschaftsrechtlich in die Hafenverwaltung eingebunden werden sollten, mache eine Umwandlung der Körperschaft des öffentlichen Rechts in eine privatrechtlich organisierte Gesellschaft (GmbH) keinen Sinn. Im Übrigen lege die Verwaltung des Hafens Straßburg - obwohl dies im Hafenabkommen von 1992 keinen schriftlichen Niederschlag gefunden habe - Wert auf die öffentlich-rechtliche Organisationsstruktur der Hafenverwaltung Kehl.

Zu der Anregung des Rechnungshofs, wonach das Land langfristig auch über eine Veräußerung seines umfangreichen Grundbesitzes im Rheinhafen Kehl befinden solle, weist das Finanzministerium darauf hin, dass in diesem Fall künftig Landeszuschüsse für die Unterhaltung der Infrastruktur des Hafens erforderlich seien, ein Teil der Flächen (z. B. Straßen und Wasserflächen) ohnehin schwer oder gar nicht veräußerbar sei und schließlich beim Verkauf eines Großteils des Hafengebiets Ertragsteuerzahlungen in Millionenhöhe anfielen.

Der Rechnungshof bleibt bei seiner Auffassung. Es ist nicht erkennbar, weshalb der Rheinhafen Kehl stärker auf die Förderung des Standorts Baden-Württemberg ausgerichtet sein soll als andere bedeutende Häfen im Land, die ebenfalls multifunktionale Schnittstellen zwischen den Verkehrsträgern sind. So ist der Schiffsgüterumschlag z. B. im Hafen Heilbronn deutlich höher als im Rheinhafen Kehl und im Hafen Karlsruhe sogar mehr als doppelt so hoch, ohne dass das Land auch bezüglich dieser Häfen die Aufgabenträgerschaft für sich reklamiert hätte.

7.2 Wirtschaftliche Abhängigkeit von einem einzelnen Kunden

Auch das Finanzministerium sieht eine wirtschaftliche Abhängigkeit der Hafenverwaltung von dem Großkunden und die sich daraus ergebenden Gefahren. Hiervon seien aber nicht minder die Stadt Kehl, die Region und zahlreiche Zulieferbetriebe betroffen. Wirtschaftliche Abhängigkeit gebe es überall; den sich daraus ergebenden Gefahren könne nicht vorauseilend begegnet werden.

Der Rechnungshof hat dargelegt, dass auf der Hafenverwaltung - und damit auf dem Land - beträchtliche finanzielle Gefahren aus der Dominanz des Großkunden lasten. Diese Gefahren sollten reduziert werden.

7.3 Strukturpolitische Aktivitäten der Hafenverwaltung

Laut Finanzministerium war der Zuschuss an den Investor eine kaufmännisch sinnvolle Maßnahme. In der Frage der Wirtschaftlichkeit dürfe nicht allein auf die mit dem Investor getroffenen Vereinbarungen abgestellt werden. Der Investor habe sich nämlich den anderen Ertragspotenzialen der Hafenverwaltung gar nicht entziehen können, z. B. dem Ufergeld und der Gasversorgung. Im Übrigen sei es ein volkswirtschaftlicher Erfolg und damit erfreulicher Nebenaspekt, dass die zuschussgeförderte Maßnahme zusätzlichen Nutzen für die Stadt und die Region gebracht habe.

Der Rechnungshof hat dargelegt, dass in die Wirtschaftlichkeitsberechnung der Hafenverwaltung nur die vertraglich abgesicherten (Mehr)Erträge hätten einfließen sollen. Ansonsten beruht das Ergebnis eher auf dem Prinzip Hoffnung als auf belastbaren Zahlenangaben (dies zeigen die nicht erfüllten Hoffnungen der Hafenverwaltung auf eine Steigerung der Gaslieferungen an den Investor). Der Rechnungshof bleibt dabei, dass der gewährte Zuschuss einem kommunal- oder regionalpolitischen Interesse diente.

7.4 Unzureichende Nutzung von Marktchancen

Das Finanzministerium bestreitet nicht, dass der Hafenverwaltung seit langer Zeit durch nicht marktgerechte Erbbauzinsen jedes Jahr weit mehr als eine halbe Million Euro Erträge entgangen sind. Im Hinblick auf damalige Entwicklungen im Hafengebiet (vom Umschlaghafen hin zu einem Industriehafen; Erweiterung des Hafengebiets) sei es aber aus Akquisitionsgründen gewollt gewesen, dass die Erbbauzinsen weit unter dem Marktniveau lagen.

Der Rechnungshof sieht die genannten Gründe für den jahrelangen Verzicht auf Erträge von mehr als einer halben Million Euro jährlich als nicht überzeugend an. Diesbezüglich kann jedoch Weiteres dahingestellt bleiben, weil, wie erwähnt, auch nach Auffassung des Finanzministeriums dieses Einnahmepotenzial durchaus hätte erschlossen werden können. Gerade dies sei eben nicht gewollt gewesen. Wegen der Anpassungsregelungen in den Erbbaurechtsverträgen wird es bei der Hafenverwaltung auch noch in künftigen Jahren zu sehr hohen Ertragsausfällen kommen.


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Anhänge

Einzelplan 08: Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum

Im Geschäftsbereich des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum existiert eine kaum zu überschauende Vielzahl von Förderprogrammen. Die Förderlandschaft sollte künftig transparenter, effektiver und effizienter gestaltet werden. Hierzu kann eine systematische Zusammenführung und Neustrukturierung der Förderprogramme dienen, die auch den Verzicht auf kleinere Programme und auf Programme mit Zielkonflikten einschließt. Damit wird der Verwaltungsaufwand bei der Förderabwicklung und der Kontrolle spürbar verringert.


1 Ausgangslage

Der Rechnungshof veröffentlichte erstmals in seiner Denkschrift 1993, Nr. 6 „Vielfalt und finanzielle Auswirkung der Fördermaßnahmen im Bereich der Land- und Forstwirtschaft“ die Ergebnisse einer Prüfung des land- und forstwirtschaftlichen Förderwesens. Prüfungsziel war damals, Einsparmöglichkeiten aufzuzeigen. Durch eine Straffung des Förderwesens sollte der hohe Verwaltungsaufwand reduziert werden, der damals mit jährlich rd. 28 Mio. € ermittelt worden war.

Auch 14 Jahre nach der vorgenannten Prüfung gibt es im Geschäftsbereich des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum nach wie vor eine kaum zu überschauende Vielzahl von Förderprogrammen. Die einzelnen Maßnahmen überschneiden sich in vielerlei Hinsicht und weisen häufig eine ähnliche Zielsetzung aus. Daraus ergeben sich Probleme im Hinblick auf Transparenz, Kompatibilität und Überprüfbarkeit. Außerdem weist das Ministerium selbst immer wieder auf den hohen Aufwand für die Programmvorbereitung und das Genehmigungsverfahren bei der Europäischen Union (EU) hin, aber auch auf den enormen Verwaltungsaufwand, der für die Abwicklung und die stark formalisierte Kontrolle notwendig ist. Der Rechnungshof hat in seinen Prüfungen, beispielsweise bei der Prüfung des Marktentlastungs- und Kulturlandschaftsausgleichs (MEKA), festgestellt, dass Verwaltungsaufwand und Nutzen verschiedener Programme häufig in keinem angemessenen Verhältnis stehen.

Da sich die Förderlandschaft seit 1993 erheblich gewandelt hat, war das ursprüngliche Ziel der Prüfung, zunächst eine Bestandsaufnahme sämtlicher Förderrichtlinien (ohne EU-Direktzahlungen) im Bereich des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum durchzuführen, die Förderziele und -maßnahmen zu strukturieren sowie mögliche Zielkonflikte und Parallelförderungen zu identifizieren. In einem zweiten Schritt sollten dann die Verfahrensabläufe und die damit verbundenen Verwaltungskosten erfasst werden. Auf der Grundlage dieser gesammelten Informationen sollten schließlich Vorschläge für die Weiterentwicklung des Förderwesens im Geschäftsbereich des Ministeriums erarbeitet werden.

Zu Beginn der Prüfung sprachen sich die Vertreter des Ministeriums entschieden gegen eine Erhebung des Verwaltungsaufwands aus. Als Gründe nannten sie zum einen die immer noch hohe Arbeitsbelastung der Bediensteten als Folge der Agrarreform und der Verwaltungsstrukturreform, die beide zum 01.01.2005 in Kraft getreten waren, zum andern die Neustrukturierung des Förderwesens im Bereich des Ministeriums, die ab 2007 in Kraft treten solle. Der Rechnungshof entschied daraufhin, lediglich eine Ziel- und Maßnahmen-Analyse durchzuführen, aus prüfungsökonomischen Gründen zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch auf eine Erhebung des Verwaltungsaufwands zu verzichten.

Im Rahmen der Ziel- und Maßnahmenanalyse griff der Rechnungshof auf konkrete Daten und Beispiele aus früheren und parallel laufenden Prüfungen der Finanzkontrolle zurück. Des Weiteren wertete er die Ergebnisse des Updates der Halbzeitbewertung des Entwicklungsplans Ländlicher Raum (EPLR) Baden-Württemberg (Stand 12/2005) aus. Bei diesem Dokument handelt es sich um einen von externen Sachverständigen angefertigten Evaluierungsbericht, den das Ministerium aufgrund von Vorgaben der EU erstellen ließ.

2 Förderlandschaft

Zum Prüfungszeitpunkt regelten 41 Förderrichtlinien die Verteilung der Fördergelder; dazu kommen die beiden Förder- und Kofinanzierungsinstrumente der EU, Gemeinschaftsinitiative LEADER+ und die Strukturförderung nach Ziel 2. Im Jahr 2004 betrug das ausgezahlte Fördervolumen im Geschäftsbereich des Ministeriums rd. 400 Mio. €. Davon entfielen auf landwirtschaftliche Maßnahmen knapp 298 Mio. € und auf forstwirtschaftliche rd. 9 Mio. €. Mehr als 93 Mio. € - knapp ein Viertel des gesamten Fördervolumens - wurden für die Entwicklung des ländlichen Raums eingesetzt. Weitere 420 Mio. € werden jährlich von der EU als Direktzahlungen zur Verfügung gestellt. Hier handelt es sich um keine Zuwendungen, da die Landwirte voraussichtlich bis zum Ende der laufenden Planungsperiode 2013 einen Rechtsanspruch auf diese Zahlungen haben. Da es sich ausschließlich um EU-Mittel handelt, sind diese nicht Gegenstand der Prüfung des Rechnungshofs.

Von den insgesamt 41 Förderprogrammen sind 23 ausschließlich aus Landesmitteln finanziert; in Bezug auf das Finanzvolumen spielen die reinen Landesmaßnahmen jedoch nur eine untergeordnete Rolle. So entfielen im Jahr 2004 bei einem Gesamtfördervolumen von 400 Mio. € nur 43,7 Mio. € auf Maßnahmen, die ausschließlich aus Landesmitteln finanziert wurden; dies entspricht einem Anteil von knapp 11 %. Die übrigen 89 % werden von der EU und/oder vom Bund mitfinanziert (kofinanziert). Das Fördervolumen der kofinanzierten Maßnahmen betrug im Jahr 2004 356,3 Mio. €; die EU steuerte 129,8 Mio. € (36,4 %), der Bund 62,9 Mio. € (17,7 %) und das Land 163,6 Mio. € (45,9 %) zur Finanzierung dieser Subventionen bei. Insgesamt finanziert das Land 207,3 Mio. € oder 51,8 % des Fördervolumens des Ministeriums.

Die Gestaltung der Förderprogramme liegt grundsätzlich in der Verantwortung des Landes. Bei den kofinanzierten Programmen muss das Land allerdings die Ziele, Schwerpunkte und Begrenzungen der EU bzw. des Bundes beachten. Die sehr unterschiedliche Ausgestaltung der landwirtschaftlichen Förderprogramme in den einzelnen Bundesländern zeigt aber auch, wie groß deren Gestaltungsspielraum ist. Das Land ist nicht verpflichtet, die von der EU bzw. dem Bund angebotenen Fördermöglichkeiten umzusetzen. Politik des Landes war jedoch bisher stets, sämtliche Kofinanzierungsmöglichkeiten voll auszuschöpfen. Eine Konsequenz daraus war, dass das Land die erforderlichen Komplementärmittel in Höhe von etwa 160 Mio. € jährlich bereitstellte.

Die erklärte Absicht des Ministeriums, die Förderprogramme auf das Mindestmaß zu reduzieren, ist bis heute nicht realisiert. Eine kritische Überprüfung aller derzeit gültigen Förderprogramme sowohl im Hinblick auf Notwendigkeit, Umfang und Ausgestaltung als auch hinsichtlich der Überschaubarkeit des Förderwesens ist daher dringend notwendig. Durch die nachfolgend beschriebene Ziel- und Maßnahmenanalyse soll die Programmgestaltung durch das Land näher untersucht werden. Die meisten Förderprogramme verfolgen mehrere Ziele. Dies gilt vor allem für die Förderprogramme (z. B. MEKA), in denen eine Vielzahl von Fördertatbeständen und Fördermaßnahmen integriert ist. Zur Analyse der Ziele und Maßnahmen der Förderprogramme fasste der Rechnungshof auf der Grundlage der politischen Ziele der Landesregierung zunächst die in dem Beitrag thematisierten sechs Zielbereiche zusammen; diesen wurden dann die einzelnen Förderprogramme zugeordnet (siehe die folgende Abbildung). Zwei weitere Zielbereiche wurden aus Vereinfachungsgründen nicht aufgegriffen; auf eine Darstellung wird deshalb verzichtet.

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Innerhalb der genannten Zielbereiche untersuchte der Rechnungshof, ob Parallelförderungen bzw. Förderüberschneidungen möglich sind oder ob bei den Förderprogrammen Zielkonflikte vorliegen und deshalb auf einzelne Förderprogramme oder Maßnahmen völlig verzichtet bzw. ob die Zahl der Fördertatbestände durch die Zusammenfassung von Fördermaßnahmen reduziert werden kann.

3 Vorschläge für die Weiterentwicklung der Förderlandschaft

Nachfolgend werden die Fördermaßnahmen der verschiedenen Zielbereiche analysiert und darauf aufbauend Vorschläge erarbeitet.

3.1 Förderung von Investitionen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe

Investitionen in der Landwirtschaft werden hauptsächlich über das Agrarinvestitionsförderungsprogramm (AFP) gefördert. Mit diesem Programm, das über die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) finanziert wird, soll insbesondere die Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe gefördert werden. Daneben wurden auch die Ziele Umwelt- und Tierschutz sowie Nachhaltigkeit in das Programm aufgenommen.

Beispielsweise werden über das AFP Motormäher und Weidezäune mit dem Ziel „Pflege und Offenhaltung der Landschaft“ gefördert. Dieses Ziel wird jedoch überwiegend über Flächenförderungen durch die Programme MEKA, Ausgleichszulage Landwirtschaft (AZL) und auch über Landschaftspflegeverträge nach der Landschaftspflegerichtlinie (LPR) verfolgt. Hier gibt es also Überschneidungen zwischen verschiedenen Programmen, die dadurch noch verstärkt werden, dass Investitionen auch im Rahmen der LPR gefördert werden können, sofern bei der Investition Naturschutzaspekte bedeutend sind.

Bei der Förderung von Motormähern und Weidezäunen handelt es sich im Allgemeinen um kleine Investitionen; die gewährten Zuwendungen betragen vielfach deutlich weniger als 1.000 €, die als Einmalzahlung für die landwirtschaftlichen Betriebe unbedeutend sind; die Förderung wird mitgenommen, wirkt aber nicht als Impuls. Von entscheidender Bedeutung für die nachhaltige Bewirtschaftung, Pflege, Offenhaltung und Weiterentwicklung von Flächen sind dagegen die jährlichen Zahlungen über die Programme MEKA, AZL und LPR. Der Rechnungshof empfiehlt daher, das Ziel „Pflege und Offenhaltung der Landschaft“ künftig ausschließlich über die Programme der Flächenförderung zu verfolgen. Dadurch könnte auch der Verwaltungs- und Kontrollaufwand reduziert werden.

Das Ministerium hat in seinem jüngsten AFP-Richtlinienentwurf entsprechend den Vorschlägen des Rechnungshofs auf die Förderung von Weidezäunen und Motormähern verzichtet. Investitionen nach der LPR will das Ministerium allerdings weiterhin fördern. Die LPR soll dort angewandt werden, wo Naturschutzaspekte noch stärker im Vordergrund stehen als bei dem Agrarumweltprogramm MEKA.

Der LPR-Ansatz geht davon aus, dass die Pflege und Offenhaltung solcher Flächen am kostengünstigsten durch landwirtschaftliche Bewirtschaftung erfolgen kann. Nach diesem Konzept sollen Betriebe, die solche naturschutzrelevanten Flächen bewirtschaften, auch bei ihren Investitionen in besonderem Maße gefördert werden; zusätzlich sollen ihre Abnehmer bei Investitionen verstärkt gefördert werden.

Die Argumentation des Ministeriums, dass die Pflege solcher Flächen am wirtschaftlichsten durch landwirtschaftliche Betriebe erfolgen kann, ist zutreffend. Bei einer ausreichenden Flächenprämie hält der Rechnungshof eine (zusätzliche) Investitionsförderung jedoch weder für landwirtschaftliche Betriebe noch für Vermarktungs- und Verarbeitungseinrichtungen für erforderlich.

Bei einer früheren Prüfung hatte der Rechnungshof festgestellt, dass die Förderung, die nicht direkt auf die Pflege der Fläche abzielt, wenig effizient ist. Er hält deshalb die Investitionsförderung im Rahmen der LPR allenfalls in Ausnahmefällen für gerechtfertigt, beispielsweise wenn ein Naturschutzverband die Pflege naturschutzwichtiger Flächen übernimmt und ein einmaliger Zuschuss für die Beschaffung eines Motormähers für das Land kostengünstiger ist, als jährlich eine Flächenförderung zu gewähren. Landwirte und Vermarktungsunternehmen sollten dagegen keine Investitionsförderung über die LPR erhalten.

3.2 Pflege der Kulturlandschaft, des Naturschutzes und der Landschaftspflege

3.2.1 Förderung nach Marktentlastungs- und Kulturlandschaftsausgleich und Landschaftspflegerichtlinie

Zur Erhaltung und Pflege der Kulturlandschaft haben die Fördermaßnahmen der landwirtschaftlichen Programme MEKA, meist in Kombination mit AZL, grundsätzlich Vorrang. Die Förderung von Maßnahmen der Landschaftspflege nach der LPR durch den Abschluss von Pflege- und Extensivierungsverträgen ist demgegenüber subsidiär und soll nur dann zum Tragen kommen, wenn spezifische Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Vordergrund stehen und diese Ziele durch die Agrarprogramme bzw. Agrarumweltprogramme (AZL und vor allem MEKA) nicht erreicht werden können. In den Förderrichtlinien zum MEKA und zur LPR ist daher ein gegenseitiger Förderausschluss enthalten.

Die frühere Prüfung von MEKA hat allerdings gezeigt, dass in ein und demselben Flora-Fauna-Habitat-Gebiet (FFH-Gebiet) für manche Flächen LPR-Verträge abgeschlossen worden sind, während auf anderen Flächen die extensive Bewirtschaftung über MEKA gefördert wird. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit sollte eine extensive Bewirtschaftung auch in FFH-Gebieten vorrangig über MEKA-Förderungen angestrebt werden. Nur wenn die Naturschutzziele auf diesem Wege nicht erreicht werden können, sollten LPR-Verträge abgeschlossen werden.

3.2.2 Förderung nach Ausgleichszulage Landwirtschaft und Landschaftspflegerichtlinie auf gleicher Fläche

Die LPR unterscheidet zwischen Extensivierungs- und Pflegeverträgen. Während bei Extensivierungsverträgen die landwirtschaftliche Nutzung stärker im Vordergrund steht, ist diese auf Flächen mit Pflegeverträgen nur noch von untergeordneter Bedeutung, oder sie findet überhaupt nicht mehr statt. Zu beachten ist allerdings, dass auf landwirtschaftlich genutzten Flächen in der Regel Zahlungsansprüche auf EU-Direktzahlungen bestehen, auch wenn ein

LPR-Vertrag für diese Fläche abgeschlossen wurde. In benachteiligten Gebieten wird auf diesen Flächen außerdem eine Zuwendung nach der AZL-Richtlinie gewährt. Diese Zahlungen sind bei der Festlegung der Höhe eines LPR-Vertrags zu berücksichtigen.

Der Rechnungshof hatte bereits in einer früheren Prüfung gefordert, dass für Flächen mit LPR-Vertrag keine AZL-Zahlungen gewährt werden sollten. Die Begründung hierfür war, dass die Zahlungen nach der LPR auskömmlich kalkuliert sind. Wenn nun in benachteiligten Gebieten die beiden Fördermaßnahmen (LPR und AZL) kumuliert werden, stellen sich die Landwirte in benachteiligten Gebieten am Ende sogar besser als ihre Kollegen in den nicht benachteiligten Gebieten. Die Berücksichtigung der AZL bei der Festsetzung der LPR-Vergütung gestaltet sich wegen der örtlich unterschiedlichen Prämienhöhe sehr verwaltungsaufwendig. Vor diesem Hintergrund sollte die AZL grundsätzlich nicht auf Flächen mit LPR-Verträgen gewährt werden.

Die gleichzeitige Gewährung von AZL und LPR auf landwirtschaftlichen Flächen bringt auch Probleme bei der Umsetzung. Bei Pflegeverträgen nach der LPR darf nämlich nur dann gleichzeitig eine AZL gewährt werden, wenn der Aufwuchs landwirtschaftlich genutzt wird. Dies muss sowohl vertraglich fixiert sein als auch im Vollzug nach dem integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem der EU (InVeKoS) kontrolliert werden. Eine parallel laufende Prüfung des Rechnungshofs zur AZL hat gezeigt, dass hier die individuelle Auslegung des Sachbearbeiters der Unteren Landwirtschaftsbehörde eine große Rolle spielt. Die Umsetzung ist nicht einheitlich und verursacht unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand. Außerdem unterliegt das Land im Hinblick auf die Kontrolle der bisherigen Regelungen einem nicht unerheblichen Anlastungsrisiko durch die EU.

3.2.3 Förderung von Flächen in Steillagen

Die Förderung von Flächen in Steillagen ist sowohl über den MEKA als auch über die AZL möglich, wobei sich sowohl die Fördervoraussetzungen in Bezug auf die Mindesthangneigung als auch die Fördersätze deutlich unterscheiden. Während im MEKA bereits ab einer Hangneigung von 25 % der Fördertatbestand Steillage gefördert wird, ist dies bei der AZL-Förderung erst ab einer Hangneigung von 50 %, der sog. Handarbeitsstufe, möglich. Der Rechnungshof hat bei einer Prüfung der AZL festgestellt, dass die Handarbeitsstufe sowohl für die Verwaltung als auch für den Antragsteller ein erhebliches Problem ist und dass sich daraus für das Land ein Anlastungsrisiko ergibt.

Die Flächen der Handarbeitsstufe wurden von der Verwaltung in der DV hinterlegt; dem Antragsteller sind sie jedoch nicht bekannt, da er sie weder dem Flurstücksverzeichnis noch dem von der Verwaltung zur Verfügung gestellten Kartensatz entnehmen kann. Da der Antragsteller selbst nicht wissen kann, welche Flächen das Kriterium Handarbeitsstufe erfüllen, muss er bei Beantragung dieser Zuwendung lediglich durch Ankreuzen kenntlich machen, dass er die AZL beantragt; alles Weitere erfolgt auf der Grundlage der elektronisch hinterlegten Gebietskulisse.

Wenn nun im Rahmen einer Vor-Ort-Kontrolle Korrekturen an den Flächen erforderlich werden, wird der Antragsteller sanktioniert, obwohl er nicht verantwortlich für fehlerhafte Flächenangaben ist. Hinzu kommt, dass unter den meist schwierigen topografischen Verhältnissen der Handarbeitsstufe eine exakte Abgrenzung nach der Hangneigung sehr schwierig ist und deshalb bei Nachmessungen meist Abweichungen festgestellt werden. Die geprüften Ämter waren deshalb gezwungen, einen unverhältnismäßig hohen Personaleinsatz für die Festlegung und Korrektur der Flächen der Handarbeitsstufe zu erbringen.

Gleichzeitig lag der Fördersatz zum Erhebungszeitpunkt mit 200 €/ha nur um 22 €/ha höher als der übliche Fördersatz im Berggebiet. Der unverhältnismäßig hohe Verwaltungsaufwand, das Anlastungsrisiko durch die EU-Kommission und die Rechtsunsicherheit der Antragsteller sind Gründe, die eine rasche Änderung des Systems erfordern. Die Förderung der Flächen der Handarbeitsstufe sollte sich nicht mehr an der Hangneigung orientieren, sondern an anderen Kriterien. Beispielsweise werden in Bayern und Österreich die als Berggebiete ausgewiesenen Flächen automatisch als Handarbeitsstufe gefördert. Eine ähnliche Regelung käme auch der vom Rechnungshof für notwendig erachtete Konzentration der Mittel auf die stärker benachteiligten Gebiete entgegen und würde den Verwaltungs- und Kontrollaufwand erheblich reduzieren.

3.2.4 Mindestauszahlungsbetrag

Der Mindestauszahlungsbetrag (Bagatellgrenze) der AZL beträgt lediglich 50 € je Antrag. Die Erhebungen haben ergeben, dass 9.646 Anträge, das sind rd. 34 % aller AZL-Anträge, unter 500 € liegen; diese Anträge umfassen jedoch lediglich rd. 3 % (1,7 Mio. €) des gesamten Auszahlungsvolumens (52,3 Mio. €) und nur knapp 10 % der förderfähigen Fläche der AZL. Im Sinne eines effizienteren Mitteleinsatzes wäre es deshalb sinnvoll, den Mindestauszahlungsbetrag (Bagatellgrenze) der AZL auf 500 € anzuheben. Ein solcher Mindestauszahlungsbetrag hat für ein landwirtschaftliches Unternehmen keine existenzielle Bedeutung, führt jedoch zu einer Entlastung der Verwaltung und ermöglicht eine stärkere Konzentration der Mittel auf die stärker benachteiligten Gebiete.

3.3 Absatzförderung landwirtschaftlicher Erzeugnisse

Bislang gab es vier Förderrichtlinien zur Förderung der Vermarktung und Verarbeitung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen mit unterschiedlichen Schwerpunkten, wie die Förderung von Absatzeinrichtungen, Verarbeitungsunternehmen, Erzeugergemeinschaften und Einrichtungen der Öko- oder Regionalvermarktung. Zur effizienteren Förderung und aus Transparenzgründen schlägt der Rechnungshof vor, die bisherigen vier Förderprogramme dieses Bereichs zu einem Förderinstrument zusammenzufassen. So könnte der Verwaltungsaufwand nicht nur hinsichtlich des Antragsverfahrens, sondern auch hinsichtlich des Aufwands für Begleitung, Koordination und Evaluierung der Förderrichtlinien reduziert werden. Die Zusammenfassung sämtlicher Maßnahmen zur Förderung der Vermarktung und Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse in einem Förderprogramm und bei einer Behörde steht einer politisch gewollten differenzierten Förderung, z. B. durch einen höheren Fördersatz für Öko- und Regionalvermarktung, in keiner Weise entgegen. Das Ministerium hat entsprechend diesem Anliegen des Rechnungshofs bereits den Entwurf einer zusammengefassten Förderrichtlinie vorgelegt.

Bereits die Evaluatoren der Halbzeitbewertung des EPLR haben deutlichere Vorgaben zur Effizienzprüfung und Effizienzkontrolle sowie ein entsprechendes Mindestinvestitionsvolumen gefordert, um Mitnahmeeffekte zu verringern. Da das bisherige Mindestinvestitionsvolumen bei 10.000 € lag und um Mitnahmeeffekte zu vermeiden, schlug der Rechnungshof vor, Investitionsförderungen für Vermarktungseinrichtungen künftig erst ab einem wesentlich höheren Mindestinvestitionsvolumen zu gewähren. Mit der beabsichtigten Erhöhung auf 30.000 € ist das Ministerium dem Vorschlag des Rechnungshofs bereits nachgekommen.

3.4 Förderung des ökologischen Landbaus

Für den ökologischen Landbau, der in vollem Umfang die sonst üblichen Förderungen der Landwirtschaft erhält, wurde ein ganzes Spektrum von zusätzlichen Förderungen und Richtlinien aufgebaut. So fördert das Land über den MEKA die unternehmensweite Einführung und Beibehaltung von Verfahren des ökologischen Landbaus sowie die Kontrolle der ökologischen Wirtschaftsweise durch eine anerkannte Kontrollstelle mit einem Volumen von jährlich insgesamt knapp 11 Mio. €. Außer über den MEKA fördert das Land die Einführung und Beibehaltung des ökologischen Landbaus über die Förderrichtlinie „Zuwendungen zur Stärkung des ökologischen Landbaus“.

