Denkschrift 2018
1. Die anhaltend gute Entwicklung der Wirtschaft führt in Baden-Württemberg weiterhin zu einer Entlastung des Landeshaushalts. Die stabile wirtschaftliche Entwicklung und die hohe Beschäftigung schlagen sich in hohen Steuereinnahmen nieder.
So stiegen die Bruttosteuereinnahmen des Landes im letzten Jahr erneut überdurchschnittlich um 4,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Mai-Steuerschätzung 2018 ergab für das Jahr 2018 ein Plus an Steuereinnahmen von rund 618 Mio. Euro, für 2019 gehen die Steuerschätzer von rund 748 Mio. Euro mehr aus, als im Haushalt veranschlagt wurde. Insgesamt stehen dem Landeshaushalt nach der Prognose der Steuerschätzung in den nächsten zwei Jahren 1,37 Mrd. Euro mehr zur Verfügung.
2. Wie bereits in den Jahren 2015 und 2016 konnte das Land auch im Jahr 2017 auf eine Nettokreditaufnahme verzichten. Mit 2,11 Mrd. Euro wies der Haushalt erneut einen hohen positiven Finanzierungssaldo aus.
Konsolidierung bleibt jedoch die finanzpolitische Daueraufgabe auch der nächsten Jahre. Die aktuell positive Haushaltslage darf nicht dazu verleiten, auf eine Haushaltskonsolidierung zu verzichten. Das Land muss ab 2020 zur Einhaltung der Schuldenbremse einen strukturell ausgeglichenen Landeshaushalt dauerhaft sicherstellen. Deshalb müssen die derzeit guten Voraussetzungen genutzt werden, um hierbei einen großen Schritt voranzukommen. Das Land drückt immer noch eine Schuldenlast in Höhe von 47 Mrd. Euro. Der Rechnungshof begrüßt deshalb, dass die Landesregierung 2018 und 2019 erstmals in nennenswertem Umfang in die Tilgung der Kreditmarktschulden einsteigen möchte. Allerdings beobachtet der Rechnungshof mit Sorge, dass die aktive Haushaltskonsolidierung in den letzten Jahren wieder in den Hintergrund getreten ist. Frühere Einsparmaßnahmen wurden wieder zurückgenommen. In den letzten Jahren ist zudem ein deutlicher Stellenzuwachs festzustellen, der den Landeshaushalt langfristig mit Verpflichtungen bindet, während bei schlechter Konjunktur der Personalbestand kurzfristig kaum reduziert werden kann. Bei einem Personalkostenanteil von rund 40 Prozent, wenn man die Landesbetriebe hinzunimmt, wird die Landesregierung das Thema Stellenabbau in der gesamten Landesverwaltung nicht aus dem Blick nehmen können, wenn sie dauerhaft eine Haushaltssanierung erreichen möchte. Man wird den Landeshaushalt auch nicht allein mit punktuellen Sparrunden bei den Beamten und einer zurückhaltenden Tarifpolitik sanieren können. Hier setzen das Verfassungsrecht und der sich wandelnde Arbeitsmarkt Grenzen. Langfristig gilt nach wie vor: nicht am Personal sparen, sondern Personal sparen.
Der Forderung nach Stelleneinsparungen kann auch nicht durch bloße Arbeitsverdichtung begegnet werden. Wo durch organisatorische Maßnahmen keine Personalressourcen gewonnen werden können, ist eine Aufgabenkritik notwendig, die nicht nur das „Wie“, sondern auch das „Ob“ einer Aufgabe hinterfragt.
3. Ein breites Feld für Aufgabenkritik bietet die Förderpolitik des Landes. Ihr Gesamtvolumen liegt bei rund 5,9 Mrd. Euro. Davon kann das Land einen großen Teil selbst beeinflussen und gestalten: 2016 betraf dies ein Volumen von rund 1 Mrd. Euro. Hier gilt es fortwährend zu fragen, welche Wirkungen die Programme erzielen, wo ein Mehrwert oder Zusatznutzen geschaffen wird und wie bloße Mitnahmeeffekte vermieden werden können. Förderprogramme sollten daher generell befristet werden, um ihre Zielsetzung und -erreichung regelmäßig auf den Prüfstand zu stellen.
Die vorliegende Denkschrift bietet mit dem Beitrag „Zuschüsse für den Einsatz und die Weiterbildung von Dorfhelferinnen und Betriebshelfern/Betriebshelferinnen“ dafür ein anschauliches Beispiel.
4. Das Land hat auch 2017 mit rund 2,78 Mrd. Euro einen hohen Beitrag zum Länderfinanzausgleich erbringen müssen. Bund und Länder haben am 14. Oktober 2016 in Berlin die Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab 2020 beschlossen. Das Ergebnis der Neuregelung ist für Baden-Württemberg positiv. Der Finanzausgleich ist aber auch für die föderale Struktur im Bundesstaat von erheblicher Bedeutung. Vor allem die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche zwischen Bund und Länder hat sich durch die Einigung eher verschlechtert. Hier hätte man sich mehr Klarheit und eine bessere Finanzausstattung der Länder gewünscht anstatt einer Ausweitung von Sonderzuweisungen des Bundes in einzelnen Bereichen.
Auch der Bund selber macht deutlich, dass die Finanzausstattung der Länder derzeit nicht auskömmlich ist, indem er beispielsweise Finanzhilfen in Milliardenhöhe den Ländern in deren originären Kernbereichen der Bildungspolitik gegen Lockerung des sogenannten Kooperationsverbotes anbietet. Es geht um 3,5 Mrd. Euro für die Kommunen zur Digitalisierung der Schulen bis zum Ende der Legislaturperiode, um insgesamt fünf Milliarden Euro für fünf Jahre. Der aktuelle Referentenentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Grundgesetzes sieht Finanzhilfen des Bundes an die Länder vor, insbesondere zur Gewährleistung eines flächendeckenden Ganztagsschul- und Betreuungsangebotes sowie zur Bewältigung der Anforderungen der Digitalisierung an die Ausstattung und Vernetzung der allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen. Nach dem Gesetzentwurf sollen die Hilfen allen Kommunen und nicht mehr nur „finanzschwachen Kommunen“ zufließen. Die Schüler und Lehrer in den Schulen benötigen die digitalen Lernmethoden dringender denn je. Deshalb wäre es konsequent, den Umsatzsteueranteil der Länder zu erhöhen und deren Finanzausstattung dauerhaft zu stärken, damit sie auch dauerhaft die ihnen nach dem Grundgesetz obliegenden Aufgaben eigenständig wahrnehmen können.
5. Der Auftrag des Rechnungshofs ist es, die Ordnungsmäßigkeit der öffentlichen Finanzen zu prüfen und dem Landtag für die Entlastung der Landesregierung zu berichten. Dem dient die vorliegende Denkschrift. Der Rechnungshof leistet mit seinen Denkschriften aber weit mehr. Mit seiner breit gefächerten Prüfungstätigkeit unterstützt und fördert er ein wirtschaftliches Verhalten in allen Bereichen der Landesverwaltung. Dies erfordert, dass er seine Aufgabe umfassend versteht: Dazu gehören u. a. Organisations- und Strukturfragen, die Gestaltung von Verfahrensabläufen, die Bemessung von Personalbedarfen, Unterstützung durch IT, die Auftragsvergabe der öffentlichen Hand, Themen der Infrastruktur einschließlich des Investitions- und Erneuerungsbedarfs. Die Denkschrift bildet dieses Aufgabenspektrum exemplarisch ab. Der Rechnungshof sagt, was die Maßnahmen kosten. Er kann der Politik die Entscheidung nicht abnehmen, liefert ihr aber einen sachkundigen und fachkundigen Beitrag zur Entscheidungsfindung - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Die Tragfähigkeit und Nachhaltigkeit des Haushalts ist dabei die zentrale Perspektive des Rechnungshofs.
Neben der Prüfung der Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit des Verwaltungshandelns wird der Rechnungshof immer mehr beratend tätig. Die Beratung bildet heute bereits einen Schwerpunkt unserer Arbeit. Jüngste Beispiele dafür sind unsere Beratenden Äußerungen zur Flüchtlingsaufnahme in Baden-Württemberg und zur Stiftung Naturschutzfonds sowie das vor wenigen Wochen der Landesregierung zur Verfügung gestellte Gutachten zu Fragen der Ressourcensteuerung und zu Möglichkeiten zur Konsolidierung im Lehrkräftebereich. In diesen Beiträgen findet sich eine Vielzahl an Empfehlungen für notwendige organisatorische und strukturelle Veränderungen im Bereich des Verwaltungshandelns des Landes.
Der Rechnungshof betrachtet in seiner Arbeit nicht nur abgeschlossene Vorgänge, sondern prüft auch projektbegleitend, hier vor allem Baumaßnahmen des Landes mit großem finanziellen Volumen und hohem Kostenrisiko. Beim Neubau des Besucher- und Informationszentrums im Nationalpark Schwarzwald haben wir frühzeitig prognostiziert, dass die zunächst ermittelten Kosten bei weitem nicht ausreichen werden. Zum Neubau der Justizvollzugsanstalt Rottweil haben wir dem Landtag einen Sonderbericht vorgelegt. Wir haben u. a. festgestellt, dass das vorgesehene Baugrundstück aufgrund seiner Lage, Topografie und geologischen Eigenschaften zu einem erheblichen Mehraufwand führt.
6. Die Empfehlungen und Anmerkungen des Rechnungshofs stießen auch im letzten Jahr beim Landtag, seinen Fraktionen und der Landesregierung als auch in der Öffentlichkeit auf ein reges Interesse. Insbesondere im Ausschuss für Finanzen erfahren unsere Beiträge eine sachkundige und intensive Behandlung. Mit den Behörden des Landes verbindet die staatlichen Finanzkontrolle Baden-Württemberg eine direkte und vertrauensvolle Zusammenarbeit, die sich unter anderem darin zeigt, dass manche unserer Anregungen seitens der Verwaltung noch während der Prüfung aufgenommen und umgesetzt worden sind. Diesen Weg des konstruktiven Miteinanders wollen der Rechnungshof, die Staatlichen Rechnungsprüfungsämter und unsere Prüferinnen und Prüfer weiter fortsetzen.
Anhänge
Die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes war 2016 geordnet. Die geprüften Einnahmen und Ausgaben waren im Wesentlichen ordnungsgemäß belegt. Die für die Haushalts- und Wirtschaftsführung geltenden Vorschriften wurden weitgehend eingehalten. Das rechnungsmäßige Jahresergebnis weist einen Überschuss von 2,8 Mrd. Euro aus. Die in das Folgejahr übertragenen Ausgabereste stiegen um 0,7 Mrd. Euro auf 3,4 Mrd. Euro.
1 Haushalts-Soll und Haushalts-Ist 2016
Der Haushaltsrechnung des Landes für das Haushaltsjahr 2016 liegt das Gesetz über die Feststellung des Staatshaushaltsplans von Baden-Württemberg für die Haushaltsjahre 2015/2016 (Staatshaushaltsgesetz 2015/2016 - StHG 2015/2016) vom 17. Dezember 2014, geändert durch den Nachtrag vom 5. Mai 2015, geändert durch den Zweiten Nachtrag vom 15. Dezember 2015 und geändert durch den Dritten Nachtrag zum Staatshaushaltsplan 2016 vom 29. Juli 2016 zugrunde. Danach wurde der Staatshaushaltsplan für 2016 in Einnahme und Ausgabe auf 46.847.196.800 Euro festgestellt. Im Vergleich zu 2015 nahm das Haushaltsvolumen im Soll um 2.467.061.300 Euro (+5,6 Prozent) zu.
Das Haushalts-Soll für 2016 errechnet sich aus dem mit dem Staatshaushaltsplan 2016 beschlossenen Haushaltsbetrag zuzüglich der aus dem Vorjahr übertragenen Einnahme- und Ausgabereste. Es betrug bei den Einnahmen 48.427 Mio. Euro und bei den Ausgaben 49.518 Mio. Euro.
Die Ist-Einnahmen des Landes 2016 betrugen 51.332 Mio. Euro. Die Ist-Ausgaben beliefen sich auf 47.794 Mio. Euro. Einschließlich der in das folgende Haushaltsjahr 2017 übertragenen Einnahme- und Ausgabereste sowie der Vorgriffe auf 2017 betrug das Rechnungsergebnis 52.871 Mio. Euro bei den Einnahmen und 51.198 Mio. Euro bei den Ausgaben. Aus den Salden ergab sich 2016 ein rechnungsmäßiges Jahresergebnis von +2.764 Mio. Euro (= rechnungsmäßiger Überschuss). Einschließlich der nicht verbrauchten Überschüsse der Vorjahre betrug das rechnungsmäßige Gesamtergebnis zum 31.12.2016 +3.781 Mio. Euro.
Wie sich die Mehreinnahmen und die Mehrausgaben aus den Teilergebnissen der Einzelpläne errechnen, ist in der Landeshaushaltsrechnung 2016 dargestellt.
