Denkschrift 2020
1. Die Denkschrift des Rechnungshofs erscheint in einer durch die Covid-19-Pandemie bedingten, in der Geschichte des Landes einmaligen Ausnahmesituation. Landesregierung, Landtag und Verwaltung waren und sind mit der Bewältigung der Krise in ganz besonderer Weise gefordert. Auch die Finanzkontrolle konnte nicht wie gewohnt arbeiten. Mit der Unterstützung der Ressorts und der geprüften Einrichtungen war es dennoch möglich, die Denkschrift im gewohnten Zeitrahmen fertig zu stellen - deshalb möchte ich mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung für diese Unterstützung bedanken.
Die Denkschrift berücksichtigt unsere Prüfungstätigkeit bis zum Frühjahr 2020. Sie umfasst nicht die aufgrund der Covid-19-Pandemie getroffenen Maßnahmen der Landesregierung.
2. Bis vor wenigen Monaten hat niemand geahnt, in welchem Umfang Gesellschaft und Staat mit der Bewältigung der Pandemie betroffen sein würden und in welchem Maße das Land auch finanz- und haushaltspolitisch gefordert sein würde.
Aufgrund der konjunkturellen Entwicklung der letzten Jahre konnten die Nettoneuverschuldung des Landes seit 2015 auf Null zurückgeführt und in den Jahren 2018/2019 alte Kredite getilgt werden. Die haushaltsmäßige Verschuldung belief sich Ende 2019 auf insgesamt 45 Mrd. Euro. Andererseits hat das Jahr 2019 auch das Ende des ungebremsten dynamischen Aufschwungs markiert: Die konjunkturelle Eintrübung war bereits bei den Beratungen zum Doppelhaushalt 2020/2021 absehbar. Im Ergebnis führten diese nach der endgültigen Mittelfristigen Finanzplanung des Landes zu einem haushaltswirtschaftlichen Handlungsbedarf in Höhe von 1 Mrd. Euro für das Jahr 2022 und 1,2 Mrd. Euro für das Jahr 2023.
Die Covid-19-Pandemie führt nun zu ganz erheblichen weiteren Belastungen der öffentlichen Haushalte. Auch für das Land werden die Folgen weitreichend sein. Im März 2020 wurde eine mögliche Nettokreditaufnahme von bis zu 5 Mrd. Euro beschlossen. Die frühzeitige Bereitstellung dieses Kreditvolumens zur Bewältigung der Krise war richtig und wichtig. Sie ist von der Ausnahmeregelung der Schuldenbremse für außergewöhnliche Notsituationen und Naturkatastrophen gedeckt. Allerdings verpflichtet die Schuldenbremse auch zur Tilgung dieser Kredite in einem angemessenen Zeitraum. Diese sollen bereits ab 2024 in jährlichen Raten von 500 Mio. Euro zurückgeführt werden.
Zugleich sinken die Steuereinnahmen aufgrund des Rückgangs des Bruttoinlandsprodukts. Nach der Mai-Steuerschätzung liegen diese im laufenden Jahr voraussichtlich um 3,3 Mrd. Euro niedriger als im Haushalt veranschlagt. Für 2021 wird ein Rückgang um rund 3,5 Mrd. Euro prognostiziert.
Die Bewältigung der Pandemie und deren Auswirkungen hat aktuell Priorität. Die Folgen werden über den Doppelhaushalt 2020/2021 hinaus die Finanzpolitik des Landes prägen. Denn die neuen Kredite verpflichten zu konsequenter Haushaltskonsolidierung in der Zukunft. Diese Herausforderung wird mit dem üblichen Mittel pauschaler Einsparvorgaben nicht zu bewältigen sein, sondern Prioritätensetzung und strukturelle Maßnahmen auf der Ausgabenseite erfordern. Dabei geht es nicht ums Sparen in der Krise. Sondern es geht darum, sich durch Sparen wieder die finanzpolitische Handlungsfähigkeit in Zukunft zu sichern, welche das entschlossene Handeln jetzt ermöglicht hat.
3. Die Pandemie hat auch deutlich gezeigt, wie wichtig digitale Verwaltungsdienstleistungen und digitale Governance sind und sie hat bestehende Schwächen offengelegt. Notwendig sind nicht nur gut funktionierende und wirtschaftliche IT-Fachanwendungen. Auch die hierfür notwendige Technik und Netzverfügbarkeit muss stabil und wirtschaftlich zur Verfügung stehen. Versäumnisse in der Digitalisierung und der IT können sich schnell als kritisch erweisen. Die Denkschrift zeigt einige Beispiele auf, in denen der Rechnungshof Verbesserungspotenziale in diesem zentralen Bereich der Verwaltung sieht:
Ein hochleistungsfähiges Breitbandnetz ist wesentliche Voraussetzung für die Digitalisierung von Wirtschaft und Verwaltung nicht nur in Krisenzeiten. Deshalb fördert das Land mit dem Ziel einer flächendeckenden gigabitfähigen Infrastruktur, gemeinsam mit dem Bund, den Breitbandausbau. Insgesamt ist diese Förderung zweckmäßig organisiert. Das Land sollte allerdings prüfen, welche Rolle das gegenüber dem Bundesprogramm nachrangige Landesprogramm künftig spielen kann, und seine strategischen Ansätze und Planungen in einer Breitbandstrategie mit klar definiertem Ziel und einer systematischen Erfolgskontrolle zusammenführen. Zugleich sollten Fördermittel nur in uneingeschränkt gigabitfähige Technologien fließen.
Das Landesamt für Besoldung und Versorgung (LBV) erledigt seine Aufgaben überwiegend mit IT-Unterstützung. Der Rollout des einheitlichen Standardarbeitsplatzes der Landesverwaltung musste allerdings wegen eines nicht rechtzeitig ausgearbeiteten Migrations- bzw. Betriebskonzepts verschoben werden. Supportverträge mussten daher teuer verlängert werden. Eine IT-Steuerung war nur eingeschränkt möglich und ein konsistentes IT-Service-Management nicht vorhanden. Zudem waren viele Stellen in der IT-Abteilung unbesetzt. Die IT des LBV sollte jedoch als zentraler Dienstleister kundenorientiert und modern aufgestellt sein. Der hierzu eingeleitete Strategieprozess muss daher mit Nachdruck fortgeführt werden.
Die staatlichen Kunst- und Kultureinrichtungen, mit Ausnahme der Staatsgalerie, verwalten und betreiben ihre IT eigenständig, mit heterogenen und teilweise veralteten Servern und Bildschirmarbeitsplätzen sowie hohen Kosten beim Support. Ferner waren von den Einrichtungen selbst zusammengebaute Server unter Sicherheitsaspekten problematisch. Hier ist eine Konsolidierung in Form der Zentralisierung der IT bei der BITBW aus Sicht des Rechnungshofs ohne Alternative.
Die Vorteile moderner IT-Lösungen verdeutlicht der Einsatz des Risikomanagementsystems in der Steuerverwaltung, das überprüfungswürdige bzw. risikobehaftete Sachverhalte der manuellen Bearbeitung zuweist. Das System funktioniert grundsätzlich gut, hat aber Spielraum für Verbesserungen. Gleiches gilt im Wesentlichen für die elektronische Übermittlung von Daten der Träger der Sozialleistungen an die Finanzverwaltung. Zur Entlastung des Personals sollte die automatische Übernahme elektronisch übermittelter Daten in die Einkommensteuerveranlagungen ausgeweitet werden.
4. Außerhalb der Denkschrift haben wir uns im Rahmen einer gutachtlichen Äußerung mit der digitalen Bildungsplattform „ella“ befasst und dabei - nicht untypisch - festgestellt, dass trotz technisch herausfordernder, organisatorisch anspruchsvoller und zeitlich ambitionierter Zielsetzung die beteiligten Institutionen organisatorisch und personell nicht immer ausreichend aufgestellt waren. Gerade bei Projekten dieser oder vergleichbarer Größenordnung mit zahlreichen und vielfältigen Anforderungen sowie mehreren Akteuren spielen Vorbereitung, Kommunikation und Koordination eine zentrale Rolle. Hier gilt es, die „Investitionen“ in Planung, Projektsteuerung und Projektmanagement zu verbessern.
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Die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes war 2018 geordnet. Die geprüften Einnahmen und Ausgaben waren im Wesentlichen ordnungsgemäß belegt. Die für die Haushalts- und Wirtschaftsführung geltenden Vorschriften wurden weitgehend eingehalten. Das rechnungsmäßige Jahresergebnis weist einen Überschuss von knapp 0,7 Mrd. Euro aus.
1 Haushalts-Soll und Haushalts-Ist 2018
Das Finanzministerium Baden-Württemberg hat auf Grundlage der abgeschlossenen Bücher die Haushaltsrechnung des Landes Baden-Württemberg für das Haushaltsjahr 2018 im Sinne von Artikel 83 Absatz 1 Landesverfassung und § 80 Landeshaushaltsordnung aufgestellt. Die Haushaltsrechnung bildet gemeinsam mit dem Vermögensnachweis die Grundlage für die Entlastung der Landesregierung durch den Landtag (§ 114 Absatz 1 Landeshaushaltsordnung).
Der Haushaltsrechnung liegt das Gesetz über die Feststellung des Staatshaushaltsplans von Baden-Württemberg für die Haushaltsjahre 2018 und 2019 vom 20. Dezember 2017 sowie das Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Staatshaushaltsplan von Baden-Württemberg für die Haushaltsjahre 2018/19 vom 12. Dezember 2018 zugrunde. Danach wurde der Staatshaushaltsplan 2018 in Einnahme und Ausgabe auf 53.420.804.300 Euro festgestellt. Im Vergleich zu 2017 nahm das Haushaltsvolumen im Soll um 5.556.633.900 Euro (+11,6 Prozent) zu.
Das Haushalts-Soll 2018 errechnet sich für die Einnahmen aus dem mit dem Staatshaushaltsgesetz und dem Nachtrag zum Staatshaushaltsgesetz für 2018 beschlossenen Haushaltsbetrag zuzüglich der aus dem Vorjahr übernommenen Einnahmereste. Es betrug 54.976 Mio. Euro.
Die Ist-Einnahmen des Landes beliefen sich 2018 auf 57.224 Mio. Euro. Einschließlich der in das Folgejahr übertragenen Einnahmereste von 498 Mio. Euro betrug das einnahmeseitige Rechnungsergebnis 57.722 Mio. Euro.
Für das Haushalts-Soll der Ausgaben 2018 wurde der Haushaltsbetrag um die aus 2017 übernommenen Ausgabereste von 4.233 Mio. Euro erhöht. Es betrug damit 57.654 Mio. Euro.
Die Ist-Ausgaben 2018 beliefen sich auf 54.123 Mio. Euro. Einschließlich der in das Folgejahr 2019 übertragenen Ausgabereste von 5.581 Mio. Euro betrug das ausgabenseitige Rechnungsergebnis 59.705 Mio. Euro.
Der Saldo aus Haushalts-Soll und Rechnungsergebnis der Einnahmen und Ausgaben ergibt für 2018 ein rechnungsmäßiges Jahresergebnis von +695 Mio. Euro (= rechnungsmäßiger Überschuss). Einschließlich der nicht verbrauchten rechnungsmäßigen Überschüsse der Vorjahre betrug zum 31. Dezember 2018 das rechnungsmäßige Gesamtergebnis +3.096 Mio. Euro.
Wie sich die Mehreinnahmen und die Mehrausgaben aus den Teilergebnissen der Einzelpläne errechnen, ist in der Landeshaushaltsrechnung 2018 dargestellt.
2 Haushaltsrechnung 2018
Die Ministerin für Finanzen legte dem Landtag mit Schreiben vom 17. Dezember 2019 (Landtagsdrucksache 16/7489) die Haushaltsrechnung des Landes Baden-Württemberg für das Haushaltsjahr 2018 vor.
2.1 Gestaltung
Die Haushaltsrechnung ist entsprechend den Vorgaben (§§ 81 bis 85 Landeshaushaltsordnung) gestaltet und enthält alle vorgeschriebenen Abschlüsse, Erläuterungen und Übersichten, um die bestimmungsgemäße Ausführung des Staatshaushaltsplans nachzuweisen.
Der kassenmäßige Abschluss und der Haushaltsabschluss sind entsprechend § 84 Landeshaushaltsordnung in einem Abschlussbericht mit verschiedenen Zusammenstellungen in der Haushaltsrechnung erläutert. Die in § 85 Absatz 1 Landeshaushaltsordnung genannten Übersichten sind beigefügt.
2.2 Ergebnisse der Haushaltsrechnung
Das kassenmäßige Jahresergebnis ergibt sich aus dem Saldo aus Ist-Einnahmen und Ist-Ausgaben.
Der Landeshaushalt 2018 hat mit einem kassenmäßigen Jahresergebnis von +3.100 Mio. Euro (= kassenmäßiger Überschuss) abgeschlossen.
In Tabelle 3 wird das Haushaltssoll 2018 dem Rechnungsergebnis 2018 untergliedert nach Hauptgruppen gegenübergestellt.
Die einnahmeseitige Abweichung der Hauptgruppe 2 beruht im Wesentlichen auf durchlaufenden Mitteln des Bundes, die im Soll nicht veranschlagt waren. Ausgabeseitig findet sich die entsprechende Position bei der Hauptgruppe 6 wieder.
Bei der Hauptgruppe 3 erklärt sich die Differenz im Wesentlichen aus der im Soll nicht veranschlagten Entnahme aus der Rücklage für Maßnahmen im Sinne des § 1 Absatz 3 der VO zu § 18 LHO von 1.314 Mio. Euro im Ist.
Auch 2018 hat das Land Einnahme- und Ausgabereste gebildet. Die 2018 in das Folgejahr übertragenen Ausgabereste stiegen um 1.348 Mio. Euro gegenüber dem Vorjahr (+32 Prozent) auf 5.581 Mio. Euro. Die Einnahmereste reduzierten sich um 1.057 Mio. Euro. Hintergrund war der teilweise Abbau der Altkreditermächtigungen im Hinblick auf die ab 2020 einzuhaltende Schuldenbremse.
Der Saldo der in das Folgejahr übertragenen Haushaltsreste stieg um 2.405 Mio. Euro gegenüber dem Saldo der aus dem Vorjahr (2017) übertragenen Haushaltsreste.
Das rechnungsmäßige Jahresergebnis 2018 beträgt 695.380.291,60 Euro. Es ergibt sich aus dem kassenmäßigen Jahresergebnis (Saldo aus Ist-Einnahmen und Ist-Ausgaben) abzüglich des Saldos der aus dem Vorjahr (2017) übertragenen Haushaltsreste und der in das Folgejahr (2019) übernommenen Haushaltsreste.
3 Feststellungen des Rechnungshofs nach § 97 Absatz 2 Nrn. 1 und 2 Landeshaushaltsordnung
3.1 Ordnungsmäßigkeit der Haushaltsrechnung
Der Rechnungshof hat die Ordnungsmäßigkeit der Haushaltsrechnung des Landes für das Haushaltsjahr 2018 mit Unterstützung der staatlichen Rechnungsprüfungsämter in Stichproben geprüft.
Um die Ordnungsmäßigkeit der Haushaltsrechnung beurteilen zu können, führte die Finanzkontrolle - neben allgemeinen Prüfungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung - eine gesonderte Prüfung zu wesentlichen Bereichen nach einem Stichprobenverfahren durch. Die gewählte mathematisch-statistische Methode zur Auswahl der Stichprobe lässt über die untersuchten Einzelfälle hinaus mit hoher Wahrscheinlichkeit Schlüsse auf die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung in den einbezogenen Bereichen zu.
Darüber hinaus wurden bei den Finanzämtern u. a. 1.053 Einkommensteuerfälle risikoorientiert ausgewählt und geprüft. Die Prüfung erstreckte sich dabei in der Regel auf jeweils drei Veranlagungszeiträume. Insgesamt waren 1.600 Veranlagungszeiträume zu beanstanden. Aus allen geprüften Bereichen der Finanzämter ergaben sich für die öffentlichen Haushalte per Saldo zusätzliche Einnahmen von 7,5 Mio. Euro. Weitere 2,1 Mio. Euro konnten aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr realisiert werden.
Beim Landesamt für Besoldung und Versorgung hat die Finanzkontrolle in den Bereichen Entgelt für Arbeitnehmer, Beamtenbesoldung und -versorgung risikoorientiert 6.867 Zahlfälle untersucht. Durch diese Prüfungen konnten 4,1 Mio. Euro an unberechtigten Zahlungen zurückgefordert und künftige Fehlzahlungen vermieden werden. Weitere 0,1 Mio. Euro konnten aufgrund bereits eingetretener Verjährung nicht mehr geltend gemacht werden. Im Gegenzug wurden berechtigte Ansprüche von Bediensteten von 0,2 Mio. Euro erfüllt. Zudem wurden 5.506 Beihilfebescheide überprüft. Dies führte zu Beihilfekürzungen von 1,2 Mio. Euro und zu 0,2 Mio. Euro zusätzlich zu gewährender Beihilfe. Neben diesen Prüfungen wurden in Sachverhalten mit Versorgungslastenteilung bei Dienstherrenwechsel Ansprüche des Landes auf Zahlung von 7,9 Mio. Euro festgestellt, die in der Zwischenzeit vollständig erstattet wurden.
Die Finanzkontrolle gab zudem in ihren Prüfungsmitteilungen zahlreiche Hinweise zur Haushalts- und Wirtschaftsführung.
Die in der Haushaltsrechnung aufgeführten Einnahmen und Ausgaben stimmen mit den in den Rechnungslegungsbüchern nachgewiesenen Beträgen überein. In den geprüften Bereichen sind nur wenige Einnahmen und Ausgaben festgestellt worden, die nicht ordnungsgemäß belegt waren. Die Vorgaben des Staatshaushaltsplans, der Haushaltssystematik und des Haushaltsrechts wurden im Wesentlichen eingehalten.
Die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes war 2018 geordnet.
3.2 Überplanmäßige und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen (einschließlich Vorgriffen)
Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen bedürfen der Einwilligung des Finanzministeriums. Sie darf nur im Fall eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses erteilt werden.
Die Fälle, in denen über- und außerplanmäßige Ausgaben getätigt und Verpflichtungsermächtigungen beschlossen wurden, sind in der Haushaltsrechnung 2018 einzeln nachgewiesen. Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen sind dem Landtag ab einem Betrag von 100.000 Euro im Einzelfall mitzuteilen. Das Finanzministerium hat dem Landtag hierüber mit Schreiben vom 17. Oktober 2019 berichtet (Landtagsdrucksache 16/7071).
In 2018 gab es insgesamt 76 über- und außerplanmäßige Ausgaben (einschließlich Mehrausgaben, die aufgrund von Planvermerken wie Vorgriffe zu behandeln sind) mit einem Gesamtvolumen von 10,0 Mio. Euro.
In 52 der 76 Fälle (68 Prozent) hat das Finanzministerium vorab in die über- und außerplanmäßigen Ausgaben eingewilligt. In 24 Fällen (32 Prozent) lag die Einwilligung nicht vor. Die Summe dieser Haushaltsüberschreitungen beträgt 1,7 Mio. Euro. Davon wurde in 3 Fällen mit zusammen 0,9 Mio. Euro die sachliche Notwendigkeit der Mehrausgaben nachträglich vom Finanzministerium bestätigt.
Von den 10 Mio. Euro Haushaltsüberschreitungen in 2018 entfielen 44 Prozent (4,4 Mio. Euro) auf Mehrausgaben bei übertragbaren Ausgaben (Vorgriffe). Im Vorjahr waren es 71 Prozent (42,8 Mio. Euro).
In 2018 gab es insgesamt 13 über- und außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigungen mit einem Gesamtvolumen von 21,8 Mio. Euro.
Über- und außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigungen größeren Umfangs waren:
- 7,6 Mio. Euro für die Zuwendungen zu Investitionen der Fraunhofer-Gesellschaft für den Neubau „Bauteil V - Personalisierte Produktion“ am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung in Stuttgart beim Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau.
- 6,7 Mio. Euro für die Kostensteigerungen bei Teilabschnitt Freiburg-Breisach der Breisach S-Bahn 2020 beim Ministerium für Verkehr.
In 12 der 13 Fälle hat das Finanzministerium vorab in die über- und außerplanmäßigen Verpflichtungsermächtigungen eingewilligt.
Der Rechnungshof hat die über- und außerplanmäßigen Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen sowie die Vorgriffe in Stichproben inhaltlich geprüft und keine wesentlichen Beanstandungen getroffen.
4 Globale Minderausgaben
Globale Minderausgaben sind im Staatshaushaltsplan negativ veranschlagte Ausgaben, die im Haushaltsvollzug auszugleichen sind. Sie sind eine pauschale Einsparverpflichtung für die einzelnen Ressorts und stellen eine Ausnahme vom Prinzip der Einzelveranschlagung dar.
Im Vollzug des Staatshaushaltsplans 2018 waren bei den Sachausgaben globale Minderausgaben von 290 Mio. Euro zu erbringen. Diese Einsparverpflichtungen wurden von den Ressorts erfüllt. Die globalen Minderausgaben entsprachen 2018 damit 0,9 Prozent der Sachausgaben. Im Vergleich zum Vorjahr blieben die globalen Minderausgaben nahezu gleich.
5 Druck- und Darstellungsfehler
Der Rechnungshof hat bei der Gesamtrechnungsprüfung der Haushaltsrechnung keine wesentlichen Druck- und Darstellungsfehler festgestellt.
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Die Vermögensrechnung befindet sich noch in der Phase der Optimierung. Diese ist so bald als möglich abzuschließen, denn erst auf Basis vollständiger, richtiger und ausreichend erläuterter Einzelpositionen sind aussagekräftige Mehrjahresvergleiche möglich.
1 Funktion und Bedeutung der Vermögensrechnung
Die Landesregierung veröffentlichte im Dezember 2019 die Vermögensrechnung zum Stichtag 31. Dezember 2018. Diese bildet stichtagsbezogen den Wert des Vermögens und der Schulden des Landes ab. Durch die jährliche Wertfortschreibung der Vermögensrechnungspositionen können Mehrjahresvergleiche vorgenommen und die Vermögens- und Schuldenentwicklung aufgezeigt werden.
Seit dem Haushaltsjahr 2017 gilt die Vermögensrechnung als entlastungsrelevanter Vermögensnachweis im Sinne von Artikel 83 Absatz 1 Landesverfassung und § 114 Absatz 1 Satz 1 Landeshaushaltsordnung.
Gemäß Artikel 79 Absatz 4 Landesverfassung und § 14 Absatz 1 Nummer 4 Landeshaushaltsordnung sind das Vermögen und die Schulden des Landes in einer Anlage zum Staatshaushaltsplan nachzuweisen. Bisher erfolgte dieser Nachweis in der „Vermögensübersicht des Landes“. Diese wurde im Doppelhaushalt 2020/2021 von der Vermögensrechnung abgelöst.
Die Grundsätze zur Aufstellung der Vermögensrechnung sind in der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Finanzen über die Vermögensrechnung des Landes festgelegt. Diese orientiert sich an den Vorschriften des Handelsgesetzbuches unter Berücksichtigung der Besonderheiten öffentlicher Haushalte gemäß den Standards staatlicher Doppik.
2 Inhalt der Vermögensrechnung
2.1 Vollständigkeit der Vermögensrechnung
Die Vermögensrechnung des Landes bildet einige Bilanzpositionen noch nicht vollständig ab. Das Rechenwerk wird sukzessive ergänzt. Beispielsweise enthält die Vermögensrechnung zum 31. Dezember 2018 laut den Erläuterungen 49 Prozent des Gesamtbestands der Kunstgegenstände und Sammlungen.
2.2 Aggregierte Vermögensrechnung zum 31. Dezember 2018
Das Volumen der Vermögensrechnung zum 31. Dezember 2018 beträgt 250,4 Mrd. Euro. Es erhöhte sich im Vergleich zum Vorjahr um 17,7 Mrd. Euro (7,6 Prozent).
Das Land verfügt über ein Vermögen von 74,6 Mrd. Euro. Hiervon entfallen auf das Anlagevermögen 62,4 Mrd. Euro und auf das Umlaufvermögen 12,2 Mrd. Euro.
Die Rückstellungen und Verbindlichkeiten betragen zusammen 250,4 Mrd. Euro. Sie übersteigen das Vermögen des Landes um 175,8 Mrd. Euro. Dieser Betrag wird auf der Aktivseite als Saldo ausgewiesen. Der Anteil des Saldos an der Vermögensrechnungssumme beträgt 70 Prozent.
Im Vergleich zum Vorjahr erhöhte sich der Saldo um 12,9 Mrd. Euro (7,9 Prozent). Ursächlich hierfür ist der Anstieg folgender Passivpositionen:
- Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen (14,2 Mrd. Euro),
- Steuer- und sonstige Rückstellungen (0,7 Mrd. Euro) und
- Verbindlichkeiten (2,8 Mrd. Euro).
Gleichzeitig erhöhte sich das auf der Aktivseite ausgewiesene Vermögen um 4,8 Mrd. Euro. Hierdurch werden 26 Prozent der Rückstellungs- und Verbindlichkeitserhöhungen (insgesamt 17,7 Mrd. Euro) kompensiert.
Geprägt wird die Vermögensrechnung von den Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen mit einem Wert von 190,7 Mrd. Euro . Ohne diese Rückstellungen würde die Vermögensrechnung einen positiven Saldo von 15,0 Mrd. Euro ausweisen.
In Abbildung 1 wird die Struktur des Vermögens und der Schulden des Landes zum Stichtag 31. Dezember 2018 aufgezeigt.
Die Vermögensrechnung zum Stichtag 31. Dezember 2018 sowie die Vergleichswerte des Vorjahres werden in Tabelle 1 in aggregierter Form aufgezeigt.
3 Aktiva des Landes zum 31. Dezember 2018
3.1 Sachanlagevermögen
Als Bestandteil des Anlagevermögens bilden die Sachanlagen mit einem Wert von 41,1 Mrd. Euro eine bedeutende Position. Abbildung 2 veranschaulicht deren Struktur.
Innerhalb der Sachanlagen ist das Infrastrukturvermögen (z. B. Straßen, Tunnel, Brücken) mit 12,8 Mrd. Euro die größte Position.
In der Vermögensrechnung auf den 31. Dezember 2017 waren an diesem Stichtag bereits fertiggestellte Straßenbauprojekte im Umfang von rund 41 Mio. Euro noch nicht bei dieser Position, sondern unter der Vermögensrechnungsposition „Anlagen im Bau“ (AiB) ausgewiesen. Dies war in den Erläuterungen zur damaligen Vermögensrechnung ausdrücklich vermerkt.
Für die Vermögenrechnung zum 31. Dezember 2018 korrigierte das Ministerium für Verkehr dies teilweise. Allerdings ist ein Betrag von rund 17 Mio. Euro für fertiggestellte Straßenbaumaßnahmen noch immer nicht in der Position Infrastrukturvermögen, sondern bei den AiB enthalten.
Der strukturell falsche Ausweis führt u. a. dazu, dass für diese Straßen noch keine Abschreibung erfolgte. Insoweit wird das Vermögen des Landes in der Vermögensrechnung 2018 zu hoch ausgewiesen . Das Ministerium für Verkehr erarbeitet derzeit ein Maßnahmenpaket, um AiB künftig zeitnäher umbuchen zu können.
Die zweitgrößte Sachanlagenposition sind die Bauten mit 7,8 Mrd. Euro , gefolgt von den Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten mit 7,0 Mrd. Euro.
Kulturgüter werden mit 6,2 Mrd. Euro , Naturgüter mit 5,0 Mrd. Euro und Geleistete Anzahlungen auf Sachanlagen und AiB mit 1,8 Mrd. Euro beziffert.
Bei den AiB ist eine deutliche Werterhöhung um 38 Prozent zu verzeichnen. Bei den Kulturgütern wirkt sich die fortlaufende Nachaktivierung bisher nicht erfasster Kunstgegenstände und Sammlungen wertsteigernd aus (Zunahme um 7 Prozent).
Unter der Position „Naturgüter“ wird das Waldvermögen des Landes ausgewiesen. Dessen Wert verringerte sich im Vergleich zum Vorjahr um 275 Mio. Euro (5 Prozent). Dies ist - wie in den Erläuterungen zur Vermögensrechnung ausgeführt - auf die Entwicklung der Preise auf dem Holzmarkt zurückzuführen. Ein weiterer Grund ist, dass der Wert des Holzbestands in der Kernzone des Nationalparks Schwarzwald auf null abgeschrieben wurde. Dies macht rund 43 Mio. Euro aus.
3.2 Finanzanlagevermögen
Ein weiterer wesentlicher Teil des Anlagevermögens ist das Finanzanlagevermögen mit 21,3 Mrd. Euro. Abbildung 3 veranschaulicht dessen Struktur.
Die Anteile an verbundenen Unternehmen und Einrichtungen bilden mit 10,6 Mrd. Euro die größte Finanzanlagenposition. Hierin enthalten sind auch Landesbetriebe und wie Landesbetriebe geführte Einrichtungen mit einem Wert von 2,4 Mrd. Euro.
Landesbetriebe werden in der Vermögensrechnung mit ihrem Eigenkapital zum 31. Dezember 2016 erfasst. Sofern die Jahresabschlüsse für 2016 noch nicht vorlagen, wurde auf die aktuellsten verfügbaren Jahresabschlüsse zurückgegriffen. Aufgrund dieser Festschreibung werden aktuell nach dem 31. Dezember 2016 erfolgte Eigenkapitaländerungen in der Vermögensrechnung nicht abgebildet.
Der Rechnungshof hat im Beitrag Nr. 2 der Denkschrift 2019 vorgeschlagen, die Eigenkapitalwerte turnusmäßig fortzuschreiben. Nach erfolgter Prüfung will das Finanzministerium dies künftig umsetzen.
Die zweitgrößte Finanzanlagenposition ist das Sondervermögen ohne eigenverantwortliche Betriebsleitung mit 6,8 Mrd. Euro. Sie umfasst die 1999 eingerichtete Versorgungsrücklage (3,7 Mrd. Euro) und den 2007 eingerichteten Versorgungsfonds des Landes (3,1 Mrd. Euro).
Es folgen mit 3,3 Mrd. Euro die Beteiligungen des Landes, bei denen es sich um Anteile an Unternehmen und Einrichtungen mit einer Beteiligungsquote von 20 bis 50 Prozent handelt.
3.3 Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände
Die beherrschende Position innerhalb des Umlaufvermögens bilden die Forderungen und sonstigen Vermögensgegenstände mit 10,1 Mrd. Euro. Hiervon entfallen 8,2 Mrd. Euro auf veranlagte Steuern und 1,0 Mrd. Euro auf Forderungen aus der Steuerverteilung und Finanzausgleichsbeziehungen. Bei Forderungen erfolgte erstmals eine pauschale Wertberichtigung auf Basis von Erfahrungswerten.
4 Passiva des Landes zum 31. Dezember 2018
4.1 Struktur und Höhe der Passiva
Die Passiva von 250,4 Mrd. Euro setzen sich zusammen aus 198,1 Mrd. Euro Rückstellungen - davon allein 190,7 Mrd. Euro für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen - und 52,3 Mrd. Euro Verbindlichkeiten.
4.2 Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen
Die Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen betragen 190,7 Mrd. Euro. Mit einem Anteil von 76 Prozent an der Vermögensrechnungssumme bilden sie die größte Vermögensrechnungsposition.
Im Vergleich zum Vorjahr stiegen die Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen um 14,2 Mrd. Euro. Dies ist eine Steigerung um 8 Prozent. Hiervon entfallen 14,0 Mrd. Euro auf Pensions- und Beihilferückstellungen für aktive Landesbeamte und Versorgungsempfänger des Landes und 0,2 Mrd. Euro auf entsprechende Verpflichtungen für Beamte, die im Zuge der Verwaltungsstrukturreform zu den Stadt- und Landkreisen wechselten.
Wie sich die einzelnen Pensionsrückstellungspositionen im Vergleich zum Vorjahr entwickelt haben, zeigt Tabelle 2 auf.
Der Anstieg bei den Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen beruht nach den Erläuterungen zur Vermögensrechnung u. a. auf der Zunahme der Anspruchsberechtigten um 3.683 Personen.
Pensions- und Beihilferückstellungen werden nur für Landesbedienstete gebildet, welche die fünfjährige Mindestdienstzeit erfüllt haben. Somit wirken sich Neueinstellungen in der Vermögensrechnung erst mit einem Zeitversatz von 5 Jahren aus. Aufgrund dessen wurden in der Vermögensrechnung 2018 für 26.395 (2017: 25.910) Landesbedienstete noch keine Rückstellungen gebildet.
Wie sich die Zahl der Anspruchsberechtigten entwickelte, zeigt Tabelle 3 auf.
Als weitere Ursache für die gestiegenen Rückstellungen sowohl für Pensions- als auch für Beihilfeverpflichtungen wird in den Erläuterungen die erstmalige Verwendung der neuen Generationentafeln, die der höheren Lebenserwartung Rechnung tragen, angeführt.
Weder werden weitere Gründe für den Anstieg dieser Rückstellungen genannt, noch werden die beiden vorgenannten Ursachen beziffert.
Der Rechnungshof hatte in seinen Bemerkungen zur Vermögensrechnung 2017 vorgeschlagen, künftig die finanziellen Auswirkungen der einzelnen Ursachen für eine Veränderung der Pensions- und Beihilferückstellungen soweit als möglich in den Erläuterungen darzulegen. Das Ministerium für Finanzen wollte dies prüfen und unter der Voraussetzung des fachlich Möglichen und eines vertretbaren Aufwands in den nächsten Vermögensrechnungen aufgreifen.
Nach Ansicht des Rechnungshofs ist dies für die Vermögensrechnung 2018 jedenfalls teilweise möglich. So konnte das Ministerium für Finanzen auf Anfrage die finanziellen Auswirkungen sowohl der neuen Generationentafeln als auch der beiden folgenden Ursachen auf Basis einer pauschalen Hochrechnung grob beziffern:
- Die für die Jahre 2019 und 2020 beschlossene Besoldungserhöhung von jeweils 3,2 Prozent. Diese war bei Erstellung der Vermögensrechnung 2018 bereits bekannt und liegt über der in der Vermögensrechnung 2017 noch unterstellten durchschnittlichen Gehaltssteigerung der letzten 10 Jahre (je 2,1 Prozent).
- Eine Erhöhung des Pauschalsatzes für die jährlichen Beihilfeausgaben von 6.370 auf 6.976 Euro aufgrund der tatsächlichen Entwicklung der Ausgaben.
Die aus den vorbenannten Ursachen resultierenden Erhöhungsbeträge werden in den Tabellen 4 und 5 aufgezeigt.
Der Rechnungshof geht davon aus, dass das Ministerium für Finanzen in den Erläuterungen künftiger Vermögensrechnungen die Ursachen für die betragsmäßigen Veränderungen bei den Pensionsrückstellungen vollumfänglich benennt. Zudem sollten die betragsmäßigen Auswirkungen der einzelnen Ursachen beziffert werden, soweit diese mit vertretbarem Aufwand ermittelbar werden können.
4.3 Verbindlichkeiten
Anleihen und Obligationen stellen mit 16,5 Mrd. Euro die größte Verbindlichkeitenposition dar, gefolgt von den Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten mit 11,3 Mrd. Euro. Zusammen mit den Verbindlichkeiten aus sonstigen Krediten - mit 8,6 Mrd. Euro ein Bestandteil der Sonstigen Verbindlichkeiten - ergeben diese Positionen die im Erläuterungsteil abgebildete Kreditmarktverschuldung von 36,3 Mrd. Euro.
Dort werden auch die in der Tabelle 6 abgebildeten Unterschiede zwischen der doppischen und kameralen Schuldendarstellung veranschaulicht.
Während die Kreditmarktschulden bei beiden Darstellungsarten denselben Betrag ausweisen, weichen sie in der Zusammensetzung voneinander ab. Werden bei der kameralen haushaltsmäßigen Verschuldung u. a. nicht in Anspruch genommene Kreditermächtigungen (aufgeschobene Kreditaufnahmen, Kreditrahmenverträge) berücksichtigt, werden bei der doppischen Betrachtung andere Verbindlichkeiten einbezogen.
Neben den Kreditmarktschulden werden in der Vermögensrechnung noch weitere Verbindlichkeitenpositionen ausgewiesen. Hiervon entfallen 6,3 Mrd. Euro auf Verbindlichkeiten aus Zuweisungen und Zuschüssen. Die im Vergleich zum Vorjahr deutliche Zunahme von 4,0 Mrd. Euro ist auf die erstmalige vollständige Berücksichtigung kofinanzierter Förderungen zurückzuführen. Die Verbindlichkeiten aus der Steuerverteilung und dem Finanzausgleich betragen 4,9 Mrd. Euro.
5 Fazit
Die jährliche Vermögensrechnung ist Grundlage für die haushaltsjahrbezogene Entlastung der Regierung.
Daneben ist über Mehrjahresvergleiche die Darstellung von Entwicklungen einzelner Positionen möglich. Solche Vergleiche sind aber erst sinnvoll möglich, wenn die Vermögensrechnung insgesamt vollständig und richtig ist und die Aussagekraft durch entsprechende Erläuterungen und Anlagen untermauert wird.
Insoweit befindet sich das System - wie bei der Einführung angekündigt und zu erwarten - noch in der Phase der Optimierung.
6 Stellungnahme des Ministeriums
Das Ministerium für Finanzen teilt die Ansicht des Rechnungshofs, dass die Vermögensrechnung weiterhin in der Einführungs- und Optimierungsphase sei. Mittlerweile seien in der Vermögensrechnung alle Bilanzpositionen enthalten, die nicht von vornherein ausgeschlossen wurden. Zwar seien die Positionen teilweise noch nicht vollständig abgebildet, man sei aber hier auf einem guten Weg.
In den Erläuterungen der Position „Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen“ (Punkt 4.2) will das Ministerium künftig auf außerordentlichen Faktoren beruhende Wertänderungen beziffern, sofern dies technisch möglich ist. Die Ursachen von Wertänderungen sollen durch verbesserte Erläuterungen schlüssig und nachvollziehbar dargestellt werden.
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In der Vermögensrechnung 2018 wird der Wert der Grundstücke und Gebäude des Landes auf 14,8 Mrd. Euro beziffert. Dieser Wert ist nicht valide. Hauptgrund dafür ist die fehlerhafte Gebäudebewertung.
Die Gebäudewerte sind auf Basis der Feststellungen des Rechnungshofs zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Dieser Prozess sollte möglichst bis zur Vermögensrechnung auf den 31. Dezember 2020 abgeschlossen sein.
1 Vorbemerkung
Im Eigentum des Landes stehen rund 30.000 Grundstücke und 7.650 Gebäude . Diese werden in der Vermögensrechnung unter der Position „Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und Bauten“ ausgewiesen.
Grundstücke und Gebäude machen einen beträchtlichen Teil des Landesvermögens aus. Deren Wert wird in der Vermögensrechnung 2018 mit 14,8 Mrd. Euro beziffert. Dies entspricht gut einem Fünftel des gesamten Anlagevermögens.
Aufgrund der wertmäßigen Bedeutung der Landesgebäude untersuchten wir schwerpunktmäßig deren Erfassung und Bewertung auf Basis der Anlagenbuchhaltungsdaten - Stand 31. Dezember 2017.
2 Ergebnisse der Schwerpunktprüfung Gebäudebewertung
Der Rechnungshof und das Staatliche Rechnungsprüfungsamt Stuttgart prüften in Stichproben verschiedene Bereiche der Gebäudebewertung mit folgenden Ergebnissen:
2.1 Bewertung der vor dem 1. Januar 2003 erstellten oder angeschafften Gebäude fehlerbehaftet und überprüfungsbedürftig
Die in der Vermögensrechnung ausgewiesenen Gebäudewerte basieren auf der 2003 eingeführten Anlagenbuchhaltung. In dieser wurden die Bestandsgebäude mit Schätzwerten erfasst, die in einem stark vereinfachten Verfahren ermittelt wurden.
In der Folge neu angeschaffte oder hergestellte Gebäude wurden in die Anlagenbuchhaltung mit ihren tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten aufgenommen.
Im Vorfeld der Eröffnungsvermögensrechnung überprüfte der Landesbetrieb Vermögen und Bau die in der Anlagenbuchhaltung hinterlegten Gebäudewerte. Hierfür erarbeitete das Ministerium für Finanzen mehrere Kontierungsanweisungen. Diese beinhalten gesonderte Dokumente für die damaligen, zum 1. Januar 2003 vorhandenen Bestandsgebäude und für Gebäude, die nach diesem Zeitpunkt hergestellt oder angeschafft wurden.
Der Rechnungshof stellte fest, dass die Anweisung für die Bestandsgebäude zumindest missverständlich war. Darüber hinaus war die vom Ministerium für Finanzen erstellte Musterlösung fehlerhaft.
Die Bewertung mehrerer Bestandsgebäude ist unzutreffend. So hätte z. B. das Gebäude der Landesvertretung in Berlin mit einem Restbuchwert von 13,9 Mio. Euro in die Vermögensrechnung 2017 einfließen müssen. Tatsächlich wurden nur 6,5 Mio. Euro erfasst. Dies entspricht 47 Prozent des von uns ermittelten Restbuchwerts.
Aufgrund der Feststellungen ist nicht auszuschließen, dass die Bewertungen der Bestandsgebäude in größerem Umfang mit Fehlern behaftet sind. Tendenziell sind die Werte zu niedrig.
Aus Sicht des Rechnungshofs ist eine generelle Überprüfung der Gebäudewerte erforderlich. Hierbei ist der Aufwand in vertretbarem Rahmen zu halten.
2.2 Unterlassene oder verspätete Umbuchung von „Anlagen im Bau“ auf „Gebäude“
Während der Bauphase eines Gebäudes sind die hierfür getätigten Ausgaben unter der Vermögensrechnungsposition „Anlagen im Bau“ (AiB) zu buchen.
Sobald eine AiB fertiggestellt ist, d. h. entsprechend ihrer Zweckbestimmung genutzt werden kann, ist diese auf die Position „Gebäude“ umzubuchen. Die Abschreibung des Gebäudes beginnt erst ab dieser Umbuchung zu laufen. Deshalb ist deren zeitnahe Vornahme eine Voraussetzung für valide Gebäudewerte.
Bei unserer Stichprobe stellten wir bei der Mehrzahl der geprüften Fälle verspätete Umbuchungen fest.
Beispielsweise wurde ein 2017 fertiggestellter Zellenbau der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim erst nach unseren Hinweisen im November 2019 umgebucht. Dessen Herstellungskosten betrugen 35,1 Mio. Euro.
2.3 Mietereinbauten nicht vollständig erfasst
Mietereinbauten sind Baumaßnahmen, die der Mieter auf eigene Rechnung an einem angemieteten Gebäude vornimmt und die nicht zu Erhaltungsaufwand führen. Diese Maßnahmen sind in der Vermögensrechnung als materieller Vermögensgegenstand zu erfassen.
Der Rechnungshof prüfte die Verhältnisse für die Anmietungen des Landes im sogenannten „Dorotheenquartier Stuttgart“. Dort wurden bis zum 31. Dezember 2017 Mietereinbauten im Wert von 9,1 Mio. Euro (z. B. Teeküchen sowie Pforten- und Zeiterfassungsanlagen) vom Land als Mieter getragen. Diese Mietereinbauten sind größtenteils nicht in die Vermögensrechnung eingeflossen.
Hinsichtlich der Abbildung von Mietereinbauten in der Vermögensrechnung wurde den vor Ort Handelnden, also den Bauämtern und den Nutzern, noch keine Handreichung zur Verfügung gestellt.
2.4 Gebäude nicht vollständig erfasst
Über die vorgenannten Fehlerquellen hinaus, welche potenziell eine gewisse Breitenwirkung haben, stellten wir u. a. fest, dass zwei Gebäude überhaupt nicht in der Vermögensrechnung enthalten waren. So fehlten ein Teilgebäude eines 1998 erworbenen Behördenzentrums in Fellbach und die Duale Hochschule in Villingen-Schwenningen. Letzteres Gebäude steht als ÖPP-Projekt zwar rechtlich nicht im Eigentum des Landes, ist aber nach Auffassung des Rechnungshofs als wirtschaftliches Eigentum zu aktivieren.
Bereits während unserer Prüfung erfasste Vermögen und Bau den fehlenden Gebäudeteil des Behördenzentrums Fellbach mit 18,5 Mio. Euro in der Anlagenbuchhaltung.
3 Fazit
Angesichts der Vielzahl von Landesgebäuden konnten wir nur einen verhältnismäßig kleinen Anteil näher untersuchen. Allerdings muss davon ausgegangen werden, dass die von uns identifizierten Fehlerquellen potenziell größere Teile des Gebäudebestands betreffen können.
Für die Vermögensrechnung, die erklärtermaßen den von der Landesverfassung vorgeschriebenen Nachweis des Vermögens und der Schulden darstellen soll, ist jedoch die größtmögliche Vollständigkeit und Richtigkeit anzustreben.
Der Rechnungshof verkennt nicht, dass es in der Aufbauphase eines neuen Instruments zu Anlaufschwierigkeiten kommen kann. Umso wichtiger ist es, dass strukturelle Mängel früh erkannt und beseitigt werden.
4 Empfehlungen
4.1 Gebäudewerte überprüfen und berichtigen
Bei der für die Vermögensrechnung erfolgten Bewertung der Landesgebäude stellten wir Fehler bzw. Fehlerquellen fest. Deshalb sind auf Basis der Feststellungen des Rechnungshofs die Bewertungen und die Bewertungsverfahren zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren.
Dies gilt insbesondere für die Bewertung der Gebäude, die vor dem 1. Januar 2003 angeschafft oder hergestellt wurden.
4.2 Überprüfung bis zur Vermögensrechnung auf den Stichtag 31. Dezember 2020 abschließen
Die Überprüfung ist möglichst so einzuleiten und abzuschließen, dass ihre Ergebnisse in die Vermögensrechnung auf den 31. Dezember 2020 einfließen können. Sich hieraus ergebende wertmäßige Änderungen sind in den Erläuterungen der Vermögensrechnung darzustellen.
5 Stellungnahme des Ministeriums
Das Ministerium für Finanzen teilt mit, dass es in den vom Rechnungshof geprüften Fällen die Korrektur fehlerhafter Bewertungen veranlasst habe. Derzeit werde ein Verfahren mit einer neuen Kontierungsanweisung entwickelt, um die bei der Nachkorrektur ab 2012 aufgetretenen Fehler zu beheben. Um Überlastungen der betroffenen Ämter zu vermeiden, sollen nur Objekte mit einem relevanten Restbuchwert korrigiert werden. Diese decken rund 90 Prozent des Gesamtwerts ab.
Das Ministerium habe den Landesbetrieb Vermögen und Bau angewiesen, AiB zeitnah abzurechnen. Es will die Fallkonstellationen bei Mietereinbauten überprüfen und künftig auf eine richtige Aktivierung hinwirken. ÖPP-Projekte sollen auf eine Aktivierungsrelevanz überprüft werden.
6 Schlussbemerkung
Der Rechnungshof anerkennt die vom Ministerium für Finanzen eingeleiteten Maßnahmen. Es bleibt abzuwarten, ob diese zeitnah zu einer belastbaren Gebäudebewertung führen und die wertmäßigen Änderungen in der Vermögensrechnung auf den 31. Dezember 2020 erkennbar sind.
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Die Brutto-Steuereinnahmen des Landes haben 2019 mit 40,9 Mrd. Euro den bisherigen Höchststand erreicht. Der Finanzierungssaldo war mit 3,4 Mrd. Euro positiv. Die Landesregierung hat 2019 erneut Kreditmarktschulden getilgt. Die Landesschulden sind dadurch auf 45,0 Mrd. Euro gesunken.
Aufgrund der Corona-Pandemie und der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen wird 2020 ein drastischer Rückgang der Steuereinnahmen erwartet.
1 Entwicklung der Einnahmen 2010 bis 2019
In Abbildung 1 ist die Entwicklung der Ist-Einnahmen des Landes Baden-Württemberg von 2010 bis 2019 dargestellt.
Die Einnahmen des Landes stiegen in den vergangenen 10 Jahren von 36,9 Mrd. Euro (2010) um 21,0 Mrd. Euro (+56,9 Prozent) auf 57,9 Mrd. Euro (2019). Gegenüber dem Vorjahr nahmen die Einnahmen 2019 per Saldo um 0,7 Mrd. Euro zu (+1,2 Prozent).
Hiervon entfielen
- +0,3 Mrd. Euro auf die Einnahmen der Hauptgruppe 0,
- +1,3 Mrd. Euro auf die Einnahmen der Hauptgruppe 1,
- +0,3 Mrd. Euro auf die Einnahmen der Hauptgruppe 2,
- -1,2 Mrd. Euro auf die Einnahmen der Hauptgruppe 3.
Die Einnahmen wurden 2019 zu 70,9 Prozent (41,1 Mrd. Euro) durch Steuern und steuerähnliche Abgaben erzielt.
1.1 Steuereinnahmen und steuerähnliche Abgaben (Hauptgruppe 0)
In der Zeit von 2010 bis 2019 stiegen die Steuereinnahmen und Einnahmen aus steuerähnlichen Abgaben aufgrund der guten wirtschaftlichen Entwicklung deutlich an.
Die Brutto-Steuereinnahmen lagen 2019 mit 40,9 Mrd. Euro um 16,1 Mrd. Euro (+65,0 Prozent) höher als 2010. Gegenüber dem Vorjahr erhöhten sie sich um 0,3 Mrd. Euro (+0,8 Prozent).
Die um die Ausgaben des Länderfinanzausgleichs und des kommunalen Finanzausgleichs bereinigten (Netto-) Steuereinnahmen stiegen im Vergleich zu 2018 von 29,6 Mrd. Euro auf 30,5 Mrd. Euro (+2,9 Prozent).
Abbildung 2 zeigt, wie sich die Steuereinnahmen von 2010 bis 2019 im Einzelnen entwickelt haben.
Die Steuereinnahmen des Landes setzen sich aus Gemeinschaft- und Landessteuern zusammen. Gemeinschaftsteuern sind:
- Steuern vom Einkommen und Ertrag (dies sind: Lohnsteuer, veranlagte Einkommensteuer, nicht veranlagte Einkommensteuer vom Ertrag, Körperschaftsteuer und Abgeltungsteuer),
- Umsatzsteuer,
- Einfuhrumsatzsteuer und
- Gewerbesteuerumlage.
Die Einnahmen aus Gemeinschaftsteuern haben sich seit 2010 von 22,9 Mrd. Euro um 14,6 Mrd. Euro (+63,7 Prozent) auf 37,5 Mrd. Euro in 2019 erhöht. Ihr Anteil an den gesamten Steuereinnahmen des Landes lag 2019 bei 91,6 Prozent.
Die Steuern vom Einkommen und Ertrag trugen im Haushaltsjahr 2019 mit 61,5 Prozent (23,1 Mrd. Euro) zum Landesanteil an den Gemeinschaftsteuern bei. Im Vergleich zum Vorjahr blieben die Steuern vom Einkommen und Ertrag nahezu unverändert. Die Lohnsteuer verzeichnete mit 14,8 Mrd. Euro das höchste Aufkommen an den Gemeinschaftsteuern.
Die Einnahmen aus der Umsatzsteuer erhöhten sich 2019 gegenüber 2018 um 712,0 Mio. Euro (+8,2 Prozent) auf 9,4 Mrd. Euro. Die Einnahmen aus der Einfuhrumsatzsteuer blieben mit 3,9 Mrd. Euro im Vergleich zum Vorjahr nahezu unverändert.
Die Landessteuern stiegen seit 2010 von 1,9 Mrd. Euro um 1,5 Mrd. Euro (+80,8 Prozent) auf 3,4 Mrd. Euro in 2019. Gegenüber 2018 verminderten sich die Landessteuern 2019 um 163,3 Mio. Euro (-4,5 Prozent). Sie hatten 2019 einen Anteil an den gesamten Steuereinnahmen des Landes von 8,4 Prozent.
Die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer erhöhten sich 2019 im Vergleich zum Vorjahr um 168,6 Mio. Euro (+8,8 Prozent) auf 2,1 Mrd. Euro. Sie haben sich seit 2010 von 789,9 Mio. Euro mehr als verdoppelt. Dies ist u. a. auf die Erhöhung des Steuersatzes in 2011 zurückzuführen. 2019 betrug der Anteil der Grunderwerbsteuer am gesamten Aufkommen der Landessteuern 60,9 Prozent.
Das Erbschaftsteueraufkommen verminderte sich 2019 gegenüber 2018 um 325,5 Mio. Euro (-24,6 Prozent) auf 999,3 Mio. Euro. Die Erbschaftsteuereinnahmen 2018 waren geprägt durch einen Einmaleffekt aus einem großen Einzelfall. Zwischen 2010 und 2019 nahmen die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer um 18,4 Prozent zu. Sie hatten 2019 einen Anteil von 29,1 Prozent an den Einnahmen aus Landessteuern.
Die Einnahmen aus steuerähnlichen Abgaben erhöhten sich 2019 gegenüber 2018 um 13,5 Mio. Euro (+9,6 Prozent) auf 153,9 Mio. Euro. Mit 91,5 Mio. Euro entfiel mehr als die Hälfte auf das Wasserentnahmeentgelt. Weitere 19,0 Mio. Euro stammten aus der Spielbankabgabe.
1.2 Verwaltungseinnahmen und Einnahmen aus Schuldendienst (Hauptgruppe 1)
Die Verwaltungseinnahmen und Einnahmen aus Schuldendienst (Hauptgruppe 1) stiegen 2019 im Ist gegenüber dem Vorjahr um 1,3 Mrd. Euro (+65,1 Prozent) auf 3,2 Mrd. Euro.
Die Verwaltungseinnahmen (Obergruppe 11) nahmen im Vergleich zu 2018 per Saldo um 1,2 Mrd. Euro (+82,9 Prozent) auf 2,7 Mrd. Euro zu. Hauptgrund für die Zunahme waren einmalige Einnahmen aus Bußgeldern und Vermögensabschöpfung im Zusammenhang mit der Dieselaffäre von 1,5 Mrd. Euro.
Die Einnahmen aus wirtschaftlicher Tätigkeit und Vermögen (Obergruppe 12) erhöhten sich 2019 gegenüber dem Vorjahr um 55,0 Mio. Euro (+16,8 Prozent) auf 382,1 Mio. Euro. Hauptgrund hierfür ist die einmalige Sonderausschüttung der Beteiligungsgesellschaft des Landes mbH von 15,0 Mio. Euro sowie die Ausschüttung der Landesbank Baden-Württemberg mit 52,7 Mio. Euro.
Die Erlöse aus der Veräußerung von Gegenständen (Obergruppe 13) gingen 2019 gegenüber dem Vorjahr um 27,2 Mio. Euro (-42,0 Prozent) auf 37,5 Mio. Euro zurück. Insbesondere sanken die Erlöse aus der Veräußerung bebauter Grundstücke.
Die Einnahmen aus Schuldendienst (Obergruppen 15 bis 18) erhöhten sich 2019 im Vergleich zu 2018 um 17,1 Mio. Euro (+22,6 Prozent) auf 93,1 Mio. Euro. Dies waren im Wesentlichen Zins- und Tilgungseinnahmen aus gewährten Darlehen des Landes zur Wohnraum- und Ausbildungsförderung.
1.3 Einnahmen aus Zuweisungen und Zuschüssen mit Ausnahme für Investitionen (Hauptgruppe 2)
Die Einnahmen aus Zuweisungen und Zuschüssen mit Ausnahme für Investitionen (Hauptgruppe 2) stiegen 2019 gegenüber dem Vorjahr um 313,5 Mio. Euro (+3,3 Prozent) auf 9,8 Mrd. Euro. Im zehnjährigen Betrachtungszeitraum erhöhten sich die Einnahmen der Hauptgruppe 2 um 3,0 Mrd. Euro (+44,6 Prozent). Die größten Posten dieser Einnahmengruppe waren 2019:
- Finanzausgleichsumlage nach § 1a Finanzausgleichsgesetz mit 4.443,9 Mio. Euro; sie erhöhte sich im Vergleich zu 2018 um 209,7 Mio. Euro (+5,0 Prozent);
- Zuweisung des Bundes zum Ausgleich des Kraftfahrzeugsteuer-Wegfalls mit 1.305,3 Mio. Euro (seit 2010 unverändert);
- Einnahmen zur Sicherstellung und Verbesserung einer ausreichenden Bedienung durch den ÖPNV/SPNV sowie zur Infrastruktur- und Fahrzeugförderung im Geschäftsbereich des Ministeriums für Verkehr mit 956,5 Mio. Euro; sie erhöhten sich gegenüber 2018 um 29,7 Mio. Euro (+3,2 Prozent);
- Zuweisungen des Bundes gemäß § 46a SGB XII für Sozialhilfe mit 650,7 Mio. Euro; sie stiegen um 22,2 Mio. Euro (+3,5 Prozent) gegenüber 2018. Hierbei handelt es sich um durchlaufende Mittel, denen entsprechende Ausgaben bei der Hauptgruppe 6 gegenüberstehen;
- Zuweisungen des Bundes für die Kosten der Unterkunft und Heizung gemäß § 46 Absätze 5 bis 8 SGB II mit 576,3 Mio. Euro; sie verminderten sich um 31,2 Mio. Euro (-5,1 Prozent) gegenüber 2018. Auch hierbei handelt es sich um durchlaufende Mittel mit einer Gegenposition in Hauptgruppe 6;
- Erstattung anteilmäßiger Versorgungsbezüge durch Landesbetriebe und Sonstige mit 235,2 Mio. Euro gegenüber 239,0 Mio. Euro 2018 (-1,6 Prozent);
- Zuweisungen des Bundes für Maßnahmen im Rahmen des Hochschul-paktes („Ausbauprogramm Hochschule 2012“ und „Ausbauprogramm Master 2016“) mit 225,0 Mio. Euro; sie blieben gegenüber dem Vorjahr nahezu unverändert.
1.4 Kreditaufnahmen, Einnahmen aus Zuweisungen und Zuschüssen für Investitionen und besondere Finanzierungsmaßnahmen (Hauptgruppe 3)
Die Einnahmen aus Schuldenaufnahmen, aus Zuweisungen und Zuschüssen für Investitionen und die besonderen Finanzierungseinnahmen lagen 2019 in Summe bei 3,8 Mrd. Euro. Die besonderen Finanzierungseinnahmen nahmen hierbei den größten Anteil ein.
Gegenüber 2018 verminderten sich die saldierten Einnahmen der Hauptgruppe 3 um 1,2 Mrd. Euro (-23,8 Prozent).