Nach Aussage des Ministeriums soll die Förderrichtlinie zur Stärkung des ökologischen Landbaus den Betrieben zugutekommen, die nur Teilflächen ökologisch bewirtschaften und nicht den gesamten Betrieb auf ökologische Wirtschaftsweise umgestellt haben. Über diese Richtlinie würden hauptsächlich Betriebe gefördert, die nur Streuobstflächen nach den Regeln des ökologischen Landbaus bewirtschaften. Aus der Sicht des Rechnungshofs ist es äußerst zweifelhaft, ob mit einer Förderrichtlinie, deren Förderhöchstbetrag bei 200 € je Betrieb liegt, irgendein betriebliches oder gesellschaftliches Ziel erreicht werden kann. Da Streuobstbestände ohnehin über den MEKA gefördert werden, könnten in diesem Programm auch Streuobstflächen von teilumgestellten Betrieben gefördert werden. Bereits 1994 war vom Ministerium erklärt worden, die Förderrichtlinie „Zuwendungen zur Stärkung des ökologischen Landbaus“ werde aufgehoben, wenn es gelinge, die Förderung des ökologischen Landbaus in den MEKA zu übernehmen. Das ist längst vollzogen; der ökologische Landbau wird heute in weit größerem Umfang gefördert, als Anfang der Neunzigerjahre vorstellbar war. Die Richtlinie sollte deshalb aufgehoben und die Mittel in den MEKA umgeschichtet oder eingespart werden.

In Baden-Württemberg werden fünf ökologische Landbauverbände mit einem Volumen von jährlich insgesamt 215.000 € gefördert. Als Förderziel wird in der Richtlinie insbesondere die fachliche Beratung und Betreuung von ökologisch wirtschaftenden und von umstellungswilligen Betrieben durch die Verbände angeführt. Nachdem Verbände vor allem Interessen ihrer Mitglieder vertreten, sieht der Rechnungshof die Förderung von Verbänden des ökologischen Landbaus im Hinblick auf das Landesinteresse grundsätzlich als kritisch an. Die Mitgliedsbetriebe erhalten vom Land über MEKA eine spezielle Förderung in Höhe von rd. 11 Mio. € jährlich für ihre ökologische Wirtschaftsweise. Sie sind deshalb in der Lage, ihre Verbände durch Mitgliedsbeiträge zu finanzieren. Im Übrigen werden auch die Beratungsdienste für den ökologischen Landbau zu 50 % vom Land getragen, und außerdem stehen diesen Betrieben auch die Beratungsleistungen der Landwirtschaftsämter zur Verfügung. Die Förderung des ökologischen Landbaus sollte deshalb nicht über die Verbände erfolgen.

3.5 Erhaltung und Sicherung des ländlichen Raums

Ein grundsätzliches Problem aller Förderprogramme zur Erhaltung und Sicherung des ländlichen Raums besteht darin, dass die Ziele so allgemein formuliert sind, dass im ländlichen Raum fast jede Maßnahme gefördert werden kann. Ein großer Teil der geförderten Maßnahmen könnte von ihrem Charakter her grundsätzlich durch jedes der Förderprogramme „Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum“ (ELR), „LEADER+“ und „Innovative Maßnahmen von Frauen im Ländlichen Raum“ (IMF) finanziert werden. Ausschlusskriterien sind lediglich grobe Merkmale, wie die Raumkategorie (ELR, LEADER+) oder das Geschlecht (IMF). Förderungen innerhalb der genannten Kategorien werden dagegen meist a priori als positiv definiert und wenig hinterfragt. Obwohl die Programme unterschiedliche Zielgruppen haben, weisen sie dennoch große Schnittmengen auf, was die Fördermöglichkeiten angeht.

Die Förderung von Gewerbegebieten über das ELR steht grundsätzlich im Gegensatz zu dem politischen Ziel der Eindämmung des Flächenverbrauchs. Im Rahmen von früheren Prüfungen des ELR hatte der Rechnungshof festgestellt, dass die Förderung von Gewerbegelände-Erschließungen offensichtlich nicht am Bedarf ausgerichtet ist, da diese Flächen zum Abrechnungszeitpunkt der Mittel nur zu rd. 50 % belegt waren. Unter diesem Aspekt und vor dem Hintergrund, dass der kommunale Wettbewerb um die Ansiedlung von Unternehmen nicht mit Landesmitteln gefördert werden sollte, stellt sich die Frage, ob auf die Förderung der Erschließung neuer Gewerbegebiete nicht generell verzichtet werden sollte. Wenn überhaupt, sollten Gewerbegebiete nur noch bei unverträglichen Gemengelagen im innerörtlichen Bereich gefördert werden.

Hinsichtlich IMF sollte überlegt werden, ob der gleichstellungspolitische Ansatz des Gender Mainstreamings nicht besser im Rahmen der allgemeinen Förderprogramme ELR, LEADER+ und ggf. auch AFP verfolgt wird und der besondere Förderbedarf für Frauen im ländlichen Raum in diese Förderprogramme integriert wird.

3.6 Sicherung und Erhaltung der Waldfunktionen

Die Erstaufforstung bislang landwirtschaftlich genutzter Flächen wird mit einer Ausgleichsprämie (Erstaufforstungsprämie bzw. Einkommensverlustprämie) für die Einkommensverluste nach erstmaliger Aufforstung gefördert. Diese Förderung steht dem Ziel Offenhaltung der Landschaft entgegen, insbesondere den Förderprogrammen MEKA, AZL und LPR. In waldreichen Gebieten besteht daher ein Zielkonflikt. Einerseits wird durch die Förderung der Erstaufforstung ein Anreiz zur weiteren Aufforstung geschaffen; andererseits versucht man, durch staatliche Fördermaßnahmen die Landschaft offen zu halten. Der Rechnungshof sieht daher keine Veranlassung, die Förderung der Erstaufforstung bislang landwirtschaftlich genutzter Flächen - wie vom Ministerium beabsichtigt - über 2007 hinaus bis 2011 zu belassen.

4 Einführung eines systematischen Controllings

Um die Zielerreichung und damit den Zuwendungserfolg der Förderprogramme zu messen, müssten nach VV zu § 44 Landeshaushaltsordnung, Anlage 5, Ziff. 3.1.1 Messgrößen in Form von Erfolgskriterien oder Kennzahlen festgelegt werden. Die Förderrichtlinien des Ministeriums enthalten generell keine messbaren Ziele. Damit ist eine aussagekräftige Evaluierung der Zielerreichung eines Programms kaum möglich. Das Ministerium hat in diesem Zusammenhang auf die ohnehin von der EU vorgeschriebenen sehr umfangreichen Evaluierungen verwiesen. Bei der Evaluierung der Zielerreichung eines Förderprogramms müssen jedoch auch die Landesinteressen berücksichtigt werden. Eine kritische Durchsicht der von der EU geforderten Evaluierungsberichte zeigt, dass diese Berichte weder nach einem einheitlichen System noch anhand von erfolgsorientierten Zielen erstellt wurden. Soweit möglich, sollten für alle Förderprogramme messbare Ziele und Erfolgskriterien bzw. Kennzahlen aus Sicht des Landes definiert werden. Im Zuge der neuen Förderperiode ab 2007 wird die EU veränderte Anforderungen an die Evaluierung vorgeben. Nachdem die genaue Ausgestaltung zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrags noch nicht endgültig feststeht, bleibt es abzuwarten, ob die Evaluierungsvorgaben der EU entsprechende messbare Ziele und geeignete Erfolgskriterien bzw. Kennzahlen aufweisen, mit denen auch die Landesinteressen überprüft werden können.

5 Künftige Gestaltung der Förderlandschaft

Angesichts der Vielfalt, der Intransparenz und der teilweise parallelen Strukturen der Förderlandschaft im Bereich des Ministeriums sollte eine systematische Zusammenführung und Neustrukturierung der Förderprogramme angestrebt werden. Im Sinne einer effektiven Förderung sollten dabei Zielkonflikte beseitigt und Mitnahmeeffekte künftig ausgeschlossen werden. Damit könnte zudem der Verwaltungsaufwand bei der Antragsbearbeitung bzw. der Förderabwicklung, aber auch bei der Prüfung der Fördervoraussetzungen und der Kontrolle spürbar verringert werden. Außerdem sollte überprüft werden, ob auf einige, insbesondere kleinere Förderprogramme, vollständig verzichtet werden kann. Zur Steigerung der Effektivität und Effizienz empfiehlt der Rechnungshof, grundsätzlich alle Förderaktivitäten unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität regelmäßig auf ihre Begründetheit zu hinterfragen. Dabei sollten im Einzelnen die inhaltliche und zeitliche Konkretisierung der Förderziele sowie eine generelle zeitliche Befristung der Förderprogramme angestrebt werden. Die Umsetzung der Vorschläge des Rechnungshofs könnte dazu beitragen, dass die Förderlandschaft des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum künftig transparenter, effizienter und vor allem effektiver gestaltet wird.

6 Stellungnahme des Ministeriums

Das Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum verweist darauf, dass es bereits in den vergangenen Jahren im Hinblick auf die Effizienz und den Kontrollaufwand Maßnahmen gestrafft bzw. ersatzlos gestrichen habe. Weitere Straffungen und Streichungen von Fördermaßnahmen seien auch aufgrund von EU-Vorgaben zur neuen Förderperiode erfolgt bzw. müssten noch im Rahmen der EU-Genehmigung erfolgen.

Das Ministerium führt weiter aus, dass beim AFP die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit im Vordergrund stehe, während über die Investitionsförderung nach der LPR Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege verfolgt würden. Die Beibehaltung der Flächen- und Investitionsförderung im Bereich des Naturschutzes ist nach Auffassung des Ministeriums aus naturschutzfachlicher Sicht unverzichtbar, weshalb es die vom Rechnungshof geforderte Beschränkung auf Ausnahmefälle ablehnt.

Bei der Förderung des ökologischen Landbaus und des ländlichen Raumes will das Ministerium an der bisherigen Förderstruktur festhalten.

Bezüglich der Forderung des Rechnungshofs nach Einführung eines systematischen Controllings einschließlich der Definition messbarer Ziele und Erfolgskriterien bzw. Kennzahlen verweist das Ministerium auf die erweiterten Evaluierungsvorgaben der EU für die neue Förderperiode. Die Ergebnisse aus diesen Evaluierungen seien in gleicher Weise auch für die Landesmittel von Bedeutung. Damit werde der Zuwendungserfolg bereits weitgehend auch schon innerhalb des Abwicklungszeitraums beobachtet und bewertet. Ein von den EU-Vorgaben losgelöstes Controlling unter dem Gesichtspunkt des Landesinteresses sollte deshalb nicht erfolgen. Im Übrigen teilt das Ministerium die Auffassung des Rechnungshofes, dass die genaue Ausgestaltung der erweiterten Evaluierungsmaßnahmen der EU für die neue Förderperiode abgewartet werden müsse.

7 Schlussbemerkung

Die vom Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum bereits eingeleitete Zusammenführung und Reduzierung der Förderprogramme entspricht nach Auffassung des Rechnungshofs noch nicht den Anforderungen einer effektiven und effizienten Förderlandschaft und sollte deshalb konsequent weiter entwickelt werden.

Das Ziel „Pflege und Offenhaltung der Landschaft“ sollte nur über die Programme der Flächenförderung verfolgt werden; da eine Investitionsförderung landwirtschaftlicher Betriebe mit naturschutzfachlicher Zielsetzung nach den Prüfungserkenntnissen des Rechnungshofs nicht zielorientiert und damit auch nicht effizient ist. Derartige Investitionsfördermaßnahmen sind deshalb nur in besonderen Ausnahmefällen zu rechtfertigen.

Die EU-Vorgaben zur Evaluierung der abgelaufenen Förderperiode haben die Anforderungen an ein systematisches Controlling nicht erfüllt. Deshalb sollte das Ministerium prüfen, ob die neuen Vorgaben der EU diesen Anforderungen entsprechen und die Landesinteressen ausreichend berücksichtigen.

Bei der Weiterentwicklung der Förderstrukturen sollte insbesondere das Ziel einer Reduzierung des Verwaltungsaufwands sowie des Anlastungsrisikos durch die EU berücksichtigt werden.


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Einzelplan 09: Ministerium für Arbeit und Soziales

Die Zentren für Psychiatrie setzten die Bestimmungen der Landesnebentätigkeitsverordnung sowie Vereinbarungen in Chefarztverträgen nicht immer korrekt um und verzichteten zum Teil auf Kostenerstattungen. In den Jahren 2003 bis 2005 kam es hierdurch zu Mindereinnahmen in Höhe von insgesamt rd. 250.000 €.


1 Vorbemerkung

Die Zentren für Psychiatrie (ZfP) sind als Anstalten des öffentlichen Rechts bei Nebentätigkeiten ihrer Beschäftigten den gleichen gesetzlichen Regelungen unterworfen wie die Einrichtungen der unmittelbaren Landesverwaltung. Im Jahr 2005 übten bei den neun ZfP 1.127 der insgesamt 8.168 Beschäftigten eine genehmigte Nebentätigkeit aus; dies entspricht einem Anteil von rd. 14 %. Am häufigsten werden nebenberuflich ärztliche und therapeutische Tätigkeiten wahrgenommen, gefolgt von Gutachterleistungen und der Erteilung von Unterricht bzw. von der Vortrags- und Seminartätigkeit.

Die an allen Standorten der ZfP durchgeführte Prüfung der Nebentätigkeit umfasste den Zeitraum 2003 bis 2005. Sie war zum einen darauf ausgerichtet, dem Rechnungshof einen Überblick über Art und Umfang der ausgeübten Nebentätigkeiten zu verschaffen; zum andern sollte festgestellt werden, ob die ZfP bei der Genehmigung von Nebentätigkeiten die gesetzlichen Vorgaben beachten und das Nutzungsentgelt für die Inanspruchnahme ihrer Ressourcen korrekt erheben.

2 Rechtsgrundlagen

Für die bei den ZfP beschäftigten Beamten ist die Landesnebentätigkeitsverordnung unmittelbar anwendbar. Bei den Angestellten galt sie im Prüfungszeitraum über eine Verweisungsvorschrift im Tarifvertrag (§ 11 Bundes-Angestelltentarifvertrag).

Für die nicht-ärztlichen Tarifbeschäftigten hat sich mit dem Inkrafttreten des Tarifvertrags für die Landesbeschäftigten (TV-L) zum 01.11.2006 die Rechtsgrundlage geändert. Anders als der Bundes-Angestelltentarifvertrag enthält der neue TV-L keinen Verweis auf beamtenrechtliche Regelungen. Dies hat u. a. zur Folge, dass Nebentätigkeiten gegen Entgelt künftig lediglich schriftlich anzuzeigen sind; eine Genehmigung durch das ZfP ist nicht mehr erforderlich. Eine schriftliche Aufstellung der jährlich ausgeübten Nebentätigkeiten ist künftig ebenfalls nicht mehr notwendig. Im Anwendungsbereich des TV-L wird somit das Spannungsfeld zwischen den Interessen des Arbeitnehmers an der Ausübung einer Nebentätigkeit und dem Interesse des Arbeitgebers, Beeinträchtigungen im Arbeitsverhältnis zu vermeiden, künftig mit einzelvertraglichen Regelungen ausgefüllt werden müssen.

Für die beamteten Beschäftigten und den in der Krankenversorgung tätigen Ärztlichen Dienst bleibt es bei der Landesnebentätigkeitsverordnung.

3 Genehmigung von Nebentätigkeiten

3.1 Nebentätigkeit ohne Genehmigung

Bei den ZfP waren im Prüfungszeitraum insgesamt 162 nebenberuflich tätige Beschäftigte nicht im Besitz einer entsprechenden Genehmigung. Für das Jahr 2005 wurde bei fünf ZfP ein Abgleich von Abrechnungsunterlagen mit Listen der jeweiligen Personalabteilung vorgenommen. Danach übten insgesamt 89 Ärzte und Psychologen ihre Nebentätigkeit ohne Genehmigung aus. Dies entspricht rd. 19 % der bei den betroffenen ZfP beschäftigten 474 Ärzte und Psychologen.

Vier ZfP führten im Prüfungszeitraum 27 Nebentätigkeitsgenehmigungen als gültig, obwohl diese infolge einer Änderung des Landesbeamtengesetzes zum 30.06.1999 außer Kraft getreten waren. Damit waren im Jahr 2005 rd. 8 % der von diesen ZfP als aktuell geführten 352 Genehmigungen bereits seit 01.07.1999 nicht mehr gültig.

Bei sechs ZfP lag in insgesamt 23 Fällen der Beginn der Nebentätigkeit vor dem Genehmigungsdatum, sodass in diesem Zeitraum ebenfalls eine ungenehmigte Nebentätigkeit ausgeübt wurde. Dies entspricht rd. 7 % der Stichprobe von insgesamt 309 Fällen. Für drei ZfP war keine entsprechende Auswertung möglich, da der Tätigkeitsbeginn im Antragsformular nicht erfasst wurde.

3.2 Unzutreffende Rechtsgrundlage

Die Nebentätigkeitsgenehmigungen nahmen zum Teil auf falsche Rechtsgrundlagen Bezug. In 98 Fällen wählten acht ZfP bei der Genehmigung von Nebentätigkeiten eine falsche Kategorie, sodass rd. 27 % der geprüften 358 Nebentätigkeitsgenehmigungen fehlerhaft waren. Beispielsweise wurden Einzelgenehmigungen erteilt, obwohl die entsprechenden Nebentätigkeiten nach § 4 Landesnebentätigkeitsverordnung als allgemein genehmigt galten; oder es wurde bei einer eigentlich erforderlichen Einzelgenehmigung auf die allgemeine Genehmigung verwiesen. Lediglich bei einem ZfP ergab die Prüfung keine fehlerhafte Zuordnung zu den Genehmigungskategorien.

3.3 Nichtbeachtung formeller Vorgaben

Die formellen Voraussetzungen zur Erteilung von Nebentätigkeitsgenehmigungen wurden oftmals nicht beachtet. Stichproben ergaben insgesamt 115 Fälle, in denen Nebentätigkeiten genehmigt wurden, obwohl nicht alle relevanten Informationen vorlagen und damit die Genehmigungsfähigkeit nicht abschließend geklärt werden konnte. Bezogen auf diese Stichproben von insgesamt 466 Fällen wurden rd. 25 % der Nebentätigkeitsgenehmigungen auf unvollständiger Datengrundlage erteilt. In den meisten dieser Fälle fehlten Angaben zur Vergütung der Nebentätigkeit, zum Arbeitgeber oder zum zeitlichen Umfang.

Bei der Genehmigung von Nebentätigkeiten können auch Rechtsvorschriften außerhalb des Beamten- und Tarifrechts berührt sein, insbesondere das Arbeitszeitgesetz. Dieses sieht u. a. vor, dass bei Arbeitnehmern eine wöchentliche Arbeitszeit von durchschnittlich 48 Stunden grundsätzlich nicht überschritten werden darf; dabei sind Arbeitszeiten bei mehreren Arbeitgebern zusammenzuzählen. Vier ZfP haben insgesamt zehn Beschäftigten Nebentätigkeiten in einem zeitlichen Umfang genehmigt, der zusammen mit der regulären Beschäftigung die im Arbeitszeitgesetz festgelegte Grenze von höchstens 48 Stunden/Woche überschritt. Bezogen auf den Stichprobenumfang wurde bei rd. 4 % der insgesamt 236 Nebentätigkeitsgenehmigungen der betroffenen vier ZfP gegen das Arbeitszeitgesetz verstoßen.

Nebentätigkeitsgenehmigungen sind auf maximal fünf Jahre zu befristen. Die Prüfung zeigte, dass diese Vorgabe nicht von allen ZfP beachtet wurde. Ein ZfP erteilte 28 unbefristete Genehmigungen; im Jahr 2005 waren damit von insgesamt 81 gültigen Nebentätigkeitsgenehmigungen rd. 35 % unbefristet. Bei drei ZfP wurde die Fünf-Jahres-Frist in sieben Fällen deutlich überschritten. Dies entspricht rd. 7 % der bei diesen ZfP geprüften 107 Nebentätigkeiten.

3.4 Nichtbeachtung materieller Vorgaben

Neben formellen Vorgaben müssen für die Genehmigung einer Nebentätigkeit auch inhaltliche Voraussetzungen erfüllt sein. Die Nebentätigkeitsgenehmigung ist zu versagen, wenn zu besorgen ist, dass durch die Nebentätigkeit dienstliche Interessen beeinträchtigt werden. Eine solche Beeinträchtigung liegt insbesondere vor, wenn die Arbeitskraft des Beschäftigten durch die Nebentätigkeit so stark in Anspruch genommen wird, dass die ordnungsmäßige Erfüllung seiner dienstlichen Pflichten behindert werden kann. Übersteigt die zeitliche Beanspruchung durch eine oder mehrere Nebentätigkeiten ein Fünftel der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit, ist grundsätzlich von einer Beeinträchtigung der dienstlichen Interessen auszugehen (sogenannte Fünftelvermutung). Sechs ZfP haben in 17 Fällen Nebentätigkeiten genehmigt, die den Umfang eines Fünftels der regelmäßigen Arbeitszeit überschritten; dies entspricht rd. 5 % der geprüften 311 Nebentätigkeiten. Das jeweilige ZfP hat nicht geprüft, ob durch diese Überschreitung dienstliche Interessen beeinträchtigt werden.

Die Genehmigung einer Nebentätigkeit setzt voraus, dass der Tatbestand einer nebenberuflichen Tätigkeit erfüllt ist. Tätigkeiten eines Beschäftigten für seinen Arbeitgeber sind grundsätzlich seiner Haupttätigkeit zuzuweisen. Sie dürfen nicht als Nebentätigkeiten zugelassen werden, wenn sie mit der Haupttätigkeit in Zusammenhang stehen. Ein ZfP hat fünf Nebentätigkeiten genehmigt, die aus Sicht des Rechnungshofs in engem Zusammenhang mit den Dienstaufgaben des jeweiligen Beschäftigten stehen und deshalb nicht hätten genehmigt werden dürfen. In einem Fall wurde als Nebentätigkeit die „Strategische Beratung des Geschäftsführers beim Ausbau tagesstrukturierender Angebote“ genehmigt. Die Beratung des Vorgesetzten zählt zu den Dienstaufgaben des Beschäftigten (siehe auch § 74 Landesbeamtengesetz) und hätte daher nicht als Nebentätigkeit behandelt werden dürfen. Für diese Nebentätigkeit erhält der Beschäftigte vom ZfP über einen Zeitraum von fünf Jahren eine Vergütung von monatlich rd. 400 €. Einem weiteren Beschäftigten wurde ab Januar 2005 für fünf Jahre die „Beratung von Beteiligungsgesellschaften“ als Nebentätigkeit genehmigt; hierfür erhält er vom ZfP monatlich rd. 400 €. Die Vergütung wurde nicht mit den Beteiligungsunternehmen verrechnet, obwohl diese und nicht das ZfP beraten wurden.

4 Kontrolle der Nebentätigkeiten durch die Zentren für Psychiatrie

Nach der Erteilung einer Nebentätigkeitsgenehmigung hat der Beschäftigte jährlich jeweils bis spätestens 01.07. eine Aufstellung über die im Vorjahr ausgeübten Nebentätigkeiten vorzulegen (§ 8 Landesnebentätigkeitsverordnung). Diese laufende Kontrolle der Nebentätigkeiten wird nicht von allen ZfP durchgeführt; lediglich zwei ZfP forderten im Prüfungszeitraum regelmäßig Erklärungen bei sämtlichen Beschäftigten an. Zwei weitere ZfP erhoben die Erklärungen bis zum Jahr 2005 noch bei sämtlichen Beschäftigten. Danach beschränkten diese beiden, wie drei weitere ZfP, ihre Abfragen nur noch auf den Personenkreis, der Ressourcen des ZfP nutzt. Zwei ZfP haben im Prüfungszeitraum keinerlei Erklärungen über ausgeübte Nebentätigkeiten eingeholt.

5 Ablieferungspflicht bei Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst

Grundsätzlich wird für eine Nebentätigkeit, die für das Land, eine Gemeinde, einen Landkreis oder eine sonstige der Aufsicht des Landes unterstehende Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts ausgeübt wird, keine Vergütung gewährt (§ 5 Abs. 1 Landesnebentätigkeitsverordnung). Ausnahmen können z. B. bei Gutachter- oder Vortragstätigkeiten zugelassen werden und bei Tätigkeiten, deren unentgeltliche Ausübung dem Beschäftigten nicht zugemutet werden kann. Wird eine Vergütung gewährt, ist diese ab Erreichen eines bestimmten Betrags an den Arbeitgeber abzuliefern. Der Freibetrag ist nach Besoldungsgruppen gestaffelt und reicht von 3.700 € bis 6.100 € je Kalenderjahr (§ 5 Abs. 3 Landesnebentätigkeitsverordnung).

Bei vier ZfP haben Beschäftigte Nebentätigkeiten im öffentlichen Dienst ausgeübt und mit ihrer Vergütung die maßgebliche Grenze überschritten. Eine Ablieferung des übersteigenden Betrags ist in sieben Fällen weder durch den Beschäftigten erfolgt, noch hat das betreffende ZfP diese Ablieferung betrieben. Der Rechnungshof hat eine Nachforderung verlangt.

6 Inanspruchnahme von Ressourcen

Nimmt ein Beschäftigter im Rahmen der Nebentätigkeit Einrichtungen, Personal oder Material des Dienstherrn in Anspruch, bedarf er hierfür einer Genehmigung (§ 9 Abs. 1 Landesnebentätigkeitsverordnung). Für die Nutzung von Ressourcen stellte im Prüfungszeitraum lediglich ein ZfP solche Genehmigungen aus. Bei den übrigen acht ZfP wurden keine schriftlichen Genehmigungen ausgestellt, obwohl die Art der angegebenen Nebentätigkeiten in manchen Fällen eine Inanspruchnahme beinhaltete.

7 Erhebung des Nutzungsentgelts

7.1 Strukturdaten

Die neun ZfP nahmen im Prüfungszeitraum für die Inanspruchnahme von Ressourcen bei der Patientenbehandlung und bei der Erstellung von Gutachten ein jährliches Nutzungsentgelt zwischen insgesamt rd. 770.000 € und rd. 846.000 € ein. Die folgende Tabelle zeigt die Verteilung dieser Beträge auf die neun Standorte und die Entwicklung des Nutzungsentgelts im Prüfungszeitraum.

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Die Spannweite des eingenommenen Nutzungsentgelts reicht im Jahr 2005 von rd. 10.600 € bis zu rd. 258.300 € bei einem Durchschnitt von rd. 94.000 € je ZfP. Die zum Teil deutlichen Unterschiede in der Höhe des Nutzungsentgelts sind u. a. auf die unterschiedliche Leistungsstruktur der ZfP zurückzuführen. So ist beispielsweise nicht bei jedem ZfP eine Abteilung für Neurologie oder ein Fachbereich für Innere Medizin eingerichtet. Weitere Faktoren, die die Einnahmen der ZfP aus Nebentätigkeiten beeinflussen, sind die Anzahl der behandelten Privatpatienten und die Bereitschaft der Ärzte, Nebentätigkeit in diesem Bereich auszuüben.

7.2 Eigene Abgabesätze für Nutzungsentgelt

Ein Beschäftigter darf mit entsprechender Genehmigung bei der Ausübung von Nebentätigkeiten Einrichtungen, Personal oder Material des Dienstherrn gegen Entrichtung eines angemessenen Entgelts in Anspruch nehmen. Das Entgelt hat sich nach den dem Dienstherrn entstehenden Kosten zu richten und muss den besonderen Vorteil berücksichtigen, der dem Beschäftigten durch die Inanspruchnahme entsteht. Für die Beschäftigten der ZfP war die Höhe des Nutzungsentgelts im Prüfungszeitraum in der Landesnebentätigkeitsverordnung verbindlich geregelt.

Manche ZfP haben ohne Rechtsgrundlage eigene Sätze für die Erhebung von Nutzungsentgelt festgelegt, die hinter dem in der Landesnebentätigkeitsverordnung verbindlich festgelegten Nutzungsentgelt zurückbleiben. So legten beispielsweise drei ZfP für Gutachten in Nebentätigkeit ein pauschales Nutzungsentgelt von 15 % der Bruttovergütung fest, ohne nach den in der Landesnebentätigkeitsverordnung aufgeführten Kategorien zu unterscheiden, die ein Nutzungsentgelt von bis zu 30 % der Bruttovergütung vorsehen. Dadurch verzichteten diese ZfP auf Einnahmen, die von ihnen hätten erhoben werden müssen.

7.3 Fehlerhafte Erhebung des Nutzungsentgelts

7.3.1 Unvollständige Festsetzung des Nutzungsentgelts wegen fehlender Erklärungen der Beschäftigten

Beim ZfP C stiegen die Einnahmen aus Nutzungsentgelt für die Erstellung von Gutachten von rd. 800 € im Jahr 2003 auf rd. 7.200 € im Jahr 2005 an. Dieser Anstieg ist aus Sicht des Rechnungshofs auf zunehmende Kontrollmöglichkeiten der Verwaltung zurückzuführen, die aus entsprechenden Organisationsverfügungen resultieren. Angesichts der starken Zunahme des Nutzungsentgelts ist nicht auszuschließen, dass das ZfP zu Beginn des Prüfungszeitraums wegen teilweise unvollständiger Angaben von Beschäftigten ein zu niedriges Nutzungsentgelt festgesetzt hat. Das ZfP hat inzwischen eine Nacherhebung in die Wege geleitet.