2 Haushaltsrechnung 2016
Die Ministerin für Finanzen legte dem Landtag am 14. Dezember 2017 (Landtagsdrucksache 16/3316) die Haushaltsrechnung des Landes Baden-Württemberg für das Haushaltsjahr 2016 vor. Diese dient gemäß Artikel 83 Absatz 1 der Landesverfassung und § 114 Absatz 1 Satz 1 der Landeshaushaltsordnung als Grundlage, um die Landesregierung zu entlasten.
2.1 Gestaltung
Die Haushaltsrechnung ist entsprechend den Vorgaben (§§ 81 bis 85 Landeshaushaltsordnung) gestaltet und enthält alle vorgeschriebenen Abschlüsse, Erläuterungen und Übersichten, um die bestimmungsgemäße Ausführung des Staatshaushaltsplans nachzuweisen.
Der kassenmäßige Abschluss und der Haushaltsabschluss sind entsprechend § 84 Landeshaushaltsordnung in einem Abschlussbericht mit verschiedenen Zusammenstellungen in der Haushaltsrechnung erläutert. Die in § 85 Absatz 1 Landeshaushaltsordnung genannten Übersichten sind beigefügt.
2.2 Ergebnisse der Haushaltsrechnung
Das rechnungsmäßige Jahresergebnis ergibt sich aus dem kassenmäßigen Jahresergebnis (Saldo aus Ist-Einnahmen und Ist-Ausgaben) abzüglich des Saldos der aus dem Vorjahr (2015) übertragenen Haushaltsreste und der in das Folgejahr (2017) übernommenen Haushaltsreste.
Der Landeshaushalt 2016 hat mit einem kassenmäßigen Jahresergebnis von 3.538.182.849,30 Euro (= kassenmäßiger Überschuss) abgeschlossen. Dies sind 1.897 Mio. Euro (+115,5 Prozent) mehr als im Haushaltsjahr 2015.
In Tabelle 3 werden die Soll- und Ist-Werte 2016 untergliedert nach Hauptgruppen dargestellt.
Das Land hat 2016 erneut in großem Umfang Einnahme- und Ausgabereste gebildet.
2016 sind die nicht durch Einnahmereste gedeckten Ausgabereste deutlich angestiegen. Der Unterschiedsbetrag der aus dem Vorjahr übernommenen und in das Folgejahr übertragenen Reste hat sich auf 774 Mio. Euro erhöht.
Das rechnungsmäßige Jahresergebnis ergibt sich aus dem kassenmäßigen Jahresergebnis, ergänzt um den Unterschiedsbetrag der Salden der Reste.
Unter Berücksichtigung der aus dem Vorjahr übertragenen Haushaltsreste und der Haushaltsreste, die in das Folgejahr übertragen wurden, ergibt sich 2016 ein rechnungsmäßiges Jahresergebnis von 2.764.177.245,17 Euro.
Zum 31. Dezember 2016 betrug das rechnungsmäßige Gesamtergebnis, in welches bis dahin noch nicht veranschlagte Überschüsse aus Vorjahren einfließen, 3.781.258.693,38 Euro.
3 Feststellungen des Rechnungshofs nach § 97 Absatz 2 Nrn. 1 und 2 Landeshaushaltsordnung
3.1 Ordnungsmäßigkeit der Haushaltsrechnung
Der Rechnungshof hat die Ordnungsmäßigkeit der Haushaltsrechnung des Landes für das Haushaltsjahr 2016 mit Unterstützung der Staatlichen Rechnungsprüfungsämter in Stichproben geprüft.
Um die Ordnungsmäßigkeit der Haushaltsrechnung beurteilen zu können, führte die Finanzkontrolle - neben allgemeinen Prüfungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung - eine gesonderte Prüfung zu wesentlichen Bereichen nach einem Stichprobenverfahren durch. Die gewählte mathematisch-statistische Methode zur Auswahl der Stichprobe lässt über die untersuchten Einzelfälle hinaus mit hoher Wahrscheinlichkeit Schlüsse auf die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung in den einbezogenen Bereichen zu.
Die Finanzkontrolle gab zudem in ihren allgemeinen Prüfungsmitteilungen zahlreiche Hinweise zur Haushalts- und Wirtschaftsführung.
Beispielsweise wurden bei den Finanzämtern 3.373 risikoorientiert ausgewählte Einkommensteuerfälle geprüft. Davon wurden 1.783 Fälle (52,8 Prozent) beanstandet. Aus allen geprüften Bereichen der Finanzämter ergab sich bisher ein Fehlervolumen von knapp 17,5 Mio. Euro.
Beim Landesamt für Besoldung und Versorgung hat die Finanzkontrolle in den Bereichen Entgelt für Arbeitnehmer, Beamtenbesoldung und -versorgung risikoorientiert 11.149 Zahlfälle untersucht. Durch diese Prüfungen konnten 1,0 Mio. Euro an unberechtigten Zahlungen zurückgefordert und künftige Fehlzahlungen vermieden werden. Im Gegenzug wurden berechtigte Ansprüche von Bediensteten von 0,4 Mio. Euro erfüllt. Zudem wurden 4.090 Beihilfebescheide überprüft. Dies führte zu Beihilfekürzungen von 0,7 Mio. Euro und zu 0,2 Mio. Euro zusätzlich zu gewährender Beihilfe. Die Fehler bewegen sich summarisch im langjährigen Mittel. Neben diesen Prüfungen wurden in Sachverhalten mit Versorgungslastenteilung bei Dienstherrenwechsel Ansprüche des Landes auf Zahlung von 4,8 Mio. Euro festgestellt, die in der Zwischenzeit vollständig erstattet wurden.
Die in der Haushaltsrechnung aufgeführten Einnahmen und Ausgaben stimmen mit den in den Rechnungslegungsbüchern nachgewiesenen Beträgen überein. In den geprüften Bereichen sind nur wenige Einnahmen und Ausgaben festgestellt worden, die nicht ordnungsgemäß belegt waren. Die Vorgaben des Staatshaushaltsplans, der Haushaltssystematik und des Haushaltsrechts wurden im Wesentlichen eingehalten. Die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes war 2016 geordnet.
3.2 Überplanmäßige und außerplanmäßige Ausgaben
Über- und außerplanmäßige Ausgaben bedürfen der Einwilligung des Ministeriums für Finanzen. Sie darf nur im Fall eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses erteilt werden.
Die Fälle, in denen über- und außerplanmäßige Ausgaben getätigt wurden, sind in der Haushaltsrechnung einzeln nachgewiesen. Die vom Ministerium für Finanzen bewilligten Abweichungen von den Stellenübersichten sind ebenfalls dargestellt. Geleistete über- und außerplanmäßige Ausgaben sind dem Landtag ab einem Betrag von 100.000 Euro im Einzelfall mitzuteilen. Das Ministerium für Finanzen hat dem Landtag hierüber mit Schreiben vom 28. September 2017 berichtet (Landtagsdrucksache 16/2773).
In 2016 gab es insgesamt 115 über- und außerplanmäßige Ausgaben mit einem Gesamtvolumen von 64,4 Mio. Euro.
Einzelfälle größeren Umfangs waren:
- 6,6 Mio. Euro (Haushaltsvorgriff) wegen bereits bewilligter, aber noch nicht eingegangener Zuschüsse des Europäischen Sozialfonds.
- 6,1 Mio. Euro für Leistungen im Zusammenhang mit der Heilfürsorge für die Polizei.
- 5,6 Mio. Euro für einen Mehrbedarf bei der Ausbildungsförderung.
- 4,2 Mio. Euro für die Aufnahme der Förderung von Kleinstunternehmen in die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“.
In insgesamt 87 der 115 Fälle (76 Prozent) hat das Ministerium für Finanzen vorab in die über- und außerplanmäßigen Ausgaben eingewilligt.
In 28 Fällen (24 Prozent) lag die Einwilligung nicht vor. Die Summe dieser Haushaltsüberschreitungen beträgt 18,7 Mio. Euro. Davon wurde in neun Fällen mit zusammen 12,6 Mio. Euro die sachliche Notwendigkeit der Mehrausgaben nachträglich vom Ministerium für Finanzen bestätigt.
4 Globale Minderausgaben
Globale Minderausgaben sind im Staatshaushaltsplan negativ veranschlagte Ausgaben, die im Haushaltsvollzug auszugleichen sind. Sie sind eine pauschale Einsparverpflichtung für die einzelnen Ressorts und stellen eine Ausnahme vom Prinzip der Einzelveranschlagung dar.
Im Vollzug des Staatshaushaltsplans 2016 waren bei den Sachausgaben globale Minderausgaben von 196 Mio. Euro zu erbringen. Diese Einsparverpflichtungen wurden von den Ressorts erfüllt. Die globalen Minderausgaben entsprachen 2016 damit 0,6 Prozent der Sachausgaben. Im Vergleich zum Vorjahr erhöhten sich die globalen Minderausgaben um 54 Mio. Euro. Der Anteil der globalen Minderausgaben an den Sachausgaben betrug 2015 0,5 Prozent.
5 Druck- und Darstellungsfehler
Der Rechnungshof hat bei der Gesamtrechnungsprüfung der Haushaltsrechnung keine wesentlichen Druck- und Darstellungsfehler festgestellt.
6 Haushaltsreste
6.1 Haushaltsreste 2015 und 2016 nach Ausgabearten
Die Haushaltsrechnung des Landes Baden-Württemberg 2016 weist zur Übertragung in das Haushaltsjahr 2017 folgende Reste aus:
Die in das Folgejahr zu übertragenden Ausgabereste sind 2016 - bei nahezu gleichbleibenden Einnahmeresten - gegenüber dem Vorjahr deutlich um 734 Mio. Euro gestiegen. Der Gesamtbetrag der Ausgabereste von 3,4 Mrd. Euro entspricht 7,3 Prozent des für 2016 beschlossenen Ausgabevolumens.
Tabelle 6 zeigt die in 2015 und 2016 gebildeten Ausgabereste, unterteilt nach Ausgabearten.
Wie schon 2015 sind die Ausgabereste für Investitionen auch 2016 auf sehr hohem Niveau.
6.2 Verteilung der Ausgabereste 2016
2016 wurden Ausgabereste von 3,4 Mrd. Euro in das Folgejahr übertragen. Dies entspricht über alle Einzelpläne hinweg einem durchschnittlichen Wert von 7,3 Prozent des Haushalts-Solls. Tabelle 7 stellt die Verteilung der Ausgabereste 2016 in das Verhältnis zum Haushalts-Soll der Einzelpläne.
Abbildung 1 zeigt, auf welcher rechtlichen Grundlage die Ausgabereste 2016 gebildet wurden.
Mit 863 Mio. Euro stellen die von dritter Seite zugewendeten Mittel sowie Landesmittel zur Kofinanzierung 25 Prozent aller in 2016 gebildeten Ausgabereste dar. Auf den für das Land verbindlich einzuhaltenden Hochschulfinanzierungsvertrag und ähnliche Vereinbarungen entfallen 734 Mio. Euro und damit 22 Prozent der Ausgabereste. Mit 699 Mio. Euro sind weitere 21 Prozent der Reste gesetzlich zweckgebunden. Insbesondere werden darunter Mittel für den Länderfinanzausgleich, den Kommunalen Finanzausgleich sowie für den Kommunalen Investitionsfonds subsumiert. Zur Einhaltung bestehender vertraglicher und durch Bewilligungsbescheide begründeter Verpflichtungen hat das Land 682 Mio. Euro an Ausgaberesten gebildet (20 Prozent). Die Flexibilisierungsregelungen zur Personal- und Sachausgabenbudgetierung der §§ 6 und 6a Staatshaushaltsgesetz 2016 begründen weitere 9 Prozent der Ausgabereste 2016 (318 Mio. Euro). Die sonstigen Ausgabereste machen mit 108 Mio. Euro 3 Prozent des Gesamtbetrags aus.
6.3 Entwicklung der Ausgabereste im Zehn-Jahres-Vergleich
In Abbildung 2 wird die Entwicklung der Einnahme- und Ausgabereste in den Jahren 2007 bis 2016 dargestellt.
Die Einnahmereste sind von 1.049 Mio. Euro in 2007 auf 1.540 Mio. Euro in 2016 angewachsen. Bis auf einen starken Anstieg 2011 waren nur geringere Schwankungen zu verzeichnen. Aufgrund des von 34,5 Mrd. Euro (2007) auf 46,8 Mrd. Euro (2016) gestiegenen Haushaltsvolumens fällt der prozentuale Anstieg von 3,0 Prozent (2007) auf 3,3 Prozent (2016) gering aus.
Die Ausgabereste sind im Vergleichszeitraum von 4,0 Prozent auf 7,3 Prozent des Haushaltsvolumens gestiegen. Die Differenz zwischen Einnahme- und Ausgaberesten von 1.865 Mio. Euro muss das Land im Jahr der Inanspruchnahme finanzieren.
Die Landesregierung hat angekündigt, im Hinblick auf die ab 2020 geltende Schuldenbremse die bestehenden Einnahmereste bis 2019 vollständig abzubauen.
Was wurde aus dem Beitrag?
Die parlamentarische Behandlung finden Sie hier
Anhänge
Die Brutto-Steuereinnahmen sind 2017 gegenüber dem Vorjahr um 1,6 Mrd. Euro gestiegen. Die Ausgaben erhöhten sich um 1 Mrd. Euro. 2017 wurde aus Überschüssen der Vorjahre 1 Mrd. Euro eingenommen.