1.4.1 Einnahmen aus Schuldenaufnahmen
Seit 2015 nahm das Land keine neuen Kredite mehr auf. 2019 wurden Schulden am Kreditmarkt von 1,0 Mrd. Euro getilgt. Im Landeshaushalt wird dies technisch als negative Einnahme ausgewiesen.
1.4.2 Einnahmen aus Zuweisungen und Zuschüssen für Investitionen
Die Einnahmen aus Zuweisungen und Zuschüssen für Investitionen (Obergruppen 33 und 34) verminderten sich seit 2010 um 438,9 Mio. Euro auf 902,6 Mio. Euro (-32,7 Prozent). Gegenüber 2018 sanken die Einnahmen um 247,7 Mio. Euro (-21,5 Prozent).
Die größten Posten in diesem Bereich waren 2019:
- Zuweisungen des Bundes, Beiträge Dritter sowie Erstattungen von Bauausgaben durch die Finanzierungsgesellschaft für Öffentliche Vorhaben des Landes Baden-Württemberg mbH mit 135,0 Mio. Euro. Die Einnahmen wurden für Baumaßnahmen des Behördenbauprogramms sowie Bauprogramme zur Forschungsförderung, Emissionsschutz und Nachfolgebelegung ehemals militärischer Grundstücke verwendet; sie verminderten sich gegenüber 2018 um 30,5 Mio. Euro (-18,4 Prozent);
- Finanzhilfen des Bundes für Investitionen nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (Bundesprogramm) für kommunale Vorhaben sowie auf dem Gebiet des ÖPNV mit 110,4 Mio. Euro; sie verminderten sich gegenüber dem Vorjahr um 99,2 Mio. Euro (-47,3 Prozent);
- Zuweisungen des Bundes für die Darlehensförderung der Studierenden mit 94,3 Mio. Euro; sie blieben gegenüber 2018 nahezu unverändert;
- Zuschüsse der Europäischen Union für Investitionen nach dem Maßnahmen- und Entwicklungsplan Ländlicher Raum Baden-Württemberg 2014 bis 2020 (MEPL III) mit 92,4 Mio. Euro; sie verminderten sich gegenüber dem Vorjahr um 3,0 Mio. Euro (-3,2 Prozent).
Diesen Einnahmen stehen regelmäßig entsprechende Ausgaben gegenüber.
1.4.3 Besondere Finanzierungseinnahmen
Die Entnahmen aus Rücklagen, Fonds und Stöcken (Obergruppe 35) verminderten sich 2019 um 297,6 Mio. Euro (-18,1 Prozent) auf 1,3 Mrd. Euro gegenüber 2018.
Aus der Rücklage für Haushaltsrisiken wurde 2019 ein Betrag von 229,4 Mio. Euro entnommen. Die Entnahme 2019 aus der Rücklage für Maßnahmen im Sinne des § 1 Absatz 3 der Verordnung zu § 18 Landeshaushaltsordnung betrug 861,3 Mio. Euro. Ein Teilbetrag von 466,7 Mio. Euro diente dem Abbau von Altkreditermächtigungen. Im Vorjahr wurden insgesamt 1.314,3 Mio. Euro entnommen. Davon wurden 1.066,3 Mio. Euro verwendet, um Altkreditermächtigungen abzubauen.
Die Einnahmen aus Überschüssen der Vorjahre erhöhten sich im Vergleich zu 2018 um 75,6 Mio. Euro (+3,3 Prozent) auf 2,4 Mrd. Euro in 2019.
2 Entwicklung der Ausgaben 2010 bis 2019
Abbildung 3 zeigt die Entwicklung der Ist-Ausgaben des Landes für die Jahre 2010 bis 2019.
Die Ausgaben des Landes stiegen von 36,2 Mrd. Euro in 2010 um 18,1 Mrd. Euro (+50 Prozent) auf 54,3 Mrd. Euro (2019). Gegenüber dem Vorjahr nahmen die Ausgaben 2019 nur leicht um 0,2 Mrd. Euro zu (+0,3 Prozent).
Dennoch gab es gegenüber dem Vorjahr teilweise deutliche Ausgabensteigerungen
- im Bereich der Investitionen (Hauptgruppen 7 und 8) per Saldo um 405 Mio. Euro (+9,7 Prozent) und
- bei den Personalausgaben der Hauptgruppe 4 um 1,0 Mrd. Euro (+6,0 Prozent).
Ausgabenreduzierungen größeren Umfangs waren zu verzeichnen
- beim Länderfinanzausgleich (Gruppe 612 in der Hauptgruppe 6) um 844 Mio. Euro (-25,3 Prozent) und
- bei den besonderen Finanzierungsausgaben um 1,1 Mrd. Euro (-29,1 Prozent).
Die Personalausgaben (Hauptgruppe 4) sowie die Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse mit Ausnahme für Investitionen (Hauptgruppe 6) entsprechen zusammen 79,7 Prozent der Gesamtausgaben.
2.1 Personalausgaben (Hauptgruppe 4) und Stellenentwicklung
In der Hauptgruppe 4 werden ausschließlich die Personalausgaben der Kernverwaltung des Landes ausgewiesen. Sie schließen insbesondere die Bezüge und Nebenleistungen für Beamte und Richter, die Entgelte der Beschäftigten, die Versorgungsbezüge sowie Ausgaben für die Beihilfe ein.
Hinzu kommen Personalausgaben bei Landesbetrieben, die im Landeshaushalt nicht explizit als Personalausgaben ausgewiesen werden.
Tabelle 1 zeigt die Entwicklung der Personalausgaben der Kernverwaltung (Hauptgruppe 4).
Die kameralen Personalausgaben stiegen in den vergangenen 10 Jahren um durchschnittlich 3,0 Prozent je Jahr. Sie lagen 2019 mit 18,2 Mrd. Euro um 4,2 Mrd. Euro (+29,6 Prozent) über den Personalausgaben in 2010. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass in der Vergangenheit zahlreiche Einrichtungen des Landes in Landesbetriebe umgewandelt wurden. In der Folge wurden die ursprünglich kameralen Personalausgaben dieser Einrichtungen als Teil der Zuschüsse für die Landesbetriebe in Hauptgruppe 6 etatisiert. Entsprechend reduzierten sich die Personalausgaben der Hauptgruppe 4 im Landeshaushalt.
Die Ausgaben der Hauptgruppe 4 im Jahr 2019 waren 1,0 Mrd. Euro (+6,0 Prozent) höher als 2018. Zu dieser Steigerung trugen in erster Linie die Ausgaben für Bezüge und Nebenleistungen der Beamten und Richter (Gruppe 422) und die Versorgungsbezüge der Beamten und Richter (Gruppe 432) mit insgesamt +894,4 Mio. Euro (+6,6 Prozent) bei.
Den größten Block innerhalb der Personalausgaben der Hauptgruppe 4 bilden die Bezüge und Nebenleistungen der Beamten und Richter. Sie erhöhten sich im zehnjährigen Betrachtungszeitraum um 1,6 Mrd. Euro (+21,8 Prozent). Die Beihilfeausgaben für die aktiven Beamten und Richter stiegen von 2010 bis 2019 um 39,6 Mio. Euro (+9,6 Prozent). Der nur moderate Anstieg in den vergangenen Jahren war auch verschiedenen kostendämpfenden Maßnahmen geschuldet.
Die Ausgaben für die Versorgungsbezüge der Beamten und Richter stiegen in den vergangenen 10 Jahren um 2,1 Mrd. Euro (+66,9 Prozent). Zudem erhöhten sich die Beihilfeausgaben für die Versorgungsempfänger im gleichen Zeitraum um 392,8 Mio. Euro (+65,8 Prozent). Mitursächlich für diese Entwicklung ist, dass die Zahl der Versorgungsberechtigten von 97.655 in 2010 auf 133.145 in 2019 anstieg (+36,3 Prozent).
Die Entgelte der Arbeitnehmer erhöhten sich im Betrachtungszeitraum 2010 bis 2019 um 172,5 Mio. Euro (+11,2 Prozent). Ursächlich für den moderaten Anstieg ist auch eine teilweise Verlagerung von Stellen aus der Kernverwaltung zu den Landesbetrieben.
In Tabelle 2 werden die kameralen Personalausgaben und der Personalaufwand der Landesbetriebe 2018 und 2019 als Gesamtpersonalaufwand des Landes dargestellt. Bei den Landesbetrieben liegen für 2019 noch keine Ist-Zahlen vor.
Der Gesamtpersonalaufwand des Landes lag 2018 um 18,2 Prozent über den in der Hauptgruppe 4 ausgewiesenen Personalausgaben des Kernhaushaltes.
Die Zahl der Personalstellen in der Landesverwaltung (einschließlich der Stellen in den Landesbetrieben) hat sich in den vergangenen 10 Jahren erhöht. Abbildung 4 zeigt die Stellenentwicklung für Beamte und Arbeitnehmer von 2010 bis 2019.
Die Personalstellen in der gesamten Landesverwaltung erhöhten sich seit 2010 von 202.911,5 Stellen um 8.002,5 Stellen (+3,9 Prozent) auf 210.914 Stellen (2019). Gegenüber dem Vorjahr nahm die Stellenzahl um 1.159,5 Stellen zu.
Von den gesamten Personalstellen 2019 entfielen 45,2 Prozent auf den Schulbereich, 13,4 Prozent auf die Polizei, 6,8 Prozent auf die Justiz und 12,3 Prozent auf die Hochschulen (ohne medizinische Fakultäten). Damit entfallen mehr als drei Viertel der Personalstellen im Land alleine auf diese vier Bereiche.
Für 2020 und 2021 ist nach dem Urhaushalt 2020/2021 ein Stellenzuwachs um 2.819 Stellen (+1,3 Prozent) vorgesehen.
2.2 Sächliche Verwaltungsausgaben und Ausgaben für den Schuldendienst (Hauptgruppe 5)
Die Summe der sächlichen Verwaltungsausgaben und der Ausgaben für den Schuldendienst (Hauptgruppe 5) stieg seit 2010 um 4,8 Prozent auf 3,7 Mrd. Euro (2019). Im Vergleich zum Vorjahr erhöhten sie sich um 22,2 Mio. Euro (+0,6 Prozent).
Tabelle 3 zeigt die Entwicklung der sächlichen Verwaltungsausgaben (Obergruppen 51 bis 54) und der Ausgaben für Kreditmarktzinsen.
2019 stiegen die sächlichen Verwaltungsausgaben im Vergleich zu 2018 um 169,2 Mio. Euro (+7,5 Prozent) auf 2,4 Mrd. Euro.
Die sächlichen Verwaltungsausgaben für die Unterhaltung der Grundstücke und baulichen Anlagen erhöhten sich 2019 gegenüber dem Vorjahr um 70,4 Mio. Euro auf 0,4 Mrd. Euro. Die Mehrausgaben in 2019 flossen in erster Linie in den Bauunterhalt der landeseigenen Gebäude.
Bei den Ausgaben für den Schuldendienst handelt es sich im Wesentlichen um Kreditmarktzinsen. 2019 betrugen diese Zinsausgaben 1,2 Mrd. Euro.
2.3 Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse für laufende Zwecke (Hauptgruppe 6)
Die Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse für laufende Zwecke (Hauptgruppe 6) verringerten sich 2019 im Vergleich zum Vorjahr um 163,8 Mio. Euro (-0,7 Prozent) auf 25,1 Mrd. Euro.
- Nachdem die Ausgaben für den Länderfinanzausgleich 2018 mit 3,3 Mrd. Euro einen Höchststand erreicht hatten, nahmen sie 2019 um 843,8 Mio. Euro (-25,3 Prozent) deutlich ab. Mit Ausgaben von 2,5 Mrd. Euro in 2019 haben sie sich gegenüber 2010 mehr als verdoppelt.
- Die allgemeinen Zuweisungen im kommunalen Finanzausgleich nahmen seit 2010 kontinuierlich um insgesamt 3,7 Mrd. Euro (+59,9 Prozent) auf 9,9 Mrd. Euro zu. Im Vergleich zum Vorjahr stiegen sie um 633,5 Mio. Euro (+6,9 Prozent).
Die sonstigen Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse - ohne die Ausgaben für den Länderfinanzausgleich und den kommunalen Finanzausgleich - stiegen zwischen 2010 und 2019 von 6,9 Mrd. Euro nahezu kontinuierlich auf 12,8 Mrd. Euro an (+85,1 Prozent). Ein Grund für diese Steigerung ist, dass neue Landesbetriebe errichtet wurden. Gab es 2010 noch 40 Landesbetriebe, so stieg deren Anzahl bis 2019 auf 49 an.
Einzelfälle größeren Umfangs waren:
- Die Ausgaben für die Kleinkindbetreuung erhöhten sich 2019 gegenüber dem Vorjahr um 74,1 Mio. Euro auf 1,0 Mrd. Euro (+8,0 Prozent). Die Ausgaben werden zum Teil durch Bundesmittel mitfinanziert.
- Zuschüsse an Schulen in freier Trägerschaft nach § 18 Absatz 2a Privatschulgesetz von 671,0 Mio. Euro. Die Ausgaben erhöhten sich gegenüber dem Vorjahr um 56,8 Mio. Euro (+9,3 Prozent).
- Erstattungen an die Stadt- und Landkreise für Sozialhilfe mit 650,7 Mio. Euro. Gegenüber dem Vorjahr sind die Ausgaben um 22,2 Mio. Euro (+3,5 Prozent) gestiegen.
- Erstattungen an Gemeinden und Gemeindeverbände für die Kosten der Unterkunft und Heizung mit 576,3 Mio. Euro gegenüber 607,4 Mio. Euro 2018 (-5,1 Prozent).
- Die pauschale Erstattung von Aufwendungen für die Aufnahme, Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen an die Stadt- und Landkreise reduzierte sich 2019 gegenüber dem Vorjahr von 515,3 Mio. Euro auf 287,4 Mio. Euro (44,2 Prozent). Darüber hinaus erstattet das Land den Stadt-
und Landkreisen seit 2018 deren Mehraufwendungen für nicht mehr vorläufig untergebrachte (geduldete) Flüchtlinge. Die Ausgaben beliefen sich 2019 auf 168 Mio. Euro und erhöhten sich gegenüber dem Vorjahr um 68 Mio. Euro (+68 Prozent).
- Die Stadt- und Landkreise sowie der Verband Region Stuttgart erhielten 2019 Zuweisungen zur Finanzierung von Verkehrs- und Tarifleistungen im öffentlichen Personennahverkehr. Die Zuweisungen wurden den Ausgabenträgern als Ausgleich für deren gemeinwirtschaftliche Leistungen im öffentlichen Personennahverkehr gewährt und der Finanzausgleichsmasse A vorweg entnommen. Sie blieben mit 201,9 Mio. Euro gegenüber dem Vorjahr nahezu unverändert.
- Zur Förderung von Digitalisierungsmaßnahmen an Schulen verausgabte das Land 2019 erstmals 145 Mio. Euro. Die Mittel dienen der Umsetzung bzw. der Kofinanzierung von Mitteln aus dem „DigitalPakt Schule“ mit dem Bund.
- Die Stadt- und Landkreise sowie kreisangehörigen Gemeinden mit Jugendamt erhielten 2019 eine Teilerstattung für die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen und -ausfallleistungen zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter von 131,1 Mio. Euro. Der Zuschuss erhöhte sich gegenüber dem Vorjahr um 14,6 Mio. Euro (+12,5 Prozent).
2.4 Baumaßnahmen und sonstige Ausgaben für Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen (Hauptgruppen 7 und 8)
Die Ausgaben für Baumaßnahmen (Hauptgruppe 7) stiegen 2019 gegenüber dem Vorjahr um 99,6 Mio. Euro auf 787,7 Mio. Euro (+14,5 Prozent). Der Schwerpunkt dieser Ausgaben lag 2019 bei der Erhaltung der Landesstraßen mit 183,1 Mio. Euro. Gegenüber dem Vorjahr stiegen sie um 62,9 Mio. Euro (+52,3 Prozent).
Die sonstigen Ausgaben für Investitionen und Investitionsförderungsmaß-nahmen (Hauptgruppe 8) stiegen seit 2010 um 542,2 Mio. Euro (+16,7 Prozent). Sie beliefen sich 2019 auf 3,8 Mrd. Euro und nahmen gegenüber dem Vorjahr um 305,3 Mio. Euro zu (+8,8 Prozent). Ausgabenschwerpunkte bei den Investitionen waren 2019:
- Zuschüsse für Investitionen an private, kommunale und sonstige öffentliche Krankenhäuser: Sie stiegen gegenüber dem Vorjahr um 85,8 Mio. Euro (+23,9 Prozent) auf 444,7 Mio. Euro.
- Die kommunale Investitionspauschale mit 1.117,9 Mio. Euro. Gegenüber dem Vorjahr stieg der Wert um 79,3 Mio. Euro an.
Abbildung 5 zeigt die Entwicklung der Ausgaben für Baumaßnahmen und der sonstigen Ausgaben für Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen im zehnjährigen Betrachtungszeitraum.
Nachdem sich die Ausgaben für Baumaßnahmen (Hauptgruppe 7) über mehrere Jahre auf annähernd gleichem Niveau bewegt hatten, erreichten sie 2019 einen Höchststand.
Auch die sonstigen Ausgaben für Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen (Hauptgruppe 8) stiegen 2019 auf einen Höchststand, nachdem sie über mehrere Jahre tendenziell rückläufig waren.
2.5 Besondere Finanzierungsausgaben (Hauptgruppe 9)
Die besonderen Finanzierungsausgaben (Hauptgruppe 9) verringerten sich 2019 gegenüber dem Vorjahr um 1,1 Mrd. Euro (-29,1 Prozent) auf 2,7 Mrd. Euro.
Die größten Einzelposten der besonderen Finanzierungsausgaben waren 2019:
- Zuführung an die Rücklage für Maßnahmen im Sinne des § 1 Absatz 3 der Verordnung zu § 18 Landeshaushaltsordnung von 1.659,1 Mio. Euro (-67,3 Mio. Euro gegenüber 2018);
- Zuführung an den Versorgungsfonds von 440,2 Mio. Euro (-78,2 Mio. Euro gegenüber dem Vorjahr);
- Zuführungen an den Allgemeinen Grundstock mit Unterteilen von 310,3 Mio. Euro (+6,8 Mio. Euro gegenüber dem Vorjahr);
- Zuführung an das Sondervermögen Baden-Württemberg 21 zur Finanzierung großer Schienenverkehrsprojekte des Landes von 83,9 Mio. Euro (+57,6 Mio. Euro gegenüber 2018).
3 Steuerdeckungsquote und Investitionsquote
Tabelle 4 zeigt die Steuerdeckungsquote und die Investitionsquote der Jahre 2010 sowie 2015 bis 2019.
Die Steuerdeckungsquote drückt das Verhältnis der Brutto-Steuereinnahmen zu den bereinigten Gesamtausgaben aus. Sie ist ein Indikator für den Finanzierungsspielraum des Landes aus laufenden eigenen Finanzierungsquellen.
Die Steuerdeckungsquote stieg 2015 bis 2018 aufgrund der guten konjunkturellen Lage und den daraus resultierenden steigenden Steuereinnahmen kontinuierlich an. 2019 war die Steuerdeckungsquote rückläufig und betrug 79,3 Prozent.
Die Investitionsquote zeigt den prozentualen Anteil der Ausgaben für Baumaßnahmen sowie für sonstige Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen an den bereinigten Gesamtausgaben.
Die Investitionsquote stieg 2019 erstmals seit 2014 wieder an und lag bei 8,9 Prozent.
4 Entwicklung des Finanzierungssaldos
Die Differenz zwischen bereinigten Einnahmen und bereinigten Ausgaben bezeichnet den Finanzierungssaldo.
Der Finanzierungssaldo ist die wesentliche Kennzahl, um zu beurteilen, ob der jeweilige Haushalt in laufenden Einnahmen und Ausgaben ausgeglichen ist. Bei negativem Finanzierungssaldo müssen die laufenden Einnahmen durch Kredite oder sonstige Finanzierungsmaßnahmen verstärkt werden, um die laufenden Ausgaben zu decken. Dabei werden auch die laufenden Ausgaben um besondere Finanzierungsmaßnahmen und die endgültige Tilgung von Kreditmarktschulden bereinigt.
Besondere Finanzierungsmaßnahmen sind Entnahmen aus Rücklagen, Fonds, Stöcken und Einnahmen aus Überschüssen der Vorjahre sowie entsprechende Zuführungen und Deckungsbeträge für Fehlbeträge aus Vorjahren.
Der Finanzierungssaldo des Landes war seit 2014 im Haushaltsvollzug immer positiv. Im Haushaltsjahr 2019 konnte mit 3,4 Mrd. Euro ein besonders hoher Finanzierungssaldo erzielt werden.
Zwar wurden 2019 zur Haushaltsdeckung 2,4 Mrd. Euro aus Überschüssen der Vorjahre und 1,3 Mrd. Euro aus Rücklagen entnommen. Im Gegenzug wurden aber auch 1,0 Mrd. Euro an Alt-Krediten getilgt und 2,6 Mrd. Euro an Rücklagen, Fonds und Stöcke zugeführt. Im Übrigen lagen die Brutto-Ist-Einnahmen mit 57,9 Mrd. Euro um 3,6 Mrd. Euro über den Brutto-Ist-Ausgaben von 54,3 Mrd. Euro.
Der Doppelhaushalt 2020/2021 weist für 2020 bereits im Soll einen positiven Finanzierungssaldo aus. Für 2021 ist der Finanzierungssaldo im Soll negativ.
5 Verschuldung
5.1 Entwicklung der haushaltsmäßigen Verschuldung
Nach einer Schuldentilgung von 250 Mio. Euro in 2018 hat Baden-Württemberg 2019 weitere 1.000 Mio. Euro an Kreditmarktschulden getilgt. Damit ist die haushaltsmäßige Verschuldung des Landes auf 45,0 Mrd. Euro gesunken. Diese beinhaltet valutierte, also tatsächlich ausbezahlte Kredite, aufgeschobene Kreditaufnahmen und nicht valutierte Kreditrahmenverträge.
Für das Haushaltsjahr 2020 hat die Landesregierung im Urhaushalt eine weitere Tilgung von Kreditmarktschulden vorgesehen. Damit soll das Kontrollkonto aus der Übergangsregelung zur Schuldenbremse ausgeglichen werden.
Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie wurde die Landesregierung im Nachtragshaushalt 2020/2021 ermächtigt, 5 Mrd. Euro neue Kredite aufzunehmen. Der festgelegte Tilgungsplan sieht eine jährliche Tilgung von 500 Mio. Euro von 2024 bis 2033 für diese Kredite vor.
Abbildung 7 zeigt die Entwicklung der haushaltsmäßigen Verschuldung einschließlich der zum Jahresende nicht valutierten Kreditrahmenverträge sowie aufgeschobene Kreditaufnahmen von 1954 bis 2019.
Von der haushaltsmäßigen Verschuldung von 45,0 Mrd. Euro zum Jahresende 2019 waren lediglich 36,1 Mrd. Euro valutiert (80 Prozent). Aufgrund der guten Liquiditätslage des Landes wurden Kredite über 8,9 Mrd. Euro auf Basis von § 4 Absatz 3 des Nachtrags zum Staatshaushaltsgesetz 2018/2019 temporär nicht aufgenommen. Nicht valutierte Kreditrahmenverträge gab es zum Jahresende 2019 im Gegensatz zum Vorjahr nicht.
Tabelle 5 stellt die haushaltsmäßige Verschuldung des Landes, die Verpflichtungen beim Bund und den Ländern sowie die verlagerten Verpflichtungen des Landes jeweils zum Jahresende 2018 und 2019 dar.
Die valutierte Verschuldung des Landes ist 2019 um 172 Mio. Euro gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. Die nicht valutierten Anteile (Kreditrahmenvertrag und aufgeschobene Kreditaufnahme) reduzierten sich per Saldo um 828 Mio. Euro. In Summe wurden so 1.000 Mio. Euro an haushaltsmäßiger Verschuldung getilgt.
Zusammen mit den Verpflichtungen beim Bund und bei den Ländern gingen die Schulden 2019 gegenüber 2018 um 1.071 Mio. Euro zurück.
Rechnet man die verlagerten Verpflichtungen ein, betrugen die Schulden des Landes zum Jahresende 2019 insgesamt 46.037 Mio. Euro.
Die verlagerten Verpflichtungen sind zum 31. Dezember 2019 gegenüber dem Vorjahr um 74,6 Mio. Euro gesunken.
Die Landesregierung hat mitgeteilt, dass die Vorfinanzierung von Baumaßnahmen über die Finanzierungsgesellschaft für Öffentliche Vorhaben des Landes Baden-Württemberg mbH mittelfristig nicht mehr praktiziert werden soll. Die Schulden gegenüber der Finanzierungsgesellschaft sollen vollständig zurückgeführt werden.
Im Doppelhaushalt 2020/2021 sind bei der Finanzierungsgesellschaft keine neuen Maßnahmen mehr vorgesehen. Bereits etatisierte Maßnahmen werden aber noch ausfinanziert. In der Folge sollen die verlagerten Verpflichtungen für Hochbauprogramme in absehbarer Zeit voraussichtlich auf Null sinken.
5.2 Entwicklung der Nettokreditaufnahme
Nach Artikel 109 Absatz 3 Grundgesetz sind die Haushalte der Länder grundsätzlich ohne Kredite auszugleichen. Baden-Württemberg hatte in einem Übergangszeitraum von 2013 bis einschließlich 2019 von einer Ausnahmeermächtigung nach Artikel 143d Grundgesetz Gebrauch gemacht.
Seit 1. Januar 2020 gilt die grundgesetzliche Schuldenbremse für Baden-Württemberg unmittelbar und verbindlich.
Nach der Übergangsregelung hätte das Land bis einschließlich 2016 noch neue Kredite aufnehmen dürfen. Seit 2017 musste Baden-Württemberg nach der Übergangsregelung Schulden abbauen.
Tatsächlich wurden 2014 zum letzten Mal neue Kredite aufgenommen. 2017 hat das Land begonnen, zunächst insbesondere die implizite Verschuldung im Landesvermögen abzubauen. Im Doppelhaushalt 2018/2019 hat das Land Kreditmarktschulden in nennenswertem Umfang von insgesamt 1.250 Mio. Euro getilgt.
Abbildung 8 zeigt die Entwicklung der Nettokreditaufnahme und der Nettotilgung von haushaltsmäßiger Verschuldung des Landes in den vergangenen 10 Jahren.
Ab 2020 sind neue Kreditaufnahmen zum Ausgleich des Haushalts grundsätzlich ausgeschlossen (siehe Beitrag Nr. 6 dieser Denkschrift). Sie sind nur noch möglich, um konjunkturbedingte Schwankungen auszugleichen oder auf bestimmte Notsituationen reagieren zu können. Darüber hinaus haben enumerativ normierte finanzielle Transaktionen Einfluss auf eine mögliche Kreditaufnahme des Landes.
5.3 Entwicklung der Schulden und Zinsen 2010 bis 2019
Zum Ende des Haushaltsjahres 2010 lag die haushaltsmäßige Verschuldung des Landes bei 43,3 Mrd. Euro. Ende 2019 war das Land um 1,7 Mrd. Euro höher am Kreditmarkt verschuldet. Die bisher höchste haushaltsmäßige Verschuldung in der Landesgeschichte bestand zwischen 2014 und 2017 mit jeweils 46,3 Mrd. Euro.
Im Gegensatz dazu waren die valutierten Kreditmarktschulden zu Anfang der letzten Dekade mit 42,1 Mrd. Euro am höchsten. Sie sanken bis Ende 2019 um 6 Mrd. Euro auf 36,1 Mrd. Euro. Hauptursachen sind die hervorragende Einnahmenentwicklung und die daraus resultierende hohe Liquidität von Baden-Württemberg in den letzten 10 Jahren. Selbst in der Zeit zwischen 2012 und 2014, als die haushaltsmäßige Verschuldung um insgesamt 3 Mrd. Euro anstieg, ist die valutierte Verschuldung nicht wesentlich angestiegen.
Abbildung 9 zeigt die Entwicklung der haushaltsmäßigen Verschuldung und der valutierten Kreditmarktschulden im Zeitraum 2010 bis 2019 jeweils zum Jahresende.
Die Zinsausgaben des Landes sind 2019 gegenüber dem Vorjahr um 165 Mio. Euro auf 1.230 Mio. gesunken. Wie in den vergangenen Jahren beinhaltet dieser Wert Restrukturierungsmaßnahmen des Finanzministeriums im Portfolio. In 2019 wurden hierfür 150 Mio. Euro aufgewendet. Im Zehn-Jahresvergleich sanken diese Zinsausgaben um 600 Mio. Euro, trotz höherer Verschuldung in 2019 als 2010.
Im Haushalt 2019 waren für Zinsausgaben 1.558 Mio. Euro etatisiert. Im Vergleich aller Titel im Landeshaushalt ist dies die drittgrößte Einzelposition aller Ausgaben. Die Ist-Ausgaben lagen 328 Mio. Euro unter dem Etatansatz.
Abbildung 10 zeigt die Entwicklung der Zinsausgaben des Landes in den vergangenen 10 Jahren.
5.4 Pro-Kopf-Verschuldung
Abbildung 11 zeigt die Pro-Kopf-Verschuldung der Flächenländer zum Jahresende 2018 und 2019 nach der Statistik des Bundes. Für Baden-Württemberg werden jeweils nur die zum Jahresende valutierten Schulden je Einwohner dargestellt.
Der Vergleich der 13 Flächenländer zeigt, dass bei sechs Ländern die valutierte Pro-Kopf-Verschuldung zum Jahresende 2019 gegenüber dem Vorjahr gesunken ist. Bei sieben Ländern hat sich der Wert erhöht.
6 Rücklagen und Sondervermögen
Im Haushaltsjahr 2019 sind die Rücklagen des Landes per Saldo um 601 Mio. Euro angewachsen. Dabei standen Zuführungen von insgesamt 1.705 Mio. Euro Entnahmen von 1.104 Mio. Euro gegenüber.
Die Sondervermögen sind um 1.510 Mio. Euro angewachsen. Davon resultieren 610 Mio. Euro aus dem Saldo aus Zuführungen und Entnahmen. Etwa 900 Mio. Euro ergeben sich aus Kursgewinnen aus den Sondervermögen Versorgungsfonds und Versorgungsrücklage.
Der Rücklage für Maßnahmen im Sinne des § 1 Absatz 3 der Verordnung zu § 18 Landeshaushaltsordnung wurden 2019 zur Tilgung von impliziter Verschuldung 1.659 Mio. Euro zugeführt. Entnommen wurden der Rücklage 861,3 Mio. Euro. Mit einem Teilbetrag von 466,7 Mio. Euro wurden Altkreditermächtigungen abgebaut.
Bei der Rücklage für Haushaltsrisiken stehen der Zuführung von 16 Mio. Euro Entnahmen von 229 Mio. Euro gegenüber. Für den Doppelhaushalt 2020/2021 ist eine weitere Zuführung von insgesamt 902 Mio. Euro vorgesehen. Die Maßnahmen, die aus der Rücklage für Haushaltsrisiken finanziert werden können, sind im Staatshaushaltsgesetz und dem Staatshaushaltsplan aufgeführt. Der Katalog der Maßnahmen wurde mit dem Nachtragshaushalt vom 19. März 2020 auf Ausgaben in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie erweitert.
Im Doppelhaushalt 2020/2021 hat der Gesetzgeber Zuführungen an mehrere neue Rücklagen etatisiert:
- Rücklage für das Forum Gesundheitsstandort Baden-Württemberg (50 Mio. Euro).
- Rücklage digital@bw II (105 Mio. Euro).
- Rücklage für die Klimaschutzstiftung (70 Mio. Euro).
- Rücklage für das Kompetenzzentrum Quantencomputing (40 Mio. Euro).
- Rücklage für den Kommunalfonds „Wohnraumoffensive Baden-Württemberg“ (112,5 Mio. Euro).
- Rücklage Innovativer Forschungsstandort Baden-Württemberg (172,8 Mio. Euro).
Darüber hinaus werden die bestehenden Rücklagen für den Strategiedialog Automobilwirtschaft Baden-Württemberg und die Rücklage für das Arbeitsprogramm Gesellschaftlicher Zusammenhalt im Doppelhaushalt um insgesamt 36 Mio. Euro gestärkt.
7 Entwicklung der Jahresergebnisse
2019 konnte das Land einen hohen kassenmäßigen Überschuss von 3,6 Mrd. Euro ausweisen. Gegenüber dem Vorjahr stellt dies eine Steigerung um 525 Mio. Euro dar.
Für die Frage, welche Überschüsse zur Deckung künftiger Haushalte zur Verfügung stehen, ist der Bestand der rechnungsmäßigen Überschüsse maßgeblich.
Zum 31. Dezember 2018 wies die Haushaltsrechnung des Landes einen rechnungsmäßigen Überschuss von 695 Mio. Euro aus. Zuzüglich nicht verbrauchter rechnungsmäßiger Überschüsse aus Vorjahren betrug zum Jahresende 2018 das rechnungsmäßige Gesamtergebnis +3.096 Mio. Euro. Für das Haushaltsjahr 2019 wurden davon bereits 2.401 Mio. Euro etatisiert. Das rechnungsmäßige Jahresergebnis 2019 stand zum Redaktionsschluss dieser Denkschrift noch nicht fest.
Im Doppelhaushalt 2020/2021 wurden nicht nur die Überschüsse aus 2018 von 695 Mio. Euro, sondern auch noch erwartete Überschüsse aus 2019 als Deckungsbeträge etatisiert. Im Doppelhaushalt 2020/2021 sind dies insgesamt 2.783 Mio. Euro.
8 Ausblick
Das Jahr 2019 markiert das Ende eines außergewöhnlich langanhaltenden wirtschaftlichen Aufschwungs. Zwar konnte das Land 2019 einen hohen positiven Finanzierungssaldo von 3,4 Mrd. Euro erzielen. Und im Doppelhaushalt 2018 und 2019 wurden erstmals in der Landesgeschichte Kreditmarktschulden von 1,25 Mrd. Euro getilgt. Aber bereits bei den Beratungen zum Doppelhaushalt 2020/2021 war eine konjunkturelle Eintrübung absehbar. Die Herbst-Steuerschätzung 2019 hatte für Baden-Württemberg nur wegen geringerer Zahlungen im Länderfinanzausgleich ein positives Ergebnis für 2019.
Die günstigen Einnahmen 2019 waren auch durch Einmaleffekte wie Bußgeldzahlungen aus der Diesel-Affäre mit 1,5 Mrd. Euro gekennzeichnet. Gleichwohl wurden in den Haushaltsberatungen strukturell wirkende Mehrausgaben beschlossen. Das Ergebnis zeigt die endgültige Mittelfristige Finanzplanung 2019 bis 2023 vom März 2020. Der haushaltswirtschaftliche Handlungsbedarf für 2022 ist gegenüber der Planung vom November 2019 um 492 Mio. Euro auf 1 Mrd. Euro angestiegen. Für 2023 erhöhte sich die Deckungslücke um 456 Mio. Euro auf 1,2 Mrd. Euro.
In der Mittelfristigen Finanzplanung sind die finanziellen Auswirkungen der Corona-Pandemie noch nicht berücksichtigt. Die Pandemie wird sich drastisch in den öffentlichen Haushalten niederschlagen. Neben den zur Bekämpfung der Krise erforderlichen Ausgaben werden auch rückläufige Steuereinnahmen den Landeshaushalt belasten. Die Mai-Steuerschätzung 2020 prognostiziert für 2020 einen Steuerrückgang für das Land von netto 3,3 Mrd. Euro gegenüber der Schätzung im Herbst 2019.
Zur Bewältigung der Herausforderungen der Corona-Krise hat der Landtag am 19. März 2020 festgestellt, dass es sich bei der Pandemie um eine Naturkatastrophe im Sinne der Regelungen zur Schuldenbremse in § 18 Landeshaushaltsordnung handelt. Im parallel beschlossenen Nachtragshaushalt 2020/2021 wurde die Möglichkeit eröffnet, Mittel aus der Rücklage für Haushaltsrisiken zur Bewältigung der Krise einzusetzen. Hier handelt es sich um eine Größenordnung von mehr als 1 Mrd. Euro. Weiter hat der Landtag in diesem Nachtragshaushalt eine Kreditermächtigung in 2020 von bis zu 5 Mrd. Euro nach der Ausnahmeregel zur Schuldenbremse beschlossen. Der entsprechende Tilgungsplan sieht eine Tilgung in den Haushaltsjahren 2024 bis 2033 mit jährlich 500 Mio. Euro vor.
Wenngleich bei Verabschiedung dieser Denkschrift die finanziellen Auswirkungen der Pandemie noch nicht abzusehen sind, so ist über einen langen Zeitraum von erheblichen Vorbelastungen des Landeshaushalts auszugehen.
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Baden-Württemberg hat 2013 eine Übergangsregelung zur Einführung der Schuldenbremse im Jahr 2020 beschlossen. Ziel war es, bis 2020 einen strukturell ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Die hervorragende konjunkturelle Entwicklung führte dazu, dass in der Zeit bis einschließlich 2019 auch Schulden getilgt wurden.
1 Ausgangslage
Der Bundesgesetzgeber hat 2009 die Schuldenbremse im Grundgesetz verankert. Danach sind die Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Es ist jedoch durch gesonderte Bestimmung möglich, konjunkturelle Schwankungen im Auf- und Abschwung symmetrisch zu berücksichtigen. Darüber hinaus können Ausnahmeregelungen für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen getroffen werden.
Die Länder müssen diese Vorgaben ab 2020 verbindlich einhalten. Zwischen 2011 und Ende 2019 eröffnete das Grundgesetz die Möglichkeit zu Übergangsregelungen.
Baden-Württemberg hat auf dieser Basis § 18 Landeshaushaltsordnung geändert und eine zugehörige Rechtsverordnung (Verordnung zu § 18 Landeshaushaltsordnung) erlassen. Von 2013 bis einschließlich 2019 war demnach eine Nettoneuverschuldung grundsätzlich noch möglich.
Ziel dieser Übergangsregelung war es, die Nettoneuverschuldung schrittweise abzusenken und ab 2020 einen strukturell ausgeglichenen Haushalt zu erreichen.
2 Zulässige Kreditaufnahme nach der Übergangsregelung
Auf dem Weg zum strukturell ausgeglichenen Haushalt ab 2020 wurden jährliche, schrittweise abgesenkte Basiswerte für eine Nettokreditaufnahme festgelegt. Zur Berechnung der jeweils zulässigen Kreditaufnahme wurden diese Werte durch eine Steuerschwankungskomponente, die die aktuelle konjunkturelle Entwicklung berücksichtigt, modifiziert. Eine weitere Anpassung erfolgte durch eine Finanztransaktionskomponente.
Die zulässige Kreditaufnahme wurde jeweils bei der Haushaltsaufstellung berechnet (Ex-ante-Betrachtung). Nach Abschluss des Haushaltsjahrs wurde die zulässige Kreditaufnahme anhand der Ist-Werte erneut berechnet (Ex-post-Betrachtung). Sofern die tatsächliche Kreditaufnahme vom zulässigen Ex-post-Wert abwich, wurde der Wert auf ein Kontrollkonto gebucht.
2.1 Basiswerte der zulässigen Kreditaufnahme
Nach der Mittelfristigen Finanzplanung 2011 bis 2015 bestand für 2013 ein haushaltswirtschaftlicher Handlungsbedarf von 2,53 Mrd. Euro. Diese Deckungslücke bildete den Ausgangswert zum Abbau der Neuverschuldung bis 2020.
Der Abbau sollte in acht gleichen Schritten erfolgen. Der erste Schritt wurde für 2013 festgelegt. Ausgehend von 2,21 Mrd. Euro in 2013 verringerte sich der Basiswert für die zulässige Kreditaufnahme in der Folge jährlich um 316,25 Mio. Euro.
Die kumulierten Basiswerte hätten im Zeitraum von 2013 bis einschließlich 2019 theoretisch Kreditaufnahmen von insgesamt 8.855 Mio. Euro ermöglicht. Allerdings waren diese Werte um eine Steuerschwankungs- und eine Finanztransaktionskomponente zu modifizieren.
2.2 Modifizierung der Basiswerte um die Steuerschwankungs- und die Finanztransaktionskomponente
Die Steuerschwankungskomponente errechnete sich während der Übergangszeit aus dem Unterschied zwischen den Nettosteuereinnahmen und dem langfristigen Steuereinnahmenniveau, den sogenannten Trendsteuereinnahmen. Lagen die jährlichen Steuereinnahmen unter der Entwicklung des dreißigjährigen Steuereinnahmeniveaus, vergrößerte dies die Möglichkeit zur Kreditaufnahme. Entwickelten sich die Steuereinnahmen positiver als der langfristige Trend, durfte das Land weniger Kredite aufnehmen.
Die gute konjunkturelle Entwicklung während des Übergangszeitraums verminderte die Basiswerte und damit die zulässige Kreditaufnahme.
Abbildung 2 zeigt in der Ex-post-Betrachtung, wie der Basiswert zur Kreditaufnahme in den einzelnen Jahren steuereinnahmenabhängig zu modifizieren war. In 2013 erhöhte sich der Basiswert aus der Steuerschwankungskomponente noch um 73 Mio. Euro. 2019 verminderte die Steuerschwankungskomponente die zulässige Kreditaufnahme hingegen rechnerisch um 3.408 Mio. Euro.
Mit Ausnahme von 2013 war die Entwicklung der Steuereinnahmen in der Übergangszeit in allen Jahren deutlich besser als der dreißigjährige Steuertrend. In der Folge mussten die Basiswerte zur Kreditaufnahme im Zeitraum zwischen 2013 und 2019 aufgrund der Steuerschwankungskomponente per Saldo um insgesamt 12,9 Mrd. Euro angepasst werden.
Darüber hinaus wurden die Basiswerte um die Finanztransaktionskomponente modifiziert. Diese berücksichtigte finanzwirksame Maßnahmen aus Beteiligungsveränderungen des Landes, Darlehensaufnahmen beim öffentlichen Bereich, Tilgungen an den öffentlichen Bereich sowie Darlehensvergaben und -rückflüsse.
Per Saldo erhöhte sich die zulässige Kreditaufnahme aufgrund finanzieller Transaktionen ex-post von 2013 bis 2019 um 0,5 Mrd. Euro.
2.3 Tilgungsverpflichtung aus dem Übergangszeitraum 2013 bis 2019
Im Ergebnis ergibt sich für den Übergangszeitraum 2013 bis 2019 statt einer Kreditaufnahme die in Tabelle 1 dargestellte Tilgungsverpflichtung.
Im Zeitraum 2013 bis einschließlich 2019 wurden die kumulierten Basiswerte für die Kreditaufnahme von 8,9 Mrd. Euro um minus 12,9 Mrd. Euro aus der Steuerschwankungs- und um plus 0,5 Mrd. Euro aus der Finanztransaktionskomponente modifiziert.
Im Ergebnis musste das Land zwischen 2013 und 2019 gemäß § 18 Landeshaushaltsordnung und der zugehörigen Rechtsverordnung (ex-post) insgesamt 3,5 Mrd. Euro tilgen.
3 Wurde die Tilgungsverpflichtung aus dem Übergangszeitraum erfüllt?
Die Tilgungsverpflichtung betrug in der rückwärtigen Gesamtbetrachtung des Übergangszeitraums 3.517 Mio. Euro.
Tatsächlich hat das Land 2013 und 2014 zulässigerweise noch Kredite von insgesamt 3.005 Mio. Euro aufgenommen . 2015 und 2016 hat die Landesregierung keine neuen Kredite aufgenommen, aber auch keine Alt-Kredite getilgt. Im Zeitraum von 2017 bis 2019 hat das Land implizite und explizite Verschuldung von insgesamt 6.349 Mio. Euro abgebaut. Unter impliziter Verschuldung wird dabei der verdeckte Teil der Landesschulden, wie zum Beispiel der Sanierungsstau, angesehen. Die Schuldentilgung durch den Abbau impliziter Schulden wurde ab 2017 durch eine Änderung der Verordnung zu § 18 Landeshaushaltsordnung ermöglicht.
Abbildung 3 zeigt die tatsächliche Kreditaufnahme und die Tilgung von impliziter und Kreditmarktverschuldung im Übergangszeitraum.
In der Gesamtbetrachtung des Übergangszeitraums 2013 bis 2019 wurde damit die Tilgungsverpflichtung nahezu vollständig erfüllt. Zum Jahresende 2019 war das Kontrollkonto noch nicht vollständig ausgeglichen. Dies soll jedoch - wie nachfolgend dargestellt - im Jahr 2020 erfolgen.
4 Wie wurde die Tilgungsverpflichtung konkret erfüllt?
Das Land hat 2017 begonnen, die implizite Verschuldung im Landesvermögen abzubauen. Die 2017 geänderte Rechtsverordnung zur zulässigen Kreditaufnahme eröffnete dazu verschiedene Möglichkeiten.
Der Schuldenabbau des Landes lässt sich in die Bereiche Sanierungs- und Finanzmaßnahmen unterscheiden.
Die Sanierungsmaßnahmen beliefen sich im Übergangszeitraum auf insgesamt 2.735 Mio. Euro:
Davon flossen 2.079 Mio. Euro in die Sanierungsrücklage des Landes. Dabei zählte bereits die reine Zuführung an die Rücklage als Schuldentilgung im Sinne der Rechtsverordnung.
Die Sanierungsmittel werden im Folgenden sukzessive aus der Rücklage entnommen und zur Finanzierung einer Vielzahl von Einzelsanierungsmaßnahmen verwendet. Das Finanzministerium hat dem Landtag zuletzt am 12. Dezember 2019 über die aus Rücklagenmitteln finanzierten Maßnahmen im Einzelnen berichtet.
656 Mio. Euro wurden einem neu geschaffenen Kommunalen Sanierungsfonds zugeführt.
Für Finanzmaßnahmen wurden zwischen 2017 und 2019 insgesamt 3.614 Mio. Euro aufgewendet. Davon wurden mehr als 1,5 Mrd. Euro im Haushaltsvollzug 2018 und 2019 dafür verwendet, bestehende Altkreditermächtigungen abzubauen. An Kreditmarktschulden wurden in diesem Zeitraum insgesamt 1,25 Mrd. Euro endgültig getilgt.
Mit dem Doppelhaushalt 2020/2021 wurden die haushalterischen Voraussetzungen geschaffen, im Haushaltsvollzug 2020 weitere Kreditmarktschulden abzubauen. Konkret sind 132 Mio. Euro für die Tilgung von Kreditmarktschulden etatisiert. Zusätzlich enthält § 4 Absatz 14 Staatshaushaltsgesetz 2020/2021 eine Ermächtigung, weitere Kreditmarktschulden zum Ausgleich des Kontrollkontos endgültig zurückzuzahlen. Bei entsprechender Umsetzung wäre die Tilgungsverpflichtung aus der Übergangsregelung zur Schuldenbremse vollständig erfüllt.
5 Zusammenfassung
Ausgangspunkt für die Übergangsregelung zur Schuldenbremse war die Deckungslücke des Jahres 2013 mit 2,5 Mrd. Euro. Die Übergangsregelung hatte das Ziel, die strukturelle Nettoneuverschuldung bis 2020 auf Null abzusenken.
In den ersten beiden Jahren des Übergangszeitraums hat die Landesregierung zunächst noch 3 Mrd. Euro an neuen Krediten aufgenommen. Hierdurch stieg die haushaltsmäßige Verschuldung von 43,3 Mrd. Euro Ende 2012 auf 46,3 Mrd. Euro zum 31. Dezember 2014. In den Jahren 2015 und 2016 wurden keine Schulden aufgenommen, aber - trotz guter Steuereinnahmen - auch keine Schulden abgebaut. 2017 hat das Land begonnen, Schulden zu tilgen. Während 2017 implizite Verschuldung abgebaut wurde, hat das Land 2018 und 2019 auch Kreditmarktschulden von insgesamt 1,25 Mrd. Euro endgültig getilgt. Die haushaltsmäßige Verschuldung des Landes ist dadurch seit 2017 von 46,3 Mrd. Euro auf 45,0 Mrd. Euro zum Jahresende 2019 gesunken.
Im Ergebnis wurde auf Basis hervorragender konjunktureller Rahmenbedingungen die strukturelle Nettoneuverschuldung nicht nur auf Null abgesenkt. Es konnten erstmals in der Landesgeschichte in nennenswertem Umfang Kredite getilgt und Mittel für Sanierungsmaßnahmen bereitgestellt werden.
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Die landesspezifische Schuldenbremse ermöglicht es Baden-Württemberg grundsätzlich, die durch die Corona-Pandemie ausgelösten Steuermindereinnahmen und Mehrausgaben durch zusätzliche Kredite zu kompensieren.
1 Schuldenbremse des Grundgesetzes - bundesweite Geltung und Überwachung ab 2020
Die Schuldenbremse des Grundgesetzes ist seit dem Jahr 2020 auch von den Ländern verbindlich einzuhalten. Sie regelt, dass deren Haushalte grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen sind. Wie der Bund können auch die Länder Regelungen zur symmetrischen Berücksichtigung konjunktureller Schwankungen und für die Bereinigung um finanzielle Transaktionen treffen. Außerdem können Ausnahmen für Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen normiert werden.
Der Stabilitätsrat wurde beauftragt, ab 2020 zu überwachen, ob Bund und Länder die Schuldenbremse einhalten. Dies erfolgt zum einen auf Basis der bundes- bzw. jeweiligen landesrechtlichen Regelungen zur Einhaltung der grundgesetzlichen Schuldenbremse. Zwischen den Ländern gibt es hier durchaus Unterschiede.
Zum anderen überprüft der Stabilitätsrat anhand eines einheitlichen, harmonisierten Analysesystems, ob Auffälligkeiten bestehen. Vereinfacht gesagt werden bei diesem System die Haushalte von Bund und allen Ländern nach übereinstimmenden Regeln zur Schuldenbremse gemessen.
2 Umsetzung der Schuldenbremse in Baden-Württemberg ab 2020
Mit dem Ziel, den Landeshaushalt spätestens bis 2020 strukturell auszugleichen, hatte Baden-Württemberg zwischen 2013 und Ende 2019 eine Übergangsregelung zur Schuldenbremse etabliert.
Die dauerhafte Verankerung der Schuldenbremse im Landesrecht ab 2020 erfolgte in zwei Schritten:
Im ersten Schritt wurde § 18 Landeshaushaltsordnung durch das Haushaltsbegleitgesetz 2020/2021 zum 1. Januar 2020 neu gefasst. Damit wurden die einfachgesetzlichen Regelungen zur Umsetzung der Schuldenbremse im Landesrecht verankert.
Im zweiten Schritt wurden durch Beschluss des Landtags vom 20. Mai 2020 die Grundsätze der Schuldenbremse in Artikel 84 der Landesverfassung und somit auf Verfassungsebene geregelt.
Die Neuregelung der Schuldenbremse in der Landesverfassung und der Landeshaushaltsordnung hat folgenden Inhalt:
- Kreditaufnahmen zum Ausgleich des Haushalts sind grundsätzlich verboten;
- in die Landes-Schuldenbremse werden auch Kreditaufnahmen und Tilgungen bestimmter Extrahaushalte einbezogen, sofern der Schuldendienst aus dem Landeshaushalt zu erbringen ist;
- eine symmetrische Konjunkturkomponente auf Basis der Produktionslückenmethode des Bundes (ex-ante und ex-post);
- eine Finanztransaktionskomponente;
- eine Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen und außergewöhnliche Notsituationen mit Tilgungsplan;
- die Einrichtung eines Kontrollkontos und eines Symmetriekontos.
Die Regelungen in der Landesverfassung und der Landeshaushaltsordnung erlauben Kreditaufnahmen nur noch konjunkturbedingt, bei finanziellen Transaktionen, Tilgung von Schulden in Extrahaushalten oder bei bestimmten Ausnahmesituationen.
Für konjunkturbedingte Schuldenaufnahmen gilt, dass sie symmetrisch ausgeglichen werden müssen. Das heißt, in schwachen Konjunkturphasen aufgenommene Kredite müssen bei gegenläufiger Entwicklung wieder getilgt werden. Dies kann anhand des Symmetriekontos überprüft werden. Im Ergebnis dürfen sich die Landesschulden durch konjunkturbedingte Kredite nicht strukturell, sondern nur temporär erhöhen.
Auch bei Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Landes entziehen und die Finanzlage von Baden-Württemberg erheblich beeinträchtigen, können Kredite aufgenommen werden. Allerdings sind diese Schulden innerhalb eines angemessenen Zeitraums wieder zu tilgen. Hierzu ist nach den rechtlichen Vorgaben ein Tilgungsplan zu erstellen.
3 Aktuelle Entwicklungen im Jahr 2020
Die haushaltsmäßige Verschuldung des Landes betrug zum Jahresende 2019 insgesamt 45,0 Mrd. Euro. Dieser Wert stellt damit den Ausgangspunkt für die dauerhaft wirkende Schuldenbremse für Baden-Württemberg dar.
3.1 Urhaushalt 2020/2021 - Keine Neuverschuldung geplant
Die landesrechtliche Regelung zur Schuldenbremse hätte es Baden-Württemberg schon im Urhaushalt erlaubt, aufgrund der Konjunktur- und der Finanztransaktionskomponente für 2020 neue Kredite von 179,7 Mio. Euro aufzunehmen. Für 2021 wäre eine Nettoneuverschuldung von 249,7 Mio. Euro möglich gewesen.
Im Urhaushalt 2020/2021 wurden jedoch keine Einnahmen aus Krediten veranschlagt. Vielmehr wurde im Hinblick auf die Übergangsregelung zur Schuldenbremse sogar eine Tilgung von Kreditmarktschulden vorgesehen.
3.2 Nachtragshaushalt 2020/2021 vom März 2020 - Kreditermächtigung von 5 Mrd. Euro geschaffen
Die Corona-Pandemie erfordert auch in Baden-Württemberg in erheblichem Umfang finanzwirksame Maßnahmen. Zu deren Finanzierung beschloss der Landtag am 19. März 2020 das „Gesetz zur Feststellung einer Naturkatastrophe, der Höhe der Ausnahmekomponente und zur Festlegung eines Tilgungsplans nach § 18 Absatz 6 der Landeshaushaltsordnung für Baden-Württemberg“ und einen Nachtrag zum Staatshaushaltsplan 2020/2021 .
Mit diesem Gesetzespaket wurde
- die Corona-Pandemie als Naturkatastrophe und somit als Ausnahmefall für eine Kreditaufnahme festgestellt;
- die Höhe der Nettokreditaufnahme auf bis zu 5 Mrd. Euro festgelegt;
- ein Tilgungsplan für die Rückführung dieser Schulden ab 2024 in jährlichen Raten von je 500 Mio. Euro beschlossen.
3.3 Mai-Steuerschätzung 2020 - In 2020/2021 Steuerausfälle von 6,8 Mrd. Euro erwartet und neue Konjunkturkomponenten von minus 7,2 Mrd. Euro
Die Steuerschätzung vom Mai 2020 prognostiziert Netto-Steuermindereinnahmen im Landeshaushalt von 3,3 Mrd. Euro für 2020 sowie 3,5 Mrd. Euro für 2021 gegenüber dem Urhaushalt. Ursache ist der erwartete krisenbedingt deutliche Rückgang des Bruttoinlandprodukts (BIP) im Vergleich zur Projektion zum Zeitpunkt der Aufstellung des Haushalts.
Für den unterstellten Fall eines weiteren Nachtragshaushalts auf der Grundlage der aktuellen Frühjahrsprojektion der Bundesregierung (Stand Mai 2020) würde eine Neuberechnung der Konjunkturkomponente nach § 18 Landeshaushaltsordnung dem Land ermöglichen, konjunkturbedingt 4,5 Mrd. Euro für 2020 bzw. 2,7 Mrd. Euro für 2021 an neuen Krediten aufzunehmen. Somit könnten rechnerisch nicht nur die aktuell prognostizierten Steuerausfälle in 2020 und 2021 durch neue Kredite gedeckt werden, sondern es bliebe darüber hinaus noch ein Spielraum für eine weitere Nettokreditaufnahme von 0,4 Mrd. Euro.
Aufgrund der Unsicherheiten der wirtschaftlichen Entwicklung durch die Corona-Pandemie soll im September 2020 eine Interims-Steuerschätzung stattfinden. Für einen weiteren Nachtrag zum Haushalt für die Jahre 2020 und 2021 liegt dann eine insgesamt verlässlichere Planungsgrundlage vor.
3.4 Fazit
Mit der zur Bewältigung der Naturkatastrophe beschlossenen Kreditermächtigung von 5 Mrd. Euro und der nach aktueller Konjunkturprognose rechnerisch möglichen Kreditaufnahme von weiteren 7,2 Mrd. Euro ergäbe sich für die Jahre 2020/2021 eine maximale Nettokreditaufnahme von 12,2 Mrd. Euro. Das wären mehr als 27 Prozent der bisherigen haushaltsmäßigen Verschuldung des Landes von 45 Mrd. Euro.
Der Rechnungshof anerkennt, dass zur Bekämpfung der Folgen der Krise frühzeitig ein Volumen von 5 Mrd. Euro an Krediten bereitgestellt wurde.
Gleichzeitig warnt er davor, die sich jetzt aus der aktuellen BIP-Prognose ergebenden weiteren Kreditaufnahmemöglichkeiten für 2020, soweit diese betragsmäßig die Steuerausfälle übersteigen, unmittelbar für neue laufende Ausgaben zu nutzen. Zunächst sollte die weitere Steuerschätzung im September abgewartet werden.
4 Behandlung von Darlehen aufgrund des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bei der Berechnung der Kreditaufnahmemöglichkeit
4.1 Finanztransaktionskomponente
Die Länder haben bei der Umsetzung der Schuldenbremse im Landesrecht die Möglichkeit, finanzielle Transaktionen durch eine Finanztransaktionskomponente zu berücksichtigen.
Auch bei der ab 2020 neu eingeführten Überwachung der Einhaltung der Schuldenbremse beim Bund und den Ländern durch den Stabilitätsrat findet die Finanztransaktionskomponente im harmonisierten Analysesystem Anwendung.
Gemäß der Definition des Rates sind finanzielle Transaktionen finanzvermögensneutrale Vorgänge. Das heißt, mit den Kassenbewegungen gehen ausgleichende Gegenbuchungen bei Forderungen bzw. Verbindlichkeiten einher.