Ein Chefarzt des ZfP F gab nicht sämtliche aus einer kassenärztlichen Ermächtigung erzielten Einnahmen an. Dies hatte zur Folge, dass in den Jahren 2003 und 2004 insgesamt rd. 3.500 € zu wenig Nutzungsentgelt festgesetzt wurden.

Zwei Ärzte des ZfP F entrichteten zwar Sachkosten für die Nutzung von Geräten zur Erstellung von Gutachten in Nebentätigkeit, gaben jedoch bei der jährlichen Erklärung über bezogene Einkünfte an, keine Gutachten erstellt zu haben. Das ZfP F hat diesen Widerspruch nicht geklärt und keinen Vorteilsausgleich festgesetzt.

7.3.2 Unterlassene Erhebung von Nutzungsentgelt

Die Prüfung hat bei mehreren ZfP zu geringe Festsetzungen des Nutzungsentgelts mit zum Teil beträchtlichen finanziellen Nachteilen aufgezeigt. Für den Prüfungszeitraum beläuft sich der von den ZfP nicht erhobene Betrag auf insgesamt rd. 250.000 €. Wie sich dieser auf die einzelnen ZfP aufteilt und welche Ursachen dafür verantwortlich sind, ist nachfolgend dargestellt.

Das ZfP D verzichtete in einigen Fällen auf Kostenerstattungen in Höhe von insgesamt rd. 21.500 €.

Das ZfP E hat grundsätzlich keine Kostenerstattung für die Inanspruchnahme seiner Ressourcen erhoben, weil bei psychiatrischen Behandlungen kaum Geräte genutzt würden und somit auch keine Sachkosten entstünden. Dabei hat das ZfP nicht berücksichtigt, dass auch ohne Geräteeinsatz Kosten für den Unterhalt der Räume und für den Einsatz des Personals entstehen. Auch der Tarif der Deutschen Krankenhausgesellschaft sieht im Teil G „Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie“ Sachkostenanteile vor. Eine näherungsweise Berechnung ergab, dass das ZfP E im Prüfungszeitraum auf Kostenerstattungen in Höhe von insgesamt rd. 52.300 € verzichtete.

Des Weiteren hat das ZfP E von Assistenz-/Stationsärzten für die Nutzung von Ressourcen bei Gutachtenerstellung keinerlei Nutzungsentgelt erhoben. Ein Vorteilsausgleich wurde lediglich von Chefärzten bzw. Fachbereichsleitern angefordert, wobei der Berechnung nur ein Teil der insgesamt erzielten Vergütung zugrunde gelegt wurde. Für den Prüfungszeitraum hat der Rechnungshof aufgrund einer näherungsweisen Berechnung einen Betrag von rd. 101.000 € ermittelt, auf den das ZfP verzichtet hat.

Das ZfP F hat bei der ambulanten Behandlung von Kassenpatienten in Nebentätigkeit (Kassenärztliche Ermächtigungsambulanz) im Prüfungszeitraum auf eine Kostenerstattung für die Inanspruchnahme sächlicher Ressourcen von rd. 19.400 € verzichtet.

Bei den ZfP G und I haben Beschäftigte Einkünfte aus Nebentätigkeit zwar der Personalabteilung mitgeteilt, diese hat jedoch nicht die für die Berechnung des Nutzungsentgelts zuständige Finanzabteilung unterrichtet. Hierdurch sind in den vom Rechnungshof geprüften Fällen Nutzungsentgelte von rd. 8.000 € nicht erhoben worden.

Das ZfP H rechnete in den geprüften Fällen das Nutzungsentgelt für die stationäre Behandlung von Privatpatienten fälschlicherweise nach den günstigeren Vorschriften für Ärzte ab, die vor dem 01.01.1993 eine Nebentätigkeitsgenehmigung erhalten haben. Hierdurch wurden im Prüfungszeitraum rd. 47.200 € nicht erhoben.

7.3.3 Überhöhte Festsetzung des Nutzungsentgelts

Durch fehlerhafte Abrechnungen der ZfP wurde in manchen Fällen von Beschäftigten zu viel Nutzungsentgelt erhoben.

Das ZfP D differenzierte bei der Kostenerstattung für die stationäre Behandlung von Privatpatienten nicht zwischen technischen und persönlichen Leistungen. Dadurch kam es bei drei Chefärzten im Prüfungszeitraum zu Überzahlungen in Höhe von insgesamt rd. 57.600 €. Zudem zog das ZfP bei diesen drei Chefärzten einen vertraglich nicht vorgesehenen Vorteilsausgleich ein und versäumte den Abzug bereits entrichteter Kostenerstattung vor Berechnung des Vorteilsausgleichs. Diese Überzahlungen betrugen im Prüfungszeitraum insgesamt rd. 11.000 €.

Infolge unübersichtlicher Zuständigkeitsregelungen berechnete das ZfP D bei zwei Ärzten Sachkosten für die Erbringung von elektrokardiografischen und elektroenzephalografischen Untersuchungen doppelt.

8 Gutachtenerstellung als Dienstaufgabe

Gutachten werden bei sämtlichen neun ZfP durch Ärzte und Psychologen in Nebentätigkeit erstellt. Lediglich bei einem ZfP ist ein Arzt hierfür zu 50 % dienstlich tätig. Da Gutachten aus Sicht des Rechnungshofs sowohl in Nebentätigkeit als auch als Dienstaufgabe erstellt werden können, wurde untersucht, unter welchen Bedingungen die Gutachtertätigkeit als Dienstaufgabe für die ZfP finanziell günstiger ist. Qualitative Gesichtspunkte bezüglich Inhalt oder zeitgerechter Erstellung der Gutachten konnten dabei nicht berücksichtigt werden.

Die Stundensätze sind je nach Schwierigkeitsgrad des Gutachtens unterschiedlich hoch, einfache Begutachtungen werden geringer vergütet als schwierige. Daher sind die Einnahmen der ZfP bei der Gutachtenerstellung als Dienstaufgabe davon abhängig, in welchem Umfang einfache bzw. schwierige Gutachten erstellt werden. Dem Rechnungshof waren diese Anteile nicht bekannt, sodass drei Szenarien berechnet wurden, bei denen die Anteile unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade variierten. Die Berechnung ergab, dass den ZfP - je nach Gewichtung der Schwierigkeitsgrade - insgesamt finanzielle Vorteile zwischen 15.600 € und 115.000 € jährlich verblieben, wenn die Gutachten als Dienstaufgabe erstellt würden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass diese finanziellen Vorteile durch höhere Personalkosten infolge künftiger Tarifsteigerungen verringert werden können.

Das Ministerium für Arbeit und Soziales weist darauf hin, dass bei der Entscheidung über die Art und Weise der Gutachtenerstellung neben ökonomischen Erwägungen auch Qualitätsaspekte, Weiterbildungsfragen und Rahmenbedingungen des Arbeitsmarktes zu berücksichtigen seien.

Diese Einschätzung spricht aus Sicht des Rechnungshofs grundsätzlich nicht gegen seine Empfehlung.

9 Schlussbemerkung

Die Prüfung des Rechnungshofs bei den ZfP zeigte zum Teil erhebliche Mängel sowohl bei der Genehmigung und Überwachung der Nebentätigkeiten als auch bei der Erhebung des Nutzungsentgelts aus der Patientenbehandlung und der Erstellung von Gutachten. Durch eine nicht immer konsequente Beachtung der gesetzlichen Vorgaben haben einige ZfP auf Einnahmen in beträchtlicher Höhe verzichtet. Andererseits ist von einigen Ärzten ein zu hohes Nutzungsentgelt erhoben worden, weil das betreffende ZfP rechtliche Bestimmungen oder vertragliche Vereinbarungen nicht eingehalten hat oder Zuständigkeiten für die Festsetzung des Nutzungsentgelts nicht eindeutig geregelt waren. Der Rechnungshof hat die ZfP zu einer Bereinigung der aufgezeigten Mängel aufgefordert.

Eine Vergleichsberechnung hat finanzielle Vorteile für die ZfP zwischen rd. 15.600 € und rd. 115.000 € jährlich ergeben, wenn Gutachten als Dienstaufgabe erstellt werden. Der Rechnungshof hat daher empfohlen zu prüfen, ob - auch unter Berücksichtigung organisatorischer und personalpolitischer Gesichtspunkte - die Erstellung von Gutachten künftig zur Dienstaufgabe erklärt werden soll.

Um künftig eine ordnungsgemäße Behandlung der Nebentätigkeiten ihrer Beschäftigten und eine sachgerechte Festsetzung des Nutzungsentgelts sicherzustellen, müssen die ZfP nebentätigkeitsrechtliche Vorgaben auch im Hinblick auf die neuen Regelungen sorgfältiger als bisher beachten.

Nicht-ärztliche Beschäftigte haben ihre Nebentätigkeiten dem Arbeitgeber künftig nur noch anzuzeigen. Um dennoch ein abgerundetes Bild über die Nebentätigkeit zu erhalten und um ggf. Fehlentwicklungen gegensteuern zu können, sollten die ZfP künftig ihre Informationsrechte umfassend wahrnehmen.

Bei den Nebentätigkeiten des in der Krankenversorgung tätigen Ärztlichen Dienstes sind die ZfP auch nach dem neuen Tarifrecht an die Regelungen der Landesnebentätigkeitsverordnung gebunden. Im Interesse einer Gleichbehandlung aller Beschäftigtengruppen sollten die ZfP beim Nutzungsentgelt für die übrigen Beschäftigten die jeweiligen Vorschriften der Landesnebentätigkeitsverordnung entsprechend anwenden.


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Einzelplan 12: Allgemeine Finanzverwaltung

Noch immer führen fehlerhafte Steuerfestsetzungen jährlich zu Einnahmeausfällen in Millionenhöhe. Hauptursache bleibt das komplizierte und anwendungsfeindliche Steuerrecht. Außerdem können die Finanzämter durch fortschreitenden Personalabbau und eine unzureichende DV-Unterstützung nach wie vor zu wenig Zeit für die konsequente Bearbeitung risikobehafteter Steuererklärungen verwenden. Die Einführung einer einheitlichen und risikoorientierten DV-Unterstützung sowie der Aufbau einer Qualitätssicherung dulden keinen weiteren Aufschub.


1 Ausgangslage

Die staatlichen Rechnungsprüfungsämter untersuchen seit Jahren die Arbeit der Finanzämter im Land. Im Vordergrund steht dabei regelmäßig das materielle Steuerrecht und somit die Frage, ob die Steuern vollständig und richtig erhoben wurden. Schwerpunkte der Erhebungen waren in den letzten Jahren die Veranlagungsstellen als Kernbereich der Finanzämter. Dabei ergaben sich immer wieder zahlreiche Beanstandungen mit teilweise hohen finanziellen Auswirkungen.

Der Rechnungshof hat in der Vergangenheit bereits in einer Reihe von Denkschriftbeiträgen sowie in einer Beratenden Äußerung über die Arbeitsweise der Veranlagungsstellen berichtet. Im Folgenden werden die Feststellungen bei den 14 zuletzt untersuchten Finanzämtern und die Fehleranalyse zusammenfassend dargestellt.

2 Feststellungen der staatlichen Rechnungsprüfungsämter

In den untersuchten Finanzämtern wurden insgesamt 11.868 Steuerbescheide geprüft. Der überwiegende Anteil dieser Fälle betraf die Jahre 2000 bis 2004. Bei der Fallauswahl wurden zumeist größere und risikobehaftete Steuerfälle berücksichtigt.

2.1 Beanstandete Fälle und Beanstandungsquote

In Tabelle 1 werden - aufgegliedert nach den unterschiedlichen Arbeitsbereichen - die beanstandeten Fälle und die entsprechenden Beanstandungsquoten dargestellt.

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Die durchschnittliche Beanstandungsquote bei den Veranlagungsstellen beträgt 36,3 %. Sie wird im Bereich der Arbeitsgebiete für natürliche Personen, die als Kernbereiche der Finanzämter den Schwerpunkt der Untersuchungen bilden, mit 43,4 % deutlich übertroffen.

In den Arbeitsgebieten für Körperschaften und Personengesellschaften ergeben sich geringere Beanstandungsquoten von unter 30 %.

Die niedrigste Beanstandungsquote ist im Bereich der Arbeitnehmerveranlagung zu verzeichnen, was sich im Wesentlichen mit dem grundsätzlich geringeren Umfang und der weniger komplizierten Rechtslage erklären lässt.

2.2 Finanzielles Ergebnis der Prüfungsfeststellungen

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Das gesamte finanzielle Ergebnis der Prüfungsfeststellungen beläuft sich bei wirtschaftlicher Betrachtung, d. h. im Saldo von Mehr- und Mindersteuern, auf 22,5 Mio. €. Knapp die Hälfte dieses Betrages konnte wegen der Bestandskraft der Steuerbescheide oder der Verjährung des Steueranspruchs nicht mehr realisiert werden und fiel somit für die öffentlichen Haushalte endgültig aus. Unter dem Aspekt der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns ergibt sich ein Gesamtfehlervolumen in Höhe von 29,8 Mio. €. Je beanstandetem Fall beträgt das durchschnittliche Fehlervolumen damit 6.906 €.

Bei den Arbeitsgebieten für natürliche Personen ergibt sich ein addiertes Fehlervolumen je beanstandetem Fall von 5.240 €, bei den Arbeitsgebieten für Körperschaften von 14.342 € und bei den Arbeitsgebieten für Personengesellschaften von 27.926 €. Allerdings werden die Werte im Bereich der Arbeitsgebiete für Körperschaften und für Personengesellschaften wesentlich durch zwei Einzelfälle mit Mehrergebnissen in Millionenhöhe beeinflusst. Bleiben diese unberücksichtigt, ergeben sich dennoch Beträge, die über denen der Arbeitsgebiete für natürliche Personen liegen (Körperschaften: 7.426 €; Personengesellschaften: 8.249 €). Im Bereich der Arbeitnehmerveranlagung wird mit 1.131 € Fehlervolumen je beanstandetem Fall erneut der niedrigste Wert ermittelt.

3 Fehleranalyse

3.1 Rechtsanwendungs- und Bearbeitungsfehler

Eine Analyse der Beanstandungen zeigt neben reinen Rechtsanwendungsfehlern einen hohen Anteil an Feststellungen, die auf eine oberflächliche oder nicht konsequente Fallbearbeitung zurückzuführen sind. Solche Beanstandungen werden im Folgenden als Bearbeitungsfehler bezeichnet.

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Mehr als zwei Drittel aller Beanstandungen mit einem Fehlervolumen von insgesamt 19,8 Mio. € beruhen auf einer unzutreffenden Anwendung des Einkommensteuergesetzes. Reine Bearbeitungsfehler wie Rechenfehler oder offenbare Unrichtigkeiten, die unzutreffende Auswertung von Grundlagenbescheiden sowie fehlerhafte Ansätze von Kirchensteuern im Bereich der Sonderausgaben und von Erstattungszinsen im Bereich der Kapitaleinkünfte machen mit rd. 20 % der Beanstandungen bei einem absoluten Fehlervolumen von 4,7 Mio. € einen erheblichen Anteil aus.

3.2 Aufteilung der Beanstandungen und des Fehlervolumens nach Einkunftsarten und sonstigen Bereichen des Einkommensteuergesetzes

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Auffallend ist das hohe Fehlervolumen bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb. Mehr als 45 % des Gesamtvolumens sind dieser Einkunftsart zuzuordnen. Allerdings wird dieses Ergebnis durch einen Einzelfall mit einem Fehlervolumen von allein 5,1 Mio. € wesentlich beeinflusst. Bleibt dieser Betrag unberücksichtigt, verbleibt ein anteiliges Fehlervolumen von 26,9 %, was alle anderen Bereiche dennoch weit übertrifft. Bezogen auf die relative Fehlerhäufigkeit liegt der Beanstandungsschwerpunkt dagegen eindeutig bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Mehr als ein Viertel aller Beanstandungen betrifft diese Einkunftsart.

Hauptfehlerquelle im Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ist - mit mehr als 54 % aller Beanstandungen - die Anwendung der Vorschriften zu den Absetzungen für Abnutzung (§§ 7, 7h, 7i EStG und Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz). Beachtliches Fehlerpotenzial findet sich auch bei der ertragsteuerlichen Erfassung von Umsatzsteuererstattungen und -zahlungen.

Bei der Bearbeitung der Einkünfte aus Kapitalvermögen, der Einkünfte aus Gewerbebetrieb und der Sonstigen Einkünfte liegt der Fehlerschwerpunkt in der Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens. Im Bereich der Sonstigen Einkünfte entfallen mehr als 64 % aller Beanstandungen auf diese Rechtsvorschrift.

Bei den Sonderausgaben dominieren die Feststellungen zum Vorwegabzug von Vorsorgeaufwendungen, bei den außergewöhnlichen Belastungen die Feststellungen zu den Unterhaltsleistungen.

4 Prüffeld Vermietung und Verpachtung

4.1 Vorbemerkung

Bereits in der Beratenden Äußerung zur „Organisation und Arbeitsweise der Veranlagungsstellen bei den Finanzämtern“ hatte der Rechnungshof festgestellt, dass die Bearbeitung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung am häufigsten fehlerhaft war. Die Steuerverwaltung hat hierauf reagiert und die Steuerfälle mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung vorübergehend als landesweites Prüffeld bei der Veranlagung bestimmt. Jeder Bedienstete der zuständigen Arbeitsgebiete war von der Oberfinanzdirektion angewiesen, zehn Fälle mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der Veranlagungszeiträume 2003 oder 2004 intensiv zu prüfen und die erzielten Mehr- oder Minderergebnisse maschinell aufzeichnen zu lassen. Begleitend hierzu waren im Jahr 2004 Fortbildungen in Form von Qualitäts-Workshops durchgeführt worden. Die von der Oberfinanzdirektion vorgenommene Auswertung der Aufzeichnungen aus dem Zeitraum März 2005 bis Februar 2006 ergab, dass 31.205 Steuerfälle in die Überprüfung einbezogen und hierbei Mehreinkünfte von rd. 78 Mio. € erzielt wurden. Die daraus resultierenden Steuermehreinnahmen schätzte die Oberfinanzdirektion auf 23,4 Mio. €. Mit Ablauf des Monats Februar 2006 wurde die Aktion beendet.

Um den Erfolg des Prüffeldes im Hinblick auf die Bearbeitungsqualität bewerten zu können, haben die staatlichen Rechnungsprüfungsämter neben den unter Pkt. 2 aufgeführten Fällen zusätzlich 323 Steuerfestsetzungen aus diesem Prüffeld untersucht. Dabei hat sich herausgestellt, dass die intensiv zu prüfenden Fälle durch die Finanzämter auf sehr unterschiedliche, teilweise nicht mehr nachvollziehbare Weise ausgewählt wurden. Vereinzelt war erkennbar, dass Einkommensteuerveranlagungen erst dann als „Prüffeld-Fall“ erfasst wurden, wenn zuvor von den erklärten Besteuerungsgrundlagen abgewichen worden war.

Bei der nachfolgenden Betrachtung werden als Maßstab für die Bearbeitungsqualität - und damit für den Erfolg der Aktion - die Beanstandungsquote und die Höhe des von der Steuerverwaltung ausgeschöpften Berichtigungspotenzials herangezogen.

4.2 Feststellungen der staatlichen Rechnungsprüfungsämter

Die staatlichen Rechnungsprüfungsämter beanstandeten insgesamt 42 der 323 von den Finanzämtern eingehend geprüften Fälle. Dies entspricht einer Beanstandungsquote von 13 %. Demgegenüber betrug die Beanstandungsquote bei den Fällen mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, die nicht in diese Schwerpunktprüfung einbezogen wurden, mehr als 20 %.

Das Gesamtberichtigungspotenzial in den beanstandeten Fällen betrug 703.014 € und wurde zu mehr als 94 % von den Veranlagungsstellen ausgeschöpft. Im Vergleich dazu wurde bei der Prüfung der Organisation und Arbeitsweise der Veranlagungsstellen bei den Finanzämtern ein Wert von lediglich 60 % ermittelt.

Hieraus ist erkennbar, dass bei den umfassend geprüften Einkünften aus Vermietung und Verpachtung eine beachtliche Qualitätsverbesserung erzielt werden konnte.

5 Schlussfolgerungen

Die Qualität der Bearbeitung von größeren und risikobehafteten Steuerfällen ist unbefriedigend. Dies führt zu hohen Steuerausfällen. Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Sie wurden vom Rechnungshof zuletzt in seiner Beratenden Äußerung vom März 2002 ausführlich dargelegt. An dieser Sachlage hat sich, wie die neuen Untersuchungen der Rechnungsprüfungsämter aufzeigen, wenig geändert. Einer der Hauptgründe für die bedenkliche Arbeitsqualität ist nach Auffassung des Rechnungshofs das komplizierte und sich ständig ändernde Steuerrecht. Offenkundig wird dies beim Halbeinkünfteverfahren, dessen mangelhafte Anwendung bei drei von sieben Einkunftsarten Hauptfehlerquelle ist.

Eine weitere Ursache der Bearbeitungsdefizite ist nach Auffassung des Rechnungshofs, dass den Bearbeitern für die eigentliche Steuerfestsetzung nur etwa ein Drittel der gesamten Arbeitszeit verbleibt . Deutlich wird dies auch an der Vielzahl der Fehler, deren Ursache nicht in der Rechtsanwendung, sondern in einer oberflächlichen Bearbeitungsweise (Bearbeitungsfehler) zu finden ist. Wird wie beim Prüffeld Vermietung und Verpachtung mehr Zeit investiert, zeigt sich eine deutliche Steigerung der Arbeitsqualität.

6 Vorschläge

6.1 Vereinfachung des Steuerrechts

Mehrfach hat der Rechnungshof das komplizierte und praxisfeindliche Steuerrecht als eine der Hauptursachen für die unzureichende Besteuerungssituation genannt. Zwar kann Baden-Württemberg hieran in eigener Zuständigkeit nichts ändern, gleichwohl sollte jede Gelegenheit genutzt werden, auf Bundesebene dazu beizutragen, Steuergesetze zu vereinfachen und damit transparenter und anwendungsfreundlicher zu machen. Der Tendenz zur weiteren Verkomplizierung und hohen Änderungsfrequenz sollte entschlossen entgegengewirkt werden.

6.2 Qualitätssicherung

Nach Auffassung des Rechnungshofs sollten die Bemühungen um die Einführung eines maschinellen Risikomanagementsystems, verbunden mit einer vollmaschinellen Bearbeitung risikoarmer Fälle, wie sie im Rahmen des Projekts KONSENS vorgesehen ist, verstärkt und beschleunigt werden. Gerade aufgrund der bereits erfolgten Stelleneinsparungen und der dadurch äußerst angespannten Personallage ist es notwendig, das verbliebene Personal von risikoarmen Fällen zu entlasten und die so gewonnene Zeit effektiv für die intensive Bearbeitung risikobehafteter Fälle einzusetzen. Diese Maßnahme kann jedoch nach Auffassung des Rechnungshofs nur dann zu einer Verbesserung der Einnahmesituation führen, wenn beim weiteren Personalabbau in der Landesverwaltung die besondere Lage der Steuerverwaltung angemessen berücksichtigt wird.

6.3 Beibehaltung des Prüffeldes Vermietung und Verpachtung

Wie die Ergebnisse zeigen, haben die Bemühungen der Finanzverwaltung um eine Qualitätsverbesserung in diesem Bereich zu ersten Erfolgen geführt. Das vorhandene Berichtigungspotenzial wurde von den Finanzämtern in sehr hohem Maße ausgeschöpft. Für den Rechnungshof ist nicht nachvollziehbar, dass dieses Prüffeld aufgegeben wird, da bislang lediglich zwei Prozent aller entsprechenden Fälle einer eingehenden Prüfung durch die Finanzämter unterzogen wurden. Der Rechnungshof empfiehlt daher dringend, die Vermietungseinkünfte als Prüfungsschwerpunkt beizubehalten. Dazu sollte eine risikoorientierte Fallauswahl erfolgen. Würden die Auswahlkriterien einheitlich vor der Fallbearbeitung festgelegt, könnte damit eine noch aussagekräftigere Analyse der erzielten Ergebnisse und eine Fortentwicklung der Qualitätssicherung erreicht werden.

6.4 Fortbildung der Bediensteten

Der Rechnungshof hat bereits mehrfach gefordert, Fortbildungsmaßnahmen in fachtheoretischen Bereichen weiter zu verstärken. Der Erfolg dieser Maßnahmen sollte zeitnah evaluiert werden, um gegebenenfalls Mängel zu erkennen und Nachschulungen in Form von anwendungsorientierten Workshops durchzuführen.

Richtige Ansätze wurden mit dem Einsatz eines „Qualitätssicherungsteams“ bei den Finanzämtern Reutlingen und Tübingen gemacht. Einerseits tragen diese durch Prüfung von Steuerbescheiden zur Qualitätssicherung bei, andererseits werden durch gezielte Coachingmaßnahmen, wie Workshops oder schriftliche Ausarbeitungen, Fehlerschwerpunkte aufgegriffen und thematisiert. Qualitätssicherungsteams sollten daher baldmöglichst bei allen Finanzämtern des Landes eingerichtet werden.

6.5 Beseitigung von Medienbrüchen/DV-Unterstützung

Der hohe Anteil von Fehlern bei der Auswertung von Grundlagenbescheiden, dem Ansatz von Kirchensteuern und von Erstattungszinsen könnte schon allein durch die Beseitigung der Medienbrüche entscheidend gesenkt werden. Der Rechnungshof fordert daher zum wiederholten Male dieses Ziel dringend weiter zu verfolgen.

7 Stellungnahme des Ministeriums

Das Finanzministerium sieht die Feststellungen des Rechnungshofs als zutreffend und verallgemeinerungsfähig an. Obgleich seine Möglichkeiten zur Einflussnahme eingeschränkt seien, werde sich das Land bei jeder Gelegenheit für eine durchgreifende Vereinfachung des Steuerrechts einsetzen. Im Übrigen bemühe sich die Finanzverwaltung im Hinblick auf die Forderungen des Rechnungshofs, den Einsatz von Risikomanagementsystemen zu beschleunigen, die DV-Unterstützung zu verbessern, Medienbrüche zu beseitigen und die Fortbildungskonzepte weiter zu optimieren.

Hinsichtlich der vom Rechnungshof geforderten Wiederaufnahme des Prüffeldes Vermietung und Verpachtung verweist das Finanzministerium darauf, dass inzwischen ein neues Prüffeld eingeführt sei und dass es ein Nebeneinander zweier landesweiter Prüffelder für nicht realisierbar halte. Dies gründe vor allem in dem insgesamt zu bewältigenden Arbeitspensum und der aufwendigen Bearbeitungsweise bei intensiv zu prüfenden Einkünften. Zudem hätten die Schulungen zu einer Sensibilisierung der Bearbeiter für typische Fehlerquellen im Bereich der Vermietungseinkünfte geführt, was auch ohne explizites Prüffeld in künftige Veranlagungszeiträume nachwirke - ebenso wie der durch das frühere Prüffeld erzielte erzieherische Effekt gegenüber den Steuerpflichtigen und Steuerberatern. Dennoch schließt das Finanzministerium nicht aus, den fehleranfälligen Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu gegebener Zeit erneut zum landesweiten Prüffeld zu erheben.

8 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof verkennt nicht die angespannte Personalsituation und die daraus resultierenden Kapazitätsprobleme in der Veranlagung. Gleichwohl sollte es - bei einer monatlichen Belastung von nur einem Fall je Prüffeld - möglich sein, ein zweites Prüffeld parallel weiterzuführen. Dies gilt umso mehr, als die Mitarbeiter des mittleren Dienstes am Prüffeld 2007 nicht beteiligt werden.

Landesweite Prüffelder sind erklärtermaßen ein zentraler Ansatz der Verwaltung, die Bearbeitungsqualität zu verbessern. Der Rechnungshof hält diesen Ansatz für sinnvoll und richtig. Um eine signifikante Verbesserung der Arbeitsqualität zu erreichen, sollte es jedoch möglich sein, mehr als nur einen Fall je Monat intensiv zu bearbeiten. Der vom Finanzministerium postulierte erzieherische Effekt gegenüber den Steuerpflichtigen und Steuerberatern tritt nicht ein, wenn nur zwei Prozent der entsprechenden Fälle eingehend geprüft werden. Selbst erste Ansätze eines solchen Effektes dürften unter diesen Umständen nach Beendigung des Prüffelds ihre Wirkung rasch verlieren. Zudem reicht die Sensibilisierung der Bediensteten hinsichtlich der typischen Fehlerquellen für sich allein nicht aus, um die Arbeitsqualität nachhaltig zu verbessern. Vielmehr bedarf es hierzu einer gründlichen Prüfung der Steuerfälle einschließlich der Belege und der sonstigen Nachweise. Der Rechnungshof hält es demzufolge für geboten, bei der Festlegung neuer landesweiter Prüffelder das erwiesenermaßen erfolgreiche Prüffeld Vermietung und Verpachtung neben dem aktuellen Prüffeld bis auf Weiteres fortzusetzen.