1 Entwicklung der Einnahmen 2008 bis 2017
In Tabelle 1 sind für die Jahre 2008 sowie 2013 bis 2017 die Einnahmen der Hauptgruppen 0 bis 3 dargestellt.
Die Einnahmen des Landes stiegen von 36,3 Mrd. Euro (2008) um 15,3 Mrd. Euro (+42,2 Prozent) auf 51,6 Mrd. Euro (2017). Gegenüber dem Vorjahr nahmen die Einnahmen 2017 um 0,5 Prozent zu. Sie wurden zu 73,4 Prozent (37,9 Mrd. Euro) durch Steuern und steuerähnliche Abgaben erzielt.
1.1 Steuereinnahmen und steuerähnliche Abgaben
Die Einnahmen aus Steuern und steuerähnlichen Abgaben sind stark von der Gesetzgebung auf Bundesebene sowie von der konjunkturellen Entwicklung abhängig.
2017 erhöhten sich die Brutto-Steuereinnahmen gegenüber dem Vorjahr um 1,6 Mrd. Euro (+4,3 Prozent). Die um die Ausgaben des Länderfinanzausgleichs und des Kommunalen Finanzausgleichs bereinigten (Netto-) Steuereinnahmen stiegen im Vergleich zu 2016 um 1,2 Mrd. Euro auf 27,8 Mrd. Euro (+4,6 Prozent).
Die Brutto-Steuereinnahmen lagen 2017 mit 37,8 Mrd. Euro um 9,8 Mrd. Euro (+34,9 Prozent) höher als 2008. Bei dieser Betrachtung ist die bis 30. Juni 2009 dem Land zustehende Kraftfahrzeugsteuer nicht enthalten. Seit 1. Juli 2009 steht diese Steuer nicht mehr den Ländern, sondern dem Bund zu. Zur Kompensation erhalten die Länder seither vom Bund Ausgleichszahlungen, die in etwa den bisherigen Einnahmen aus der Kraftfahrzeugsteuer entsprechen. 2017 betrug die bei der Hauptgruppe 2 gebuchte Zuweisung des Bundes an das Land wie in den Vorjahren 1,3 Mrd. Euro.
Tabelle 2 zeigt, wie sich die Steuereinnahmen und die steuerähnlichen Abgaben von 2013 bis 2017 sowie im Zehnjahreszeitraum (Basisjahr 2008) im Einzelnen entwickelt haben.
Die Steuereinnahmen des Landes bestehen aus Gemeinschaft- und Landessteuern. Die Einnahmen aus Gemeinschaftsteuern haben sich seit 2008 von 24,8 Mrd. Euro um 9,9 Mrd. Euro (+40,0 Prozent) auf 34,7 Mrd. Euro 2017 erhöht. Ihr Anteil an den gesamten Steuereinnahmen des Landes lag 2017 bei 92,0 Prozent. Die Steuern vom Einkommen und vom Ertrag (einschließlich Abgeltungsteuer) trugen im Haushaltsjahr 2017 mit 62,3 Prozent (21,6 Mrd. Euro) zum Landesanteil an den Gemeinschaftsteuern bei. Das höchste Aufkommen hiervon verzeichnete die Lohnsteuer mit 13,1 Mrd. Euro.
Die Einnahmen durch die Umsatzsteuer erhöhten sich 2017 gegenüber 2016 um 364,2 Mio. Euro (+4,5 Prozent) auf 8,5 Mrd. Euro. Zusammen mit der Einfuhrumsatzsteuer blieb das Aufkommen mit 12,0 Mrd. Euro im Vergleich zum Vorjahr nahezu unverändert.
Die Landessteuern (ohne Kraftfahrzeugsteuer) haben sich seit 2008 von 1,9 Mrd. Euro um 1,1 Mrd. Euro (+58,7 Prozent) auf 3,0 Mrd. Euro (2017) erhöht. Sie hatten 2017 einen Anteil an den gesamten Steuereinnahmen des Landes von 8,0 Prozent. Die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer erhöhten sich im Vergleich zum Vorjahr um 156,4 Mio. Euro (+9,8 Prozent) auf 1,8 Mrd. Euro 2017. Sie haben sich seit 2008 von 794,5 Mio. Euro, auch aufgrund der Steuersatzerhöhung von 3,5 auf 5 Prozent in 2011, mehr als verdoppelt. 2017 betrug ihr Anteil am gesamten Aufkommen der Landessteuern 58,1 Prozent. Die Einnahmen durch die Erbschaftsteuer gingen erstmals seit 2012 wieder zurück. Das Erbschaftsteueraufkommen verminderte sich 2017 um 147,9 Mio. Euro (-13,7 Prozent) gegenüber 2016 auf 934,0 Mio. Euro. Hintergrund war, dass 2016 in einem großen Erbfall zusätzlich 150 Mio. Euro an Erbschaftsteuer vereinnahmt wurden. Seit 2008 nahmen die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer um 15,5 Prozent zu. Sie hatten 2017 einen Anteil von 31,0 Prozent an den Einnahmen aus Landessteuern.
Die steuerähnlichen Abgaben bestehen aus Abgaben von Spielbanken sowie sonstigen Abgaben. Die Einnahmen aus steuerähnlichen Abgaben verminderten sich 2017 im Vergleich zum Vorjahr um 16,1 Mio. Euro (-10,3 Prozent) auf 140,6 Mio. Euro. Mit einem Aufkommen von 77,7 Mio. Euro entfiel hierbei mehr als die Hälfte auf das Wasserentnahmeentgelt.
1.2 Verwaltungseinnahmen und Einnahmen aus Schuldendienst
Die Verwaltungseinnahmen und Einnahmen aus Schuldendienst (Hauptgruppe 1) blieben mit 1,8 Mrd. Euro im Vergleich zum Vorjahr nahezu unverändert.
Die Verwaltungseinnahmen (Obergruppe 11) nahmen im Vergleich zu 2016 um 29,9 Mio. Euro (+2,3 Prozent) auf 1,3 Mrd. Euro zu. Die Erlöse aus der Veräußerung von Gegenständen (Obergruppe 13) stiegen 2017 um 19,4 Mio. Euro (+40,8 Prozent) auf 67,1 Mio. Euro.
Die Einnahmen aus wirtschaftlicher Tätigkeit und aus Vermögen (Obergruppe 12) gingen gegenüber dem Vorjahr um 28,2 Mio. Euro (-7,2 Prozent) auf 362,5 Mio. Euro zurück. Hierin enthalten ist ein Rückgang von Einnahmen aus Gewinnen von Unternehmen, an denen das Land als Gesellschafter oder Aktionär beteiligt ist, um 28,6 Mio. Euro (-33,5 Prozent) auf 56,8 Mio. Euro.
Die Einnahmen aus Schuldendienst (Obergruppen 15 bis 18) verminderten sich 2017 im Vergleich zum Vorjahr um 2,5 Mio. Euro ( 2,7 Prozent) auf 89,4 Mio. Euro. Sie setzen sich im Wesentlichen aus Zins- und Tilgungseinnahmen aus gewährten Darlehen zur Wohnraum- und Ausbildungsförderung zusammen.
1.3 Einnahmen aus Zuweisungen und Zuschüssen mit Ausnahme für Investitionen
Die Einnahmen aus Zuweisungen und Zuschüssen mit Ausnahme für Investitionen (Hauptgruppe 2) stiegen 2017 gegenüber dem Vorjahr um 682,8 Mio. Euro (+8,1 Prozent) auf 9,1 Mrd. Euro. Die größten Posten dieser Einnahmegruppe waren 2017:
- Finanzausgleichsumlage nach § 1a Finanzausgleichsgesetz mit 3.964,0 Mio. Euro; sie erhöhte sich im Vergleich zu 2016 um 249,9 Mio. Euro (+6,7 Prozent);
- Zuweisung des Bundes zum Ausgleich des Kraftfahrzeugsteuer-Wegfalls mit 1.305,3 Mio. Euro (seit 2009 unverändert);
- Zuweisungen des Bundes für die Kosten der Unterkunft und Heizung gemäß § 46 Absätze 5 bis 8 SGB II mit 593,1 Mio. Euro gegenüber 475,3 Mio. Euro 2016 (+24,8 Prozent);
- Zuweisungen des Bundes gemäß § 46a SGB XII für Sozialhilfe mit 593,1 Mio. Euro; sie stiegen um 110,5 Mio. Euro (+22,9 Prozent) im Vergleich zu 2016;
- Zuweisungen des Bundes für Maßnahmen im Rahmen des Hochschulpaktes („Ausbauprogramm Hochschule 2012“) mit 281,6 Mio. Euro; sie stiegen um 42,0 Mio. Euro (+17,5 Prozent) gegenüber 2016;
- Erstattung anteilmäßiger Versorgungsbezüge durch Landesbetriebe und Sonstige mit 231,1 Mio. Euro gegenüber 183,5 Mio. Euro 2016 (+25,9 Prozent);
- Zuschüsse des Bundes zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus mit 117,8 Mio. Euro; sie erhöhten sich im Vergleich zu 2016 um 64,8 Mio. Euro (+122,4 Prozent).
Im zehnjährigen Betrachtungszeitraum erhöhten sich die Einnahmen aus Zuweisungen und Zuschüssen mit Ausnahme für Investitionen insgesamt um 4,2 Mrd. Euro (+86,0 Prozent). Um die nach Wegfall der Kraftfahrzeugsteuer vom Bund ab 2009 bezahlte Ersatzleistung von 1,3 Mrd. Euro bereinigt, beträgt der Zuwachs noch 2,91 Mrd. Euro (+59,3 Prozent). Diesen Einnahmen stehen - mit Ausnahme der Zuweisung des Bundes zum Ausgleich des Kraftfahrzeugsteuer-Wegfalls - größtenteils entsprechende Ausgaben gegenüber.
1.4 Kreditaufnahmen, Einnahmen aus Zuweisungen und Zuschüssen für Investitionen und besondere Finanzierungseinnahmen
Die Einnahmen aus Schuldenaufnahmen, aus Zuweisungen und Zuschüssen für Investitionen und die besonderen Finanzierungseinnahmen haben sich seit 2008 mehr als verdoppelt. Sie lagen 2017 bei 2,7 Mrd. Euro.
Im Vergleich zum Vorjahr verminderten sich die Einnahmen um 2,0 Mrd. Euro (-42,0 Prozent).
1.4.1 Einnahmen aus Schuldenaufnahmen
Das Land nahm 2013 und 2014 insgesamt 3,0 Mrd. Euro neue Schulden auf. In den Jahren 2015 bis 2017 konnte auf eine Nettokreditaufnahme verzichtet werden. Die positive steuerliche Entwicklung führte 2017 zu einer Tilgungsverpflichtung des Landes, die nicht durch den Abbau von Kreditmarktschulden, sondern durch die Tilgung von impliziter Verschuldung erfüllt wurde.
1.4.2 Einnahmen aus Zuweisungen und Zuschüssen für Investitionen
Die Einnahmen aus Zuweisungen und Zuschüssen für Investitionen (Obergruppen 33 und 34) erhöhten sich seit 2008 um 191,1 Mio. Euro auf 1.038,9 Mio. Euro in 2017 (+22,5 Prozent). Die größten Posten dieser Einnahmengruppen waren 2017:
- Finanzhilfen des Bundes für Investitionen nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (Bundesprogramm) für kommunale Vorhaben sowie auf dem Gebiet des ÖPNV mit 162,6 Mio. Euro; sie verminderten sich gegenüber dem Vorjahr um 30,7 Mio. Euro (-15,9 Prozent);
- Zuweisungen des Bundes für die Darlehensförderung der Studierenden mit 99,3 Mio. Euro; sie verminderten sich gegenüber dem Vorjahr um 3,8 Mio. Euro (-3,6 Prozent);
- Zuweisungen und Zuschüsse des Bundes zu städtebaulichen Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen sowie zum Landesförderprogramm „Wohnraum für Flüchtlinge“ mit 95,8 Mio. Euro; sie erhöhten sich gegenüber dem Vorjahr um 6,4 Mio. Euro (+7,1 Prozent);
- Zuweisungen des Bundes sowie Beiträge Dritter für Baumaßnahmen im Rahmen des Behördenbauprogramms sowie der Bauprogramme zur Forschungsförderung, Emissionsschutz und Nachfolgebelegung ehemals militärischer Grundstücke mit 78,3 Mio. Euro; sie erhöhten sich im Vergleich zu 2016 um 10,0 Mio. Euro (+14,6 Prozent);
- Finanzhilfen des Bundes für Investitionen von Gemeinden und Gemeindeverbänden zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden mit 75,6 Mio. Euro; sie erhöhten sich gegenüber dem Vorjahr um 9,0 Mio. Euro (+13,5 Prozent);
Diesen Einnahmen stehen größtenteils entsprechende Ausgaben gegenüber.
1.4.3 Besondere Finanzierungseinnahmen
Die Entnahmen aus Rücklagen, Fonds und Stöcken (Obergruppe 35) unterlagen in den vergangenen zehn Jahren deutlichen Schwankungen. 2017 verminderten sie sich gegenüber dem Vorjahr um 180,9 Mio. Euro (-25,5 Prozent) auf 529,9 Mio. Euro. Sie lagen 2017 um 472,0 Mio. Euro höher als vor zehn Jahren.