Durch die Neufassung des § 18 Absatz 3 Landeshaushaltsordnung werden finanzielle Transaktionen bei der ab 2020 geltenden Schuldenbremse in Baden-Württemberg berücksichtigt. Einnahmen aus der Veräußerung von Beteiligungen, aus Kreditaufnahmen beim öffentlichen Bereich und aus Darlehensrückflüssen verringern die Kreditaufnahmemöglichkeit bzw. erhöhen die Tilgungsverpflichtung. Umgekehrt führen Ausgaben für einen Beteiligungserwerb, für Rückzahlungen von Krediten an den öffentlichen Bereich und für Darlehensvergaben zu einer Erhöhung der Kreditaufnahmemöglichkeit bzw. einer Verringerung der Tilgungsverpflichtung.
4.2 Sonderfall Darlehen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG)
Für die Berechnung der zulässigen Kreditaufnahme für den Urhaushalt 2020/2021 hat sich das Finanzministerium an dem der bundesweit vereinheitlichten Haushaltssystematik folgenden Berechnungsschema des Stabilitätsrats orientiert. Deshalb wurden die Ausgaben für die Vergabe von BAföG-Darlehen als die Kreditaufnahmemöglichkeit erhöhende Transaktionen berücksichtigt. Es handelt sich dabei um einen Betrag von rund 122 Mio. Euro je Haushaltsjahr.
Der Rechnungshof erachtet dies nicht als sachgerecht:
- Seit 2015 trägt der Bund die Ausgaben für die Ausbildungsförderung zu 100 Prozent. Die Zuschüsse und Darlehen für die Studierenden werden zwar als Ausgaben über die Länderhaushalte abgewickelt, wofür die Länder entsprechende Zahlungen vom Bund in Form durchlaufender Mittel erhalten. Die konkrete Darlehensvergabe an die Studierenden erfolgt somit über die Länderhaushalte.
- Die Länder erwerben jedoch keinen Rückzahlungsanspruch. Die Rückzahlungsverpflichtungen der Studierenden bestehen vielmehr gegenüber dem Bund. Und anders als die Darlehensauszahlungen fließen die Rückzahlungen auch nicht durch den Landeshaushalt, sondern direkt dem Bund zu.
- Den Ausgaben für die BAföG-Darlehen im Landeshaushalt steht keine finanzvermögensneutrale Gegenbuchung in Form eines Rückzahlungsanspruchs gegenüber. Die materielle Voraussetzung für eine finanzielle Transaktion liegt damit nicht vor. Zudem geht es um Darlehen, die der Bund finanziert. Nach Sinn und Zweck der Schuldenbremse besteht somit keine Rechtfertigung, aufgrund dieser Ausgaben die Kreditaufnahmemöglichkeit zu erhöhen oder die Tilgungsverpflichtung zu senken.
Das Finanzministerium Baden-Württemberg schließt sich der Auffassung des Rechnungshofs an. Es wird BAföG-Darlehen bei der Aufstellung künftiger (Nachtrags-)Haushalte nicht mehr als finanzielle Transaktion berücksichtigen. Somit wird eine entsprechende Neuberechnung bereits mit dem für 2020 zu erwartenden Nachtrag erfolgen.
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Die Ausgabereste 2018 betrugen 5,6 Mrd. Euro. Im Umfang von 1,5 Mrd. Euro wurden sie von den Ressorts mit Rechtsverpflichtungen aus Verträgen oder Bescheiden begründet. Eine Stichprobe ergab, dass die Voraussetzung jedoch bei 44 Prozent der geprüften Fälle nicht gegeben war.
Im Bereich der Sachausgabenbudgetierung hat sich das Verhältnis von Resten zum Budget innerhalb von 6 Jahren auf 40 Prozent verdoppelt. Der Rechnungshof schlägt vor, eine Effizienzrendite von 10 Prozent des Budgets abzuschöpfen. Die Reste im Sachausgabenbudget sollten - gegebenenfalls stufenweise - auf maximal 20 Prozent des Budgets begrenzt werden.
1 Ausgangslage
Ausgabereste resultieren aus übertragbaren, aber noch nicht in Anspruch genommenen Ausgabeermächtigungen. In den vergangenen 10 Jahren sind die Ausgabereste des Landes von 1,4 Mrd. Euro in 2009 auf 5,6 Mrd. Euro in 2018 angewachsen. Sie haben sich damit innerhalb einer Dekade vervierfacht. 2018 war der Aufwuchs der Ausgabereste mit nahezu 1,4 Mrd. Euro gegenüber 2017 besonders hoch (+32 Prozent).
Die Einnahmereste bestanden im Wesentlichen aus nicht in Anspruch genommenen Kreditermächtigungen. Sie lagen zwischen 2011 und 2017 nahezu gleichbleibend bei etwa 1,5 Mrd. Euro. Die Einnahmereste aus den Kreditermächtigungen wurden mit Blick auf die Schuldenbremse bis Ende 2019 vollständig abgebaut.
In Abbildung 1 wird die Entwicklung der Einnahme- und Ausgabereste 2009 bis 2018 dargestellt.
2018 betrugen die Ausgabereste 5,6 Mrd. Euro bei einem Haushaltsvolumen von 53,4 Mrd. Euro. Mit mehr als 10 Prozent des Etats haben die Ausgabereste eine bemerkenswerte Größenordnung erreicht.
Das Finanzministerium übersendet dem Landtag jährlich eine Liste der übertragenen Ausgabereste zur Kenntnis. Tabelle 1 stellt die Kategorien für Ausgabereste nebst den entsprechenden Summen für 2018 dar.
Der Rechnungshof hat 2018 begonnen, die Ausgabereste in verschiedenen Kategorien zu prüfen (siehe Denkschrift 2019, Beitrag Nr. 5). 2019 wurde die Prüfung in den in Tabelle 1 in „Fettdruck“ hervorgehobenen Bereichen fortgesetzt.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Vertragsreste
2.1.1 Vorgaben für die Bildung von Vertragsresten
Die Ressorts bildeten 2018 bei 4 Mrd. Euro von insgesamt 5,6 Mrd. Euro Ausgabereste mit einer rechtlichen Mittelbindung. Davon wurden fast 1,5 Mrd. Euro als vertraglich oder durch Bewilligungsbescheid gebunden klassifiziert (R-Vertr/Besch: im Folgenden als „Vertragsreste“ bezeichnet). In 2017 betrugen die Vertragsreste noch 958 Mio. Euro.
Nach den rechtlichen Vorgaben darf ein Ausgaberest nur als Vertragsrest klassifiziert werden, wenn ihm rechtlich bindende Verträge oder Bewilligungsbescheide zugrunde liegen.
Ausgabereste, denen keine rechtliche Bindung zugrunde liegt und die weder dem budgetierten Bereich noch den Solidarpakten zuzurechnen sind, können allenfalls als „nicht gebunden“ (N-Reste) zur Übertragung angemeldet werden. Nach der VwV-Rechnungslegung kommt eine Übertragung für N-Reste grundsätzlich nicht in Betracht. Ausnahmen dazu bedürfen einer stichhaltigen Begründung.
Nach der VwV-Rechnungslegung ist die Bildung von Ausgaberesten auf die Beträge zu beschränken, die zur Erfüllung von im folgenden Haushaltsjahr fälligen Zahlungsverpflichtungen notwendig sind und nicht aus Mitteln des Folgehaushalts abgedeckt werden können.
Im Rahmen der Rechnungslegung müssen die zuständigen Stellen dem Finanzministerium bestätigen, dass für Ausgabereste, die aufgrund von Rechtsverpflichtungen gebildet wurden, entsprechend begründende Unterlagen vorliegen und die fälligen Zahlungsverpflichtungen nicht aus Mitteln des Folgehaushalts abgedeckt werden können.
2.1.2 Rechtliche Bindung
Für das Haushaltsjahr 2017 wurden bei 284 Titeln Vertragsreste von 958 Mio. Euro gebildet. Hiervon untersuchte der Rechnungshof bei 84 Sachverhalten mit einem Gesamtvolumen von 217 Mio. Euro, ob diesen Resten rechtlich bindende Verträge oder Bewilligungsbescheide zugrunde lagen.
Bei 37 der 84 geprüften Sachverhalte (44 Prozent) lagen nach den Feststellungen des Rechnungshofs den Vertragsresten weder rechtlich bindende Verträge noch Bewilligungsbescheide zugrunde bzw. wurden dem Rechnungshof keine hierfür ausreichend begründende Unterlagen vorgelegt.
Die Ressorts rechtfertigten in diesen Fällen die Bildung von Vertragsresten insbesondere mit:
- Zahlungsverpflichtungen, die auf der Grundlage verschiedener Rechtsvorschriften dem Grunde nach bestanden, aber der Höhe nach (noch) nicht feststanden.
- Anträgen auf Zuweisungen und Zuschüsse, über deren Bewilligung noch nicht endgültig entschieden war (z. B. aufgrund von Bearbeitungsstau).
- Fortgeschrittenen Verhandlungen über vorgesehene Beschaffungsmaßnahmen.
- Verwaltungsinternen Finanzierungszusagen.
- Politischen Zusagen.
Die Ressorts unterstellten somit eine rechtliche Bindung, die im Zeitpunkt der Restebildung tatsächlich aber (noch) nicht vorlag. Sie hätten diese Fälle folglich allenfalls als N-Reste klassifizieren können, die gemäß der VwV-Rechnungslegung nur ausnahmsweise und mit stichhaltiger Begründung in das Folgejahr hätten übertragen werden dürfen.
Die Übertragung von Vertragsresten wird im Abstimmungsprozess zwischen den Ressorts und dem Finanzministerium regelmäßig nicht so intensiv geprüft wie die von N-Resten. Das Vorbringen rechtlicher Bindungen ist meist ausreichend, um die Voraussetzungen zur Übertragung von Haushaltsmitteln zu unterstellen. Vertragsreste werden regelmäßig nicht in Abgang gestellt. Die Ressorts haben daher ein hohes Interesse daran, Reste als rechtlich gebunden und somit nicht als N-Reste auszuweisen.
Vertragsreste dürfen nach der VwV-Rechnungslegung nur gebildet werden, wenn rechtlich bindende Verträge oder Bewilligungsbescheide vorliegen. Der Rechnungshof sieht die konsequente Einhaltung dieser Vorgaben durch die Ressorts als einen wichtigen Punkt in den Bemühungen, die Ausgabereste zu senken.
2.1.3 Keine Restebildung bei ausreichenden Mitteln im Folgehaushalt
Nach der VwV-Rechnungslegung ist die Bildung von Ausgaberesten auf die Beträge zu beschränken, die zur Erfüllung von im folgenden Haushaltsjahr fälligen Zahlungsverpflichtungen notwendig sind und nicht aus Mitteln des Folgehaushalts abgedeckt werden können.
Der Rechnungshof prüfte die Einhaltung dieser Vorgaben für die Haushaltsreste aus 2017 in einer rückwärtigen Betrachtung. Dazu verglich er das Haushalts-Soll des Folgejahres (2018) mit dem Kassen-Ist 2018. Das Kassen-Ist 2018 beinhaltet dabei sowohl Ausgaben für in 2018 neu vorgesehene Maßnahmen als auch Ausgaben für Altmaßnahmen aus Vorjahren , für die Reste gebildet wurden.
In den Fällen, in denen das Kassen-Ist 2018 unter dem Etatansatz 2018 lag, unterstellte der Rechnungshof, dass sämtliche fälligen Zahlungsverpflichtungen - sowohl für in 2018 neu etatisierte Maßnahmen als auch für Maßnahmen, für welche Ausgabereste aus 2017 übertragen worden waren - schon allein aus originären Mitteln des Haushaltsansatzes 2018 hätten abgedeckt werden können. In diesem Fall wäre die Vorgabe der VwV-Rechnungslegung nicht eingehalten worden.
Im Ergebnis hätte bei rund 70 Prozent der im Gesamthaushalt gebildeten Vertragsreste 2017 (659 von 958 Mio. Euro) schon allein der Haushaltsansatz 2018 ausgereicht, um alle fälligen Zahlungsverpflichtungen zu begleichen. Einer Restebildung in 2017 hätte es - bei rückwärtiger Betrachtung - insofern nicht bedurft.
Auf Nachfrage wiesen die Ressorts darauf hin, dass zum Zeitpunkt der Restebildung oft nicht zuverlässig beurteilt werden könne, ob der Haushaltsansatz des Folgejahres ausreicht. Grundsätzlich sei der Haushaltsansatz des Folgejahres für neue Maßnahmen vorgesehen. Bei Fördermaßnahmen würde eine Streichung von Ausgaberesten dazu führen, dass die vollständige Finanzierung der Maßnahmen nicht sichergestellt sei.
Der Rechnungshof verkennt nicht, dass zum Zeitpunkt der Bildung der Ausgabereste häufig nicht zuverlässig beurteilt werden kann, ob die Haushaltsansätze des Folgejahres ausreichen, um bestehende Zahlungsverpflichtungen abzudecken. Das hohe Volumen der gebildeten Ausgabereste und die Vielzahl der zum Teil über mehrere Jahre auskömmlichen Folgeansätze lassen aber den Schluss zu, dass Vertragsreste - entgegen den rechtlichen Vorgaben - über das notwendige Maß hinaus gebildet wurden.
Nach Auffassung des Rechnungshofs sollten nur dort Ausgabereste gebildet werden, wo Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Etat des Folgejahres für die fälligen Zahlungsverpflichtungen nicht ausreichen wird.
2.1.4 Fazit
Vertragsreste dürfen nur gebildet werden, wenn rechtliche Bindungen zugrunde liegen. Ist dies nicht der Fall und fallen die Reste auch nicht in den Bereich der sonstigen rechtlichen Bindungen, des Sach- oder Personalausgabenbudgets und der Solidarpakte, kommt allenfalls die Bildung von N-Resten in Betracht. In der Vergangenheit wurde diesen Vorgaben nicht ausreichend Rechnung getragen. Auch wurde die Restebildung nicht entsprechend der VwV-Rechnungslegung auf Beträge beschränkt, die zur Erfüllung von im folgenden Haushaltsjahr fälligen Zahlungsverpflichtungen notwendig waren.
2.2 Dezentrale Finanzverantwortung
2.2.1 Einführung und Entwicklung der Budgetierung
Der Ministerrat von Baden-Württemberg hat im November 1999 die Einführung der Neuen Steuerungsinstrumente (NSI) beschlossen. In der Folge wurde mit dem Doppelhaushalt 2002/2003 die erste Stufe der dezentralen Finanzverantwortung in Baden-Württemberg umgesetzt . Sie beinhaltete die Bildung eines Sachausgabenbudgets.
Bei der Budgetierung werden Haushaltsmittel zwar titelscharf veranschlagt, können aber innerhalb des Budgets durch weitreichende Deckungsfähigkeiten flexibel eingesetzt werden. Weiterer wesentlicher Bestandteil der dezentralen Finanzverantwortung ist die Übertragbarkeit von Haushaltsmitteln in das nächste Haushaltsjahr.
Das Land hat 2009 die dezentrale Finanzverantwortung weiterentwickelt und auf weitere Bereiche ausgedehnt. In diesem Zusammenhang hat die Landesregierung beschlossen, künftig auf die Streichung von Ausgaberesten im Sachausgabenbudget (§ 6-Budget) zu verzichten. Als Äquivalent zum Verzicht und zur Wahrung der Haushaltsneutralität wurde 2009 eine Effizienzrendite von 10 Mio. Euro zugunsten des Gesamthaushalts abgeschöpft. Mit dem Staatshaushaltsgesetz (StHG) 2011 erprobte das Land eine erweiterte Sachausgabenbudgetierung.
Daneben begann 2009 in vier Kapiteln des Landeshaushalts ein Pilotversuch zur Personalausgabenbudgetierung (§ 6a-Budget). Diese beinhaltet die uneingeschränkte Deckungsfähigkeit und die Übertragbarkeit der Haushaltsmittel innerhalb der einbezogenen Personaltitel. Darüber hinaus stellt sie die Verbindung zur Sachausgabenbudgetierung her. Personalausgaben sind zugunsten der Sachausgaben deckungsfähig und sächliche Verwaltungsausgaben können für Personalausgaben herangezogen werden. Weitere Erleichterungen sehen z. B. die Möglichkeit einer zeitlich befristeten Doppelbesetzung von Stellen zur Einarbeitung neuer Mitarbeiter vor.
Mit dem StHG 2015 wurde die Personalausgabenbudgetierung in den „Regelbetrieb“ überführt. Sie startete zunächst in 34 Kapiteln. Im StHG 2020 sind insgesamt 41 Kapitel in die Personalausgabenbudgetierung einbezogen.
Seit 2010 ist die Sachausgabenbudgetierung im jeweiligen § 6 StHG und die Personalausgabenbudgetierung in § 6a StHG normiert.
2.2.2 Sachausgabenbudgetierung (§ 6 Staatshaushaltsgesetz)
2.2.2.1 Effizienzrendite
Wird die dezentrale Finanzverantwortung auf Dienststellen übertragen, soll nach § 7a Landeshaushaltsordnung bestimmt werden, inwieweit erwirtschaftete Haushaltsvorteile den Dienststellen zur weiteren Bewirtschaftung verbleiben oder zugunsten des Gesamthaushalts abgeschöpft werden (Effizienzrendite).
Auf Basis dieser Regelung hat der Gesetzgeber seit Einführung der dezentralen Finanzverantwortung bereits dreimal eine Effizienzrendite zugunsten des Gesamthaushalts abgeschöpft.
2.2.2.2 Entwicklung des Sachausgabenbudgets und der Reste
Das Sachausgabenbudget ist seit 2013 von 650 Mio. Euro auf 1.053 Mio. Euro in 2018 gestiegen. Die Reste haben sich von 129 Mio. Euro auf 480 Mio. Euro in 2018 erhöht.
Ab 2015 kam es aufgrund des vermehrten Zuzugs von Flüchtlingen nach Baden-Württemberg auch im flexibilisierten Bereich der Sachausgaben zu einer Sonderentwicklung. Durch zusätzliche Mittel für die Landeserstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge erhöhten sich die hier verfügbaren Mittel deutlich. In den Haushaltsjahren 2017 und 2018 wurden in diesem Bereich Budgetreste von 80 Mio. Euro und 146 Mio. Euro gebildet.
Alle Ausgabereste im Gesamthaushalt sind seit 2013 von 2,2 Mrd. Euro auf 5,6 Mrd. Euro in 2018 gestiegen (+153 Prozent). Alleine von 2017 auf 2018 betrug der Anstieg 32 Prozent.
Im Sachausgabenbudget fiel der Anstieg noch deutlicher aus. Diese Ausgabereste sind zwischen 2013 und 2018 um 273 Prozent gestiegen. Der prozentuale Anstieg war in jedem Jahr höher als der Anstieg der Gesamtreste. Von 2017 auf 2018 stiegen die § 6-Reste um 41 Prozent.
Selbst wenn man den Sondereffekt bei den flüchtlingsbedingten Ausgaben bereinigt, hat sich das Verhältnis aus Resten zum Sachausgabenbudget innerhalb von 6 Jahren von 20 auf 40 Prozent verdoppelt . In diesem Fall stehen Etatmitteln von 839 Mio. Euro in 2018 Ausgabereste von 334 Mio. Euro gegenüber.
Abbildung 2 zeigt die Entwicklung der Sachausgabenbudgets, der entsprechenden Reste und das prozentuale Verhältnis aus Resten zum Etat - jeweils bereinigt um die Mittel für Landeserstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge.
Nach Auffassung des Rechnungshofs ist der starke Anstieg des Verhältnisses aus Resten zu den flexibilisierten Sachausgaben Beleg dafür, dass das Budget insgesamt mehr als ausreichend bemessen ist.
2018 wurden in 14 Einzelplänen Reste im Geltungsbereich des § 6 StHG nach 2019 übertragen. Bei sieben dieser Einzelpläne lagen die übertragenen Reste bei mehr als 50 Prozent des zugrunde liegenden Sachausgabenbudgets. Ein Ressort hat 2018 § 6-Reste gebildet, die höher waren als der Jahresetat in diesem Bereich.
Insgesamt sieht der Rechnungshof bei einem Quotienten von 40 Prozent von Resten zum Budget in 2018 eine nicht mehr vertretbare Höhe als erreicht. 2014 hatte die Landesregierung bereits bei einem Verhältnis von 22 Prozent eine Effizienzrendite abgeschöpft.
Aufgrund des sich seit 2014 verdoppelten Verhältnisses aus Resten zum Budget hält der Rechnungshof nicht nur eine schon aufgrund der bisherigen Praxis gebotene Abschöpfung von 5, sondern vielmehr von 10 Prozent des Sachausgabenbudgets für angebracht.
Hinsichtlich des Sonderfalls der Ausgabereste bei den flüchtlingsbezogenen Ausgaben sollte die Landesregierung darauf achten, nach Klärung der tatsächlichen Mittelbedarfe verbleibende Reste zügig abzubauen.
2.2.2.3 Neuregelung im Doppelhaushalt 2020/2021
Seit 2010 regelte § 6 Absatz 2 StHG, dass diese Ausgabereste nicht in Abgang gestellt werden. Das StHG 2020/2021 sieht nunmehr die zwingende Streichung eines Teils der § 6-Reste vor. Danach werden automatisch alle § 6-Reste in Abgang gestellt, die 50 Prozent des Haushaltsansatzes übersteigen, soweit sie nicht dazu dienen, rechtliche Verpflichtungen zu erfüllen. Diese Regelung kann bereits auf die Restebildung 2019 angewandt werden.
Der Rechnungshof sieht die Neuregelung zur automatischen Streichung von Resten als einen ersten Schritt in die richtige Richtung. Er hält allerdings im Lichte der Prüfung eine ambitioniertere Regelung für angebracht. Die § 6-Reste sollten bereits automatisch gestrichen werden, wenn diese 20 Prozent des Haushaltsansatzes übersteigen. Die Grenze könnte gegebenenfalls stufenweise abgesenkt werden. Sofern die Ressorts einen darüber hinausgehenden Bedarf geltend machen, sollten entsprechende Verpflichtungen nachgewiesen werden.
2.2.3 Personalausgabenbudgetierung (§ 6a Staatshaushaltsgesetz)
Die Personalausgabenbudgetierung wurde 2009 zunächst als Pilotversuch, seit 2015 als Regelbetrieb in Teilen des Landeshaushalts eingeführt. Im StHG 2020/2021 sind insgesamt 41 Kapitel einbezogen.
Der Staatshaushaltsplan 2018 weist 17,4 Mrd. Euro an Personalausgaben in der Hauptgruppe 4 aus. Davon waren 2,1 Mrd. Euro in die Personalausgabenbudgetierung einbezogen. Der große Bereich der Lehrerstellen ist nicht budgetiert.
Die Ausgabereste betrugen in der Pilotphase bis 2014 noch zwischen 0,6 und 1,5 Prozent des Budgets. Aktuell sind sie auf 2,5 Prozent des Budgets angestiegen (2018: 54 Mio. Euro). Die Ausgabereste im Personalausgabenbudget sind bislang nicht gesetzlich vor Inabgangstellung geschützt. Die Ressorts streben jedoch eine solche Regelung an.
Das Finanzministerium hat die Pilotphase der Personalausgabenbudgetierung 2012 evaluiert. 2018 erfolgte - nach der Überführung in den Regelbetrieb - eine standardisierte Umfrage. Demnach wurden insbesondere auch deshalb Ausgabereste gebildet, weil frei werdende Stellen oder auch Neustellen nicht zeitnah besetzt würden.
Das Kabinett hat im Herbst 2019 beschlossen, dass die Ressorts künftig für Neustellen im ersten Jahr einen um ein Viertel gekürzten Budgetansatz erhalten. Für Neustellen im zweiten Jahr eines Doppelhaushalts wird der volle Betrag angesetzt.
Der Ministerrat beauftragte das Finanzministerium, zusammen mit den Ressorts eine Fortentwicklung der Personalausgabenbudgetierung bis 2022 zu prüfen und im Anschluss darüber zu berichten.
Der Rechnungshof stellte bei einer exemplarischen Überprüfung fest, dass Neustellen zum Teil sehr spät besetzt werden. Bei einer Dienststelle konnten selbst im Laufe des zweiten Jahres eines Doppelhaushalts nicht alle neu geschaffenen Stellen besetzt werden.
Grundgedanke der Budgetierung ist es, selbst erwirtschaftete Freiräume für die Ressorts nutzbar zu machen. Können Stellen mangels Bewerbern oder aus anderen tatsächlichen Gründen nicht zeitnah besetzt werden, handelt es sich dagegen um Windfall-Profits.
Der Rechnungshof hält es für sachgerecht, den Ressorts selbst erwirtschaftete Freiräume zu belassen. Windfall-Profits müssen jedoch dem Gesamthaushalt zugutekommen. Die für Neustellen vorgesehenen Budgetmittel sollten daher bis zur erstmaligen Stellenbesetzung gesperrt und in der Folge nur zeitanteilig freigegeben werden.
Die Erfahrungen bei der Sachausgabenbudgetierung zeigen, dass Reste, die gesetzlich vor einer Inabgangstellung geschützt sind, stetig steigen. Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Rechnungshof, im Personalausgabenbudget von einer solchen Regelung auch künftig abzusehen.
3 Empfehlungen
3.1 Vertragsreste nur bei Vorliegen einer konkreten rechtlichen Verpflichtung bilden
Die Kategorisierung von Ausgaberesten als Vertragsrest (R-Vertr/Besch) darf nur erfolgen, wenn bereits rechtsverbindliche Verträge geschlossen oder Bewilligungsbescheide ergangen sind. Nur dem Grunde nach (theoretisch) bestehende Ansprüche, fortgeschrittene Vertragsverhandlungen oder Ähnliches rechtfertigen keine Kennung als R-Vertr/Besch. In diesen Fällen sind die Ausgabereste als nicht gebundene Reste (N-Reste) zu kategorisieren. Die Übertragung dieser Reste ist konkret zu begründen und zu dokumentieren.
3.2 Ausgabereste nur bilden, wenn Folgeansatz absehbar nicht ausreicht
Die Ressorts müssen künftig deutlich intensiver prüfen, ob nicht schon allein der Haushaltsansatz des Folgejahres ausreicht, um sämtliche Zahlungsverpflichtungen zu bedienen.
Sofern nach einer im Einzelfall zu treffenden Prognose keine konkreten Anhaltspunkte bestehen, dass die Ansätze des Folgejahres nicht ausreichen, um die bestehenden Verpflichtungen zu erfüllen, dürfen keine Ausgabereste gebildet werden. Diese Vorgabe sollten die Ressorts und das Finanzministerium bei der Bildung von Ausgaberesten stärker in den Fokus nehmen.
Ziel sollte es dabei sein, die Ausgabereste dadurch dauerhaft signifikant zu reduzieren.
3.3 Haushaltsansätze absenken
Der Soll-Ist-Abgleich bei Ausgaben mit Restebildung zeigte, dass die Haushaltsansätze zum Teil mehrere Jahre deutlich über den Ist-Ausgaben lagen. Bei der Haushaltsaufstellung ist bei diesen Titeln besonders stringent zu prüfen, ob Haushaltsansätze abgesenkt werden können.
3.4 Effizienzrendite von 10 Prozent des Sachausgabenbudgets abschöpfen
Aufgrund des stark gestiegenen Verhältnisses von Resten zum Budget hält der Rechnungshof eine Abschöpfung von 10 Prozent des Sachausgabenbudgets für sachgerecht. Die so abgesenkten Budgets sind dann für die Folgejahre „einzufrieren“.
3.5 Obergrenze für Restebildung im Sachausgabenbudget absenken
Die Neuregelung in § 6 Absatz 2 StHG 2020/2021, Reste in Abgang zu stellen, die 50 Prozent des Budgets überschreiten, ist ein erster wichtiger Schritt. Auf Basis der Feststellungen des Rechnungshofs sollte die Grenze - gegebenenfalls stufenweise - auf 20 Prozent des Budgets abgesenkt werden.
3.6 Neustellen erst ab Erstbesetzung budgetieren
Der Rechnungshof regt an, die Bildung von Ausgaberesten im Personalausgabenbudget kritisch zu hinterfragen. Ein weiterer Anstieg der Reste sollte vermieden werden.
Den Ressorts sollten nur solche Freiräume im Budget belassen werden, die durch personalwirtschaftliche Maßnahmen generiert wurden. Windfall-Profits sind für den Gesamthaushalt abzuschöpfen. Neustellen sollten daher erst ab der tatsächlichen Besetzung im Budget berücksichtigt werden.
Der Rechnungshof empfiehlt, im Personalausgabenbudget von einer Regelung, die Reste generell vor Inabgangstellung schützt, weiterhin abzusehen.
Die Entwicklung sollte im 2022 vorgesehenen Bericht an den Ministerrat zur Personalausgabenbudgetierung aufgegriffen werden.
4 Stellungnahme des Finanzministeriums
Das Finanzministerium begrüßt den Denkschriftbeitrag und sieht inhaltlich eine gemeinsame Zielstellung mit dem Rechnungshof. Es weist darauf hin, dass bereits im Doppelhaushalt 2020/2021 steuernde Maßnahmen umgesetzt wurden, um dem stetigen Anstieg der Ausgabereste entgegenzuwirken. Es sehe die Empfehlungen des Rechnungshofs als weiteren wichtigen Impuls, um die Reste zurückzuführen.
Das Finanzministerium werde bei der Bildung von Ausgaberesten für das Haushaltsjahr 2020 die Anregungen bezüglich der Vertragsreste aufgreifen.
Gegen die Vorschläge des Rechnungshofs zur Reduzierung des Sachausgabenbudgets und der § 6-Reste erhebt das Ministerium keine Einwendungen.
Die Bildung von Resten im Personalausgabenbudget würden weiterhin restriktiv behandelt. Die jetzige Regelung zur Kürzung der Budgets bei Neustellen solle zunächst bei der Planaufstellung für das Haushaltsjahr 2022 erprobt werden. Bei Bedarf könne man die Regelung in der Folge noch anpassen.
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Bei einem hohen Anteil der geprüften Stufenzuordnungen bei neueingestellten Beschäftigten sowie bei der Vorweggewährung eines höheren Entgelts zur Deckung des Personalbedarfs oder der Bindung qualifizierter Fachkräfte fanden sich formelle oder materielle Fehler. Überhöhte Entgeltzahlungen hätten vermieden werden können, wenn das Tarifrecht richtig angewandt und der haushaltsrechtliche Grundsatz von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit berücksichtigt worden wäre.
1 Ausgangslage
Werden Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst des Landes neu eingestellt, bestimmt sich ihr Entgelt entsprechend dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) nach einer Entgeltgruppe und einer (Erfahrungs-) Stufe. Für die Entgeltgruppe ist die auszuübende Tätigkeit maßgeblich. Die Zuordnung zu der jeweiligen Erfahrungsstufe erfolgt entsprechend der bisher erworbenen Berufserfahrung. Während Berufserfahrung zwingend anzurechnen ist, wenn sie einschlägig ist, können sogenannte förderliche Tätigkeiten im Wege des Ermessens berücksichtigt werden. Abweichend davon kann bei der Stufenzuordnung auch die bei einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Diensts erworbene Stufe ganz oder teilweise berücksichtigt werden.
Um Personalbedarf zu decken oder qualifizierte Fachkräfte zu binden, kann Beschäftigten darüber hinaus ein um bis zu zwei Stufen höheres Entgelt - maximal bis zur Höhe der Endstufe ihrer Entgeltgruppe - gezahlt werden (Vorweggewährung in Form einer Zulage). Arbeitnehmer, die sich bereits in der Endstufe ihrer Entgeltgruppe befinden, können stattdessen eine Zulage von 20 Prozent der Stufe 2 ihrer Entgeltgruppe erhalten.
Eine fehlerhafte Stufenzuordnung kann je Einzelfall zu einem überhöhten Jahresentgelt von mehreren Tausend Euro führen.
Andere Rechnungshöfe haben in der Vergangenheit bei ihren Prüfungen eine hohe Fehlerquote bei der Anerkennung früherer Tätigkeiten und der Vorweggewährung von Erfahrungsstufen bei der Neueinstellung von Beschäftigten festgestellt.
Der Rechnungshof Baden-Württemberg hat zusammen mit dem Staatlichen Rechnungsprüfungsamt Stuttgart aus rund 8.000 im Jahr 2016 neu in den Landesdienst eingestellten Arbeitnehmern eine Stichprobe gezogen. Hierzu wurden 310 Personalfälle bei neun Dienststellen aus sechs unterschiedlichen Verwaltungsbereichen (allgemeine Verwaltung, technische Verwaltung, eine Kultureinrichtung, eine oberste Landesbehörde, Lehrkräfte aus zwei Regierungsbezirken und drei Hochschulen) näher untersucht. Die Prüfung bei den Hochschulen ist noch nicht abgeschlossen.
2 Prüfungsergebnisse
Die bei allen Dienststellen - in unterschiedlichem Umfang - vorgefundenen häufigsten Fehler lassen sich im Wesentlichen in Fallgruppen mit folgenden Feststellungen einteilen:
2.1 Stufenzuordnungen aufgrund einschlägiger Berufserfahrung
- Vorbeschäftigungen wurden als einschlägige Berufserfahrung berücksichtigt, obwohl die tarifrechtlichen Voraussetzungen nicht immer vorlagen. So entsprach die bisherige Tätigkeit inhaltlich und/oder vom Niveau her teilweise nicht der neuen Tätigkeit.
- Berücksichtigte Vorbeschäftigungen waren nicht immer ausreichend (z. B. durch Arbeitszeugnisse) nachgewiesen.
- Vorbeschäftigungen wurden trotz schädlicher zeitlicher Unterbrechungen zwischen den Arbeitsverhältnissen (mehr als 3 Jahre) als einschlägige Berufserfahrungen berücksichtigt.
2.2 Stufenzuordnungen aufgrund der Berücksichtigung förderlicher Zeiten
- Die tarifrechtlichen Voraussetzungen, um förderliche Zeiten zu berücksichtigen, lagen in mehreren Fällen nicht vor bzw. es fehlte an entsprechenden Nachweisen.
- In der überwiegenden Zahl der geprüften Fälle fehlte eine ausreichende und vorgeschriebene Dokumentation der Entscheidung (Ermessensausübung) über die Stufenzuordnung.
- Förderliche Zeiten wurden erst nach vorbehaltlosem Abschluss des Arbeitsvertrags dargelegt und anerkannt. Ein zu deckender Personalbedarf, der Voraussetzung für eine solche Anerkennung ist, besteht dann nicht mehr.
2.3 Übernahme einer erworbenen Stufe
Auch Stufenübernahmen aus vorherigen Arbeitsverhältnissen waren vielfach nicht ordnungsgemäß dokumentiert bzw. geeignete Nachweise (beispielsweise eine Entgeltabrechnung des vorherigen öffentlichen Arbeitgebers) lagen nicht vor.
2.4 Vorweggewährung eines höheren Entgelts („Stufenvorweggewährung“)
- Die tarifrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Zulage für ein höheres Stufenentgelt lagen in mehreren Fällen nicht vor. So wurden Zulagen mit der Begründung gewährt, der begünstigte Arbeitnehmer habe gute Leistungen erbracht. Eine Zulage darf jedoch nur aus den in § 16 Absatz 5 TV-L abschließend aufgeführten Gründen gewährt werden.
- Zulagen wurden auch ohne die erforderliche Zustimmung des Finanzministeriums gewährt, obwohl dies nur unter eng gefassten Ausnahmetatbeständen zulässig ist. Bei einer Dienststelle geschah das mehrfach und sogar entgegen entsprechender Hinweise durch das Landesamt für Besoldung und Versorgung.
- Es fehlte eine ausreichende und vorgeschriebene Dokumentation der Gründe für die Zulagengewährung (z. B. zwingende Erforderlichkeit zur Deckung eines Personalbedarfs). Damit war nicht nachvollziehbar, ob bei der Entscheidung Ermessen, auch hinsichtlich der Höhe der Zulage, ausgeübt wurde.
- Eine Besonderheit stellten die Zulagen für Direkteinsteiger an (Berufs-) Schulen dar. Gezahlte Zulagen überstiegen in einigen Fallkonstellationen den nach § 16 Absatz 5 Satz 1 TV-L zulässigen Höchstbetrag oder wurden kumulativ - also zusätzlich zur o. g. Zulage von 20 Prozent der Stufe 2 - gewährt. Letzteres ist nach Auffassung des Rechnungshofs unzulässig, weil es sowohl dem Wortlaut des Tarifvertrags als auch dem Sinn und Zweck der Bestimmung widerspricht.
Von 192 geprüften Personalfällen waren 142 (formell oder materiell) fehlerbehaftet. Das ergab eine Fehlerquote von 74 Prozent. Damit korrespondieren fehlerbehaftete Zahlungen von über 200.000 Euro in einem Jahr (2016). Nur ein Teil davon war (rückwirkend) noch korrigierbar. Vielfach konnten formelle Fehler (insbesondere eine unzureichende Dokumentation) nachträglich „geheilt“ werden.
3 Empfehlungen
3.1 Recht richtig anwenden
Die tariflichen Tatbestandsvoraussetzungen sind in jedem Einzelfall zu prüfen und zu beachten, wenn über die Stufenzuordnung oder die Gewährung einer Zulage (Vorweggewährung) entschieden wird.
3.2 Tarifliche Instrumente nur in erforderlichem Umfang nutzen und etwaige Zustimmungsvorbehalte beachten
Stufenzuordnungen nach § 16 Absatz 2 Satz 4 TV-L (förderliche Zeiten) und Zulagen gemäß § 16 Absatz 5 TV-L (Vorweggewährung) dürfen nur erfolgen bzw. gewährt werden, wenn und soweit dieses zur Personalgewinnung zwingend erforderlich ist.
Das Entgelt der Stufe, welcher der Arbeitnehmer zugeordnet ist, darf zuzüglich einer Vorweggewährung nach § 16 Absatz 5 Satz 1 TV-L das Tabellenentgelt der jeweiligen Endstufe nicht überschreiten. Das Kultusministerium wird aufgefordert, die Regelung der Zulagen für Direkteinsteiger entsprechend auszugestalten.
3.3 Fehlerhafte Stufenzuordnungen und Zulagen prüfen und korrigieren
Fehlerhafte Stufenzuordnungen nach § 16 Absatz 2 TV-L sind - soweit zulässig - zu korrigieren. Unzulässige Zulagen nach § 16 Absatz 5 TV-L sind zu widerrufen. Es ist außerdem zu prüfen, ob gezahlte Beträge zurückgefordert werden können.
3.4 Nachweise vorlegen lassen und Entscheidungen dokumentieren
Angaben eines Bewerbers zur Berufserfahrung sind durch geeignete Dokumente nachzuweisen. Die Entscheidungen der Personalstelle über die Stufenzuordnung bzw. eine Vorweggewährung sind - einschließlich des ausgeübten Ermessens - in einem Vermerk für Dritte nachvollziehbar zu dokumentieren.
4 Stellungnahmen der Ministerien
Das Finanzministerium hat zu den Ausführungen Stellung genommen, die sich auf generelle tarifliche Regelungen beziehen. Die grundsätzlichen Empfehlungen des Rechnungshofs hat es begrüßt. Die Kumulierung einer bis zu 20-prozentigen Zulage mit einer Stufenvorweggewährung hält es allerdings für möglich.
Das Innenministerium hat die Feststellungen und Empfehlungen des Rechnungshofs in seiner Prüfungsmitteilung an ein Regierungspräsidium bereits zum Anlass genommen, sämtliche Dienststellen der Innenverwaltung um Beachtung zu bitten.
Das Kultusministerium hat im Prüfungsverfahren mitgeteilt, dass ab dem Einstellungsjahrgang 2020 die nach § 16 Absatz 5 TV-L für Direkteinsteiger vorgesehenen Zulagen die Höchstgrenzen nicht (mehr) überschreiten sollen. Die oben genannte Zulage von 20 Prozent solle in seinem Geschäftsbereich auch nicht (mehr) kumulativ zu einer Stufenvorweggewährung gezahlt werden.
Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst stimmt den Empfehlungen des Rechnungshofs ebenfalls zu. Es kündigte an, alle Einrichtungen in seinem Geschäftsbereich auf die genauere Beachtung der tarifrechtlichen Bestimmungen hinzuweisen.
5 Schlussbemerkung
Der Rechnungshof erwartet von der Landesverwaltung, dass sie die tarifkonforme und einheitliche Rechtsanwendung sicherstellt und deren Wirksamkeit von Zeit zu Zeit selbst überprüft.
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Für Baden-Württemberg ist ein zukunftssicheres und hochleistungsfähiges Breitbandnetz von strategischer Bedeutung. Die Förderung des Ausbaus der Breitbandinfrastruktur ist insgesamt zweckmäßig organisiert. Das Land sollte die Mitfinanzierung der Bundesförderung fortsetzen. Fördermittel sollten nur in uneingeschränkt gigabitfähige Technologien fließen. Breitband- und Mobilfunkausbau müssen angesichts des Ziels einer konvergenten Netzinfrastruktur eng abgestimmt werden. Eine Breitbandstrategie, die strategische Ansätze und Planungen zusammenführt sowie ein Breitbandinformationssystem können die Umsetzung und Kommunikation des Breitbandausbaus wirksam unterstützen.
1 Ausgangslage
Eine leistungsfähige und flächendeckende Breitbandinfrastruktur ist wesentliche Voraussetzung der Digitalisierung und für den Wirtschafts- und Technologiestandort Baden-Württemberg von strategischer Bedeutung. Insbesondere bei Gigabitanschlüssen (≥ 1.000 Mbit/s) besteht weiterer Ausbaubedarf.
Der Großteil des Breitbandausbaus erfolgt auf privatwirtschaftlicher Basis. Stehen hohe Ausbauinvestitionen in keinem tragfähigen Verhältnis zur erwarteten Nachfrage oder den Teilnehmeranschlusszahlen, findet aber kein privatwirtschaftlicher Ausbau statt. In diesen Fällen sollen staatliche Förderprogramme den Breitbandausbau sicherstellen. Ein Bedarf für einen staatlichen Eingriff wird angenommen, wenn in einem Gebiet ohne Netzverfügbarkeit ≥ 30 Mbit/s in den kommenden drei Jahren voraussichtlich kein Breitbandnetz durch private Investoren errichtet wird. Auf diese sogenannten „weißen Flecken“ sind die Förderprogramme von Bund und Ländern bislang ausgerichtet. Die Planung und Umsetzung des Ausbaus obliegt den Kommunen.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Struktur der Förderprogramme
In Baden-Württemberg können Antragsteller entweder das Landesförderprogramm oder das Bundesförderprogramm unter Mitfinanzierung des Landes nutzen. Während in der Vergangenheit hauptsächlich das Landesprogramm in Anspruch genommen wurde, verschiebt sich seit der Neufassung der Bundesförderrichtlinie Breitbandausbau (2018) und der Förderrichtlinien des Landes (2019) die Gewichtung deutlich in Richtung des Bundesprogramms unter Mitfinanzierung des Landes. Bei der Bundesförderung wurde die Antragstellung vereinfacht und das Programm inhaltlich attraktiver gestaltet; beispielsweise wurden die maximale Fördersumme erhöht und Eigenleistungen in die Förderung einbezogen. Förderfähig sind dabei nur Maßnahmen, die zu einer Verfügbarkeit von ≥ 1.000 Mbit/s führen. Das Land hat mit seiner Novelle einen Vorrang der Bundes- vor der Landesförderung eingeführt und den Mitfinanzierungsanteil am Bundesprogramm erhöht, sodass die Gesamtförderquote bei diesem im Regelfall 90 Prozent der zuwendungsfähigen Ausgaben beträgt.
Die Fördersätze sind mit durchschnittlich 62 Prozent der zuwendungsfähigen Ausgaben im Landesprogramm und bis zu 90 Prozent in der kombinierten Bundes-/Landesförderung vergleichsweise hoch. Angesichts der Bedeutung des Breitbandausbaus für die Zukunftsfähigkeit Baden-Württembergs ist die Förderhöhe aber nicht zu beanstanden.
2.2 Haushaltswirtschaftliche Bedeutung
Der Gesamtinvestitionsbedarf für den Ausbau „weißer Flecken“ in Baden-Württemberg wird in einer vom Innenministerium beauftragten und Anfang 2018 veröffentlichten Studie auf mindestens 6,1 Mrd. Euro geschätzt. Bund und Land müssen hiervon laut Studie zwischen 1,6 und 2,5 Mrd. Euro über Fördermittel beitragen.
Von 2015 bis 2019 wurden rund 1.940 Einzelmaßnahmen mit einem Gesamtumfang von etwa 8.600 km Länge bewilligt. Bei rund 5.400 km werden physisch Kabel verlegt. Bei den restlichen rund 3.200 km handelt es sich um sonstige Fördertatbestände wie beispielsweise Pacht. Für diese Maßnahmen bewilligte das Land insgesamt rund 450 Mio. Euro an Fördermitteln. Davon wurde bis Ende 2019 nur rund ein Viertel abgerufen. Die Haushaltsreste wuchsen entsprechend an; aus dem Haushaltsjahr 2018 wurden rund 200 Mio. Euro nach 2019 übertragen.
Im Staatshaushaltsplan 2020/2021 hat das Land auf den Zeitverzug beim Mittelabruf reagiert und hinsichtlich der Ermächtigungsgrundlagen größtenteils auf Verpflichtungsermächtigungen umgestellt.
Insgesamt steht - mit Fälligkeiten im Zeitraum 2020 bis 2025 - ein weiteres Bewilligungsvolumen von rund 650 Mio. Euro zur Verfügung. Damit hat das Land eine absehbare Lücke in der Finanzierung des geförderten Breitbandausbaus geschlossen.
Allerdings bestehen beim Förderbedarf erhebliche Unsicherheiten. So ist offen, ob der in der Studie unterstellte private Finanzierungsanteil am Ausbau der „weißen Flecken“ von rund 4 Mrd. Euro erreicht werden kann. Weitere potenzielle Mehrbedarfe ergeben sich aus der von Bund und Land beabsichtigten Ausweitung der Förderung auf sogenannte „graue Flecken“ . Dies sind Gebiete, deren verfügbare Bandbreite oberhalb der bisherigen Aufgreifschwelle von ≥ 30 Mbit/s liegt, die jedoch nicht über ein gigabitfähiges Netz verfügen. Eine fortlaufende Prüfung des Gesamtinvestitionsbedarfs und des daraus resultierenden Mittelbedarfs ist daher von zentraler Bedeutung.
Die EU hat im Programmplanungszeitraum 2014 bis 2020 knapp 15 Mrd. Euro für die Förderung des Breitbandausbaus bereitgestellt. Für die Finanzierung der Förderprogramme im Land spielten Mittel der EU aber bislang keine Rolle. Im Hinblick auf die 2021 beginnende neue Förderperiode könnten sich neue Möglichkeiten ergeben, Fördermittel der EU für die Finanzierung des Breitbandausbaus in Baden-Württemberg zu nutzen.
2.3 Landesförderung nach VwV Breitbandförderung
2.3.1 Förderverfahren
Das Innenministerium führt die Zuwendungsverfahren für die Breitbandförderung durch. Bis Ende 2019 war die L-Bank für die Prüfung der Verwendungsnachweise und die Auszahlung der bewilligten Zuschüsse zuständig. Seit Anfang 2020 übernimmt das Innenministerium auch diese Verfahrensschritte. Die Zusammenführung aller Verfahrensschritte ist inhaltlich sinnvoll. Allerdings ist fraglich, ob die Abwicklung des Förderverfahrens dauerhaft eine ministerielle Aufgabe ist.
Das Förderverfahren ist insgesamt zweckmäßig organisiert. Für die Antragsbearbeitung wird das Fördermittelbearbeitungs- und informationssystem (FöBIS) genutzt; die inhaltliche Bearbeitung erfolgt sehr sorgfältig. Werden die Pläne für eine digitale Antragstellung und die Integration der Verwendungsnachweisprüfung in FöBIS zeitnah umgesetzt, könnten die Verfahren vollständig digital abgewickelt werden.
2.3.2 Berücksichtigung von Einnahmen
Die in der VwV Breitbandförderung vorgesehene Festbetragsfinanzierung signalisiert dem Zuwendungsempfänger, dass ihm für die beantragte Maßnahme ein fester Betrag zur Verfügung gestellt wird. Die Allgemeinen Nebenbestimmungen (ANBest-K) eröffnen aber auch bei der Festbetragsfinanzierung die Möglichkeit, den bewilligten Zuschuss nachträglich zu reduzieren. Von dieser Möglichkeit wurde im Falle geringerer Ausgaben regelmäßig Gebrauch gemacht. Bei Einnahmen war dies bislang noch nicht der Fall.
Im Zeitpunkt der Erteilung des Zuwendungsbescheids steht in der Regel noch nicht fest, ob und in welcher Höhe Einnahmen mit der geförderten Infrastruktur erzielt werden können. Dies ergibt sich häufig erst Jahre später. Die Nebenbestimmungen zu den Zuwendungsbescheiden sehen daher vor, dass Einnahmen dem Innenministerium nachträglich zu melden sind. Der Zuschuss kann sich dadurch anteilig verringern. Verstößt der Zuwendungsempfänger gegen die Auflage, hat die Bewilligungsbehörde den Widerruf des Zuwendungsbescheids zu prüfen.
Schon wegen des hohen Fördermittelbedarfs für den Breitbandausbau insgesamt ist es unerlässlich, dass Einnahmen auf die zuwendungsfähigen Ausgaben angerechnet werden. Da die endgültige Höhe der Einnahmen aber nicht zeitnah oder nicht abschließend zu ermitteln ist, muss sowohl bei den bereits bewilligten Zuwendungen als auch für die Zukunft eine sachgerechte und praxistaugliche Lösung gefunden werden.
Der Bund arbeitet bei seinen Förderbescheiden mit fiktiven Einnahmen. Auf diesem Wege vermeidet er die nachträglichen Meldepflichten, die den Zuwendungsempfängern bislang bei der Landesförderung auferlegt werden.
2.3.3 Förderfähige Maßnahmen
Die VwV Breitbandförderung ist mit Einführung des Vorrangs der Bundesförderung nicht grundlegend überarbeitet worden. Dies führt dazu, dass die Förderrichtlinie und die Förderpraxis teilweise nicht konsistent sind. So wird nach Aussage des Innenministeriums nur noch der Ausbau „bis zum Gebäude“ (sogenannter FTTB-Ausbau ) gefördert. In der VwV Breitbandförderung ist der Ausbau „bis zum Kabelverzweiger“ (sogenannter FTTC-Ausbau ) jedoch als Regel definiert. Als Fördertatbestand ist u. a. der „Einzug einer Kupferleitung in ein bestehendes Kabelschutzrohrnetz“ vorgesehen. Rechtlich gesehen ist der geförderte Ausbau von Brückentechnologien, wie eine Aufrüstung bestehender Kupfer- und Kabelinfrastrukturen, damit weiterhin möglich. Entsprechend geförderte Gebiete lägen nach erfolgtem Ausbau über der Aufgreifschwelle, wären jedoch nicht gigabitfähig.
Eine Überarbeitung der VwV ist daher geboten. In diesem Kontext könnten auch die Fördertatbestände in Ergänzung der vorrangigen Bundesförderung neu ausgerichtet werden. Ansatzpunkte hierfür sieht der Rechnungshof insbesondere für Fälle, in denen aus Landessicht Bedarf für eine Förderung besteht, die Bundesförderung aber nicht greift. Dies könnten neben dem weiteren Ausbau des Backbone-Netzes vor allem Fördertatbestände sein, die die Konvergenz von Breitband- und Mobilfunkausbau unterstützen, etwa durch die Anbindung von Mobilfunkstandorten.
Eine Alternative zu den bislang aufwandsbezogenen Fördertatbeständen („Euro pro lfd. Meter“) könnte eine adressbezogene Förderung („Euro pro geschaffenem Hausanschluss“) auf Grundlage der als amtliche Hauskoordinaten erfassten Anschlusspunkte (Wohn- und Gewerbebauten) sein. In diesem Fall richtet sich die Förderung nach der Anzahl der angeschlossenen Gebäude. Der Vorteil läge in einer gebäudescharfen Dokumentation anhand der amtlichen Hauskoordinaten. Dies erweitert die Möglichkeiten zur Steuerung der Förderaktivitäten und der Erfolgskontrolle. Weiterhin könnte dieser Ansatz zur Verfahrensvereinfachung beitragen.
2.4 Mitfinanzierung der Bundesförderung nach VwV Breitbandmitfinanzierung
Für das Innenministerium als Bewilligungsstelle des Landes vereinfacht der eingeführte Vorrang der Bundes- vor der Landesförderung das Zuwendungsverfahren erheblich und spart Ressourcen, da sich das Land auf die Antragsprüfung des Bundes stützen kann. Allerdings ist die Festlegung der Zuwendungshöhe verfahrensbedingt problematischer.
Antragsteller erhalten vom Bund nach Feststellung der grundsätzlichen Förderfähigkeit des Vorhabens einen Zuwendungsbescheid in vorläufiger Höhe mit einer Schätzung des voraussichtlichen Förderbetrags. Auf dieser Basis beantragen die Kommunen die Mitfinanzierung des Landes; auch das Land stützt sich in seinem Zuwendungsbescheid auf diese Schätzung. Die tatsächlichen zuwendungsfähigen Ausgaben stehen erst mit dem Zuwendungsbescheid des Bundes in endgültiger Höhe fest. Entsprechend liegen die Voraussetzungen für einen endgültigen Zuwendungsbescheid des Landes erst dann vor, wenn das Antragsverfahren beim Bund abgeschlossen ist.
In bestimmten Fällen - etwa bei unvorhersehbaren baulichen Schwierigkeiten - kann der Bund die im endgültigen Zuwendungsbescheid bewilligten Mittel nachträglich erhöhen. Das Land vollzieht solche Erhöhungen bislang nicht nach.
2.5 Strategische Ausrichtung der Breitbandförderung
2.5.1 Ziele und Erfolgskontrolle
Das Innenministerium hat bislang kein inhaltlich und zeitlich eindeutiges Ausbauziel definiert. Als Ziele werden an verschiedenen Stellen z. B. „ein flächendeckendes glasfaserbasiertes Gigabitnetz bis 2025“, eine „flächendeckend gigabitfähige Infrastruktur bis 2030“ oder die Schaffung von „Rahmenbedingungen für eine … Breitbandversorgung mit einer Übertragungsrate von in der Regel mindestens 50 Mbit/s“ genannt. Unterschiedliche oder unpräzise Zielvorgaben erschweren die Erfolgskontrolle.
Ein hinsichtlich Kapazität und Leistungsfähigkeit zukunftssicheres Gigabitnetz muss Bandbreiten von mindestens einem Gbit/s symmetrisch zuverlässig ermöglichen. Technisch bedeutet dies im Regelfall eine glasfaserbasierte Telekommunikationsinfrastruktur. Dies sollte sich in einer einheitlichen Formulierung des Ausbauziels durch das Innenministerium widerspiegeln. Ob ein flächendeckendes, glasfaserbasiertes Gigabitnetz bereits bis 2025 realistisch ist, ist angesichts des bisherigen Ausbaufortschritts, des deutlich nachlaufenden Fördermittelabflusses und begrenzter Kapazitäten für Bauleistungen fraglich.
Eine Zielformulierung zur Breitbandnachfrage existiert bislang weder auf Bundes- noch Landesebene. Es wäre aber unwirtschaftlich, den Breitbandausbau mit hohem Aufwand zu fördern, wenn die entstandene Infrastruktur anschließend nicht genutzt wird. Eine Stärkung der Nachfrage mit Fördermitteln kann insbesondere dann eine sinnvolle Ergänzung darstellen, wenn dadurch ein privatwirtschaftlicher Ausbau angestoßen und eine (kostenintensivere) angebotsseitige Förderung des Breitbandausbaus vermieden werden kann. Eine Förderung von Angebots- und Nachfrageseite im selben Ausbaugebiet sollte hingegen vermieden werden.
2.5.2 Bündelung der strategischen Ansätze
Baden-Württemberg hat den Breitbandausbau früh als strategisch wichtiges Themenfeld erkannt und Maßnahmen ergriffen. Die strategischen Elemente, die der Förderung durch das Land zugrunde liegen, finden sich derzeit an verschiedenen Stellen, insbesondere in den einschlägigen Verwaltungsvorschriften. Bislang existiert jedoch kein zusammenfassendes Grundlagenpapier, in dem die Rahmenbedingungen abgesteckt, die Ausgangslage analysiert und Ziele sowie Mittel und Wege zur Zielerreichung zentral definiert werden.
Aufbauend auf einer solchen Breitbandstrategie sollten die zur Umsetzung erforderlichen Maßnahmen in einem strukturierten Prozess inhaltlich und zeitlich festlegt werden.
2.5.3 Konvergenz von Zielen und Maßnahmen
Eine Förderung des Breitbandausbaus ist derzeit lediglich in Gebieten vorgesehen, die als unterversorgt gelten („weiße Flecken“). Gebiete, die oberhalb der Aufgreifschwelle von 30 Mbit/s liegen, jedoch nicht über ein gigabitfähiges Netz verfügen, sind von der Förderung ausgeschlossen. Gleiches gilt für Gebiete, in denen mit einer früheren Ausbauförderung lediglich die Mindestversorgung (≥ 50 Mbit/s) erreicht, aber kein gigabitfähiges Netz aufgebaut wurde. Für diese nicht förderfähigen Gebiete verbleibt derzeit nur die Möglichkeit eines privatwirtschaftlichen Ausbaus.
Das Ziel eines flächendeckenden Gigabitnetzes kann nur erreicht werden, wenn auch jene Gebiete gigabitfähig gemacht werden, die sich aktuell oberhalb der Aufgreifschwelle befinden. Nachdem die aktuellen Förderprogramme dort nicht greifen, soll eine Rahmenregelung des Bundes zur Unterstützung des flächendeckenden Aufbaus von Gigabitnetzen diese „Ausbaulücke“ in „grauen Flecken“ schließen. Der Entwurf der Rahmenregelung liegt der Europäischen Kommission zur Prüfung vor. Die Landesregierung schließt sich diesem neuen Förderansatz in ihrem 2020 vorgelegten 2. Digitalisierungsbericht grundsätzlich an.
Bislang sind hierfür jedoch weder die zu erwartenden Gesamtausbaukosten noch der daraus resultierende Förderbedarf oder mögliche Umsetzungs-/Finanzierungsoptionen seitens des Bundes und des Landes bekannt.