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Einige der Mensen, die in den Siebzigerjahren für Fachhochschulen und Pädagogische Hochschulen errichtet wurden, sind zu groß und können von den Studentenwerken nicht wirtschaftlich betrieben werden. An vier Standorten wurden sie durch Neubauten ersetzt, obwohl auch andere, kostengünstigere Lösungen möglich gewesen wären. Umfassende Wirtschaftlichkeitsberechnungen unter Berücksichtigung der Investitions- und Folgekosten wurden nicht durchgeführt.


1 Ausgangslage

In den Siebzigerjahren wurden für Fachhochschulen und Pädagogische Hochschulen Mensen gebaut, die zu groß geplant waren, weil man mit unrealistischen Studenten-Zuwachszahlen gerechnet hatte. Da diese Mensen zu unwirtschaftlichen Betriebsabläufen und Verlusten bei den Studentenwerken führten, wurden teilweise Flächen für andere Zwecke umgenutzt, teilweise aufwendige Sanierungen und Umbauten der Küchen und Betriebsräume vorgenommen. Dennoch besteht seit Jahren die Forderung des Wissenschaftsministeriums, wirtschaftlichere Betriebsabläufe zu schaffen, um den Kostendeckungsgrad in der Essensversorgung deutlich zu verbessern.

Die Nutzungsanforderungen der Studentenwerke und die Untersuchungen der staatlichen Vermögens- und Hochbauverwaltung führten an vier Standorten zur Entscheidung, neue Mensen zu errichten. Der Rechnungshof und die staatlichen Rechnungsprüfungsämter Karlsruhe und Stuttgart haben die vier Neubauvorhaben in Esslingen, Villingen-Schwenningen, Karlsruhe und Schwäbisch Gmünd geprüft. In zwei Fällen trafen das Wissenschafts- und das Finanzministerium die Entscheidung für Neubauten, obwohl durch Umbau der vorhandenen Mensen eine wirtschaftliche Essensversorgung mit deutlich geringeren Investitionsausgaben und günstigeren Folgekosten für das Land möglich gewesen wäre. Bei innerstädtischen Lagen, wie in Esslingen oder Schwenningen, hätte zudem überlegt werden können, anstelle der Neubauten auf das Angebot der örtlichen Gastronomie zurückzugreifen.

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Die Gesamtinvestition für die vier Neubaumaßnahmen beläuft sich auf 17,2 Mio. €; dies sind bei insgesamt geschaffenen 4.020 m² Nutzfläche im Durchschnitt 4.280 €/m². Auf der Grundlage gebauter Objekte betragen nach den Kostenplanungsinstrumenten (PLAKODA) der Vermögens- und Hochbauverwaltung die Vergleichskosten 4.400 €/m². Jeder der insgesamt geschaffenen 1.131 Essensplätze erfordert Investitionsausgaben von durchschnittlich 15.200 €. Die baulichen Nutzungskosten (Kapital- und Instandsetzungskosten, ohne die von den Studentenwerken als Nutzer zu tragenden Betriebskosten) für die vier Projekte sind nach PLAKODA mit 235 €/m² Nutzfläche und Jahr anzusetzen, zusammen also mit 945.000 €. Jeder Essensplatz kostet damit allein durch die baulichen Nutzungskosten (ohne Betriebskosten) jährlich im Durchschnitt 835 €.

2 Mensa für die Hochschulen für Sozialwesen und Technik in Esslingen

In den Siebzigerjahren wurde am Standort Flandernstraße (früher Pädagogische Hochschule, Hochschule für Sozialwesen) eine schon in der Bauphase weit überdimensionierte Mensa errichtet, die in den letzten Jahren in Teilbereichen stillgelegt wurde. Dennoch sorgen die nicht mehr zeitgemäßen Betriebsabläufe nach wie vor für einen unbefriedigenden Kostendeckungsgrad. Am Standort Stadtmitte (frühere Fachhochschule für Technik) gab es bisher lediglich eine behelfsmäßige Mensa und eine Cafeteria.

Die staatliche Vermögens- und Hochbauverwaltung hat für die Essensversorgung der Standorte Stadtmitte und Flandernstraße verschiedene Varianten geprüft und sich für den Neubau einer Relais-Mensa am Standort Stadtmitte mit gleichzeitigem Weiterbetrieb einer verkleinerten Voll-Mensa am Standort Flandernstraße entschieden.

Die wegen der damaligen Fehlplanung erforderliche teilweise Umnutzung des Mensagebäudes Flandernstraße wird weitere erhebliche Investitionen erfordern.

Für den Neubau am Standort Stadtmitte sind (ohne Kosten für die Einrichtung) Gesamtbaukosten von 2,8 Mio. € veranschlagt. Sie liegen mit 4.610 €/m² Nutzfläche am oberen Ende der vier vom Rechnungshof untersuchten Maßnahmen. Die hohen Kosten sind teilweise auf standortbedingte Aufwendungen (der Bau wird auf landeseigenem Gelände auf einer bestehenden Tiefgarage errichtet), aber auch auf Aufwendungen für verlorene Planungen zurückzuführen. Bei der Planung des Neubaus wurden aufgrund der schwierigen bauplanungsrechtlichen Situation (z. B. denkmalschutzrechtliche Belange) mehrere Umplanungen erforderlich. Durch Standardabsenkung, insbesondere im Bereich der technischen Gebäudeausrüstung, wäre nach Berechnungen des Rechnungshofs - auch unter Berücksichtigung der Betriebskosten - dennoch ein günstigeres Kostenniveau erreichbar gewesen.

Die Baumaßnahme wird nach dem bis 2006 geltenden Hochschulbauförderungsgesetz zu 50 % vom Bund mitfinanziert. Der Landesanteil wird durch einen Zuschuss des Wissenschaftsministeriums aus Investitionsmitteln für das Studentenwerk erbracht. Baubeginn war im Frühjahr 2006.

Alternativen für den Neubau wurden nicht ernsthaft in Erwägung gezogen. So wäre es überlegenswert gewesen, eine Kooperation mit den Gastronomiebetrieben der nahen Innenstadt zur Essensversorgung der Studierenden einzugehen, um die hohen Investitionsausgaben und Folgekosten einzusparen. Diesen Weg hat das Studentenwerk Ulm für die Hochschule Biberach beschritten.

3 Mensa für die Berufsakademie Villingen-Schwenningen und die Außenstelle Schwenningen der Hochschule Furtwangen

Der Neubau der Mensa wird auf dem ehemaligen Kienzle-Areal in Schwenningen erstellt und ist Teil einer städtebaulichen Gesamtplanung, die auch die Gebäude der Berufsakademie mit einschließt. Der Bau wurde beschlossen, weil den Studierenden für die Essensversorgung bisher nur ein Provisorium zur Verfügung stand.

Die Gesamtbaukosten (ohne Kosten für die Einrichtung) belaufen sich auf 4,3 Mio. €. Hieraus errechnen sich spezifische Baukosten von 4.352 €/m² Nutzfläche. Sie liegen im Mittelbereich der untersuchten Objekte. Infolge der städtebaulichen Randbedingungen und des Erhalts des wertvollen Baumbestandes auf dem Baugelände war eine Anordnung von Mensa und Cafeteria auf einer Ebene nicht möglich. Hinzu kam die Forderung des Studentenwerks, die beiden Funktionsbereiche baulich und betrieblich zu trennen, um die Cafeteria autark, evtl. über einen privaten Pächter, betreiben zu können. Die Trennung der beiden Funktionsbereiche hat allerdings zu einem erhöhten Anteil der Funktionsflächen und zu überdurchschnittlich hohen Technikkosten geführt.

Auch an diesem Standort wäre anstelle einer Neubaumaßnahme die Alternative einer Essensversorgung durch die private Gastronomie in der nahen Innenstadt überlegenswert gewesen.

4 Mensa für die Hochschule Karlsruhe

Das vorhandene Mensagebäude, das auch die Aula und weitere Räume der Hochschule beinhaltet, wurde in den Sechzigerjahren für die damalige Fachhochschule und die Pädagogische Hochschule überdimensioniert und mit überproportionalen Erschließungs- und Verkehrsflächen erbaut. Die Mensa im 1. OG sowie die Betriebsräume und eine kleine Cafeteria im EG gruppierten sich um die im Kern liegende Aula und weitere Räume. Um die Kapazitäten den steigenden Studierendenzahlen der Fachhochschule sowie für die Studierenden der Pädagogischen Hochschule und der Akademie der Bildenden Künste anzupassen, wurde immer wieder umgebaut. So wurde Mitte der Siebzigerjahre ein ehemaliger Fahrradkeller zu einer zweiten, nahezu selbstständig arbeitenden Mensa ausgebaut, die inzwischen als Cafeteria genutzt wird.

Nachdem sich der Rechnungshof 1993 mit der Wirtschaftlichkeit mehrerer Mensen befasst hatte , analysierte das Wissenschaftsministerium mit den Studentenwerken im Zuge eines Mensen-Betriebsvergleichs auch die Mensa in Karlsruhe und stellte einen erheblichen Sanierungs- und Erweiterungsbedarf fest. Zusammen mit dem Bauamt wurde eine Nutzungskonzeption erarbeitet, deren Realisierung aber an fehlenden Finanzierungsmöglichkeiten scheiterte. Provisorische Maßnahmen brachten zwar Verbesserungen, konnten aber das Problem der Aufsplitterung über verschiedene Ebenen und unwirtschaftlicher Betriebsabläufe nicht beheben.

Im Jahr 2000 kam es zu dem Vorschlag, einen Neubau zu errichten, der alle modernen Entwicklungen in der Essensversorgung berücksichtigen sollte und gleichzeitig die Möglichkeit eröffnen würde, die frei werdenden Flächen für andere Nutzungen, u. a. zu Verbesserungen im Bereich der zu klein gewordenen Aula, zur Verfügung zu stellen. Grundlage für die Neubauplanung war die Ausbauzielzahl des Wissenschaftsministeriums von 5.500 Studierenden. Bei einem Anteil von etwa einem Drittel Essensteilnehmer sollten 1.800 Studierende verpflegt werden. Bei einem vierfachen Platzwechsel ging man damals von 460 Essensplätzen mit einem Flächenbedarf von 1.670 m² Nutzfläche aus.

Dieser Bedarf hätte aus Sicht des Rechnungshofs problemlos und auch unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte sowie weiterer Nutzungen auf der ohnehin zur Verfügung stehenden Fläche abgedeckt werden können. Hinzu kommt, dass bei aktuell etwa 7.500 Studierenden der Hochschule, der Pädagogischen Hochschule und der Akademie der Bildenden Künste in der mittlerweile fertig gestellten neuen Mensa wegen der knapp bemessenen Mittagszeit bei mittlerweile 480 Essensplätzen lediglich etwa 1.400 Essensteilnehmer versorgt werden können, also nur knapp 19 % der Studierenden. Dieses Defizit soll dadurch kompensiert werden, dass ein zusätzliches Angebot durch eine Automaten-Cafeteria im Untergeschoss des Altbaus geschaffen wird. Die früher beklagte Aufsplitterung der Essensversorgung, die einer der Hauptgründe für die Neubauentscheidung war, wird dadurch auf Dauer verfestigt.

Das neue Gebäude ist mit Baukosten von 7,2 Mio. € veranschlagt. Auch hier beteiligt sich der Bund mit 50 % an den Kosten, 50 % trägt das Land aus Investitionsmitteln des Wissenschaftsministeriums für die Studentenwerke. Mit etwa 14.900 € je Essensplatz ist dieser Neubau - im Verhältnis zu den anderen untersuchten Objekten - am günstigsten, was u. a. auf die Größe des Objekts und damit das günstigere Verhältnis von Speiseraumfläche zu Betriebsfläche zurückzuführen ist. Es kann auch davon ausgegangen werden, dass der Neubau zu einer deutlichen Verbesserung der Betriebsergebnisse, d. h. zu einer Reduzierung der Unterdeckung, führen wird. Der Rechnungshof beanstandet jedoch, dass die Alternative „Umbau und Sanierung des Altbaus“ nicht ernsthaft in Erwägung gezogen wurde. Eine Konzentration in Form einer „Menseria“ einschließlich Küchenbereich auf einer Ebene des vorhandenen Gebäudes in Verbindung mit der vorhandenen, autark zu betreibenden Cafeteria im Untergeschoss hätte zwar nicht in allen Punkten zu optimalen Betriebsabläufen geführt; sie hätte aber in dieser Form der Konzeption des Neubaus in Schwenningen entsprochen und nach Einschätzung des Rechnungshofs maximal nur ein Drittel des jetzigen Neubaus gekostet.

5 Mensa für die Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd

Die Mensa für die neue Pädagogische Hochschule wurde Anfang der Siebzigerjahre in Betrieb genommen. Für die nach dem damaligen Hochschulgesamtplan erwarteten 3.200 Studierenden wurde die Mensa mit einer Kapazität von täglich 2.400 Essen geplant. Schon in der Bauphase erwiesen sich diese Zahlen als deutlich überzogen, sodass die Küchenkapazität wegen Reduzierung der künftigen Studierendenzahlen auf 1.200 Essen, also um die Hälfte, zurückgenommen wurde. Der Speisesaal hatte zuletzt 400 Plätze.

Das Bemühen um mehr Wirtschaftlichkeit führte zu einer Reihe von Vorschlägen zu baulichen Verbesserungen. Im Jahr 2000 ergab eine Untersuchung des Bauamts und des Studentenwerks, dass nach einem entsprechenden Umbau der komplette Herstellungs- und Gastbetrieb im bisherigen Vorbereitungs- und Küchenbereich der Mensa kostengünstig abgewickelt und der bisherige Speisesaal vollständig aufgegeben werden könnte. Die Planung war an dem Rückgang der Essenszahlen ausgerichtet (im Jahr 2000 nur noch 250 Essen, also gut 10 % der ursprünglichen Planung).

Die frei werdenden Räume waren zur Nutzung durch die Pädagogische Hochschule vorgesehen. Die Kosten für den Umbau bezifferte das Bauamt auf 0,6 Mio. €. Durch erweiterte Planungen, insbesondere für die Neugestaltung der Außenhülle, erhöhte sich diese Summe auf 1,3 Mio. €. Aus heutiger Sicht hätten für die Umbaumaßnahme etwa 1,5 Mio. € aufgewendet werden müssen.

Alternativ wurde für die Mensa ein Neubau erwogen, für den zunächst Kosten von 2,5 Mio. € geschätzt wurden. Ausschlaggebendes Argument hierfür war, dass sich der Bund bei einem Neubau, im Gegensatz zu einer Umbaulösung, mit 50 % an der Finanzierung beteiligen würde. Das vorhandene Mensagebäude sollte für Zwecke der Pädagogischen Hochschule bzw. des Pädagogischen Fachseminars umgebaut werden. Die Kosten hierfür wurden auf zusätzliche 3,8 Mio. € geschätzt.

Der Neubau für nunmehr 500 Essensteilnehmer mit 125 Plätzen in der Mensa (bei vierfachem Platzwechsel) und weiteren 63 Plätzen in der Cafeteria wurde 2005/2006 direkt neben der alten Mensa errichtet. Er hat im September 2006 seinen Betrieb aufgenommen. Die genehmigten Baukosten (ohne nutzerseitige Kosten für die Einrichtung) betragen 2,7 Mio. €. Hinzu kommen allerdings Kosten für die verlorenen Planungen aus der Vorphase, sodass sich die Kosten auf insgesamt rd. 3 Mio. € belaufen. Mit 4.340 €/m² Nutzfläche liegen sie im mittleren Bereich der untersuchten Objekte.

In den ersten Monaten seit der Eröffnung hat sich die Zahl der täglichen Essen (Essenskomponenten umgerechnet auf Stammessen) nach Angabe des Studentenwerks auf rd. 350 eingependelt; das entspricht 70 % der ursprünglichen Annahme. In dieser Zahl sind sogar noch Schülerinnen und Schüler einer benachbarten Schule enthalten.

Wenn auch anerkannt wird, dass mit dem Neubau ein höherer Kostendeckungsgrad für den Betreiber erreicht wird, beanstandet der Rechnungshof auch hier, dass die Entscheidung für den Neubau getroffen wurde, ohne die Alternative „Umbau und Ertüchtigung der vorhandenen Mensa“ ernsthaft in eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung einzubeziehen. Mit einer sinnvollen Planung wäre eine Optimierung der Mensen im Altbau möglich gewesen, die gegenüber der Neubaulösung um etwa 1,3 Mio. € günstiger gewesen wäre.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Nachfolgenutzung des Altbaus weitere erhebliche Landesmittel binden wird. Allerdings hat die Prüfung des Staatlichen Rechnungsprüfungsamtes Stuttgart dazu geführt, dass anstelle der ursprünglichen Planung für Erweiterungsräume der Pädagogischen Hochschule jetzt nur noch eine Minimallösung mit geschätzten Kosten von maximal 500.000 € realisiert werden soll. Aber auch diese Lösung wird eine weitere Erhöhung der Betriebskosten zur Folge haben.

6 Stellungnahme des Finanzministeriums

In seiner mit dem Wissenschaftsministerium abgestimmten Stellungnahme betont das Finanzministerium, dass für die verschiedenen Standorte mehrere Varianten geprüft und das jeweils tragfähigste Konzept umgesetzt worden seien. In Esslingen und auch in Schwenningen sei eine Essensversorgung von mehreren 100 Personen zu Stoßzeiten durch die örtliche Gastronomie nicht leistbar. In Karlsruhe seien verschiedene Varianten für einen Umbau untersucht worden; es sei aber in der vorhandenen Gebäudestruktur kein wirtschaftliches Betriebskonzept möglich. In Schwäbisch Gmünd solle mit der Neubaulösung zugleich eine strukturelle Verbesserung der Pädagogischen Hochschule im Bestand ermöglicht werden. In den frei werdenden Flächen im Altbau solle mit minimalem Kostenaufwand ein „didaktisches Zentrum“ eingerichtet werden.

Die Ministerien weisen darauf hin, dass gemäß dem Studentenwerksgesetz die Essensversorgung zu den sozialen Aufgaben der Studentenwerke gehöre. Die hier angebotene preisgünstige, zuverlässige und schnelle Verpflegung könne eine örtliche Gastronomie nicht leisten. Für kleinere Mensen sei allerdings die Übertragung der Zuständigkeit der Essensversorgung an einen privaten Betreiber durchaus denkbar und werde standortbezogen geprüft.

7 Schlussbemerkung

Nachdem sich das Wissenschaftsministerium und das Finanzministerium aber für eine Optimierung der Essensversorgung durch verbesserte und zeitgemäße Betriebsabläufe in Mensen entschieden haben, wären nach § 7 Landeshaushaltsordnung tragfähige Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen erforderlich gewesen, um die für Bau und Betrieb günstigste Variante zu ermitteln. Nach Einschätzung des Rechnungshofs wäre in Schwäbisch Gmünd und auch in Karlsruhe die Variante „Umbau/Ertüchtigung des Altbaus“ die wirtschaftlichere Lösung gewesen.

Der Rechnungshof empfiehlt, die Umnutzung bzw. Modernisierung vorhandener Gebäude als Alternative zu Neubauten sowie auch privatwirtschaftliche Lösungen in die Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen einzubeziehen. Wenn bei diesem Vergleich eine Neubaulösung wirtschaftlich ist, sollte die Aufgabe bzw. Veräußerung der durch Neubauten frei werdenden Flächen verfolgt werden, um eine kostenintensive Flächenausdehnung zu vermeiden.


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Bei der Prüfung der Ausgaben des Programms "Virtuelle Hochschule Baden-Württemberg" hat sich gezeigt, dass dessen Ziele nur teilweise erreicht wurden, insbesondere wurden nur wenige nachhaltige Ergebnisse erzielt. Außerdem waren etwa 10 % der geprüften Ausgaben rechtlich bedenklich, unwirtschaftlich oder lagen außerhalb des Förderzwecks. Der Rechnungshof schlägt vor, aus diesen Erfahrungen Folgerungen für künftige Förderprogramme zu ziehen und die Gewährung von Projektmitteln stärker als bisher an das Erreichen explizit formulierter, messbarer Projektziele zu knüpfen. Außerdem ist durch geeignete Maßnahmen darauf hinzuwirken, dass Hochschulen Drittmittel aus öffentlichen Kassen nicht in rechtlich oder wirtschaftlich bedenklicher Weise verwenden.


1 Programm „Virtuelle Hochschule Baden-Württemberg“

Im Rahmen der „Zukunftsoffensive Junge Generation“ hat die Landesregierung 1997 das Förderprogramm „Virtuelle Hochschule Baden-Württemberg“ beschlossen, das sich an Hochschulen, Berufsakademien und wissenschaftliche Einrichtungen des Landes richtete und mit rd. 26 Mio. € - verteilt auf die Jahre 1998 bis 2003 - dotiert war.

In der Ausschreibung vom April 1997 formulierte die Landesregierung als Zielvorstellung, dass mit dem Programm „Virtuelle Hochschule“ die Hochschulen auf die strukturellen Änderungen vorbereitet werden sollten, die mit dem Einsatz neuer Medien in Lehre und Studium verbunden sind. Weiter hieß es im Text der Ausschreibung, man strebe an, „im Rahmen modellhafter Verbundprojekte die Rahmenbedingungen und Voraussetzungen der Gestaltung rechnergestützter und multimedialer Lehr- und Lernprozesse zu untersuchen und das Potenzial und die Möglichkeiten des Einsatzes rechnergestützter und multimedialer Lehr- und Lernprogramme in Lehre und Studium sowie in der wissenschaftlichen Weiterbildung zu entwickeln und zu erproben“.

Vorgesehen war die Förderung von zehn Verbundprojekten, an denen alle Hochschularten beteiligt sein sollten, sowie die Förderung eines Kompetenzzentrums. Ergänzt wurde das Programm durch die Förderung multimediagestützter Studiengänge.

Insgesamt wurden im Rahmen des Programms Fördergelder in Höhe von 23,2 Mio. € zugesagt und an die teilnehmenden Institutionen ausbezahlt.

2 Prüfung des Rechnungshofs

Der Rechnungshof hat die Verwendung der Fördermittel anhand einer Auswahl von fünf Teilprojekten und der Ausgaben für die zentrale Steuerung geprüft. Auf diese Projekte und die zentrale Steuerung entfielen insgesamt etwa 40 % der Fördersumme.

Im Einzelnen handelte es sich um

  • das Verbundprojekt „Virtualisierung im Bildungsbereich (VIB)“, das an vier Pädagogischen Hochschulen des Landes unter Federführung der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg durchgeführt wurde,

 

  • das Verbundprojekt „Virtueller Hochschulverband Karlsruhe (ViKar)“, an dem sich unter Federführung der Universität Karlsruhe fünf Karlsruher Hochschulen und die Berufsakademie Karlsruhe beteiligten,

 

  • das Verbundprojekt „VirtuGrade (Virtuelle Universität - Graduiertenausbildung an der Universität Tübingen)“,

 

  • das Projekt „digiMedia“ (Studienmodule zu digitalen Medien), das an der Hochschule Furtwangen durchgeführt wurde, sowie um

 

  • das vom Wissenschaftsministerium unmittelbar gesteuerte Projekt „Campus Online“.

Ziel der Prüfung war einerseits die Feststellung, ob die Fördermittel ordnungsgemäß und ihrem Zweck entsprechend ausgegeben wurden, andererseits eine Aussage darüber, ob die vom Programm beabsichtigten nachhaltigen Erfolge und Wirkungen erzielt werden konnten.

3 Erfolge und Misserfolge bei der Realisierung des Programms

Der Rechnungshof anerkennt das Bemühen des Wissenschaftsministeriums, die Projektmittel des Programms „Virtuelle Hochschule“ abweichend von den Konzepten anderer Bundesländer nicht in ein einziges großes Projekt zu investieren (z. B. die Schaffung eines landesweiten virtuellen Campus), sondern durch die Verteilung der Mittel auf mehrere Verbundprojekte eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit zu erreichen.

Positiv zu bewerten ist auch, dass während des fünfjährigen Projektverlaufs einige der begonnenen Teilprojekte wegen sich anbahnender Erfolglosigkeit oder Ineffizienz aus der Förderung herausgenommen wurden.

Gleichwohl ist nach dem Ergebnis der Prüfung des Rechnungshofs festzustellen, dass die mit dem Förderprogramm „Virtuelle Hochschule“ verbundenen Zielsetzungen der Landesregierung nur in sehr eingeschränktem Umfang erreicht wurden.

3.1 Wenig nachhaltige Ergebnisse

Die meisten Projektergebnisse wurden nicht - wie in der Ausschreibung des Programms vorgesehen - in den regulären Hochschulbetrieb überführt; die angestrebte Nachhaltigkeit ist bei den meisten Teilprojekten ausgeblieben. Einige Teilprojekte führten zu eher trivialen Ergebnissen; andere Teilprojekte endeten ohne greifbares Ergebnis. Es ist fiskalisch nur schwer zu rechtfertigen, wenn als „nachhaltiges Ergebnis“ eines mit mehreren hunderttausend Euro geförderten Teilprojekts die schlichte Kooperation zwischen Hochschulen oder das Sichvertrautmachen hoch qualifizierter Wissenschaftler mit den Möglichkeiten der Internetnutzung präsentiert werden. Die Kooperation zwischen den Hochschulen und das Sichvertrautmachen mit neuen Medien gehören zum normalen Leistungsbild, das von den Hochschulen in Baden-Württemberg und den dort beschäftigten Professoren auch ohne Einsatz zusätzlicher Fördermittel erwartet werden darf.

Die Hochschulen haben die Mehrzahl der Teilprojekte nach Ende des Förderzeitraums nicht - wie vorgesehen - in eigener Verantwortung weitergeführt. Zu einer Vermarktung von Projektergebnissen, wie sie im ursprünglichen Konzept angedacht war, ist es nicht gekommen.

Der Rechnungshof verkennt nicht, dass einige wenige Teilprojekte modellhaft neue Wege der Wissensvermittlung erschlossen haben und (in der Regel allerdings nur an der jeweiligen Hochschule) über das Jahr 2003 hinaus weitergeführt wurden; diese Projekte bilden jedoch im Kanon der untersuchten Teilprojekte eine Minderheit.

3.2 Fehlende Strategie

Ein Hauptmangel des Programms „Virtuelle Hochschule“ bestand darin, dass weder den einzelnen Projekten noch der Gesamtheit der Projekte eine erkennbare Strategie zugrunde lag. Die Hochschulen agierten gleichsam wie Gärtner, die sich mit mehr oder weniger großer Sorgfalt und hoher fachlicher Qualifikation um die Gestaltung ansprechender Beete bemühten, aber die Architektur des Gartens, den sie gestalten sollten, gar nicht erst in den Blick nahmen. Auch das Ministerium hat diese Aufgabe nur unzureichend wahrgenommen.

Auch dieser fehlenden strategischen Ausrichtung ist geschuldet, dass eine Reihe von Teilprojekten abgeschlossen wurde, ohne die vom Programm angestrebte nachhaltige Wirkung zu erzielen.

3.3 Zu hohe Kosten für die Projektbegleitung

Die Kosten für den zur Projektbegleitung und Projektsteuerung eingesetzten Programmbeirat waren überhöht. Abgesehen von der Entscheidung, einige Projekte nach Ablauf der halben Förderzeit einzustellen, gelang es dem Programmbeirat nicht, notwendige Korrekturen an den Teilprojekten zu bewirken und das Erreichen der in Aussicht genommenen Ziele zu sichern. Dies lag auch daran, dass sich die zur Projektbegleitung herangezogenen Experten viel zu wenig vor Ort um die Entwicklung der Projekte gekümmert haben.

Nicht gerechtfertigt war es, die vereinbarte Vergütung für die Betreuung des Programms durch ein externes Unternehmen im Laufe der Programmabwicklung ohne Not auf Anforderung des Vertragspartners nach oben anzupassen.

3.4 Individualismus statt Kooperation

Als besonders nachteilig für die Erreichung der Projektziele erwies sich beim Förderprogramm „Virtuelle Hochschule“ die an den Hochschulen des Landes offenbar gepflegte Kultur des Individualismus in der Lehre. In mehreren untersuchten Teilprojekten scheiterte die nachhaltige Verwendung der entwickelten Module daran, dass die Professoren, welche die Module entwickelt hatten, an eine andere Hochschule innerhalb oder außerhalb Baden-Württembergs berufen wurden und deren Nachfolger praktisch keinerlei Interesse an den Projektergebnissen ihrer Vorgänger zeigten.

Ähnliches gilt bei der Übernahme von Lehrmodulen durch andere Hochschulen, die nur dann gelang, wenn der Lehrende selbst im Wege des Lehrauftrags auch an der anderen Hochschule tätig wird oder wenn enge persönliche Beziehungen das Vertrauen schaffen, auf fremde Lehrkonzepte zurückzugreifen.

4 Unzulässige, unwirtschaftliche und zweckwidrige Ausgaben

Die Prüfung hat ergeben, dass etwa 10 % der Fördermittel, deren Verwendung der Rechnungshof geprüft hat, unter Verstoß gegen geltendes Recht oder unwirtschaftlich oder zweckwidrig ausgegeben wurden.