Aus der Rücklage für Haushaltsrisiken wurde 2017 ein Betrag von 23,8 Mio. Euro entnommen. Die Entnahmen aus der Rücklage für Sanierungs- und Erhaltungsmaßnahmen bzw. für Maßnahmen im Sinne des § 1 Absatz 3 der Verordnung (VO) zu § 18 Landeshaushaltsordnung betrugen 2017 165,5 Mio. Euro. Ein Großteil der Mittel (118,6 Mio. Euro) wurde zur Tilgung der impliziten Verschuldung in den Bereichen Staatlicher Hochbau, Straßen- und Brückenbau sowie für Sanierungsmaßnahmen bei den Zentren für Psychiatrie verwendet. Nähere Ausführungen hierzu finden sich in Beitrag Nr. 4 dieser Denkschrift (Schuldenbremse).
Die Einnahmen aus Überschüssen der Vorjahre hatten 2016 mit 2,7 Mrd. Euro den höchsten Stand der vergangenen 20 Jahre erreicht. Sie verminderten sich 2017 deutlich um 1,7 Mrd. Euro (-62,7 Prozent) auf 1 Mrd. Euro.
2 Entwicklung der Ausgaben 2008 bis 2017
In Tabelle 3 sind für die Jahre 2008 sowie 2013 bis 2017 die Ausgaben der Hauptgruppen 4 bis 9 dargestellt.
Die Ausgaben des Landes stiegen von 35,5 Mrd. Euro (2008) um 13,3 Mrd. Euro (+37,3 Prozent) auf 48,8 Mrd. Euro (2017). Gegenüber dem Vorjahr nahmen die Ausgaben 2017 um 1 Mrd. Euro zu (+2,1 Prozent). Die Personalausgaben (Hauptgruppe 4) sowie die Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse mit Ausnahme für Investitionen (Hauptgruppe 6) entsprechen zusammen wie im Vorjahr 81,8 Prozent der Gesamtausgaben.
2.1 Personalausgaben
Die Personalausgaben des Landes umfassen insbesondere die Bezüge und Nebenleistungen für Beamte und Richter, die Entgelte der Beschäftigten, die Versorgungsbezüge sowie Ausgaben für die Beihilfe. Sie enthalten die Personalausgaben in der Kernverwaltung des Landes.
Bis 2016 wurden zahlreiche Einrichtungen des Landes in Landesbetriebe umgewandelt. Die Personalausgaben dieser Einrichtungen werden im Staatshaushaltsplan nicht mehr als solche ausgewiesen, sondern sind regelmäßig in den Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse an diese Einrichtungen (Hauptgruppe 6) enthalten. Die Übersicht im Vorheft zum Staatshaushaltsplan für 2018/2019 weist im Soll für 2017 Personalausgaben in Landesbetrieben von 2,9 Mrd. Euro aus. Davon entfallen allein 2,6 Mrd. Euro auf Einrichtungen des Einzelplans 14 (Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst).
Die in Tabelle 3 dargestellte Entwicklung der Personalausgaben in Hauptgruppe 4 hat wegen der signifikanten Bildung neuer Landesbetriebe nur eine eingeschränkte Aussagekraft.
Das Ministerium für Finanzen prüft daher, erstmals in das Vorheft zum Staatshaushaltsplan für 2020/2021 eine zusammenfassende Darstellung der Personalausgaben der kameral buchenden Landeseinrichtungen sowie der Landesbetriebe aufzunehmen.
Die folgenden Betrachtungen beziehen sich lediglich auf die in der Hauptgruppe 4 gebuchten Personalausgaben.
In Tabelle 4 sind die Personalausgaben der Jahre 2008 sowie 2013 bis 2017 dargestellt.
Die Personalausgaben stiegen in den vergangenen zehn Jahren um jährlich durchschnittlich 2,8 Prozent. Sie lagen 2017 mit 16,8 Mrd. Euro - trotz Bildung zahlreicher Landesbetriebe - um 3,8 Mrd. Euro über den Personalausgaben in 2008. 2017 nahmen sie im Vergleich zum Vorjahr um 715 Mio. Euro (+4,4 Prozent) zu.
Den größten Block innerhalb der Personalausgaben in der Hauptgruppe 4 bilden die Bezüge und Nebenleistungen der Beamten und Richter. Sie erhöhten sich im zehnjährigen Betrachtungszeitraum um 1,3 Mrd. Euro (+18,9 Prozent).
Die Beihilfeausgaben für die aktiven Beamten und Richter stiegen von 2008 bis 2017 um 13,7 Mio. Euro (+3,4 Prozent).
Die Ausgaben für die Versorgungsbezüge der Beamten und Richter stiegen in den vergangenen zehn Jahren um 1,9 Mrd. Euro (+65,4 Prozent). Zudem erhöhten sich die Beihilfeausgaben für die Versorgungsempfänger im gleichen Zeitraum von 528,2 Mio. Euro auf 833,2 Mio. Euro (+57,7 Prozent). Mitursächlich für diese Entwicklung ist, dass die Zahl der Versorgungsberechtigten von 92.140 (2008) um 34.775 (+37,7 Prozent) auf 126.915 (2017) anstieg.
Die Entgelte der Arbeitnehmer erhöhten sich im Betrachtungszeitraum 2008 bis 2017 um 43,4 Mio. Euro (+2,8 Prozent). Ursächlich für den geringen Anstieg ist auch eine teilweise Verlagerung von Stellen aus dem unmittelbaren Landesbereich zu den Landesbetrieben.
2017 wurden der Versorgungsrücklage letztmals 348,1 Mio. Euro zugeführt. Die Zuführung stieg gegenüber dem Vorjahr um 73,4 Mio. Euro (+26,7 Prozent). Weitere Zuführungen sind nicht vorgesehen.
2.2 Sächliche Verwaltungsausgaben und Ausgaben für den Schuldendienst
Die Summe der sächlichen Verwaltungsausgaben und der Ausgaben für den Schuldendienst (Hauptgruppe 5) verringerte sich seit 2008 um 1,3 Prozent auf 3,6 Mrd. Euro (2017). Im Vergleich zum Vorjahr gingen sie um 146,4 Mio. Euro (-3,9 Prozent) zurück.
Tabelle 5 zeigt die Entwicklung der sächlichen Verwaltungsausgaben (Obergruppen 51 bis 54) und der Ausgaben für Kreditmarktzinsen.
Bei differenzierter Betrachtung zeigt sich, dass die sächlichen Verwaltungsausgaben seit 2008 nahezu kontinuierlich gestiegen sind, obwohl Ausgaben in erheblichem Umfang in die zahlreich neu errichteten Landesbetriebe verlagert wurden. Landesbetriebe werden über Zuweisungen und Zuschüsse der Hauptgruppe 6 finanziert (siehe Punkt 2.1).
2017 gingen die sächlichen Verwaltungsausgaben im Vergleich zu 2016 um 80,6 Mio. Euro auf 2,16 Mrd. Euro zurück.
Bei den Ausgaben für den Schuldendienst handelt es sich im Wesentlichen um Kreditmarktzinsen. 2017 betrugen diese Zinsausgaben 1,4 Mrd. Euro. Sie nahmen aufgrund des weiterhin niedrigen Zinsniveaus im Vergleich zum Vorjahr um 72,8 Mio. Euro ab. Seit 2008 verringerten sich die Ausgaben für Kreditmarktzinsen - bei gestiegenen Kreditmarktschulden - um 471,3 Mio. Euro (-25,4 Prozent).
2.3 Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse für laufende Zwecke
Die Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse für laufende Zwecke (Hauptgruppe 6) erhöhten sich 2017 im Vergleich zum Vorjahr um 152,8 Mio. Euro (+0,7 Prozent) auf 23,1 Mrd. Euro:
- Die Ausgaben für den Länderfinanzausgleich überstiegen 2017 mit 2,9 Mrd. Euro den bisherigen Höchststand von 2013 um 52,4 Mio. Euro. Im Vergleich zum Vorjahr stiegen die Ausgaben um 523 Mio. Euro (+21,7 Prozent). Bereits 2016 hatten sich die Ausgaben um 411 Mio. Euro (+20,5 Prozent) auf 2,4 Mrd. Euro im Vergleich zu 2015 erhöht.
- Die allgemeinen Zuweisungen im Kommunalen Finanzausgleich stiegen seit 2008 um 2,9 Mrd. Euro (+48,7 Prozent) auf 8,8 Mrd. Euro (2017). Gegenüber dem Vorjahr nahmen die Ausgaben für den Kommunalen Finanzausgleich 2017 um 164 Mio. Euro (+1,9 Prozent) zu.
Die sonstigen Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse - ohne die Ausgaben für den Länderfinanzausgleich und den Kommunalen Finanzausgleich - stiegen zwischen 2008 und 2016 von 6,3 Mrd. Euro kontinuierlich auf 12,0 Mrd. Euro an (+89,4 Prozent). Ein Grund für den insgesamt deutlichen Ausgabenanstieg ist die hohe Zahl neu errichteter Landesbetriebe in diesem Zeitraum. 2017 sanken die Ausgaben im Vergleich zu 2016 um 534 Mio. Euro auf 11,4 Mrd. Euro (-4,5 Prozent).
Die pauschale Erstattung von Aufwendungen für die Aufnahme, Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen an die Stadt- und Landkreise hat sich 2017 gegenüber 2016 von 1,4 Mrd. Euro auf 321,7 Mio. Euro (-77,6 Prozent) erheblich verringert. Dies ist im Wesentlichen auf die rückläufigen Flüchtlingszahlen zurückzuführen.
Die Erstattung an die Stadt- und Landkreise für die Gewährung von Jugendhilfe nach der Einreise von jungen Menschen ohne gewöhnlichen Aufenthalt im Inland halbierte sich 2017 auf 167 Mio. Euro im Vergleich zu 2016 (332,8 Mio. Euro).
Die Zuweisungen an die Stadt- und Landkreise für Sozialhilfe und an die Gemeinden und Gemeindeverbände für die Kosten von Unterkunft und Heizung stiegen 2017 um 328,9 Mio. Euro (+36,2 Prozent) auf 1,2 Mrd. Euro. Diese Ausgaben sind als durchlaufende Mittel haushaltsneutral.
Die landeseigene NECKARPRI GmbH hat 2017 einen Zuschuss von 122,9 Mio. Euro erhalten. Damit hat das Land einen Teil der Tilgungsverpflichtung 2017 nach § 18 Landeshaushaltsordnung und der zugehörigen Rechtsverordnung erfüllt.
2.4 Baumaßnahmen
Die Ausgaben für Baumaßnahmen (Hauptgruppe 7) sanken 2017 gegenüber dem Vorjahr um 4,0 Prozent. Die Gesamtsumme von 658 Mio. Euro verteilt sich im Wesentlichen auf die Kapitel 1208 (Staatlicher Hochbau) mit 495,5 Mio. Euro und Kapitel 1304 (Straßenverkehr) mit 157,6 Mio. Euro.
2.5 Sonstige Ausgaben für Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen
Die sonstigen Ausgaben für Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen (Hauptgruppe 8) stiegen seit 2008 um 1,1 Mrd. Euro (+44,0 Prozent). Gegenüber dem Vorjahr blieben sie mit insgesamt 3,6 Mrd. Euro nahezu gleich. Ausgabenschwerpunkte waren 2017:
- Zuschüsse für Investitionen an private, kommunale und sonstige öffentliche Krankenhäuser mit 353,4 Mio. Euro (-24,8 Mio. Euro im Vergleich zu 2016),
- Zuschüsse an die Deutsche Bahn AG für Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Wendlingen - Ulm mit 467,5 Mio. Euro (+8,8 Mio. Euro im Vergleich zu 2016) sowie
- im Rahmen des Kommunalen Finanzausgleichs Zuweisungen an den Ausgleichstock und pauschale Investitionszuweisungen an die Kommunen mit 1,1 Mrd. Euro (+14,2 Mio. Euro im Vergleich zu 2016).
2.6 Besondere Finanzierungsausgaben
Die besonderen Finanzierungsausgaben (Hauptgruppe 9) erhöhten sich 2017 gegenüber 2016 per Saldo um 386,6 Mio. Euro (+62,6 Prozent) auf eine Milliarde Euro. Hauptursächlich war die gegenüber 2016 um 87 Mio. Euro erhöhte Zuführung an die Rücklage für Haushaltsrisiken mit 143,3 Mio. Euro und die Zuführung an die Rücklage für Maßnahmen im Sinne des § 1 Absatz 3 der VO zu § 18 Landeshaushaltsordnung (früher: Rücklage für Sanierungs- und Erhaltungsmaßnahmen) von 226,6 Mio. Euro.
Die Zuführung an den Versorgungsfonds erhöhte sich 2017 gegenüber dem Vorjahr um 49,3 Mio. Euro auf 356 Mio. Euro.
3 Steuerdeckungsquote und Investitionsquote
Tabelle 6 zeigt die Steuerdeckungsquote und die Investitionsquote 2008 sowie 2013 bis 2017.