2.5.4 Breitband- und Mobilfunkausbau
Breitband- und Mobilfunkausbau müssen mit dem Ziel einer gigabitfähigen, konvergenten Netzinfrastruktur zusammen gedacht, geplant und gesteuert werden. Der Mobilfunk sollte dabei als alternative Netztechnologie zur Schließung von Versorgungslücken berücksichtigt werden. Er kann dazu beitragen, das Ausbauziel einer flächendeckenden Glasfaserinfrastruktur mit dem Gebot der Wirtschaftlichkeit in Einklang zu bringen.
Eine Erschließung mit mobilem Breitband könnte für Gebiete erwogen werden, in denen bislang keine Versorgung mit Sprachmobilfunk verfügbar ist und der Markt dies auf absehbare Zeit auch nicht bereitstellen wird. Die Kommunen hätten damit eine zusätzliche, gegebenenfalls wirtschaftlicher umzusetzende Option zur Erschließung unterversorgter und schwer erschließbarer Gebiete mit Breitband und Sprachmobilfunk. Ergänzend könnte auch die Möglichkeit eines Ausbaus öffentlicher WLAN-Hotspots geprüft werden.
2.5.5 Datengrundlage, Koordinierung und Beratung
Für eine realistische Zieldefinition und Strategie bedarf es einer umfassenden Daten- und Kartengrundlage. Georeferenzierte Infrastruktur- und Versorgungsdaten sind wesentlich für Planung und Ausbau von Breitbandnetzen. Ein von Land und Kommunen gemeinsam zu nutzendes, georeferenziertes Breitbandinformationssystem wäre daher sinnvoll. Die darin enthaltenen Daten könnten auch für die Steuerung der Förderprogramme genutzt werden.
Es liegt im Interesse des Landes, den Breitbandausbau über die finanzielle Förderung hinaus zu unterstützen. Dazu können z. B. Maßnahmen der Koordinierung und der Förderung des Austauschs der relevanten Akteure zählen. Die ersten Ergebnisse der 2019 initiierten Gigabit-Allianz weisen aus Sicht des Rechnungshofs in die richtige Richtung.
3 Empfehlungen
3.1 Fördermittelbedarf regelmäßig überprüfen
Der Gesamtinvestitionsbedarf und der daraus resultierende rechnerische Förderbedarf sollten regelmäßig überprüft werden, um auf Abweichungen zwischen Mittelansatz und -bedarf frühzeitig reagieren und geeignete Maßnahmen festlegen zu können. Bei der Veranschlagung von Fördermitteln im Landeshaushalt sollte der voraussichtliche Zeitpunkt der Mittelabflüsse berücksichtigt und im gebotenen Umfang Verpflichtungsermächtigungen vorgesehen werden.
Für die neue Förderperiode sollte geprüft werden, ob EU-Fördermittel für den Breitbandausbau in Baden-Württemberg in Anspruch genommen werden können.
3.2 Inhalte der Landesförderung klären
Das Innenministerium sollte klären, welche Rolle das mittlerweile nachrangige Landesförderprogramm künftig spielen kann. Als Fördertatbestände kommen sinnvolle Ergänzungen zum Bundesprogramm wie der Ausbau des Backbone-Netzes und die Erschließung von Gebieten mit mobilem Breitband in Frage. Ferner sollten die Potenziale einer adressbezogenen Förderung geprüft werden. Auf die Möglichkeit der Förderung von Kupferinfrastrukturen bzw. entsprechenden Brückentechnologien sollte verzichtet werden.
Das Innenministerium sollte auf das vom Bund praktizierte Verfahren der „Anrechnung fiktiver Einnahmen“ umstellen und die geschätzten Einnahmen bereits im Bewilligungsbescheid zuwendungsmindernd berücksichtigen. Hinsichtlich bereits abgeschlossener Einzelmaßnahmen sollte das Innenministerium standardisiert abfragen, ob Einnahmen erzielt wurden und diese entsprechend der Förderbestimmungen anrechnen.
Die Abwicklung der Förderung sollte - einschließlich entsprechender Ressourcen - an ein Regierungspräsidium mit landesweiter Schwerpunktzuständigkeit übertragen werden.
3.3 Mitfinanzierung der Bundesförderung fortführen
Solange die gegenwärtigen Rahmenbedingungen fortbestehen, sollte der Mitfinanzierung des Bundesförderprogramms konsequent Priorität eingeräumt werden.
Der Zuwendungsbescheid des Landes sollte erst auf Grundlage eines Zuwendungsbescheids in endgültiger Höhe des Bundes ergehen. Die vorherige Erteilung eines Zuwendungsbescheids mit Vorbehalt sollte geprüft werden, ebenso die Möglichkeit einer nachträglichen Erhöhung der bewilligten Mittel aufgrund besonderer Umstände.
3.4 Strategische Ansätze bündeln, Ziel definieren und Erfolgskontrolle etablieren
Das Land sollte seine strategischen Ansätze und Planungen in einer Breitbandstrategie zusammenführen. Diese sollte fortlaufend überprüft und angepasst werden.
Das Ziel der Breitbandstrategie sollte inhaltlich und zeitlich eindeutig definiert werden. In Übereinstimmung mit dem Bund sollte das Ausbauziel ein flächendeckendes, zukunftssicheres und hochleistungsfähiges Gigabitnetz sein, das zuverlässig Bandbreiten von mindestens einem Gbit/s symmetrisch ermöglicht. In die Zieldefinition des Landes sollte ein Nachfrageziel aufgenommen werden.
Die Zielerreichung sollte durch eine systematische Erfolgskontrolle überprüft werden. In die VwV Breitbandförderung sollten dazu programmspezifische Regelungen aufgenommen werden. Das Land sollte mit dem Bund klären, wie eine Erfolgskontrolle im Rahmen der Mitfinanzierung des Bundesprogramms sichergestellt werden kann.
Eine Nachfrageförderung sollte nur in Einzelfällen erwogen werden, wenn dadurch die Förderung einer Ausbaumaßnahme vermieden werden kann.
3.5 Konvergenz von Zielen und Maßnahmen herstellen
Eine Mitfinanzierung der vom Bund geplanten Förderung „grauer Flecken“ sollte unter Berücksichtigung der Finanzierungsmöglichkeiten geprüft werden.
Um bereits bestehende Ungleichheiten in der digitalen Versorgung nicht weiter zu vertiefen, sollte eine Konkurrenz der Förderung „grauer Flecken“ und „weißer Flecken“ vermieden werden. Der Schließung „weißer Flecken“ sollte grundsätzlich Vorrang eingeräumt werden.
3.6 Konvergenz von Breitband- und Mobilfunkausbau herstellen
Breitband- und Mobilfunkausbau müssen angesichts des Ziels einer konvergenten Netzinfrastruktur eng abgestimmt werden.
Als Alternativen zum konventionellen Ausbau sollten die Erschließung von Gebieten mit mobilem Breitband sowie die Möglichkeiten von WLAN-Hotspots zur alternativen bzw. ergänzenden Versorgung geprüft werden. Sofern diese technisch und wirtschaftlich sinnvoll sind, könnten sie in die Förderung einbezogen werden.
3.7 Information, Koordinierung und Beratung stärken
Die Entwicklung eines von Land und Kommunen gemeinsam zu nutzenden georeferenzierten Breitbandinformationssystems zur Planung, Dokumentation und Steuerung des Breitbandausbaus sollte unter Berücksichtigung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses vorangetrieben werden. Fester Bestandteil sollte eine einheitliche, aussagekräftige und technologiescharfe Kennzahlensystematik zu Ausbaufortschritt und Versorgungsgrad sein.
Das Land sollte neben der finanziellen Förderung einen Schwerpunkt auf die Beratung und Information der Kommunen sowie Strukturen und Fähigkeiten zur zentralen Koordinierung und Moderation legen. Die Zusammenarbeit und Abstimmung innerhalb der „Gigabit-Allianz“ sollte verstetigt werden.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Zu den Empfehlungen des Rechnungshofs weist das Innenministerium darauf hin, es habe ab 2019 verschiedene Maßnahmen eingeleitet, um den rechnerischen Förderbedarf besser einschätzen und überprüfen zu können. Dazu zählten ein regelmäßiger Datenabgleich mit dem Bundesförderprogramm, eine wissenschaftliche Überprüfung der Investitionsbedarfe und eine Umfrage zu den Investitionsplanungen der Kommunen. Die Nutzung von EU-Fördermitteln für den Breitbandausbau werde man im Hinblick auf die neue EU-Förderperiode prüfen.
Im Landesförderprogramm sieht auch das Innenministerium ein komplementäres Instrument zum Bundesprogramm, welches die Möglichkeit biete, Vorhaben unabhängig von Entscheidungen des Bundes fördern zu können. Über Rolle, Ausgestaltung und Umfang des Landesförderprogramms werde mit der 2021 seitens des Bundes erwarteten Einführung einer Förderung in „grauen Flecken“ neu zu entscheiden sein. In diesem Zuge werde das Ministerium den Tatbestand zur Förderung des Einzugs von Kupferkabeln streichen sowie den Vorwegabzug fiktiver Pachteinnahmen und das Potenzial einer adressbezogenen Förderung prüfen.
Für die noch relativ junge und finanziell bedeutsame Aufgabe des Breitbandausbaus sei eine zentrale Erarbeitung landesweit verbindlicher Grundlagen unerlässlich. Durch die Ansiedelung der Bewilligungsstelle im Ministerium habe bei den Kommunen ein gleichartiges Verständnis für den Breitbandausbau geschaffen werden können. Im Anschluss an die geplante Anpassung der Förderkulisse eigne sich die operative Breitbandförderung aber grundsätzlich für eine Übertragung an eine nachgeordnete Behörde.
Mit der Anpassung der Förderkulisse sei auch darüber zu entscheiden welche Ziele sich Baden-Württemberg für den Ausbau der Breitbandnetze setzt und wie eine „Breitbandstrategie“ niedergelegt werden sollte. Hinsichtlich des Ausbauziels müsse eine Mitfinanzierung der vom Bund geplanten Förderung „grauer Flecken“ unter Berücksichtigung aller Finanzierungsmöglichkeiten geprüft werden. Die Schließung „weißer Flecken“ müsse aber grundsätzlich vorrangig bleiben.
Hinsichtlich der Konvergenz von Breitband- und Mobilfunkausbau finde eine enge Abstimmung mit dem für Mobilfunk zuständigen Wirtschaftsministerium statt. Da Glasfasernetze für den 5G-Mobilfunkausbau unerlässlich seien, würden die Belange des Mobilfunks, soweit möglich, mitberücksichtigt. Auch aus Sicht des Ministeriums können Funknetze in bestimmten Gebieten eine wirtschaftliche Alternative zum Festnetzausbau darstellen.
Nachdem anfangs das zügige Vorantreiben des geförderten Breitbandausbaus im Vordergrund gestanden habe, werde künftig die Fähigkeit zur strategischen Steuerung, Feinjustierung und Erfolgskontrolle, so das Innenministerium, immer wichtiger. Hierzu habe man 2019 damit begonnen, die Datengrundlagen und technischen Voraussetzungen für ein georeferenziertes Breitbandinformationssystem zu schaffen.
Zu Abbildung 1 weist das Innenministerium darauf hin, dass durch die von einem Anbieter angekündigte technische Aufrüstung der Kabelnetze in Baden-Württemberg die Verfügbarkeit von Gigabitanschlüssen (≥ 1.000 Mbit/s) bis Ende 2020 auf etwa 70 Prozent anwachsen soll.
Zur Wirtschaftlichkeit des geförderten Breitbandausbaus merkt es zudem an, dass neben der messbaren Nachfrage auch das Nachfragepotenzial zu berücksichtigen sei. Daher müsse bereits heute mit dem Ausbau der Netze begonnen werden, für die es erst in Zukunft einen breiten Bedarf gibt.
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Das Fuhrparkmanagement der Polizei ist derzeit auf Beschaffung und Bewirtschaftung der Fahrzeuge fokussiert. Mit einem aktiveren Management könnte die Zahl der Fahrzeuge reduziert und der Betrieb wirtschaftlicher gestaltet werden. Fahrzeugpools, Anreize für wirtschaftliches Verhalten und der Verzicht auf den Ersatz wenig ausgelasteter Fahrzeuge könnten dabei eine wichtige Rolle spielen. Um besser analysieren und steuern zu können, ist die Einführung des elektronischen Fahrtenbuchs dringend geboten.
1 Ausgangslage
Die Polizei verfügte zum Stichtag 1. Januar 2019 über 5.252 Fahrzeuge.
Von den mit Landesmitteln finanzierten 5.022 Fahrzeugen waren etwa 60 Prozent geleast. Im Zeitraum von 2016 bis 2019 blieb der Bestand an Pkw in etwa konstant. Einen leichten Aufwuchs gab es hingegen bei den Transportern. Dieser ist darauf zurückzuführen, dass anstelle von Großtransportern vermehrt kleinere, flexibler einsetzbare Transporter beschafft wurden.
Zusätzlich zum landeseigenen Fuhrpark verfügt die Bereitschaftspolizei über Fahrzeuge, die aus Bundesmitteln finanziert werden. Nach den Ausstattungsstandards des Bundes müsste das Land eigentlich über 491 dieser sogenannten „Bundesfahrzeuge“ verfügen können. Diese Zahl ist auch im Staatshaushaltsplan abgebildet. Tatsächlich wird sie aber seit Jahren bei weitem nicht erreicht. Bis 2019 sank die Anzahl an Bundesfahrzeugen auf weniger als die Hälfte.
Für den Unterhalt aller Dienstfahrzeuge fallen jährlich rund 20 Mio. Euro an. Hinzu kommen die Leasingraten, die 2018 rund 14 Mio. Euro betrugen. Zusammen mit Investitionen für den Ersatz ausgesonderter oder für neue Kauffahrzeuge summieren sich die jährlichen Ausgaben auf knapp 40 Mio. Euro.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Zentrales und dezentrales Fuhrparkmanagement
Das Präsidium Technik, Logistik, Service der Polizei (PTLS Pol) ist die zentrale Dienstleistungs- und Serviceeinrichtung der Polizei. Zu dessen Aufgaben gehört auch das zentrale Fuhrparkmanagement. Insbesondere müssen die Bedarfe zentral geplant und standardisiert sowie Beschaffungen durchgeführt und Verträge abgewickelt werden. Hinzu kommen die strategischen und analytischen Aufgaben des Managements.
Das dezentrale Fuhrparkmanagement ist bei den Polizeidienststellen (regionale Polizeipräsidien, Polizeipräsidium Einsatz, Landeskriminalamt) und Einrichtungen für den Polizeivollzugsdienst (Hochschule für Polizei, PTLS Pol) angesiedelt. Es ist für Einsatz und Betrieb sowie Instandhaltung der zugewiesenen Fahrzeuge verantwortlich. Dabei müssen Vorgaben des PTLS Pol beachtet werden. Es ist aber den einzelnen Polizeidienststellen und Einrichtungen weitgehend selbst überlassen, wie sie einen wirtschaftlichen Einsatz der Fahrzeuge gewährleisten. Dies zeigt sich auch daran, dass die Organisation und die personelle Ausstattung sehr heterogen sind.
Mit der Polizeistrukturreform wurde die Unfallsachbearbeitung den Polizeidienststellen und Einrichtungen übertragen. Damit wurde das bis dahin teilzentral organisierte Schadensmanagement dezentralisiert. Bei der Schadensregulierung, mit der Ausgaben verringert und Einnahmen erhöht werden können, wäre es aber sinnvoll, Spezialwissen zu bündeln. Der Rechnungshof sieht insofern bei einer zentralen Schadensregulierung Vorteile gegenüber einer dezentralen Aufgabenerledigung.
Derzeit fokussieren sowohl das zentrale als auch das dezentrale Fuhrparkmanagement ihre Tätigkeiten auf die Beschaffung und die Bewirtschaftung der Fahrzeuge. Der Analyse und wirtschaftlichen Steuerung des Fuhrparks widmen sie sich dagegen nicht ausreichend, wie sich an den folgenden Themen zeigt.
2.2 Bemessung und Verteilung der Fahrzeuge
Mit der Polizeistrukturreform 2014 musste die Polizei ihren Fahrzeugbestand neu verteilen. Die danach eingerichtete „Projektgruppe Polizeifuhrpark“ legte mit ihrem Fuhrparkbericht aus 2016 einen überarbeiteten Bemessungsschlüssel für den Fuhrpark der Polizeidienststellen und Einrichtungen vor. Auf dieser Basis werden bis heute die Fahrzeuge beschafft und verteilt. Eine geplante Evaluation wurde bislang nicht durchgeführt.
Die Fahrzeugbemessung nach den Kriterien des Fuhrparkberichts orientiert sich - neben aufgaben- und organisationsbezogenen Aspekten - an der Anzahl der Stellen für den Polizeivollzugsdienst. Die tatsächliche Personalstärke wird nicht berücksichtigt.
Die Anzahl der Stellen gibt nur Aufschluss über den theoretischen Fahrzeugbedarf der Polizeidienststellen und Einrichtungen. Der tatsächliche Bedarf kann davon abweichen. Da kein Anpassungsmechanismus vorgesehen ist, hat sich am Fahrzeug-Soll seit 2016 nichts geändert, obwohl die reale Personalstärke im gleichen Zeitraum deutlich zurückgegangen ist. Insofern gibt es aktuell zumindest eine temporäre Fahrzeugreserve.
Die Bemessungsschlüssel des Fuhrparkberichts sind zugleich Richtwerte für die interne Verteilung der Fahrzeuge auf die einzelnen Organisationseinheiten. Bindend sind sie aber nicht. Es zeigte sich, dass das dezentrale Fuhrparkmanagement erhebliche Korrekturen vornimmt. So wiesen beispielsweise fast alle regionalen Polizeipräsidien der Kriminalpolizei deutlich mehr Fahrzeuge zu, als dies nach dem Bemessungsschlüssel vorgesehen wäre. Andere Organisationseinheiten erhielten entsprechend weniger Fahrzeuge. Schon diese Korrekturen zeigen, dass eine Fahrzeugbemessung auf Basis des Stellenplans die tatsächlichen Bedarfe nicht abbildet.
2.3 Auslastung der Fahrzeuge
Die Auslastung ist ein Hauptkriterium dafür, ob der Betrieb eines Fahrzeugs erforderlich und wirtschaftlich ist. Bislang wird sie nur im Rahmen des Leasing-Nachersatzes systematisch ausgewertet. Hierfür nutzt die Polizei die Parameter „Laufleistung“ und „Einsatztage“. Eine fortlaufende Analyse der Auslastung findet nicht statt.
Die Laufleistung ist von zahlreichen externen Faktoren wie beispielsweise dem regionalen Zuschnitt des Polizeipräsidiums abhängig. Sie spielt vor allem für die Gestaltung der Leasingverträge eine Rolle. Für eine Bewertung der Auslastung ist aber die Einsatzzeit das wichtigere Kriterium. Hierauf hat der Rechnungshof sein Hauptaugenmerk gerichtet. Nach den bei der Polizei vorhandenen Daten stellen sich die durchschnittlichen Einsatztage wie folgt dar:
Ein Einsatztag in diesem Sinne kann allerdings eine zehnminütige Besorgungsfahrt genauso wie ein polizeilicher Einsatz über mehrere Stunden sein. Diese Statistik ist somit nur begrenzt aussagekräftig.
Der Rechnungshof hat daher stichprobenhaft bei einzelnen Organisationseinheiten bzw. Standorten der regionalen Polizeipräsidien eine stundengenaue Auswertung durchgeführt. Dabei hat er auch die vom Fuhrparkbericht für Teilbereiche der Polizeipräsidien empfohlenen Fahrzeugpools geprüft.
Die Analyse ergab, dass die wenigen vorhandenen Fahrzeugpools vergleichsweise gut ausgelastet sind. An allen Poolstandorten gibt es aber weitere Standardfahrzeuge. Diese sind jedoch nicht allen zugänglich, sondern einzelnen Organisationseinheiten fest zugewiesen. Bei einer Zusammenfassung dieser Fahrzeuge zu standortbezogenen Pools hätte in der Regel eine ungenutzte Reserve bestanden. Eine verstärkte Poolbildung könnte daher - selbst unter Berücksichtigung einer gewissen Reserve aus einsatztaktischen Gründen - Fahrzeuge entbehrlich machen und zu einer effizienteren Nutzung führen.
Die Polizei benutzt bisher herkömmliche Fahrtenbücher. Seit Jahren ist die Einführung eines elektronischen Fahrtenbuchs geplant. Diese würde es ermöglichen, detaillierte Auswertungen regelmäßig, flächendeckend und ressourcenschonend durchzuführen.
2.4 Leasingfahrzeuge
2.4.1 Vereinbarte Laufleistungen
Bereits der Fuhrparkbericht hatte festgestellt, dass die Leasingverträge im Durchschnitt zu hohe Laufleistungen vorsehen: Er empfahl, zur Vermeidung unnötig hoher Leasingraten bei Vertragsschluss die erwartete Nutzung stärker zu berücksichtigen.
Zwischen 2016 und 2019 zeigte diese Empfehlung noch keine Effekte. Infolge von Minderkilometern entstanden trotz Anrechnung der Mehrkilometer anderer Fahrzeuge insgesamt Erstattungsansprüche gegen die Leasinggeber von über 3,4 Mio. Euro.
Eine Stichprobe des Rechnungshofs bestätigte erhebliche Abweichungen zwischen vereinbarter und tatsächlicher Laufleistung. Etwa jedes sechste Fahrzeug erreichte weniger als die Hälfte der vereinbarten Laufleistung. Umgekehrt übertraf ebenfalls ein Sechstel der Fahrzeuge die vereinbarte Laufleistung um mehr als ein Drittel. Im Saldo ergab sich aber auch bei der Stichprobe ein Erstattungsanspruch gegen den Leasinggeber.
Punktlandungen bei den Laufleistungen von Fahrzeugen sind praxisfern. Abweichungen mit einem Gegenwert in Millionenhöhe sind jedoch erheblich. Aufgrund der aktuellen Leasingkonditionen wirkt sich die mangelnde Steuerung nicht wesentlich nachteilig aus. Sollte sich dies ändern, bestünde jedoch Handlungsbedarf. In diesem Fall wären Standortveränderungen des Fahrzeugs oder Anpassungen der Laufleistung während der Vertragslaufzeit geboten.
2.4.2 Nachersatz von Leasingfahrzeugen
Die Kriterien der Polizei für den Nachersatz von Fahrzeugen, deren Leasingvertrag ausläuft, sind nicht besonders streng: Lediglich Fahrzeuge mit weniger als 2,5 Einsatztagen je Woche und weniger als 5.000 km Laufleistung im Jahr werden als unwirtschaftlich angesehen und sollen nur in besonders begründeten Einzelfällen ersetzt werden. Von den im Jahr 2020 zum Nachersatz anstehenden 1.400 Leasingfahrzeugen verfehlten 33 beide Mindestbedingungen. Immerhin 207 Fahrzeuge erfüllten nur eines der beiden Kriterien.
In der Praxis hatten die Wirtschaftlichkeitskriterien zum Nachersatz keinen Effekt. Sogar die 33 Fahrzeuge, die diese zu moderaten Kriterien nicht erfüllten, werden letztlich nachersetzt. Für einen Nachersatz trotz geringer Laufleistung oder nur weniger Einsatztage kann es im Einzelfall nachvollziehbare Argumente geben. Die Begründungen waren jedoch sehr pauschal gehalten (z. B. „Bedarfsabdeckung“, „funktionelle Erfordernisse“). Der Rechnungshof hält den Nachersatz in diesen Fällen für nicht ausreichend begründet.
Die vorhandenen Daten werden kaum dazu genutzt, die Auslastung des Leasingfuhrparks kritisch zu analysieren und den Umfang des Nachersatzes zu steuern. Hier müsste das zentrale Fuhrparkmanagement im Zusammenwirken mit den Polizeidienststellen und Einrichtungen aktiver werden.
Über die haushaltsrechtliche Verpflichtung zu wirtschaftlichem Handeln hinaus besteht allerdings bislang für die betroffene Polizeidienststelle bzw. die betroffene Einrichtung kein wirtschaftlicher Anreiz, auf nicht bzw. nicht unbedingt benötigte Fahrzeuge zu verzichten. Es könnte daher - zunächst als Modellversuch - erprobt werden, eingesparte Mittel aus einem zumindest temporären Verzicht auf Leasingfahrzeuge der initiierenden Polizeidienststelle bzw. Einrichtung wieder zugute kommen zu lassen. Dadurch würde gleichzeitig die dezentrale Ressourcenverantwortung gestärkt.
2.5 Kauffahrzeuge
Die knapp 1.800 landeseigenen Kauffahrzeuge der Polizei sind im Durchschnitt etwa sieben Jahre alt. Im Vergleich zum Leasingfuhrpark sind sie damit deutlich älter und in Teilen nicht auf dem neuesten technischen Stand. Von Seiten der Polizei wird daher ein Investitionsstau beklagt.
Grundlage für den Nachersatz veralteter Kauffahrzeuge sind die sogenannten Aussonderungskriterien. Diese Kriterien („älter als 15 Jahre“, „älter als 10 Jahre und 200.000 km Laufleistung“ oder „200.000 km Laufleistung und 30.000 km im Jahr“) erfüllten zum 1. Januar 2019 genau 262 Fahrzeuge.
Eine Auswertung zeigt, dass zwischen den beiden Kriterien „Alter“ und „Laufleistung“ häufig kein Zusammenhang besteht. Der Großteil der sehr alten Fahrzeuge gehört zur Kategorie Transporter und hatte eine jährliche Laufleistung von weniger als 5.000 km.
Wie viele ältere Fahrzeuge tatsächlich nachersetzt werden, hängt von den zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln ab. Daher erstellt das PTLS Pol in Zusammenarbeit mit den Polizeidienststellen und Einrichtungen eine Prioritätenliste. Wenn Fahrzeuge wegen Totalschadens kurzfristig zu ersetzen sind, rücken diese unabhängig von den Aussonderungskriterien auf der Prioritätenliste nach oben. Welche Fahrzeuge ersetzt werden, hängt somit nicht nur vom Haushaltsansatz, sondern auch von Zufälligkeiten ab.
Der Rechnungshof verkennt nicht, dass es Fahrzeuge gibt, die für einen spezifischen Einsatzfall vorgehalten werden müssen. Dennoch stellt sich bei Fahrzeugen mit weniger als 5.000 km Laufleistung jährlich vor einem Nachersatz die Frage nach dem tatsächlichen Bedarf. Insbesondere bei den Fahrzeugen, die älter als 15 Jahre sind, sieht der Rechnungshof auch Einsparpotenziale.
Bei der Festlegung der Prioritäten sollte der gesamte Kauffuhrpark in die Betrachtung einbezogen werden. Wesentliche Kriterien können neben dem Alter der Fahrzeuge und der Laufleistung auch der Einsatzzweck oder das Fehlen von Sicherheitssystemen sein.
3 Empfehlungen
3.1 Fahrzeugbemessung am tatsächlichen Personalbestand orientieren
Die Fahrzeugbemessung sollte sich stärker am tatsächlichen Personalbestand orientieren. Durch das Leasingmodell besteht die dafür notwendige Flexibilität.
3.2 Auslastung verbessern
Die seit längerem geplante Einführung eines elektronischen Fahrtenbuchs sollte, gegebenenfalls mit freien oder frei werdenden Mitteln aus der Rücklage „digital@bw II“, zügig umgesetzt werden. Dabei sollte die Möglichkeit vorgesehen werden, den Einsatz der Fahrzeuge stundengenau zu analysieren.
Mit einer verstärkten Poolbildung können Potenziale für einen wirtschaftlicheren Betrieb des Fuhrparks offengelegt werden. Dafür sollten an allen Standorten mit mehreren Organisationseinheiten die Standardfahrzeuge in Fahrzeugpools zusammengeführt werden. Auf eine feste Zuweisung von Fahrzeugen an kleine Organisationseinheiten oder einzelne Personen, wie z. B. Personalrat oder Einsatztrainer, sollte verzichtet werden.
3.3 Laufleistung der Leasingfahrzeuge analysieren und steuern
Es sollte ein regelmäßiger Abgleich der Laufleistungen der Bestandsfahrzeuge mit den vertraglich vereinbarten Laufleistungen durchgeführt werden. Bei erheblichen Abweichungen sollte mit Vertragsanpassungen oder Standortveränderungen gegengesteuert werden. Die vertragliche Laufleistung des Nachfolgerfahrzeugs sollte gegebenenfalls angepasst werden.
3.4 Anreize für wirtschaftlicheres Verhalten beim Fahrzeugleasing setzen
Beim Nachersatz von Leasingfahrzeugen sollten die voraussichtliche Personalentwicklung und die Auslastung der aktuellen Fahrzeuge stärker berücksichtigt werden. Die Kriterien für den Nachersatz sollten strenger gefasst werden.
Das Innenministerium sollte den Polizeidienststellen und Einrichtungen die Möglichkeit einräumen, freiwillig und temporär (z. B. für ein Jahr oder einen Leasingzyklus) auf Leasingfahrzeuge mit voraussichtlich geringer Laufleistung bzw. wenigen Einsatztagen zu verzichten. Der finanzielle Gegenwert könnte für zusätzliche, bedarfsgerechte Ersatzbeschaffungen von Kauffahrzeugen dieser Polizeidienststelle bzw. dieser Einrichtung genutzt werden.
Darüber hinaus sollte gemeinsam mit dem Finanzministerium die Möglichkeit geprüft werden, die eingesparten Mittel aus dem zumindest temporären Verzicht auf Leasingfahrzeuge auch zur Verstärkung der dezentralen Sachmittelbudgets zu verwenden.
3.5 Nachersatz von Kauffahrzeugen mit geringer Laufleistung hinterfragen
Bei der geplanten Evaluation des Fuhrparkberichts sollte geprüft werden, ob und in welchem Umfang auf einen Nachersatz von Sonderfahrzeugen oder anderen Fahrzeugen mit geringer Laufleistung aus wirtschaftlichen Gründen verzichtet werden kann.
3.6 Ausstattung mit Bundesfahrzeugen erhöhen
Das Innenministerium sollte - gegebenenfalls gemeinsam mit anderen Ländern - gegenüber dem Bund auf eine vereinbarungsgemäße, bedarfsgerechte Ausstattung mit Bundesfahrzeugen drängen.
3.7 Schadensmanagement zentralisieren
Um spezielles Fachwissen nicht bei allen Polizeidienststellen und Einrichtungen vorhalten zu müssen, sollte das Schadensmanagement beim PTLS Pol zentralisiert werden.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Aus Sicht des Innenministeriums wird das Fuhrparkmanagement der Polizei bereits jetzt aktiv durchgeführt. Mit der Einführung eines elektronischen Fahrtenbuchs werde man ein zusätzliches Steuerungsinstrument an die Hand bekommen, um den Fuhrpark moderner und noch ressourcenschonender zu managen. Dann könnten auch die Empfehlungen des Fuhrparkberichts konsequenter umgesetzt werden. Die konkreten Planungen für die Einführung des elektronischen Fahrtenbuchs hätten 2019 begonnen. Für Mitte 2021 sei eine Evaluation des Projekts Polizeifuhrpark vorgesehen.
Eine Fahrzeugbemessung anhand des sich ständig wandelnden tatsächlichen Personalbestands sei mit den Vorlaufzeiten bei der Beschaffung nicht vereinbar. Das Ministerium hält deshalb am gegenwärtigen Verfahren der Bemessung fest.
Hinsichtlich des Nachersatzes von Fahrzeugen verweist das Ministerium darauf, dass spezialisierte Fahrzeuge auch bei geringen Laufleistungen und wenigen Einsatztagen zwingend vorgehalten werden müssten
Bei dem vom Rechnungshof skizzierten Anreizmodell sieht das Ministerium die Gefahr, dass hierdurch die Vorteile einer zentralen Fuhrparkverwaltung durch das PTLS Pol verloren gehen könnten. Dem Vorschlag, das Schadensmanagement beim PTLS Pol zu bündeln, hält es die Zielsetzung der Polizeireform entgegen, leistungsstarke Polizeipräsidien in der Fläche zu erhalten.
Das Ministerium kündigt an, es werde sich weiterhin konsequent für einen vollständigen Erhalt der mit dem Bund vereinbarten Ausstattung der Bereitschaftspolizei einsetzen.
5 Schlussbemerkung
Der Rechnungshof hält daran fest, dass eine Orientierung der Fahrzeugbemessung am voraussichtlichen tatsächlichen Personalbestand sachgerechter und wirtschaftlicher wäre als die derzeitige Orientierung an der Stellenzahl.
Er teilt nicht die Auffassung des Ministeriums, dass durch das vorgeschlagene Anreizmodell die Vorteile einer zentralen Fuhrparkverwaltung verloren gingen. Vielmehr könnte die Aufgabenverteilung zwischen zentralem und dezentralem Fuhrparkmanagement durch die Empfehlungen zum Anreizmodell und zum Schadensmanagement optimiert werden.
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Einzelplan 04: Ministerium für Kultus, Jugend und Sport
Fünf Jahre nach Einrichtung der Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren und der gesetzlichen Verankerung der Inklusion gibt es noch Verbesserungspotenzial. Dies gilt insbesondere für die Verfahrensabläufe bei der Feststellung des Anspruchs auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot, die Berechnung der Lehrkräfteressourcen sowie das Qualitätsmanagement.
1 Ausgangslage
Baden-Württemberg hat im Jahr 2015 dem Anliegen der UN-Behindertenrechtskonvention Rechnung getragen und das Bildungssystem im Bereich des Sonder- bzw. Förderschulwesens grundlegend umgestaltet. Seitdem ist die Sonderschulpflicht für behinderte Kinder und Jugendliche entfallen. Die bisherigen Sonder-/Förderschulen wurden in Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) umgewandelt. Das Wahlrecht der Erziehungsberechtigten über die Form der Beschulung sowie die Inklusion als Aufgabe aller Schulen wurden wesentliche Eckpfeiler der neuen Regelungen.
Für Kinder und Jugendliche, die besondere pädagogische Unterstützung benötigen, unterscheidet das Schulsystem in Baden-Württemberg drei Arten:
- Kinder und Jugendliche mit besonderem Förderbedarf,
- Kinder und Jugendliche mit sonderpädagogischem Beratungs- und Unterstützungsbedarf,
- Kinder und Jugendliche mit Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot.
Der Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot kann in drei Organisationsformen erfüllt werden. Es sind dies die inklusive Beschulung an allgemeinen Schulen, die Beschulung an einem sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum sowie die kooperative Form des gemeinsamen Unterrichts an allgemeinen Schulen in der Verantwortung eines sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrums.
Im Schuljahr 2018/19 wurden an den öffentlichen allgemein bildenden Schulen in Baden-Württemberg insgesamt 994.473 Schülerinnen und Schüler unterrichtet.
Hiervon hatten 42.762 einen Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot. Dieser wurde für 34.321 Schülerinnen und Schüler an einem der insgesamt 401 SBBZ erfüllt, während 8.441 inklusiv an allgemeinen Schulen beschult wurden.
Sonderpädagogische Bildungsangebote gibt es für sieben Förderschwer-punkte.
Der Förderschwerpunkt „Lernen“ bildet den zahlenmäßig größten Bereich. Er betraf im Schuljahr 2018/19 insgesamt 22.115 Schülerinnen und Schüler. Von diesen wurden 16.430 an 261 SBBZ und 5.685 an 800 allgemeinen Schulen beschult. In diesem Förderschwerpunkt sind Kinder und Jugendliche mit umfassenden und lang andauernden Lernproblemen und Entwicklungsstörungen. Für sie ist eine erfolgreiche Beschulung nach den Bildungsgängen der allgemeinen Schulen zeitweise oder dauerhaft nicht möglich. Daher benötigen sie ein besonderes Bildungsangebot und werden zieldifferent unterrichtet.
Der Rechnungshof hat den Förderschwerpunkt „Lernen“ insbesondere im Hinblick auf die im Folgenden dargestellten Aspekte untersucht.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Die sonderpädagogische Diagnostik
Das Kultusministerium hat auf der Grundlage von § 84a des Schulgesetzes eine Verordnung über die Feststellung und Erfüllung des Anspruchs auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot (SBA-VO) erlassen. Im Wesentlichen sind in der SBA-VO folgende Verfahren geregelt:
- Die Antragstellung, im Regelfall durch die Erziehungsberechtigten und einen pädagogischen Bericht der Schule.
- Die Einleitung des Verfahrens durch das zuständige Staatliche Schulamt.
- Die sonderpädagogische Diagnostik, d. h. das Gutachten zur Überprüfung eines sonderpädagogischen Bildungsanspruchs.
- Die Feststellung des Anspruchs bzw. Ablehnung durch das Staatliche Schulamt.
- Die Erfüllung des Anspruchs unter Berücksichtigung des Wahlrechts der Erziehungsberechtigten.
2.1.1 Gutachten oder vereinfachtes Verfahren
Nach Einleitung des Feststellungsverfahrens beauftragt die untere Schulaufsichtsbehörde im Regelfall eine Lehrkraft für Sonderpädagogik mit der sonderpädagogischen Diagnostik (Gutachten). Das Gutachten kann eine pädagogisch-psychologische Prüfung einschließlich Schulleistungsprüfung und Intelligenztest beinhalten.
Die Diagnostik ist zeitaufwendig und mit vielen Dokumentationen verbunden. Sie bindet erhebliche Lehrkräfteressourcen. Sonderpädagogen, die mit der Diagnostik beauftragt sind, fehlen in dieser Zeit für Unterricht und andere sonderpädagogische Aufgaben.
Die SBA-VO ermöglicht auch ein vereinfachtes Verfahren ohne ein aufwendiges Gutachten. Dies ist möglich, falls die Schule eine sonderpädagogische Lehrkraft bei ihrem pädagogischen Bericht einbezogen hat und der Bericht zu dem zweifelsfreien Schluss kommt, dass ein Anspruch besteht.
Dies ist nach Darstellung des Kultusministeriums in der Regel dann der Fall, wenn die Kinder bzw. Schülerinnen und Schüler in die sonderpädagogische Frühförderung oder den sonderpädagogischen Dienst einbezogen waren oder einen Schulkindergarten besuchten.
Die Erhebungen des Rechnungshofs haben gezeigt, dass von mehr als 14.000 Anträgen im Schuljahr 2018/19 lediglich 4,5 Prozent im vereinfachten Verfahren abgewickelt wurden. Die überwiegende Mehrheit der Verfahren wird bisher über die aufwendige sonderpädagogische Diagnostik begutachtet. Davon führten 97 Prozent zur Bestätigung des Anspruchs. Dies bedeutet, dass ein zeitaufwendiges und personalintensives Verfahren durchgeführt wurde, das am Ende fast immer den Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot bestätigt.
Das Kultusministerium begründet dies damit, dass in der Anfangsphase der Einführung der Inklusion niederschwellige präventive Maßnahmen weniger in Anspruch genommen worden seien. Inzwischen unternehmen Schulen und Schulverwaltung Anstrengungen, dass hiervon stärker Gebrauch gemacht werde. Damit würden auch die Fälle zunehmen, in welchen die Voraussetzungen für ein vereinfachtes Verfahren vorlägen. Für die Erstellung der Gutachten erhalten Lehrkräfte für jeweils acht Feststellungsverfahren eine Anrechnungsstunde. Nach der amtlichen Schulstatistik wurden im Schuljahr 2018/19 im Förderschwerpunkt Lernen insgesamt 51,2 Lehrerdeputate angerechnet.
Wenn das vereinfachte Verfahren wie vom Kultusministerium dargestellt in Zukunft in größerem Umfang zum Einsatz kommt, können künftig Lehrkräftedeputate für den Unterricht freigesetzt werden.
2.1.2 Unterschiedlicher Einsatz der Lehrkräfte
In der Schulpraxis handhabten die SBBZ den Einsatz von Lehrkräften für die Gutachtenerstellung sehr unterschiedlich. Einige bündelten die Aufgabe bei zwei bis drei Lehrkräften, andere verteilten sie auf fast alle sonderpädagogischen Lehrkräfte. Im Ergebnis gibt es Lehrkräfte, die bis zu 50 Gutachten und Lehrkräfte, die nur 1 bis 2 Gutachten im Schuljahr erstellen. Lehrkräfte, die weniger als 8 Gutachten fertigen, bekommen zwar keine Anrechnungsstunden. Aber auch hier würde eine Verschlankung des Gutachtenverfahrens zu Zeitersparnis führen. Die hierfür aufgewendete Zeit könnte im Rahmen des Deputats für andere dringende Aufgaben verwendet werden. Eine weitere Prozessverschlankung könnte durch die Zentralisierung der Gutachtenerstellung an den sechs Regionalstellen des Zentrums für Schulqualität und Lehrerbildung durch dahin abgeordnete Lehrkräfte erreicht werden. Diese Lehrkräfte könnten in einem rotierenden System nach einiger Zeit wieder in die Schulen zurückkehren.
Dies und der konsequente Einsatz des vorhandenen IT-Verfahrens zur webbasierten sonderpädagogischen Diagnostik (WSD) könnte auch zur Entlastung der SBBZ und der Vereinheitlichung der diagnostischen Verfahren beitragen.
2.2 Lehrkräfteressourcen
Den SBBZ werden zur Erfüllung ihrer Aufgaben Lehrerstundenbudgets zugewiesen. Die Berechnung, Zusammensetzung und Verteilung der Budgets regelt das Kultusministerium für jedes Schuljahr im sogenannten Organisationserlass.
Im Förderschwerpunkt Lernen werden die zuzuweisenden Lehrkräfteressourcen auf Basis festgelegter Prozentsätze aus der Gesamtzahl aller Grundschüler bzw. aller Schülerinnen und Schüler im Alter zwischen 6 und 15 Jahren festgelegt.
Dieses Verfahren zur Lehrkräftebemessung und Verteilung wird seit dem Schuljahr 2004/05 angewendet. Die zugrunde liegenden Annahmen beruhen nach Angaben des Kultusministeriums auf Daten des Deutschen Bildungsrates von 1973. Auch nach Einführung der Inklusion wurde das Rechenmodell nicht angepasst. Die aktuelle Ressourcenplanung und Verteilung auf der Grundlage von festen Prozentsätzen dürfte der Struktur der heutigen Schülerschaft nicht mehr gerecht werden. So hat sich inzwischen die Zahl der Schüler an allgemein bildenden Schulen vom Schuljahr 2015/16 bis zum Schuljahr 2018/19 um 2 Prozent vermindert, während die Zahl der Schülerinnen und Schüler im Förderschwerpunkt Lernen von 20.067 auf 22.115, also um rund 10 Prozent gestiegen ist. Der relative Anteil dieser Schüler an der Gesamtschülerzahl hat sich somit erhöht.
Für eine realitätsbezogene Ressourcenberechnung böten sich zukünftig zwei Alternativen: Zum einen die Anpassung der bisherigen demografischen Faktoren an aktuelle sozioökonomische Daten, zum anderen die Umstellung auf ein neues Rechenmodell, das sich flexibler an geänderte Strukturen und dem Schulwahlverhalten der Eltern anpassen kann.
2.3 Monitoring
Die Steigerung der Schülerzahlen im Förderschwerpunkt Lernen erfolgte sowohl an den SBBZ (plus 506 Schülerinnen und Schüler, entspricht 3,2 Prozent), als auch in der Inklusion an den allgemeinen Schulen (plus 1.542 Schülerinnen und Schüler entspricht 37 Prozent). Das Kultusministerium hat reagiert und im Oktober 2017 ein sogenanntes Monitoringverfahren gestartet.
Ziel des Monitorings ist es, „durch eine überlegte Steuerung die Ressourcen passgenau und zielgerichtet einsetzen zu können“. Das Verfahren soll die Entwicklung der Zahl der Schülerinnen und Schüler mit einem festgestellten Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot, deren Verteilung auf die verschiedenen Lernorte und die Förderschwerpunkte regelmäßig in den Blick nehmen.
Zum Zeitpunkt der Prüfung hatte noch keine Bündelung und Zusammenschau der Ergebnisse auf Landesebene stattgefunden. Auch fehlte es an konkreten Terminsetzungen für die Meldungen und das weitere Verfahren. Wir stellten fest, dass eineinhalb Jahre nach Start des Verfahrens nur zwei Drittel der 21 Staatlichen Schulämter das Monitoring durchgeführt hatten. Das Ministerium und die Regierungspräsidien als obere Schulaufsichtsbehörden waren ihrer Steuerungsfunktion nicht ausreichend nachgekommen. Anders lässt es sich nicht erklären, dass ein Drittel der Staatlichen Schulämter mit dem Monitoring noch nicht begonnen hatte. Der gewünschte „kontinuierliche Arbeitsprozess“ des Monitorings in der gesamten Schulverwaltung ist noch nicht etabliert.
Das Kultusministerium hat nach eigenen Angaben inzwischen bereits veranlasst, dass die Aufgaben des Monitorings von allen Schulämtern wahrgenommen werden und die Regierungspräsidien die Zusammenschau von Erkenntnissen und Maßnahmen an das Ministerium berichten. Dann sollen mit den Beteiligten schulamtsbezogene Steuerungsmaßnahmen entwickelt und vereinbart werden.
2.4 Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung
Im Einzelplan 04 des Staatshaushaltsplans hat die Landesregierung bei den politischen Zielen des Ministeriums für den Bereich der „Sonderschulen“ nur Kennzahlen zur Schüler-Lehrer-Relation ausgewiesen. Diese Kennzahlen zur Lehrerversorgung haben wenig Aussagekraft über die Qualität des Unterrichts und den Bildungserfolg der Schüler. Der Rechnungshof hatte 2018 der Landesregierung in einer gutachtlichen Äußerung empfohlen, ein wirkungsorientiertes Bildungscontrolling aufzubauen. So sollten zukünftig auch Aussagen getroffen werden können, mit welcher Beschulung und mit welchen Fördermaßnahmen der Bildungserfolg steigt. Hier könnten auch Ergebnisse aus Vergleichsarbeiten der Beschulung im SBBZ und in der Inklusion in ein kennzahlengesteuertes Qualitätssystem einfließen.
Erfolgreich ist die sonderpädagogische Beschulung insbesondere, wenn sie den Jugendlichen später eine Teilhabe am beruflichen und damit gesellschaftlichen Leben ermöglicht. Seit 15 Jahren werden nach Auskunft des Kultusministeriums die Abschlüsse von Absolventen der Förderschulen/SBBZ Lernen erfasst und untersucht. Eine entsprechende Evaluation mit Kennzahlen über den Bildungserfolg und die daraus abzuleitenden Maßnahmen hat der Rechnungshof bei seinen Erhebungen nicht vorgefunden.
Die Erhebungen des Rechnungshofs haben gezeigt, dass Informationen und Daten über Schülerinnen und Schüler an unterschiedlichen Orten über unterschiedliche Medien (Papier, IT, Klassenbuch usw.) vorgehalten werden. Selbst IT-Instrumente, die verfügbar waren, wurden nicht immer konsequent eingesetzt. So wurde das IT-Verfahren „Sonderpädagogische Fallarbeit“ (SPFA) zur Steuerung der „Sonderpädagogischen Fallarbeit“ nicht von allen Staatlichen Schulämtern genutzt oder der Datenbestand war nicht lückenlos geführt.
Eine wesentliche Herausforderung der Sonderpädagogik ist die Begleitung von Schülerbiografien. Dies ist effektiv nur möglich, wenn die Daten mit IT-Verfahren dokumentiert und damit erschlossen werden. Nur so können alle Akteure auf die notwendigen Daten zugreifen. Eine Messung des Erfolgs sonderpädagogischer Maßnahmen ist nur über die Auswertung von Schülerbiografien möglich. Eine anonymisierte Auswertung über den Bildungserfolg kann nur durchgeführt werden, wenn die Daten elektronisch erschlossen sind.
2.5 Organisation der Inklusion an den allgemeinen Schulen
Das Schulgesetz regelt in § 83 Absatz 3, wie der Wunsch der Erziehungsberechtigten, ihr Kind inklusiv beschulen zu lassen, umgesetzt werden kann.
In solchen Fällen soll die Schulaufsichtsbehörde im Rahmen einer Bildungswegekonferenz die Erziehungsberechtigten beraten und ein Bildungsangebot an einer allgemeinen Schule vorschlagen. Grundlage hierfür bildet eine raumschaftsbezogene Schulangebotsplanung, die mit allen berührten Stellen (Schulen, Schulträger, Leistungs- und Kostenträger usw.) abgestimmt ist.
Das Schulgesetz fordert, dass bei zieldifferent zu beschulenden Schülerinnen und Schülern inklusive Bildungsangebote grundsätzlich gruppenbezogen zu organisieren sind. Dies trifft regelmäßig auf alle Schülerinnen und Schüler im Förderschwerpunkt Lernen zu. Die vorgeschriebene Gruppenlösung kann auch jahrgangsübergreifend eingerichtet werden. Gruppenlösungen erleichtern die Organisation der sonderpädagogischen Unterstützung und Förderung und führen zu einem wirtschaftlichen Umgang mit den sonderpädagogischen Lehrkräfteressourcen.
Der Rechnungshof hat für alle 800 allgemeinen Schulen, die im Schuljahr 2018/19 Schülerinnen und Schüler im Förderschwerpunkt Lernen inklusiv beschulten, untersucht, ob auf Basis der vorhandenen Inklusionsschüler Gruppenlösungen möglich gewesen wären. Der Rechnungshof geht dabei von Gruppengrößen mit jeweils fünf Schülerinnen und Schülern aus. Diese Gruppengröße gewährleistet, auch nach Aussage von Schulpraktikern, die pädagogische Arbeit und optimiert den Ressourceneinsatz der Lehrkräfte.
Berechnungsgrundlage waren die Schülerzahlen im Förderschwerpunkt Lernen in den Klassen eins und zwei sowie drei und vier für die Primarstufe. Für die Sekundarstufe I haben wir rechnerische Gruppenlösungen in den Klassen fünf und sechs, sieben und acht sowie neun und zehn angenommen.
Im Ergebnis hätten in der Primarstufe maximal 30 Prozent der Schulen aufgrund der vorhandenen Inklusionsschüler die geforderte Gruppenlösung für Schülerinnen und Schüler im Förderschwerpunkt Lernen anbieten können. Für die Sekundarstufe I wäre dies immerhin fast der Hälfte der Schulen möglich gewesen.
3 Empfehlungen
3.1 Sonderpädagogische Diagnostik soweit als möglich in vereinfachtem Verfahren abwickeln
Die Möglichkeit des vereinfachten Verfahrens nach der SBA-VO sollte künftig konsequent genutzt werden.
Zusätzlich sollte das Kultusministerium im Rahmen eines Pilotprojekts die sonderpädagogische Diagnostik eines Schulamtsbezirks an einer der Regionalstellen des Zentrums für Schulqualität und Lehrerbildung ansiedeln und dieses Projekt nach einer Testphase evaluieren.
3.2 Lehrkräfteressourcen flexibel berechnen und verteilen
Mit Blick auf eine wirklichkeitsnahe Ressourcenberechnung sollte das Kultusministerium ein Rechenmodell für den Förderschwerpunkt Lernen entwickeln, welches auf die Entwicklung der Schülerzahlen reagieren kann und eine flexible Verteilung der Lehrkräfteressourcen auf die verschiedenen Organisationsformen ermöglicht. Dies sollte im Rahmen der Überarbeitung des Organisationserlasses geschehen.
3.3 Erkenntnisse des Monitorings umsetzen und Maßnahmen evaluieren
Um eine passgenaue und zielgerichtete Steuerung der Ressourcen zu erreichen, sollte das Monitoring auf Schulamtsebene weiter vorangetrieben werden. Die Umsetzung der zu entwickelnden und zu vereinbarenden Maßnahmen und deren Evaluierung sollte sichergestellt werden.
3.4 Qualitätsmanagement mit Kennzahlen entwickeln
Für den sonderpädagogischen Bereich sollte im Rahmen des neuen Qualitätskonzepts ein einheitliches Qualitätsmanagement mit Steuerungskennzahlen entwickelt werden.
Ein aussagekräftiges Bildungscontrolling erfordert IT-gestützte Verfahren zur Datenerhebung und Analyse. Das vorhandene IT-Verfahren SPFA sollte daher verpflichtend genutzt werden.
Das Kultusministerium soll prüfen, ob das Verfahren SPFA zu einer elektronischen, datenschutzkonformen Schülerakte weiterentwickelt werden kann.
3.5 Gruppenlösungen für Inklusion an den allgemeinen Schulen anstreben
Die Schulaufsichtsbehörden sollen Schülerinnen und Schüler, die zieldifferent unterrichtet werden müssen, vorrangig auf Schulen verteilen, die Gruppenlösungen, wie im Schulgesetz gefordert, anbieten können.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Nach Auffassung des Kultusministeriums sei eine Zentralisierung der Gutachtenerstellung auf Ebene der Regionalstellen nicht möglich, weil die begutachtenden Lehrkräfte in den Unterricht eingebunden sein sollten. Außerdem sollten sie die Gegebenheiten am Wohnort und im Umfeld kennen.
Die Empfehlung des Rechnungshofs zur Berechnung und Steuerung der Lehrkräfteressourcen will das Ministerium bei der anstehenden Überarbeitung des Organisationserlasses berücksichtigen.
Das Kultusministerium hält ein einheitliches Qualitätsmanagement mit Steuerungskennzahlen wegen der individuellen Bildungsbiografien für schwer realisierbar. Das Ministerium setze daher auf eine einzelfallbezogene individuelle Lern- und Entwicklungsbegleitung (ILEB). Es werde außerdem prüfen, ob und inwieweit das Verfahren SPFA zu einer elektronischen Akte im Bereich Sonderpädagogik weiterentwickelt werden kann.
Hinsichtlich der Gruppenlösungen teilt das Ministerium mit, die Schulämter seien dazu übergegangen, mit allen beteiligten Stellen gruppenbezogene Bildungsangebote zu planen. Durch diese Maßnahme will das Ministerium dem selbst gesteckten Ziel gruppenbezogener Bildungsangebote näherkommen.
5 Schlussbemerkung
Insgesamt sieht der Rechnungshof die Kultusverwaltung und die Schulen auf dem richtigen Weg. Noch fehlt es an der Konsolidierung der unterschiedlichen Einzelmaßnahmen und dem einheitlichen Verwaltungshandeln über alle Regionen hinweg. Zukünftig sollten auch Möglichkeiten der Prozessverschlankung bei der sonderpädagogischen Diagnostik ergriffen und entsprechende organisatorische Maßnahmen in die Wege geleitet werden. Den Bedenken des Ministeriums zur Zentralisierung der Gutachtenerstellung trägt die Empfehlung des Rechnungshofs, dies in einem Modellversuch zu erproben, Rechnung.
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Einzelplan 06: Ministerium für Finanzen
Das Land sollte die Aufgaben der Familienkasse auf die Bundesagentur für Arbeit übertragen. Dabei sollten die derzeitigen Qualitätsstandards bei der Aufgabenerledigung und den Serviceleistungen für die Bediensteten des Landes verbindlich sichergestellt werden. Mit der Übertragung könnten im Landesamt für Besoldung und Versorgung Personalkapazitäten von 26 Vollzeitäquivalenten freigesetzt, eine Abteilung aufgelöst und damit die Organisation verschlankt werden.
Die frei werdenden Kapazitäten sollten zunächst genutzt werden, um den vom Rechnungshof ermittelten Personalmehrbedarf im Aufgabenbereich Besoldung und Versorgung zu decken. Verbleibende freie Personalkapazitäten sollten abgebaut werden.
1 Ausgangslage
In der Abteilung 3 des Landesamts für Besoldung und Versorgung (LBV) wird die Besoldung und Versorgung der Beamten und Ruhestandsbeamten des Landes bearbeitet. Zum Prüfungszeitpunkt verfügte die Abteilung über eine Personalkapazität von knapp 160 Vollzeitäquivalenten (VZÄ). Bei früheren Prüfungen der Finanzkontrolle waren in den Bereichen Besoldung und Versorgung hohe Beanstandungsquoten festgestellt worden. Zudem ergaben sich zahlreiche Hinweise auf organisatorische Defizite, etwa personelle Engpässe, unzureichendes Wissensmanagement und ineffiziente Geschäftsprozesse. Gleichzeitig ist diese Abteilung in Teilbereichen durch eine hohe Fluktuation gekennzeichnet.
Das Kindergeld wird in Deutschland von den Familienkassen festgesetzt und ausgezahlt. Zuständig sind grundsätzlich die Familienkassen der Bundesagentur für Arbeit (BA). Daneben besteht jedoch für die Angehörigen des öffentlichen Dienstes eine Sonderregelung, wonach die jeweiligen Dienstherren als Familienkasse für das Kindergeld zuständig sind. Für die Bediensteten des Landes erfolgt die Bearbeitung des Kindergeldes im LBV. Seit 2016 ist es möglich, die Aufgaben als Familienkasse ohne Kostenersatz auf die BA zu übertragen.
Mit der Festsetzung des Kindergelds sind weitere Leistungen des Landes eng verbunden. So knüpfen beispielsweise die Familienzuschläge für Beamte als sogenannte „Annexleistung“ an den Kindergeldanspruch an. Eine Bindung an das Kindergeld besteht auch beim Beihilfeanspruch der Beamten und deren Kindern. Auch diese Leistungen werden im LBV bearbeitet. Sie würden auch nach einer Übertragung der Kindergeldaufgaben an die BA dort verbleiben.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Personalbedarfsermittlung
Der Aufgabenbereich Besoldung und Versorgung ist insgesamt gekennzeichnet durch kontinuierlich ansteigende Zahlfälle und - in Teilen - durch Arbeitsrückstände. Zwischen 2016 und 2018 haben insgesamt 13 Sachgebietsleiter der Laufbahngruppe gehobener Dienst die Abteilung verlassen. Dies entspricht einem Abgang von rund einem Fünftel der Mitarbeiter in dieser Funktion.
Der Rechnungshof hat die Aufgaben und den Personaleinsatz der Abteilung 3 untersucht. Dazu hat er für geeignete Aufgabenbereiche eine analytische Personalbedarfsberechnung durchgeführt. Dabei wurden die Aufgaben der Abteilung vollständig erhoben und die jährlichen Mengen und Bearbeitungszeiten von den Mitarbeitern geschätzt. Die Personalbedarfsermittlung des Rechnungshofs ergab, dass in Teilbereichen ein deutlicher Bedarf an zusätzlichem Personal besteht.
Für den sogenannten „Regelungsbereich“, in dem die laufenden Zahlungen der Besoldungs- und Versorgungsbezüge sichergestellt werden, ergibt die Personalbedarfsermittlung bei einer aktuellen Ist-Kapazität von rund 92 VZÄ einen Mehrbedarf von insgesamt 5,5 VZÄ. Der Schwerpunkt des Mehrbedarfs liegt dabei mit 4 VZÄ bei den Sachgebietsleitungen. In diesen Funktionen war die Fluktuation in den vergangenen Jahren besonders ausgeprägt.