Im Folgenden werden einige typische Beispiele für solche Feststellungen benannt.

4.1 Unzulässige Personalausgaben

Bei einem Teilprojekt wurden zwei Studentinnen, die noch keinen Hochschulabschluss besaßen, nicht wie landesweit üblich und vorgeschrieben, als studentische Hilfskräfte, sondern als wissenschaftliche Mitarbeiterinnen nach der Vergütungsgruppe BAT III bezahlt. Ein anderer Mitarbeiter des Projekts wurde in einem Umfang beschäftigt, der sich auf das 1,38-Fache eines Vollzeitarbeitsverhältnisses summierte.

Bei einem anderen Teilprojekt wurde unter Einschaltung einer der Universität nahe stehenden GmbH die nach dem Hochschulrahmengesetz höchstmögliche Beschäftigungsdauer von fünf Jahren umgangen.

In zwei dieser Fälle hatte die zuständige Hochschulverwaltung sogar auf die rechtlichen Bedenken hingewiesen, die sich aus der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses ergeben. Die entsprechenden Verträge wurden gleichwohl abgeschlossen.

4.2 Unwirtschaftliche Ausgaben

Eine Reihe von Ausgaben hätte unterbleiben können, wenn die handelnden Hochschulen, bzw. im Falle des Projekts „Campus Online“ das Ministerium, rechtzeitig auf die Erkenntnis reagiert hätten, dass die mit den Ausgaben verbundenen Ziele nicht mehr erreicht werden konnten.

Wäre das letztlich gescheiterte Projekt „Campus Online“ zwei Jahre früher eingestellt worden, so hätten Mittel im Umfang von rd. 300.000 € eingespart werden können. Die Universitäten Mannheim und Heidelberg und die Landesrektorenkonferenz hatten das Wissenschaftsministerium rechtzeitig auf das absehbare Scheitern des Projektes hingewiesen.

4.3 Zweckwidrige Ausgaben

Der am häufigsten festgestellte Fehler bei der Bewirtschaftung der Fördermittel war die zweckwidrige Verwendung von Projektmitteln für Zwecke, die nichts mit dem Programm „Virtuelle Hochschule“ zu tun hatten.

So wurden an mehreren Hochschulen Mitarbeiter vollständig aus Projektmitteln vergütet, obwohl sie ausweislich der vom Rechnungshof eingesehenen Unterlagen auch für andere Vorhaben tätig waren. Gegen den Einsatz von Mitarbeitern in mehreren parallel laufenden Projekten einer Hochschule ist sachlich nichts einzuwenden, sie entspricht einer weit verbreiteten Praxis. Allerdings dürfen in diesen Fällen die Personalausgaben nur anteilig aus den Projektmitteln gedeckt werden.

In insgesamt 27 Fällen wurden Dienstreisen der beteiligten Wissenschaftler aus Projektmitteln der „Virtuellen Hochschule“ bezahlt, obwohl die Reisen keinen oder nur einen marginalen inneren Zusammenhang mit dem jeweiligen Verbundprojekt aufwiesen.

In einigen wenigen Fällen wurden Teilprojekte aus den Mitteln des Programms finanziert, die bei Beginn der Förderung längst liefen und bei denen der Förderzweck sich in einem bloßen Mitnahmeeffekt erschöpfte, der die Hochschule selbst oder andere Drittmittelgeber entlastete.

4.4 Rechtliche Konsequenzen

Der Rechnungshof hat das Wissenschaftsministerium aufgefordert, hinsichtlich der Ausgaben, die unter Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder außerhalb des Förderzwecks bewirkt wurden, Rückforderungsansprüche gegen die beteiligten Hochschulen geltend zu machen bzw. in Fällen vorsätzlicher Verstöße Regressansprüche gegen die handelnden Wissenschaftler zu prüfen.

Auch bei öffentlichen Drittmitteln handelt es sich um Steuergelder, mit denen verantwortlich und unter Beachtung geltenden Rechts umzugehen ist. Dies muss in Fällen nachgewiesener Rechtsverstöße auch zu Sanktionen führen.

5 Folgerungen für künftige Förderprogramme

Aus den Erfahrungen mit dem Förderprogramm „Virtuelle Hochschule“ sollten für künftige Programme Konsequenzen gezogen werden.

5.1 Leistung und Gegenleistung

Es hat sich gezeigt, dass sich die Hochschulen mit großem Engagement und Erfolg um die Akquisition von Projektmitteln bemühen, dass aber das Engagement bei der Realisierung der Projektziele nach Abschluss der Akquisitionsphase deutlich zurückgeht. Dieses Verhalten korrespondiert damit, dass die Projektmittel weitgehend ohne Rücksicht auf den späteren Projekterfolg bewilligt wurden.

Im Falle von Drittmitteln, die aus öffentlichen Haushalten finanziert werden, sollte überlegt werden, ob die Erreichung der Projektziele nicht zur Voraussetzung für die vollständige Auszahlung der Projektmittel gemacht werden kann. Dies könnte dadurch geschehen, dass ein beachtlicher Teil der Projektmittel von der Hochschule vorzufinanzieren ist und erst nach Abschluss und Evaluation des Projekts ausgezahlt wird. Im vorliegenden Fall hätte die Auszahlung der letzten Rate der Projektmittel an den Nachweis der Nachhaltigkeit der Projektergebnisse gebunden werden können.

Ein anderer Weg bestünde darin, anstelle der Bewilligung von Projektmitteln im Wege der Zuwendung Austauschverträge vorzusehen, bei denen die Projektmittel als Gegenleistung für die von den Hochschulen zu erbringenden Leistungen definiert werden. Dabei ist dem Rechnungshof bewusst, dass bei der Wahl dieses zweiten Weges möglicherweise eine Umsatzsteuerpflicht entsteht. Dies könnte aber im Interesse einer höheren Effizienz der eingesetzten Mittel in Kauf genommen werden. In diesem Falle könnten die Projektmittel - ungeachtet der Frage, welcher Aufwand im Einzelnen entstanden ist - als abstrakter Preis für die Gegenleistung vereinbart werden; die Frage, wie die Hochschule diese Mittel dann im Einzelnen verwendet, würde dann unerheblich, der bürokratische Abrechnungsaufwand (Verwendungsnachweise usw.) würde weitgehend entfallen.

5.2 Korrekter Umgang auch mit Drittmitteln

Die Hochschulen müssen deutlich darauf hingewiesen werden, dass auch bei der Bewirtschaftung von Drittmitteln aus öffentlichen Kassen arbeits- und haushaltsrechtliche Vorgaben zu beachten sind. Es handelt sich auch bei diesen Mitteln um Steuergelder, mit denen verantwortlich umzugehen ist.

Zur Disziplinierung der Hochschulen in diesem Bereich ist es erforderlich, dass von den finanziellen Sanktionen, die bei Rechtsverstößen vorgesehen sind, auch Gebrauch gemacht wird. Dem Wissenschaftsministerium kommt dabei eine besonders wichtige Rolle zu, die über die Aufgabe eines bloßen Programmmoderators hinausgeht.

5.3 Strategische Steuerung

Bei künftigen Programmen dieser Art muss die Landesregierung mehr Sorgfalt bei der strategischen Steuerung des Gesamtprojekts zeigen. Solche Programme bedürfen explizit formulierter, messbarer Ziele. Durch ein wirksames Programmcontrolling ist darauf hinzuwirken, dass diese Ziele erreicht werden.

Bewährt hat sich die im vorliegenden Fall praktizierte Zwischenevaluation, die zur Einstellung mehrerer ineffektiver Teilprojekte führte und dem Land unnötige Ausgaben in erheblichem Umfang erspart hat.

5.4 Mehr Austausch und Kooperation

Das Wissenschaftsministerium sollte auf eine Kulturveränderung an den Hochschulen hinwirken, die Kooperationen zwischen Hochschulen und zwischen Lehrenden zu einem selbstverständlichen Bestandteil des Leistungsbildes der Hochschulen und die gemeinsame Nutzung und den Austausch von Lehrmodulen von der Ausnahme zur Regel macht.

6 Stellungnahme des Ministeriums

Das Wissenschaftsministerium vertritt in seiner Stellungnahme die Ansicht, dass die geförderten Verbundprojekte grundsätzlich gute Arbeit geleistet hätten. Kein anderes Bundesland könne auf eine so große Bandbreite an Erfahrungen im Rahmen des Einsatzes virtueller oder teil-virtueller Lehre zurückblicken wie Baden-Württemberg.

Allerdings räumt das Ministerium ein, dass wichtige Ziele des Programms „Virtuelle Hochschule“ (z. B. die gemeinsame Nutzung verteilter Ressourcen und die Übernahme einzelner Lerneinheiten in den Alltagsbetrieb der Hochschulen) nicht bei allen Projekten im erwarteten Umfang und mit der gewünschten Effizienz erreicht wurden. Das übergeordnete Ziel des Programms, das Bewusstsein der Hochschulen und ihrer Angehörigen für das Potenzial und die Chancen der Nutzung der neuen Medien in der Hochschullehre zu entwickeln und daraus strukturbildende Aktivitäten zu entfalten, sei allerdings grundsätzlich erreicht worden.

Das Ministerium habe die Ergebnisse und Erfahrungen des Programms „Virtuelle Hochschule“ sorgfältig ausgewertet und beim neuen Förderprogramm „Master online“ die entsprechenden Konsequenzen gezogen. Es dürfe im Übrigen nicht übersehen werden, dass die Diskussion um die Implementierung der Programmergebnisse in den Hochschulalltag - mit einer gewissen Verzögerung - zu weiteren Initiativen der Hochschulen geführt habe. So habe die Rektorenkonferenz der Fachhochschulen einen Arbeitskreis Neue Medien eingerichtet; die Berufsakademien hätten einen gemeinsamen Medienentwicklungsplan formuliert und die Pädagogischen Hochschulen hätten sich zu einem gemeinsamen Lehrmanagement-System entschlossen und arbeiteten an einer Abstimmung ihrer Medienentwicklungspläne.

Das Ministerium teile die Einschätzung des Rechnungshofs, dass eine Projektförderung nur bei entsprechenden mentalen und strukturellen Rahmenbedingungen dazu führt, Strukturen nachhaltig zu verändern. Das Förderprogramm „Virtuelle Hochschule“ sei mit einem Grundproblem der deutschen Hochschulen konfrontiert gewesen, der mangelnden Einsicht in die Notwendigkeit strategischer Planung in der Lehre und Forschung. Die Erfahrungen mit der Exzellenzinitiative von Bund und Ländern zeigten, dass auch heute bei vielen Hochschulen die strategische Planung ihrer Entwicklung noch erheblich verbessert werden kann.

Zum Vorwurf der fehlenden Gesamtstrategie des Programms verweist das Ministerium auf seine grundlegende Entscheidung, zur Erhöhung der Erfolgswahrscheinlichkeit auf mehrere Verbundprojekte und in deren Rahmen auf mehrere Teilprojekte zu setzen. Im Übrigen habe man, wie der Rechnungshof zutreffend dargestellt habe, eine Reihe von Teilprojekten in der Mitte der Laufzeit abgebrochen, weil keine hinreichende Erfolgsaussicht mehr gegeben gewesen sei.

Zum Teilprojekt „Campus Online“ macht das Ministerium geltend, dass die seinerzeit ablehnende Haltung der Landesrektorenkonferenz eher als Willensbekundung der Hochschulen zu sehen sei denn als Hinweis auf die fehlende objektive Notwendigkeit einer zentralen Weiterbildungseinrichtung. Die Tatsache, dass nur wenige Hochschulen in Baden-Württemberg bisher überhaupt ein Weiterbildungsangebot entwickelt haben, spreche eher für als gegen die Notwendigkeit eines zentralen Angebots.


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Einzelplan 14: Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst

Das Bibliotheksservice-Zentrum Baden-Württemberg könnte wirtschaftlicher betrieben werden, wenn es Aufgaben abbaut, den Personalkörper den veränderten Aufgaben anpasst und sich über kostendeckende Entgelte seiner Nutzer finanziert. Das Land sollte eine Konzentration der deutschen Bibliotheksverbundsysteme unter einem Dach anstreben und dazu Verhandlungen mit den anderen Ländern aufnehmen.


1 Das Bibliotheksservice-Zentrum Baden-Württemberg

Das Bibliotheksservice-Zentrum Baden-Württemberg wurde im Jahr 1996 gegründet. Die Gründung ging auf einen Vorschlag zurück, den der Rechnungshof in seiner Denkschrift 1993, Nr. 4, Staatliche Bibliotheken im Umbruch, unterbreitet hatte.

Als Standorte des Bibliotheksservice-Zentrums wurden Konstanz und die Außenstelle Stuttgart festgelegt. In die Außenstelle Stuttgart wurden Mitarbeiter der Württembergischen Landesbibliothek übernommen, die bis dahin für die Betreuung des früheren Zentralkatalogs zuständig waren.

Aufbau und Organisation des Bibliotheksservice-Zentrums hat das Wissenschaftsministerium in einer Satzung geregelt, die zuletzt zum 06.03.2003 novelliert wurde.

Das Aufgabenspektrum des Bibliotheksservice-Zentrums umfasst im Wesentlichen vier Geschäftsfelder:

1. Betrieb einer bibliografischen Verbunddatenbank (Südwestdeutscher Bibliotheksverbund). An diesen Bibliotheksverbund sind mehr als 1.000 Bibliotheken in Baden-Württemberg, im Saarland und in Sachsen angeschlossen. Personell ist dieser Bereich mit 27,9 Vollzeitäquivalenten (VZÄ) ausgestattet.

2. Digitale Bibliothek: Entwicklung von Werkzeugen und Verfahren. In diesem Geschäftsfeld ist eine Vielzahl einzelner Projekte zusammengefasst (11,15 VZÄ).

3. Lokalsysteme: Komplettservice zur Einrichtung und zum Betrieb lokaler Bibliothekssysteme auf der Grundlage des Systems HORIZON. Dieser Service wird derzeit von 54 Bibliotheken im Land Baden-Württemberg in Anspruch genommen, insbesondere an Fachhochschulen, Pädagogischen Hochschulen und Berufsakademien (7,85 VZÄ).

4. MusIS: Aufbau eines einheitlichen Dokumentationssystems für die staatlichen Museen in Baden-Württemberg mit einer Ausstattung von 4,06 VZÄ.

Hinzu kommen die Leitungs- und Querschnittsfunktionen. Das Bibliotheksservice-Zentrum verfügt mithin über einen Personalbestand von 59,5 VZÄ, für die im Haushaltsplan 46,5 Stellen und Mittel für die Beschäftigung befristet angestellter Mitarbeiter zur Verfügung stehen. Insgesamt kostet die Einrichtung jährlich 6,4 Mio. € - davon entfallen auf das Geschäftsfeld Bibliotheksverbund 3,6 Mio. €, auf das Geschäftsfeld „Digitale Bibliothek“ 1,3 Mio. €, auf das Geschäftsfeld „Lokale Systeme“ 1,0 Mio. € und auf das Geschäftsfeld „MusIS“ 0,5 Mio. €.

2 Feststellungen und Bewertungen

Das Staatliche Rechnungsprüfungsamt Freiburg hat das Bibliotheksservice-Zentrum im Jahr 2006 geprüft. Die Schwerpunkte der Prüfung lagen beim Personaleinsatz und der Organisation. Dabei haben sich neben verschiedenen haushaltsrechtlichen Verstößen in den Bereichen Einnahmenbuchung, Belegwesen, Reisekostenabrechnung und Beschaffungen folgende wesentliche Feststellungen ergeben:

2.1 Außenstelle Stuttgart

Die Außenstelle Stuttgart des Bibliotheksservice-Zentrums ist aus dem ehemals bei der Württembergischen Landesbibliothek geführten Zentralkatalog hervorgegangen. Dieser hat für den heutigen Bibliotheksverbund nur noch wenig Bedeutung. Die ursprünglich in Zettelkatalogen erfassten Bestände sind heute weitgehend in digitaler Form im Verbundsystem nachgewiesen. Bei den noch nicht digitalisierten Daten handelt es sich hauptsächlich um Bestände in kirchlichem oder privatem Besitz.

Das bei der Außenstelle beschäftigte Personal setzt sich überwiegend aus ehemaligen Bediensteten der Landesbibliothek zusammen, die aus arbeitsrechtlichen Gründen oder mit Rücksicht auf die familiäre Situation der Bediensteten nicht nach Konstanz versetzt wurden. Das in Stuttgart vorgehaltene Personal (12,93 VZÄ) ist für die Arbeit des Bibliotheksservice-Zentrums weitgehend entbehrlich und sollte so schnell wie möglich abgebaut werden. Neben der natürlichen Fluktuation sind dabei auch Möglichkeiten der Versetzung oder Abordnung zu anderen Stuttgarter Einrichtungen (z. B. der Landesbibliothek, der Universitätsbibliothek oder der Staatsgalerie) zu prüfen.

Der Betrieb einer Außenstelle ist bei einer Einrichtung dieser Größenordnung unwirtschaftlich. Die Außenstelle Stuttgart kann daher nach erfolgtem Personalabbau aus der Sicht der Finanzkontrolle unverzüglich aufgelöst werden.

2.2 Personalstruktur

Die Aufgaben des Bibliotheksservice-Zentrums haben sich in den zehn Jahren seines Bestehens sehr gewandelt. Standen zu Beginn bibliothekarische Arbeiten im Vordergrund, so bestimmen heute weitgehend DV-Tätigkeiten die Arbeit des Bibliotheksservice-Zentrums.

Die Personalstruktur des Bibliotheksservice-Zentrums hat sich diesen gewandelten Anforderungen nicht in dem erforderlichen Maße angepasst. Nach wie vor handelt es sich bei mehr als der Hälfte der Mitarbeiter um Bibliotheksfachkräfte.

Der Rechnungshof schlägt vor, die Personalstruktur möglichst zügig an die gewandelten Anforderungen anzupassen.

2.3 Personalwirtschaft

Im Bibliotheksservice-Zentrum gibt es bislang weder eine Personalbedarfsberechnung noch eine aussagefähige Kosten- und Leistungsrechnung. Nach den Ergebnissen der Prüfung ist davon auszugehen, dass schon bei gegebener Aufgabenstellung eine Personalreduzierung um mindestens ein Drittel erreicht werden könnte.

Der Rechnungshof schlägt deshalb vor, umgehend eine Personalbedarfsberechnung zu erstellen und den Personalkörper den Ergebnissen dieser Bedarfsrechnung anzupassen.

2.4 Leistungsentgelte und Kostendeckung

Das Bibliotheksservice-Zentrum erbringt weit überwiegend Dienstleistungen für andere öffentliche und private Einrichtungen. Dafür werden nach Maßgabe einer vom Ministerium erlassenen Entgeltordnung Gebühren erhoben. Zahlreiche Leistungen erbringt das Bibliotheksservice-Zentrum für die angeschlossenen Bibliotheken entgeltfrei.

Nach Feststellung des Staatlichen Rechnungsprüfungsamtes Freiburg ergaben sich für die einzelnen Geschäftsfelder des Bibliotheksservice-Zentrums völlig unzureichende Kostendeckungsgrade, wie die Tabelle zeigt.

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Die ermittelten Kostendeckungsgrade gehen auch darauf zurück, dass keine hinreichenden Kalkulationsgrundlagen für die Entgelte, soweit sie erhoben werden, im Bibliotheksservice-Zentrum bestehen. Auch dafür ist eine Kosten- und Leistungsrechnung Voraussetzung.

Auch den Leistungen, die im Rahmen des Verbundes gegenüber teilnehmenden Bibliotheken aus Sachsen und aus dem Saarland erbracht werden, liegt keine hinreichende Kalkulation der Entgelte zugrunde, sodass auch insoweit die Gefahr eines negativen Deckungsbeitrages besteht.

Um ungewollte Quersubventionen und Free-Rider-Effekte zu vermeiden, hält es der Rechnungshof für erforderlich, für die einzelnen Dienstleistungen des Bibliotheksservice-Zentrums sowohl außerhalb als auch innerhalb Baden-Württembergs (voll-)kostendeckende Entgelte zu erheben. Die in der Entgeltordnung enthaltenen Beträge sind unverzüglich neu zu kalkulieren und entsprechend den Ergebnissen der Kalkulation neu festzusetzen.

Gleichzeitig würde die Finanzierung der Leistungen des Bibliotheksservice-Zentrums über Entgelte eine noch stärkere Orientierung an den Bedürfnissen der Nutzer erzwingen und diente mithin mittelbar auch der Qualitätssicherung.

2.5 Änderung der Betriebsform

Im Zusammenhang mit der Umstellung der Finanzierung auf kostendeckende Entgelte bietet sich die Umwandlung der Betriebsform in einen Landesbetrieb an, bei der die Leitung des Bibliotheksservice-Zentrums dann auch die notwendige Flexibilität hätte, um sich Änderungen der Nachfrage anzupassen.

2.6 Gebäudemanagement

Das angemietete Gebäude, in dem das Bibliotheksservice-Zentrum in Konstanz arbeitet, ist bis heute nicht in das zentrale Gebäudemanagement des Landes integriert. Es ist vor diesem Hintergrund nicht auszuschließen, dass dadurch vermeidbare Mehrausgaben für die Unterbringung der Einrichtung verursacht werden.

3 Empfehlungen zur weiteren Entwicklung des Bibliotheksservice-Zentrums

Eine weitere Verschlankung des Bibliotheksservice-Zentrums ist möglich, wenn ein konsequenter Aufgabenabbau betrieben wird. Dafür bieten sich vor allem die Geschäftsfelder Bibliotheksverbund und Digitale Bibliothek an.

3.1 Südwestdeutscher Bibliotheksverbund

In Deutschland bestehen derzeit sechs Bibliotheksverbundsysteme, die an sechs Standorten mit ähnlicher Aufgabenstellung arbeiten und den an sie angeschlossenen Bibliotheken gleichartige Dienstleistungen anbieten. Da es bei diesen Verbundsystemen im Kern darum geht, den Bestand der angeschlossenen Bibliotheken zentral zu erfassen und für den Benutzer zentral nutzbar zu machen, macht die Konkurrenz zwischen den sechs Verbundsystemen fachlich keinen Sinn und verursacht einen vermeidbaren Ressourcenaufwand.

Es ist daher fachlich und wirtschaftlich geboten, die sechs Bibliotheksverbundsysteme weiter zu konzentrieren. Das Land Baden-Württemberg sollte umgehend mit den anderen Bundesländern in Verhandlungen über die Zusammenführung der Verbundsysteme unter einem Dach eintreten. Dabei ist auch die vom Bibliotheksservice-Zentrum im Auftrag der Länder Baden-Württemberg, Sachsen und Saarland geführte zentrale Datenbank zur Disposition zu stellen.

Sollte die Konzentration der Verbundsysteme unter einem Dach nicht gelingen, so müsste das Land prüfen, ob die Aufgabe des Südwestdeutschen Bibliotheksverbundes auf eines der anderen Verbundsysteme (z. B. das Hochschulbibliothekszentrum Nordrhein-Westfalen) übertragen werden kann.

3.2 Digitale Bibliothek

Im Geschäftsbereich „Digitale Bibliothek“ beteiligt sich das Bibliotheksservice-Zentrum mehr oder weniger systematisch an verschiedenen Projekten und nimmt dafür Landesmittel und Drittmittel in Anspruch. Diese Projekte stehen nicht immer in einem zwingenden inneren Zusammenhang mit der sonstigen Arbeit des Bibliotheksservice-Zentrums, sachlich wären sie an den Universitätsbibliotheken des Landes in besseren Händen und könnten dort unmittelbar in die Bibliothekspraxis umgesetzt werden.

Neben dem Bibliotheksservice-Zentrum gibt es in Baden-Württemberg insbesondere an den Universitätsbibliotheken und an den beiden Landesbibliotheken ausreichend Sachverstand und personelle Kapazitäten, um diese Projekte im Wettbewerb zu akquirieren und durchzuführen, sodass das Vorhalten einer zentralen Einrichtung in diesem Bereich nicht erforderlich ist.

Nach Auffassung des Rechnungshofs kann daher das Geschäftsfeld „Digitale Bibliothek“ des Bibliotheksservice-Zentrums schon kurzfristig entfallen. Da in diesem Bereich mehrere befristete Bedienstete beschäftigt werden, sind die möglichen Einsparungen kurzfristig realisierbar.

3.3 Konsequenzen

Wenn die Konzentration der deutschen Verbundsysteme gelingt und der Aufgabenbereich „Digitale Bibliothek“ des Bibliotheksservice-Zentrums entfällt, verbleiben die Aufgabenfelder „Betrieb und Einrichtung lokaler Bibliothekssysteme“ für die kleineren Bibliotheken des Landes und der Aufbau und die Betreuung eines leistungsfähigen Informationssystems für die staatlichen Museen in Baden-Württemberg.

Die zentrale Wahrnehmung dieser beiden Aufgaben durch das Bibliotheksservice-Zentrum wird vom Rechnungshof als grundsätzlich sinnvoll angesehen. In diesen Bereichen erscheint es sogar zielführend, weitere Nutzer zur Inanspruchnahme der Leistungen des Bibliotheksservice-Zentrums zu gewinnen und durch die Erhebung von Entgelten für weitere Deckungsbeiträge zu sorgen. Allerdings wird für die Wahrnehmung dieser Aufgaben ein deutlich geringerer Personalbestand als heute für vier Geschäftsfelder ausreichend sein.

4 Stellungnahmen

4.1 Stellungnahme des Bibliotheksservice-Zentrums

Das Bibliotheksservice-Zentrum selbst weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass sich bei der gerade laufenden Nutzerbefragung zeigen werde, dass die Kunden des Bibliotheksservice-Zentrums nicht an einem Aufgabenabbau des Bibliotheksservice-Zentrums interessiert seien, sondern vielmehr mehrheitlich vorschlügen, dass weitere Aufgaben zentral vom Bibliotheksservice-Zentrum wahrgenommen werden sollen.

Hinsichtlich der Verbunddatenbank laufen nach Mitteilung des Bibliotheksservice-Zentrums bereits Gespräche mit anderen Verbünden, die eine enge Kooperation anstelle einer Konzentration zum Gegenstand haben. Dadurch werde sich auch die Wirtschaftlichkeit des Südwestdeutschen Bibliotheksverbundes erhöhen.

Die Projekte der „Digitalen Bibliothek“ stünden entgegen der Auffassung des Rechnungshofs in der Regel in einem engen Zusammenhang mit dem Bibliotheksverbund und stießen regelmäßig auf ein hohes Interesse bei den Kunden des Bibliotheksservice-Zentrums und ihren Nutzern. Beispielhaft verweist das Bibliotheksservice-Zentrum auf die von ihm entwickelten Portale, auf die Online-Fernleihe, auf die Langzeitarchivierung und den in Zusammenarbeit mit der Universitätsbibliothek Stuttgart entwickelten Hochschulschriftenserver OPUS. Im Falle einer Einschränkung der Projekte der „Digitalen Bibliothek“ müsse mit einer massiven Verschlechterung der Informationsversorgung für alle Nutzer gerechnet werden.

Der vorgeschlagenen Auflösung der Außenstelle Stuttgart stimmt das Bibliotheksservice-Zentrum in seiner Stellungnahme ausdrücklich zu, da die dort gebundenen Ressourcen in Konstanz effizienter eingesetzt werden könnten.

4.2 Stellungnahme des Ministeriums

Das Wissenschaftsministerium hat in seiner Stellungnahme zugestanden, dass die Frage nach der notwendigen Zahl der Verbundsysteme in Deutschland vom Rechnungshof zu Recht aufgeworfen worden ist. Allerdings macht das Ministerium geltend, dass das Bibliotheksservice-Zentrum unter den deutschen Verbundsystemen zu den leistungsfähigsten Einrichtungen gehöre, weshalb ein Zusammenschluss mit anderen Einrichtungen für das Land auch nachteilig sein könne.

Bei Übertragung der Zuständigkeit für das Verbundsystem auf die Einrichtung eines anderen Bundeslandes seien über längere Zeiträume hinweg Umstellungsarbeiten zu erwarten, die mit großem finanziellen Aufwand verbunden wären und mindestens für die Dauer des Umstellungsprozesses die Informationsbereitstellung für Wissenschaftler und Studierende spürbar beeinträchtigen würden. Zudem würden die Einrichtungen des Landes von den Entscheidungen anderer Bundesländer abhängig, die dann über eine Monopolstellung verfügen würden. Es sei zweifelhaft, ob der Ressourcenaufwand durch die heute vorhandene Infrastruktur des Landes in der Gesamtschau aller vom Land geförderten Einrichtungen wirklich höher sei als jener, der durch die Abhängigkeit von einem einzelnen Verbundsystem mit Monopolmacht induziert würde.

Im Bereich „Digitale Bibliothek“ legt das Ministerium Wert darauf, dem Bibliotheksservice-Zentrum die Möglichkeit zu geben, sich im Rahmen von entsprechenden Projekten strategisch zu positionieren. Durch die Beteiligung des Kuratoriums, in dem die wichtigsten Kunden des Bibliotheksservice-Zentrums vertreten seien, sei gesichert, dass das Bibliotheksservice-Zentrum sich nur auf solche Projekte einlasse, deren zentrale Entwicklung von seinen Kunden gewollt sei.