Die Steuerdeckungsquote drückt das Verhältnis der Brutto-Steuereinnahmen in Bezug auf die bereinigten Gesamtausgaben aus. Sie ist ein Indikator für den Finanzierungsspielraum des Landes aus eigenen Finanzierungsquellen. Je niedriger die Quote ist, umso höher ist die Abhängigkeit von anderen Einnahmen, wie z. B. Entnahmen aus Rücklagen, Zuweisungen vom Bund oder Kreditaufnahmen.
Die Steuerdeckungsquote schwankte in den vergangenen fünf Jahren zwischen 74 Prozent und 79 Prozent. Aufgrund der guten konjunkturellen Lage und den daraus resultierenden anhaltend hohen Steuereinnahmen stieg die Steuerdeckungsquote seit 2014 kontinuierlich und betrug zuletzt 79,0 Prozent.
Die Investitionsquote zeigt den prozentualen Anteil der Ausgaben für Baumaßnahmen sowie für sonstige Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen an den bereinigten Gesamtausgaben.
Die Investitionsquote unterlag in den vergangenen fünf Jahren Schwankungen. Sie lag 2013 bei 8,5 Prozent und stieg 2014 und 2015 auf rund 10 Prozent. Seit 2016 ging sie wieder zurück und lag 2017 bei 8,9 Prozent.
4 Finanzierungssaldo
Der Finanzierungssaldo wird berechnet, indem die bereinigten Ausgaben von den bereinigten Einnahmen des Haushaltsjahres abgezogen werden.
Die Ausgaben werden um Netto-Tilgungen am Kreditmarkt, Zuführungen an Rücklagen, Fonds und Stöcke und Ausgaben zur Deckung etwaiger kassenmäßiger Fehlbeträge bereinigt. Von den Einnahmen werden Nettokreditaufnahmen, Entnahmen aus Rücklagen, Fonds und Stöcken sowie Einnahmen aus Überschüssen aus Vorjahren abgezogen.
Tabelle 7 zeigt die Berechnung des Finanzierungssaldos 2017.
Die Abbildung zeigt die Entwicklung des Finanzierungssaldos 2008 bis 2017.
Das Land konnte 2017 erneut einen hohen positiven Finanzierungssaldo ausweisen.
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2017 konnte Baden-Württemberg erneut ohne neue Kredite auskommen. Der kassenmäßige Überschuss lag zum Jahresende bei 2,8 Mrd. Euro. Die Gewährleistungsverpflichtungen sind um 5,5 Mrd. Euro auf 10,3 Mrd. Euro gesunken. Der Bestand an Rücklagen und Sondervermögen ist 2017 per Saldo um 1 Mrd. Euro gestiegen.
1 Verschuldungslage
1.1 Schuldenentwicklung
Die haushaltsmäßige Verschuldung des Landes am Kreditmarkt betrug zum 31. Dezember 2017 unverändert 46,3 Mrd. Euro. Erneut konnte das Land auf eine Nettokreditaufnahme verzichten.
Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der Kreditmarktschulden und die zum Jahresende nicht valutierten Kreditrahmenverträge von 1954 bis 2017 auf.
Die haushaltsmäßige Verschuldung beinhaltet neben den valutierten Kreditmarktschulden auch nicht in Anspruch genommene Kreditrahmenverträge. Das Volumen der über das Jahresende nicht in Anspruch genommenen Kontrakte erreichte 2017 mit 7,8 Mrd. Euro einen Höchststand.
Die zum 31. Dezember 2017 nicht valutierten Kreditrahmenverträge mit 7,8 Mrd. Euro entsprachen damit 16,8 Prozent der haushaltsmäßigen Schulden des Landes. Das Ministerium für Finanzen hat diese Verträge geschlossen, um die gesetzliche Bruttokreditermächtigung auszuschöpfen.
Im Hinblick auf die erwartete Haushaltsentwicklung der kommenden Jahre und die ab 2020 verbindlich einzuhaltende Schuldenbremse dürfte die strukturelle Verschuldung des Landes mit 46,3 Mrd. Euro einen Höchststand markieren.
Rechnet man die verlagerten Verpflichtungen und die Verpflichtungen beim Bund und den Ländern für den Wohnungsbau ein, betrugen die Schulden des Landes 47,5 Mrd. Euro zum Jahresende 2017.
Die zum Jahresende nicht valutierten Kreditrahmenverträge sind gegenüber dem Vorjahr um 3,1 Mrd. Euro auf 7,8 Mrd. Euro gestiegen. Im Gegenzug sind die Schulden beim nichtöffentlichen Bereich, die Kredite bei sonstigen öffentlichen Sonderrechnungen und die Wertpapierschulden entsprechend zurückgegangen. Die Kreditmarktschulden insgesamt sind gegenüber dem Vorjahr leicht gesunken. Einschließlich der Verpflichtungen beim Bund und den anderen Ländern sowie den verlagerten Verpflichtungen ist der Schuldenstand des Landes zum 31. Dezember 2017 um 0,1 Mrd. Euro niedriger.
Die verlagerten Verpflichtungen sind zum 31. Dezember 2017 gegenüber dem Vorjahr um 64,8 Mio. Euro gesunken.
1.2 Entwicklung der Nettokreditaufnahme
Nach § 18 Absatz 1 Landeshaushaltsordnung sind die Einnahmen und Ausgaben des Landes grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Als Ausnahme dazu hat das Land in einer Übergangszeit bis einschließlich 2019 die Möglichkeit von Nettokreditaufnahmen. Nach § 18 Landeshaushaltsordnung und der zugehörigen Rechtsverordnung kann die zulässige Kreditaufnahme - je nach konjunktureller Lage - auch negativ ausfallen. Im Ergebnis müssen in diesem Fall Schulden getilgt werden. Die zulässige Kreditaufnahme des Landes lag nach Abschluss des Haushaltsjahres 2017 bei minus 1.238 Mio. Euro (Tilgungsverpflichtung).
Nach einer Änderung der Rechtsverordnung zum 1. Januar 2017 kann neben der Tilgung von Kreditmarktschulden auch die sogenannte implizite Verschuldung abgebaut werden, um der Tilgungsverpflichtung nachzukommen.
2017 wurden neben dem Abbau von impliziter Verschuldung auch 0,7 Mio. Euro an Kreditmarktschulden getilgt.
Abbildung 2 zeigt die Entwicklung der Nettokreditaufnahme bei den Kreditmarktschulden des Landes in den vergangenen zehn Jahren.
Bereits zum dritten Mal in Folge hat das Land keine neuen Schulden aufgenommen.
Im Doppelhaushalt 2018/2019 sind auf Basis der November-Steuerschätzung 2017 weitere Tilgungsverpflichtungen in Höhe von insgesamt 3,8 Mrd. Euro veranschlagt. Der Großteil soll durch den Abbau von impliziter Verschuldung erfüllt werden. Darüber hinaus ist im Staatshaushaltsplan 2018/2019 die Tilgung von insgesamt 500 Mio. Euro Kreditmarktschulden etatisiert.
1.3 Entwicklung der Kreditmarktschulden und Zinsen
Die Kreditmarktschulden stagnieren seit 2014 bei 46,3 Mrd. Euro. Zuvor hatte die Landesregierung 1,8 Mrd. Euro (2013) und 1,2 Mrd. Euro (2014) an neuen Krediten aufgenommen. In den vergangenen zehn Jahren sind die Kreditmarktschulden des Landes um 4,6 Mrd. Euro gestiegen.
Abbildung 3 stellt die Entwicklung der Kreditmarktschulden in den vergangenen zehn Jahren dar.
Die jeweilige Kreditmarktverschuldung enthält zum Jahresende nicht in Anspruch genommene Kreditrahmenverträge. 2008 und 2009 lag der Wert bei jeweils 500 Mio. Euro. Zwischen 2011 und 2017 stieg der nicht in Anspruch genommene Anteil von 2,0 Mrd. Euro auf den Höchststand von zuletzt 7,8 Mrd. Euro an.
Abbildung 4 zeigt die Entwicklung der Zinsausgaben des Landes in den vergangenen zehn Jahren. Seit 2009 werden Zinsen aus Betriebsmitteln bei den Zinsen am Kreditmarkt gebucht. Dabei sind die Einnahmen von den Zinsausgaben abzusetzen.
Die Zinsausgaben des Landes sind 2017 bei stagnierenden Kreditmarktschulden weiter gesunken. Gegenüber dem Vorjahr verringerten sich die Zinsausgaben 2017 nochmals um 73,5 Mio. Euro auf 1,39 Mrd. Euro. Darin enthalten sind Einmalzahlungen für Restrukturierungsmaßnahmen von 60 Mio. Euro.
1.4 Pro-Kopf-Verschuldung
Abbildung 5 zeigt die Pro-Kopf-Verschuldung der Flächenländer zum 31. Dezember 2016 und 31. Dezember 2017. Für Baden-Württemberg werden jeweils nur die zum Jahresende valutierten Schulden je Einwohner dargestellt.
Baden-Württemberg liegt wie in den Vorjahren an dritter Stelle im Vergleich der Flächenländer.
Der Rückgang der Pro-Kopf-Verschuldung beruht im Wesentlichen darauf, dass die der Abbildung 5 zugrunde liegende Bundesstatistik lediglich Kredite berücksichtigt, die zum Jahresende valutiert waren. Somit wurden 2016 anstelle der haushaltmäßigen Verschuldung von 46,3 Mrd. Euro nur 41,6 Mrd. Euro der Berechnung zugrunde gelegt, 2017 waren es 38,5 Mrd. Euro.
Auch unter Berücksichtigung der haushaltsmäßigen Verschuldung von 46,3 Mrd. Euro bleibt Baden-Württemberg an dritter Stelle im Ländervergleich.
1.5 Nettokreditaufnahme je Einwohner - Ländervergleich 2015 und 2016
Anhand der endgültigen Rechnungsabschlüsse lässt sich die Nettokreditaufnahme der Länder vergleichen. Abbildung 6 zeigt die Nettokreditaufnahme je Einwohner der Flächenländer in 2015 und 2016.
Die endgültigen Rechnungsabschlüsse für das Haushaltsjahr 2017 lagen zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Denkschrift noch nicht vor.
2015 tilgten fünf der dreizehn Flächenländer Schulden, während sechs Länder neue Schulden aufnahmen. 2016 nahmen nur noch zwei Flächenländer neue Kredite auf, zehn Länder reduzierten die Schulden. Für Baden-Württemberg lag die Nettokreditaufnahme je Einwohner in beiden Jahren bei Null Euro.
2 Haushaltsrisiken durch Bürgschaften, Garantien und Gewährleistungen
Tabelle 3 zeigt die Entwicklung der vom Land übernommenen Gewährleistungsverpflichtungen.
Der Stand der Bürgschaften, Garantien und Gewährleistungsverpflichtungen hat sich gegenüber dem Vorjahr per Saldo um 5,5 Mrd. Euro auf 10,3 Mrd. Euro verringert. Hintergrund ist in der Hauptsache die vorzeitige Beendigung der Garantie gegenüber der GPBW GmbH & Co KG von 4,3 Mrd. Euro durch die Veräußerung des Portfolios und die damit einhergehende Beendigung der Garantiestruktur. Darüber hinaus ist eine Garantie zugunsten der NECKARPRI GmbH von 1,2 Mrd. Euro wieder weggefallen, die zuvor für einen Überbrückungszeitraum von wenigen Monaten notwendig geworden war. Die Fortführung des Wohnungsbauprogramms für die energetische Sanierung von Wohnungseigentümergemeinschaften führte gegenüber dem Vorjahr zu einer Erhöhung um 100 Mio. Euro.
3 Rücklagen und Sondervermögen
Das Land nimmt in die Vermögensübersicht im Vorheft des Staatshaushaltsplans Vermögensteile auf, deren Wert mit vertretbarem Erfassungsaufwand ermittelt und in Geldsummen ausgedrückt werden kann.
Den Bestand an Rücklagen und Sondervermögen des Landes zum jeweiligen Jahresende 2016 und 2017 zeigt Tabelle 4.
Bei der Rücklage für Maßnahmen im Sinne des § 1 Absatz 3 der VO zu § 18 Landeshaushaltsordnung (bis 2016 Rücklage für Sanierungs- und Erhaltungsmaßnahmen) stehen den Zuführungen von 227 Mio. Euro Entnahmen von 166 Mio. Euro gegenüber. Im Ergebnis war der Bestand zum 31. Dezember 2017 um 61,1 Mio. Euro höher als im Vorjahr.
Durch die Zuführung von 227 Mio. Euro hat die Landesregierung einen Teil der Tilgungsverpflichtung für 2017 von 411 Mio. Euro als Tilgung impliziter Verschuldung erfüllt.
2017 wurden der Rücklage für Haushaltsrisiken 143 Mio. Euro zugeführt und 24 Mio. Euro entnommen. Per Saldo ergibt sich zum Jahresende 2017 eine Bestandsverbesserung von 119,5 Mio. Euro.
Der Versorgungsrücklage wurden für 2017 letztmalig 357 Mio. Euro zugeführt. Zusammen mit sonstigen Erträgen ergibt sich eine Bestandsveränderung gegenüber dem Vorjahr um +519 Mio. Euro. Ab 2018 sind keine weiteren Zuführungen mehr vorgesehen.