Im sogenannten „Festsetzungsbereich“ werden u. a. Versorgungskonten geführt, Versorgungsauskünfte erteilt und Versorgungsbezüge festgesetzt. Hier hat der Rechnungshof einen Mehrbedarf von 0,5 VZÄ ermittelt.
Ferner gibt es Arbeitsgebiete mit speziellen Aufgaben wie beispielsweise der Nachversicherung, dem Versorgungsausgleich und der Versorgungslastenteilung. Für diese Gebiete weist die Personalbedarfsermittlung einen zusätzlichen Bedarf von 3 VZÄ aus.
Insgesamt hat der Rechnungshof einen Personalmehrbedarf für die Abteilung 3 von rund 9 VZÄ festgestellt, davon 6 VZÄ für die Sachgebietsleitungen.
Zudem gibt es Hinweise auf personelle Mehrbedarfe in anderen Bereichen, etwa bei der Beihilfe, der Innenrevision oder dem Wissensmanagement. Eine belastbare Personalbedarfsberechnung für diese Bereiche liegt allerdings nicht vor.
2.2 Wissensmanagement
Die hohe Fluktuation führt in den betroffenen Arbeitsbereichen zu einem permanent hohen Aufwand für die Einarbeitung und den (Wieder-) Aufbau von Know-how. Das Wissensmanagement ist in solchen Bereichen eine besondere Herausforderung.
Der Rechnungshof hat im Zuge der Prüfung eine Online-Umfrage bei den Mitarbeitern der Abteilung 3 durchgeführt. Die Mitarbeiter wurden gebeten, die Arbeitsbedingungen, die Organisation, die Personalentwicklung, aber auch das Wissensmanagement zu bewerten. Die Ergebnisse zeigen Defizite auf, die sich auch in der fachlichen Qualifikation der Mitarbeiter niederschlagen. Mit Blick auf die hohen Arbeitsmengen bleibt zu wenig Zeit für die fachliche Einarbeitung. So fühlt sich jeder zweite Mitarbeiter, der seit weniger als einem Jahr beim LBV beschäftigt ist, für seine Aufgabe unvorbereitet. Daneben wurden organisatorische Schwächen in der zentralen und strukturierten Vorhaltung von Wissen deutlich. Auch die Weitergabe von Wissen wird nach Auffassung der Befragten zu wenig gefördert. Dies führt in der Praxis zu Individuallösungen und damit uneinheitlichem Vorgehen bei der Aufgabenwahrnehmung.
Das LBV erarbeitet derzeit in einer internen Steuerungsgruppe ein Konzept mit Standards für die Einarbeitung neuer Mitarbeiter. Dies ist aus Sicht des Rechnungshofs ein wichtiger Schritt, der aber durch weitere Maßnahmen ergänzt werden muss. Hierfür gibt es durchaus Potenziale: So könnten verstärkt praxisbezogene Arbeitshilfen und Standardvorlagen vorgehalten und für das vorhandene elektronische „LBV-Lexikon“ stärker als bisher das Wissen der Mitarbeiter genutzt werden.
2.3 Reform der Familienkassen des öffentlichen Dienstes
Der Bund hat 2016 eine Familienkassenreform initiiert, bei der die Sonderzuständigkeit der Familienkassen des öffentlichen Dienstes des Bundes verpflichtend an die BA oder das Bundesverwaltungsamt übergeben wird. Das Gesetz zur Beendigung der Sonderzuständigkeit der Familienkassen des öffentlichen Dienstes im Bereich des Bundes vom 8. Dezember 2016 bietet darüber hinaus auch für die Familienkassen der Länder und Kommunen die Möglichkeit, auf ihre Zuständigkeit für die Kindergeldbearbeitung zu verzichten. Die Aufgabe kann ohne Verwaltungskostenerstattung an die BA abgegeben werden. Seit Beginn der Reform wurden rund 17.000 Familienkassen identifiziert, von denen Stand Januar 2020 knapp 12.800 bereits von der BA übernommen waren. Bis Ende 2019 hatten auch fünf Länder ihre Zuständigkeit abgegeben.
Die Kindergeldbearbeitung für Landesbedienstete wird in einem Referat der Abteilung 6 des LBV wahrgenommen. Hierfür werden aktuell rund 26 VZÄ eingesetzt. Neben der Kindergeldbearbeitung als Aufgabe der Familienkasse werden dort u. a. auch die Familienzuschläge für Beamte (§§ 40 ff. Landesbesoldungsgesetz BW) bearbeitet. Dies betrifft derzeit weitere rund 18 VZÄ.
Bei einer Übergabe der Aufgaben der Familienkasse an die BA würden die Aufgaben der Familienzuschlagsbearbeitung weiterhin im LBV verbleiben. Die hierfür erforderlichen Informationen über die Festsetzung von Kindergeld könnte das LBV elektronisch bei der BA beziehen und automatisiert weiterverarbeiten. Für die beim LBV verbleibenden Aufgaben würde damit eine neue Schnittstelle zu einem externen Partner entstehen.
Die Übertragung der Kindergeldaufgaben an die BA würde eine Abhängigkeit von der vorgelagerten Aufgabenerledigung der BA schaffen. Die Verantwortung für die darauf basierenden Aufgaben, etwa die Annexleistungen, verbliebe hingegen beim LBV.
Nach Auffassung des Rechnungshofs ist das Verfahren der Datenübernahme seitens der BA technisch sachgerecht gestaltet. Die Bearbeitung von Kindergeldfällen von Landesbediensteten erfolgt bei der BA in spezialisierten Teams, zudem kann auf direkte Ansprechpartner zurückgegriffen werden. Die von der BA angebotenen Verfahren sind geeignet, den Koordinierungsaufwand zwischen BA und LBV so gering wie möglich zu halten.
Aus Sicht des Rechnungshofs überwiegen die Vorteile einer Abgabe der Kindergeldbearbeitung an die BA. Allerdings sollte das Land darauf achten, dass die bisherigen Standards sowohl für die interne Bearbeitung als auch im Verhältnis zu den Leistungsberechtigten dauerhaft sichergestellt werden.
2.4 Organisation
Der Familienzuschlag ist Bestandteil des Besoldungs- und Versorgungsrechts und daher eng mit den Aufgaben der Abteilung Besoldung und Versorgung verknüpft. Diese bislang im Referat Familienkasse angesiedelten Aufgaben könnten in die Abteilung Besoldung und Versorgung integriert werden. Dann könnte das Referat aufgelöst werden.
Die Abteilung 6 würde nach Auflösung des Referats Familienkasse noch rund 88 VZÄ umfassen. Die verbleibenden Aufgaben ließen sich allerdings auch in andere Abteilungen integrieren. Die Abteilung 6 sollte aufgelöst und damit die Organisation des LBV verschlankt werden.
3 Empfehlungen
3.1 Aufgaben der Familienkasse an die Bundesagentur für Arbeit abgeben
Das LBV sollte die Möglichkeit der Familienkassenreform nutzen und die Kindergeldbearbeitung an die BA übertragen. Hierdurch könnten rund 26 VZÄ freigesetzt werden. Im Vorfeld der Übertragung sollten Qualitätsstandards und Geschäftsprozesse mit der BA verbindlich vereinbart werden.
3.2 Freigesetzte Personalkapazitäten nutzen
Von den frei werdenden 26 VZÄ sollten 9 VZÄ genutzt werden, den ermittelten Personalmehrbedarf in der Abteilung Besoldung und Versorgung zu decken. Sofern in anderen Bereichen ein Personalmehrbedarf mittels einer analytischen Personalbedarfsberechnung nachgewiesen wird, könnte auch dieser aus den frei werdenden Personalkapazitäten gedeckt werden. Verbleibende freie Personalkapazitäten sollten abgebaut werden.
3.3 Organisation anpassen
Die nach Abgabe der Kindergeldbearbeitung verbleibende Aufgabe des Familienzuschlags sollte einschließlich des hierfür eingesetzten Personals in die Abteilung 3 integriert und das Referat Familienkasse aufgelöst werden.
Die übrigen Aufgaben der Abteilung 6 könnten in andere Abteilungen integriert und die Abteilung 6 aufgelöst werden.
3.4 Wissensmanagement optimieren
Das LBV sollte sich verstärkt dem Erhalt und der Weitergabe von Fachwissen widmen. Dazu sollte das LBV ein strukturiertes Wissensmanagement etablieren und zentral koordinieren. Für die Geschäftsprozesse zum Wissensmanagement sollten Schnittstellen zu und innerhalb der Fachabteilungen festgelegt werden.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Finanzministerium hält die vom Rechnungshof vorgeschlagenen Maßnahmen zum Wissensmanagement für sinnvoll. Das LBV habe den Handlungsbedarf bereits 2019 erkannt und ein Einarbeitungskonzept erarbeitet, das noch vor der Sommerpause 2020 eingeführt werden soll. Im Anschluss daran solle ein Projekt zur Einführung eines verbesserten Wissensmanagements aufgesetzt werden.
Das Ministerium steht der Abgabe der Kindergeldaufgaben offen gegenüber. Es rechnet mit Blick auf die Erfahrungen anderer Länder und der Aufnahmekapazitäten der BA mit einem Vorlauf von mindestens einem Jahr. Unter Berücksichtigung eines erhöhten Koordinierungsaufwands nach einem Übergang auf die BA unterstellt das Ministerium ein etwas geringeres Freisetzungspotenzial als der Rechnungshof (25 statt 26 VZÄ).
Im Rahmen einer möglichen Abgabe der Kindergeldaufgaben und Umorganisation der Abteilung 3 werde das Ministerium auch die Möglichkeit der Reduzierung der Anzahl der Abteilungen im LBV prüfen.
Das Ministerium stimmt der Empfehlung des Rechnungshofs zum Personalmehrbedarf der Abteilung 3 des LBV zu. Für andere Bereiche des LBV würden in Zusammenarbeit mit dem LBV Personalbedarfsberechnungen durchgeführt. Das Ministerium verweist hierbei allerdings auf die im Haushaltsplan 2020/2021 zugegangenen Stellen, die insbesondere in den Bereichen IT und Beihilfe für erste Entlastung gesorgt hätten.
5 Schlussbemerkung
Das Organigramm des LBV weist zum Stand 1. Juni 2020 eine veränderte Struktur aus. So wurde das bisherige Referat 63 „Digitalisierung Posteingang“ der Abteilung 1 zugeordnet. Des Weiteren wurden Aufgaben der Widerspruchsbearbeitung und Schlusszeichnung für die Bereiche Beihilfe, Besoldung und Versorgung der Abteilung 6 angegliedert. Ferner wurde eine Organisationseinheit für Vergaberechtsaufgaben in Abteilung 6 neu eingerichtet. Daneben werden die Querschnittsaufgaben Organisation und Datenschutz aus der Abteilung 1 herausgelöst und der Abteilung 6 zugewiesen.
Der Rechnungshof hält es nicht für sachgerecht, die bisherige Bündelung von Fach- und Querschnittsaufgaben aufzugeben und neue Schnittstellen zwischen den Abteilungen zu schaffen. Er hält an seiner Empfehlung fest, die Abteilung 6 aufzulösen und die Organisation des LBV damit insgesamt zu straffen.
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Das Landesamt für Besoldung und Versorgung muss seine IT zukunftsfähig und entsprechend den Landesstandards aufstellen. Dafür benötigt es eine für die IT aussagekräftige Kosten- und Leistungsrechnung. Die selbst erstellten Fachverfahren und deren Betrieb verursachen jährlich Kosten von mindestens 14,4 Mio. Euro. Die Alternativen „Eigenentwicklung/-betrieb“ und „Fremdbezug“ sollten unter Wirtschaftlichkeitsaspekten ergebnisoffen geprüft werden.
1 Ausgangslage
Der Rechnungshof prüfte in den vergangenen Jahren IT-Einheiten der Landesverwaltung mit Rechenzentrumscharakter. Der Fokus lag hierbei auf der Umsetzung der IT-Neuordnung. Mit der Prüfung der IT des Landesamts für Besoldung und Versorgung (LBV) setzt der Rechnungshof diese Reihe fort.
Das LBV zahlt Gehälter, Kindergeld und Zuschüsse zu Krankheitskosten (Beihilfe) an Beamte, Ruhestandsbeamte und Arbeitnehmer des Landes Baden-Württemberg sowie Entschädigungsleistungen aus. Es bearbeitet auch Heilfürsorgeangelegenheiten für bestimmte Beamtengruppen des Landes Baden-Württemberg. Für viele Bereiche der Landesverwaltung ist es für die Abrechnung und Auszahlung von Reise- und Umzugskosten einschließlich Trennungsgeld zuständig. Das LBV ist aufgrund seiner Aufgaben eine personalstarke Behörde, für welche eine funktionierende IT unverzichtbar ist.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Softwareentwicklung und IT-Betrieb
Als IT-Fachzentrum entwickelt das LBV Fachverfahren für den Eigenbetrieb und stellt diese teilweise Dritten zur Verfügung. Die notwendige Infrastruktur wie z. B. Server und Datenbanken wird teilweise durch das Landeszentrum für Datenverarbeitung (LZfD) oder die Landesoberbehörde IT Baden-Württemberg (BITBW) betrieben.
2.2 IT-Projekte
2.2.1 Ausbau der Telearbeit
Seit über 10 Jahren wird die Telearbeit der LBV-Mitarbeiter durch ein selbst betriebenes IT-System unterstützt, welches nicht den Landesstandards entspricht. 2016 sollte das System aktualisiert, die Infrastruktur ausgebaut und weitere Telearbeitsplätze geschaffen werden. Das IT-Projekt wurde in Teilen mit Zeitverzögerungen umgesetzt.
Der Ausbau der IT-Infrastruktur für Telearbeiter hätte als Chance zum Umstieg auf eine den Landesstandards entsprechende Lösung genutzt werden können. Das Projekt zur Umsetzung dieser Lösung soll nun erst Ende 2020 starten.
2.2.2 Migration des Standardarbeitsplatzes
Die BITBW stattet als IT-Dienstleister des Landes alle Ressorts mit Standardarbeitsplätzen aus und betreibt diese künftig. Das Projekt „Migration des Standardarbeitsplatzes in der Finanzverwaltung“ ist für das LBV von hoher Bedeutung. Ein Migrations- oder Betriebskonzept für das LBV war während der Prüfung allerdings noch nicht ausgearbeitet. Der Projektstrukturplan befand sich in der Abstimmung.
Ursprünglich sollte der Rollout der Standardarbeitsplätze mit Microsoft Windows 10 durch die BITBW Ende September 2019 abgeschlossen sein. Der Termin wurde einvernehmlich auf den Herbst 2020 verschoben; entsprechend verzögern sich weitere Teilprojekte wie z. B. die Ablösung des Identitätsmanagements oder die Übergabe des Betriebs der Fachverfahren an die BITBW.
Aufgrund der Verschiebung mussten - wie auch in anderen Bereichen der Landesverwaltung - die Supportverträge verlängert werden. Allein beim LBV entstanden hierfür Mehrkosten von etwa 40.000 Euro.
2.3 IT-Dokumentation
Die IT-Dokumentationen des LBV sind häufig nicht aktuell oder unvollständig. Das betrifft nicht nur IT-Geschäftsprozesse (z. B. Abläufe in den User Help Desks (UHD) oder den Einsatz von Software zur Vorgangs- und Projektverfolgung), sondern auch IT-Projekte, IT-Systeme und die Informationssicherheit.
Das LBV managt Softwarelizenzen nur unzureichend und hat deshalb keinen vollständigen Überblick über die vorhandenen Lizenzen. Im Prüfungszeitraum war Software teilweise überlizensiert.
Die Anlagenbuchhaltung ist nicht aktuell. Der IT-Bestand des LBV enthält Anlagengegenstände, welche bereits ausgesondert oder verkauft wurden. Einige Anlagen wurden mit fehlerhaften Buchwerten geführt. Eine regelmäßige Aktualisierung findet nicht statt.
2.4 User Help Desks
Das LBV betreibt drei voneinander unabhängige UHD in zwei IT-Referaten. Diese arbeiten ohne oder mit unterschiedlicher Software-Unterstützung. IT-Anliegen und IT-Störungsmeldungen der zum Teil landesweiten Anwender werden nur teilweise mit Hilfe eines Ticketsystems und einer Wissensdatenbank bearbeitet. Es ist keine zentrale Stelle (Single Point of Contact) vorhanden, die Calls annimmt, weiterleitet, dokumentiert sowie aus- und bewertet. Dies entspricht nicht den Grundsätzen eines konsistenten IT-Service-Managements, wie sie in den im Land angewandten Dokumenten der IT Infrastructure Library (ITIL) beschrieben sind.
2.5 Handhabung von Programmieraufträgen
Programmieraufträge werden in der IT-Abteilung nicht einheitlich gehandhabt. Die Dokumentation der Aufträge erfolgt teilweise mit Software, im E-Mail-System oder in der Dateiablage. Das eingesetzte Softwarewerkzeug wird mit unterschiedlichen Lösungsansätzen betrieben. Die heterogenen Verfahren beim Umgang mit Aufträgen erschweren es, den Stand der Erledigung zu ermitteln.
2.6 Kosten- und Leistungsrechnung
Während nahezu die ganze Landesverwaltung ihre Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) im SAP-System des Landes erstellt, nutzt das LBV hierfür ein Tabellenkalkulationsprogramm.
Mit seiner KLR ermittelt das LBV die Kosten für seine Dienstleistungen. Die bestehende KLR ist allerdings nicht geeignet, durchgängig IT-Kosten zu bestimmen. Insbesondere in IT-Projekten wird eine Kostenermittlung nicht gewährleistet, weil keine gesonderten Innenaufträge eingerichtet werden.
Ein IT-Controlling ist nicht etabliert, obwohl die entsprechende Datenbasis in Teilen vorhanden ist. Eine IT-Steuerung ist deshalb nur eingeschränkt möglich.
2.7 Personalsituation
In der IT des LBV gibt es eine hohe Personalfluktuation. Überdies waren nach Angaben des LBV im Prüfungszeitraum durchschnittlich 15 Stellen in der IT-Abteilung unbesetzt. Die angespannte Personalsituation wirkt sich auf alle IT-Bereiche aus. Deshalb würden nach Aussage des LBV vorrangig vom Gesetzgeber beauftragte Änderungen implementiert; an Verbesserungen der IT(-Verfahren) werde entsprechend nur nachrangig gearbeitet.
2.8 Ressourceneinsatz für IT
Das LBV setzt insgesamt rund 88 Vollzeitäquivalente (VZÄ) für IT-Aufgaben ein. Allein rund 48 VZÄ entwickeln und pflegen die selbst erstellten Fachverfahren. Dabei handelt es sich insbesondere um folgende Verfahren:
- Beihilfebearbeitung (BABSY),
- Gehalts- und Lohnzahlung (DAISY),
- Verwaltung von Personaldaten (DIPSY),
- Verwaltung von Reisekosten (Drive-BW),
- Führungsinformationssystem Personal (FISP).
Die Personalkosten für die Entwicklung und Pflege der Fachverfahren belaufen sich auf rund 4,9 Mio. Euro jährlich.
Zusätzlich lässt sich das LBV bei der Erledigung seiner IT-Aufgaben von einer Vielzahl externer Dienstleister unterstützen. Auf die Anwendungsentwicklung bezogen ergeben sich nach Berechnung des Rechnungshofs Sachkosten von rund 2,4 Mio. Euro jährlich, in denen sich allerdings auch die Umsetzung eines Großprojekts in der Beihilfe niederschlägt. Insgesamt summieren sich die Kosten für die Anwendungsentwicklung jährlich auf rund 7,3 Mio. Euro.
Werden die Sach- und Personalkosten von rund 7 Mio. Euro für den Betrieb der Fachverfahren berücksichtigt, errechnen sich Kosten von mindestens 14,4 Mio. Euro jährlich.
Die selbst erstellten Verfahren bilden zusammen mit weiteren, fachlich ergänzenden Anwendungen eine komplexe Struktur. Diese Verfahren tragen inhaltlich die Kernaufgaben des LBV. Sie betreffen somit sensible, nicht nur verwaltungsintern wahrnehmbare Bereiche, für die ein Höchstmaß an Leistungsfähigkeit und Stabilität auch unter kritischen Bedingungen unabdingbar ist. Gleichzeitig binden sie mit 48 VZÄ einen signifikanten Anteil der - ohnehin knappen - personellen Ressourcen im IT-Bereich. Die Frage, ob der Ressourceneinsatz für den Betrieb und die Pflege der selbst erstellten Verfahren wirtschaftlich ist, kann nur mit einer detaillierten Analyse der Zusammenhänge und der gegebenenfalls für eine Ablösung erforderlichen Maßnahmen geklärt werden.
3 Empfehlungen
3.1 Kosten- und Leistungsrechnung anpassen
Das LBV sollte seine KLR in das SAP-System der Landesverwaltung überführen. Begleitend sollte ein geeignetes IT-Controlling aufgebaut werden, um die IT sachgerecht steuern und zielgerichtet weiterentwickeln zu können. Die IT-Aufwände sollten verlässlich ermittelt werden.
Das LBV sollte im länderübergreifenden Vergleichsring „Benchmarking Bezüge abrechnender Stellen“ anregen, die IT-Aufwände auf Basis von IT-Kennzahlen zu ermitteln und zu vergleichen.
3.2 Prozesse überprüfen und verbessern
Die IT-Abteilung des LBV sollte ihre Arbeitsweise im Umgang mit Programmieraufträgen einheitlich gestalten und nachvollziehbar dokumentieren. Softwarewerkzeuge sind dabei gleichartig einzusetzen. Softwares sind auf ihre Lizenzierung zu prüfen und gegebenenfalls zu bereinigen.
Die drei UHD sollten überprüft, neu geordnet, möglichst im Sinne eines „Single Point of Contact“ zusammengefasst werden und im Idealfall an den technischen UHD der BITBW übergeben werden.
Die Steuerung von IT-Projekten sollte, gerade in zeitlicher Hinsicht, zielorientierter erfolgen.
3.3 Wirtschaftlichkeit selbst erstellter Fachverfahren ergebnisoffen prüfen
Das LBV sollte die Wirtschaftlichkeit der individuell programmierten Fachverfahren prüfen und dabei die Alternativen „Anwendungsentwicklung in Eigenregie“ und „Fremdbezug“ berücksichtigen („make or buy“). Zur Analyse gehört die Prüfung, ob eine Übernahme von Lösungen anderer Länder, der Abschluss von Kooperationen oder der Einsatz von Standard-Softwarelösungen möglich ist. Die Risiken eines Systemwechsels müssen dabei berücksichtigt werden. Das Ergebnis der Analyse sollte eine Basis für eine zukunftsorientierte, wirtschaftliche und sichere IT des LBV bilden.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Ministerium für Finanzen teilt mit, die Notwendigkeit, die IT des LBV weiterhin kundenorientiert und modern aufzustellen, sei auch vom LBV und vom Ministerium erkannt worden. Bereits im Vorfeld der Prüfung des Rechnungshofs sei ein gemeinsamer Strategieprozess eingeleitet worden. Im Rahmen einer im Oktober 2019 durchgeführten Strategietagung seien Handlungsbedarfe identifiziert und Umsetzungsplanungen entwickelt worden, die sich nunmehr in der Bearbeitung befänden.
Das LBV werde die eigenentwickelte Kosten- und Leistungsrechnung im laufenden Projekt „Restrukturierung des Haushaltsmanagements und Einführung eines Kassensystems auf SAP-Basis (RePro)“ ablösen. Die Empfehlung zur Erweiterung des Vergleichsrings „Benchmarking Bezüge abrechnender Stellen“ um IT-spezifische Kennzahlen würde aufgegriffen.
Nach Einführung des Standardarbeitsplatzes werde das LBV gemeinsam mit der BITBW die Umstellung der Telearbeitsplätze auf die Landeslösung angehen. Die drei UHD des LBV würden auf eine Neuordnung und Zusammenführung geprüft. Allerdings gäbe es keine fachlichen Überschneidungen, zudem würden unterschiedliche interne sowie externe Kundenkreise bedient.
Das Ministerium und das LBV wollen die Anregungen des Rechnungshofs zu den eigenentwickelten Fachverfahren bei ihren Strategieüberlegungen berücksichtigen. Bereits bislang würde vor Neuentwicklungen das Thema Eigenentwicklung im Vergleich zum Einsatz von Standardsoftware aufgegriffen.
5 Schlussbemerkung
Der Rechnungshof hält den eingeleiteten Strategieprozess für ein wichtiges Instrument, die IT des LBV zukunftsfähig aufzustellen. Die einzelnen Elemente sollten unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Rechnungshofs mit Nachdruck verfolgt und umgesetzt werden.
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Einzelplan 08: Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz
Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg musste von 2016 bis 2019 in einzelnen Jahren bis zu 400.000 Euro Landesförderung zurückzahlen, weil sie die Mittel nicht wie geplant ausgeben konnte. Dies entsprach 10 Prozent des jährlichen Förderbetrags.
Das Förderverfahren sollte beschleunigt werden. Das Land sollte als wesentlicher Finanzgeber dafür sorgen, dass die Verbraucherzentrale künftig Kennzahlen ermittelt und ihren Geschäftsbereich damit effizienter gestaltet. Der kommunale Finanzierungsbeitrag sollte erhöht und das Preisniveau für die Leistungen der Verbraucherzentrale angehoben werden.
1 Ausgangslage
1.1 Aufgaben der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg
Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg (VZ BW) nimmt die Interessen der Verbraucher wahr. Sie verfolgt dabei als eingetragener Verein ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke. Ihre Aufgaben erfüllt sie durch individuelle Beratung und objektive Unterrichtung der Öffentlichkeit. Soweit Verbraucherinteressen verletzt werden, verfolgt sie auch Gesetzesverstöße.
1.2 Organisation und Personalausstattung
2018 hatte die VZ BW 23 ordentliche und mehr als 2.700 fördernde Mitglieder. Ordentliche Mitglieder sind in Baden-Württemberg tätige Verbände und Vereinigungen, die nicht erwerbswirtschaftlich orientiert sind und auch Verbraucherinteressen wahrnehmen. Fördermitglieder sind Einzelpersonen.
Ende 2019 hatte die VZ BW insgesamt 99 Mitarbeiter, davon 36 Vollzeitbeschäftigte, 58 Teilzeitbeschäftigte und 5 Aushilfen. Die Zahl der Vollzeitäquivalente (VZÄ) lag bei 74. Außerdem waren insgesamt 173 Honorarkräfte für die VZ BW tätig.
1.3 Finanzierung und Förderung durch das Land
Von 2016 bis 2018 hatte die VZ BW jährlich durchschnittlich 5,6 Mio. Euro Erträge und Aufwendungen. Die Erträge bestanden weit überwiegend aus institutioneller und Projektförderung des Landes (71 Prozent) und Projektförderung des Bundes (20 Prozent). Die Umsatzerlöse trugen nur mit 0,4 Mio. Euro (6 Prozent) zu den Erträgen bei. Der Finanzierungsbeitrag der Städte und Landkreise, bei denen die VZ BW Beratungsstellen unterhält, ist mit 1 Prozent sehr gering. Die restlichen Erträge entfielen auf Mitgliedsbeiträge, Spenden u. a.
Bei Kapitel 1223 (Zukunftsinvestitionen) ist unter der Titelgruppe 94 (Digitalisierung) mit 79 Einzelmaßnahmen unter Nr. 74 das „Leuchtturmprojekt Digitaler Verbraucherschutz“ enthalten. 2018 und 2019 wurden insgesamt 440.000 Euro für den Ausbau der Online-Beratung bei der VZ BW ausgegeben. Dadurch sollen die Verbraucher künftig deutlich häufiger online beraten und informiert werden. Zum Prüfungszeitpunkt war noch nicht absehbar, welche Auswirkungen dies auf die Arbeitsprozesse und den künftigen Zuwendungsbedarf der VZ BW haben wird.
Für die Jahre 2020/2021 sind weitere 123.000 Euro Haushaltsmittel vorgesehen, um die Digitalisierung weiter voranzutreiben.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Fehlende finanzielle Planungssicherheit
Die institutionelle Förderung durch das Land soll den dauerhaften Bestand und die Unabhängigkeit der VZ BW sichern.
Der Geschäftsbetrieb der VZ BW ist personalintensiv. Daher entfallen drei Viertel ihrer Aufwendungen auf den Personalbereich. Um das Personal insbesondere unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten vertraglich binden zu können, braucht sie finanzielle Planungssicherheit. Diese war in den vergangenen Jahren nicht ausreichend vorhanden. Beispielsweise stellte die VZ BW ihren Antrag auf die institutionelle Förderung für 2018 erst im Dezember 2017. Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz erließ den Zuwendungsbescheid nach 9 Monaten im September 2018. In den Jahren 2016 und 2017 erhielt die VZ BW die Zusagen ähnlich spät.
Dadurch stand die endgültige Fördersumme erst 3 Monate vor Ende des Förderzeitraumes fest. Für die Personalbewirtschaftung der VZ BW war dies problematisch. Denn sie verfügt über keine Rücklagen und ist damit auf den Eingang der Fördermittel angewiesen. Allein für die Gehaltszahlungen eines Monats benötigt sie 350.000 Euro Liquidität.
Wenn Mitarbeiter außerplanmäßig ausscheiden, können Stellen oft nicht sofort besetzt werden. Dies führt zu verringerten Beratungsleistungen. Außerdem können die für den Bewilligungszeitraum zugesagten Fördermittel nicht wie geplant ausgegeben werden. Folge ist, dass sie teilweise zurückgezahlt werden müssen. So musste die VZ BW für die Jahre 2015 bis 2018 insgesamt 632.000 Euro der institutionellen Förderung zurückzahlen. Allein 2016 musste sie rund 400.000 Euro bzw. 8 Prozent der bewilligten Fördermittel zurückzahlen.
Neben der institutionellen Förderung erhält die VZ BW auch Projektförderungen. Diese erfolgen teilweise für Aufgaben, die vom dauerhaften und institutionell geförderten Geschäftsbetrieb der VZ BW gedeckt werden. Das Nebeneinander von institutioneller und Projektförderung mindert die finanzielle Transparenz und die Planungssicherheit für die VZ BW.
Parallel zur Prüfung des Rechnungshofs wurde eine Landtagsanfrage (Landtagsdrucksache 16/6842) zur langfristigen Planungssicherheit für die Verbraucherzentrale gestellt. Das Ministerium hat in seiner Stellungnahme darauf zugesagt, es werde im Anschluss an die Verabschiedung des Haushalts 2020/2021 die Möglichkeit einer mehrjährigen Vereinbarung über die Zusammenarbeit der VZ BW mit dem Land sowie über die Höhe der institutionellen Förderung prüfen.
2.2 Das Beratungsstellennetz passt nicht zum Personalbestand
Nach der Vereinssatzung erfüllt die VZ BW ihre Aufgaben auch mit Verbraucherberatungsstellen. In diesen können die Verbraucher individuell beraten, objektiv unterrichtet und unterstützt werden. Die Zahl der Beratungsstellen ist in den letzten Jahrzehnten erheblich zurückgegangen. Bis Mitte der Neunzigerjahre verfügte die VZ BW noch über 28 Beratungsstellen. Aktuell sind es nur noch 12.
Das Personal der VZ BW wird überwiegend für zentrale Aufgaben eingesetzt. Ende 2019 waren dies 43 VZÄ von den insgesamt 74 VZÄ. Nur 31 VZÄ sind in den Beratungsstellen eingesetzt, davon wiederum 10 VZÄ in der Beratungsstelle Stuttgart. Dies führte dazu, dass die anderen 11 Beratungsstellen nur Personal im Umfang zwischen 0,5 und 3,5 VZÄ eingesetzt hatten.
Obwohl die digitalen Angebote erfolgreich ausgebaut wurden, sieht die VZ BW örtliche Beratungsstellen in erreichbarer Entfernung für die Verbraucher als notwendig an. Die Hälfte der Beratungsstellen ist allerdings mit einem Personalbestand von weniger als 2 VZÄ ausgestattet. Diese können deshalb nur ein sehr eingeschränktes Beratungsangebot anbieten. Beispielsweise haben diese Beratungsstellen wöchentlich nur zwischen 4 und 10 Stunden geöffnet.
2.3 Finanzielle Beteiligung der Kommunen äußerst gering
Obwohl Verbraucherberatungsstellen das Angebot an Beratung in Städten und Landkreisen bereichern, beträgt der Finanzierungsanteil der Kommunen an den Erträgen der VZ BW nur 1 Prozent.
In allen Ländern sind Verbraucherzentralen eingerichtet. Deshalb haben wir die kommunale Förderung der VZ BW mit den Nachbarländern verglichen. Zusätzlich ist die VZ Nordrhein-Westfalen als Beispiel für eine finanziell großzügig ausgestattete Verbraucherzentrale dargestellt.
Im Vergleich mit den benachbarten Ländern und der VZ Nordrhein-Westfalen variiert der Finanzierungsanteil der Kommunen an den Erträgen erheblich, von 1 Prozent und weniger in Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz, bis zu 15 Prozent in Hessen und 23 Prozent in Nordrhein-Westfalen. Die Länder mit hoher kommunaler Mitfinanzierung müssen deshalb weniger als 50 Prozent zum Unterhalt ihrer Verbraucherzentralen beisteuern, während Baden-Württemberg und die Länder mit geringer Kommunalbeteiligung knapp 70 Prozent aufbringen müssen.
Falls die Sitzkommunen nicht bereit sind, die Beratungsstellen mitzufinanzieren, sollte die Anzahl der Beratungsstellen reduziert werden.
2.4 Kennzahlen werden ungenügend genutzt
Die Beratungsleistungen der VZ BW sind grundsätzlich kostenpflichtig. Die Preise hierfür wurden nach historischen Vorgaben fortgeschrieben und seit 2012 nicht mehr angepasst. Bei persönlichen Beratungen setzt die VZ BW unabhängig vom Beratungsthema und dem betroffenen Kundenkreis meist einen einheitlichen Minutenpreis von 1,10 Euro an.
Zwar führt die VZ BW Statistiken über ihre Tätigkeit. Daraus ergibt sich beispielsweise, dass sie jährlich 67.000 Verbraucherkontakte hat, aus denen 16.000 Beratungen entstehen. Zusätzlich werden jährlich mehr als 400 Vorträge organisiert und gehalten und 1.000 Beiträge für öffentliche Medien erstellt. Jedoch ermittelt die VZ BW keine betriebswirtschaftlichen Kennzahlen, auf deren Basis sie ihre Preise kalkulieren könnte.
Wir haben die 2018 durchgeführten Beratungen, die erzielten Erlöse hieraus und den Personaleinsatz hierfür in Relation gesetzt, um Anhaltspunkte für steuerungsrelevante Kennzahlen zu erhalten.
Nach den Angaben der VZ BW werden in den Beratungsstellen zwar 31 VZÄ eingesetzt, aber nur mit 23 VZÄ kostenpflichtige Beratungsleistungen erbracht. Bezogen auf das gesamte Personal mit 74 VZÄ (ohne Honorarkräfte) entspricht dies einem Drittel der Personalkapazität. Je VZÄ erfolgten 699 Beratungen im Jahr bzw. 3,5 Beratungen je Arbeitstag. Durch Beratungen wurden je VZÄ 7.200 Euro Erträge im Jahr erzielt.
Gerade um die Kommunen zu gewinnen, einen höheren finanziellen Beitrag für die VZ BW zu zahlen, sollten die Leistungen der VZ BW mit Kennzahlen transparent dargestellt werden.
3 Empfehlungen
In seine zugesagten Verhandlungen zur Förderung der Verbraucherzentrale sollte das Ministerium folgende Empfehlungen einbeziehen.
3.1 Planbarkeit der Geschäftstätigkeit verbessern
Die Förderung der VZ BW sollte auf eine besser planbare, mittelfristige Grundlage gestellt werden. Dazu sollte die VZ BW die Förderanträge frühzeitig stellen, das Ministerium sollte die Bescheide zeitnah erlassen. Der Bewilligungszeitraum bei der institutionellen Förderung könnte auf 2 Jahre ausgedehnt werden. Die Projektförderungen, die Daueraufgaben betreffen, sollten in die institutionelle Förderung integriert werden.
3.2 Organisationsstruktur straffen und Sitzkommunen beteiligen
Die Organisationsstruktur sollte künftig dem vorgesehenen Ausbau von Online-Beratung und Online-Information Rechnung tragen. Die Beratungsstellen sollten parallel konsolidiert werden. Dazu sollte das Ministerium mit den Sitzkommunen verhandeln, damit eine finanzielle Beteiligung in angemessener Höhe erreicht werden kann. Andernfalls sollte die Anzahl der Beratungsstellen reduziert werden.
3.3 Kennzahlen entwickeln, Preise für Beratungs- und Informationsleistungen anpassen
Für die VZ BW sollten Kennzahlen ermittelt werden. Damit könnte der Geschäftsbetrieb im Sinne hoher Effizienz gesteuert werden. Die Kennzahlen würden die Leistungen und die hierfür erforderlichen Aufwände transparent machen.
Die VZ BW sollte die Kosten ihrer Leistungen auf Basis betriebswirtschaftlicher Kennzahlen kalkulieren und die Preisstruktur nach einheitlichen Kriterien differenzieren. Das Preisniveau sollte angehoben werden.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz teilt mit, es werde die Möglichkeit einer mehrjährigen Vereinbarung über die Zusammenarbeit mit der VZ BW und zur mittelfristigen Entwicklung der Fördermittel prüfen. Außerdem werde es gemeinsam mit der VZ BW prüfen, ob es für eine bessere Planbarkeit des Geschäftsbetriebs sinnvoll ist, den Bewilligungszeitraum der Förderung auf 2 Jahre zu erweitern. Weiterhin beabsichtige das Ministerium, aufgrund der Empfehlung des Rechnungshofs die Projektförderungen weitgehend in die institutionelle Förderung zu integrieren. Auch die Anregungen des Rechnungshofs zu Kennzahlen bezüglich der Kosten und der Erträge der Beratungsprodukte werde es berücksichtigen und sich im Rahmen seiner Möglichkeiten für eine Überprüfung der bestehenden Preise einsetzen.
Das Ministerium werde auf die kommunalen Landesverbände zugehen, um eine finanzielle Beteiligung der Kommunen in angemessener Höhe zu erreichen.
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Einzelplan 12: Allgemeine Finanzverwaltung
Bei der Veranlagung von Steuerfällen mit Einkünften aus Vermietungsobjekten werden die Bearbeiter in den Finanzämtern nur für die ersten sieben Objekte durch das Risikomanagementsystem (RMS) unterstützt. Ab dem achten Objekt, also ohne RMS-Unterstützung, passieren mehr Fehler. Dies zeigt exemplarisch, dass das RMS grundsätzlich funktioniert und eine sinnvolle Hilfestellung für die Bearbeiter ist. Deshalb sollte sein Anwendungsbereich ausgeweitet werden.
1 Ausgangslage
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unterliegen nach § 2 Absatz 1 Satz 1 Nr. 6 Einkommensteuergesetz der Einkommensteuer. In der Steuererklärung sind sie für jedes einzelne Vermietungsobjekt separat auf einer „Anlage V“ (Vermietung und Verpachtung) zu erklären. Das von der Steuerverwaltung 2008 eingeführte Risikomanagementsystem (RMS) gibt bei der Veranlagung Prüfhinweise zur Unterstützung der Bearbeiter aus. Hinsichtlich der Vermietungseinkünfte generiert das RMS solche Hinweise allerdings nur für die ersten sieben Anlagen V einer Einkommensteuererklärung. Ursache dafür ist, dass die von den Steuerpflichtigen erklärten Werte lediglich bis zur siebten Anlage V einzeln in das Berechnungsprogramm der Steuerverwaltung übernommen werden. Die Einkünfte aus den weiteren Anlagen V werden in einer Summe im Berechnungsprogramm zusammengefasst. Sie sind daher von den Finanzämtern ohne Unterstützung durch RMS-Hinweise zu prüfen.
Das heißt, hier liegt eine Konstellation vor, bei welcher ein und derselbe Bearbeiter in einem Steuerfall für gleich gelagerte Sachverhalte nur teilweise durch das RMS unterstützt wird.
Wir untersuchten daher 2019 bei acht Finanzämtern, wie sich dieser nur teilweise Einsatz des RMS im Bereich der Vermietungseinkünfte auf die Arbeitsqualität auswirkt. Dazu prüften wir Steuerfälle des Veranlagungszeitraums 2016, bei denen die Steuerpflichtigen Einkünfte aus mehr als sieben Vermietungsobjekten erklärt hatten.
2 Prüfungsergebnisse
Im Veranlagungszeitraum 2016 wurden landesweit in 5.888 Steuerfällen Vermietungseinkünfte auf mehr als sieben Anlagen V erklärt. Wir untersuchten davon 240 zufällig ausgewählte Steuerfälle (4 Prozent).
2.1 Anzahl der geprüften Anlagen V und Verteilung auf die Prüffälle
Die untersuchten 240 Steuerfälle umfassten insgesamt 2.803 Anlagen V.
Wie sich die Anzahl dieser Anlagen V auf die Prüffälle verteilt, ist in Tabelle 1 dargestellt.
In 82 der untersuchten Steuerfälle lagen jeweils mehr als 10 Anlagen V vor. Die Spannweite reichte dabei von 11 bis 72 Anlagen V je Fall.
2.2 Beanstandungsquoten
2.2.1 Gesamtbetrachtung
In 109 der geprüften 240 Fälle stellten wir eine unzutreffende Besteuerung der Vermietungseinkünfte fest. Das entspricht einer Beanstandungsquote von 45,4 Prozent. Die Finanzämter hatten in den beanstandeten Fällen insgesamt 474 Sachverhalte fehlerhaft bearbeitet. Das sind 4,3 Fehler je beanstandetem Steuerfall. Fehler bei der Steuerfestsetzung ergaben sich hinsichtlich der in 407 Anlagen V erklärten Vermietungseinkünfte. Das entspricht einer Quote von 14,5 Prozent der in die Prüfung einbezogenen 2.803 Anlagen.
2.2.2 Bearbeitungsqualität der Veranlagung der Einkünfte aus den Anlagen V Nr. 1 bis 7 und aus den Anlagen V Nr. 8 ff.
Wir untersuchten, ob der Einsatz des RMS in der Fallbearbeitung sich in abweichenden Beanstandungsquoten widerspiegelt. Das Ergebnis dieser vergleichenden Betrachtung ist in Tabelle 2 dargestellt.
Bei der - durch das RMS unterstützten - Veranlagung der Vermietungseinkünfte aus den ersten sieben Anlagen V ergab sich eine Beanstandungsquote von 12,1 Prozent. Soweit die Vermietungseinkünfte auf den Anlagen V Nr. 8 ff. erklärt waren, führte unsere Prüfung zu einer Beanstandungsquote von 18,2 Prozent. Die Beanstandungsquote war in diesem - vom RMS nicht unterstützen - Bereich somit um die Hälfte höher.
Der Einsatz des RMS bewirkte in den von uns untersuchten Fällen folglich eine deutlich bessere Arbeitsqualität.
2.3 Wesentliche Fehlerquellen
2.3.1 Fehlerhafte Abschreibung
Mit 128 Beanstandungen entfällt mehr als ein Viertel der 474 fehlerhaften Sachverhalte auf die als Werbungskosten berücksichtigten Abschreibungsbeträge. Häufig hatten die Finanzämter Sonderabschreibungen unzutreffend berücksichtigt oder Restbuchwerte nach der Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen falsch gebildet. In einigen Fällen wurde bei der Ermittlung des Abschreibungssatzes eine kürzere Nutzungsdauer zugrunde gelegt, die nicht dem typisierenden AfA-Satz des Einkommensteuergesetzes entsprach. Der Nachweis einer tatsächlich kürzeren Nutzungsdauer war dabei nach Aktenlage jeweils nicht erbracht worden.
2.3.2 Unzulässiger pauschaler Abzug von Werbungskosten
Rund ein Viertel (119) der beanstandeten Sachverhalte betrifft den pauschalen Abzug von Werbungskosten. Ein pauschaler Abzug ist nicht zulässig. Bei mehreren Anlagen V und über Jahre hinweg nicht korrigiert kumuliert sich die steuerliche Auswirkung.
2.3.3 Fehlerhaft berücksichtigte Nebenkosten
Rund 10 Prozent der festgestellten Fehler betreffen die von den Finanzämtern als Werbungskosten berücksichtigten Nebenkosten. Wir beanstandeten überwiegend, dass Zahlungen in die Instandhaltungsrücklage oder in Sonderumlagen als Werbungskosten berücksichtigt wurden. Ein Werbungskostenabzug ist aber erst und ausschließlich dann zulässig, wenn Gelder aus der Rücklage entnommen werden, um damit Instandhaltungsmaßnahmen am Vermietungsobjekt zu bezahlen. Berücksichtigt das Finanzamt - unzulässiger Weise - bereits die Einzahlungen in die Rücklage und später - zu Recht - die aus der Rücklage finanzierten Reparaturen, führt dies zum doppelten Werbungskostenabzug.
Ihre Zahlungen in die Rücklage machten die Steuerpflichtigen zumeist im Erklärungsfeld „Verwaltungskosten“ geltend. Dieser Erklärungsfehler dürfte vielfach darauf zurückzuführen sein, dass der Begriff „Verwaltungskosten“ auf der Anlage V nicht erläutert ist. Auch in der Anleitung zur Einkommensteuererklärung findet sich kein entsprechender Hinweis zu den „Verwaltungskosten“.
2.4 Neu angeschaffte oder hergestellte Vermietungsobjekte
Bei neu angeschafften oder hergestellten Vermietungsobjekten ist die Beanstandungsquote mit 29,6 Prozent doppelt so hoch wie die entsprechende Quote für sämtliche in die Untersuchung einbezogenen Anlagen V (14,5 Prozent). Bei der Veranlagung der Vermietungseinkünfte des Anschaffungsjahres werden die Grundlagen für die künftige Besteuerung gelegt, z. B. hinsichtlich der Gebäudeabschreibung oder einer verbilligten Überlassung. Deshalb ist eine besonders sorgfältige und genaue Bearbeitung durch die Finanzämter geboten.
2.5 Finanzielles Ergebnis und landesweite Bedeutung
Die festgestellten Fehler führten zu Steuerausfällen bzw. Mehrsteuern in den untersuchten Fällen von rund 290.000 Euro, wobei allein ein Fall mit rund 70.000 Euro ins Gewicht fiel.
Ein Teil der fehlerhaften Einkommensteuerbescheide konnte verfahrensrechtlich noch geändert werden. Aus der Korrektur dieser Fälle resultierten Mehrsteuern von 150.000 Euro. Soweit die Steuerbescheide nicht mehr änderbar waren, führte die fehlerhafte Bearbeitung der Vermietungseinkünfte zu Steuerausfällen von 140.000 Euro.
Klammert man den o. g. Einzelfall aus, ergibt sich ein durchschnittliches finanzielles Ergebnis von 2.025 Euro pro beanstandetem Steuerfall.
Das Ergebnis der 240 geprüften Fälle lässt sich nicht ohne Weiteres auf das ganze Land, also die insgesamt 5.888 Fälle des Veranlagungszeitraums 2016 übertragen. Rein rechnerisch ergäbe sich bei einer Quote von 45 Prozent an fehlerhaften Fällen und einem durchschnittlichen finanziellen Ergebnis von 2.025 Euro ein landesweites finanzielles Ergebnis allein für den Veranlagungszeitraum 2016 von rund 5,4 Mio. Euro.
2.6 Bewertung
Die Untersuchung hat ergeben, dass das RMS eine sinnvolle Hilfestellung für die Bearbeiter ist. Die bei der Veranlagung ausgegebenen Hinweise zeigen die risikobehafteten Bereiche der erklärten Einnahmen und Werbungskosten bei Vermietungseinkünften zutreffend auf. Das heißt, die Datenanalyse des RMS nimmt dem Bearbeiter das zeitaufwendige Auffinden potenziell fehlerhafter Bereiche ab. Dies gilt allerdings nur hinsichtlich der ersten sieben Anlagen V. Bei allen weiteren Anlagen V müssen die Bearbeiter die risikobehafteten Bereiche selbst identifizieren. Dies ist zeitaufwendig und fehleranfällig.
Die höhere Fehlerquote bei der Veranlagung der auf den Anlagen V Nr. 8 ff. erklärten Vermietungseinkünfte dürfte daher maßgeblich auf die fehlende IT-Unterstützung der Bearbeiter zurückzuführen sein. Bei einer Ausweitung des RMS auf alle weiteren Anlagen V sollte sich auch dort eine deutlich niedrigere Fehlerquote erreichen lassen.
Des Weiteren führen unzureichende Erläuterungen auf der Anlage V und in der Anleitung zur Steuererklärung zu fehlerhaften Angaben der Steuerpflichtigen und in der Folge zu falschen Steuerfestsetzungen.
Bei der Veranlagung der Vermietungseinkünfte des Anschaffungsjahres werden die Grundlagen für die künftige Besteuerung gelegt, z. B. hinsichtlich der Gebäudeabschreibung oder einer verbilligten Überlassung. Deshalb ist eine besonders sorgfältige und genaue Bearbeitung durch die Finanzämter geboten.
3 Empfehlungen
3.1 Anwendungsbereich des Risikomanagementsystems ausweiten
Das Ministerium für Finanzen sollte in den zuständigen Bund-Länder-Gremien darauf hinwirken, dass der Anwendungsbereich des RMS auf möglichst alle Anlagen V ausgeweitet wird.
3.2 Vordruck „Anlage V“ und Anleitung zur Einkommensteuererklärung ergänzen
Das Ministerium für Finanzen sollte in den zuständigen Gremien ebenfalls darauf hinwirken, dass auf der Anlage V zu den „Verwaltungskosten“ der Hinweis angebracht wird „ohne Zuführungen zur Instandhaltungsrücklage und ohne gezahlte Sonderumlagen“. Zudem sollte die Anleitung zur Einkommensteuererklärung um eine entsprechende Erläuterung ergänzt werden.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Ministerium für Finanzen teilt die Auffassung des Rechnungshofs, dass das RMS die Bearbeitungsqualität bei der Besteuerung der Vermietungseinkünfte verbessern könne. Es werde sich deshalb auf Bundesebene dafür einsetzen, dass der Anwendungsbereich des RMS auf möglichst alle Anlagen V ausgeweitet werde. Dieses Anliegen sei bereits an die zuständigen Gremien herangetragen worden. Für eine Realisierung müssten allerdings zunächst aufwendige technische Voraussetzungen geschaffen werden. Notwendig sei außerdem, die Aufgabe im bundesweiten IT-Projekt KONSENS fachlich, organisatorisch und zeitlich abzustimmen. Die technische Umsetzung erfordere neben planerischen Vorarbeiten einen hohen Programmier- und Testaufwand. Ein Termin für eine Realisierung könne daher nicht genannt werden.
Das Ministerium befürwortet ebenfalls die vom Rechnungshof empfohlene Ergänzung des Vordrucks „Anlage V“ sowie der Anleitung zur Einkommensteuererklärung. Es werde diesen Vorschlag in die zuständige Bundesarbeitsgruppe einbringen und für seine Umsetzung werben. Wegen der notwendigen Vorlaufzeit sei eine Realisierung jedoch frühestens für den Veranlagungszeitraum 2021 möglich.
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Zur Verringerung des Arbeitsaufwands in den Finanzämtern sollte die automatische Übernahme elektronisch übermittelter Daten in die Einkommensteuerveranlagungen baldmöglichst ausgeweitet werden.
1 Ausgangslage
Die von den Trägern der Sozialleistungen gewährten Einkommensersatz-leistungen sind steuerfrei. Sie werden aber bei der Berechnung des Steuersatzes einbezogen (Progressionsvorbehalt).
Bezieht der Steuerpflichtige in einem Veranlagungszeitraum neben Arbeitslohn, von dem ein Steuerabzug vorgenommen worden ist, Einkommensersatzleistungen von mehr als 410 Euro, muss er nach § 46 Absatz 2 Nr. 1 Einkommensteuergesetz eine Steuererklärung abgeben und das Finanzamt ist verpflichtet, eine Veranlagung durchzuführen (Pflichtveranlagung).
Die Träger der Sozialleistungen müssen die im jeweiligen Veranlagungs-zeitraum ausgezahlten Einkommensersatzleistungen bis zum 28. Februar des Folgejahres elektronisch an die Finanzverwaltung übermitteln. Dies gilt jedoch nur, sofern die Einkommensersatzleistungen nicht von den Arbeitgebern auf der Lohnsteuerbescheinigung auszuweisen sind, wie dies z. B. beim Kurzarbeitergeld der Fall ist.
Die Übermittlungspflicht der Träger der Sozialleistungen betrifft daher insbesondere Arbeitslosen-, Insolvenz- und Übergangsgeld sowie Kranken-, Verletzten-, Mutterschafts- und Elterngeld. Den Umgang der Finanzämter des Landes mit diesen elektronisch übermittelten Daten hat der Rechnungshof für den Veranlagungszeitraum 2017 untersucht. Zudem wurde geprüft, wie die Steuerverwaltung die Veranlagungspflicht beim Bezug von Einkommensersatzleistungen im Veranlagungszeitraum 2015 umsetzte.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Fallzahlen, Beträge und steuerliche Auswirkung
Im Veranlagungszeitraum 2017 berücksichtigten die Finanzämter des Landes bei insgesamt 558.000 Steuerfällen Einkommensersatzleistungen von insgesamt 2,6 Mrd. Euro. Das sind durchschnittlich 4.700 Euro je Fall.
Die Einkommensersatzleistungen erhöhten die festgesetzte Einkommensteuer der entsprechenden Fälle um insgesamt 223 Mio. Euro.
In der Gesamtzahl der Fälle waren rund 199.000 Fälle enthalten, in denen sich eine Veranlagungspflicht allein aufgrund des Bezugs von Einkommens-ersatzleistungen ergab. Bei 172.000 dieser Fälle - und somit der weit überwiegenden Anzahl - kam es dabei zu Steuererstattungen. Somit ergab sich für die 199.000 Fälle per Saldo ein Erstattungsbetrag von 150 Mio. Euro.
2.2 Qualität des Risikomanagementsystems und Dokumentation des Hinweiserfolgs im Bereich der Einkommensersatzleistungen
Die Fallbearbeitung in den Finanzämtern ist durch das Risikomanagementsystem der Steuerverwaltung geprägt. Dieses soll risikobehaftete Sachverhalte erkennen und den Bediensteten entsprechende Hinweise erteilen. Die Bediensteten sollen grundsätzlich nicht mehr den kompletten Steuerfall, sondern nur noch die vom Risikomanagementsystem als risikobehaftet erkannten Sachverhalte prüfen.
2.2.1 Hinweise sind sachgerecht und zielführend
Das Risikomanagementsystem erkennt zuverlässig die im Bereich der Einkommensersatzleistungen risikobehafteten Sachverhalte. Die dabei für die Bediensteten ausgegebenen Hinweise sind sachgerecht und zielführend. Zahlenmäßig am bedeutsamsten war der Hinweis, dass die in der Steuererklärung angegebenen Einkommensersatzleistungen von den elektronisch übermittelten Daten abwichen. Er trat in 189.000 der 558.000 Fälle auf. In 186.000 Fällen (98 Prozent) setzten die Finanzämter daraufhin die elektronisch übermittelten Daten bei der Veranlagung an.
2.2.2 Erfolg der Hinweise ist nicht valide dokumentiert
Weichen die Bearbeiter bei der Veranlagung aufgrund eines Hinweises von den Daten der Steuerklärung ab, so sind sie gehalten, diese Änderung im IT-System besonders zu kennzeichnen. In der Folge wird die Änderung im sogenannten Verfahren Leistungsvergleich berücksichtigt und steht dort für Auswertungen zur Verfügung, z. B. hinsichtlich des Erfolgs der Hinweise. Es ermöglicht zudem Vergleiche zwischen den Finanzämtern und liefert Ansätze für gezielte qualitätsverbessernde Maßnahmen.
Von den oben beschriebenen 186.000 Änderungsfällen wurden lediglich 126.000 Fälle so im IT-System gekennzeichnet, dass sie im Leistungsvergleich berücksichtigt werden konnten. In diesen Fällen wurden die Einkommensersatzleistungen per Saldo um insgesamt rund 208 Mio. Euro erhöht. In 60.000 Fällen unterblieb hingegen die Kennzeichnung. Damit ist der Erfolg der Hinweisbearbeitung in diesen Fällen - eine Erhöhung der Einkommensersatzleistungen um 145 Mio. Euro - im Verfahren Leistungsvergleich nicht dokumentiert.
Die Datenbasis für den Leistungsvergleich ist damit nicht valide. Der Rechnungshof hatte deshalb bereits in seiner Denkschrift 2018 eine automatisierte Kennzeichnung gefordert. Das Finanzministerium hat dies aufgegriffen. Wegen der notwendigen Arbeiten auf Bundesebene ist mit einer Umsetzung jedoch nicht vor Ende 2021 zu rechnen.
2.3 Handlungsbedarf bei der automatischen Datenübernahme
Wie dargestellt, waren im Veranlagungszeitraum 2017 ein Drittel der Fälle deshalb von den Bediensteten zu überprüfen, weil die erklärten Einkommensersatzleistungen von den elektronisch übermittelten Daten abwichen.
Dieser Arbeitsaufwand ließe sich minimieren bzw. vermeiden, wenn die Steuerpflichtigen selbst gar keine Angaben machen müssten, sondern die von den Leistungsträgern elektronisch übermittelten Daten automatisch in die Veranlagung übernommen würden. Dies ist bisher aber nur ansatzweise der Fall.
2.3.1 Steuererklärungen in Papierform
Seit 2017 gelten elektronisch übermittelte Daten und damit auch diejenigen zu Einkommensersatzleistungen als Angaben des Steuerpflichtigen, sofern er selbst hierzu keine Angaben macht. Für in Papierform eingereichte Steuererklärungen hat das seit dem Veranlagungszeitraum 2019 folgende Auswirkungen:
- Auf den Erklärungsvordrucken und einem ergänzenden Informationsblatt werden die Steuerpflichtigen darauf hingewiesen, dass sie keine Eintragungen zu elektronisch übermittelten Daten vornehmen müssen.
- Sofern die Steuerpflichtigen in keinem der Felder zu elektronisch übermittelten Daten Eintragungen vornehmen, werden die den Finanzämtern vorliegenden Daten - somit auch die Daten zu Einkommensersatzleistungen - automatisch in die Veranlagung einbezogen.