Zugleich räumt das Wissenschaftsministerium ein, dass in diesem Geschäftsfeld noch Wirtschaftlichkeitsreserven bestehen.

Weiterhin weist das Ministerium darauf hin, dass sich in der Vergangenheit in vielen Bereichen gezeigt habe, dass die Übertragung von Entwicklungen von einer Hochschule an die übrigen Hochschulen in Baden-Württemberg schwierig sei; insbesondere berücksichtigten einzelne Hochschulen bei ihren Entwicklungen häufig nicht den Workflow anderer Nutzer, weshalb der Schluss, dass eine dezentrale Entwicklung wirtschaftlicher sei als eine zentrale Entwicklung durch das Bibliotheksservice-Zentrum, nicht zwingend sei.

Insgesamt kündigt das Wissenschaftsministerium eine Überarbeitung des Aufgabenspektrums des Bibliotheksservice-Zentrums und die Implementierung einer Kosten- und Leistungsrechnung an, um so eine höhere Transparenz der Leistungserbringung zu erreichen. Auf der Grundlage der dabei gewonnenen Ergebnisse werde dann über die künftige Rechtsform des Bibliotheksservice-Zentrums entschieden werden. Dabei sei das Ministerium für die vom Rechnungshof vorgeschlagene neue Betriebsform durchaus offen.

Im Bereich Personalbedarf und Personalstruktur sieht das Wissenschaftsministerium ebenfalls Verbesserungspotenziale. So wirke man derzeit darauf hin, dass beim Bibliotheksservice-Zentrum eine echte Personalbedarfsplanung durchgeführt und die Personalstruktur qualitativ und quantitativ an die veränderten Aufgaben angepasst werde.

Auf die Beseitigung der vom Staatlichen Rechnungsprüfungsamt Freiburg festgestellten haushaltsrechtlichen und haushaltswirtschaftlichen Mängel werde man hinwirken.

5 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof bestreitet nicht, dass die Konzentration der Verbundsysteme in Deutschland in der Umstellungsphase zu einem Mehraufwand führen wird und - je nach Ausgestaltung - während dieser Zeit auch Einschränkungen für die Nutzer entstehen könnten. Allerdings ist es offenkundig unwirtschaftlich, auf Dauer parallel sechs Verbundsysteme in Deutschland zu betreiben, die zudem mit unterschiedlichen Verfahren im Wesentlichen die gleichen Aufgaben wahrnehmen. Der notwendige Einfluss des Landes auf ein zentrales Verbundsystem kann organisatorisch oder vertraglich so abgesichert werden, wie es anderwärts (z. B. im Gemeinsamen Bibliotheksverbund der norddeutschen Bundesländer in Göttingen) bereits heute geschieht.

Ob die vom Bibliotheksservice-Zentrum zusätzlich zu den Kernaufgaben übernommenen Aufgaben auf einer belastbaren Nachfrage der Kunden des Bibliotheksservice-Zentrums beruhen oder nur deshalb zentral „in Auftrag gegeben werden“, weil die nachfragenden Einrichtungen keine Entgelte für diese Leistungen entrichten müssen, wird sich herausstellen, wenn das Bibliotheksservice-Zentrum flächendeckend für alle Aufgaben kostendeckende Entgelte erheben wird. Aufgabenabbau und der Aufbau einer betriebswirtschaftlich orientierten Struktur werden daher Elemente jenes Entwicklungsprozesses sein, den der Rechnungshof mit diesem Beitrag anstoßen möchte.


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Die Universitätsklinika subventionieren in erheblichem Umfang die Nebentätigkeiten der Leiter der rechtsmedizinischen Institute. Der Rechnungshof schlägt vor, die toxikologische Untersuchung von Körperflüssigkeiten, die Durchführung von Leichenöffnungen und die Erstattung von medizinisch-psychologischen Gutachten zur Fahreignung künftig nicht mehr als Nebentätigkeit, sondern als Dienstaufgaben der rechtsmedizinischen Institute zu definieren. Bei Nebentätigkeiten sollten die von den Institutsleitern zu entrichtenden Entgelte so weit erhöht werden, dass eine Vollkostendeckung für die Inanspruchnahme von Ressourcen der Klinika erreicht wird.


1 Die rechtsmedizinischen Institute in Baden-Württemberg

In Baden-Württemberg gibt es vier rechtsmedizinische Institute. In Freiburg, Heidelberg und Ulm sind sie Teil des Universitätsklinikums, in Tübingen gehört das rechtsmedizinische Institut zur Universität. Der Rechnungshof hat im Jahr 2005 die Haushalts- und Wirtschaftsführung der rechtsmedizinischen Institute in einer Querschnittsprüfung untersucht.

Das Institut für Rechtsmedizin der Universität Freiburg verfügte in dem vom Rechnungshof untersuchten Jahr über Personal im Umfang von 27,52 Vollzeitäquivalenten ; die Personal- und Sachkosten betrugen 2,1 Mio. €.

Das Institut für Rechts- und Verkehrsmedizin Heidelberg ist das größte rechtsmedizinische Institut in Baden-Württemberg. Es verfügte über 35,79 Vollzeitäquivalente1; die Kosten des Instituts beliefen sich auf 2,7 Mio. €.

Mit 16,18 Vollzeitäquivalenten1 und Personal- und Sachkosten in Höhe von nahezu 1,2 Mio. € ist das Institut für gerichtliche Medizin in Tübingen das kleinste der vier Institute.

Seit 1980 verfügt auch das Universitätsklinikum in Ulm über eine Abteilung für Rechtsmedizin innerhalb des Instituts für Pathologie und Rechtsmedizin. Es war im Untersuchungszeitraum mit 16,94 Vollzeitäquivalenten1 ausgestattet, bei Kosten von 1,2 Mio. €.

Alle vier Institute betreuen das Fach Rechtsmedizin in der Lehre und erbringen beachtliche Leistungen in der rechtsmedizinischen Forschung.

Ein großer Teil der an den Instituten vorgehaltenen Ressourcen wird jedoch für Dienstleistungen eingesetzt, die von der Justiz, der Polizei und in einigen Fällen auch von privaten Auftraggebern nachgefragt werden. Diese Dienstleistungen werden teilweise als Dienstaufgabe der Institute, überwiegend jedoch als Nebentätigkeiten der Institutsleiter erbracht. Rechtsgrundlage dafür ist neben den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen eine Verordnung des Wissenschaftsministeriums vom 09.07.1991, die die Dienstaufgaben der rechtsmedizinischen Institute definiert.

Danach nehmen die rechtsmedizinischen Institute die Blutalkoholanalyse als Dienstaufgabe wahr, während alle anderen Dienstleistungen von den Leitern der Institute als Nebentätigkeit erbracht und im eigenen Namen gegenüber den Auftraggebern abgerechnet werden. Dabei nehmen die Institutsleiter die personellen und sächlichen Ressourcen ihrer Institute in Anspruch und entrichten dafür Nutzungsentgelte nach Maßgabe der Hochschulnebentätigkeitsverordnung bzw. der von den Aufsichtsräten erlassenen Regelungen.

2 Prüfung des Rechnungshofs

Gegenstand der Untersuchung des Rechnungshofs war neben der Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Institute insbesondere die Frage, ob die Entgelte für die als Dienstaufgabe erbrachten Dienstleistungen kostendeckend sind und ob die von den Leitern der Institute entrichteten Nutzungsentgelte die Kosten der im Rahmen der Nebentätigkeiten in Anspruch genommenen Ressourcen decken.

Diese Fragen müssen nach dem Ergebnis der Prüfung überwiegend verneint werden.

Außerdem wurde festgestellt, dass die Institutsleiter ihren Mitarbeitern aus privaten Mitteln Zuwendungen für die Mitwirkung an ihren Nebentätigkeiten gewähren, die diese nach geltendem Recht nicht annehmen dürfen.

Weiterhin hat der Rechnungshof die räumliche Ausstattung des Rechtsmedizinischen Instituts Tübingen und des Instituts für Pathologie und Rechtsmedizin, Abteilung Rechtsmedizin, Ulm sowie die Personalstruktur am Rechts- und Verkehrsmedizinischen Institut Heidelberg beanstandet. Das Universitätsklinikum Heidelberg hat inzwischen erste Verbesserungsmaßnahmen eingeleitet.

3 Dienstaufgabe Blutalkoholuntersuchung

Die Blutalkoholanalyse wird von den rechtsmedizinischen Instituten als Dienstaufgabe wahrgenommen. Rechtsgrundlage ist die oben genannte Verordnung des Wissenschaftsministeriums aus dem Jahr 1991.

Die darin ursprünglich als Dienstaufgabe der Universitäten definierte Pflicht zur Blutalkoholanalyse wurde durch das Gesetz über die Universitätsklinika vom 24.11.1997 auf die Universitätsklinika Heidelberg, Freiburg und Ulm übergeleitet.

Auftraggeberin für die Blutalkoholanalysen ist in der Regel die Polizei, gelegentlich auch die Staatsanwaltschaft. Es handelt sich um Blutproben, die Beschuldigten oder Zeugen einer Straftat nach Maßgabe der Strafprozessordnung abgenommen worden sind.

Als Entgelt für die Blutalkoholanalyse werden landesweit 25 € zuzüglich Mehrwertsteuer erhoben.

Der Rechnungshof hat untersucht, ob dieses Entgelt die an den rechtsmedizinischen Instituten entstehenden Kosten deckt.

Dabei hat sich ergeben, dass lediglich in Tübingen eine aussagekräftige Vollkostenrechnung vorliegt. Hintergrund ist, dass die Universität Tübingen die technische Durchführung der Blutalkoholanalyse an das Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart vergeben hat. Der vom Robert-Bosch-Krankenhaus in Rechnung gestellte Betrag zuzüglich der Kosten, die am Institut für den Verwaltungsaufwand entstehen, liegen deutlich unter dem Nettoerlös von 25 € je Blutprobe, sodass die Universität Tübingen durch die Wahrnehmung dieser Dienstaufgabe einen beachtlichen Überschuss erzielt.

Am Ulmer Institut liegen die Kosten für die Blutalkoholanalyse ebenfalls in einem Bereich, der den Schluss zulässt, dass für das Universitätsklinikum aus der Wahrnehmung der Dienstaufgabe Blutalkoholanalyse ein Überschuss erzielt wird.

Die am Rechts- und Verkehrsmedizinischen Institut Heidelberg erhobenen Daten lassen dagegen den Schluss zu, dass dort die Erlöse jedenfalls im Prüfungszeitraum nicht (voll)kostendeckend waren.

Das Rechtsmedizinische Institut Freiburg hat sich während der Untersuchung des Rechnungshofs geweigert, die notwendigen Daten für eine Vollkostenrechnung zu ermitteln. Jedoch besteht auch dort Anlass zur Annahme, dass die Durchführung der Blutalkoholanalysen zu einem Defizit führt.

Der Rechnungshof schlägt den Universitätsklinika Heidelberg und Freiburg deshalb vor, die Kosten der Blutalkoholanalysen auf der Grundlage einer Vollkostenrechnung zu ermitteln und durch organisatorische Veränderungen, insbesondere eine Straffung der Abläufe, dafür zu sorgen, dass die Kosten so weit gesenkt werden, dass keine verdeckte Subventionierung der Blutalkoholanalysen stattfindet. In Heidelberg ist dazu insbesondere ein Personalabbau notwendig, der nach Aussage des Universitätsklinikums mittlerweile begonnen hat.

4 Toxikologische Untersuchungen

Nicht als Dienstaufgabe, sondern als Nebentätigkeit der Institutsleiter wird an allen vier Instituten die toxikologische Analyse von Blut- und Urinproben durchgeführt. Dies wird von den Instituten damit gerechtfertigt, dass die Verordnung des Ministeriums von 1991 diese Analysen nicht als Dienstaufgabe der Universitäten definiert hat. Eine sachliche Rechtfertigung für die Differenzierung zwischen der Blutalkoholanalyse und der toxikologischen Analyse von Körperflüssigkeiten ist nicht ersichtlich. Historisch rührt die Unterscheidung daher, dass die Blutalkoholanalyse eine traditionelle Standardleistung der Institute ist, während die toxikologische Analyse erst in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen hat.

An der Universität Tübingen nimmt der Institutsleiter für die Durchführung dieser Untersuchungen aufgrund weitgehenden Outsourcings nur in geringem Umfang die Ressourcen des Instituts in Anspruch und leistet hierfür kostendeckende Entgelte. In Heidelberg, Freiburg und Ulm werden die Untersuchungen an den Instituten durchgeführt. Die Mitarbeiter der Institute unterstützen den Institutsleiter und werden dabei entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen regelmäßig im Rahmen ihres Hauptamtes tätig.

Zum Ausgleich für die Inanspruchnahme der personellen und sächlichen Ressourcen bezahlen die Institutsleiter ein Nutzungsentgelt, das sich als Prozent-Anteil der von ihnen erzielten Erlöse bemisst. In Heidelberg und Freiburg ergibt sich dieser Prozentsatz unmittelbar aus der Hochschulnebentätigkeitsverordnung und ist progressiv gestaffelt, in Ulm wurde er vom Aufsichtsrat des Klinikums auf 30 % der vom Institutsleiter erzielten Bruttoerlöse festgesetzt.

Die Prüfung der Kosten und der Nutzungsentgelte durch den Rechnungshof hat ergeben, dass die auf diese Weise erhobenen Nutzungsentgelte die verursachten Kosten nur teilweise decken. Die Durchführung der toxikologischen Analysen führt daher bei den drei genannten Instituten zu einem permanenten Defizit.

Durch die Deckung dieses Defizits subventionieren die Klinika nicht nur die Wahrnehmung dieser Aufgabe, sondern tragen auch dazu bei, dass die drei Institutsleiter private Nebentätigkeitseinnahmen zulasten der Klinika erzielen.

Der Rechnungshof schlägt deshalb vor, auch die toxikologische Analyse von Körperflüssigkeiten als Dienstaufgabe der Universitäten bzw. Universitätsklinika zu definieren. In diesem Falle würden die gesamten Einnahmen allein der Universität bzw. den Klinika (und nicht mehr wie bisher überwiegend dem Institutsleiter) zufließen, das Defizit würde deutlich vermindert oder es könnte je nach Höhe der Entgelte sogar zu Überschüssen kommen.

Da es sich um eine öffentliche Aufgabe handelt, deren Kosten von Polizei und Justiz bezahlt werden, besteht kein sachlicher Anlass, Teile der hierfür aufgewendeten Mittel den Institutsleitern persönlich zufließen zu lassen.

5 Leichenöffnungen

Eine Dienstleistung, die im Wesentlichen nur von den rechtsmedizinischen Instituten erbracht wird, ist die von einem Richter oder einem Staatsanwalt angeordnete und von einem Facharzt für Rechtsmedizin vorzunehmende Leichenöffnung. An ihrer Durchführung durch die rechtsmedizinischen Institute und an der Vorhaltung entsprechender personeller und sächlicher Kapazitäten besteht ein erhebliches öffentliches Interesse. Jede Leichenöffnung erbringt überdies einen wichtigen Beitrag für Forschung und Lehre - dies vor allem deshalb, weil nach geltendem Recht Leichenöffnungen nur in den vom Gesetz bestimmten und von Staatsanwalt oder Richter angeordneten Fällen zulässig sind und deren Zahl deshalb nicht beliebig erhöht werden kann.

In dem vom Rechnungshof untersuchten Jahr haben die vier rechtsmedizinischen Institute bzw. ihre Leiter insgesamt rd. 1.700 Leichenöffnungen vorgenommen. Sie wurden ausnahmslos als Nebentätigkeiten der Institutsleiter abgerechnet.

Auch für diese Nebentätigkeiten bedienen sich die Leiter der Institute in Heidelberg, Freiburg und Ulm des Personals und der Einrichtungen der Universitätsklinika und entrichten dafür pauschale Entgelte, die die Kosten bei weitem nicht decken. Durch die bei diesen Instituten praktizierte Abrechnungsmethode fließt ein erheblicher Teil der für den Aufwand der Institute in Rechnung gestellten Entgelte, die ihrerseits von der öffentlichen Hand bezahlt werden, persönlich an die Institutsleiter. Sie werden mithin nicht nur für ihre eigene Tätigkeit, sondern in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise auch für die Leistungen des Institutspersonals vergütet.

Um diesem Missstand entgegenzuwirken, sind zwei Wege denkbar:

1. Den Institutsleitern wird durch eine Änderung des Abrechnungssystems (bzw. durch eine konsequente Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes) die Befugnis entzogen, gegenüber Justiz und Polizei die Leistungen abzurechnen, die nicht sie selbst, sondern die Mitarbeiter des Instituts erbracht haben. Das Universitätsklinikum stellt Justiz und Polizei die von den Mitarbeitern geleisteten Arbeiten und die sächlichen Kosten unmittelbar in Rechnung. Auf diese Weise fließen die Entgelte für die Inanspruchnahme personeller und sächlicher Ressourcen unmittelbar und ungekürzt dem Klinikum zu. Dem Institutsleiter verbliebe die Vergütung für seine persönlich erbrachte Nebentätigkeit.

2. Das Land Baden-Württemberg übernimmt die in einigen anderen Bundesländern bereits geltende Rechtslage und definiert die Leichenöffnungen als Dienstaufgaben der rechtsmedizinischen Institute und ihrer Leiter. Die Abrechnung gegenüber Justiz und Polizei erfolgt dann allein durch das Klinikum bzw. in Tübingen durch die Universität. Soweit es für erforderlich gehalten werden sollte, den Bediensteten, die bei Leichenöffnungen tätig werden, im Hinblick auf die besondere Qualität dieser Tätigkeit zusätzliche Leistungen zu gewähren, mag dies im Rahmen von Leistungszulagen geschehen.

6 Molekularbiologische Gutachten

Zum Dienstleistungsspektrum der rechtsmedizinischen Institute in Freiburg, Heidelberg und Ulm gehören auch Analysen von DNA-Spuren. Sie dienen einerseits der forensischen Spurenauswertung, andererseits der Vaterschaftsfeststellung.

6.1 Forensische Spurenanalyse

Für die forensische Spurenanalyse, deren Bedeutung weiter zunimmt, ist das Tätigwerden der rechtsmedizinischen Institute unabdingbar, da die am kriminaltechnischen Institut des Landeskriminalamts vorgehaltenen Kapazitäten nicht ausreichen, um der Nachfrage der Polizeidienststellen und Justizbehörden gerecht zu werden. Es besteht mithin ein starkes öffentliches Interesse an der Erbringung dieser Dienstleistung.

Die im Zusammenhang mit den DNA-Analysen erstellten Gutachten werden bis heute als Nebentätigkeit der Institutsleiter abgerechnet, obwohl in einer Vielzahl von Fällen nach Aktenlage unklar ist, ob die entsprechenden Aufträge in Wahrheit an die Institute und nicht an die Institutsleiter erteilt wurden.

Der Rechnungshof hat festgestellt, dass die Abgrenzung zwischen Dienstaufgabe und Nebentätigkeit im Bereich der DNA-Analyse nicht immer mit der erforderlichen Präzision erfolgt ist.

Außerdem hat die Prüfung ergeben, dass die von den Institutsleitern zu leistenden Entgelte für die Inanspruchnahme der Einrichtungen und des Personals der Universitätsklinika die entstehenden Kosten nicht decken.

Der Rechnungshof schlägt deshalb für diese Gutachten vor,

  • bei der Akquisition und Ausführung von forensischen Spurenanalysen Dienstaufgaben und Nebentätigkeiten der Institutsleiter präziser als bisher voneinander abzugrenzen und

 

  • die Entgelte, die die Institutsleiter an die Klinika für die Inanspruchnahme der Ressourcen abgeben müssen, so weit zu erhöhen, dass die durch diese Nebentätigkeiten verursachten Kosten gedeckt werden und keine offene oder verdeckte Subventionierung der Nebentätigkeit der Institutsleiter stattfindet.

Zuständig für die Festsetzung der Höhe der von den Institutsleitern zu leistenden Entgelte sind die Aufsichtsräte der Klinika.

6.2 Abstammungsgutachten

Für die Anfertigung von Abstammungsgutachten, die in der Regel wesentlich geringere Anforderungen an die Leistungsfähigkeit und Erfahrung der Gutachter stellen als die forensischen Spurengutachten, gibt es mittlerweile eine große Zahl öffentlicher und privater Anbieter. Ein öffentliches Interesse daran, dass gerade die rechtsmedizinischen Institute solche Dienstleistungen erbringen, besteht nicht, zumal der Mehrwert für Forschung und Lehre bei privat in Auftrag gegebenen Abstammungsgutachten gering ist.

Auch in diesem Bereich hat die Prüfung ergeben, dass die von den Institutsleitern geleisteten Entgelte die Kosten, die an den Klinika entstehen, nicht decken.

Der Rechnungshof schlägt vor, die Erlaubnis an die Institutsleiter, für die Anfertigung solcher Gutachten auf personelle und sächliche Ressourcen der Klinika zurückzugreifen, zu widerrufen bzw. in Zukunft zu versagen. Solange die Institutsleiter entsprechend der heute geltenden Praxis die Ressourcen der Klinika für diese Gutachten in Anspruch nehmen, sollten die Nutzungsentgelte so hoch festgesetzt werden, dass die an den Klinika entstehenden Kosten gedeckt sind.

7 Verkehrsmedizinische Gutachtertätigkeit

Am Institut für Rechts- und Verkehrsmedizin des Universitätsklinikums Heidelberg werden als besondere Dienstleistung medizinisch-psychologische Gutachten über die Fahreignung erstellt. Das Institut (nicht der Leiter des Instituts) verfügt über die nach den gesetzlichen Bestimmungen notwendige Akkreditierung zur Durchführung dieser Untersuchungen.

An der Durchführung der Untersuchungen durch das Institut besteht trotz eines inzwischen geöffneten privaten Anbietermarktes ein gewisses öffentliches Interesse: Das Institut setzt mit seiner besonderen Sachkunde Qualitätsstandards, an denen die private Konkurrenz gemessen werden kann; außerdem kann aus den behandelten Fällen die notwendige empirische Grundlage für die einschlägige Forschung gewonnen werden.

Auch diese Dienstleistung wird traditionell als Nebentätigkeit des Institutsleiters erbracht und abgerechnet, obwohl eigens für diese Aufgabe zwei Angestellte am Institut beschäftigt werden.

Aus der Sicht des Rechnungshofs besteht vor diesem Hintergrund keine sachliche Rechtfertigung dafür, diese Dienstleistung als Nebentätigkeit des Institutsleiters zu qualifizieren. Der Rechnungshof schlägt vor, die Durchführung von medizinisch-psychologischen Gutachten über die Fahreignung als Dienstaufgabe des Instituts für Rechts- und Verkehrsmedizin zu definieren.

8 Stellungnahmen der Universitätsklinika, der Institutsleiter und des Ministeriums

8.1 Stellungnahme der Universitätsklinika

Das Universitätsklinikum Heidelberg weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass die vom Rechnungshof erhobenen Zahlen im Wesentlichen die Verhältnisse des Jahres 2003 wiedergeben. Durch die im Jahr 2004 vorgenommenen organisatorischen Veränderungen (Übertragung der Laboraufgaben auf das Zentrallabor des Klinikums) und die eingeleiteten Personalabbaumaßnahmen hätten sich Kostenminderungen im Umfang von 15 % ergeben. Da es gelungen sei, gleichzeitig auch Erlössteigerungen in beträchtlichem Umfang zu erzielen, habe sich die Wirtschaftlichkeit der rechtsmedizinischen Dienstleistungen in Heidelberg deutlich erhöht.

Es treffe zu, dass die vom Leiter des Instituts für Rechts- und Verkehrsmedizin entrichteten Nutzungsentgelte nicht (voll)kostendeckend seien; allerdings wäre eine solche Kostendeckung auch bei einer Definition der Dienstleistungen als Dienstaufgaben nicht zu erzielen, da dann in beträchtlichem Umfang Überstunden- und Bereitschaftsdienstzuschläge zu leisten wären, die heute aus den Nebentätigkeitserlösen des Institutsleiters gedeckt würden. Gleichwohl strebe das Universitätsklinikum den Abschluss einer neuen Vergütungsvereinbarung mit dem Institutsleiter an.

Die Zahlungen an die Mitarbeiter seien entgegen der Auffassung des Rechnungshofs gerechtfertigt. Rechtsgrundlage sei die Berufsordnung der Landesärztekammer vom Februar 2005.

Das Universitätsklinikum Freiburg teilt in seiner Stellungnahme mit, dass die Empfehlung des Rechnungshofs, bei der Blutalkoholanalyse auf eine Kostensenkung hinzuwirken, aufgegriffen werde. Ziel sei es, eine verdeckte Subventionierung der Blutalkoholanalyse in Zukunft zu vermeiden.

Die Leichenöffnungen künftig als Dienstaufgabe zu definieren oder die Leistungen der Mitarbeiter des Klinikums unmittelbar gegenüber der Justiz abzurechnen, sei denkbar; allerdings sei der Vorschlag nur umsetzbar, wenn eine landesweit einheitliche Regelung erfolge.

Auch der Vorschlag, das Nutzungsentgelt für die Erstattung von DNA-Gutachten zu erhöhen, werde vom Klinikum Freiburg weiterverfolgt; allerdings müsse auf bestehende vertragliche Vereinbarungen Rücksicht genommen werden.

Das Universitätsklinikum Ulm hält den Vorschlägen des Rechnungshofs entgegen, dass der derzeitige Institutsleiter möglicherweise einen Anspruch auf Besitzstandswahrung habe. Außerdem werde auch in Ulm bezweifelt, ob durch eine Definition der Dienstleistungen als Dienstaufgaben angesichts des anfallenden zusätzlichen Personalbedarfs wirklich eine Vollkostendeckung zu erreichen sei.

Mit dem Institutsleiter sei nach intensiven Verhandlungen eine Vereinbarung getroffen worden, die zu einer spürbaren Verringerung der Personalkosten am Rechtsmedizinischen Institut in Ulm geführt habe.

8.2 Stellungnahme der Institutsleiter

Die Institutsleiter haben zu den Untersuchungsergebnissen des Rechnungshofs detailliert Stellung genommen.

Der Leiter des Rechtsmedizinischen Instituts Tübingen hat dabei darauf hingewiesen, dass durch die von ihm vorgenommene Begrenzung der vom Institut angebotenen Dienstleistungen und durch das Outsourcing wesentlicher Aufgaben nicht nur keine Subventionierung der Dienstleistungen aus den für Forschung und Lehre zur Verfügung gestellten Landesmitteln erfolge, sondern im Gegenteil aus den erbrachten Dienstleistungen ein Überschuss erwirtschaftet werde, der die Leistungsfähigkeit des Instituts in Forschung und Lehre erhöhe.

Die Leiter der drei anderen Institute machen hingegen geltend, dass der Rechnungshof verkenne, dass die an den Instituten vorgehaltenen Ressourcen in erster Linie für Forschung und Lehre bestimmt seien und es bei den Nutzungsentgelten darum gehe, einen Deckungsbeitrag für die Institute zu erwirtschaften. Dafür dürften nicht die Vollkosten, sondern lediglich die Grenzkosten der einzelnen Dienstleistung herangezogen werden, die der Rechnungshof bei seiner Untersuchung nicht erhoben habe. Die vom Rechnungshof beschriebenen Gewinnziele seien fragwürdig, und die verfolgte Tendenz würde weder der besonderen Aufgabenstellung der rechtsmedizinischen Institute noch den bis an die Grenzen des Zumutbaren gehenden Leistungen der Mitarbeiter der Institute gerecht.

Weiterhin verweisen die Institutsleiter auf bestehende Vereinbarungen und darauf, dass die in Baden-Württemberg geltenden Regelungen bei anstehenden Berufungen zu deutlich qualifizierteren Bewerbungen führten als in jenen Bundesländern, in denen ungünstigere Regelungen bestünden.

Es müsse damit gerechnet werden, dass Quantität und Qualität der Leistungen der Mitarbeiter im Rahmen der Dienstleistungen nicht gehalten werden könnten, wenn diese von Nebentätigkeiten zu Dienstaufgaben umdefiniert würden.

8.3 Stellungnahme des Ministeriums

Das Ministerium verweist in seiner Stellungnahme auf die Ausführungen der Universitätsklinika und macht geltend, dass diese bereits begonnen hätten, Vorschläge des Rechnungshofs umzusetzen.

Im Übrigen werde man auf die Aufsichtsräte der Universitätsklinika und den Hochschulrat der Universität Tübingen mit dem Ziel einwirken, die Prüfungsergebnisse des Rechnungshofs zu behandeln und umzusetzen.

Bei der Umsetzung dürften allerdings Belange von Forschung und Lehre nicht außer Acht gelassen werden, die nicht immer einer rein betriebswirtschaftlichen Betrachtung zugänglich seien. Eine Erweiterung des Dienstaufgabenkatalogs sei nicht ausgeschlossen. Nicht möglich sei hingegen eine einseitige Erhöhung der Nutzungsentgelte durch die Universitätsklinika.