Der Versorgungsfonds ist 2017 um 445,8 Mio. Euro angewachsen. Der Anteil der Zuführungen betrug 356 Mio. Euro.
Die übrigen Sondervermögen des Landes haben sich per Saldo um 185 Mio. Euro reduziert.
4 Entwicklung der Jahresergebnisse
In 2016 betrug der kassenmäßige Überschuss 3.538 Mio. Euro.
Allerdings ist für die Frage, welche Deckungsmittel für künftige Haushalte zur Verfügung stehen, der Bestand der rechnungsmäßigen Überschüsse maßgeblich. Zum 31. Dezember 2016 wies die Haushaltsrechnung des Landes einen rechnungsmäßigen Überschuss von 2.764 Mio. Euro aus. Das rechnungsmäßige Gesamtergebnis betrug unter Einbeziehung von Vorjahresergebnissen +3.781 Mio. Euro.
2017 wurden aus dem rechnungsmäßigen Gesamtergebnis 1.017 Mio. Euro zur Deckung des Haushalts verwendet. Im Haushalt 2018 sind 1.104 Mio. Euro und im Haushalt 2019 weitere 1.660 Mio. Euro an Einnahmen aus Überschüssen der Vorjahre etatisiert.
Im Haushaltsvollzug 2017 lagen die Einnahmen des Landes bei 51.596 Mio. Euro. Die Ausgaben betrugen 48.821 Mio. Euro. Im Ergebnis konnte ein kassenmäßiges Jahresergebnis von +2.775 Euro (kassenmäßiger Überschuss) erzielt werden. Das rechnungsmäßige Jahresergebnis stand zum Zeitpunkt der Erstellung der Denkschrift noch nicht fest.
Abbildung 7 zeigt die Entwicklung der kassen- und rechnungsmäßigen Jahresergebnisse seit 2008 auf.
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2017 standen erstmals 227 Mio. Euro Sanierungsmittel zum Abbau der impliziten Verschuldung zur Verfügung. Hiervon wurde nur die Hälfte abgerufen. Die zweckentsprechende Verwendung dieser Mittel muss transparent dargestellt werden.
1 Ausgangslage
Ab 2020 dürfen die Länder ihre Haushalte grundsätzlich nicht mehr durch eine Nettokreditaufnahme ausgleichen. Für die Zeit bis einschließlich 2019 wurde für Baden-Württemberg durch eine Neufassung des § 18 Landeshaushaltsordnung in 2012 und eine dazugehörige Rechtsverordnung eine Übergangsregelung geschaffen. Danach können im Übergangszeitraum noch Kredite aufgenommen werden. Die Neuverschuldung ist aber bis 2020 schrittweise vollständig abzubauen.
Ausgangswert für den Abbau der Neuverschuldung war der haushaltswirtschaftliche Handlungsbedarf - also die Differenz zwischen Ausgaben und Einnahmen - nach der Mittelfristigen Finanzplanung 2011 bis 2015 für das Planjahr 2013 von 2,5 Mrd. Euro.
Die zulässige Kreditaufnahme wird bis einschließlich 2019 auf Grundlage des sich jährlich reduzierenden Basiswertes nach der Rechtsverordnung zu § 18 Landeshaushaltsordnung (VO zu § 18 Landeshaushaltsordnung) ermittelt. Dieser ist neben einer sogenannten Finanztransaktionskomponente vor allem durch eine Steuerschwankungskomponente zu modifizieren. Liegen die Steuereinnahmen des Landes über einem langjährigen Trend, verringert sich die Möglichkeit zur Kreditaufnahme. Liegen die Steuereinnahmen unter diesem Trend, können mehr Kredite aufgenommen werden. Die zulässige Kreditaufnahme wird sowohl bei Haushaltsaufstellung als auch nach Abschluss des Haushalts auf Grundlage der Ist-Werte errechnet.
Die in den letzten Jahren überdurchschnittlich gestiegenen Steuereinnahmen reduzierten nicht nur die zulässige Kreditaufnahme auf Null, sondern führten ab 2017 zur Verpflichtung, Schulden zu tilgen.
Die Landesregierung hat zum 1. Januar 2017 durch die Änderung der VO zu § 18 Landeshaushaltsordnung die Möglichkeit eröffnet, diese Tilgungsverpflichtung nicht nur durch die Rückführung von Kreditmarktschulden, sondern auch durch den Abbau der sogenannten impliziten Verschuldung, also etwa durch Abbau eines Sanierungsstaus oder durch Zuführungen zum Versorgungsfonds, zu erfüllen.
Mit dem Haushalt 2017 wurde beschlossen, in Höhe der rechnerischen Tilgungsverpflichtung von 410,5 Mio. Euro implizite Verschuldung abzubauen.
Der Rechnungshof hat das System zur Berechnung der zulässigen Kreditaufnahme sowie die Neuregelung zur impliziten Verschuldung in den Denkschriften 2015 (Beitrag Nr. 3), 2016 (Beiträge Nrn. 3 und 5) und 2017 (Beitrag Nr. 4) bereits näher beschrieben.
2 Zulässige Kreditaufnahme und Kontrollkonto zwischen 2013 und 2016
Die zulässige Kreditaufnahme wird jährlich als Ex-ante- und als Ex-post-Wert berechnet. Bei der Haushaltsaufstellung wird der Ex-ante-Wert auf Basis der zu diesem Zeitpunkt bekannten Parameter ermittelt und entsprechend im Staatshaushaltplan berücksichtigt. Nach Abschluss des Haushaltsjahres wird die zulässige Kreditaufnahme in einer Ex-post-Betrachtung anhand der Ist-Ergebnisse neu bestimmt. Weicht danach die Höhe der tatsächlich in Anspruch genommenen Kreditermächtigungen von der zulässigen Kreditaufnahme (ex-post) ab, wird die Differenz auf ein Kontrollkonto gebucht.
Tabelle 1 zeigt die zulässige Kreditaufnahme (ex-post) im Zeitraum 2013 bis 2016, die tatsächliche Kreditaufnahme und die Veränderungen des Kontrollkontos.
In 2013 und 2015 lag die zulässige Kreditaufnahme nach der Ex-post-Betrachtung höher als die tatsächliche Nettokreditaufnahme. Dies führte jeweils zu einer positiven Buchung auf dem Kontrollkonto. 2014 wurden dagegen 187,3 Mio. Euro mehr an Krediten aufgenommen als nach der Ex-post-Betrachtung zulässig gewesen wäre. Entsprechend reduzierte sich der Saldo des Kontrollkontos.
2016 lag die tatsächliche Nettokreditaufnahme bei Null Euro. Allerdings bestand ex-post eine Tilgungsverpflichtung von 588,5 Mio. Euro. So wurde auch hier ein negativer Betrag auf dem Kontrollkonto gebucht. Dennoch wies das Kontrollkonto bis einschließlich 2016 in jedem Jahr einen positiven Saldo - zuletzt 185 Mio. Euro - auf.
3 Zulässige Kreditaufnahme 2017
3.1 Ex-ante- und Ex-post-Betrachtung
Tabelle 2 stellt die Berechnung der zulässigen Kreditaufnahme 2017 nach der Ex-ante- und der Ex-post-Betrachtung dar.
Der Basiswert zur Berechnung der zulässigen Kreditaufnahme lag 2017 bei noch 948,8 Mio. Euro. Nach der November-Steuerschätzung 2016 ging die Landesregierung für 2017 von einer Steuerschwankungskomponente von minus 1.512,0 Mio. Euro aus. Die Finanztransaktionskomponente betrug 153,0 Mio. Euro. Daraus resultierte eine Ex-ante-Tilgungsverpflichtung von 410,5 Mio. Euro.
In dieser Höhe wurde im Staatshaushaltsplan 2017 die Tilgung von impliziten Schulden etatisiert.
Mit 37,8 Mrd. Euro lagen die Ist-Steuereinnahmen 2017 um weitere 1,6 Mrd. Euro über den in der November-Steuerschätzung 2016 prognostizierten Einnahmen. Die zusätzlichen Steuereinnahmen erhöhten die Steuerschwankungskomponente und führten im Ergebnis zu einer Tilgungsverpflichtung von 1.238,4 Mio. Euro.
Nach Abzug der bereits im Haushaltsvollzug 2017 getilgten 410,5 Mio. Euro an impliziten Schulden ergibt sich ein Unterschiedsbetrag von minus 827,9 Mio. Euro. Nach § 4 der VO zu § 18 Landeshaushaltsordnung ist dieser Betrag auf das Kontrollkonto zu buchen.
Das Kontrollkonto wies zum Jahresende 2016 einen positiven Saldo von 185 Mio. Euro auf. Bei vollständiger Anrechnung des Unterschiedsbetrags würde das Kontrollkonto einen Stand von minus 642,6 Mio. Euro aufweisen.
In diesem Zusammenhang weist der Rechnungshof auf § 18 Absatz 5 Satz 2 Landeshaushaltsordnung hin. Danach ist bei einem negativen Stand des Kontrollkontos auf dessen Ausgleich hinzuwirken.
3.2 Umsetzung der Tilgungsverpflichtung im Haushalt 2017
Seit dem 1. Januar 2017 kann die Tilgungsverpflichtung nach der VO zu § 18 Landeshaushaltsordnung auch durch den Abbau der sogenannten impliziten Verschuldung erfüllt werden.
Die für 2017 im Haushaltsvollzug zu erfüllende Tilgungsverpflichtung betrug 410,5 Mio. Euro. Die Landesregierung hat zur Tilgung der impliziten Verschuldung folgende Maßnahmen im Staatshaushaltsplan 2017 etatisiert:
- Zuschuss an die NECKARPRI GmbH von 122,9 Mio. Euro. Die Zahlung wurde im Vollzug vollständig geleistet.
- Mittel für den Kommunalen Sanierungsfonds: Insgesamt 61,1 Mio. Euro waren für den Kommunalen Sanierungsfonds etatisiert. 41,1 Mio. Euro wurden für Investitionen der Gemeinden bereitgestellt. Dies entspricht 10 Prozent der Tilgungsverpflichtung des Landes für 2017. Weitere 20,0 Mio. Euro sollten die Gemeinden und Gemeindeverbände zur Ersatzbeschaffung von Schienenfahrzeugen erhalten.
Die bereitgestellten Mittel konnten aus rechtlichen und verwaltungstechnischen Gründen im Lauf des Jahres 2017 (noch) nicht abgerufen werden. Die Mittel sollen als Ausgaberest in das Folgejahr übertragen werden. Damit kann die haushaltsrechtliche Tilgungsverpflichtung als erfüllt angesehen werden.
- Rücklage für Maßnahmen im Sinne des § 1 Absatz 3 VO zu § 18 Landeshaushaltsordnung (Rücklage VO): Der Rücklage VO wurden 2017 insgesamt 226,6 Mio. Euro zugeführt. Bereits die Zuführung zur Rücklage gilt als Abbau der impliziten Verschuldung.
3.3 Abbau des Sanierungsstaus 2017 - Entnahmen aus der Rücklage für Maßnahmen im Sinne von § 1 Absatz 3 VO zu § 18 Landeshaushaltsordnung
Die Landesregierung hat 2017 insgesamt 118,6 Mio. Euro aus der Rücklage VO gemäß Staatshaushaltsplan 2017 entnommen, um entsprechende Sanierungs- und Erhaltungsmaßnahmen zu finanzieren. Damit wurde nur etwa die Hälfte der 2017 in die Rücklage VO eingestellten Mittel von 226,6 Mio. Euro abgerufen.
Tabelle 3 zeigt, für welche Bereiche die Mittel verwendet wurden.
Der Rechnungshof hat untersucht, ob die im Haushaltsvollzug 2017 entnommenen Mittel zweckentsprechend eingesetzt wurden.
3.3.1 Staatlicher Hochbau
Der Staatshaushaltsplan 2017 sah für Sanierungs- und Erhaltungsmaßnahmen sowie Ersatzinvestitionen im Bereich des Staatlichen Hochbaus Entnahmen aus der Rücklage VO von bis zu 76,5 Mio. Euro vor. Dieser Betrag gliedert sich in drei Einzelbaumaßnahmen, Kleine Neu-, Um- und Erweiterungsbauten (Kapitel 1208 Titel 711 01), den Bauunterhalt an sonstigen Grundstücken und baulichen Anlagen (Kapitel 1208 Titel 519 01) sowie die dafür notwendigen Personalausgaben (Kapitel 0615 Titel 682 01).
Im Haushaltsvollzug 2017 wurde von den zur Verfügung stehenden 76,5 Mio. Euro nur ein Teilbetrag von 18,6 Mio. Euro aus der Rücklage VO entnommen. Den Großteil davon (18 Mio. Euro) verwendete der Landesbetrieb Vermögen und Bau im Bereich Bauunterhalt für landeseigene Gebäude.
Das Ministerium für Finanzen hat die Sanierungsmittel vom sonstigen Bauunterhalt intern abgegrenzt, um die zweckentsprechende Verwendung der Mittel nachzuweisen.