- Machen die Steuerpflichtigen allerdings nur in einem Feld eigene Angaben, so unterbleibt die automatische Übernahme aller elektronisch übermittelten Daten.
- Beispiel: Wenn ein Steuerpflichtiger, der im Veranlagungszeitraum 2019 sowohl Arbeitslohn als auch Elterngeld bezogen hat, zu beiden Sachverhalten keine Angaben macht, werden beide Beträge automatisch aufgrund der elektronischen Meldungen in die Veranlagung übernommen. Macht er jedoch Angaben nur zum Arbeitslohn, so unterbleibt die automatische Übernahme des elektronisch übermittelten Elterngelds und das Risikomanagementsystem gibt einen Hinweis aus.
2.3.2 Elektronische Steuererklärungen
Bei den elektronischen Steuererklärungen haben die Steuerpflichtigen die Möglichkeit, die elektronisch an die Verwaltung übermittelten Daten durch die Nutzung der sogenannten „vorausgefüllten Steuererklärung“ abzurufen und somit in ihre Erklärung zu übernehmen. Wird hiervon Gebrauch gemacht, fällt bei den Finanzämtern in der Folge kein Bearbeitungsaufwand an.
Allerdings setzt die Nutzung der „vorausgefüllten Steuererklärung“ zusätzlich zur Registrierung im „ELSTER“-Verfahren eine weitere Registrierung voraus. Dies mag ein Grund sein, weshalb im Veranlagungszeitraum 2017 in rund 49.000 Fällen elektronisch abgegebener Steuererklärungen die „vorausgefüllte Steuererklärung“ nicht genutzt wurde.
2.3.3 Ausblick und Bewertung
Für in Papierform eingereichte Steuererklärungen plant die Verwaltung, die Bereiche mit elektronisch übermittelten Daten künftig getrennt zu verarbeiten. Dadurch könnte im Beispielsfall das elektronisch übermittelte Elterngeld automatisch in die Veranlagung übernommen werden, obwohl Eintragungen zum Arbeitslohn vorgenommen wurden. Hätte es eine solche getrennte Verarbeitung schon im Veranlagungszeitraum 2017 gegeben, wären die elektronisch übermittelten Einkommensersatzleistungen in 56.000 Fällen automatisch in die Veranlagung übernommen worden.
Bei den elektronischen Erklärungen ist dagegen keine automatische Übernahme von Daten geplant. Dort setzt die Verwaltung vielmehr auf die Ausweitung der „vorausgefüllten Steuererklärung“. Hierzu soll das Verfahren vereinfacht und die zusätzliche Registrierung abgeschafft werden.
Sollte die beabsichtigte Optimierung bei den Steuererklärungen nicht oder nicht zeitnah greifen, hält der Rechnungshof einen anderen Ansatz für geboten. Er hat bei seiner Prüfung auch festgestellt, dass die elektronisch übermittelten Daten qualitativ gut sind. Sie könnten daher nach Auffassung des Rechnungshofs auch dann automatisch übernommen werden, wenn die Steuerpflichtigen von den elektronisch übermittelten Daten abweichende Beträge erklären. Für eine solche Übernahme wäre allerdings eine Anpassung der Abgabenordnung erforderlich. Nach der bisherigen Regelung darf ein vom Steuerpflichtigen erklärter Betrag nicht automatisch durch einen elektronisch übermittelten Betrag ersetzt werden.
2.4 Aufgriff nicht veranlagter Fälle mit Einkommensersatzleistungen
2.4.1 Auswahl der prüfungsbedürftigen Fälle durch die Steuerverwaltung
Die Steuerverwaltung überprüft regelmäßig auf Basis des Bestands an elektronisch übermittelten Daten, ob auf deren Grundlage Veranlagungen durchzuführen und folglich Steuerpflichtige zur Abgabe einer Steuererklärung aufzufordern sind. Bei der Prüfung der Daten des Veranlagungszeitraums 2015 traf sie aus dem Gesamtbestand der Daten zunächst eine Vorauswahl von rund 24.000 Fällen, zu denen elektronisch übermittelte Daten zu Einkommensersatzleistungen vorlagen. Die Steuerverwaltung griff dabei jedoch nur solche Fälle auf, bei denen die Einkommensersatzleistungen sowie der Bruttoarbeitslohn bundesweit abgestimmte Aufgriffsgrenzen überschritten. Andere Fälle blieben unberücksichtigt.
Die Praxis der Verwaltung, bei der Ermittlung der zu überprüfenden Fälle Aufgriffsgrenzen anzuwenden, ist vor dem Hintergrund eines möglichst effektiven Ressourceneinsatzes nachvollziehbar. Der Rechnungshof hält sie jedoch mit den Grundsätzen der Gesetzmäßigkeit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung für nicht vereinbar. Vielmehr besteht laut Gesetz eine Pflicht zur Veranlagung, wenn Arbeitslohn mit Steuerabzug sowie das Überschreiten der 410-Euro-Grenze vorliegen. Für darüberhinausgehende Aufgriffsgrenzen besteht kein Raum.
Der Aufgriff nicht veranlagter Fälle verursacht einerseits einen hohen bürokratischen Aufwand bei der Verwaltung: Steuerpflichtige müssen bisweilen mehrfach zur Erklärungsabgabe aufgefordert werden. Die im Anschluss durchzuführenden Pflichtveranlagungen führen andererseits ganz überwiegend zu Steuererstattungen (siehe oben Punkt 2.1).
Vor diesem Hintergrund hatte der Rechnungshof Rheinland Pfalz bereits früher die Abschaffung der Pflicht zugunsten einer Antragsveranlagung durch eine Änderung des § 46 Einkommensteuergesetz vorgeschlagen. Dieser Vorschlag fand auf Bundesebene bisher keine Zustimmung. Vielmehr soll nach einem Beschluss der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder zunächst eine Evaluation aller Pflichtveranlagungstatbestände durchgeführt werden.
Im Wegfall der Veranlagungspflicht sieht auch der Rechnungshof Baden-Württemberg einen denkbaren Lösungsansatz. Die Problematik des ungleichen Gesetzesvollzugs würde damit entfallen. Den Finanzämtern bliebe in mehreren zehntausend Fällen ein nachträglicher Fallaufgriff und damit ein erheblicher Arbeitsaufwand erspart.
Nachteile für die Steuerpflichtigen ergäben sich durch den Wegfall der Veranlagungspflicht nicht. Sie könnten sich überzahlte Steuern - wie in anderen Fällen auch - im Wege der Antragsveranlagung erstatten lassen. Der Rechnungshof verkennt nicht, dass durch diesen Lösungsansatz auch Pflichtveranlagungen entfielen, die zu Steuernachzahlungen führen könnten. Bei den Einkommensersatzleistungen machen solche Fälle aber nur einen sehr geringen Anteil aus. Mögliche Steuerausfälle hält der Rechnungshof in Anbetracht der deutlichen Entlastung der Verwaltung für hinnehmbar.
2.4.2 Ergebnis der Überprüfung durch die Finanzämter
Die Finanzämter wurden angewiesen, die erwähnten 24.000 vorausgewählten Pflichtveranlagungsfälle mit elektronisch übermittelten Daten zu Einkommensersatzleistungen zu überprüfen. Steuererklärungen waren anzufordern, deren Abgabe zu überwachen und Veranlagungen gegebenenfalls auch im Wege der Schätzung durchzuführen. Den Daten zu 19.000 dieser Fälle hatten die Finanzämter den Status „erledigt“ zugewiesen. Da der Status „erledigt“ nicht voraussetzt, dass die Finanzämter eine Veranlagung durchgeführt hatten, umfasste dieser Datenbestand sowohl veranlagte als auch nicht veranlagte Fälle.
Von den 19.000 „erledigten“ Fällen mit Einkommensersatzleistungen hat der Rechnungshof 1.000 Fälle nach dem Zufallsprinzip ausgewählt und untersucht. Nur in 43 Prozent dieser Fälle hatten die Finanzämter tatsächlich eine Veranlagung durchgeführt. War eine Veranlagungspflicht nicht noch wegen anderer Tatbestände, sondern ausschließlich wegen des Bezugs von Einkommensersatzleistungen gegeben, wurde sogar nur jeder dritte Fall veranlagt. Gründe für ein Absehen von der Veranlagung in diesem Umfang waren nicht ersichtlich.
3 Empfehlungen
3.1 Automatische Datenübernahme baldmöglichst ausweiten
Sollten die von der Verwaltung beabsichtigten Maßnahmen bei den Steuererklärungen nicht oder nicht zeitnah greifen, hält der Rechnungshof einen anderen Ansatz für geboten. Dann sollte die Landesregierung auf die automatische Übernahme der elektronisch übermittelten Daten in die Veranlagung unabhängig von der Erklärungslage hinwirken. Dazu wäre die bisherige Regelung in § 155 Absatz 4 Satz 3 Abgabenordnung anzupassen.
3.2 Veranlagungspflicht evaluieren und gegebenenfalls abschaffen
Der auf Bundesebene angestoßene Prozess zur Evaluierung der Tatbestände der Pflichtveranlagung in diesem Bereich sollte mit dem Ziel einer rechtskonformen Entlastung der Verwaltung vorangetrieben werden.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Ministerium für Finanzen hat gegen die Feststellungen und Empfehlungen des Rechnungshofs keine Einwendungen erhoben. Sollten die beabsichtigten Maßnahmen bei den Steuererklärungen nicht greifen, werde es den Vorschlag des Rechnungshofs prüfen, die elektronisch übermittelten Daten unabhängig von der Erklärungslage automatisch zu übernehmen.
Zum Aufgriff bisher nicht veranlagter Pflichtveranlagungsfälle teilt das Ministerium mit, die Kriterien für den Fallaufgriff seien bundesweit abgestimmt. Inzwischen sei auch bereits eine entsprechende Fallauswahl für 2016 erfolgt. Die Finanzämter seien angewiesen, Steuererklärungen anzufordern und eine Veranlagung - gegebenenfalls im Wege einer Schätzung - durchzuführen. Die Pflichtveranlagungstatbestände würden derzeit auf Bund/Länder-Ebene evaluiert. Das Ministerium werde sich dabei für eine rechtskonforme Entlastung der Verwaltung einsetzen.
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Der Landesbetrieb Vermögen und Bau realisiert jedes Jahr mit einem Budget von über 800 Mio. Euro etwa 75 große und viele kleine Baumaßnahmen. Die Mehrheit der Baumaßnahmen hielt den geplanten Kosten- und Zeitrahmen ein. Erhebliche Nachträge entstanden zumeist durch Leistungs- oder Planungsänderungen bei Sanierungen. Das Nachtragsmanagement sollte optimiert und für Top-Projekte ein umfassendes Risikomanagement etabliert werden.
1 Ausgangslage
Der Rechnungshof prüfte das Nachtragsmanagement beim Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg. Er untersuchte 48 im Jahr 2017 fertiggestellte große Baumaßnahmen (Gesamtbaukosten über 2 Mio. Euro). Dabei wurde insbesondere der Umgang mit Nachträgen, Mehr- und Minderkosten, Änderungen sowie Behinderungen im Bauprozess und die Kostenentwicklung untersucht. Neben den einschlägigen Vorschriften des öffentlichen und privaten Baurechts wirken sich die Vergabeverordnung, die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) sowie das Vergabehandbuch des Bundes (VHB) mit den landesspezifischen Ergänzungen auf das Nachtragsmanagement und das Handeln des Landesbetriebs aus.
Die VOB Teil B definiert unterschiedliche Arten bzw. Änderungen des bauvertraglich vereinbarten Leistungssolls, die regelmäßig zu Nachträgen führen:
- Mengenänderung (Quantität),
- Leistungsänderung oder -entfall (Qualität),
- Leistung ohne Auftrag (nicht beschrieben),
- Zusätzliche Leistung (Unvorhersehbares),
- Erschwernisse und Behinderungen.
Das VHB enthält in Teil 5 - Nachtragsmanagement - einen Leitfaden zur Vergütung bei Nachträgen. Der Leitfaden befasst sich mit dem Vertragsinhalt, den Leistungspflichten des Auftragnehmers und den Befugnissen des Auftraggebers nach § 1 und § 2 VOB Teil B. Hierbei wird insbesondere auf die Kooperationspflicht der Vertragsparteien hingewiesen. Diese sind u. a. verpflichtet, durch Verhandlungen Meinungsverschiedenheiten beizulegen.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Erhebliche Mehrkosten sind die Ausnahme
Die Bauverwaltung kann in Bezug auf die Kostensicherheit bei den geprüften Baumaßnahmen gute Ergebnisse vorweisen. Der überwiegende Teil der geprüften Maßnahmen hielt den Kostenrahmen ein, obwohl der Baupreisindex im Betrachtungszeitraum im Mittel um 2,5 Prozentpunkte je Jahr stieg.
Zwei Drittel der Baumaßnahmen mit einem Auftragswert von 160 Mio. Euro wurden mit weniger als 10 Prozent Mehrkosten abgerechnet. Alle 48 geprüften Baumaßnahmen mit einem Gesamtwert von 292 Mio. Euro wurden mit etwa 11 Prozent (30 Mio. Euro) über den erstmalig veranschlagten Haushaltsmitteln abgerechnet.
2.2 Bei Sanierungen deutlich mehr Nachträge
Bei Sanierungs- und Umbaumaßnahmen sind die Bauzeit und die Leistungen weit weniger vorhersehbar als bei Neubaumaßnahmen. Bezogen auf die genehmigten Gesamtbaukosten der Bauunterlage wurden bei Sanierungen im Mittel 17 Prozent und bei Neubaumaßnahmen 6 Prozent Nachträge notwendig.
Exemplarisch für überdurchschnittliche Nachträge sind die Sanierungs- und Umbaumaßnahmen von 2016 bis 2019 am Gebäude des Innenministeriums in der Stuttgarter Innenstadt. Das 2013 errichtete Gebäude wurde vom Land angemietet. Der Mietvertrag sieht vor, dass der gesamte Bauunterhalt dem Mieter obliegt. Die Bauunterlage von 2016 sah zunächst u. a. für folgende Maßnahmen Kosten von 1,8 Mio. Euro vor:
- Anbau eines Windfangs,
- Einbau Revisionsklappen zur Wartung der Technik,
- Nachrüsten von Wärme- und Kältemengenzählern,
- Zusätzliche Fahrradabstellplätze.
Die Maßnahme wurde 2019 mit 2,8 Mio. Euro abgerechnet. Erhebliche Nachträge entstanden beispielsweise beim Einbau der Revisionsöffnungen in den Fluren. Der freihändig vergebene Auftrag über 50.000 Euro für zunächst rund 200 Revisionsklappen wurde durch fünf Nachträge auf knapp 600.000 Euro für 588 Revisionsklappen aufgestockt.
2.3 Häufigste Ursachen für Nachträge waren Änderungen
Auch die beste Planung kann keine Nachträge ausschließen. Allerdings kann mit einer abgeschlossenen Planung, einer sorgfältigen Grundlagenermittlung und einer eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung das Risiko von Nachträgen erheblich reduziert werden.
Lücken im Leistungsverzeichnis eröffnen nach der Auftragserteilung Raum für Nachträge. Werden sie von einzelnen Bietern erkannt, bieten sie Spielraum für strategische Angebotspreise, die sich wettbewerbsverzerrend auswirken können.
Der Landesbetrieb hat eine Qualitätserklärung zum Leistungsverzeichnis für freiberuflich Tätige sowie einen Gesprächsleitfaden zur Einweisung der freiberuflich Tätigen zu den Themen Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung eingeführt.
Der Rechnungshof stellte fest, dass die häufigsten Ursachen für Nachträge Leistungs- oder Planungsänderungen mit 45 bzw. 32 Prozent waren. Ungenügende Vorbereitung, nicht ausgereifte Planungen sowie mangelhafte Ausschreibungen hatten Änderungen und Nachträge zur Folge.
Weitere Ursachen (9 Prozent) waren Mängel im Leistungsverzeichnis, beispielsweise durch fehlende, unvollständige oder falsche Beschreibungen. Änderungen oder besondere Auflagen aus dem Bauordnungsrecht waren in 7 Prozent der Nachträge ursächlich.
Zudem stellte der Rechnungshof Nachträge durch spätere Nutzerwünsche, Behinderungen, Verzögerungen oder Witterungseinflüsse fest.
Mehr als die Hälfte der Nachträge wären durch eine vollständige bzw. sorgfältigere Grundlagenermittlung und Planung vermeidbar gewesen.
Der Landesbetrieb Vermögen und Bau hat die Plausibilitätsprüfung der Leistungsbeschriebe bzw. -verzeichnisse vor der Veröffentlichung nicht ausreichend stringent verfolgt. Ungenügende Planungsleistungen bzw. Ausschreibungen hätten häufiger beanstandet bzw. mit einer Fristsetzung zurückgewiesen werden müssen.
2.4 Dauer der Nachtragsprüfung durch die freiberuflich Tätigen und die Bauverwaltung
Die Phasen der Nachtragsprüfung beinhalten die Wertung, die notwendige Klärung von Änderungen, die Kalkulation der Leistung sowie die Begründung. Das Nachtragsangebot ist unverzüglich nach Vorlage der Nachweise zu prüfen, damit die notwendige Nachtragsvereinbarung vor der Ausführung getroffen werden kann (§ 2 Absatz 5 VOB Teil B).
Die Bearbeitung der Nachträge durch die freiberuflich Tätigen und den Landesbetrieb dauerte häufig zu lange. In Einzelfällen nahm dieser Vorgang weit mehr als 100 Kalendertage in Anspruch. Bei mehr als 100 geprüften Einzelfällen betrug die mittlere Dauer vom Tag des Angebots bis zur schriftlichen Beauftragung 63 Kalendertage (ohne die vorgenannten Ausreißer).
Die Nachträge wurden nicht durchweg zeitnah und konsequent bearbeitet sowie vereinbart. Damit wurden weitere potenzielle Behinderungen im Bauprozess oder Mehrkosten in Kauf genommen.
Bei 18 Prozent der Nachträge wurden keine neuen Vertragsfristen vereinbart, obwohl dies erforderlich gewesen wäre. 15 Prozent der Nachtragsvereinbarungen wurden erst nach Fertigstellung der Leistung abgeschlossen. Nach Fertigstellung ist eine ordnungsgemäße Prüfung nicht mehr sinnvoll möglich.
2.5 Ungenügende Dokumentation
Bei der Mehrheit der Maßnahmen fehlten wesentliche Teile der Dokumentation, wie die Preiskalkulation oder die stichhaltige Begründung der Mehr- bzw. Minderkosten. Somit waren die Nachträge im Einzelfall nicht prüfbar.
§ 2 VOB Teil B beschreibt u. a., wie bei Änderungen der beauftragten Menge anhand der 10-Prozent-Regelung die Einheitspreise zu vereinbaren bzw. zu vergüten sind. Die Prüfung aller sonstigen Bedingungen, die zu Nachträgen führen, sind in der landesspezifischen Ergänzung zum VHB zu Teil 5 in einem Leitfaden genannt. Jedoch wurde dieser vom Land nicht verbindlich eingeführt. Er dient somit nur zu Informationszwecken. Weitere Regelungen des Bundes hat das Land bewusst außer Kraft gesetzt. Der Rechnungshof sieht hier Regelungsbedarf, wie die Prüfung von Nachträgen konkret durchzuführen ist.
2.6 Risikomanagement
Ein Risikomanagement erkennt, bewertet und aktualisiert Risiken während des gesamten Bauprozesses. Es weist den Projektverantwortlichen monetär bewertete Risiken inklusive ihrer Eintrittswahrscheinlichkeiten nach Phasen getrennt zu und sollte von Personen wahrgenommen werden, die nicht mit der Planung oder Projektleitung betraut sind.
Der Landesbetrieb führt zwar regelmäßig interne Risikomanagementbesprechungen für Projekte mit mehr als 15 Mio. Euro Gesamtbaukosten durch. Diese fokussieren indes lediglich auf Kosten und Termine bei grober Unterteilung nach Baugrund-, Bausubstanz-, Genehmigungs- und Baupreisrisiken. Es fehlt eine fortlaufende monetäre Bewertung von Einzelrisiken und die Zuweisung an die jeweiligen Projektverantwortlichen. Insoweit sieht der Rechnungshof Verbesserungspotenzial hin zu einem detaillierten Risikomanagement. Ein solches könnte das Nachtragsvolumen wesentlich reduzieren. Der Rechnungshof sieht insbesondere bei sogenannten Top-Projekten die Notwendigkeit, ein Risikomanagement zu etablieren.
3 Empfehlungen
3.1 Qualität der Leistungsbeschriebe verbessern
Die Mengenangaben und Qualitäten der Leistungsbeschriebe sollten verbessert werden. Der Landesbetrieb sollte die freiberuflich Tätigen zu mehr Sorgfalt bei der Planung anhalten und überwachen. Die Plausibilitätsprüfung durch die Bediensteten des Landesbetriebs sollte intensiviert werden.
3.2 Risikomanagement einführen
Das Land sollte insbesondere bei besonders großen Bauprojekten ein Risikomanagement etablieren, das die Vielzahl der Einzelrisiken benennt, bewertet und verantwortlichen Personen zuweist.
3.3 Landeseigenen Leitfaden einführen
Der „Leitfaden zur Vergütung von Nachträgen“ des Vergabehandbuchs des Bundes sollte nicht nur Informationszwecken dienen. Das Land sollte hierfür verbindliche Regeln einführen.
3.4 Vereinbarung von Nachträgen beschleunigen
Sind Nachträge erforderlich, sind diese technisch sowie wirtschaftlich zu prüfen und hierüber unverzüglich schriftliche Nachtragsvereinbarungen abzuschließen. Mit den Vertragspartnern sind dabei grundsätzlich neue Vertragsfristen zu vereinbaren. Der Landesbetrieb sollte sicherstellen, dass die Verfahren beschleunigt werden.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Finanzministerium bestätigt, dass das Nachtragsmanagement ein wichtiges Instrument zum rechtssicheren Umgang mit nachträglichen Änderungen des vertraglich geschuldeten Bausolls sei. Dies erfordere fundierte rechtliche und betriebswirtschaftliche Kenntnisse sowie ein breit gefächertes Wissen in vielen Bereichen. Insbesondere die Qualitätssicherung beim Nachtragsmanagement werde kontinuierlich verbessert und die Betriebsleitung des Landesbetriebs personell verstärkt. Darüber hinaus würden auch Schulungen und Fortbildungen verstärkt durchgeführt.
Zur Qualitätssteigerung habe der Landesbetrieb einen Gesprächsleitfaden zur Einweisung der freiberuflich Tätigen eingeführt. Er enthalte Hinweise und Vorgaben in Form von Checklisten zur Erstellung von VOB-konformen Ausschreibungs- und Vergabeunterlagen.
Der Landesbetrieb habe 2012 ein Risikomanagement eingeführt, das 2015 umfassend überarbeitet worden sei. Es sei beabsichtigt, das Verfahren in Anlehnung an die Empfehlungen des Rechnungshofs punktuell weiterzuentwickeln.
Das Ministerium sagte zu, den „Leitfaden zur Vergütung bei Nachträgen“ des Vergabehandbuchs des Bundes künftig verbindlich vorzugeben.
Die Zeitdauer sowie die Dokumentation der Vereinbarung von Nachträgen sollen durch eine IT-Unterstützung und die Einrichtung einer Kompetenzstelle verbessert werden.
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Bei der energetischen Modernisierung von Heizwerken bei großen Liegenschaften der Polizei wurden unwirtschaftliche Anlagen umgesetzt. Die Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen beruhten regelmäßig auf falschen Annahmen zu Zinssätzen, Steuern oder Betriebsstunden. Der „Virtuelle Stromspeicher“ in Biberach wurde zu keinem Zeitpunkt zweckentsprechend eingesetzt. Das Pilotvorhaben wurde überdimensioniert ausgelegt. Einige Anlagenteile entfalten überhaupt keine Wirkung.
1 Ausgangslage
Neben den Justizvollzugsanstalten und Hochschulen sind die großen Liegenschaften der Polizei die größten nichtuniversitären Energieverbraucher im Eigentum des Landes. Für die Strom- und Wärmeversorgung von sieben großen Liegenschaften der Polizei gibt das Land jährlich 4 Mio. Euro aus. Die Liegenschaften verbrauchen etwa so viel Energie wie 2.700 Einfamilienhaushalte. Der Rechnungshof prüfte den Betrieb und die Modernisierung der Heizkraftwerke bei fünf Standorten der Hochschule für Polizei und zwei Standorten des Polizeipräsidiums Einsatz.
Die Heizkraftwerke versorgen Gebäude mit einer Nutzfläche von mehr als 220.000 m² mit Wärme und teilweise mit Strom.
An den meisten Standorten wurde die Anzahl der Ausbildungs- bzw. Studienplätze aufgrund der Polizeistrukturreform bzw. der Einstellungsoffensive erhöht. Daher wurden in den letzten fünf Jahren etliche beheizbare Kfz-Hallen zu Schulungs- oder Einsatz-Trainingsräumen umgenutzt.
Der Rechnungshof nahm alle Heizwerke und Liegenschaften in Augenschein und interviewte Nutzer und Anlagenbediener.
Der neue Standort Herrenberg wurde nicht in die Prüfung mit einbezogen, da die Sanierungsarbeiten noch nicht abgeschlossen waren.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Mangelhafte Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen
Der Landesbetrieb Vermögen und Bau ließ bei allen größeren Modernisierungen von technischen Anlagen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen erstellen. In den geprüften Fällen wurden die Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen von externen Gutachtern erstellt. Zwar hat sich die Qualität dieser Gutachten gegenüber früheren Prüfungen verbessert, gleichwohl stellte der Rechnungshof wiederkehrende Fehlerquellen fest.
Zu hohe Zinssätze
Die verwendeten Zinssätze entsprachen nicht den vom Finanzministerium veröffentlichten Zinssätzen für Kapitalkosten. Sie wurden in der Regel mit vier bis sechs Prozent anstelle von 0,5 bis 2,5 Prozent deutlich zu hoch angesetzt.
Fehlerhafte Berechnung bei der Stromeinspeisung
Die Stromeinspeisung der Blockheizkraftwerke (BHKW) rechnet das Land über einen Betrieb gewerblicher Art ab. Die Gutachten für die BHKW kalkulierten immer Bruttokosten, ohne den Vorsteuerabzug zu berücksichtigen.
Zu niedrige Betriebsstunden-Ansätze
In den Gutachten wurde stets ein zu niedriger Nutzungsgrad der BHKW zugrunde gelegt. Wären die real zu erwartenden Vollbetriebsstunden berücksichtigt worden, hätten sich höhere Betriebszeiten und damit höhere Einsparungen ergeben.
Falsche Ansätze für Verwaltungskosten
Die Verwaltungskosten für die kaufmännische Betreuung der BHKW wurden zu gering angesetzt. In einigen Fällen wurden sie zudem fälschlich mit Umsatzsteuer belegt.
2.2 Betrieb in Villingen-Schwenningen
Die Hochschule für Polizei in Villingen-Schwenningen wurde in den 1980er- und 1990er-Jahren errichtet und erweitert. Zu den 14 Gebäuden gehören Unterkunfts-, Unterrichts- und Verwaltungsgebäude und Werkstätten sowie eine Sporthalle und Mensa. Infolge der Einstellungsoffensive hat sich die Nutzung der Liegenschaft von rund 700 auf 1.000 Personen intensiviert. Die Heizzentrale wurde bereits 2012 modernisiert. Dabei wurden zwei neue gasgefeuerte Heizkessel sowie ein BHKW installiert.
Das BHKW erreichte seit seiner Inbetriebnahme 2013 im Mittel weniger als die Hälfte der in der Wirtschaftlichkeitsberechnung zugrunde gelegten Vollbetriebsstunden. Ursächlich waren Störungen im BHKW-Betrieb sowie wiederkehrende Störungen im Heizanlagenbetrieb. Letztere konnten erst 2019 behoben werden. Dadurch konnten von 2013 bis 2017 erwartete Einsparungen von mehr als 300.000 Euro nicht realisiert werden. Der Landesbetrieb berichtete darüber hinaus über „unerkannte Stillstandszeiten“ des BHKW in 2018. Die Verfahren bei Störmeldungen seien jedoch zwischenzeitlich verbessert worden.
2.3 Virtueller Stromspeicher in Biberach
Die Gebäude der Hochschule entstanden zwischen 1976 und 1978. 2003 und 2018 kamen insgesamt vier Neubauten hinzu, zum Teil in Containerbauweise. Zu den 30 Gebäuden gehören sechs Unterkunftsgebäude, neun Kfz-Hallen sowie Werk- und Sportstätten, Unterrichtsgebäude und Verwaltungsgebäude. Seit 2006 wurden 15 Gebäude energetisch verbessert und modernisiert. Zwei ehemalige Kfz-Hallen wurden für Ausbildungszwecke umgebaut.
2012 wurden Gutachten beauftragt, wie die Heizzentrale in Biberach modernisiert werden könne. Ein Stromhändler unterbreitete parallel den Vorschlag, die Heizzentrale zu einem „virtuellen Stromspeicher“ umzubauen (vergleichbar mit Power-to-Heat-Systemen). Dieses Konzept sah zwei BHKW in Kombination mit elektrischen Wärmeerzeugern (Wärmepumpe und Durchlauferhitzer), Solarabsorber, Erdgas-Heizkessel und Wärmespeichern vor. Die Anlage sollte dem öffentlichen Stromnetz günstigen Überschussstrom entnehmen und die mittels Wärmepumpe, Gaskessel und Durchlauferhitzer erzeugte Wärme im Warmwasserspeicher zwischenspeichern können. Bei einem Leistungsbedarf des öffentlichen Netzes sollte das BHKW hingegen Strom in das öffentliche Netz einspeisen.
Der Gutachter nahm diese Variante mit in die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung auf. Er stellte fest, es bestünden landesweit genügend Energieverbraucher und Energieerzeuger, mit denen auf Überschussstrom bzw. Leistungsunterdeckung situativ reagiert werden könne. Außerdem ginge das Konzept im Sommer nicht auf, da Spitzenleistung aus Photovoltaikanlagen mit geringem Wärmebedarf zusammenträfe. Der vorgestellte energiewirtschaftliche Betrieb mit positiver und negativer Regelleistung könne also nicht realisiert werden. Er empfahl, dieses Konzept nicht zu realisieren, weil es technisch keinen Vorteil biete, weniger CO2- und Primärenergieeinsparungen als die anderen Varianten erziele und wirtschaftlich nicht empfehlenswert sei.
Daraufhin empfahl der Landesbetrieb dem Finanzministerium, die Anlagenkonzepte mit normalen BHKW weiterzuentwickeln; der virtuelle Stromspeicher sei mit zahlreichen Risiken behaftet. Das Finanzministerium entschied hingegen nach Gesprächen mit dem Stromhändler, dass der virtuelle Stromspeicher als Pilotprojekt realisiert werden solle. Im November 2012 teilte es dem Landesbetrieb mit, dass der virtuelle Stromspeicher weiter zu entwickeln sei und in die Bauunterlage aufgenommen werden solle. Warum der virtuelle Stromspeicher trotz höherer Kosten und geringerer CO2-Einsparung weiter zu entwickeln sei, begründete es nicht.
In der Folge wurde der Stromhändler freihändig mit der Planung, Bauleitung und der Betriebsführung beauftragt. Am Gewinn der Betriebsführung sollte der Stromhändler beteiligt werden. Die Anlage wurde 2015 für 2,4 Mio. Euro realisiert.
Der virtuelle Stromspeicher konnte nicht genutzt werden, da die erwartete Nachfrage nach positiver und negativer Regelleistung ausblieb. Stattdessen wurde der Betrieb auf den tatsächlichen Energiebedarf der Liegenschaft ausgerichtet. Dafür ist die Heizzentrale um 100 Prozent überdimensioniert. Betrieben wurden bislang nur die BHKW, die Wärmepumpe und der Gaskessel, nicht hingegen der Durchlauferhitzer, der Solarabsorber sowie der Warmwasserspeicher. Die BHKW erreichten dabei je Jahr nur 2.200 Vollbetriebsstunden, also eine Auslastung von weniger als 25 Prozent.
Der Durchlauferhitzer war vollständig außer Betrieb, da er nur für das Anlagenkonzept „virtueller Stromspeicher“ erforderlich war. Der 400 m² große Solarabsorber lieferte keine Wärme, da die BHKW sommers mehr als ausreichende Wärmemengen erzeugen. Hätte der Solarabsorber Wärme bereitgestellt, wäre er in Konkurrenz zu den BHKW gestanden. Deren Betriebszeit hätte sich weiter verkürzt, was wiederum zu wirtschaftlichen Nachteilen geführt hätte.
Bei der Wahl einer wirtschaftlichen Anlagenmodernisierung mit bewährter BKHW-Konzeption hätte das Land ab 2015 je Jahr rund 90.000 Euro einsparen können.
Der Rechnungshof stellte fest, dass das Honorar des Stromhändlers zu hoch berechnet wurde, da es auf überhöhten Wärmeverbräuchen beruhte. Tatsächlich fielen die Wärmeverbräuche jedes Jahr um mehr als 500 MWh geringer aus. Der Landesbetrieb und auch die mit dem Monitoring beauftragte Hochschule bestätigten eine erhebliche Abweichung, die nicht erklärbar sei. Aufgrund des bestehenden Vertrags sah der Landesbetrieb jedoch keine rechtliche Möglichkeit, eine Anpassung des Honorars durchzusetzen.
Die Nichtnutzung bzw. nur geringe Nutzung von Anlagen stellt einen ineffizienten Ressourceneinsatz dar. Der virtuelle Stromspeicher hat nie Strom gespeichert, da der Bedarf für die Abnahme von überschüssigem Strom (Photovoltaik, Wind) zu keinem Zeitpunkt gegeben war. Durch die geringen Laufzeiten des BHKW konnte die erwartete CO2-Einsparung nicht erreicht werden.
Zum Zeitpunkt der Vor-Ort-Prüfung im November 2019 waren die BHKW wegen eines Überspannungs-Brandschadens bereits mehrere Wochen außer Betrieb, wodurch kein Strom ins öffentliche Netz eingespeist werden konnte. Auch die Wärmepumpe war außer Betrieb, weil sie ausschließlich mit BHKW-Strom betrieben wird.
2.4 Heizzentrale und Geothermie in Bruchsal
Die Liegenschaft in Bruchsal wird vom Polizeipräsidium Einsatz und der Hochschule für Polizei genutzt. Zur ihr gehören vier Unterkunftsgebäude, vier Lehrsaalgebäude, Kfz-Hallen und zehn weitere Gebäude.
Für die Modernisierung der Heizzentrale wurden von 2013 bis 2017 vier Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen von verschiedenen Beratern durchgeführt. Grund hierfür waren u. a. geänderte Angebote eines Fernwärmeversorgers in staatlicher Trägerschaft. Dieser betreibt in einem benachbarten Gewerbegebiet eine hydrothermale Geothermie-Anlage mit zwei Tiefenbohrungen, die 2009 erweitert wurde.
Die erste Wirtschaftlichkeitsuntersuchung wurde 2013 mit sechs Varianten erstellt. Die zweite Wirtschaftlichkeitsuntersuchung von 2014 ergab als wirtschaftlichstes Anlagenkonzept eine Wärme- und Stromversorgung aus Erdgas gefeuerten Heizkesseln und zwei BHKW-Modulen. Die dynamischen Jahreskosten wurden mit 437.000 Euro ermittelt (mittlere jährliche Gesamt-Betriebskosten unter Berücksichtigung von Preissteigerungen mehr als 20 Jahre). Die Anlagenkonzepte mit Fernwärme aus der benachbarten Geothermie-Anlage hatten die höchsten dynamischen Jahreskosten von 506.000 Euro bis 681.000 Euro. Daher wurde das Konzept mit Erdgas-Kessel und BHKW für die weitere Planung und Bauunterlage beauftragt.
Im Nachgang zur Bauunterlage wurden mit dem Fernwärmeversorger Verhandlungen geführt. Auf Basis eines neuen Wärmelieferangebots mit einer Teillieferung aus Geothermie-Fernwärme wurde 2015 eine dritte Wirtschaftlichkeitsuntersuchung durchgeführt. Auf das Anlagenkonzept mit Geothermie wurde nun ein 20 Prozent Abzug als „Umweltbonus“ auf die gesamte Investition vorgenommen. Der Abzug auf die Gesamtinvestition war verfälschend. Er hätte lediglich auf den Investitionsanteil der Geothermie-Anlage erfolgen dürfen. Daher wurden zu niedrige Investitions- und dynamische Jahreskosten berechnet.
Gleichwohl war das neue Anlagenkonzept immer noch teurer als das zur Weiterplanung beauftragte Anlagenkonzept von 2014. Trotzdem wurde auf Grundlage des Anlagenkonzepts mit Geothermie eine neue Bauunterlage erstellt. In einer Besprechung zwischen dem Finanzministerium und dem Landesbetrieb Vermögen und Bau im Mai 2015 wurde festgelegt, dass die Preisgestaltung des Anbieters weiterhin verhandelt werden solle. Daraufhin legte der Anbieter ein nochmals geändertes Angebot mit höherem Arbeitspreis und niedrigerem Grundpreis vor.
Eine vierte Wirtschaftlichkeitsuntersuchung vom April 2017 verglich das wirtschaftlichste Anlagenkonzept von 2014 (zwei Kessel, zwei BHKW-Module) mit einer Teillieferung aus Geothermie-Fernwärme auf Basis des geänderten Angebots.
Bei der Variante mit Fernwärme aus Geothermie wurde wiederum ein verfälschender Abzug von 20 Prozent als „Umweltbonus“ auf die gesamten Investitionskosten von 1,9 Mio. Euro vorgenommen. Der Zinssatz für zehnjährige, endfällige Darlehen wurde mit 2,6 Prozent statt mit 0,5 Prozent angesetzt. Im Ergebnis wies die Variante mit Geothermie dennoch einen wirtschaftlichen Nachteil von jährlich 30.000 Euro auf.
Nach Auskunft des Landesbetriebs sei wegen der Klimaschutzziele der Landesregierung und des Pilotcharakters die Variante mit Geothermie ausgeführt worden, obwohl sie weniger wirtschaftlich sei. Die Betriebsleitung stimmte der Ausführung im Juni 2017 zu. Die Zustimmung sei mit dem Finanzministerium abgestimmt gewesen.
3 Empfehlungen
3.1 Belastbare Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen erstellen
Die Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen von externen Gutachtern sollten intensiver auf kalkulatorische Fehler geprüft werden. Steuerliche und finanzmathematische Rahmenbedingungen sollten eindeutig vorgegeben werden. Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen sind neutral, korrekt und zügig durchzuführen.
3.2 Pilotprojekte nur bei effektiver CO2-Minderung realisieren
Pilotprojekte sollten nicht realisiert werden, wenn das konkrete Projekt technisch keinen Vorteil bietet, kaum CO2- und Primärenergieeinsparungen erzielt und zudem nicht wirtschaftlich ist.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Finanzministerium bestätigt, dass die vom Rechnungshof festgestellten Optimierungspotenziale zwischenzeitlich in weiten Teilen wie zum Beispiel in Villingen-Schwenningen erschlossen seien. Darüber hinaus würden durch aktuelle energetische Maßnahmen weitergehende Einsparungen von Strom- und Wärmeenergie erzielt.
Das Ministerium teilt weitgehend die Auffassung des Rechnungshofs, dass Wirtschaftlichkeitsberechnungen vereinheitlicht und optimiert werden sollen. Die komplexen Berechnungsverfahren seien vom Landesbetrieb Vermögen und Bau teilweise bereits angepasst, beispielsweise bei den Zinssätzen. Die Ermittlung der Verwaltungskosten nach dem vom Rechnungshof vorgeschlagenen Verfahren sei jedoch zu aufwendig und werde daher nicht weiterverfolgt.
Der virtuelle Stromspeicher in Biberach sollte als innovatives Power-to-Heat-System einen Beitrag zur Energiewende leisten und mit einer flexiblen Anlagentechnik auf künftige Strommarktverhältnisse reagieren können. Das Ministerium räumt ein, dass sich der Strommarkt für die negative Regelenergie leider nicht so wie vorgesehen entwickelt habe.
Das Projekt in Biberach sei dennoch wirtschaftlich, insbesondere im Vergleich mit Power-to-Gas-Systemen (Elektrolyse z. B. bei der Brennstoffzelle). Ausgewählte innovative Pilotprojekte sollen auch künftig in einem vertretbaren wirtschaftlichen Rahmen umgesetzt werden. Zudem gehe man in Zukunft von einem größeren Markt für negative Regelenergie aus, was die Power-to-Heat-Systeme noch stärker etabliere.
5 Schlussbemerkung
Der Rechnungshof nimmt die Bemühungen des Finanzministeriums zur Vereinfachung und Optimierung bei Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen zur Kenntnis. Er bleibt bei seiner Auffassung, dass die Energieversorgung der Polizeiliegenschaft in Biberach mit einer anderen technischen Konzeption deutlich günstiger realisiert und betrieben werden könnte. Das Pilotprojekt erwies sich im Realbetrieb als nicht wirtschaftlich.
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Der Landesbetrieb Vermögen und Bau sollte die Aufgaben des Referats „Bauberatung Dritter“ an die gesetzlichen Regelungen anpassen. Ziel sollte sein, die rund 80 ungeprüften Fördermaßnahmen im Krankenhausbau mit abgerechneten Kosten von mehr als 1,8 Mrd. Euro zeitnah ordnungsgemäß abzuschließen. Künftig sollte die ausführliche Beratung der Krankenhausträger vor der Antragstellung im Vordergrund stehen, um die Funktionalität und die Planung der Maßnahmen zu verbessern. Bei den geprüften Zuwendungsprogrammen sollte bei Neubaumaßnahmen auf eine baufachliche Prüfung verzichtet werden, da die jeweilige Zuwendungshöhe nach Richtwerten bemessen wird.
1 Ausgangslage
Der Rechnungshof prüfte die Tätigkeit des Referats „Bauberatung Dritter“ bei der Betriebsleitung des Landesbetriebs Vermögen und Bau Baden-Württemberg im Zeitraum 2014 bis 2019. Das Referat nimmt die Aufgaben der baufachtechnischen Dienststelle für Hochbaumaßnahmen des Landes wahr.
Die Aufgabe der „Bauberatung Dritter“ besteht in der Beratung der Förderbehörden, der Zuwendungsempfänger und deren Architekten und Ingenieure vor der Antragsstellung sowie vor allem in der baufachlichen Prüfung der Bauunterlagen nach der Antragstellung und des Verwendungsnachweises. Die Prüfung dient der Feststellung der jeweils förderfähigen Baukosten und einer zweckmäßigen und wirtschaftlichen Verwendung von Landesmitteln.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Personalausstattung
In der Oberfinanzdirektion Stuttgart bestand 2002 die baufachtechnische Beratung und die Krankenhausbauberatung aus drei Referaten mit insgesamt 13,5 Vollzeitäquivalenten (VZÄ). Aktuell verfügt das Referat „Bauberatung Dritter“ über 8,35 VZÄ. Von diesen waren eine Mitarbeiterin als Bauingenieurin, die übrigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Architektinnen und Architekten ausgebildet. In speziellen Fachfragen wurde das Referat zusätzlich von durchschnittlich 2,0 VZÄ aus anderen Referaten der Betriebsleitung unterstützt.
2.2 Krankenhausbau
Das Land Baden-Württemberg fördert mit der Krankenhausinvestitionsförderung die Investitionskosten für die Errichtung (Neubau, Erweiterung, Umbau) von Krankenhäusern und mit den Pauschalförderungen die Wieder- und Ersatzbeschaffung von kurzfristigen Anlagegütern.
Die veranschlagten Gesamtmittel für die Krankenhausinvestitionsförderung stiegen in den letzten Jahren stetig an. Für 2019 stellte das Land den baden-württembergischen Krankenhäusern rund 573 Mio. Euro zur Verfügung. Darin enthalten sind rund 61,7 Mio. Euro Bundesmittel für den Krankenhausstrukturfonds sowie 10 Mio. Euro für das Digitalisierungsprogramm.
Die „Bauberatung Dritter“ prüft jeden Förderantrag nach Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Die Prüfung bezieht sich dabei auf den Entwurf, die Flächen und die Kosten des konkreten Projekts. Im Ergebnis werden die angemessenen (förderfähigen) Kosten ermittelt. Diese dienen als Grundlage für die Verhandlungen mit den Krankenhausträgern über die konkrete Zuschusshöhe in Form eines Festbetrags.
Im Prüfungszeitraum wurden 244 Anträge für Maßnahmen aus den Jahreskrankenhausbauprogrammen bearbeitet.
Rückstand bei der Prüfung von Verwendungsnachweisen
Die Prüfung der Verwendungsnachweise ist erforderlich, um die zweckentsprechende Verwendung der eingesetzten Fördermittel zu überprüfen, gegebenenfalls Fördermittel zurückzufordern und die Fördermaßnahmen ordnungsgemäß abzuschließen.
Zum Zeitpunkt der Prüfung waren insgesamt 83 Verwendungsnachweise aus dem Zeitraum 2009 bis 2019 mit abgerechneten Kosten von mehr als 1,8 Mrd. Euro und einem Zuschussbetrag von insgesamt mehr als 950 Mio. Euro ungeprüft.
Bei der gegenwärtigen Bearbeitungsdauer würde die Prüfung der 83 ungeprüften Verwendungsnachweise mehr als 10 Jahre erfordern. Zwischenzeitlich wurden jedoch bereits mehr als 200 neue Maßnahmen bewilligt, für die noch kein Verwendungsnachweis vorliegt. Deren Prüfung würde weitere 20 Jahre in Anspruch nehmen.
Dieser Rückstand führt dazu, dass viele Verwendungsnachweise aus tatsächlichen Gründen nicht mehr prüfbar sind.
In einem Einzelfall stellte der Rechnungshof fest, dass ein Krankenhausträger seit der Bewilligung zweimal gewechselt hatte und aus diesem Grund keine Rechnungsbelege zu den umgesetzten Maßnahmen mehr vorhanden waren. Die geförderten Maßnahmen wurden inzwischen teilweise baulich verändert, sodass der ursprünglich geförderte Zustand nicht mehr erkennbar ist. Eine Prüfung der zweckentsprechenden Verwendung ist in solchen Fällen kaum mehr möglich.
Zweck der Förderung durch Festbetrag wird verfehlt
In Baden-Württemberg können die Krankenhäuser nach § 14 Absatz 2 Satz 1 Landeskrankenhausgesetz (LKHG) durch einen Festbetrag gefördert werden.
Die Festbetragsförderung soll den Krankenhausträgern Anreize setzen, die Investition sparsam zu verwirklichen. Deshalb sollen grundsätzlich Kostenminderungen dem Krankenhaus zugutekommen, Kostenerhöhungen dagegen von ihm getragen werden. Sinn und Zweck der Festbetragsfinanzierung ist auch die Entlastung der handelnden Behörden. Eine in das Einzelne gehende Prüfung im Rahmen der Bewilligung und der Schlussabrechnung soll daher nach § 14 Absatz 2 Satz 7 LKHG nur erfolgen, soweit hierfür besondere Gründe vorliegen.
Die „Bauberatung Dritter“ prüft die Verwendungsnachweise der Krankenhausträger trotz Festbetragsförderung umfassend und detailliert. Vor dem Hintergrund der Vielzahl an ungeprüften Verwendungsnachweisen ist dieses Vorgehen nicht sachgerecht.
2.3 Weitere Bereiche baulicher Förderung
Das Land fördert bauliche Maßnahmen in weiteren Bereichen, in denen sich die Beteiligung der „Bauberatung Dritter“ nach den Verwaltungsvorschriften (VV) zur Landeshaushaltsordnung (LHO) in direkter oder entsprechender Anwendung richtet.
Nach Nr. 6.1 der VV zu § 44 LHO müssen die Bewilligungsstellen des Landes bei Zuwendungen für Baumaßnahmen die baufachtechnische Dienststelle für Hochbaumaßnahmen beteiligen.
Diese Beteiligung der baufachtechnischen Dienststelle entfällt u. a., wenn
- die für die Baumaßnahme vorgesehenen Zuwendungen von Bund und Ländern zusammen 2,5 Mio. Euro nicht übersteigen (bei Zuwendungen zu Projektförderungen an kommunale Körperschaften, wenn die vorgesehenen Zuwendungen 1,5 Mio. Euro nicht übersteigen) oder
- die Zuwendung nach Richtwerten bemessen wird und die Richtwerte vorher von der baufachtechnischen Dienststelle anerkannt wurden.
2.3.1 Schulbau
Das Land fördert den Bau und die Sanierung von Schulen sowohl in kommunaler als auch privater Trägerschaft nach verschiedenen Rechtsvorschriften.
Die Haushaltsmittel für die Schulbauförderung, einschließlich der Bauzuschüsse für Ganztagsschulen und Inklusion, betrugen 2019 rund 119 Mio. Euro. Zusätzlich förderte das Land die Sanierung von Schulen 2017 bis 2019 mit dem kommunalen Sanierungsfonds mit rund 460 Mio. Euro. Daneben stellte der Bund mit dem Kommunalinvestitionsförderungsgesetz u. a. für die Förderung von Schulsanierungen von finanzschwachen Kommunen Fördermittel rund 251 Mio. Euro zur Verfügung.
Neu- und Erweiterungsbauten
Die „Bauberatung Dritter“ prüft im Antragsstadium die Fördermaßnahmen Neubau, bauliche Erweiterung sowie Umbau von Schulgebäuden nach ihrer Funktionalität sowie deren Flächen und Kosten.
Der zuschussfähige Bauaufwand errechnet sich bei Neubauten und größeren Erweiterungsbauten in der Regel aus der Programmfläche der Modellraumprogramme multipliziert mit einem in der Verwaltungsvorschrift Schulbauförderung (VwV SchBau) festgelegten Kostenrichtwert. Bei den übrigen Erweiterungsbauten ist zur Ermittlung des zuschussfähigen Bauaufwands von den Kosten je m² Schulfläche anhand eines Kostenrichtwerts auszugehen.
Bei Neubau- und Erweiterungsbaumaßnahmen sollte auf eine Beteiligung der „Bauberatung Dritter“ generell verzichtet werden, da die Voraussetzung der VV zu § 44 LHO - von der baufachtechnischen Dienststelle anerkannte Kostenrichtwerte - erfüllt ist.
Darüber hinaus können die Feststellung des zuschussfähigen Flächenbedarfs sowie die Abgrenzung nicht förderfähiger Flächen auch bislang von den Regierungspräsidien geleistet werden. Auf Grundlage der Modellraumprogramme der VwV SchBau und den darin festgelegten Kostenrichtwerten ist die korrekte Ermittlung des Zuschussbetrags durch die Regierungspräsidien aus Sicht des Rechnungshofs sichergestellt.
Schulsanierungen
Bei den Sanierungsprogrammen des Bundes und des Landes fand bei Baumaßnahmen unabhängig von der Höhe des Zuschusses keine baufachliche Prüfung statt. Baumaßnahmen mit einem Zuschuss über 1,5 Mio. Euro wurden somit entgegen den Vorgaben der VV zur LHO baufachlich nicht geprüft. 2018 und 2019 wurden damit insgesamt 812 Schulsanierungen gefördert, davon 135 mit einem Zuwendungsbetrag von über 1,5 Mio. Euro. Hinter den 135 Maßnahmen stehen förderfähige Kosten von rund 734 Mio. Euro und Zuschüsse von über 400 Mio. Euro, die baufachlich ungeprüft geblieben sind.
Bei Sanierungen von Schulgebäuden richtet sich der zuwendungsfähige Bauaufwand nach der Kostenschätzung nach DIN 276 und der zu sanierenden Schulfläche. Die Baukosten sind dabei bis zu 60 vom Hundert des Kostenrichtwerts je m² Schulfläche zuwendungsfähig. Um die Angemessenheit der beantragten Kosten nach DIN 276 und die Angaben der Flächen inhaltlich prüfen zu können, ist aus Sicht des Rechnungshofs die Beteiligung der „Bauberatung Dritter“ erforderlich.
2.3.2 Behindertenhilfe
Der Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) führt im Auftrag des Sozialministeriums das Förderprogramm der Behindertenhilfe durch. Mit dem Programm werden der Erwerb, die Schaffung, die Erweiterung, der Umbau und die Modernisierung sowie im Ausnahmefall auch der Ersatzneubau u. a. von Wohnstätten, Einrichtungen für Förder- und Betreuungsgruppen sowie Werkstätten für behinderte Menschen gefördert.
Grundlage für die Förderung des Landes ist die Verwaltungsvorschrift des Sozialministeriums zur Förderung von dezentralen Wohnangeboten sowie von Betreuungs- und Werkstattangeboten für Menschen mit Behinderungen (VwV Dezentrale Angebote).
Nach eigenen Angaben prüft die „Bauberatung Dritter“ die Fördermaßnahmen hinsichtlich ihrer Funktionalität, deren Flächen und den beantragten Kosten nach DIN 276. Für die Beurteilung der Angemessenheit der zuwendungsfähigen Ausgaben sieht die VwV Dezentrale Angebote Kostenwerte vor, die entsprechend dem Baupreisindex fortgeschrieben werden. Daneben prüfe die „Bauberatung Dritter“ auch die Verwendungsnachweise, soweit sie eine baufachliche Stellungnahme im Antragsverfahren abgegeben hat. In Einzelfällen seien auch weitere Verwendungsnachweise an die „Bauberatung Dritter“ weitergeleitet worden, wenn kein ausreichender Sachverstand beim KVJS vorhanden gewesen sei.
Der KVJS teilte mit, dass im Prüfungszeitraum 36 Maßnahmen zur baufachlichen Prüfung bei der „Bauberatung Dritter“ eingereicht worden seien. Mit der Änderung von Nr. 6.1 der VV zu § 44 LHO und der damit verbundenen Anhebung der Zuwendungsgrenze auf 2,5 Mio. Euro ging die Zahl der Fälle, in denen die „Bauberatung Dritter“ beteiligt wurde, zurück.
Der Rechnungshof ist der Auffassung, dass bei Neubaumaßnahmen auf eine Beteiligung der „Bauberatung Dritter“ verzichtet werden sollte. Es liegen Kostenrichtwerte im Sinne der VV zur § 44 LHO vor, nach denen die Zuwendung im Einzelfall bemessen wird. Für die VwV Dezentrale Angebote hat die baufachtechnische Dienststelle diese Kostenrichtwerte sogar selbst ermittelt.
2.3.3 Studierendenwohnheime
Das Land stellt den Studierendenwerken Zuschüsse für bauliche Maßnahmen, z. B. für Studierendenwohnheime, zur Verfügung. Diese betrugen 2019 rund 8,4 Mio. Euro.
Die Studierendenwohnheime werden seit 2009 mit 20 Prozent der Gesamtbaukosten gefördert, die bis zu einer Höhe von maximal 40.000 Euro je Bettplatz berücksichtigungsfähig sind. Je Bettplatz kann somit ein Zuschuss von bis zu 8.000 Euro gewährt werden. Die Berechnung der zuwendungsfähigen Kosten richtet sich nach Vorgaben des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst.
Zuständig für die Bewilligung, Auszahlung und Prüfung der Wohnheimbauzuschüsse sind die Regierungspräsidien.
Die „Bauberatung Dritter“ wurde im Prüfungszeitraum bei sechs Fördermaßnahmen beteiligt. Unabhängig von der baufachlichen Stellungnahme berechnete sie die zuschussfähigen Kosten nach den Vorgaben des Wissenschaftsministeriums.
Nach Auffassung des Rechnungshofs bedarf es angesichts der Deckelung des Zuschusses auf 8.000 Euro je Bettplatz, die einem von der baufachtechnischen Dienststelle anerkannten Kostenrichtwert gleichstehen, zumindest bei Neubauten regelmäßig keiner Beteiligung der „Bauberatung Dritter“.
3 Empfehlungen
3.1 Aufgabenkatalog kritisch überprüfen
Eine baufachliche Beteiligung der „Bauberatung Dritter“ sollte nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen erfolgen. Darüber hinaus sollte die „Bauberatung Dritter“ ausschließlich in begründeten Ausnahmefällen tätig werden.
Bei der Umsetzung der Schulsanierungsprogramme sollte eine baufachliche Prüfung in den haushaltsrechtlich vorgesehenen Fällen gewährleistet werden.
3.2 Krankenhausbau: Schwerpunkt auf Beratung legen
Die „Bauberatung Dritter“ sollte die Krankenhausträger vor der Antragstellung ausführlicher beraten, um die Funktionalität und die Planung der Maßnahmen bereits in diesem Stadium zu verbessern und dadurch Landesmittel einzusparen.
3.3 Verwendungsnachweisprüfung vereinfachen
Bei der Verwendungsnachweisprüfung im Krankenhausbau sollte dem gesetzlichen Regelfall entsprechend auf eine ins Einzelne gehende Prüfung verzichtet werden, sofern keine besonderen Gründe entgegenstehen.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Finanzministerium befürwortet die Empfehlung, die Verwendungsnachweisprüfung im Krankenhausbau zu vereinfachen. Die Vereinfachung erfordere allerdings noch eine Abstimmung mit allen am Verfahren beteiligten Stellen. Nach der aktuellen Bewilligungspraxis müsse die „Bauberatung Dritter“ jedoch prüfen, ob die förderfähigen Kosten des Verwendungsnachweises die Höhe der Festbetragsförderung erreichen.
Die Empfehlung des Rechnungshofs, die „Bauberatung Dritter“ solle die Krankenhausträger bereits im Planungsstadium verstärkt beraten, werde sowohl vom Finanzministerium als auch vom Sozialministerium unterstützt.
Bei der Prüfung der Verwendungsnachweise habe es Fortschritte gegeben, sodass die Prognose des Rechnungshofs, die Bearbeitung dauere 30 Jahre, nicht mehr zutreffend sei. Derzeit seien noch 74 Verwendungsnachweise mit abgerechneten Kosten von 1,56 Mrd. Euro und einem Zuschussbetrag von 840 Mio. Euro ungeprüft.
Erkenntnisse aus den Prüfungsergebnissen und Empfehlungen des Rechnungshofs zur Beteiligung der „Bauberatung Dritter“ im Zuwendungsbau seien bereits aufgegriffen worden und beispielsweise beim aktuellen Verfahren zur Neufassung der Verwaltungsvorschrift für die Schulbauförderung vom Kultusministerium berücksichtigt.