Im Übrigen verweist das Ministerium auf einen Beschluss des Ministerrats vom 20.03.2007, in dem der Auftrag erteilt worden sei, die Angemessenheit der von Polizei und Justiz zu leistenden Vergütungen für forensische Dienstleistungen der rechtsmedizinischen Institute zu prüfen.

9 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof bleibt bei seiner Auffassung, dass sich die Bemessung der Nutzungsentgelte für die Inanspruchnahme der Ressourcen der Universität und der Universitätsklinika an den Vollkosten und nicht an Grenzkosten zu orientieren hat. Dies muss schon deshalb gelten, weil an den Standorten Ulm, Heidelberg und Freiburg beträchtliche Kapazitäten für die Erbringung von Dienstleistungen vorgehalten werden. Die Leistungen der Mitarbeiter im Rahmen der Nebentätigkeiten des Institutsleiters erfolgen überwiegend während der gewöhnlichen Arbeitszeit und würden daher in diesen Fällen auch bei einer Definition der Dienstleistungen als Dienstaufgabe keine zusätzlichen Kosten verursachen.

Der Rechnungshof bleibt ebenfalls bei der Auffassung, dass die Annahme von zusätzlichen Geldleistungen als Entgelt für hauptamtlich erbrachte Arbeit gegen das Verbot der Vorteilsannahme verstößt. Die für den Bereich der Krankenversorgung bestehenden Vorschriften über die Beteiligung der Mitarbeiter an den Nebentätigkeitseinnahmen der Leitenden Krankenhausärzte (§§ 34, 37 des Landeskrankenhausgesetzes) gelten jedenfalls nach ihrem Wortlaut nicht für den Bereich der Rechtsmedizin.

Ob die Erweiterung des Katalogs der Dienstaufgaben in allen Fällen zu vollkostendeckenden Einnahmen der Klinika führt, ist in der Tat nicht absehbar. Jedenfalls erhöht sich aber dadurch der Grad der Kostendeckung. Dass manche Dienstleistungen auch einen Ertrag für Forschung und Lehre erbringen, wird vom Rechnungshof nicht verkannt; dies mag rechtfertigen, dass diese Leistungen auch dann erbracht werden, wenn keine kostendeckenden Entgelte erhoben werden können. Es rechtfertigt aber nicht, dass ein beträchtlicher Teil der von Polizei und Justiz für die Inanspruchnahme der Ressourcen der Klinika entrichteten Entgelte von den Institutsleitern privat vereinnahmt wird.

Das Argument eines Institutsleiters, dass die Qualität der Leistungen seiner Mitarbeiter sinken würde, wenn sie als Dienstaufgabe und nicht mehr als Nebentätigkeit erbracht werden, ist bemerkenswert.


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Bei einem unter der Aufsicht des Landes stehenden Unternehmen auf dem Gebiet der Krankenversorgung fehlte es an einer effektiven Unternehmenssteuerung. Die interne und externe Kontrolle der Geschäftsführung war bislang unzureichend. Der Rechnungshof hat Einsparungsmöglichkeiten aufgezeigt. Die im Rahmen der Prüfung bereits realisierten Einsparungen belaufen sich auf jährlich mehr als 230.000 €.


1 Vorbemerkung

Das vom Land errichtete Unternehmen ist in der Krankenversorgung tätig. Die Krankenversorgung im engeren Sinne wird durch die Kostenträger (in der Regel Krankenkassen) finanziert. Für Investitionen und für die übrigen Leistungen gewährte das Land in den Jahren 2002 bis 2005 Investitions- und Betriebskostenzuschüsse in Höhe von insgesamt rd. 50 Mio. €.

Das Unternehmen wird als öffentlich-rechtliche Stiftung betrieben. Die zur Aufgabenerfüllung eingesetzten Mittel werden nach einem vom Aufsichtsrat beschlossenen Finanzstatut bewirtschaftet; die Bücher sind nach den für große Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften zu führen.

Die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung, die im Jahr 2006 stattfand, erfolgte durch die Auswertung der einschlägigen Geschäftsunterlagen, wie z. B. Jahresabschlüsse und Protokolle der verschiedenen Gremien, sowie durch örtliche Erhebungen bei dem Unternehmen und dem Wissenschaftsministerium als Aufsichtsbehörde.

2 Sicherungs- und Kontrollmechanismen

2.1 Aufsichtsrat

Zu einer effizienten und verantwortungsvollen Unternehmenssteuerung zählt u. a. eine wirksame Kontrolle der Geschäftsführung. Hierzu ist bei dem Unternehmen ein Aufsichtsrat eingerichtet, dessen Aufgaben in einer Satzung geregelt sind. Diese enthält nach Auffassung des Rechnungshofs nicht alle Elemente für eine wirksame Kontrolle der Geschäftsführung.

Es ist nicht näher geregelt, wie der Aufsichtsrat seinen Überwachungs- und Kontrollpflichten nachzukommen hat. Mangels eigener landeseinheitlicher Regelungen für diese Unternehmensbereiche hält es der Rechnungshof für sachgerecht, sich an den aktienrechtlichen Vorschriften zu orientieren. Auf dieser Grundlage hat der Rechnungshof im Einzelnen folgende Maßnahmen zur Optimierung der Aufsichtsratstätigkeit vorgeschlagen:

  • Die Geschäftsordnung des Aufsichtsrats sollte neben der allgemeinen Zustimmung zum Wirtschaftsplan auch Wertgrenzen enthalten, ab denen der Aufsichtsrat während des Geschäftsjahres mit einer Einzelmaßnahme befasst wird. Dadurch können Managementfehler mit gravierenden finanziellen Auswirkungen verhindert werden. Bei der Essensversorgung wurde der Aufsichtsrat z. B. nur kursorisch informiert.

 

  • In der Satzung bzw. der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats sollte eine Regelung zur Feststellung des Jahresergebnisses und zur Entlastung der Geschäftsführung vorhanden sein. Sie sollte berücksichtigen, dass der Aufsichtsrat den Jahresabschluss auch zu prüfen hat. Der Aufsichtsrat hatte das Jahresergebnis 2005 ohne eine solche Grundlage festgestellt und die Geschäftsführung entlastet.

Das Wissenschaftsministerium teilte mit, dass zu den Fragen „Wertgrenzen für die Zustimmung des Aufsichtsrates“ und „Entlastung der Geschäftsführung“ die Geschäftsordnung in der nächsten Sitzung des Aufsichtsrats im Sinne der Vorschläge des Rechnungshofs ergänzt werden soll.

2.2 Prüfung des Jahresabschlusses

Eine gewisse Kontrolle der Geschäftsführung ergibt sich aus der Prüfung des Jahresabschlusses durch einen externen Abschlussprüfer. Die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung nach § 53 Haushaltsgrundsätzegesetz geht erheblich darüber hinaus. Mit ihr erhalten das Land und der Aufsichtsrat einen Überblick über die Geschäftstätigkeit des Unternehmens.

Bei dem Unternehmen wurde nach einem Hinweis des Rechnungshofs im Laufe des Prüfungsverfahrens erstmals für das Geschäftsjahr 2005 die Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gemäß § 53 Haushaltsgrundsätzegesetz geprüft. Die Prüfung entsprach allerdings nur zum Teil den Prüfungsanforderungen. Dies hatte unvollständige und zum Teil unverwertbare Aussagen zur Folge.

Die Prüfung gemäß § 53 Haushaltsgrundsätzegesetz ist eine gesetzliche Befugnis des Landes. Bei der künftigen Auftragsvergabe ist auf die Einhaltung der Prüfungsvorgaben durch die Prüfungsgesellschaft zu achten.

Das Wissenschaftsministerium teilte mit, dass diese Prüfungspflicht bei der nächsten Änderung der Satzung aufgenommen werden soll. Im Übrigen werde die Prüfung nach § 53 Haushaltsgrundsätzegesetz einen Schwerpunkt bei der Prüfung des Jahresabschlusses 2006 bilden.

2.3 Innenrevision

Die Erhebungen vor Ort zeigten, dass die Chancen, die sich aus einer wirksamen Innenrevision ergeben können, nicht genutzt wurden. Nur so ist beispielsweise zu erklären, dass die Vergabe der Essensversorgung erst lange nach der im Jahr 2001 erfolgten Vertragsunterzeichnung geprüft werden konnte, obwohl die Innenrevision bereits am 21.07.2000 die Unterlagen für eine Prüfung der Wirtschaftlichkeitsberechnung beim Kaufmännischen Direktor angefordert hatte. Die Ausschreibung der Küchenleistungen erfolgte am 22.12.2000, der Vertragsabschluss mit dem Dienstleister am 21.05.2001. Der Innenrevision wurden die Unterlagen erst im Frühjahr 2003 zur Verfügung gestellt.

Die Innenrevision wurde Ende 2005 aufgelöst. Das Unternehmen beabsichtigte, die Aufgaben der Innenrevision künftig dem Abschlussprüfer zu übertragen. Der Rechnungshof hält dies wegen der Gefahr von Interessenkollisionen für bedenklich.

Das Unternehmen hat mitgeteilt, die Innenrevision an eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu vergeben, die nicht gleichzeitig mit der Prüfung des Jahresabschlusses beauftragt ist.

3 Vertragsmanagement

3.1 Allgemeines

Vertragliche Vereinbarungen spielen eine zentrale Rolle innerhalb eines Geschäftsbetriebes. Die vom Rechnungshof vorgefundene Vertragsvielfalt bei dem Unternehmen macht ein Vertragsmanagement ratsam, durch das folgende Ziele sichergestellt bzw. besser erreicht werden können:

  • vollständige, geordnete und zentrale Verfügbarkeit aller Dokumente sowie jederzeitige Auskunftsfähigkeit gegenüber den Organen der Gesellschaft,

 

  • Transparenz der geltenden Vertragslandschaft und der daraus resultierenden Rechte, Verpflichtungen und Risiken.

Der Rechnungshof hat Vergaben von Leistungen an Dritte, wie Arzneimittelversorgung, medizinischer Sachbedarf, Essensversorgung, Reinigungsleistungen, Waschleistungen, Sicherheitsdienste, geprüft. In allen Fällen waren die vom Unternehmen geführten Unterlagen unvollständig; teilweise wurden sie von verschiedenen Organisationseinheiten geführt. Bei einigen Vergaben fehlten Unterlagen; die entsprechenden Aufträge wurden offenbar mündlich erteilt.

Durch die mangelhafte Führung der Vertragsakten hatte die Geschäftsführung keinen Überblick über die finanziellen Auswirkungen der jeweiligen Verpflichtungen. Das führte u. a. dazu, dass die mit der Vergabe von Leistungen erhofften Einsparungen nicht immer erreicht, bestehende Einsparungspotenziale nicht erkannt und steuerliche Fragen nicht geklärt wurden.

Das Unternehmen will die Anregungen des Rechnungshofs durch ein geordnetes Vertragsmanagement umsetzen und den Einkauf mithilfe eines externen Beratungsunternehmens neu organisieren.

3.2 Einzelfälle des Vertragsmanagements

3.2.1 Arzneimittelversorgung

Die Vergabe der derzeitigen Arzneimittelversorgung erfolgte ohne Ausschreibung, obwohl die maßgeblichen EU-Schwellenwerte überschritten waren. Mit der Lieferung von medizinischem Bedarf wurde ein anderes Unternehmen beauftragt; ob eine Ausschreibung erfolgt ist, war aus den Unterlagen des Unternehmens nicht zu entnehmen. Die medizinische Notfallversorgung wird durch nahe gelegene Apotheken sichergestellt.

Um Synergieeffekte bei der Ausschreibung des Apothekenbedarfs zu erzielen, sollten in die Ausschreibung auch der medizinische Sachbedarf und die Notfallversorgung mit einbezogen werden.

Das Unternehmen hat entsprechende Schritte eingeleitet.

3.2.2 Essensversorgung

Die Kostenkalkulation im Vorfeld der Vergabe an Dritte berücksichtigte nicht alle relevanten Fakten. Bei vollständiger Berücksichtigung der Kosten hätte sich kein finanzieller Vorteil für eine Fremdvergabe der Essensversorgung ergeben. Zwischen den angebotenen und vereinbarten Leistungen und Preisen bestehen erhebliche Diskrepanzen. Diese Abweichungen sowie nach Vertragsabschluss zusätzlich vereinbarte Leistungen konnten wegen einer lückenhaften Aktenführung nicht nachvollzogen werden. Die kurz nach Vertragsabschluss akzeptierten Preiserhöhungen widersprechen zum Teil den vertraglichen Festlegungen; die zusätzlich vergüteten Nebenkosten haben keine vertragliche Grundlage.

Ein vom Rechnungshof vorgenommener Leistungsvergleich mit externen Einrichtungen zeigt, dass das Unternehmen jährlich erhebliche Einsparungen bei der Essensversorgung erzielen könnte. Dies sollte im Rahmen der anstehenden Neukonzeption des Küchenbereichs überprüft werden. Durch einen Systemwechsel bei der Speisenherstellung könnten die Kosten weiter verringert werden.

Das Unternehmen hat Maßnahmen zur Optimierung der Essensversorgung eingeleitet und erwartet kurzfristig Einsparungen von jährlich rd. 110.000 €. Mittelfristig ist eine Neukonzeption der Essensversorgung geplant.

3.2.3 Reinigungs-, Wasch- und Sicherheitsleistungen

Leistungen Dritter für Reinigungs-, Wasch- und Sicherheitsleistungen mit teilweise beträchtlichem Finanzvolumen wurden über einen längeren Zeitraum (bis zu zehn Jahren) nicht dem Wettbewerb unterworfen. Damit kann die Wirtschaftlichkeit dieser eingekauften Leistungen nicht beurteilt werden. Der Rechnungshof hält deren baldige Ausschreibung für erforderlich.

Das Unternehmen konnte die Preise für externe Reinigungsleistungen inzwischen reduzieren und damit Kosten in Höhe von jährlich 120.000 € einsparen. Außerdem ist vorgesehen, dass der Vertrag über Sicherheitsdienstleistungen gekündigt und neu ausgeschrieben wird.

3.3 Umsatzsteuerliche Aspekte

Die Leistungen des Unternehmens unterliegen wegen ihrer Zuordnung zur Krankenversorgung größtenteils nicht der Umsatzsteuer. Daher ist die von Dritten in Rechnung gestellte Umsatzsteuer ein zusätzlicher Kostenfaktor.

Im Rahmen der Vergabe von Leistungen an Dritte wurden Vereinbarungen über eine kostenlose Personalgestellung durch das Unternehmen getroffen, aus denen sich für das Unternehmen erhebliche umsatzsteuerliche Verpflichtungen ergeben können. Die Abklärung mit der Finanzverwaltung sowie eine daraus resultierende Neugestaltung des Vertrags über die Essensversorgung wurden nunmehr vom Unternehmen veranlasst. Aufgrund der Vielzahl der an Dritte vergebenen Dienstleistungen hat der Rechnungshof dem Unternehmen die Gründung einer Servicegesellschaft in Verbindung mit einer umsatzsteuerlichen Organschaft empfohlen. Die daraus für das Unternehmen gegebenenfalls einzusparende Umsatzsteuer beläuft sich auf jährlich rd. 220.000 €.

Die Geschäftsführung hat diese bei der örtlichen Prüfung aufgezeigte Möglichkeit bereits aufgegriffen und dem Aufsichtsrat deren Umsetzung vorgeschlagen.

4 Nichtbeachtung der Folgekosten bei der Konzeption des Laborgebäudes

Beim Neubau des Laborgebäudes wurde die Frage der Folgekosten erst kurz vor Fertigstellung thematisiert. Eine teilweise Refinanzierung der Kosten durch Vermietungen an Dritte wurde nicht auf wirklichkeitsnaher Basis geprüft. Beide Aspekte wurden in den Gesamtkontext der Planung und Finanzierung nicht einbezogen. Wäre dies erfolgt, hätte möglicherweise das Bauvolumen reduziert werden können.

Das Unternehmen musste die für das Jahr 2005 angefallenen Folgekosten in Höhe von rd. 350.000 € selbst finanzieren. Dies führte mit zu dem negativen Betriebsergebnis. Seitdem hat das Land wegen der Folgekosten einen zusätzlichen jährlichen Zuschuss von rd. 900.000 € zu leisten. Eine Ablehnung der Finanzierung würde das Unternehmen mittelfristig in seiner Existenz gefährden.

Der Rechnungshof empfiehlt, bei künftigen Baumaßnahmen nicht nur die Investitionsfinanzierung, sondern auch die Folgekosten sowie ggf. realistische Berechnungen über die Refinanzierung der Kosten durch Vermietung bereits in die Planung derartiger Projekte einzubeziehen.

Das Wissenschaftsministerium wird den Vorschlag des Rechnungshofs aufgreifen und dem Unternehmen empfehlen, das Finanzstatut um Regelungen über die Planung und Finanzierung von Investitionskosten unter Berücksichtigung der Folgekosten zu ergänzen. Diese Regelungen werden dann auch Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen vorsehen.

5 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof hat bei dem Unternehmen administrative Fehler und ein mangelhaftes Vertragsmanagement festgestellt. Das Unternehmen muss künftig eine sorgfältigere und effizientere Behandlung der geprüften Sachverhalte sicherstellen. Dies gilt umso mehr, als die wettbewerbliche Situation von Unternehmen auf dem Gesundheitsmarkt und die angespannte finanzielle Lage der öffentlichen Haushalte immer weniger Spielräume für unwirtschaftliches Verhalten lassen.

Eine Möglichkeit, die Kosten zu reduzieren, besteht in der Auslagerung von Unternehmensteilen. Entscheidend für den Erfolg dieses Weges ist allerdings, dass eine Geschäftsführung die eigenen wirtschaftlichen Ressourcen realistisch einschätzt sowie sich zeitnah und umfassend über die jeweilige Marktsituation informiert. Dazu bedarf es neben der einschlägigen Fachkenntnisse auch regelmäßiger Ausschreibungen, um laufende Verträge an die aktuelle Marktsituation anzupassen. Zu beachten sind auch die aus der Zusammenarbeit mit Dritten eventuell resultierenden steuerrechtlichen Auswirkungen.

Wichtig für eine wirtschaftliche Betriebsführung ist auch, dass die installierten Sicherungs- und Kontrollmechanismen, beginnend vom Aufsichtsrat über die interne Revision bis hin zum externen Wirtschaftsprüfer, greifen. Dies war nicht immer in ausreichendem Maße der Fall.

Das Unternehmen und das Wissenschaftsministerium haben einen Großteil der Empfehlungen des Rechnungshofs aufgegriffen und eine innerbetriebliche Optimierung der Abläufe sowie Maßnahmen für eine Verbesserung der Kostensituation eingeleitet. Der Rechnungshof hält gleichwohl eine Überprüfung der Umsetzung seiner Empfehlungen für erforderlich.


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Die Universität Karlsruhe hat es in der Vergangenheit versäumt, die Organisation und Wirtschaftlichkeit ihrer Gebäudereinigung umfassend zu untersuchen und zu optimieren. Daher blieb bis 2006 ein Einsparpotenzial von jährlich 1,5 Mio. € ungenutzt.


1 Ausgangslage

Die Universitäten bewirtschaften ihre Gebäude eigenständig. Aus diesem Grund sind sie in die bisherigen Untersuchungen der Finanzkontrolle zur Organisation und Wirtschaftlichkeit der Gebäudereinigung (Beratende Äußerung vom 18.04.1996, Landtagsdrucksache 11/7189 und Denkschrift 2004, Nr. 6) und in die daraufhin durchgeführten Optimierungsmaßnahmen des Finanzministeriums nicht einbezogen worden. Jedoch ermittelte das Wissenschaftsministerium 1997 auf Grundlage der Beratenden Äußerung für die Gebäudereinigung der Universitäten ein Einsparpotenzial von 2,6 Mio. € bis 4,1 Mio. € jährlich. Die Vorschläge des Rechnungshofs sollten modifiziert auf die Universitäten übertragen werden (Landtagsdrucksache 12/2042). In der Folge beschränkte sich das Wissenschaftsministerium darauf, einmalig Daten bei den Universitäten zu erheben.

Das Staatliche Rechnungsprüfungsamt Karlsruhe hat die Gebäudereinigung der Universität Karlsruhe untersucht, um erstmals auch für den Universitätsbereich verlässliche Daten zu erhalten.

2 Gebäudereinigung bei der Universität Karlsruhe

2.1 Organisation der Gebäudereinigung

Bei der Universität Karlsruhe waren 2005 insgesamt 135 Objekte zu reinigen. Die Reinigung erfolgte in 46 Objekten mit eigenem Personal (Eigenreinigung), in 79 Objekten mit fremdem Personal (Fremdreinigung) und in zehn Objekten sowohl durch Eigenreinigung als auch durch Fremdreinigung (Mischreinigung).

Für die Gebäudereinigung sind bisher mehrere Organisationseinheiten der Universität zuständig; die Hauptverantwortung liegt bei der Organisationseinheit „Gebäudebetriebsdienste“. Ein zentrales Reinigungscontrolling wurde bisher nicht eingerichtet. Steuerungsrelevante Kennzahlen lagen nicht vor, u. a. weil der Gebäudereinigung lange Zeit nur eine untergeordnete Bedeutung beigemessen wurde. Angesicht eines Anteils der Reinigungskosten von 36 % an den gesamten Gebäudebetriebskosten von 15 Mio. € war dies nicht vertretbar. Die Universität Karlsruhe hat konkrete Optimierungsmaßnahmen erst spät eingeleitet und öffentliche Ausschreibungen erstmals 2006 durchgeführt.

Das Staatliche Rechnungsprüfungsamt Karlsruhe hat die öffentliche Ausschreibung begleitet, Vorschläge zur Optimierung der Eigenreinigung gemacht und darüber hinaus empfohlen, die Organisation des Reinigungsbereichs klarer zu strukturieren und Aufgaben zu bündeln.

2.2 Kosten- und Bodenflächenentwicklung

Entscheidenden Einfluss auf die Kostenentwicklung der Unterhaltsreinigung hat der Umfang der zu reinigenden Bodenfläche, dessen Entwicklung in Tabelle 1 dargestellt ist.

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Die gesamte Bodenfläche nahm von 1994 bis 2005 um 25 % zu. Der weitaus größte Teil des Flächenzuwachses wurde in den Bereich der Fremdreinigung übernommen. Dadurch erhöhte sich der Anteil der fremd gereinigten Fläche an der Gesamtfläche von 58 % auf 62 %. Der Anteil der Eigenreinigung hat mit 38 % weiter eine große finanzielle Bedeutung.

Der Anstieg der zu reinigenden Gesamtfläche um 25 % hatte eine Kostensteigerung für die Unterhaltungsreinigung um 14 % auf 4,89 Mio. € zur Folge. Gleichzeitig erhöhte sich der Anteil der Fremdreinigung an den Gesamtkosten auf 54 % (siehe Tabelle 2).

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Die Kosten der Eigenreinigung lagen 1994 nach Angaben der Universität Karlsruhe bei 2,37 Mio. €. Für das Jahr 2005 hat das Staatliche Rechnungsprüfungsamt Karlsruhe einen Personaleinsatz von rd. 74 Vollzeitäquivalenten mit 2,23 Mio. € Kosten ermittelt.

2.3 Kennzahlen zur Unterhaltsreinigung bei der Universität Karlsruhe

Die Relation der Reinigungskosten zur Bodenfläche gibt einen wesentlichen Anhaltspunkt für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Gebäudereinigung. Diese Kennzahlen sind in Tabelle 3 dargestellt.

2007-B30-Tab3.jpg

Im Jahr 2005 betrugen die Reinigungskosten je m² Bodenfläche 14,30 €. Gegenüber 1994 konnten sie nur um 9 % verringert werden. Im sonstigen Landesbereich ist aber eine erheblich stärkere Kostenreduktion zu beobachten. Beispielsweise wurde im Regierungsbezirk Karlsruhe für beide Reinigungssysteme eine Reduzierung dieser Kennzahl um 38 % festgestellt (Denkschrift 2004, Nr. 6). Zur weiteren Beurteilung der Kennzahlen werden diese in Tabelle 4 für die Eigen- und Fremdreinigung getrennt dargestellt.

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Während die Kennzahl der Eigenreinigung von 1994 gegenüber 2005 um 17 % auf 17,26 €/m² reduziert werden konnte, hat sich die Kennzahl der Fremdreinigung in diesem Zeitraum um 3 % auf 12,52 €/m² geringfügig erhöht. Beim Vergleich der beiden Reinigungssysteme zeigen sich aber noch immer deutliche Unterschiede: Trotz der Leistungsverbesserung bei der Eigenreinigung lagen deren Kosten je m² Bodenfläche 2005 noch um 38 % über denen der Fremdreinigung.

3 Optimierungsmaßnahmen der Universität Karlsruhe bis 2006

Die Universität Karlsruhe hatte der Wirtschaftlichkeit der Gebäudereinigung viele Jahre lang wenig Bedeutung beigemessen. Später als bei anderen Landesdienststellen wurde mit der Optimierung der Gebäudereinigung begonnen. Anfang 2000 wurde eine Mitarbeiterin mit der Objektleitung beauftragt. Ihr wurden die Personaleinsatzsteuerung sowie die qualitative und quantitative Kontrolle der Gebäudereinigung im operativen Bereich übertragen. Durch Umstrukturierungen bei der Eigenreinigung übernahmen die Reinigungskräfte zusätzlich zur Unterhaltsreinigung sowohl zuvor fremd vergebene Sonderleistungen, wie z. B. Grund- und Sonderreinigungen, zusätzliche Hörsaalreinigungen, als auch die Reinigung der Tafeln nach den Vorlesungen und die Verteilung der Post. Diese Einzelmaßnahmen waren jedoch in keinen kontinuierlichen Verbesserungsprozess eingebunden.

Erst im Jahr 2005 hat die Universität Karlsruhe ein umfassendes Reorganisationsprojekt begonnen. Dabei wurden sämtliche zu reinigenden Flächen neu vermessen und in ein Raumbuch aufgenommen. Für die fremd gereinigten Flächen wurden die Reinigungsanforderungen neu definiert und dabei insbesondere die Reinigungshäufigkeit verringert. Dies war die erforderliche Grundlage für eine 2006 durchgeführte europaweite Ausschreibung der Fremdreinigung.

4 Feststellungen zur Fremdreinigung

Am 31.12.2005 wurden bei der Universität Karlsruhe 89 Gebäude von drei verschiedenen Unternehmen gereinigt. Rund 90 % der Fläche und der Kosten entfielen dabei auf einen Anbieter. Bei zwei Anbietern reichten die Vertragsbeziehungen bis ins Jahr 1980 zurück.

Alle Reinigungsverträge basierten bisher auf beschränkten Ausschreibungen oder freihändigen Vergaben. Eine öffentliche Ausschreibung ist zwischen 1980 und 2005 nicht durchgeführt worden. Hinzukommende Flächen wurden in vielen Fällen zu den Konditionen der alten Verträge gereinigt, teilweise auch ohne den Abschluss von schriftlichen Vereinbarungen.

Die Reinigungskosten je m² Bodenfläche betrugen im Jahr 2005 bei den seit 1980 laufenden Verträgen rd. 13 €. Dies entsprach rund dem doppelten Preis, den das Unternehmen verlangte, mit dem erstmals 1997 ein Vertrag geschlossen wurde. Ursächlich für den deutlichen Preisunterschied war insbesondere, dass die Vertragsbeziehungen nach der Vergabe nie an die sich verändernden Marktbedingungen angepasst wurden.

Die Universität Karlsruhe konnte die Wirtschaftlichkeit der Fremdreinigung deutlich verbessern, indem sie die erforderlichen Basisdaten erstellte und 2006 die Fremdreinigung europaweit öffentlich ausschrieb. Den Zuschlag erhielten Angebote, aus denen sich eine durchschnittliche Kennzahl von 7,22 €/m² ergibt. Bezogen auf die zu reinigende Fläche von 212.758 m² betragen die Gesamtkosten nun nur noch 1,54 Mio. € gegenüber bisher 2,66 Mio. €. Die jährlichen Ausgaben für die Unterhaltsreinigung können dadurch um mehr als eine Million Euro gesenkt werden. Die Reinigungskosten je m² Bodenfläche liegen nun sogar unter dem Durchschnittswert von 7,70 €/m² im sonstigen Landesbereich.

Die Universität Karlsruhe hätte dieses Einsparpotenzial auch schon in den vergangenen Jahren realisieren können. Auch ohne vollständige Basisdaten zum Reinigungsbereich hätte der offensichtliche Preisunterschied zwischen den Unternehmen Anlass sein müssen, die vorgeschriebenen öffentlichen Ausschreibungen durchzuführen.

5 Wirtschaftlichkeitsberechnungen zur Eigenreinigung

Für Wirtschaftlichkeitsberechnungen zur Eigenreinigung der Universität Karlsruhe kann ebenfalls die Kennzahl Kosten je Fläche auf Basis des Ist-Ergebnisses 2005 verwendet werden. Als Vergleichsmaßstab kommen die aktuelle Kennzahl der Fremdreinigung und die durchschnittlichen Einsparungen im Regierungsbezirk Karlsruhe (entspricht der um 38 % reduzierten Kennzahl der Universität Karlsruhe aus dem Jahr 1994) in Betracht. In Tabelle 5 werden diese Werte gegenübergestellt.