3.3.2 Straßenbau
Im Straßenbau wurden 2017 - wie im Staatshaushaltsplan vorgesehen - insgesamt 90 Mio. Euro für zwei Bereiche aus der Rücklage VO entnommen:
- 70 Mio. Euro als Verstärkungsmittel für die Erhaltung von Landesstraßen bei Kapitel 1304 Titel 781 79. Originär waren dort 80 Mio. Euro im Staatshaushaltsplan 2017 etatisiert.
- 20 Mio. Euro als Verstärkungsmittel für Dienstleistungen Dritter für die Planung, Bauüberwachung und Ausführung von Straßenbauvorhaben bei Kapitel 1304 Titel 534 03. Ursprünglich waren im Staatshaushaltsplan dafür 20,7 Mio. Euro etatisiert.
Das Verkehrsministerium vertritt die Auffassung, dass die der Rücklage VO entnommenen insgesamt 90 Mio. Euro zweckentsprechend verwendet worden seien.
3.3.2.1 Erhaltung von Landesstraßen
Der Bereich des Straßenbaus ist durch einen hohen Flexibilisierungsgrad aufgrund vielfältiger Deckungsfähigkeiten geprägt. In die Deckungsfähigkeiten ist im Kapitel 1304 auch der Haushaltstitel für die Erhaltung von Landesstraßen (Titel 781 79) einbezogen.
Konkret bedeutet dies, dass die hier im Haushalt veranschlagten Mittel im Vollzug - zulässigerweise - auch bei anderen Titeln für die dortige Zweckbestimmung ausgegeben werden können. Der Titel 781 79 wurde 2017 auch zur Erwirtschaftung Globaler Minderausgaben und zur Deckung von überplanmäßigen Ausgaben herangezogen.
Tabelle 4 stellt das in 2017 verfügbare Budget der tatsächlichen Haushaltsführung im Vollzug 2017 gegenüber.
Das 2017 für den Erhalt der Landesstraßen verfügbare Budget von 150 Mio. Euro reduzierte sich im Haushaltsvollzug um 55,7 Mio. Euro auf 94,3 Mio. Euro. Somit wurde - im Rahmen der Haushaltsflexibilität - mehr als ein Drittel des Budgets für andere Bereiche verwendet.
Auch 2014 bis 2016 lagen die Ist-Ausgaben beim Erhalt von Landesstraßen jeweils erheblich unter dem Soll-Budget.
Die zusätzliche Verwendung der Mittel aus der Rücklage VO konnte der Rechnungshof nicht im Detail nachprüfen. Das Verkehrsministerium teilte mit, aufgrund der bereitgestellten Sanierungsmittel 2017 seien zusätzliche Erhaltungsmaßnahmen mit Gesamtbaukosten von 58,4 Mio. Euro initiiert worden. Für diese Maßnahmen seien 2017 allerdings nur 39,1 Mio. Euro abgeflossen.
Nach Darstellung des Verkehrsministeriums sind im Bereich der Erhaltungsmittel 94,3 Mio. Euro verausgabt worden, davon 70 Mio. Euro aus der Rücklage VO und 24,3 Mio. Euro aus dem originären Haushaltsansatz. Der Einsatz der Mittel aus der Rücklage VO sei - wie vorstehend zutreffend dargestellt - zwar nur zum Teil für neue Maßnahmen erfolgt. Im Übrigen hätten die Mittel aber die Fortsetzung laufender Projekte ermöglicht und so die vorübergehende Einstellung verhindert.
Das Ministerium weist auch darauf hin, dass der Straßenbauhaushalt schon seit 2014 im Bereich der Erhaltung von Landesstraßen regelmäßig aus dem Einzelplan 12 (Allgemeine Finanzverwaltung) verstärkt werde.
3.3.2.2 Planung und Bauüberwachung
Die Zweckbestimmung des Haushaltstitels 534 03 bei Kapitel 1304 sieht Dienstleistungen Dritter für die Planung, Bauüberwachung und Ausführung von Straßenbauvorhaben vor. Dies bezieht sich nicht nur auf Landesstraßen, sondern im Wesentlichen auf den Bundesstraßenbau.
Wie unter Punkt 3.3.2.1 dargestellt, wurden 2017 über Deckungsfähigkeiten im Haushaltsvollzug 35,1 Mio. Euro von den Erhaltungs- zu den Planungsmitteln übertragen. Auch in den Vorjahren wurde der Planungstitel aus dem Erhaltungstitel in erheblichem Umfang verstärkt.
Aus der Rücklage VO erhielt der Bereich Planung und Bauüberwachung 2017 weitere 20 Mio. Euro an Verstärkungsmitteln. Darüber hinaus wurde eine Vielzahl von Verstärkungen und Verminderungen über diesen Haushaltstitel gebucht.
Tabelle 6 stellt die 2017 verfügbaren Haushaltsmittel den Ist-Ausgaben gegenüber.
Im ursprünglichen Planansatz von 20,7 Mio. Euro waren nach der Erläuterung im Staatshaushaltsplan 2017 insgesamt 5,8 Mio. Euro für den Landesstraßenbau vorgesehen. Trotz mehrerer Verstärkungen des Planungstitels - u. a. durch 20 Mio. Euro aus der Rücklage VO - erreichten die Ist-Ausgaben für die Planung von Landesstraßen nur 8,7 Mio. Euro. Demgegenüber erhöhten sich die Mittel für den Bundesstraßenbau auf 51,3 Mio. Euro. Dies zeigt, dass die für Planungen eingesetzten Rücklagemittel tatsächlich nicht im Landesstraßenbau, sondern hauptsächlich im Bundesstraßenbau angekommen sind.
Das Verkehrsministerium führt hierzu aus, durch den Investitionshochlauf des Bundes und den dadurch entstehenden Planungsmittelbedarf wäre das bereits bestehende strukturelle Defizit im Bereich der Planungsmittel noch verstärkt worden. Dieses Defizit sei innerhalb des Kapitels 1304 auszugleichen.
Aus der Rücklage VO seien 6,7 Mio. Euro für die Planung von Erhaltungsmaßnahmen an Landesstraßen entnommen und verausgabt worden.
Zudem seien für eigenes Personal der Straßenbauverwaltung für Planungsleistungen Aufwendungen von 6,4 Mio. Euro entstanden. Hierdurch seien Aufwendungen durch die Beauftragung von Ingenieurbüros erspart worden. Deshalb seien die Kosten für das Landespersonal nach Auffassung des Verkehrsministeriums ebenfalls zu berücksichtigen. Dies gelte auch deshalb, weil der Stellenaufwuchs in der Straßenbauverwaltung bei den Regierungspräsidien seit 2014 durch Kürzung des Planungstitels bei Kapitel 1304 Titel 534 03 refinanziert worden sei.
Über den Einsatz eigenen Personals oder die Vergabe von Fremdleistungen werde dem Verkehrsministerium zufolge nach fachlichen Gesichtspunkten und nicht nach der Mittelherkunft entschieden. In Summe seien in 2017 somit faktisch 13,1 Mio. Euro Planungsmittel für Landesstraßen verwendet worden. Die verbleibenden 6,9 Mio. Euro aus der Rücklagenentnahme würden über die Restebildung der zweckentsprechenden Verwendung in den Folgejahren zugeführt.
3.3.2.3 Zusammenfassung für den Bereich Straßenbau
Durch die Nutzung der im Haushalt verankerten Flexibilisierungsmöglichkeiten im Haushaltsvollzug wird die Beurteilung, inwieweit die der Rücklage VO entnommenen Mittel zweckentsprechend zum Abbau der impliziten Verschuldung des Landes eingesetzt werden, erschwert.
Für den Bereich der Erhaltungsmaßnahmen an Landesstraßen bleibt - auch nach der Stellungnahme des Verkehrsministeriums - festzuhalten, dass einer Entnahme aus der Rücklage VO von 70 Mio. Euro im Ergebnis Ausgaben für neue, zusätzliche Maßnahmen in Höhe von nur 39,1 Mio. Euro entgegenstehen.
Die vom Verkehrsministerium vertretene Einbeziehung von Personalaufwendungen in die zweckentsprechende Verwendung von Mitteln der Rücklage VO ist durch den Staatshaushaltsplan nicht gedeckt.
Mittel aus der Rücklage VO zu entnehmen, um daraus Ausgabereste zu bilden, entspricht ebenfalls nicht den Vorgaben für den Haushaltsvollzug.
Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass 2017 die für Sanierungs- und Erhaltungsmaßnahmen aus der Rücklage VO zusätzlich bereitgestellten Mittel nur zu einem Teil zum Abbau des Sanierungsstaus bei den Landesstraßen verwendet wurden.
Der Rechnungshof anerkennt, dass das Land genügend Planungs- und Ausführungsmittel zur Verfügung stellen muss, um sämtliche Straßenbaumittel des Bundes abrufen zu können. Gleichwohl kann die Verstärkung des Planungstitels - der hauptsächlich die Planung und Bauüberwachung von Bundesfernstraßen finanziert - aus Mitteln der Rücklage VO nicht als Tilgung der impliziten Verschuldung des Landes angesehen werden.
Um die vollständige Verwendung der Mittel aus der Rücklage VO zum Abbau des Sanierungsstaus bei den Landesstraßen zukünftig zu gewährleisten, sollten die Soll-Ansätze im Straßenbau von vornherein realitätsnäher angesetzt werden. In der Folge sollten die Deckungsfähigkeiten eingegrenzt oder gestrichen werden.
3.3.3 Zentren für Psychiatrie
Die Landesregierung hat bei den Zentren für Psychiatrie einen bestehenden Sanierungsstau identifiziert und Sanierungsmittel zum Abbau der impliziten Verschuldung bereitgestellt.
Aus der Rücklage VO wurden 2017 insgesamt 10 Mio. Euro zum Abbau des Sanierungsstaus durch die Zentren für Psychiatrie abgerufen.
Von den zusätzlichen Mitteln konnten die Einrichtungen in Calw, Emmendingen, Weinsberg, Wiesloch und Winnenden in unterschiedlicher Höhe partizipieren.
Die geförderten Maßnahmen waren überwiegend schon in der fünfjährigen Investitionsplanung der Zentren für Psychiatrie enthalten. Nach deren Auskunft hätten die Maßnahmen aber nur durch die zusätzlichen Sanierungsmittel bereits 2017 begonnen oder Kostensteigerungen laufender Maßnahmen finanziert werden können.
Nach den Prüfungsfeststellungen des Rechnungshofs verfügen die Zentren für Psychiatrie über hohe liquide Mittel. Damit hätten die Zentren 2017 die aus Rücklagemitteln finanzierten Maßnahmen selbst finanzieren können. Eine Entnahme aus der Rücklage VO war nicht erforderlich.
Im Staatshaushaltsplan sind 2018 und 2019 weitere Entnahmen aus der Rücklage VO für die Zentren für Psychiatrie von insgesamt 40 Mio. Euro vorgesehen. Wegen der hohen Liquidität der Zentren sollte aber in 2018 und 2019 auf eine Entnahme aus der Rücklage VO verzichtet werden (siehe Beitrag Nr. 10).
4 Umsetzung der Tilgungsverpflichtung im Doppelhaushalt 2018/2019
Nach der für Baden-Württemberg bis 2019 geltenden Übergangsregelung zur Schuldenbremse dürfen in 2018 und 2019 keine neuen Kredite aufgenommen werden.
Tabelle 7 zeigt die zulässige Kreditaufnahme 2018 und 2019 nach der Ex-ante-Betrachtung.
Im Doppelhaushalt 2018/2019 muss das Land nach der Ex-ante-Betrachtung insgesamt 3.807 Mio. Euro an Schulden tilgen.
Tabelle 8 stellt die im Doppelhaushalt 2018/2019 etatisierten Tilgungsmaßnahmen dar.
Das Land will 2018 und 2019 mit insgesamt 500 Mio. Euro erstmals in nennenswertem Umfang Kreditmarktschulden tilgen. Der Großteil der Tilgungsmaßnahmen entfällt jedoch mit 3,3 Mrd. Euro auf die Tilgung impliziter Verschuldung.
Der Rücklage VO werden 2018 und 2019 insgesamt 2,6 Mrd. Euro zugeführt.
Um künftige Versorgungsverpflichtungen weiter abzumildern, wird 2018 die ursprünglich geplante Zuführung an den Versorgungsfonds um 120 Mio. Euro auf 560 Mio. Euro erhöht.
Das Land beteiligt sich auch 2018 und 2019 mit 10 Prozent der Tilgungsverpflichtung an den Sanierungslasten der Kommunen. Darüber hinaus erhalten die Gemeinden und Gemeindeverbände in beiden Jahren je 20 Mio. Euro für die Ersatzbeschaffung von Schienenfahrzeugen im kommunalen Schienenverkehr. Insgesamt führt das Land dem Kommunalen Sanierungsfonds 421 Mio. Euro zu. Aus Sicht des Rechnungshofs führen diese Maßnahmen nicht zum Abbau des Sanierungsstaus des Landes.
Wie schon 2017 soll die NECKARPRI GmbH einen Zuschuss zur Verlustabdeckung und Erfüllung ihrer finanziellen Verpflichtungen erhalten. Insgesamt sind dafür 188 Mio. Euro etatisiert.