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Vor dem Erwerb oder der Veräußerung von Grundstücken ist eine aktuelle Wertermittlung aufzustellen. Die Mehrzahl der vom Rechnungshof geprüften Wertermittlungen war fehlerhaft. In einigen Fällen lag keine oder keine aktuelle Wertermittlung vor. Bei Veräußerungen empfiehlt der Rechnungshof, ein Bieterverfahren durchzuführen. Das Aufgabengebiet Wertermittlung sollte effektiver organisiert werden.
1 Ausgangslage
Im Zeitraum 2008 bis 2018 wurden von Vermögen und Bau nach eigenen Angaben 2.134 Grundstücke veräußert und 988 erworben. Das finanzielle Volumen dieser Grundstücksgeschäfte, die im Staatshaushalt über den Allgemeinen Grundstock abgewickelt werden, belief sich im Schnitt auf rund 85 Mio. Euro je Jahr.
Die zuverlässige Ermittlung von Grundstückswerten ist eine wichtige Voraussetzung zur Vermeidung von finanziellen Nachteilen.
Das Grundvermögen des Landes Baden-Württemberg ist nach den §§ 7, 63 und 64 der Landeshaushaltsordnung (LHO) zu verwalten und zu bewirtschaften. Nach § 63 Absatz 3 LHO dürfen Vermögensgegenstände nur zu ihrem vollen Wert veräußert werden. Nach § 64 Absatz 3 LHO ist für zu erwerbende oder zu veräußernde Grundstücke eine Wertermittlung aufzustellen. Zu den Wertermittlungen rechnen alle Maßnahmen, die die Feststellung des Verkehrswerts eines Grundstücks zum Ergebnis haben, gegebenenfalls auch die Feststellung eines Marktpreises.
Der Rechnungshof prüfte beim Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg (Vermögen und Bau) Wertermittlungen für den Grundstücksverkehr. Die Prüfung erstreckte sich auf die Haushaltsjahre 2008 bis 2017 und umfasste 106 Veräußerungen und Erwerbe bei zehn Ämtern.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Grundsätzliche Ergebnisse zur Wertermittlung
Bei sechs der 106 geprüften Grundstücksgeschäfte lagen keine Wertermittlungen vor. In 48 Fällen erstellte Vermögen und Bau die Wertgutachten mit eigenem Personal. In 52 Fällen wurden freiberuflich Tätige oder Gutachterausschüsse mit den Wertermittlungen beauftragt. Von den 100 vorliegenden Wertermittlungen waren 21 nicht zu beanstanden.
Dabei hat der Rechnungshof insbesondere folgende Fehler festgestellt:
- In mehreren Wertgutachten wurde bei der Ertragswertberechnung der Jahresreinertrag um eine Bodenwertverzinsung über die gesamte Grundstücksfläche vermindert, anstatt nur die zum Ertrag erforderliche Grundstücksfläche anzusetzen. Dies führte zu einem zu geringen Ertragswert.
- In mehreren Gutachten wurde der Sachwert der baulichen Anlagen auf der Basis von Herstellungskosten von 1913 in „Goldmark“ berechnet. Diese Methode entspricht nicht den geltenden Vorschriften.
- In mehreren Gutachten wurde ein „Bebauungsabschlag“ von 10 bis 25 Prozent vom Bodenwert vorgenommen. Eine solche Dämpfung des Bodenwerts allein aufgrund der Tatsache einer Bebauung widerspricht den Vorschriften der Wertermittlung.
- Vermögen und Bau veräußerte Grundstücke auf der Grundlage von Wertgutachten, die mehrere Jahre alt waren. Da sich die Marktlage nach dem Wertermittlungsstichtag geändert hatte, waren diese Wertermittlungen zum Zeitpunkt der Veräußerung nicht mehr aktuell.
2.2 Beanstandungen in Einzelfällen
2.2.1 Veräußerungen ohne Wertermittlung
In sechs Fällen lag keine Wertermittlung vor. In zwei Fällen davon wurde die Liegenschaft deutlich unter ihrem vollen Wert veräußert.
Beispiel: Veräußerung eines ehemaligen Forsthauses
Vermögen und Bau veräußerte 2010 ein Grundstück mit einer Fläche von 628 m² an einen Investor. Für das Grundstück wurden 20.000 Euro als Kaufpreis vereinnahmt. Eine Verkehrswertermittlung lag nicht vor.
Das veräußerte Grundstück war mit einem denkmalgeschützten, ehemaligen Forsthaus bebaut. Vermögen und Bau bot das Objekt zuerst auf seiner Homepage für 220.000 Euro mit dem Zusatz an, dass sich diese Kaufpreisvorstellung „wohl nicht erzielen lasse“. Später wurde es auf einem Online-Marktplatz zu einem Kaufpreis in Höhe von 80.000 Euro angeboten. Daraufhin bot ein ausländisches Unternehmen 20.000 Euro als Kaufpreis an. Vermögen und Bau nahm das Angebot an und begründete nachträglich - passend zum Kaufangebot - den Kaufpreis in einem Aktenvermerk. Darin heißt es u. a., dass von einem Bodenwert von 72.220 Euro als „Mindestpreis“ auszugehen sei. Von diesem Wert müsse man 35.000 Euro für einen „fiktiven“ Abbruch des denkmalgeschützten Gebäudes und weitere 46.000 Euro zur Erhaltung der Verkehrssicherheit abziehen. Aufgrund der so ermittelten Kosten entspreche der vereinbarte Kaufpreis von 20.000 Euro dem vollen Wert nach § 63 LHO.
Nach Angabe von Vermögen und Bau war das Gebäude zu diesem Zeitpunkt jedoch verkehrssicher. Die Berücksichtigung eines zusätzlichen Aufwands für die Verkehrssicherung war nicht erforderlich. Dadurch kam es zu einem Verkauf unter dem Verkehrswert. Der Kaufpreis lag dabei sogar um 73 Prozent unter dem von Vermögen und Bau berechneten Bodenwert.
2.2.2 Veräußerungen mit fehlerhafter Wertermittlung
Bei einigen Wertgutachten beanstandete der Rechnungshof, dass die tatsächlich mögliche Geschossflächenzahl (GFZ) für das zu bewertende Grundstück bei der Bodenwertberechnung nicht berücksichtigt wurde.
Beispiel: Veräußerung eines Wohnhauses
Vermögen und Bau wurde aufgrund einer Fiskalerbschaft mit 25 Prozent Teil einer Erbengemeinschaft eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks mit einer Fläche von 1.970 m². Das Land schloss einen Erbauseinandersetzungsvertrag mit der Erbengemeinschaft und erhielt für seinen Anteil einen Ausgleichsbetrag von 34.479,37 Euro. Das Verkehrswertgutachten entnahm der Bodenrichtwertkarte des Landkreises den relevanten Bodenrichtwert von 165 Euro/m², der sich auf eine wertrelevante Geschossflächenzahl (WGFZ) von 1,2 bezog. Da die GFZ des zu bewertenden Grundstücks tatsächlich nur 0,16 betrug, reduzierte die Gutachterin den Bodenrichtwert mit Hilfe eines Umrechnungsfaktors. Auf dieser Grundlage ermittelte sie einen Bodenwert von 140.094,65 Euro.
Keine Berücksichtigung fand im Gutachten, dass sich auf dem zu bewertenden Grundstück rechtlich eine GFZ von 1,2 realisieren ließe. Aus diesem Grund wäre der Bodenrichtwert in voller Höhe anzusetzen gewesen. Der sich so ergebende Bodenwert von 325.050 Euro liegt um 132 Prozent über dem von der Gutachterin ermittelten Wert. Bei korrekter Berechnung hätte dem Land Baden-Württemberg mindestens ein Ausgleichsbetrag von 81.262,50 Euro zugestanden. Folglich entgingen dem Land Einnahmen von 46.783,13 Euro.
In mehreren Fällen veräußerte Vermögen und Bau Grundstücke auf Basis mehrerer Jahre alter Wertermittlungen, ohne die Gutachten zu aktualisieren.
Beispiel: Veräußerung eines ehemaligen Depots des Landesmuseums für Arbeit und Technik in Mannheim
Vermögen und Bau veräußerte 2018 ein Grundstück mit 7.132 m² in Mannheim für 3.550.000 Euro, auf dem sich bis 2005 das Depot des Landesmuseums für Technik und Arbeit befand. Der beauftragte Gutachterausschuss der Stadt Mannheim ermittelte im Jahr 2005 einen Verkehrswert von 1,8 Mio. Euro. Unabhängig davon führte Vermögen und Bau zusätzlich im Jahr 2005 drei Sachwertermittlungen mit dem Ergebnis von 4,7 Mio. bis 5,6 Mio. Euro und eine Ertragswertermittlung mit 3,6 Mio. Euro durch. Ein Bieterverfahren im Jahr 2017 ergab ein Höchstgebot von 3,55 Mio. Euro.
Zum Verkauf war die Zustimmung des Landtags erforderlich. Vermögen und Bau leitete daher seinen Vergabevorschlag an das Finanzministerium weiter. Dem Vorschlag war ausschließlich das überholte Wertgutachten der Stadt Mannheim aus dem Jahr 2005 beigefügt. Selbst wenn davon ausgegangen werden kann, dass durch das Bieterverfahren ein angemessener Preis erzielt werden konnte, hätte der Verkaufsempfehlung eine aktuelle Wertermittlung zugrunde gelegt werden müssen.
2.2.3 Veräußerung mit Wertermittlung, aber deutlich unter Verkehrswert
Für Grundvermögen gibt es keinen absoluten und sicher realisierbaren Marktwert, sondern allenfalls ein Marktwertniveau, auf dem sich mit mehr oder weniger großen Abweichungen vertretbare Verkehrswerte bilden lassen. Dabei wird von einer Streubreite von plus/minus 20 Prozent der Verkaufspreise für ein und dasselbe Objekt ausgegangen, innerhalb derer ein festgestellter Verkehrswert als noch vertretbar angesehen wird.
Beispiel: Veräußerung des ehemaligen Ausbildungszentrums der Straßenbauverwaltung in Nagold
Vermögen und Bau veräußerte 2015 in Nagold ein Grundstück mit einer Fläche von 11.355 m² für 560.000 Euro an einen Investor.
Für die Verkehrswertermittlung des denkmalgeschützten Gebäudes wurde ein freiberuflich tätiger Gutachter beauftragt. Dieser ermittelte für den Wertermittlungsstichtag einen „prognostizierten Sachwert (ohne USt.)“ von 9.530.000 Euro und einen „prognostizierten Ertragswert (ohne USt.)“ von 1.830.000 Euro. Der im Sach- und Ertragswert enthaltene Bodenwert betrug 1.434.781 Euro. Er hielt in seinem Gutachten fest, dass er für seine „prognostizierten Werte“ von einer Nutzung als Bürogebäude ausgegangen sei. Dabei berücksichtigte er weitere wirtschaftlich sinnvolle und marktgängige Nutzungskonzepte (z. B. Wohnen) nicht, was er in seinem Gutachten selbst einräumte.
Der am Markt erzielte Kaufpreis (ohne Inventar) lag um 69 Prozent unter dem gutachterlich ermittelten Ertragswert und damit auch außerhalb der Streubreite eines vertretbaren Verkehrswerts.
2.3 Vergütung für Immobilienbewertungen
Vermögen und Bau beauftragte freiberuflich tätige Gutachter für die Erstellung von Wertermittlungen in den Fällen, in denen kein eigenes Personal zur Verfügung stand. Überwiegend wurden öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige oder örtliche Gutachterausschüsse ausgewählt. Hierzu forderten einzelne Ämter mehrere Bewerber zur Abgabe von Angeboten auf und beauftragten das wirtschaftlichste Angebot. Häufig wurden Gutachter jedoch auch direkt beauftragt, oftmals ohne zuvor ein Angebot anzufordern.
Vermögen und Bau konnte keine validen Angaben zum Gesamtbetrag der 2008 bis 2017 ausgezahlten Honorare an freiberuflich tätige Gutachter machen, da die einzelnen Ämter auf verschiedene Finanzpositionen gebucht hatten. Vermögen und Bau zahlte von 2008 bis 2018 nach Angabe der einzelnen Ämter insgesamt 379.846,60 Euro als Honorar an freiberuflich Tätige und Gutachterausschüsse aus.
In Einzelfällen wurde die übliche Vergütung erheblich überschritten oder Vermittlungstätigkeiten in Anspruch genommen, die durch Eigenerledigung hätten vermieden werden können.
2.4 Fachkompetenz
Bei Vermögen und Bau ist der Bereich „Immobilienmanagement“ für Wertermittlungen zuständig. Die Entscheidung, ob Wertermittlungen mit eigenem Personal erstellt werden, wird nach Aussage von Vermögen und Bau jeweils im zuständigen Amt getroffen. Sachwertermittlungen müssten grundsätzlich vom Bereich „Baumanagement“ erstellt werden. Dies sei aber kapazitätsbedingt nicht immer möglich. Teilweise fehle auch die Fachkompetenz. Daher würden vermehrt Sachwertgutachten an freiberuflich tätige Gutachter vergeben. Ertragswertermittlungen würden noch weitgehend durch die eigenen Immobilienabteilungen erstellt, wobei auch dort seit Jahren Personalengpässe existierten.
Fortbildungen seien durch die Betriebsleitung geplant und hätten in der Vergangenheit auch schon stattgefunden, jedoch nicht regelmäßig.
Der Rechnungshof stellte fest, dass die Mitarbeiter der geprüften Ämter nicht alle auf dem gleichen Wissensstand waren. Nach eigenen Angaben sahen sie sich in Einzelfällen nicht in der Lage, Wertermittlungen selbst zu erstellen oder Gutachten von freiberuflich tätigen Gutachtern oder Gutachterausschüssen qualitativ zu beurteilen.
3 Empfehlungen
3.1 Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verbessern
Der Rechnungshof empfiehlt, die Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Wertermittlungen erstellen oder freiberuflich Tätige und Gutachterausschüsse mit der Erstellung von Gutachten beauftragen, zu verbessern und diese regelmäßig fortzubilden.
3.2 Wertermittlung effektiver organisieren
Vermögen und Bau sollte das Aufgabengebiet Wertermittlung effektiver organisieren. Die Betriebsleitung sollte prüfen, ob jedes Amt mit seinen Mitarbeitern Wertermittlungen erstellen soll, oder ob es sinnvoller wäre, diese Aufgabe zu zentralisieren und eine Gruppe von Mitarbeitern zu landesweiten Wertgutachtern auszubilden. Diese sollten in der Lage sein, sowohl Ertrags- als auch Sachwertermittlungen selbstständig durchzuführen und den Verkehrswert abzuleiten.
3.3 Bieterverfahren anwenden
Entbehrliches Grundvermögen ist unter Renditegesichtspunkten und nach regionalen oder überregionalen Ausschreibungen zu vermarkten (Verkauf, Vermietung und dergleichen). Der Rechnungshof vertritt die Auffassung, dass dies am besten mit einem Bieterverfahren zu gewährleisten ist. Daher sollten Landesimmobilien grundsätzlich nach einem Bieterverfahren veräußert werden.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Finanzministerium befürwortet die Empfehlung, die Qualifikation der mit Wertermittlung befassten Bediensteten zu verbessern. Es teilt hierzu mit, ein Schulungskonzept erarbeiten zu wollen, bei dem je Amt mindestens zwei Ansprechpartner, jeweils aus dem Immobilien- und Baumanagement, fortgebildet werden. Eine landesweite Zentralisierung der Wertermittlung werde nicht verfolgt.
Hinsichtlich der Empfehlung, Landesimmobilien grundsätzlich nach einem Bieterverfahren zu veräußern, teilt das Ministerium mit, dass die Anwendung des Bieterverfahrens dem bei Vermögen und Bau üblichen Verfahren entspräche.
Zu den Beanstandungen des Rechnungshofs im Einzelnen teilte das Ministerium mit, dass die Verkaufspreise in den beanstandeten Fällen jeweils dem Marktwert entsprochen hätten.
5 Schlussbemerkung
Der Rechnungshof begrüßt die beabsichtigte Erarbeitung eines Schulungskonzepts. Er bleibt aber bei seiner Empfehlung, zu prüfen, ob angesichts der Komplexität der Verkehrswertermittlung einerseits und ihrer finanziellen Bedeutung andererseits diese Aufgabe zentralisiert und eine Gruppe von Mitarbeitern zu landesweit tätigen Gutachtern ausgebildet werden sollte.
Der Rechnungshof würde es begrüßen, wenn die Anwendung des Bieterverfahrens dem üblichen Verfahren bei Vermögen und Bau entspräche. Tatsächlich hat die Prüfung gezeigt, dass das Bieterverfahren nicht immer angewandt wurde.
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Mit dem Programm wurden überwiegend kleinere Projekte mit teilweise geringen Beträgen gefördert. Den Erwerb kommerziell vertriebener Apps zu fördern, entspricht nicht dem Ziel der Digitalisierungsstrategie, ein Innovations- und Nachhaltigkeitsmotor zu sein. Förderprogramme, mit denen Maßnahmen der Digitalisierung angestoßen werden, sollten digital abgewickelt werden.
1 Ausgangslage
Die Landesregierung hat sich das Ziel gesetzt, Baden-Württemberg zu einer „Leitregion des digitalen Wandels“ zu entwickeln. Hierzu hat sie 2017 die Digitalisierungsstrategie „digital@bw“ gestartet.
Von 2017 bis 2019 wurden insgesamt 78 Digitalisierungsprojekte mit einem Gesamtvolumen von 323,3 Mio. Euro in den Landeshaushalt aufgenommen, die in einem Zeithorizont von 5 Jahren von den Ressorts umgesetzt werden sollen. Das Innenministerium steuerte 14 Projekte mit einem Gesamtvolumen von rund 30,5 Mio. Euro zur Digitalisierungsstrategie bei.
Das Förderprogramm „Future Communities 4.0“ ist eines dieser Projekte. Ziel des Programms ist es, die Attraktivität und Zukunftsfähigkeit der Städte, Gemeinden und Landkreise in Baden-Württemberg durch Förderung kommunaler Digitalisierungsprojekte zu sichern. Adressaten des Förderprogramms sind ausschließlich Kommunen.
Für das Programm standen von 2017 bis 2019 insgesamt 2,8 Mio. Euro zur Verfügung. Diese Mittel sind weitgehend verbraucht bzw. gebunden. Eine Fortführung des zunächst auf 3 Jahre angelegten Förderprogramms ist nach Auskunft des Innenministeriums jedenfalls in der bisherigen Form nicht vorgesehen.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Inhaltliche Vorgaben und Ziele des Förderprogramms
Die Förderung wurde in den Jahren 2017 bis 2019 jährlich neu ausgeschrieben. Die Ausschreibung war auch die Grundlage für die Förderung; eine eigene Verwaltungsvorschrift wurde nicht erlassen.
In der Ausschreibung für 2017 wurde als übergeordnetes Ziel die „Sicherung der Zukunftsfähigkeit“ der Gemeinden und Städte in Baden-Württemberg festgelegt. Konkret sollte die Sicherung und Weiterentwicklung der öffentlichen Daseinsvorsorge und der wohnortnahen Versorgung insbesondere im ländlichen Raum im Mittelpunkt stehen. Als Themenschwerpunkte waren beispielsweise die Bereitstellung und Vernetzung kommunaler Informationen, Energiewende und Klimaschutz, Aufbau und Vernetzung lokaler Marktstrukturen und Mobilität definiert.
Die Ausschreibungen 2018 und 2019 stellten pauschal auf die Ziele der zwischenzeitlich veröffentlichten Digitalisierungsstrategie „digital@bw“ ab. Zu fördernde Maßnahmen mussten sich zumindest einem, bestenfalls mehreren Schwerpunkt- oder Querschnittsbereichen der Digitalisierungsstrategie zuordnen lassen.
Bewertungskriterien für die Förderung sollten z. B. der Grad der Innovation und Umsetzbarkeit (2017 bis 2019), die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse auf andere Kommunen (2017), die öffentliche Sichtbarkeit des Modellvorhabens (2018) und der erlebbare Mehrwert für Bürgerinnen und Bürger sowie Alltagstauglichkeit und Attraktivität (2018, 2019) sein.
Insgesamt waren die Ausschreibungen sowohl in der Zielformulierung als auch in der Beschreibung des Fördergegenstands nicht hinreichend konkret. Die gewählten Formulierungen eröffneten allen Beteiligten erhebliche Auslegungsspielräume. Dies ermöglichte eine niederschwellige und breit gestreute Förderung, barg aber das Risiko der Beliebigkeit. Gleichzeitig erschweren unkonkrete Ziele die sachlich gebotene und haushaltsrechtlich erforderliche Erfolgskontrolle.
2.2 Geförderte Maßnahmen
Insgesamt wurden 159 Maßnahmen gefördert. Davon entfallen 85 auf das Jahr 2017; in diesem Jahr wurden alle Förderanträge auch bewilligt. Die durchschnittliche Fördersumme lag bei 8.700 Euro. In den Folgejahren wurden nur noch jeweils etwa 60 Prozent der Förderanträge bewilligt. Die Fördersummen lagen nun im Durchschnitt bei etwa 24.000 bzw. 32.000 Euro.
Insgesamt 84 der 159 geförderten Projekte waren Apps; dies entspricht einem Anteil von rund 53 Prozent. Das Bewilligungsvolumen für diesen Bereich lag bei rund 651 Tsd. Euro. Das sind rund 23 Prozent des Gesamtfördervolumens von 2,8 Mio. Euro. 2017 standen sogenannte „Bürger-/City-Apps“ sogar für rund 80 Prozent der geförderten Maßnahmen und 42 Prozent des Fördervolumens.
Auch in den beiden Folgejahren ergaben sich aufgrund inhaltlich vergleichbarer Förderanträge mehrerer Kommunen thematische Schwerpunkte der Förderung. 2018 waren dies neben Apps zur Jugendbeteiligung vor allem Projekte zur Straßenzustandserkennung mittels künstlicher Intelligenz. 2019 lag der Schwerpunkt der Förderung auf Online-Bürgerdiensten für Familien und kommunalen Digitalisierungsstrategien.
2.3 Förderschwerpunkt „Bürger-/City-Apps“
Das Förderprogramm wurde vor allem 2017 überwiegend für Kleinprojekte in Anspruch genommen. Dies belegen die in Relation zum Fördervolumen hohen Zahlen von Förderbescheiden und das geringe durchschnittliche Bewilligungsvolumen. Für den Bereich der sogenannten „Bürger-/City-Apps“ gilt dies in besonderem Maße.
Die Förderbeträge für Apps reichten 2017 von 750 Euro bis 72.206 Euro. Die Mehrzahl der Maßnahmen wurde mit Beträgen von weniger als 5.000 Euro gefördert. Im Durchschnitt waren es 4.814 Euro je App.
2018 wurden nur noch wenige „Bürger-/City-Apps“ bewilligt, allerdings mit deutlich höheren Beträgen. 2019 wurden sie explizit von der Förderung ausgenommen.
Bis dahin wurde eine Vielzahl nahezu identischer Apps von hauptsächlich drei Anbietern gefördert. Aus Sicht des Rechnungshofs besteht bei der Förderung von Standardprodukten ein hohes Risiko von Mitnahmeeffekten. Zudem entspricht die Förderung des Erwerbs kommerziell vertriebener Apps jedenfalls nicht dem übergeordneten Ziel der Digitalisierungsstrategie des Landes, ein „Innovations- und Nachhaltigkeitsmotor“ zu sein.
Die Gewährung von Fördermitteln für Kleinprojekte mag dazu geeignet gewesen sein, die Fördermittel möglichst niederschwellig und breit gestreut auf die Kommunen zu verteilen. Nachhaltige Effekte im Sinne des - ohnehin sehr vage definierten - Förderziels sind bei dieser Vorgehensweise jedoch nicht zu erwarten.
Gleichzeitig ist fraglich, ob die Förderung einer großen Zahl an kleineren Projekten mit teils geringen Förderbeträgen mit dem Wirtschaftlichkeitsgrundsatz vereinbar ist. Der Aufwand für das Förderverfahren muss in einem angemessenen Verhältnis zur Höhe der Zuwendung stehen. Bei Förderbeträgen, die überwiegend im unteren einstelligen Tausenderbereich liegen, ist dies zweifelhaft. Dies gilt erst recht, wenn zusätzlich der kommunale Aufwand für die Antragstellung und Förderabwicklung berücksichtigt wird.
2.4 Abwicklung des Förderprogramms
Für die Abwicklung von Förderprogrammen steht den Ressorts das Programm Fördermittelbearbeitungs- und -informationssystem (FöBIS) zur Verfügung. Hierbei handelt es sich um eine Softwarelösung auf SAP-Basis, die eine einheitliche Bearbeitung aller Prozessschritte der Fördermittelverwaltung ermöglicht.
Beim Förderprogramm „Future Communities 4.0“ wurde FöBIS im Wesentlichen nur für die Buchung der Zahlungen genutzt. Für die Antragsbearbeitung wurde weder FöBIS noch eine andere Softwarelösung eingesetzt. Die - ausschreibungsgemäß - in Papierform oder elektronischer Form (als pdf-Datei) eingehenden Anträge mussten manuell erfasst werden. Auch wenn die durchschnittliche Bearbeitungszeit im Verlauf des Programmzeitraums deutlich zurückging, so war sie unter Berücksichtigung der geringen Komplexität und Vielfalt der Projektanträge mit durchschnittlich 178 Tagen dennoch zu lang. Eine wesentliche Ursache hierfür war, dass die Anträge häufig unvollständig waren und nicht medienbruchfrei übernommen werden konnten.
Die gesamte Antragsbearbeitung war gerade für ein Förderprogramm der Digitalisierungsstrategie nicht zeitgemäß. Durch den Einsatz von FöBIS hätte sie deutlich einfacher gestaltet werden können. Das Ministerium führte hierzu an, der finanzielle Aufwand für die Anpassung von FöBIS hätte in keinem Verhältnis zur Erleichterung bei der Antragsbearbeitung gestanden. Dies ist angesichts des Anpassungsbedarfs infolge der jährlichen Ausschreibungen sowie des insgesamt eher geringen Fördervolumens zwar nachvollziehbar, spricht aber aus Sicht des Rechnungshofs in erster Linie gegen das Förderkonzept.
Angesichts der geringen Komplexität wäre zudem eine Abwicklung des Förderprogramms unterhalb der ministeriellen Ebene in Frage gekommen.
3 Empfehlungen
3.1 Ziele und Gegenstand von Förderprogrammen konkreter beschreiben
Förderprogramme sollten hinsichtlich Ziel und Gegenstand der Förderung so konkret wie möglich beschrieben werden. Die Zielbeschreibung muss eine sachgerechte inhaltliche Erfolgskontrolle ermöglichen.
3.2 Förderverfahren digitalisieren
Förderprogramme der Digitalisierungsstrategie sollten digital abgewickelt werden. Hierfür sollte die Software FöBIS genutzt werden.
Die Förderanträge sollten ohne Medienbrüche bearbeitet werden können. Hierzu sollte für die Antragstellung ein elektronischer Vordruck verwendet werden, in den alle erforderlichen Angaben einzutragen und dem die erforderlichen Anlagen in elektronischer Form beizufügen sind, bevor der Antrag eingereicht werden kann. Dies könnte über eine Plausibilitätsprüfung im System gesteuert werden. Die Antragsdaten sollten mittels einer Schnittstelle automatisiert nach FöBIS übertragen werden.
3.3 Förderung auf innovative Maßnahmen fokussieren
Auf Innovation ausgerichtete Förderprogramme sollten so gestaltet sein, dass nicht der Erwerb von Standardprodukten gefördert wird. Die Förderung einer Vielzahl gleichförmiger Projekte sollte vermieden werden.
3.4 Kleinförderungen vermeiden
Förderverfahren sind so zu gestalten, dass der Aufwand in einem angemessenen Verhältnis zur Höhe der Zuwendung steht. Kleinförderungen sind mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot nicht vereinbar und deshalb zu vermeiden.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Innenministerium äußerte, die Anforderungen an die Neuartigkeit von Projekten und Produkten seien zunächst absichtlich niedrig gesteckt worden. Das Ministerium habe die Ideenvielfalt nicht einschränken und niederschwellig möglichst viele Kommunen an das Thema Digitalisierung heranführen wollen.
Die Förderbewilligungen im Rahmen einer medienwirksamen Preisverleihung mit Herrn Minister Strobl hätten eine positive Veränderung der Einstellung zur Digitalisierung in den Kommunen und eine erhöhte Wahrnehmung der Maßnahmen durch die Bürgerinnen und Bürger bewirkt. So sei auch das Ziel erreicht worden, konkrete Mehrwerte zu schaffen. Beispielhaft weist das Ministerium auf die Vorteile der Apps als schnelles Informationsmedium über lokale Entwicklungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie hin.
Die Kleinstförderungen seien sinnvoll gewesen, um eine wirtschaftlich günstige Relation zwischen den zur Verfügung stehenden Förderressourcen und dem verfolgten Zweck zu erreichen. Die Digitalisierung des Förderverfahrens selbst sei auf Basisfunktionen beschränkt worden, damit der Aufwand in einem angemessenen Verhältnis zum Fördervolumen steht.
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Einzelplan 14: Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst
An sieben Universitäten wurden Professoren von 2015 bis 2018 Lehr- und Forschungszulagen gewährt, obwohl in vielen Fällen die rechtlichen Voraussetzungen nicht vorlagen. Die Universitäten müssen die vom Rechnungshof beanstandeten Fälle überprüfen und gegebenenfalls die Bewilligung der Zulagen zurücknehmen.
1 Ausgangslage
Im Jahr 2005 wurde die Besoldung der Professoren der baden-württembergischen Hochschulen reformiert. An die Stelle der C-Besoldung traten die Regeln der W-Besoldung, die neben reduzierten Grundgehältern zahlreiche flexible Besoldungselemente (insbesondere Zulagen) vorsehen.
Unter anderem wurde den Hochschulen des Landes die Möglichkeit eingeräumt, an Professoren und Hochschuldozenten aus den von diesen eingeworbenen privaten Drittmitteln eine einmalige, nicht ruhegehaltfähige Forschungs- und Lehrzulage zu gewähren. Rechtsgrundlage ist heute § 60 Landesbesoldungsgesetz in Verbindung mit § 8 der Leistungsbezügeverordnung des Wissenschaftsministeriums, des Innenministeriums und des Justizministeriums. Im Unterschied zu Leistungsbezügen werden diese Forschungs- und Lehrzulagen nicht auf den Vergaberahmen der Hochschulen angerechnet.
Hauptmotiv für die neu eingeführte Forschungs- und Lehrzulage war die erklärte Absicht des Gesetzgebers, Forschungstätigkeiten, die die Professoren im Hauptamt erbringen, attraktiver zu gestalten und damit der Tendenz zu weiteren Nebentätigkeiten der Professoren einen wirksamen Anreiz entgegenzusetzen.
In einer ersten Prüfung untersuchte der Rechnungshof 2017 Forschungs- und Lehrzulagen, die die Hochschulen für angewandte Wissenschaften im Zeitraum 2013 bis 2017 gewährt hatten.
In die damalige Prüfung einbezogen waren 370 Zulagen mit einem Volumen von 1,82 Mio. Euro, von denen der Rechnungshof zwei Drittel als materiell rechtswidrig beanstandete. Hinzu kamen zahlreiche Verfahrensfehler, die allerdings in der Folge geheilt werden konnten. Über die einzelnen Prüfungsergebnisse hat der Rechnungshof in der Denkschrift 2018, Beitrag Nr. 23, berichtet. Die betroffenen Hochschulen haben auf der Grundlage der Feststellungen des Rechnungshofs die mögliche Rücknahme der Bewilligungen geprüft. In zahlreichen Fällen konnten Verfahrensfehler und unzureichende Kalkulationen geheilt werden, in anderen Fällen wurden Bewilligungen zurückgenommen und gewährte Zahlungen zurückgefordert. Das parlamentarische Verfahren zu diesem Denkschriftbeitrag des Rechnungshofs dauert noch an.
In einer weiteren Prüfung hat der Rechnungshof nunmehr die Praxis bei der Bewilligung und Gewährung von Forschungs- und Lehrzulagen an den Universitäten des Landes geprüft. Einbezogen wurden die im Zeitraum von 2015 bis 2018 gewährten Forschungs- und Lehrzulagen.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Allgemeine Feststellungen
Im geprüften Zeitraum haben sieben Universitäten an Professoren insgesamt 168 Forschungs- und Lehrzulagen mit einem Gesamtwert von 1,35 Mio. Euro gewährt. Die Universitäten Freiburg und Mannheim machten von diesem Instrument keinen Gebrauch.
Die Universität Stuttgart gewährte insgesamt 62 Zulagen mit einem Gesamtvolumen von über 400.000 Euro, die Universität Ulm 51 Zulagen mit über 310.000 Euro und das Karlsruher Institut für Technologie 26 Zulagen mit insgesamt 245.000 Euro. An den Universitäten Hohenheim, Tübingen und Konstanz erreichte das Volumen der gewährten Forschungs- und Lehrzulagen jeweils eine Größenordnung von über 100.000 Euro. Die Universität Heidelberg gewährte 10 Zulagen mit einem Gesamtvolumen von 26.000 Euro.
Nach den Feststellungen des Rechnungshofs waren mehr als die Hälfte der bewilligten Zulagen materiell rechtswidrig, da die Universitäten die im Landesbesoldungsgesetz und in der Leistungsbezügeverordnung normierten Voraussetzungen nicht beachtet haben. In zahlreichen Fällen lagen zudem Verfahrensfehler vor, die allerdings nachträglich geheilt werden können.
2.2 Materielle Fehler bei der Bewilligung der Forschungszulagen
Wesentliche materielle Fehler bei der Bewilligung von Forschungs- und Lehrzulagen waren
- fehlerhafte oder unvollständige Projektkalkulationen: Diese Kalkulationsfehler führten häufig dazu, dass die Forschungszulagen im Ergebnis nicht aus den Drittmitteln, sondern aus Mitteln des Landes geleistet wurden. Ob und in welchem Umfang diese Fehler durch Nachkalkulationen geheilt werden können, ist gegenwärtig noch offen und wird von den Universitäten überprüft. Je nach Ergebnis der Nachkalkulation kann die gewährte Zulage ganz oder teilweise zurückgefordert werden.
- die Bewilligung von Forschungszulagen für reine Dienstleistungen im Auftrag Dritter: So dürfen Forschungszulagen nicht gewährt werden, wenn der Professor lediglich bekanntes Wissen anwendet, Unternehmen berät oder Veranstaltungen betreut. In einem besonders umfangreichen Fall wurde jahrelang ohne Rechtsgrundlage eine Forschungszulage für die Leitung eines der Universität angegliederten privaten An-Instituts gewährt.
- die Gewährung von Forschungszulagen bei Projekten öffentlicher Drittmittelgeber. Als rechtswidrig beanstandet wurde auch, wenn die öffentlichen Drittmittel auf dem Umweg über private Unternehmen an die Universität gelangten oder wenn es sich um ein privates Unternehmen mit maßgeblicher Beteiligung der öffentlichen Hand handelte.
2.3 Verfahrensfehler
Den Universitäten unterliefen bei der Bewilligung von Forschungszulagen auch zahlreiche Verfahrensfehler:
- In vielen Fällen fehlte der nach der Leistungsbezügeverordnung vorgeschriebene Rektoratsbeschluss.
- Entgegen den gesetzlichen Bestimmungen hatte der private Drittmittelgeber der Forschungszulage nicht ausdrücklich zugestimmt.
Bei mehreren Universitäten stellte der Rechnungshof fest, dass die Forschungszulagen gegenüber dem für die Auszahlung der Zulagen zuständigen Landesamt für Besoldung und Versorgung falsch bezeichnet wurden.
2.4 Konsequenzen aus dem Prüfungsergebnis
Der Rechnungshof hat die betroffenen Universitäten und das Wissenschaftsministerium am 4. Februar 2020 über die Ergebnisse der Prüfung und die dabei ausgesprochenen Beanstandungen unterrichtet. Noch im Februar hat das Ministerium die sieben betroffenen Universitäten ermahnt, bei der Bewilligung von Forschungs- und Lehrzulagen die gesetzlichen Regelungen und die dazu ergangenen Richtlinien künftig sorgfältig zu beachten. Außerdem wurden die Rektorate der sieben Universitäten aufgefordert, die vom Rechnungshof beanstandeten Fälle zu überprüfen und über die rechtlichen Konsequenzen aus den getroffenen Feststellungen zu entscheiden.
Ein erster Bericht über das weitere Vorgehen der Universitäten musste binnen Monatsfrist erstattet werden. Einen abschließenden Bericht zu den getroffenen Entscheidungen müssen die Universitäten bis 15. Juli 2020 an das Ministerium erstatten. Die Universitäten haben mit der Überprüfung begonnen und ihre Berichtspflicht gegenüber dem Ministerium erfüllt. In einem Teil der Fälle konnte die rechtswidrige Gewährung geheilt werden, in mehreren Fällen wurden die Bewilligungen zurückgenommen und Rückzahlungen angefordert. Die übrigen Fälle befinden sich noch in der rechtlichen Prüfung.
3 Empfehlungen
3.1 Empfehlungen an die Universitäten
Der Rechnungshof erwartet, dass die Universitäten bei der künftigen Bewilligung von Forschungs- und Lehrzulagen die Regelungen des Landesbesoldungsgesetzes, der Leistungsbezügeverordnung und die dazu ergangenen Richtlinien des Wissenschaftsministeriums beachten.
Außerdem müssen die Universitäten in allen vom Rechnungshof beanstandeten Fällen prüfen, ob die festgestellten Rechtsverstöße geheilt werden können oder ob die Gewährung der Forschungs- und Lehrzulage nach § 48 Landesverwaltungsverfahrensgesetz zurückgenommen werden kann oder muss. Im Falle der Rücknahme sind die zu viel gezahlten Bezüge an das Land zurückzuzahlen.
3.2 Empfehlungen an das Wissenschaftsministerium
Der Rechnungshof empfiehlt dem Wissenschaftsministerium, die zur Gewährung von Forschungs- und Lehrzulagen erlassenen Richtlinien (Handreichung) weiter zu präzisieren. Dies gilt insbesondere für die schwierige Abgrenzung zwischen Drittmittelforschung und Dienstleistungen im Auftrag Dritter, für die korrekte Form der Zustimmung des Drittmittelgebers zur Gewährung der Forschungszulage und für die materiellen Voraussetzungen der Gewährung einer Lehrzulage.
Außerdem regt der Rechnungshof wie schon in der Denkschrift 2018 an, Verfahrensvereinfachungen vorzusehen. Insbesondere die Festsetzung, dass Forschungs- und Lehrzulagen unter 1.000 Euro nicht gewährt werden sollen, würde das Verfahren weniger fehleranfällig machen.
Weiterhin muss das Ministerium im Rahmen seiner Fachaufsicht darauf hinwirken, dass die Universitäten, soweit noch nicht geschehen, zeitnah über die Möglichkeit der Heilung bzw. der Rücknahme rechtswidrig gewährter Forschungszulagen entscheiden.
4 Stellungnahmen
4.1 Wissenschaftsministerium
Das Wissenschaftsministerium hat gegen den Denkschriftbeitrag keine wesentlichen Bedenken.
Die Empfehlung, die Handreichung des Wissenschaftsministeriums in einzelnen Punkten zu präzisieren, wurde vom Ministerium bereits aufgegriffen. Die Handreichung für die Gewährung von Forschungs- und Lehrzulagen vom 14. Juni 2018 (Stand 20. Januar 2020) werde derzeit evaluiert und es werde geprüft, ob weitere Konkretisierungen erforderlich und geboten seien. Hierbei werden die Hochschulen über die jeweiligen Landesrektorenkonferenzen beteiligt.
Das Ministerium stimme dem Rechnungshof zu, wenn dieser eine Präzisierung der materiellen Voraussetzungen für die Gewährung einer Lehrzulage für geboten erachtet. Ob die angeregte Einführung einer Bagatellgrenze für Forschungszulagen umgesetzt werde, bedürfe noch näherer Überlegungen. Einerseits könnten durch die Einführung einer Bagatellgrenze tatsächlich Abgrenzungsproblematiken hinsichtlich bloßer Dienstleistungen im Auftrag Dritter im Vorfeld vermieden werden, was einer Verwaltungsvereinfachung diene. Andererseits sei mit den Hochschulen gemeinsam zu diskutieren, ob die Gewährung einer Forschungszulage mit Blick auf die Wissenschaftsfreiheit allein von der Höhe einer Vergütung für ein Vorhaben abhängig gemacht werden könne. Zu prüfen sei in diesem Zusammenhang auch, ob durch die Einführung einer Bagatellgrenze gegebenenfalls einzelne Hochschularten benachteiligt würden und daher den Hochschulen überlassen werden solle, unter welchen Voraussetzungen sie von der Gewährung einer Forschungszulage absehen könnten, beispielsweise bei Projektvolumina bis 3.000 Euro oder bei Forschungszulagen unter 1.000 Euro.
4.2 Gemeinsame Stellungnahme der geprüften Universitäten
Die sieben betroffenen Universitäten haben zum Entwurf des Denkschriftbeitrags gemeinsam Stellung genommen:
Die Universitäten hätten das Instrument der Forschungszulagen stets verantwortungs- und maßvoll eingesetzt. Erst aufgrund der Überprüfung der Forschungs- und Lehrzulagen an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften habe das Wissenschaftsministerium im Jahr 2018 Regelungen in Form einer Handreichung erlassen, die bestimmte Auslegungen der rechtli¬chen Rahmenbedingungen festlegen. Diese seien aus Sicht der Universitäten nicht zwingend, sondern stellten nur eine mögliche Lesart dar, belegten aber, dass die Leistungsbezügeverordnung nicht immer eindeutige Vorgaben mache.
Seit ihrer Bekanntgabe werde die Handreichung trotz ihrer nicht geklärten Verbindlichkeit von den Universitäten befolgt. Bei der Bewilligung der Forschungszulagen vor ihrer Veröffentlichung bildeten sich die Universitäten eigene Rechtsauffassungen, nach denen sie unter Berücksichtigung des von der Leistungsbezügeverordnung verfolgten Zwecks agiert hätten. In diesem Sinne seien angewandte Verfahrensweisen zum Zeitpunkt der Bewilligung nach dem Verständnis der Universitäten rechtskonform im Sinne der Leistungsbezügeverordnung gewesen. Die Bewertung als materiell rechtswidrig weisen die Universitäten zurück.
Die Möglichkeit, dass das Wissenschaftsministerium die Handreichung in Zusammenarbeit mit den Universitäten weiterentwickelt, werde von den Universitäten begrüßt und auch bereits genutzt.
Den vom Rechnungshof angeregten Verfahrensvereinfachungen stehen die Universitäten offen gegenüber. Sie sprechen sich dabei dafür aus, dass Forschungszulagen unter 1.500 Euro künftig nicht mehr gewährt werden sollen.
5 Schlussbemerkung
Die von den Universitäten in ihrer Stellungnahme aufgeworfenen Rechtsfragen sind durch die vom Wissenschaftsministerium erlassenen Richtlinien überwiegend im Sinne der Rechtsauffassung des Rechnungshofs geklärt worden. Das Ministerium sollte diese als „Handreichung“ bezeichnete Richtlinie als Verwaltungsvorschrift für die Hochschulen für verbindlich erklären. Da in Personal- und Besoldungsangelegenheiten ein Fachaufsichtsrecht des Wissenschaftsministeriums besteht, ist dies rechtlich möglich und mit Blick auf eine rechtssichere und einheitliche Anwendung notwendig.
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Die Zusammenarbeit der Universität Tübingen mit der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung im Centre for Human Evolution and Paleoenvironment ist für die Universität und das Land wissenschaftlich und wirtschaftlich überwiegend vorteilhaft. Vermeidbare Defizite sieht der Rechnungshof allerdings bei der Finanzierung der beteiligten Professuren sowie bei Pflege, Präsentation und Inventarisierung der Sammlungen. Außerdem müssen noch ergänzende Regelungen getroffen werden.
1 Ausgangslage
Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung e. V. (SGN) ist ein Verein, der sich der bio- und geowissenschaftlichen Forschung und der Vermittlung von Wissenschaft (vor allem in Museen) widmet. Die SGN ist das größte Mitglied der von Bund und Ländern geförderten Leibniz-Gemeinschaft und hat ihren Hauptsitz in Frankfurt am Main.
Seit mehr als 10 Jahren kooperieren die SGN und die Universität Tübingen in den Forschungsbereichen Paläontologie und Archäologie. Rechtsgrundlage der Zusammenarbeit war 2009 zunächst ein Kooperationsvertrag, dem im Jahr 2013 eine weitere Vereinbarung folgte. Bereits in dieser Vereinbarung strebten die Vertragspartner eine nachhaltige Intensivierung der Zusammenarbeit und die Gründung eines von Bund und Ländern geförderten Forschungsinstituts an der Universität Tübingen an. Ins Auge gefasst hatten die Vertragspartner eine Zusammenarbeit nach Maßgabe des „Berliner Modells“, nach dem die einbezogenen Professoren ihre Forschungsarbeit am Institut als weitere Dienstaufgabe im Hauptamt wahrnehmen sollten. Die Personalkosten der beteiligten Professoren sollten im Umfang ihrer Zuweisung an das Institut von der SGN aus Fördermitteln des Bundes und der Länder erstattet werden.
Tatsächlich nahm das Senckenberg Centre for Human Evolution and Paleoenvironment an der Universität Tübingen (HEP) am 1. Januar 2017 seine Arbeit auf. Erst am 12. Mai 2017 wurde der Kooperations- und Überleitungsvertrag geschlossen, der bis heute die Rechtsgrundlage für die Arbeit des HEP bildet.
In diesem Vertrag übernahm die SGN die Verantwortung für die zum Forschungsbereich gehörenden archäologischen und paläontologischen Sammlungen der Universität Tübingen und für das am HEP beschäftigte Personal. Soweit wissenschaftliche Mitarbeiter der Universität Tübingen dem HEP zugewiesen wurden, verpflichtete sich die SGN zur Erstattung der Personalkosten. Hinsichtlich der einbezogenen Professoren nahmen die Vertragspartner vom Berliner Modell Abstand und sahen mit einer Ausnahme keine Personalkostenerstattung mehr vor. Weiterhin war vorgesehen, dass das HEP mietfrei Räume der Universität Tübingen in Anspruch nehmen darf, allerdings eine Betriebskostenpauschale je genutztem Quadratmeter zu entrichten hat. Da der Vertrag nicht alle Gegenstände der Kooperation regelte, verpflichteten sich die Vertragspartner zu Ergänzungsvereinbarungen. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses waren am HEP 6 Professoren, 4 wissenschaftliche Mitarbeiter und 7 sonstige Mitarbeiter der Universität Tübingen beschäftigt. Außerdem arbeiteten am HEP noch 17 Mitarbeiter der SGN. Die Gesamtausgaben des HEP am Standort Tübingen betragen jährlich rund 3,1 Mio. Euro.
Die Finanzierung des HEP erfolgt überwiegend durch die Leibniz-Gemeinschaft, die Personalkosten der Professoren werden von der Universität Tübingen im Wesentlichen allein getragen. Um die Zustimmung des Landes Baden-Württemberg zur Gründung des HEP zu erwirken, hatte sich die Universität Tübingen gegenüber dem Wissenschaftsministerium verpflichtet, den sogenannten Sitzlandanteil der Bund-Länder-Finanzierung (jährlich rund 1,1 Mio. Euro) aus dem Haushalt der Universität zu bestreiten, soweit dieser 500.000 Euro jährlich übersteigt.
Der Rechnungshof hat im Rahmen einer allgemeinen Prüfung des Fachbereichs Geowissenschaften der Universität Tübingen die Kooperation der Universität mit der SGN geprüft. Prüfungszeitraum waren die Jahre 2009 bis 2019.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Der Vertrag von 2017
Nach jahrelangen Verhandlungen haben die Universität Tübingen und die SGN am 12. Mai 2017 den Kooperations- und Überleitungsvertrag abgeschlossen. Im Unterschied zum Vertrag 2013 hatte das Land bewusst davon Abstand genommen, als weiterer Vertragspartner aufzutreten. Der Vertrag deckt wesentliche Bereiche der Zusammenarbeit zwischen Universität und SGN ab, lässt jedoch auch eine Reihe von regelungsbedürftigen Fragen offen. Dazu gehören insbesondere die Einzelheiten der Inventarisierung der Sammlungsgegenstände, der Gebrauch von Vertragsgegenständen durch Dritte und die Regelung der Verwertungsrechte. Nach § 3 des Vertrags verpflichteten sich die Vertragspartner, zu diesen Themen zeitnah Ergänzungsvereinbarungen abzuschließen. Dies ist bis heute nicht erfolgt.
Der Vertrag ist auf unbestimmte Zeit ohne das Recht zur ordentlichen Kündigung abgeschlossen. Für die SGN sieht der Vertrag einseitig ein außerordentliches Kündigungsrecht vor, wenn sich die Finanzierungsgrundlagen wesentlich ändern.
2.2 Finanzierung des Senckenberg Centre for Human Evolution and Paleoenvironment an der Universität Tübingen
Die Finanzierung des HEP am Standort Tübingen folgt im Wesentlichen den für Einrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft üblichen Regeln. Danach trägt der Bund 50 Prozent der laufenden Ausgaben. Vom Länderanteil trägt das Sitzland Baden-Württemberg vorab 75 Prozent. Die übrigen 25 Prozent des Länderanteils werden nach dem Königsteiner Schlüssel auf die Länder verteilt. Da sich die Landesregierung im Vorfeld des Vertragsabschlusses im Hinblick auf die Übernahme des Sitzlandanteils eher zögerlich gezeigt hatte, bot die Universität Tübingen dem Land an, den jährlichen Sitzlandanteil, soweit er 500.000 Euro übersteigt, aus dem Haushalt der Universität Tübingen zu tragen. Diese für Leibniz-Einrichtungen ungewöhnliche, gesplittete Finanzierung des Sitzlandanteils war innerhalb der Gremien der Universität Tübingen zunächst umstritten, wurde aber schließlich gebilligt. Als Argument für die finanzielle Beteiligung der Universität wurde ins Feld geführt, dass durch die Erstattung von Personal- und Betriebskosten ein Teil der jährlich fälligen Mittel in den Haushalt der Universität zurückfließen würde.
2.3 Finanzierung des Personals
In § 6 des Vertrags von 2017 haben die Vertragspartner vereinbart, dass sechs Professoren sowohl für die Universität Tübingen als auch für das HEP tätig sein sollen. Die Vertragspartner waren sich einig, dass künftige Berufungen auf diese Professorenstellen von Universität und SGN einvernehmlich erfolgen sollen. Für die Einbeziehung weiterer Professuren stellten die Vertragspartner ein Vorgehen nach dem „Jülicher Modell“ (Beurlaubungsmodell) in Aussicht.
Hinsichtlich der sechs bereits besetzten Professuren wurde - abweichend von dem 2013 ins Auge gefassten „Berliner Modell“ - keine Personalkostenerstattung durch die SGN vereinbart. Das Rektorat der Universität Tübingen rechtfertigte diesen bei Einrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft ungewöhnlichen Verzicht mit der Erwartung, dass die sechs Professoren bzw. ihre Nachfolger bei der Einwerbung von Drittmitteln und bei künftigen Bewerbungen um den Status einer Exzellenzuniversität mit ihren Forschungsleistungen ausschließlich der Universität Tübingen zugerechnet werden.
Angesichts der Forschungsstärke der einbezogenen Professoren erschien dem Rektorat die Aussicht auf einzuwerbende Drittmittel und Zuwendungen im Rahmen der Exzellenzinitiative wirtschaftlich attraktiver als die Personalkostenerstattung aus der Bund-Länder-Finanzierung. Dies gelte umso mehr, als die Universität Tübingen nach der getroffenen Finanzierungsvereinbarung ohnehin mehr als ein Drittel der Personalkostenerstattung refinanzieren müsste.
In § 6 Nr. 3 der Vereinbarung von 2017 ist vorgesehen, dass die Mitarbeiter der Professoren, die bei der Universität angestellt sind, aber Aufgaben des HEP wahrnehmen, von der SGN als Arbeitgeber übernommen werden sollten. Tatsächlich lehnten alle diese Mitarbeiter nach 2017 das Übernahmeangebot der SGN ab. Seither erstattet die SGN der Universität die für diese Mitarbeiter aufgewendeten Personalkosten einschließlich der Personalnebenkosten. Die Prüfung des Rechnungshofs hat ergeben, dass diese Personalkostenerstattung im Wesentlichen fehlerfrei erfolgte.
2.4 Sicherung von Studium und Lehre
Um die Forschungskapazität der beteiligten Professuren zu erhöhen, verpflichtete sich die Universität Tübingen, das Lehrdeputat der beteiligten Professoren auf der Grundlage von § 46 Absatz 1 Satz 3 Landeshochschulgesetz zu halbieren. Die SGN verpflichtete sich, zum Ausgleich dieser Lehrdeputatsreduktion Lehrangebote ihrer Mitarbeiter mindestens in gleicher Höhe zur Verfügung zu stellen. Ob und in welchem Umfang diese Lehrleistungen tatsächlich angeboten und in Anspruch genommen wurden, konnte der Rechnungshof infolge unzureichender Dokumentation nicht abschließend überprüfen. Dass auf diese Weise professorale Lehre durch Lehrleistungen des akademischen Mittelbaus substituiert wird, haben die Vertragsparteien in der Vereinbarung von 2017 in Kauf genommen.
2.5 Sammlungen
Ein wichtiges Ziel der Universität Tübingen und des Landes beim Abschluss der Vereinbarung von 2017 war, dass die in den Vertrag einbezogenen archäologischen und paläontologischen Sammlungen am Standort Tübingen erhalten bleiben und die Mängel bei der Bewahrung und Präsentation des Sammlungsgutes mit Hilfe der von der SGN zur Verfügung gestellten Ressourcen behoben werden können. Bei den Sammlungsgütern handelt es sich teilweise um Fundstücke von weltweiter Bedeutung. Zur Erfüllung dieses Ziels verpflichtete sich die SGN in § 1 der Vereinbarung, die Sammlungsbestände der Universität gemäß den Sammlungsregeln der SGN zu erhalten und vor jeglichen schädigenden Eingriffen und dem Zugriff Dritter zu schützen.
Dieses wichtige Vertragsziel ist bis heute nicht erreicht worden. Bei der paläontologischen Sammlung bestehen nach wie vor die seit Jahren bekannten Sicherheitsmängel. Für alle Sammlungen gilt, dass die archäologischen und paläontologischen Sammlungsgüter nicht fachgerecht untergebracht sind und insbesondere unter unzureichenden raumklimatischen Bedingungen leiden. Die SGN wird einen erheblichen technischen und personellen Aufwand betreiben müssen, um ihrer vertraglichen Verpflichtung zu genügen. Die im Vertrag als gemeinsame Verpflichtung genannte Inventarisierung des Sammlungsgutes wurde zwar begonnen, ist aber längst nicht vollendet.
2.6 Räume und Baumaßnahmen
Der Rechnungshof beanstandet nicht, dass in der Vereinbarung über das HEP vorgesehen wurde, dass die Universität Tübingen bzw. das Land dem Institut mietfrei Räume zur Verfügung stellt. Diese Vorgehensweise ist bei den meisten Einrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft üblich und etabliert. Die notwendige Zustimmung des Finanzministeriums liegt vor. Sachgerecht vereinbart wurde eine Betriebskostenpauschale je Quadratmeter genutzter Fläche, deren Höhe der Rechnungshof nicht beanstandet. Nach Auffassung des Rechnungshofs wurden allerdings bei der jährlichen Abrechnung nicht alle vom HEP genutzten Flächen einbezogen.
Der gesamte Fachbereich Geowissenschaften der Universität Tübingen befindet sich gerade in einer Phase der räumlichen Umstrukturierung. Bis heute sind keine Baumaßnahmen erfolgt, die allein der Unterbringung des HEP dienen. Soweit in Zukunft durch die Kooperation der Universität Tübingen mit der SGN Baumaßnahmen erforderlich werden, sind die von der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) für die Finanzierung von Forschungsbauten der Leibniz-Gemeinschaft beschlossenen Grundsätze einschlägig, die eine im Einzelfall abgestimmte gemeinsame Finanzierung aus Bundes- und Landesmitteln vorsehen.
3 Zusammenfassende Bewertung des Vertrags
Der Rechnungshof anerkennt, dass es der Universität Tübingen gelungen ist, die seit vielen Jahren bewährte Kooperation mit der Senckenberg Gesellschaft auf dem Gebiet der Archäologie und Paläontologie so weiterzuentwickeln, dass seit 2017 ein Forschungsinstitut der SGN an der Universität Tübingen etabliert ist. Dadurch werden wertvolle und international beachtete Forschungsaktivitäten am Standort Tübingen gefördert und aus Mitteln des Bundes und der Länder finanziert. Die Forschung am Standort Tübingen wird mit den weiteren Einrichtungen der SGN und der Leibniz-Gemeinschaft vernetzt. Das Land Baden-Württemberg und die Universität Tübingen profitieren wissenschaftlich und wirtschaftlich von der Einrichtung des HEP. Erfreulich ist insbesondere, dass die am Standort Tübingen vorhandenen umfangreichen paläontologischen und archäologischen Sammlungen durch die Kooperation mit der SGN einer fachgerechten Pflege und Betreuung zugeführt werden sollen.
Der Rechnungshof beanstandet nicht, dass die Universität Tübingen im Interesse der genannten Vorteile einen beachtlichen Teil der vom Sitzland Baden-Württemberg zu tragenden Ausgaben selbst übernommen hat und aus der finanziellen Grundausstattung der Universität bestreitet.
Der Rechnungshof anerkennt, dass die Universität Tübingen mit großem Aufwand bemüht war, die Kooperation mit dem Vertrag vom Mai 2017 auf ein juristisch einwandfreies und interessengerechtes Fundament zu stellen.
Als nachteilig bewertet der Rechnungshof, dass die Vertragsparteien in dem Vertrag von 2017 nicht an dem zuvor vereinbarten „Berliner Modell“ festgehalten haben. Obwohl die Leibniz-Gemeinschaft wie an vielen anderen Standorten bereit gewesen wäre, eine Zusammenarbeit nach dem „Berliner Modell“ zu etablieren und damit die Personalkosten der beteiligten Professoren ganz oder teilweise an die Universität zu erstatten, hat sich das Rektorat der Universität Tübingen 2017 gegen dieses Modell entschieden. Die von der Universität Tübingen dafür genannten Gründe überzeugen nicht. Die damit verbundenen Erwartungen haben sich bis heute nicht realisiert. Der wirtschaftliche Nachteil für die Universität Tübingen beträgt zwischen 400.000 und 800.000 Euro jährlich, je nachdem, welchen Anteil der Personalkosten die SGN erstattet hätte.
