Rechnungshof: Arbeitsqualität der Finanzämter beim Festsetzen von Hinterziehungszinsen völlig ungenügend
- Hinterziehungszinsen wurden entweder gar nicht oder in unzutreffender Höhe festgesetzt
- Rechnungshof beanstandet jeden untersuchten Steuerfall
- Zinsausfälle in zweistelliger Millionenhöhe eingetreten
Karlsruhe/Stuttgart: Hinterzogene Einkommensteuern einschließlich Solidaritätszuschlag sind zu verzinsen. Dies gilt unabhängig davon, ob ein Steuerbürger strafrechtlich belangt wird oder ob er gegenüber dem Finanzamt eine strafbefreiende Selbstanzeige abgegeben hat. Die Hinterziehungszinsen sind sowohl auf hinterzogene Jahressteuern als auch auf hinterzogene Vorauszahlungen festzusetzen.
Der Rechnungshof hat die Festsetzung von Hinterziehungszinsen in 167 Fällen geprüft. Das Volumen der hinterzogenen Steuern betrug dabei 19,8 Mio. Euro. In allen untersuchten Fällen hatten die Finanzämter Zinsen auf hinterzogene Steuern nicht oder in unzutreffender Höhe festgesetzt. Dadurch sind Zinsen von insgesamt 1,3 Mio. Euro ausgefallen. Die Finanzämter versäumten es insbesondere, Zinsen auf hinterzogene Steuervorauszahlungen zu erheben.
Zwischen 2010 und 2014 gingen bei den Finanzämtern in Baden-Württemberg allein wegen nichtversteuerter Kapitalerträge aus der Schweiz und aus Liechtenstein mehr als 26.000 Selbstanzeigen ein. Das Finanzministerium schätzt die in diesen Fällen hinterzogenen Steuern auf mehr als 600 Mio. Euro. Auf der Basis seiner Prüfungsfeststellungen geht der Rechnungshof davon aus, dass damit landesweit bereits Zinsausfälle in zweistelliger Millionenhöhe eingetreten sind.
Hinterziehungszinsen müssen regelmäßig für bis zu 10 Jahre ermittelt werden. Die Berechnung ist aufwendig und fehlerträchtig. Eine hinreichende IT-Unterstützung steht den Finanzämtern hierzu bisher nicht zur Verfügung. Der Rechnungshof fordert, die Arbeitsqualität deutlich zu verbessern und die unterlassene Festsetzung der Hinterziehungszinsen in allen noch nicht verjährten Fällen nachzuholen. Die Steuerbeamten sollten gezielt geschult und die IT-Unterstützung optimiert werden. Berechnung und Festsetzung der Hinterziehungszinsen sollten künftig weitestgehend automatisiert erfolgen.