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Der Vergleich zeigt, dass die Kosten der Eigenreinigung deutlich über den Vergleichswerten liegen. Die Bandbreite der möglichen Einsparungen liegt zwischen 0,57 Mio. € und 1,30 Mio. € (26 % bis 58 % der bisherigen Kosten). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass für die höheren Kosten der Eigenreinigung gegenüber der Fremdreinigung auch höhere Qualitätsanforderungen oder erhöhte Schwierigkeitsgrade ursächlich sein können.

Das Staatliche Rechnungsprüfungsamt Karlsruhe hat daher für die Eigenreinigung der Universität Leistungsanforderungen ermittelt und für jede Raumart Soll-Werte zur Reinigungshäufigkeit und zur Reinigungsleistung festgelegt. Für die Reinigungshäufigkeit wurden dabei die bereits für die Fremdreinigung geltenden Intervalle übernommen. Die Vorgaben zur Reinigungsleistung wurden anhand der Ausschreibungsergebnisse der Universität sowie der Erfahrungen des Staatlichen Rechnungsprüfungsamts Karlsruhe gebildet.

Maßgeblich bei den Berechnungen war außerdem die anzunehmende Raumgruppenverteilung, für deren endgültige Festlegung die Universität Karlsruhe noch die erforderlichen Daten ermitteln muss. Im Durchschnitt ist davon auszugehen, dass die Leistungsdaten auf ein Intervall von 13 Reinigungen je Monat und eine Reinigungsleistung von 254 m²/Stunde anzupassen sind.

Während die in Tabelle 5 aufgeführten Berechnungen methodisch bedingt keine Anforderungsunterschiede machen, kann mit den zuvor ermittelten Durchschnittswerten eine realitätsnahe Kennzahl für die Eigenreinigung gebildet werden. Die Universität Karlsruhe wies darauf hin, dass die angestrebte Kostenminimierung derzeit noch nicht erreichbar sei. Das Staatliche Rechnungsprüfungsamt Karlsruhe hat deshalb einen Zuschlag von 20 % auf den Reinigungsaufwand berücksichtigt. In Tabelle 6 wird dargestellt, welche Kennwerte für die Eigenreinigung kurzfristig anzustreben sind.

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Auf der Basis der anzustrebenden Leistungsdaten ergibt sich für die Eigenreinigung eine Kennzahl, die mit 14 €/m² deutlich unter der derzeitigen Kennzahl von 17,26 €/m² liegt. In Tabelle 7 ist das Einsparpotenzial errechnet, wenn diese Kennzahl erreicht wird.

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Die Gegenüberstellung zeigt ein kurzfristig zu erreichendes Einsparvolumen von 0,42 Mio. € auf und liegt damit unter der in Tabelle 5 ermittelten Bandbreite. Nachdem die Reinigungsintervalle die vorgegebenen Anforderungen berücksichtigen, ist das Einsparvolumen von 0,42 Mio. € das Minimalziel, das sich kurzfristig durch eine Optimierung der Eigenreinigung ergeben muss. Es ist Aufgabe der Universität Karlsruhe, bei Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen zu prüfen, ob durch die Anpassung von Qualitätsstandards und durch eine Einschränkung der Zuschläge für Rüst- und Verteilzeiten weitere Einsparungen möglich sind.

Langfristig ist für die Eigenreinigung das Kostenniveau der Fremdreinigung anzustreben. Dieses ist - bei gleichen Reinigungsvoraussetzungen - jedoch nur erreichbar, indem entweder auch diese Flächen in die Fremdreinigung überführt werden oder die Leistungswerte der eigenen Reinigungskräfte an die der Fremdreinigung angeglichen werden.

6 Weitere erforderliche Maßnahmen

6.1 Fremdreinigung

Der Kennzahlenvergleich zeigt, dass mit dem Ausschreibungsergebnis zur Fremdreinigung bei der Universität Karlsruhe die derzeitige Marktlage ausgeschöpft wurde. Die von den Anbietern angegebenen Werte zur erzielbaren Reinigungsleistung sind nach Erfahrung der Finanzkontrolle relativ hoch, sodass sich in der Praxis erst noch herausstellen muss, ob die geforderte Qualität auch zu leisten ist. Die Universität Karlsruhe beabsichtigt, die Erfahrungen mit einem Qualitätsmesssystem zu evaluieren.

6.2 Eigenreinigung

Bei der Eigenreinigung ist das Einsparpotenzial von mindestens 0,42 Mio. € noch nicht realisiert worden. In einem ersten Schritt sind die Reinigungsanforderungen und die Leistungswerte an die Werte des Musterobjekts anzupassen. Parallel sind für alle Objekte mit Eigenreinigung die Reinigungsanforderungen bei Anlegung eines sparsamen Maßstabs festzulegen. Darüber hinaus sind weitere Kostenreduzierungen anzustreben. Die Kennzahl für die Fremdreinigung liegt deutlich unter der Kennzahl für die Eigenreinigung. Soweit durch Fluktuation Stellen des Reinigungspersonals frei werden, sollte für die Festlegung des Reinigungssystems jeweils eine Wirtschaftlichkeitsberechnung erfolgen.

Über die berechneten Einsparungen hinaus sind auch bei den zusätzlichen Aufgaben der Reinigungskräfte die Wirtschaftlichkeit zu überprüfen und vorhandene Einsparpotenziale zu erschließen.

6.3 Allgemeine Maßnahmen

Neben den speziellen Maßnahmen, welche die einzelnen Reinigungssysteme betreffen, sind auch allgemeine organisatorische Maßnahmen erforderlich, um die Effizienz und Effektivität der Gebäudereinigung zu erhöhen. Hierzu gehört insbesondere der Aufbau eines internen Reinigungscontrollings bei der Universität.

Angesichts der hohen finanziellen Bedeutung der Gebäudereinigung regt der Rechnungshof an, die wesentlichen Kosten- und Leistungskennzahlen der Universitäten im Land an zentraler Stelle regelmäßig zusammenzuführen. Auf diese Weise könnten die Universitäten bei der Steuerung ihrer Gebäudereinigung unterstützt werden, beispielsweise durch ein regelmäßiges universitätsübergreifendes Benchmarking.

7 Stellungnahme des Ministeriums

Das Wissenschaftsministerium kann die Empfehlungen des Rechnungshofs, die wesentlichen Kosten- und Leistungskennzahlen an zentraler Stelle zusammenzuführen, nachvollziehen. Wegen der Hochschulautonomie sieht es jedoch keine Möglichkeit, selbst eine landesweite Steuerung für den Gebäudereinigungsbereich der Universitäten zu übernehmen. Das Ministerium ist allerdings bereit, die Universitäten bei der Optimierung ihrer Gebäudereinigung zu unterstützen. Hierzu wird es eine Informationsveranstaltung anbieten, in der über grundsätzliche Fragen der Gebäudereinigung berichtet und mit den Universitäten über das weitere Vorgehen diskutiert werden soll.


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Durch die Zusammenführung von drei im Geschäftsbereich des Wissenschaftsministeriums bestehenden Service-Einrichtungen an einem Standort können Personal-, Unterbringungs- und Technikkosten von 800.000 € gespart werden. Als künftiger Standort bietet sich der Campus der Fachhochschule Reutlingen an, weil ausreichende und geeignete Flächen im Landeseigentum zur Verfügung stehen. Außerdem ist dort bereits eine der drei Service-Einrichtungen untergebracht.


1 Organisation und Aufgaben der Service-Einrichtungen

Im Geschäftsbereich des Wissenschaftsministeriums bestehen drei Service-Einrichtungen an drei Standorten, welche nichtuniversitäre Hochschulen, Berufsakademien und Kunsteinrichtungen bei der Wahrnehmung von IuK-Aufgaben und zum Teil in betriebswirtschaftlichen Angelegenheiten unterstützen und beraten. Es handelt sich um die Planungs- und Organisationsgruppe der Pädagogischen Hochschulen (PlGr) in Reutlingen, die Koordinierungsstelle Verwaltungsautomation der Fachhochschulen und Kunsthochschulen (KOS) in Konstanz und das Controlling Service Center (CSC) in Stuttgart. Sie erfüllen vergleichbare oder sich ergänzende Aufgaben, welche teilweise demselben Kundenkreis zugutekommen. Daher arbeiten sie schon bisher zusammen. Jede Service-Einrichtung unterhält jedoch eine eigene Leitungs- und Verwaltungsorganisation.

Einen Überblick über die organisatorische Angliederung der Service-Einrichtungen, die Unterbringung sowie die Stellen- und Personalausstattung gibt Tabelle 1.

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Die PlGr in Reutlingen unterstützt die sechs pädagogischen Hochschulen bei der Datenverarbeitung, bei der Studierendenverwaltung sowie bei der Einführung der Neuen Steuerungsinstrumente (NSI). Sie führt IuK-Schulungen für die Mitarbeiter durch und betreibt in eigenen Räumen ein Rechenzentrum für die Fachverfahren aller pädagogischen Hochschulen sowie eine „Knotenstelle“ für die Bündelung und Übermittlung der Daten aus Fachvorverfahren (z. B. die HIS-Module im Hochschulbereich) an das NSI-Rechenzentrum. Darüber hinaus führt sie im Auftrag des Kultusministeriums das Auswahl- und Verteilungsverfahren der Lehramtsanwärter gegen Kostenerstattung durch.

Die KOS in Konstanz unterstützt die staatlichen Fach- und Kunsthochschulen bei der Einführung, dem Betrieb und der Evaluation der automatisierten Verwaltungsverfahren. Neben den IuK-Schulungen für die Mitarbeiter betreibt sie ein Rechenzentrum für die Fachverfahren der Fach- und der Kunsthochschulen. Dieses ist im selben Raum wie das Rechenzentrum der Hochschule Konstanz untergebracht. Bisher sind die acht Kunsthochschulen und 14 von 21 Fachhochschulen an das Rechenzentrum der KOS angeschlossen, vier Fachhochschulen stehen zur Anbindung an.

Dem CSC in Stuttgart obliegt die betriebswirtschaftliche Beratung und Betreuung der nichtuniversitären Hochschulen, der Berufsakademien und der Kunsteinrichtungen in allen NSI-Angelegenheiten sowie die Mitwirkung bei NSI-Konzepten. Das CSC arbeitet bei der Implementierung der Software mit der KOS und der PlGr zusammen und koordiniert die Aufgabenerfüllung im Hinblick auf das Gesamtprojekt.

2 Aktivitäten des Wissenschaftsministeriums und Anlass der Prüfung durch die Finanzkontrolle

Nach dem Staatshaushaltsplan waren bei den Service-Einrichtungen über ausgebrachte Personalstellen und bereitgestellte Haushaltsmittel insgesamt 36 Beschäftigungsverhältnisse möglich. Hiervon war die Finanzierung für 16 Beschäftigungsverhältnisse jedoch nur bis Ende 2006 (aus den Mitteln des Hochschul- und Wissenschaftsprogramms des Bundesministers für Bildung und Forschung) beziehungsweise bis 2009 (aus sogenannten NSI-Mitteln bei Kapitel 1230 des Staatshaushaltsplans) gesichert. Für das Wissenschaftsministerium stellte sich Ende 2004 deshalb die Frage des Bedarfs einer Anschlussfinanzierung. Außerdem standen zu diesem Zeitpunkt grundsätzliche Entscheidungen über die weitere räumliche Unterbringung an. Das Wissenschaftsministerium beauftragte deshalb eine Arbeitsgruppe „Service-Einrichtungen“ aus Vertretern der betreuten Hochschulen, die Organisationsstrukturen der drei Service-Einrichtungen und alternative Möglichkeiten der Unterbringung zu untersuchen.

Die Arbeitsgruppe hat in ihrem Bericht vom April 2005 Synergiepotenziale bei einer Zusammenführung der Service-Einrichtungen erkannt und sich für eine schrittweise Zusammenlegung der Service-Einrichtungen an einem oder zwei Standorten ausgesprochen. Daraufhin hat sich das Wissenschaftsministerium eingehend mit der Neustrukturierung der Service-Einrichtungen und alternativen Organisationsformen, dem künftigen Personal- und Flächenbedarf, der Unterbringung sowie mit den finanziellen Auswirkungen befasst. Im November 2005 wurde eine interne Vorlage für eine Grundsatzentscheidung über die stufenweise Zusammenlegung der Service-Einrichtungen erstellt, in der als Standort Reutlingen und als Rechtsform eine gemeinsame Einrichtung aller Hochschulen (§ 6 Abs. 1 und 3 Landeshochschulgesetz) favorisiert und der künftige Personalbedarf auf 28 Stellen geschätzt wurde.

Das Wissenschaftsministerium hat jedoch bislang keine Entscheidung getroffen, obwohl auch die Finanzkontrolle schon im Sommer 2005 die Frage aufgeworfen hatte, ob der Weiterbetrieb gesonderter Service-Einrichtungen wirtschaftlich ist. Parallele Organisationsstrukturen und die Bewältigung vergleichbarer Aufgaben ließen Synergiepotenziale vermuten. Deshalb haben die staatlichen Rechnungsprüfungsämter Tübingen und Freiburg den Aufbau, die dezentrale Aufgabenverteilung, den Personalbedarf und die Unterbringung der Service-Einrichtungen untersucht.

Nach Beginn der Erhebungen der Finanzkontrolle hat das Wissenschaftsministerium am 07.02.2006 einen Einstellungsstopp bezogen auf freiwerdende Stellen der Service-Einrichtungen verfügt und die Baumittel für die Herrichtung eines Serverraums der KOS gesperrt. Die Entscheidung über die Neustrukturierung der Service-Einrichtungen hat das Wissenschaftsministerium noch einmal bis zur Vorlage des Untersuchungsergebnisses der Finanzkontrolle zurückgestellt.

3 Untersuchungsergebnisse der Finanzkontrolle

3.1 Personalbedarf

Die Finanzkontrolle hat die Berechnungen der Arbeitsgruppe zum Personalbedarf einer zusammengeführten Service-Einrichtung nachvollzogen und um Unschärfen bereinigt. Danach ergibt sich folgendes Bild:

Bei der Zusammenführung der drei Leitungsbereiche in einer Organisationseinheit ergeben sich bei den Aufgaben Leitung, Organisation und Verwaltung Synergieeffekte im Umfang von einem Vollzeitäquivalent (VZÄ).

Rund die Hälfte des Personals der drei Service-Einrichtungen übt bei der Benutzer- und bei der Systembetreuung nahezu identische Tätigkeiten für ihren jeweiligen Kundenkreis aus. Bei einer Zusammenlegung der Service-Einrichtungen können die Aufgaben in diesen Bereichen effizienter und mit 1,5 VZÄ bzw. 2,5 VZÄ weniger erledigt werden. Zudem kann bei der SAP-Anwenderbetreuung ein VZÄ eingespart werden.

Für die anstehende Einbindung weiterer Fachhochschulen in den laufenden Rechenzentrumsbetrieb ergibt sich hingegen ein zusätzlicher Bedarf von einem VZÄ.

Neben diesen Daueraufgaben erledigen die Service-Einrichtungen aus Eigeninitiative oder auf Anfrage mit einem Personaleinsatz von 2,5 VZÄ auch zeitlich befristete Projektaufgaben, wie beispielsweise zur Ausgestaltung des Berichtswesens im Controlling oder für zeitlich befristete technische Aufgaben bei der Einbindung in den Rechenzentrumsbetrieb. Da es für diese Aufgaben jedoch kein Zukunftskonzept gibt, sind sie bei der Ermittlung des künftigen Personalbedarfs nicht berücksichtigt worden.

Da einzelne Aufgaben, wie z. B. die Studentenverwaltung für die pädagogischen Hochschulen, schon bisher nur von einer Service-Einrichtung erbracht wurden, ergaben sich hier keine weiteren Synergiepotenziale.

Bei der Zusammenlegung der Service-Einrichtungen ist per saldo nur ein reduzierter Personalbestand zur Erledigung der Daueraufgaben notwendig. Im Einzelnen zeigt dies Tabelle 2.

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Danach ergibt sich für eine zusammengeführte Service-Einrichtung ein künftiger Bedarf von 25,8 VZÄ, was auf Dauer ein haushaltswirksames Einsparpotenzial von 7,5 VZÄ bedeutet.

Bezogen auf Personalstellen ergibt sich ein Bedarf von maximal 26 Stellen und damit ein um zehn Stellen geringerer Bedarf, als derzeit im Staatshaushaltsplan ausgebracht (siehe Tabelle 1).

Das Wissenschaftsministerium sollte geeignete personalwirtschaftliche Maßnahmen zur Reduzierung des Personalbestands (von derzeit 33,3 VZÄ) der Service-Einrichtungen durchsetzen, wozu auch gehört, dass es der Verlängerung befristeter Dienstverträge nicht weiter zustimmt. Da acht Stellen mit befristet Beschäftigten besetzt sind, könnte mithilfe des verfügten Einstellungsstopps der Mitarbeiterbestand bis Ende 2009 sukzessive auf 26 zurückgeführt werden.

3.2 Flächenbedarf

Den drei Service-Einrichtungen stehen zur Erledigung ihrer Aufgaben aktuell die in Tabelle 3 genannten Grund- und Nutzflächen zur Verfügung.

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Die verfügbaren Flächen übersteigen schon jetzt den notwendigen Bedarf und können durch die Zusammenführung der Service-Einrichtungen deutlich reduziert werden. So stehen derzeit vier IuK-Schulungsräume in unterschiedlicher Größe zur Verfügung. Deren Auslastung war in den Jahren 2004 und 2005 allerdings sehr gering, wie Tabelle 4 verdeutlicht.

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Eine derart geringe Auslastung von im Schnitt lediglich 21 % bzw. 17 % ist wirtschaftlich nicht vertretbar. Auf drei der vier Schulungsräume könnte verzichtet werden. Ein Schulungsraum mit 16 IuK-Schulungsplätzen wäre ausreichend. Neben einer besseren Auslastung der einzelnen Veranstaltungen würden sich dadurch Einsparungen an IuK-Gerätekosten von jährlich rd. 50.000 € ergeben (bei 1.100 € je Schulungsplatz nach der VwV-Kostenfestlegung).

Da nach einer Zusammenführung nur noch 26 Mitarbeiter unterzubringen wären, ergibt sich ein deutlich reduzierter Flächenbedarf:

Büroräume für 26 Personen à maximal 13 m² 338 m²
Besprechungsraum 65 m²
Schulungsraum mit rd. 16 IuK-Arbeitsplätzen 40 m²
DV und Bürotechnik 100 m²
Nebennutzflächen für Sanitärräume usw. 22 m²
Zwischensumme Nutzfläche 565 m²
Zuschlag für Verkehrsflächen (laut Hochbauverwaltung 41 %) 232 m²
Notwendige Grundfläche (aufgerundet) 800 m²

Für eine gemeinsame Service-Einrichtung ergibt sich gegenüber derzeit 1.379 m² (Tabelle 3) ein um 579 m² (42 %) geringerer Flächenbedarf. Damit fallen jährlich fast 100.000 € weniger Kosten an . Haushaltswirksame Einsparungen in dieser Höhe würden sich allein durch die Aufgabe des Standortes Stuttgart ergeben. Dort fallen für die Unterbringung des CSC jährlich rd. 100.000 € Miet- und 35.000 € Bewirtschaftungskosten an.

Im Vorgriff auf die Prüfungsmitteilung teilte die Finanzkontrolle deshalb dem Wissenschaftsministerium Ende Mai 2006 mit, dass dem CSC in Stuttgart Flächen über Bedarf zur Verfügung stehen, und empfahl zu prüfen, ob nicht zumindest Teilflächen gekündigt werden könnten. Die Kündigung hätte bis spätestens 03.06.2006 ausgesprochen werden können. Das Wissenschaftsministerium sah sich jedoch hierzu nicht in der Lage, weil eine eingehende Prüfung unter Einbeziehung aller Beteiligten in der kurzen Zeit nicht mehr möglich gewesen wäre.

3.3 Möglicher Standort einer gemeinsamen Service-Einrichtung

Der Standort der zusammengeführten Service-Einrichtung sollte wegen der erforderlichen Besprechungen und Schulungen zentral im Land liegen. Unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten ist der Unterbringung in bereits vorhandenen landeseigenen Räumen der Vorzug zu geben, wenn nicht besondere Gründe dagegen sprechen.

An den bisherigen Standorten der KOS in Konstanz und des CSC in Stuttgart stehen keine freien landeseigenen Flächen zur Verfügung. Der notwendige zusätzliche Raumbedarf könnte dort deshalb nur durch Fremdanmietungen abgedeckt werden. Weiterhin würden zusätzliche Investitionen zur funktionalen Nutzung für den Rechenzentrumsbetrieb anfallen; daher scheidet die Zusammenführung der Service-Einrichtung an diesen beiden Standorten aus.

Hingegen stehen auf dem Campus der Fachhochschule Reutlingen, wo bislang schon die PlGr untergebracht ist, freie und geeignete landeseigene Gebäudeflächen zur Verfügung. Nach einer Erhebung der Liegenschaftsverwaltung vom Februar 2004 verfügt die Fachhochschule über rd. 3.000 m² nicht benötigter Flächen. Die gemeinsame Einrichtung sollte deshalb möglichst auf dem Campus der Fachhochschule Reutlingen untergebracht werden.

Laut Aussage der Hochbauverwaltung wären die Räumlichkeiten in Reutlingen zur Unterbringung der Service-Einrichtung geeignet. Die notwendigen Sanierungsarbeiten könnten innerhalb von ein bis zwei Jahren durchgeführt werden.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Gelände der Fachhochschule Reutlingen teilweise einen problematischen geologischen Untergrund hat. Es könnten dadurch, unabhängig von der künftigen Nutzung des vorgesehenen Gebäudes, neben den reinen Gebäudesanierungsmaßnahmen zusätzliche Gründungsarbeiten erforderlich werden.

Die Ausgaben für die Sanierung der entsprechenden Gebäude dürfen der Wirtschaftlichkeit jedoch nicht entgegenstehen. Das Wissenschaftsministerium muss dies vor weiteren Schritten gemeinsam mit der Hochbauverwaltung prüfen und eine kostengünstige und schnell realisierbare Lösung erarbeiten.

Dabei muss auch geprüft werden, ob das zusammengeführte Rechenzentrum der Service-Einrichtung in den Rechnerräumen der (Sitz)Hochschule untergebracht werden kann, um die bereits vorhandene technische Infrastruktur wie z. B. Notstromversorgung und Klimaanlage kostengünstig zu nutzen. Das Wissenschaftsministerium sollte verschiedene Alternativen des Rechenzentrums-Betriebs hinsichtlich Machbarkeit, Kosten und Nutzen untersuchen.

3.4 Künftige Rechts- und Organisationsform

Die zusammengeführte Service-Einrichtung wird künftig einen heterogenen Kundenkreis bedienen sowie die Interessen der unterschiedlichen Hochschulen und Kunsteinrichtungen mit den Interessen des Wissenschaftsministeriums in Einklang bringen müssen.

Bei der Entscheidung für eine Rechts- und Organisationsform sind neben der schnellen Realisierbarkeit und den Kontrollmöglichkeiten auch Kostengesichtspunkte zu beachten. Durch die Verlagerung der Personal- und Finanzverwaltung der Service-Einrichtung auf eine (Sitz)Hochschule sind weitere Einsparungen möglich.

Der Rechnungshof empfiehlt eine organisatorisch eigenständige, betriebswirtschaftlich strukturierte Einrichtung, die den Beteiligten ausreichende Kontrollmöglichkeiten (Verwaltungs-, Bei- oder Aufsichtsrat) sichert. In einer solchen Einrichtung könnte der Dienstleistungsgedanke am besten verwirklicht werden, einschließlich einer Kostenverrechnung in einem Auftraggeber-/Auftragnehmerverhältnis.

3.5 Rechenzentrums-Betrieb für „Externe Kunden“

Die KOS und die Fachhochschule Konstanz haben dem Wissenschaftsministerium im Rahmen der Diskussion zur Neustrukturierung der Service-Einrichtungen vorgeschlagen, den Rechenzentrums-Betrieb so auszubauen, dass auch externe Kunden, wie beispielsweise private Hochschulen oder öffentliche Hochschulen anderer Verwaltungsbereiche, bedient werden könnten.

Der Rechnungshof empfiehlt jedoch, den Rechenzentrums-Betrieb an den dauernden Kernaufgaben der fusionierten Service-Einrichtung auszurichten. Eine Öffnung für Externe, insbesondere private Kunden oder Hochschulen außerhalb der Landesverwaltung, würde eine Verselbstständigung des Rechenzentrums bedeuten, was mit Blick auf die Struktur der bestehenden landeseigenen Rechenzentren (Informatikzentrum Landesverwaltung Baden-Württemberg, Landeszentrum für Datenverarbeitung) nicht befürwortet werden kann. Zudem ergeben sich bei IuK-Dienstleistungen landeseigener Einrichtungen an private Stellen erhebliche steuerliche Auswirkungen.

4 Zusammenfassende Wertung

Obwohl dem Wissenschaftsministerium die Umstände und Fakten, die zu den genannten Empfehlungen führen, weitgehend bekannt waren, hat es die konzeptionellen Überlegungen nur zögerlich betrieben und bisher nicht umgesetzt, weshalb es zu vermeidbaren Ausgaben kam und immer noch kommt.

Der Rechnungshof hält die Zusammenführung der drei Service-Einrichtungen unter fachlichen Aspekten und aus Gründen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit für geboten. Dadurch können der vorhandene Personalbestand um acht auf 26 VZÄ reduziert und weitere Synergieeffekte erzielt werden.

Mit der Zusammenführung der Service-Einrichtungen sollten mindestens folgende Einsparungen erzielt werden:

  • 20 bis 25 % der laufenden Personalkosten,

 

  • 100.000 € an Unterbringungs- und Ausstattungskosten durch verringerten Personalbedarf,

 

  • 50.000 € an Technik- und Unterbringungskosten durch den Verzicht auf IuK-Schulungsräume sowie

 

  • weitere Technik- und Unterbringungskosten durch die Konsolidierung der Rechenzentren.

In der Summe geht es dabei um Einsparpotenziale von bis zu 800.000 € jährlich. Diesen stehen einmalige Ausgaben für die Sanierung der neuen zentralen Unterbringung gegenüber, die noch zu ermitteln sind.

Das Wissenschaftsministerium sollte daher unverzüglich Maßnahmen zur Schaffung der Voraussetzungen für eine Unterbringung der zusammengeführten Service-Einrichtung auf dem Campus der Fachhochschule Reutlingen ergreifen und ein entsprechendes Nutzungskonzept erstellen. Zeitnah sollten - auch unbequeme - Entscheidungen getroffen werden, um eine Realisierung binnen maximal zwei Jahren zu ermöglichen.

5 Stellungnahme des Ministeriums

Das Wissenschaftsministerium hat bereits erste Schritte zur Umsetzung der Empfehlungen des Rechnungshofs hinsichtlich der Zusammenführung der drei Serviceeinrichtungen eingeleitet. Es geht jedoch von einem um zwei VZÄ höheren Personalbedarf für neue IuK-Verfahren und betriebswirtschaftliche Unterstützung aus und sieht auch Bedarf von bis zu vier temporären Mitarbeitern für Projektarbeit.

Das Wissenschaftsministerium will die Zusammenführung der bisherigen Einrichtungen unter Beachtung der Sozialverträglichkeit und in enger Abstimmung mit den betroffenen Einrichtungen umsetzen.

Den Vorschlag, die Rechenzentren der Fachhochschule und der neuen Serviceeinrichtung in gemeinsamen Räumen unterzubringen, will das Wissenschaftsministerium in die weitere Prüfung einbeziehen.

6 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof geht davon aus, dass das Wissenschaftsministerium die begonnenen Maßnahmen Zug um Zug umsetzt, um die Effizienzpotenziale schnellstmöglich haushaltswirksam werden zu lassen. Der vom Ministerium geltend gemachte zusätzliche Personalbedarf ist bisher nicht spezifiziert. Hierfür ist die Vorlage konkreter Beschreibungen von bisher nicht vorhandenen Aufgaben erforderlich, die das Ministerium der zusammengefassten Service-Einrichtung neu zuweist.


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Der Rechnungshof berichtet in diesem Abschnitt der Denkschrift über Auswirkungen der Tätigkeit der Finanzkontrolle. Der Bericht gibt die Umsetzung einiger bedeutsamer Vorschläge aus früheren Denkschriftbeiträgen, aus der Beratenden Äußerung zur Landesoberkasse Baden-Württemberg sowie aus beratungsorientierten Prüfungen wieder. Er stellt - soweit dies möglich ist - die finanziellen Auswirkungen dar.

Die Information soll dem Parlament, zeitgleich mit der Vorstellung der Denkschrift, einen Überblick über wesentliche Ergebnisse aus früheren Prüfungen und über die Umsetzung seiner Beschlüsse vermitteln.

Die nachstehende Darstellung ist nicht Gegenstand des laufenden Verfahrens zur Entlastung der Landesregierung im Sinne von § 97 Abs. 1 Landeshaushaltsordnung.


[Der gesamte Text einschließlich Einzelergebnisse ist in der nachfolgenden PDF-Datei enthalten]


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