Weitere Defizite sieht der Rechnungshof beim Vollzug des 2017 abgeschlossenen Vertrags.
4 Empfehlungen
Der Rechnungshof empfiehlt dem Wissenschaftsministerium, der Universität Tübingen und der Senckenberg Gesellschaft, darauf hinzuwirken, dass diese Defizite behoben werden:
- Die Universität Tübingen und die SGN sollten künftig gewährleisten und nachvollziehbar dokumentieren, dass die Lehrdeputatsreduzierung der beteiligten Professoren, wie in § 6 des Vertrags vorgesehen, durch unentgeltliche Lehraufträge an Mitarbeiter des HEP kompensiert wird.
- Die SGN hat sich im Vertrag verpflichtet, die archäologischen und paläontologischen Sammlungen am Standort Tübingen zu erhalten, zu schützen und zu pflegen (§ 3 des Vertrags). Die Universität Tübingen sollte die Erfüllung dieser Verpflichtung offensiv einfordern. Der Rechnungshof hält die Art der Aufbewahrung und der Präsentation der archäologischen und paläontologischen Sammlungen für nicht sachgerecht. Hier wird die SGN ihren technischen und personellen Aufwand künftig beträchtlich erhöhen müssen.
- Die im Vertrag vorgesehene Inventarisierung des Sammlungsgutes ist bis heute nur teilweise erfolgt. Beide Vertragspartner müssen auf eine fachgerechte und vollständige Inventarisierung des Sammlungsgutes hinwirken.
- Für die sachgerechte Abrechnung der Betriebskosten ist es erforderlich, die vom HEP genutzten Flächen vollständig und valide zu erfassen. Eine entsprechende Übersicht sollte die Universität Tübingen zeitnah erstellen und regelmäßig aktualisieren.
- Die beiden Vertragspartner haben es bis heute versäumt, die im Vertrag von 2017 vorgesehenen Ergänzungsvereinbarungen zu den Themen „Verwertungsrechte“, „Gebrauch von Vertragsgegenständen durch Dritte“ und „Einzelheiten der Inventarisierung der Sammlungsgegenstände“ abzuschließen. Diese Ergänzungsvereinbarungen sind zügig auszuhandeln.
5 Stellungnahmen
5.1 Universität Tübingen
Die Universität Tübingen teilt mit, sie sei in allen vertraglichen Punkten im Gespräch mit der SGN und gegebenenfalls weiteren Beteiligten und strebe baldige Vereinbarungen an, um die Rechtsunsicherheiten zu beseitigen.
Zu Beginn der Verhandlungen mit SGN sei das Berliner Modell favorisiert worden - u. a. auch wegen der weiterhin erwünschten Lehrverpflichtung der Professuren. Gegen das Berliner Modell spreche, dass die nur noch mittelbare Zuordnung zur Universität dazu führen könnte, dass die beteiligten Professuren nicht mehr für bestimmte Förderformate von DFG und Wissenschaftsrat antragsberechtigt wären. Ohne das Festhalten am Status quo erschiene letztlich auch der Erfolg der Exzellenzstrategie gefährdet.
Der Rechnungshof gehe in seiner Bewertung davon aus, dass der wirtschaftliche Nachteil für die Universität Tübingen zwischen 400.000 und 800.000 Euro jährlich betrage. Dies könne die Universität aus mehreren Gründen nicht nachvollziehen. Die beteiligten Professuren arbeiteten nach wie vor originär für die Universität und hätten in den letzten Jahren jeweils zwischen 2 und 3 Mio. Euro an Drittmitteln eingeworben. Allein der darin enthaltene Overhead von mindestens 20 Prozent gleiche den scheinbaren Nachteil aus. Hinzu komme der Reputationsverlust, der entstehen würde, wenn die betroffenen Professoren in den Förderformaten der DFG und des Wissenschaftsrates keine Drittmittel zugunsten der Universität Tübingen einwerben könnten. Durch die Mitarbeiter der SGN werde der Wegfall von Deputatsstunden überkompensiert. Außerdem hätten die Professorinnen und Professoren die jeweilige Deputatsreduktion nicht in allen Fällen ausgeschöpft.
Die Universität begrüßt die Darstellung des mangelhaften Zustands der Unterbringung der Sammlungen. Es werde erwartet, dass sich die GWK an den anstehenden Baumaßnahmen anteilig beteiligen werde.
Im Laufe dieses Jahres werde ein aktualisiertes Verzeichnis der der SGN zugewiesenen Flächen erstellt werden.
5.2 Wissenschaftsministerium
Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst begrüßt, dass der Rechnungshof die Bedeutung der Verstetigung der Kooperation der Universität Tübingen mit der SGN in den Forschungsbereichen Paläontologie und Archäologie und die Gründung des HEP ebenfalls sehr positiv sehe.
Die Vorschläge zur Weiterentwicklung des Verhältnisses der Universität Tübingen und der SGN werden grundsätzlich vom Ministerium unterstützt.
Die Entscheidung der Universität, für die eigenen Professoren, die am HEP tätig sind, nicht das sonst bei der Leibniz-Gemeinschaft meist übliche sogenannte Berliner Modell zu wählen, werde vom Ministerium ausdrücklich unterstützt. Auch insoweit schließe sich das Ministerium den Argumenten der Universität an.
Die Planungen der Universität und der betroffenen Landesbehörden für Baumaßnahmen zu einer adäquaten Unterbringung und Präsentation der Sammlungen seien bereits im Gange und erfolgten unter Beachtung der in der Leibniz-Gemeinschaft geltenden Grundsätze. Einige Verbesserungen vor Ort seien aktuell durch den Auszug des Fachbereichs Geowissenschaften aus dem Gebäude bereits in Umsetzung.
6 Schlussbemerkung
Der Rechnungshof bleibt bei seiner Auffassung, dass die Entscheidung der Universität Tübingen gegen das Berliner Modell wirtschaftlich nachteilig war und nicht kompensiert wurde. Den als Teil der Forschungsdrittmittel zugeflossenen Overhead-Mitteln stehen, wie alle Universitäten immer wieder betonen und der Rechnungshof andernorts definitiv festgestellt hat, höhere Aufwendungen für die Betreuung der Forschungsprojekte gegenüber, sodass regelmäßig keine Überschüsse erwirtschaftet werden können. Die Erwartung, dass die Forschungsleistung der beteiligten Professuren bei der Exzellenzstrategie 2019 maßgebliche Bedeutung gewinnen könnte, hat sich ebenfalls nicht erfüllt.
Bei künftigen Baumaßnahmen, die der Unterbringung des HEP dienen, sollten das Land Baden-Württemberg und die Universität Tübingen beachten, dass die in der Leibniz-Gemeinschaft geltenden Grundsätze regelmäßig eine gemeinsame Finanzierung durch den Bund und das Sitzland vorsehen.
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Die staatlichen Kunst- und Kultureinrichtungen müssen den Übergang der IT zur BITBW gründlich vorbereiten. Dazu gehört, Klarheit über die tatsächlichen IT-Aufwendungen zu schaffen, um die finanziellen Auswirkungen nach der Migration darstellen zu können. Außerdem müssen die IT-Systeme vereinheitlicht und an den geltenden Standards ausgerichtet werden. Die BITBW sollte frühzeitig in Planungen eingebunden werden, die Auswirkungen auf die IT-Strukturen und Systeme haben.
1 Ausgangslage
Nach dem Gesetz zur Errichtung der Landesoberbehörde IT Baden-Württemberg (BITBWG) müssen grundsätzlich alle Landeseinrichtungen die IT-Dienstleistungen der BITBW nutzen. Die IT-Migration der nachgeordneten Bereiche mehrerer Ressorts zur BITBW verzögert sich jedoch. In zahlreichen Fällen wurde von der Ausnahmeregelung in § 7 Absatz 2 BITBWG Gebrauch gemacht und mit dem Innenministerium ein späterer Migrationszeitpunkt vereinbart.
Auch das Wissenschaftsministerium hat für seine Kunst- und Kultureinrichtungen mehrfach Ausnahmen von der Nutzungspflicht vereinbart. Vorerst können die Einrichtungen ihre IT bis Ende 2024 wie bisher eigenständig verwalten und betreiben. Ausgenommen davon ist die Staatsgalerie, deren IT bereits Anfang 2019 zur BITBW migriert wurde.
Das Staatliche Rechnungsprüfungsamt Stuttgart hat die Wirtschaftlichkeit und die Kosten des IT-Betriebs folgender Kunst- und Kultureinrichtungen geprüft:
Staatliches Museum für Naturkunde Karlsruhe, Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Staatsgalerie Stuttgart, Badisches Landesmuseum, Landesmuseum Württemberg, Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg, Linden-Museum, Staatliche Kunsthalle Baden-Baden, Haus der Geschichte Baden-Württemberg, Badisches Staatstheater Karlsruhe und Württembergische Staatstheater Stuttgart.
2 Prüfungsergebnisse
Die Einrichtungen setzten 27 Personen mit 16 Vollzeitäquivalenten für die Betreuung und den Betrieb der rund 1.850 Bildschirmarbeitsplätze ein. Alle Einrichtungen waren an das Landeshochschulnetz „BelWü“ angeschlossen. Weniger als ein Drittel der Arbeitsplätze hatte zusätzlich einen Zugang zum Landesverwaltungsnetz (LVN).
2.1 IT-Aufwendungen und Kostenermittlung
2.1.1 Uneinheitliche Buchungspraxis und fehlende Kostentransparenz
Die Einrichtungen buchten ihre IT-Aufwendungen in unterschiedlicher Weise auf IT-Sachkonten und teilweise auch auf andere Konten. Diese Buchungspraxis erschwert den Überblick über die IT-Gesamtaufwendungen. Sie lassen sich somit nicht exakt beziffern. Damit konnten weder die Einrichtungen noch das Wissenschaftsministerium belastbar beurteilen, ob die über die Zuführung bereitgestellten Haushaltsmittel wirtschaftlich und zweckmäßig verwendet wurden.
Die Einrichtungen inventarisierten ihren Hard- und Softwarebestand nicht einheitlich und nicht regelmäßig. Sie haben deshalb keinen umfassenden Überblick über ihren IT-Bestand und damit auch nicht über den Finanzbedarf für Reinvestitionen.
2.1.2 Kostenvergleich auf Basis unvollständiger Daten
Mit Blick auf die Migration zur BITBW bat das Wissenschaftsministerium die Einrichtungen, ihre bisherigen IT-Kosten zu ermitteln und diese den Kosten für entsprechende Dienstleistungen der BITBW gegenüberzustellen. Während die eigenen IT-Kosten mit rund 2 Mio. Euro jährlich berechnet wurden, gingen die Einrichtungen davon aus, für die Dienstleistungen der BITBW künftig rund 11 Mio. Euro jährlich aufwenden zu müssen.
Die Kostenermittlung war aus Sicht des Rechnungshofs im Ergebnis nicht plausibel. Sie ließ wichtige Aspekte außer Betracht, die bei einem seriösen Kostenvergleich hätten berücksichtigt werden müssen:
- Die BITBW kalkuliert ihre Leistungen auf Vollkostenbasis. Die für den Vergleich errechneten eigenen IT-Aufwendungen der Kunst- und Kultureinrichtungen waren aber aufgrund der Buchungspraxis nicht exakt ermittelbar.
- In den Kostenvergleich sind die den Einrichtungen berechneten Betriebskosten des BelWü-Netzes eingegangen, die nach Einschätzung des Rechnungshofs deutlich unter den tatsächlichen Kosten liegen dürften.
- Für die Ermittlung und Gegenüberstellung der Hardware-Kosten gab es keine einheitlichen Vorgaben. Einige Einrichtungen kalkulierten ihre Aufwendungen für Hardware auf Basis einer längeren Nutzungsdauer als die BITBW. Auch dies führte dazu, dass die bisherigen Aufwendungen günstiger erscheinen als sie tatsächlich sind.
- Fachspezifische IT-Leistungen wie die IT-gesteuerte Bühnenbeleuchtung der Staatstheater sind in der Regel nicht im Leistungskatalog der BITBW abgebildet. Trotzdem wurden sie von den Einrichtungen mit Katalogpreisen eingerechnet, die für einen Standard-Büroarbeitsplatz gelten.
- Bei der Kostenermittlung wurden auch Arbeitsplätze einbezogen, die so spezifisch sind, dass ein Betrieb in der BITBW weder sachgerecht noch wirtschaftlich scheint. Solche Arbeitsplätze sollten sinnvollerweise im Betrieb der jeweiligen Einrichtung verbleiben. Dazu gehört beispielsweise die oben genannte IT-gesteuerte Bühnenbeleuchtung.
2.2 Sicherheitsrisiken durch den Einsatz veralteter Betriebssysteme und unsichere E-Mail-Kommunikation
Die Einrichtungen setzten Geräte unterschiedlicher Hersteller ein. Die als Server und Bildschirmarbeitsplätze eingesetzten Geräte waren heterogen und teilweise veraltet. Oftmals waren noch Betriebssysteme wie Windows Server 2008 und Windows 7 im Einsatz. Der Extended-Support für Windows Server 2008 und der reguläre Support für Windows 7 wurde im Januar 2020 vom Hersteller beendet. Die Einrichtungen hätten sich deshalb frühzeitig um einen Umstieg auf neue Betriebssysteme bemühen müssen. Das Land vereinbarte zwischenzeitlich eine kostenpflichtige Verlängerung der Supportleistungen.
Neben veralteten Serverbetriebssystemen waren auch von den Einrichtungen selbst zusammengebaute Server vorhanden. Der Einsatz solcher Geräte ist schon unter Sicherheitsaspekten problematisch. Vor allem aber ist ihr Einsatz in der Regel nicht wirtschaftlich. Die über die Warenkataloge der BITBW bzw. des Logistikzentrums Baden-Württemberg angebotenen Server decken die Bedürfnisse der geprüften Einrichtungen ab.
Eine Einrichtung nutzte seit dem ersten Halbjahr 2016 ein E-Mail-System, das dienstliche Inhalte und eventuell beigefügte Dokumente über Server kommerzieller Anbieter verschickt. Bei diesem Vorgang werden Daten auf deren Servern zwischengespeichert. Dies stellt ein Sicherheitsrisiko dar, da dienstliche und personenbezogene Daten, die auf diese Weise versendet werden, vor dem Zugriff Dritter nicht ausreichend geschützt sind.
2.3 Informationssicherheitsbeauftragte und Vertretungen für IT-Verantwortliche
Nicht in allen geprüften Einrichtungen wurden Informationssicherheitsbeauftragte bestellt. Die Rolle und die Bedeutung eines Informationssicherheitsbeauftragten waren den Einrichtungen oft nicht klar.
Der IT-Betrieb und die Einhaltung der Informationssicherheit erfordern besondere Sachkenntnisse, die nicht überall vorhanden sind. Eine einrichtungsübergreifende Zusammenarbeit könnte die vorhandenen Kapazitäten und Kompetenzen bündeln, Synergiepotenziale ausschöpfen und so die Vorgaben der Verwaltungsvorschrift Informationssicherheit erfüllen.
Bei sechs Einrichtungen war jeweils nur eine Person für den IT-Betrieb verantwortlich. Vertretungspersonal fehlte, der IT-Betrieb konnte dadurch nicht durchgängig sichergestellt werden.
2.4 Anstehende Um- und Neubauten in den Betriebsgebäuden
Im Badischen Staatstheater Karlsruhe, aber auch in anderen Einrichtungen, wurde mit Um- und Neubauten begonnen. Baumaßnahmen anderer Einrichtungen sind noch in der Planungsphase. Es stehen Modernisierungen und Umnutzungen an, für die es noch keine IT-spezifischen Planungen gibt, welche auf die Bedürfnisse nach einer späteren Migration Rücksicht nehmen. Die Gefahr, dass später unnötige Umbaukosten entstehen, steht daher im Raum.
3 Empfehlungen
3.1 IT-Kosten vollständig erfassen, Transparenz schaffen und die Migration zur BITBW sorgfältig vorbereiten
Die Einrichtungen sollten sämtliche IT-Aufwendungen nach einer einheitlichen Systematik auf IT-Sachkonten buchen, ihren Bestand einheitlich und regelmäßig erfassen und auf diese Weise für Transparenz sorgen.
Die Einrichtungen sollten die tatsächlichen Kosten der Migration und des späteren Betriebs im Vorfeld mit der BITBW individuell klären.
Mit Blick auf die vereinbarte Migration Ende 2024 sollte das Wissenschaftsministerium mit den Kunst- und Kultureinrichtungen, dem Innenministerium und der BITBW die Migration der IT rechtzeitig vorbereiten und umsetzen. Dabei sollten die Bedarfe hinsichtlich der Netzanbindungen und Services (über LVN hinaus) kritisch hinterfragt werden.
Es sollte zeitnah geprüft werden, ob einzelne IT-Dienstleistungen bereits im Vorfeld der Migration von der BITBW bezogen werden können.
3.2 Nur sichere IT einsetzen, Sicherheitsrisiken minimieren
Der Einsatz veralteter Technik wird den Sicherheitsstandards des Landes nicht gerecht. Um die Anforderungen des Datenschutzes und der Informationssicherheit zu erfüllen, müssen aktuelle Betriebssysteme eingesetzt werden. Die Verwendung selbst zusammengebauter Geräte und kommerziell betriebener E-Mail-Systeme ist schnellstmöglich zu beenden. Die IT-Systeme sind auf die geltenden Sicherheitsstandards umzustellen.
3.3 Synergien bei der Informationssicherheit aktiv nutzen
Die Einrichtungen sollten bei der Informationssicherheit verstärkt einrichtungsübergreifend zusammenarbeiten und mittel- bis langfristig gemeinsame Informationssicherheitsbeauftragte bestellen. Diese spezielle Fachkompetenz wird auch nach einer Migration zur BITBW benötigt.
Das Wissenschaftsministerium sollte darauf hinwirken, dass die einrichtungsübergreifende Zusammenarbeit organisatorisch umgesetzt wird.
Die Einrichtungen müssen darauf achten, dass die bestellten Informationssicherheitsbeauftragten ausreichend qualifiziert und für die jeweiligen Partner verfügbar sind. Sie sind in alle Projekte mit Sicherheitsbelangen einzubeziehen.
3.4 BITBW bei Um- und Neubauten frühzeitig einbinden
Über bereits laufende oder geplante Um- und Neubauten sollte das Wissenschaftsministerium die BITBW zeitnah in Kenntnis setzen, damit die entsprechenden Raumbedarfe rechtzeitig berücksichtigt werden können.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Wissenschaftsministerium teilt mit, es könne sich den Empfehlungen des Rechnungshofs im Wesentlichen anschließen. Die geprüften Einrichtungen seien bereits gebeten worden, auf eine sorgfältige und konkrete Zuordnung der IT-Kosten zu achten.
Voraussetzung für die Umstellung der IT-Systeme der Kunst- und Kultureinrichtungen auf die geltenden Sicherheitsstandards sei, dass ihnen die dafür benötigten Ressourcen in ausreichendem Maße zur Verfügung gestellt würden. Aktuell bestehe kein Bedarf, die BITBW bereits im Vorfeld der Migration mit Dienstleistungen zu beauftragen. Sofern es ab 2025 zu einer Migration der Kultureinrichtungen zur BITBW komme, würden die Kosten auf Basis vollständiger Daten einheitlich ermittelt und abgestimmt.
5 Schlussbemerkung
Der Rechnungshof sieht keine Alternative zu einer Migration der IT der Kunst- und Kultureinrichtungen zur BITBW. Diese sollte spätestens zu dem zwischen Wissenschafts- und Innenministerium vereinbarten Termin erfolgen.
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Das Center for Advanced Studies an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg muss bis spätestens 2025 eine Vollkostendeckung für die angebotenen Masterstudiengänge und Weiterbildungsmodule erreichen. Dazu ist eine Steigerung der Studierendenzahlen und der Gebühreneinnahmen ebenso erforderlich wie eine deutliche Reduzierung der Personal- und Sachkosten. Einsparpotenziale bestehen insbesondere bei der Ausstattung mit nichtwissenschaftlichem Personal, bei den Sachkosten und bei der Höhe der Vergütungen für die Lehrbeauftragten.
1 Ausgangslage
Das Center for Advanced Studies (CAS) in Heilbronn ist eine auf Masterstudiengänge und Weiterbildungsangebote spezialisierte zentrale Einrichtung der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW). Das CAS ergänzt das Studienangebot der neun Studienakademien der DHBW, das ausschließlich duale Bachelorstudiengänge umfasst.
Das Studienangebot des CAS besteht aktuell aus elf nicht-konsekutiven Masterstudiengängen in den drei Fachbereichen Wirtschaft, Technik und Sozialwesen. Die Masterstudiengänge haben eine Regelstudienzeit von vier Semestern und wenden sich an Berufstätige mit Bachelorabschluss. Daneben werden Weiterbildungsmodule angeboten, bei denen die Teilnehmer berufsbegleitend Zertifikate erwerben können.
Nach den einschlägigen landesgesetzlichen und europarechtlichen Bestimmungen sind alle Angebote des CAS gebührenpflichtig, da sie zur Weiterbildung gehören. Die Kosten der Angebote müssen aus Entgelten und Drittmitteln gedeckt werden, eine Finanzierung aus Haushaltsmitteln des Landes ist nicht zulässig.
Das CAS wurde am 1. Oktober 2014 gegründet. Bis dahin boten einige Studienakademien einzelne Masterstudiengänge an - häufig in Zusammenarbeit mit inländischen oder ausländischen Universitäten. All diese Studiengänge wurden ab 1. Oktober 2014 auf dem Bildungscampus der Dieter-Schwarz-Stiftung (DSS) in Heilbronn zusammengefasst. Einzelne Module der Masterstudiengänge finden nach wie vor in den Räumen der neun Studienakademien statt.
Die Initiative zur Gründung des CAS ging von der DSS aus. Die Stiftung sagte dem Land zu, die in den ersten Jahren entstehenden Defizite durch Zuwendungen zu decken. Diese Zusage war zunächst auf den Zeitraum bis 2020 befristet. Über eine Verlängerung der Finanzierung bis 2025 wird gegenwärtig noch verhandelt.
Dem CAS sind das Zentrum für Hochschuldidaktik und lebenslanges Lernen (ZHL) und das Testzentrum angegliedert. Das ZHL bietet Fortbildungsveranstaltungen für die Professoren und die wissenschaftlichen Mitarbeiter der DHBW an. Den Schwerpunkt bilden Angebote zur Hochschuldidaktik. Aufgabe des Testzentrums ist es, für die Studienakademien Testverfahren zur Feststellung der Studierfähigkeit bei Studienbewerbern ohne die notwendige Hochschulzugangsberechtigung zu entwickeln und durchzuführen. Für diese beiden Einrichtungen fallen rund 10 Prozent der Ausgaben beim CAS an.
Seit 2019 betreibt das CAS als weitere Einrichtung die Intersectoral School of Governance (ISoG), die sich mit ihrem interdisziplinären Angebot an Führungskräfte aus Staat, Wirtschaft und Gesellschaft wenden soll. Sie wird aus Zuwendungen des Landes, des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall, der DSS und der Robert-Bosch-Stiftung finanziert.
Der Rechnungshof hat 2019 die Haushalts- und Wirtschaftsführung des CAS geprüft. Ein wichtiger Schwerpunkt der Prüfung war die Entwicklung des CAS und seine mittelfristige Perspektive. Die noch in der Gründungsphase befindliche Intersectoral School of Governance war nicht Gegenstand dieser Prüfung.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Wirtschaftliche Situation des Center for Advanced Studies
Im Jahr 2019 hat das CAS insgesamt 13,06 Mio. Euro für Personal- und Sachkosten ausgegeben. Davon entfallen 1,27 Mio. Euro auf das ZHL und das Testzentrum sowie 0,43 Mio. Euro auf Projekte, die keinen Bezug zu den Masterstudiengängen haben.
Diesen Ausgaben stehen Einnahmen aus Gebühren und Entgelten von 8,92 Mio. Euro und ein Landeszuschuss von 0,82 Mio. Euro für das ZHL und das Testzentrum gegenüber. Das damit verbleibende Defizit von 3,32 Mio. Euro deckt das CAS aus aktuellen oder zurückgelegten Drittmitteleinnahmen, die im Wesentlichen von der DSS stammen.
Die vom CAS erstellte interne Kostenrechnung wies zum Zeitpunkt der Prüfung hinsichtlich der Masterstudiengänge und der Weiterbildungsmodule eine Kostendeckung von durchschnittlich 73 Prozent aus Gebühren und Entgelten aus. Ohne die Drittmittel der DSS sind die rechtlichen Vorgaben (volle Kostendeckung und Beihilfeverbot) aktuell nicht zu erfüllen.
Die Studienanfängerzahlen in den Masterstudiengängen sind in den letzten drei Studienjahren zurückgegangen: Im Studienjahr 2017/18 begannen 519 Studierende einen Masterstudiengang, im Studienjahr 2018/19 nur noch 449 Studienanfänger und für das Studienjahr 2019/20 haben sich 474 Studienanfänger eingeschrieben. Im Gründungskonzept waren 800 Studienanfänger für 2017, 1.000 Studienanfänger für 2018 und 1.200 Studienanfänger für 2019 geplant.
Als Gründe für den mangelnden Zuspruch verweist die Leitung des CAS auf die zunehmende Zahl konkurrierender Angebote nicht-konsekutiver Masterstudiengänge und berufsbegleitender Studienangebote. Selbst bei den Absolventen der Bachelorstudiengänge der DHBW sei es nicht gelungen, das Potenzial an Bewerbern für die vom CAS angebotenen Masterstudiengänge auszuschöpfen. Die Übergangsquote bei Absolventen der DHBW in die nicht-konsekutiven Masterstudiengänge des CAS bewegte sich in den letzten Jahren zwischen 1,8 und 3,7 Prozent.
Aus Sicht des Rechnungshofs bleiben die Studierendenzahlen und damit die Gebühreneinnahmen hinter den Möglichkeiten zurück, auch beim Ressourceneinsatz sieht der Rechnungshof erhebliche Einsparpotenziale.
2.2 Personalstruktur
Das CAS beschäftigt hauptamtliches wissenschaftliches Leitungspersonal im Umfang von 5 VZÄ. Es handelt sich dabei um den Direktor und drei Professoren als Abteilungsleiter und die Leiterin des ZHL, die jeweils als Beamte auf Zeit auf eine W 3-Stelle berufen werden. Der Rechnungshof hält diese Ausstattung grundsätzlich für sachgerecht, sieht jedoch Wirtschaftlichkeitspotenziale bei der Festsetzung der Lehrverpflichtung der Abteilungsleiter und bei der Bewertung der Stelle der Leiterin des ZHL.
Überdimensioniert ist dagegen die wissenschaftliche Leitung der Studiengänge und die Zahl der Modulverantwortlichen. 32 Professoren der DHBW nehmen die wissenschaftliche Leitung als zusätzliche Dienstaufgabe wahr und erhalten dafür besondere Leistungsbezüge. Dazu kommen 359 Modulverantwortliche, die dafür ebenfalls Leistungsbezüge erhalten. Für die gewährten Leistungsbezüge lagen die rechtlichen Voraussetzungen nicht vor, insbesondere fehlte die notwendige individuelle Leistungsbeurteilung.
Die eigentliche Lehre in den Masterstudiengängen und den Weiterbildungsmodulen wird durch Professoren der DHBW als Nebentätigkeit oder durch externe Lehrbeauftragte erbracht. Dieses System ist aus Sicht des Rechnungshofs sachgerecht und wirtschaftlich, vermeidet es doch die Einstellung hauptamtlichen Lehrpersonals. Weder sachgerecht noch dauerhaft finanzierbar ist allerdings die Höhe der vom CAS gewährten Vergütung von 120 Euro je Unterrichtsstunde. Angesichts der festgestellten Defizite in der Kostendeckung ist eine Reduzierung um mindestens ein Drittel unumgänglich. Auch damit läge die vom CAS gewährte Vergütung noch immer höher als an fast allen anderen baden-württembergischen Hochschulen. Die Bandbreite der dort gewährten Lehrauftragsvergütungen reicht, wie das Wissenschaftsministerium 2018 dem Landtag berichtete, von 16 Euro bis 86 Euro je Unterrichtsstunde.
Das CAS beschäftigt nichtwissenschaftliches Personal im Umfang von 55 VZÄ. Auf das ZHL und das Testzentrum entfallen weitere 8 bis 9 VZÄ. Angesichts einer aktuellen Zahl von 899 vollzahlenden Studierenden übersteigt diese Anzahl den Bedarf deutlich. Ein Vergleich mit kleineren Hochschulen und eine Analyse des Rechnungshofs des bei den Studienakademien und beim CAS geleisteten Aufwands für Steuerungs- und Unterstützungsleistungen ergibt, dass selbst bei einer Studierendenzahl von 2.000 nur eine Ausstattung mit nichtwissenschaftlichem Personal in einer Größenordnung von 35 VZÄ zu rechtfertigen wäre.
Obwohl die Zahl der tatsächlich Beschäftigten mithin den Bedarf bereits übersteigt, sieht der Staatshaushaltsplan für das CAS weitere bislang unbesetzte Stellen vor. Danach könnte das CAS bis zu 84,5 VZÄ besetzen.
2.3 Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung
Bei der Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Personalausgaben hat der Rechnungshof verschiedene Defizite festgestellt. Neben den erwähnten rechtswidrig gewährten Leistungsbezügen fehlte bei einigen übertariflichen Zulagen für Tarifbeschäftigte die notwendige Zustimmung des Finanzministeriums. Außerdem lagen nicht für alle Tarifbeschäftigten die für eine sachgerechte Eingruppierung notwendigen Tätigkeitsbeschreibungen vor.
Bei der Bewirtschaftung der Sachmittel musste der Rechnungshof Fehler bei Verwahrungen, bei der Verbuchung von Einnahmen und bei Vergaben beanstanden.
2.4 Zusammenarbeit mit den Studienakademien
Verbesserungspotenzial sieht der Rechnungshof bei der Zusammenarbeit des CAS mit den Studienakademien. Es kann nicht hingenommen werden, dass einzelne Mitarbeiter der Studienakademien Dienstleistungen für das CAS mit der unzutreffenden Begründung verweigern, es handele sich beim CAS um eine eigenständige Einrichtung. Folge dieses Verhaltens war, dass das CAS eigenes Personal in den Studienakademien beschäftigen musste, das seinerseits dann nicht ausgelastet war.
2.5 Organisation des Center for Advanced Studies
Der Rechnungshof hatte während seiner Prüfung vorgeschlagen, das ZHL und das Testzentrum vom CAS zu trennen und organisatorisch dem Präsidium der DHBW zuzuordnen. Dieser Vorschlag wurde im Januar 2020 von der DHBW umgesetzt.
2.6 Entwicklungsperspektiven
Angesichts der gesetzlichen Rahmenbedingungen und der Befristung der von der DSS in Aussicht gestellten Subventionen muss das CAS in absehbarer Zeit in der Lage sein, seine Ausgaben vollständig durch eigene Entgelteinnahmen zu decken. Der Rechnungshof geht davon aus, dass die Entgelte lediglich den allgemeinen Preissteigerungen unterliegen, sodass ein kostendeckender Betrieb des CAS nur bei steigenden Studierendenzahlen und durch eine drastische Kostenreduzierung möglich ist.
Falls es dem CAS gelingt, die heutigen Studienanfängerzahlen von 474 auf 500 Studienanfänger jährlich zu erhöhen und zu stabilisieren, sind Entgelte von 9,4 Mio. Euro erzielbar. Dem stehen bei Beibehaltung des gegenwärtigen Ausgabenniveaus Ausgaben von 11,4 Mio. Euro gegenüber. Bei diesem realistischen Szenario sind daher Einsparmaßnahmen von mindestens 2 Mio. Euro jährlich erforderlich.
Wenn es dem CAS hingegen gelingen sollte, durch ein hochwertiges Angebot und erfolgreiche Marketingmaßnahmen jährlich 750 Studienanfänger zu gewinnen, wären damit jährliche Entgelteinnahmen von 14,1 Mio. Euro erzielbar. Dem stehen dann Gesamtausgaben von 14,3 Mio. Euro gegenüber. Selbst bei diesem optimistischen Szenario muss das CAS Personal- und Sachkosten einsparen. Der im Staatshaushaltsplan vorgesehene Zuwachs an Personal ist keinesfalls finanzierbar.
3 Empfehlungen
3.1 Mängel in der Wirtschaftsführung beheben
Der Rechnungshof empfiehlt, dass das CAS die festgestellten Mängel bei der Bewirtschaftung der Personal- und Sachmittel behebt. Für eine ordnungsgemäße Personalwirtschaft ist es unabdingbar, dass den Professoren, die am CAS tätig sind, nur dann besondere Leistungsbezüge gewährt werden, wenn dafür hinreichende rechtliche Voraussetzungen bestehen. Besondere Leistungsbezüge, die allein an die Wahrnehmung einer zusätzlichen Aufgabe geknüpft sind, ohne dass die Leistungen individuell beurteilt werden, sind nicht zulässig.
3.2 Ausgaben und Einnahmen dauerhaft zur Deckung bringen
Um die Existenz des CAS unter Beachtung der rechtlichen Rahmenbedingungen nachhaltig zu sichern, ist eine Steigerung der Studierendenzahlen und Entgelte einerseits und eine Reduzierung der Personal- und Sachkosten andererseits unumgänglich.
Dazu muss das CAS sein Studienangebot an die Erfordernisse des Weiterbildungsmarktes anpassen und über Marktanalysen zu einer Preisdifferenzierung kommen, die Mehreinnahmen generiert. Letztlich wird die Qualität des Studienangebots entscheiden, ob das CAS dauerhaft die notwendigen Entgelteinnahmen erzielen kann.
Zur Kostenreduzierung empfiehlt der Rechnungshof, die Personalausstattung des CAS realistisch zu bemessen und die Stellenausstattung dem tatsächlichen Bedarf anzupassen. Dazu ist es notwendig, die Zahl der nichtwissenschaftlich Beschäftigten zu reduzieren, den Aufwand für die Geschäftsstellen des CAS an den Studienakademien zu begrenzen und die Vergütungen der Lehrbeauftragten auf ein vernünftiges Maß zu senken. Weiterhin regt der Rechnungshof an, Synergien mit der benachbarten Studienakademie Heilbronn stärker zu nutzen und das Catering für die Masterstudiengänge nicht durch eigene Mitarbeiter zu leisten, sondern extern zu vergeben.
Wenn es dem CAS nicht gelingen sollte, Kosten und Entgelteinnahmen dauerhaft zur Deckung zu bringen, empfehlen wir, die dann zwangsläufige Schließung des CAS rechtzeitig in die Wege zu leiten. Selbst bei Einstellung des Betriebs drohen dem Land hohe Abwicklungskosten, wenn das CAS nach Wegfall der Zuwendungen der DSS geschlossen werden muss.
4 Stellungnahmen
4.1 Duale Hochschule Baden-Württemberg
Der Präsident der DHBW trägt in seiner Stellungnahme vor, das CAS stärke mit seinen passgenauen Weiterbildungs- und Studienangeboten die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit des Landes Baden-Württemberg und genieße bereits in seiner Aufbauphase das große Vertrauen seiner Partner aus Wirtschaft, Gesellschaft und Politik.
Grundsätzlich sei sich die DHBW der Notwendigkeit eines kostendeckenden Betriebs des CAS bewusst und halte diesen ab Mitte 2026 (mit Ausnahme des Studienangebots im Sozialwesen) für realistisch. Die aktuellen Zahlen für das Jahr 2019 stützten diese Einschätzung, da sie eine positive Entwicklung des Kostendeckungsgrades zeigen. So sei der Kostendeckungsgrad von 81 Prozent im Jahr 2018 auf 87 Prozent in 2019 gestiegen. Der Kostendeckungsgrad des Studienbereichs „Technik“ liege 2019 sogar bereits bei 93 Prozent.
Um das Ziel der vollen Kostendeckung in den kommenden Jahren zu erreichen, werde sich das CAS noch intensiver mit Marketing und Vertrieb befassen, weiterhin eine kontinuierliche Optimierung seines Studienangebots vornehmen und regelmäßige Anpassungen der Studiengebühren umsetzen. Darüber hinaus werde das CAS seine Aktivitäten im Bereich der wissenschaftlichen Weiterbildung weiter ausbauen, um die damit verbunden immensen Einnahmepotenziale auszuschöpfen. Sollte sich dennoch abzeichnen, dass die skizzierten Maßnahmen nicht in ausreichendem Maße zielführend sein sollten, werde die DHBW eine Reduktion der Kosten des CAS - unter Abwägung der damit verbundenen Risiken - im notwendigen Umfang vornehmen.
Der durch den Rechnungshof vorgenommene Vergleich des CAS mit kleineren Hochschulen hinsichtlich der Ausstattung mit nichtwissenschaftlichem Personal erscheine der DHBW als wenig geeignet. Zum einen seien die Erwartungen der Studierenden an den „Service“ im studiengebührenfinanzierten Studienbetrieb des CAS deutlich höher als bei staatlich finanzierten Studienangeboten. Außerdem bestehe am CAS aufgrund der besonderen Herausforderungen eines berufsintegrierenden Studiums die Notwendigkeit einer intensiven kontinuierlichen Studienberatung während des gesamten Student-LifeCycle. Hinzu kämen die vergleichsweise höheren Aufwände des CAS für Marketing bzw. Vertrieb der gebührenfinanzierten Studiengänge. Das CAS werde aber keinesfalls Stellenbesetzungen vornehmen, die nicht auf Dauer über Gebühreneinnahmen finanzierbar sind.
Die Richtlinie der DHBW zur Vergabe von Leistungsbezügen nach § 9 Leistungsbezügeverordnung sei zwischenzeitlich durch das Wissenschaftsministerium auf Rechtmäßigkeit geprüft worden. In seinem Schreiben vom 7. Mai 2020 habe das Wissenschaftsministerium der DHBW mitgeteilt, dass es besoldungsrechtlich möglich ist, den Wissenschaftlichen Leitern des DHBW besondere Leistungsbezüge für besondere Leistungen in der Weiterbildung zu gewähren. Eine individuelle Leistungsbeurteilung für jeden als wissenschaftlichen Leiter tätigen Professor liege mittlerweile vor.
4.2 Wissenschaftsministerium
Das Wissenschaftsministerium macht geltend, die Empfehlungen des Rechnungshofs richteten sich überwiegend an die DHBW und fielen aufgrund der Hochschulautonomie zum Großteil in den Verantwortungsbereich der Hochschulleitung. Die Einflussmöglichkeiten des Ministeriums seien insoweit auf die Aufsichtsfunktion beschränkt.
Das Ministerium weist ausdrücklich darauf hin, dass es wichtig und sinnvoll sei, duale nicht-konsekutive Masterstudiengänge an der DHBW anzubieten.
Das Ministerium werde die Entwicklung dieser zentralen Einrichtung der DHBW und ihrer Studienanfängerzahlen weiterhin verfolgen, um gegebenenfalls rechtzeitig nachsteuern zu können. Die DHBW sei sich der Herausforderung bewusst, sicherzustellen, dass das CAS 2026 - nach Auslaufen der Förderung der Einrichtung durch die DSS - allein mit den erhobenen Entgelten kostendeckend betrieben werden könne. Sie nehme diese Aufgabe an und sei bestrebt, auch in den kommenden Jahren Maßnahmen zur Erhöhung der Studierendenzahlen zu ergreifen. Das Ministerium weist darauf hin, dass mit einer Studienanfängerzahl von 474 im Wintersemester 2019/20 das vom Rechnungshof skizzierte Szenario mit 500 Studienanfänger bereits jetzt nahezu erreicht sei.
Zur Frage der Vergabe von Leistungsbezügen für die wissenschaftlichen Leitungen der Masterstudiengänge habe das Ministerium die Rechtmäßigkeit der aktuellen Vergaberichtlinie jüngst nochmals bekräftigt.
Für das Ministerium sei nachvollziehbar, dass die DHBW Absenkungen der Lehrvergütung derzeit zurückhaltend gegenüberstehe. Dennoch teile es die Einschätzung des Rechnungshofs, dass die Hochschule überprüfen solle, ob sie sich diese im Landesvergleich sehr hohen Beträge dauerhaft leisten könne.
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Die Staatliche Hochschule für Gestaltung Karlsruhe ist über viele Jahre grundlegende Reformen nicht angegangen. Dies führte zu Vakanzen bei den Professuren, aufwendigen Berufungsverfahren und zurückgehenden Bewerber- und Studierendenzahlen. Um den Bestand der Hochschule weiterhin sicherzustellen, sollte der 2016 begonnene Weg der Professionalisierung der Administration verstetigt und eine inhaltliche Reform von Studium und Lehre verfolgt werden.
1 Ausgangslage
Die Staatliche Hochschule für Gestaltung Karlsruhe (HfG) wurde gemeinsam mit dem Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe (ZKM) Anfang der 1990er-Jahre gegründet. Sie nahm im April 1992 den Hochschulbetrieb auf. Hochschulrechtlich gehört sie wie die Kunstakademien in Stuttgart und Karlsruhe zu den Kunsthochschulen des Landes.
Die Gründungskonzeption sah vor, dass die beiden Einrichtungen miteinander kooperieren und sich gegenseitig ergänzen sollten. Die am ZKM arbeitenden Wissenschaftler und Künstler sollten an der HfG zur Lehre beitragen, die Hochschullehrer und Studierenden der HfG sollten an den Publikationen und Veranstaltungen des ZKM mitwirken. Beide Einrichtungen sind in einem gemeinsamen Gebäudekomplex in Karlsruhe untergebracht.
Das Studium an der HfG war von Anfang an interdisziplinär ausgerichtet. Die fünf Fachgruppen der HfG bieten folgende Studiengänge an:
- Medienkunst (Diplom),
- Produktdesign (Diplom),
- Kommunikationsdesign (Diplom),
- Ausstellungsdesign und Szenografie (Diplom) und
- Kunstwissenschaft und Medienphilosophie (Magister).
Auf dem Gebiet der Kunstwissenschaft, der Medientheorie oder der Philosophie kann auch promoviert werden.
Als eine von wenigen deutschen Hochschulen hat die HfG bis heute bewusst davon abgesehen, Bachelor- und Masterstudiengänge einzurichten. Mit 339 Studierenden im Jahr 2019 gehört die HfG zu den kleinsten Hochschulen in Baden-Württemberg.
Insgesamt verfügt die HfG heute über 59 Personalstellen, davon 19 Stellen für Professoren. Wie im Gründungskonzept vorgesehen ist die Mehrzahl der Professoren befristet beschäftigt. Nach Ablauf ihrer Amtszeit kehren sie regelmäßig in ihre frühere berufliche Tätigkeit zurück. Um ihren Bezug zur beruflichen Praxis erhalten zu können, ist ein Teil der Professoren mit einem Deputat von 50 bzw. 67 Prozent teilzeitbeschäftigt.
Die HfG finanziert sich weit überwiegend aus Haushaltsmitteln des Landes. Das jährliche Haushaltsvolumen beläuft sich auf rund 6 Mio. Euro.
Die Leitung der Hochschule obliegt dem Rektorat, das aus dem Rektor, mehreren Prorektoren und der Kanzlerin besteht.
Der Rechnungshof hat die HfG erstmals 2003 geprüft. 2019 hat der Rechnungshof die Haushalts- und Wirtschaftsführung der HfG erneut geprüft. Schwerpunkt der Prüfung waren die Haushaltsjahre 2014 bis 2018.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Struktur- und Entwicklungsplan
Jede Hochschule in Baden-Württemberg muss einen Struktur- und Entwicklungsplan beschließen, der des Einvernehmens des Wissenschaftsministeriums bedarf. Er bildet u. a. die Grundlage für die Ausschreibung der Professorenstellen und die fachliche Ausrichtung der Professuren. Der letzte Struktur- und Entwicklungsplan der HfG umfasste die Jahre 2013 bis 2017. Seither ist es der Hochschule nicht gelungen, einen neuen Struktur- und Entwicklungsplan aufzustellen. In der Folge musste die Ausschreibung jeder einzelnen Professur vom Wissenschaftsministerium genehmigt werden.
2.2 Personalstruktur
Die Personalstruktur der HfG ist suboptimal und weist Verbesserungspotenziale auf.
Die an der HfG von Anfang an in großem Umfang praktizierte befristete Besetzung von Professorenstellen hat sich aus Sicht des Rechnungshofs nicht bewährt.
Die Befristung verursacht einen hohen Mehraufwand, um neue Professoren einzuarbeiten. Zudem begrenzt sie das Interesse der befristet beschäftigten Professoren, sich in der akademischen Selbstverwaltung der Hochschule zu engagieren. Vor allem gegen Ende der Amtszeit dominiert regelmäßig das Interesse des Professors an seiner künftigen beruflichen Tätigkeit.
Der häufige personelle Wechsel beeinträchtigt zudem die an einer Hochschule notwendige Kontinuität.
Ähnlich nachteilig für die Hochschule wirken sich die Teilzeitprofessuren im Ergebnis aus. Zwar sorgen die umfangreichen Nebentätigkeiten der Teilzeitprofessoren für die erwünschte Verbindung von Lehre und künstlerischer Praxis, in vielen Fällen behindern die Nebentätigkeiten aber das notwendige Engagement des Professors an der Hochschule.
Weitere Verbesserungspotenziale sieht der Rechnungshof in der Organisationsstruktur der HfG. Bei nur 19 Professorenstellen, die in der Vergangenheit zum Teil jahrelang nicht besetzt waren, ist eine Gliederung in fünf Fachbereiche unangemessen und verursacht vermeidbaren Aufwand.
2.3 Haushalts- und Wirtschaftsführung
Die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung ergab Beanstandungen in folgenden Bereichen:
- Die HfG vereinbarte im Prüfungszeitraum eine beachtliche Zahl von Werk- und Honorarverträgen, ohne die rechtliche Zulässigkeit ausreichend zu prüfen.
- Zu einzelnen Beschaffungsvorgängen aus der Zeit bis 2016 konnte die HfG nicht nachweisen, dass sie die geltenden haushalts- und vergaberechtlichen Regelungen beachtet hat.
- Der Vergaberahmen für Leistungsbezüge der Professoren ist überdimensioniert. Der maßgebliche jährliche Besoldungsdurchschnitt pro HfG-Professur liegt um 2.800 Euro über dem vom Finanzministerium für die anderen Kunsthochschulen festgesetzten Wert. Die Überdimensionierung zeigt sich auch daran, dass die Ausgabereste in diesem Bereich seit mehreren Jahren permanent anwachsen.
- In einem Einzelfall gewährte die HfG einem angestellten Professor ohne Rechtsgrund eine umfangreiche Leistungsprämie.
Im Rahmen der Prüfung hat sich allerdings auch gezeigt, dass sich die Professionalität der Verwaltung der HfG seit 2016 zunehmend verbessert hat.
2.4 Drittmittel
Die Drittmitteleinnahmen der HfG sind von 550.000 Euro im Jahr 2014 auf 75.000 Euro im Jahr 2018 gesunken. Um diesem Trend entgegenzuwirken, hat die Hochschule 2018 einen auf die Einwerbung von Drittmitteln spezialisierten Referenten eingestellt. Dies hat dazu beigetragen, dass es zunehmend gelingt, neue Projekte einzuwerben.
2.5 Studium und Lehre
In der nachfolgenden Tabelle ist die Zahl der Studierenden in den einzelnen Studiengängen und der Promotionsstudierenden vom Wintersemester 2014/2015 bis zum Wintersemester 2018/2019 dargestellt.
In allen Studiengängen geht die Zahl der Studierenden zurück. Ebenfalls rückläufig ist die Zahl der Studienbewerber. Lagen für das Wintersemester 2014/2015 noch 283 Bewerbungen vor, so verringerte sich ihre Zahl zum Wintersemester 2018/2019 auf 162. Im Wintersemester 2019/2020 war ein Anstieg auf 230 Bewerbungen zu verzeichnen.
Die durchschnittliche Studiendauer ist im Prüfungszeitraum weiter gewachsen. Sie beträgt im akademischen Jahr 2017/2018 in den Diplomstudiengängen zwischen 14,2 und 18,6 Semester und im Magisterstudiengang 16,4 Semester. Die Studiendauer liegt damit weit über der Regelstudienzeit von 9 Semestern und dem bundesweiten Durchschnitt.
2018 hat die HfG begonnen, diesen langen Studiendauern entgegenzuwirken. In alle Prüfungsordnungen wurde eine verbindliche Höchststudiendauer von 14 Semestern aufgenommen. Diese Maßnahme ergänzt die HfG durch eine verstärkte Beratung der Studierenden in höheren Semestern mit dem Ziel, diese zu einem raschen Studienabschluss zu bewegen.
Dem Rektorat der HfG liegen keine validen Erkenntnisse darüber vor, welche beruflichen Tätigkeiten die Absolventen nach Abschluss des Studiums ausüben. Eine systematische Alumni-Befragung hatte der Rechnungshof bereits 2003 angeregt; sie hat bis heute nicht stattgefunden.
Bis zum Wintersemester 2015/2016 wurden nur vereinzelt Nachweise über die Erfüllung der Lehrverpflichtung geführt. Mittlerweile wurde das Verfahren geändert, weist jedoch immer noch Lücken auf.
2.6 Kooperation mit dem Zentrum für Kunst und Medien
Obwohl schon die Gründungskonzeption eine enge Kooperation mit dem ZKM vorsah, ist die Zusammenarbeit immer noch unzureichend und holprig. Positiv auswirken könnte sich, dass ein Vorstandsmitglied des ZKM seit 2016 gleichzeitig Vorsitzende des Hochschulrats der HfG ist.
3 Empfehlungen
3.1 Neuen Struktur- und Entwicklungsplan erarbeiten
Im Dezember 2019 hat der neue Rektor der HfG sein Amt angetreten. Eine vordringliche Aufgabe ist nun die Erarbeitung eines neuen Struktur- und Entwicklungsplans, der die Basis grundlegender Reformen und der inhaltlichen Neuausrichtung der HfG bilden soll.
3.2 Personal- und Organisationsstruktur verändern
Um die Kontinuität innerhalb der HfG zu stärken, sollten in größerem Umfang befristete Professuren in Dauerprofessuren umgewandelt werden.
Soweit Professoren ausnahmsweise in Teilzeit beschäftigt werden, halten wir einen Beschäftigungsumfang von mindestens zwei Dritteln für notwendig.
Die HfG sollte ihre bisher fünf Fachgruppen zu zwei Fachgruppen zusammenfassen.
3.3 Haushalts- und Wirtschaftsführung optimieren
Der Rechnungshof empfiehlt der HfG, die festgestellten Mängel in der Haushalts- und Wirtschaftsführung insbesondere bei der Personalwirtschaft zu beheben. Das Wissenschaftsministerium sollte den Besoldungsdurchschnitt der HfG und damit den Vergaberahmen an die vom Finanzministerium definierten Vorgaben anpassen.
3.4 Drittmitteleinnahmen erhöhen
Die HfG sollte künftig wieder mehr Drittmittel einwerben.
3.5 Studium und Lehre weiterentwickeln
Der Rechnungshof empfiehlt der HfG,
- die geplanten Maßnahmen zur Verringerung der Studiendauer konsequent umzusetzen und den beruflichen Werdegang ihrer Absolventen systematisch zu erheben,
- das Studierendenmarketing zu verbessern und die Sichtbarkeit der HfG im öffentlichen Raum zu erhöhen, um mehr Studienanfänger zu gewinnen,
- die Umstellung der Studiengänge auf Bachelor- und Masterstudienabschlüsse zu prüfen, da sich Diplom- und Magisterabschlüsse ebenfalls als Hindernis bei der Gewinnung neuer Studierender erwiesen haben,
- im Interesse eines umfassenden Lehrangebots künftig die Einhaltung der Lehrverpflichtungsverordnung sicherzustellen.
3.6 Kooperation mit dem Zentrum für Kunst und Medien verstärken
Der Rechnungshof empfiehlt, die Kooperation mit dem ZKM weiter zu stärken, die bestehende Rahmenvereinbarung zu überarbeiten und die Einrichtung gemeinsamer Professuren zu prüfen.
3.7 Durch Fusion die Zukunftsfähigkeit der Hochschule für Gestaltung sichern
Sollte es der Führung der HfG nicht gelingen, durch zügige Reformen die Zukunftsfähigkeit der Hochschule zu sichern und eine hinreichend große Nachfrage nach Studienplätzen zu generieren, kann die HfG als eigenständige Hochschule nicht bestehen bleiben. Für diesen Fall empfiehlt der Rechnungshof, die HfG mit ihren Professuren als weitere Fakultät in die Hochschule für angewandte Wissenschaften in Karlsruhe zu integrieren. Dort wäre ein professionelles Studierendenmarketing und eine praxisnahe Ausgestaltung der Studiengänge möglich.
4 Stellungnahmen
4.1 Hochschule für Gestaltung
Rektor und Kanzlerin der HfG haben dargelegt, wie die Beanstandungen des Rechnungshofs behoben und die aufgezeigten Verbesserungspotenziale für die Weiterentwicklung der HfG genutzt werden sollen.
Die HfG bilde „Kunst- und Kulturschaffende" von morgen aus, die den jetzigen und kommenden Diskurs über Kunst und Design mitbestimmen und ihre Rolle in den Demokratien und Ökonomien der Zukunft kritisch hinterfragen.
Seit dem Amtsantritt des neuen Rektors im Dezember 2019 befinde sich die HfG in einem tiefgreifenden Prozess mit dem Ziel, über die Struktur- und Entwicklungsplanung ihr Profil, ihr Curriculum und die zugehörigen Strukturen neu auszurichten. Gemeinsam mit dem ZKM und dem Ministerium werde die HfG in die Zukunft geführt, noch mehr gegenüber internationalen Partnern, Stadt und Land geöffnet und als eine herausragende Hochschule im europäischen Kontext verankert. Das ZKM fungiere dabei als besonderer Partner und die Zusammenarbeit werde als zentraler Punkt in den Erneuerungsbestrebungen verankert.
Elementarer Bestandteil des Struktur- und Entwicklungsplans sei das Professurkonzept, das sowohl dem Ziel der Stabilität als auch dem Ziel einer angemessenen Dynamik durch personelle Rotation zwecks stetiger inhaltlicher Bereicherung und Erneuerung entspreche. Die ersten Berufungsverfahren seien gestartet worden, um schnellstmöglich unbefristete Professuren zu besetzen.
Die interne Struktur der HfG werde im Zuge der Erneuerung geprüft und überarbeitet. Sie entwickle sich entsprechend der neuen inhaltlichen und curricularen Ausrichtung sowie dem zukunftsorientierten Profil weiter. Die Verwaltung verstehe sich als Service-Einheit, die die Bedürfnisse aus Studium und Lehre mit rechtlichen Vorgaben verzahne, weiterentwickele und für die Hochschule und ihre Mitglieder anwende.
Die HfG arbeite weiter intensiv daran, die Bewerber- und Immatrikulationszahlen zu steigern. Mit dem neuen Online-Bewerbungs- und Zulassungsverfahren sei der Aufwärtstrend aus dem Jahr 2019 fortgesetzt worden. 475 Bewerbungen, die bis zum 15. Mai 2020 eingegangen sind, seien Ausweis dieser positiven Entwicklung.
4.2 Wissenschaftsministerium
Das Wissenschaftsministerium teilt die Auffassung des Rechnungshofs, wonach die HfG angesichts der Erfahrungen der letzten Jahre weiterentwickelt werden müsse. Hierzu habe das Ministerium der HfG bereits 2018 konkrete Erwartungen an die weitere Entwicklung und die anstehende Struktur- und Entwicklungsplanung übermittelt.
Die nun vom Rechnungshof übermittelten Empfehlungen zur Personal- und Organisationsstruktur sowie zur Kooperation mit dem ZKM stimmten mit diesen in wesentlichen Punkten überein. Die Empfehlungen des Rechnungshofs zu diesen Bereichen würden daher vom Ministerium grundsätzlich mitgetragen, bezüglich der Personalstruktur allerdings mit der Einschränkung, dass hier nur eine sinnvolle Reduzierung der Zahl der Zeitprofessuren, nicht aber deren vollständige Aufgabe befürwortet werde.
Das Ministerium teilt ferner die Ansicht des Rechnungshofs, dass die bisher durch mehrfachen Wechsel bzw. Vakanzen im Rektorat erschwerte Verabschiedung eines neuen Struktur- und Entwicklungsplans als vordringlich anzusehen ist. Aktuell arbeite die HfG unter dem neuen Rektor mit Nachdruck an einem neuen Struktur- und Entwicklungsplan - die zuständigen Gremien hätten hierfür zusätzliche Sitzungstermine vorgesehen.
Bereits seit 2018 habe die HfG unbeschadet der noch ausstehenden Struktur- und Entwicklungsplanung wichtige Maßnahmen zur Weiterentwicklung eingeleitet. Zu nennen seien etwa die verbindliche Begrenzung der Höchststudiendauer auf 14 Semester, die Verstärkung der Anstrengungen im Bereich der Drittmitteleinwerbung und des Studierendenmarketings sowie die Straffung der internen Verfahrensabläufe. Insbesondere sei es der HfG in den letzten Jahren gelungen, die Professionalität ihrer Verwaltung deutlich zu verbessern: Die festgestellten Mängel in der Haushaltsführung seien bereits vor der Prüfung des Rechnungshofs überwiegend abgestellt gewesen.
Die Ansicht des Rechnungshofs, die Diplom- und Magisterabschlüsse seien ein Hindernis bei der Gewinnung neuer Studierender, wird vom Ministerium nicht geteilt. Es weist darauf hin, dass die übrigen Kunsthochschulen des Landes bei ihren Kunst- und Designstudiengängen am Diplomabschluss festhielten.
Ebenfalls nicht geteilt wird die Ansicht des Rechnungshofs, wonach die Eingliederung der HfG in die Hochschule für angewandte Wissenschaften in Karlsruhe eine erwägenswerte Alternative zur Weiterentwicklung der HfG darstelle. Mit der Eingliederung würde die HfG ihren „Markenkern“ verlieren, wie er bei ihrer Gründung zum Ausdruck kam. Der damit ebenfalls verbundene Verlust des Promotions- und des Habilitationsrechts würde zudem dazu führen, dass die HfG auch als Kooperationspartner für das ZKM an Attraktivität einbüßen würde.
Das Ministerium werde im Rahmen der Festlegung der Besoldungsdurchschnitte für das Jahr 2021 eine Anpassung des Vergaberahmens der HfG prüfen.
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