5 Ausblick
Nach der VO zu § 18 Landeshaushaltsordnung begann der Abbau der Neuverschuldung des Landes in 2013 und sollte bis 2020 abgeschlossen sein. Seitdem wird jährlich die zulässige Kreditaufnahme in einer Ex-ante- und einer Ex-post-Betrachtung berechnet. Seit 2016 weist die zulässige Kreditaufnahme des Landes negative Werte auf.
Die Abbildung zeigt die zulässige Kreditaufnahme für 2013 bis 2017 nach der Ex-post-Betrachtung sowie für den Doppelhaushalt 2018 und 2019 und den Finanzplanungszeitraum bis 2021 nach der Ex-ante-Betrachtung.
In der Übergangszeit bis einschließlich 2019 wird die zulässige Kreditaufnahme auf Basis des Trendsteuereinnahmen-Modells berechnet.
Ab 2020 ist die Schuldenbremse verbindlich einzuhalten. Im Zuge der Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen soll der Stabilitätsrat die Einhaltung der Haushaltsdisziplin der Länder und damit die Einhaltung der Schuldenbremse stärker überwachen. Es ist zu erwarten, dass die „Produktionslücken-Methode“ das maßgebliche Instrument dieser Überwachung sein wird. Dementsprechend berechnete die Landesregierung die zulässige Kreditaufnahme in der aktuellen Mittelfristigen Finanzplanung ab 2020 nach der Produktionslücken-Methode.
Die zweckentsprechende Verwendung der im Doppelhaushalt 2018/2019 an die Sanierungsrücklage zugeführten 2,6 Mrd. Euro stellt in der tatsächlichen Umsetzung beim Abbau des Sanierungsstaus im Hochbau und Straßenbau eine Herausforderung dar. Sofern Sanierungsmaßnahmen in dieser Dimension nicht zeitnah realisiert werden können, stünden dem Haushaltsgesetzgeber auch die Tilgung von Kreditmarktschulden oder eine weitere Zuführung an den Versorgungsfonds als Alternativen zur Verfügung.
6 Empfehlungen
6.1 Umsetzung der Tilgungsverpflichtungen nach der Verordnung zu § 18 Landeshaushaltsordnung dokumentieren
Aus Gründen der Transparenz schlägt der Rechnungshof vor, die im Haushaltsvollzug umgesetzten Maßnahmen zur Erfüllung der Tilgungsverpflichtung in der Landeshaushaltsrechnung nachzuweisen.
6.2 Maßnahmen zum Abbau des Sanierungsstaus im Einzelnen nachweisen
In der Landeshaushaltsrechnung werden bei Kapitel 1212 Titel 359 05 entnommene Rücklagenmittel zum Abbau des Sanierungsstaus den begünstigten Titeln zugeordnet. Die tatsächlich durchgeführten Einzelmaßnahmen und die hierfür eingesetzten Mittel sind daraus nur teilweise ersichtlich.
Der Rechnungshof schlägt vor, dass die Landesregierung dem Landtag nach Abschluss des Haushalts in geeigneter Form über die konkret umgesetzten Sanierungs- und Erhaltungsmaßnahmen sowie die jeweils dafür aufgewendeten Mittel im Einzelnen berichtet.
6.3 Deckungsfähigkeiten im Straßenbau eingrenzen
Der Rechnungshof empfiehlt, die Mittel im Bereich des Straßenbaus realitätsnäher zu veranschlagen. Um eine zweckentsprechende Verwendung insbesondere der Erhaltungsmittel im Vollzug sicherzustellen, sollten die bisherigen Deckungsfähigkeiten eingegrenzt oder gestrichen werden.
7 Stellungnahmen der Ministerien
7.1 Ministerium für Finanzen
Das Finanzministerium weist darauf hin, dass die Änderungen des § 18 Landeshaushaltsordnung in 2012 die Sicherstellung der Einhaltung der Schuldenbremse im Haushaltsjahr 2020 bezweckt und daher einen schrittweisen Abbau der Nettokreditaufnahme vorgesehen habe. Dies ergebe sich aus der Gesetzesbegründung.
Aufgrund der nachhaltigen Konsolidierungsanstrengungen und der guten konjunkturellen Entwicklung hätten die Haushalte bereits seit 2015 ohne Nettokreditaufnahme ausgeglichen werden können. Darüber hinaus sei es ab 2017 gelungen, in nennenswertem Umfang (implizite) Schulden zu tilgen bzw. eine entsprechende Tilgung im Haushalt und in der Mittelfristigen Finanzplanung zu hinterlegen.
Die aus der Rücklage VO entnommenen Mittel würden in der Landeshaushaltsrechnung bei Kapitel 1212 Titel 359 05 dokumentiert und für die jeweiligen Maßnahmen titelscharf nachgewiesen.
7.2 Ministerium für Verkehr
Das Verkehrsministerium weist im Einvernehmen mit dem Ministerium für Finanzen darauf hin, dass im Straßenbau ab 2020 nach der Mittelfristigen Finanzplanung 2017 bis 2021 ein auskömmlicher Planansatz bei Kapitel 1304 von 140 Mio. Euro vorgesehen sei.
Zum Hinweis des Rechnungshofs, die Soll-Ansätze im Bereich des Straßenbaus realitätsnäher anzusetzen, merkt das Verkehrsministerium an, dass die Planungsmittel und die Investitionsmittel bereits im aktuellen Doppelhaushalt 2018/2019 erhöht worden seien. Die Mittelfristige Finanzplanung sehe ab 2020 eine Verbesserung im Kapitel 1304 um 94 Mio. Euro vor.
Aufgrund der Unsicherheiten beim Mittelabfluss der einzelnen Titel werde die Deckungsfähigkeit aber als sachgerechtes Mittel für einen effektiven Mitteleinsatz und zur Vermeidung von Ausgaberesten gesehen.
8 Schlussbemerkung
Für den Abbau des bestehenden Sanierungsstaus des Landes ist entscheidend, dass die hierfür bereitgestellten Rücklagenmittel tatsächlich vollständig für diesen Zweck eingesetzt werden. Ob dieses Ziel erreicht wurde, ist aus der bisherigen Darstellung in der Landeshaushaltsrechnung nur bedingt ersichtlich. Eine Darstellung der durchgeführten Einzelmaßnahmen und der hierfür eingesetzten Mittel erscheint daher geboten.
Die von der Landesregierung angekündigte Erhöhung der Haushaltsmittel für den Straßenbau ab 2020 dürfte den bestimmungsgemäßen Haushaltsvollzug erleichtern.
Die Empfehlung, die Deckungsfähigkeiten im Straßenbauhaushalt kritisch zu überprüfen, wird gleichwohl aufrechterhalten.
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Die Landesregierung hat auf den Stichtag 1. Januar 2017 eine Eröffnungsvermögensrechnung erstellt. Diese ist der Einstieg in eine jährliche, transparentere und umfassendere Berichterstattung über das Vermögen und die Schulden des Landes.
Die nächste Vermögensrechnung zum 31. Dezember 2017 soll dem Landtag erstmals als Vermögensnachweis zur Entlastung der Landesregierung vorgelegt werden. Die Vermögensrechnung wird künftig fester Bestandteil der Denkschrift sein.
Ab dem Haushaltsjahr 2020 soll die Vermögensrechnung dem Haushaltsplan als Übersicht über das Vermögen und die Schulden gemäß § 14 Absatz 1 Nr. 4 Landeshaushaltsordnung beigefügt werden.
1 Ausgangslage
Gemäß Artikel 79 Absatz 4 Landesverfassung und § 14 Landeshaushaltsordnung sind das Vermögen und die Schulden des Landes in einer Anlage zum Staatshaushaltsplan nachzuweisen. Nach Abschluss des Haushaltsjahres hat der Finanzminister gemäß Artikel 83 Absatz 1 der Landesverfassung und den §§ 86 und 114 Landeshaushaltsordnung dem Landtag nicht nur über Einnahmen und Ausgaben, sondern auch über das Vermögen und die Schulden zur Entlastung der Regierung Rechnung zu legen.
Die Vermögens- und Schuldensituation des Landes wird bisher in der Vermögensübersicht im Vorheft zum Staatshaushaltsplan abgebildet. Diese ist jedoch insofern unvollständig, als z. B. detaillierte Angaben zum Infrastrukturvermögen und zu Rückstellungen fehlen.
Im September 2011 hat die Landesregierung beschlossen, eine Vermögensrechnung nach doppischen Grundsätzen einzuführen. Zielsetzung ist die Erweiterung des kameralen Haushalts- und Rechnungswesens um den wertmäßigen Nachweis des Landesvermögens und der Landesschulden sowie ihrer Veränderungen.
Das Ministerium für Finanzen hat im Februar 2018 eine Eröffnungsvermögensrechnung dem Ministerrat als internes Rechenwerk vorgelegt und dem Ausschuss für Finanzen des Landtags zur Information vorgestellt.
Die Eröffnungsvermögensrechnung ist noch nicht Gegenstand des Entlastungsverfahrens. Als Vermögensnachweis im Sinne des § 114 Absatz 1 Satz 1 Landeshaushaltsordnung wird erstmals die Vermögensrechnung auf den Stichtag 31. Dezember 2017 gelten. Sie wird dem Landtag zur Entlastung der Landesregierung vorgelegt werden.
Des Weiteren soll die Vermögensrechnung ab dem Haushaltsjahr 2020 dem Haushaltsplan als Übersicht über das Vermögen und die Schulden gemäß § 14 Absatz 1 Nr. 4 Landeshaushaltsordnung beigefügt werden. Die bisherige Vermögensübersicht wurde für das Aufstellungsverfahren für die Haushalte bis einschließlich 2019 unverändert fortgeführt.
2 Inhalt
Grundsätze zur Aufstellung der Vermögensrechnung sind in der Verwaltungsvorschrift zur Vermögensrechnung des Landes vom 8. Juni 2017 festgelegt. Diese orientieren sich an den Standards staatlicher Doppik, die vom Bund und den Ländern gemeinsam entwickelt wurden.
Laut Aussage des Ministeriums für Finanzen bildet die Eröffnungsvermögensrechnung etwa 80 bis 90 Prozent des Vermögens und der Schulden ab. Beispielsweise sind Forderungen und Verbindlichkeiten aus Zuweisungen und Zuschüssen nur teilweise enthalten. Kunstgegenstände müssen erst bis zum 31. Dezember 2020 vollständig ausgewiesen werden.
Die Eröffnungsvermögensrechnung hat eine Summe von 228,9 Mrd. Euro. Auf der Aktivseite entfallen 70,2 Mrd. Euro (31 Prozent) auf das Anlage- und Umlaufvermögen des Landes. Mit 40,8 Mrd. Euro stellen die Sachanlagen die größte Position auf der Aktivseite dar. Darin werden das Infrastrukturvermögen, Grundstücke, Gebäude sowie Kultur- und Naturgüter abgebildet. Das Umlaufvermögen beträgt 12,1 Mrd. Euro. Einen großen Anteil hieran haben die Forderungen aus Steuern mit einem Wert von 8,0 Mrd. Euro.
Mit 170,3 Mrd. Euro ist die auf der Passivseite ausgewiesene Rückstellung für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen die volumenmäßig größte Vermögensrechnungsposition.
Stellt man die Passiva den Aktiva gegenüber, bleibt ein negativer Saldo von 158,7 Mrd. Euro. Dieser ist insbesondere in den vorgenannten Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen begründet.
In der nachfolgenden Tabelle wird die Eröffnungsvermögensrechnung in aggregierter Form dargestellt.
3 Die Vermögensrechnung des Landes im Kontext bundesweiter Entwicklungen
Die Verankerung doppischer Elemente in Bund und Ländern ist unterschiedlich ausgeprägt. Hamburg und Hessen haben die Doppik eingeführt. Bremen erstellt seit 2010 einen doppischen Jahresabschluss unter Beibehaltung des kameralen Rechnungswesens. Die Jahresabschlüsse dieser Länder bestehen aus einer Vermögens-, Erfolgs- und Finanzrechnung.
Baden-Württemberg, Sachsen und der Bund haben als Ergänzung zur Kameralistik eine doppische Vermögensrechnung eingeführt. Eine Ergebnisrechnung wird jeweils nicht erstellt. Der Bund weist in seiner Vermögensrechnung immaterielles Vermögen sowie Grundstücke, Gebäude und das Infrastrukturvermögen bislang nicht betragsmäßig aus.
In Baden-Württemberg enthält der Koalitionsvertrag einen Prüfauftrag zur möglichen Einführung weiterer doppischer Elemente.
4 Nutzen und Grenzen der Vermögensrechnung
Mit der Vermögensrechnung soll ein vollständiger und umfassender Überblick über den Vermögens- und Schuldenstatus des Landes zum jeweiligen Stichtag gegeben werden. Damit sorgt die Vermögensrechnung für mehr Transparenz und liefert bessere, d. h. vollständigere Informationen als der bisherige Vermögensnachweis. So werden beispielsweise erstmals das Infrastrukturvermögen sowie Rückstellungen wertmäßig ausgewiesen.
Das Ministerium für Finanzen plant, künftig jeweils zum Stichtag 31. Dezember eine Vermögensrechnung zu erstellen. Hiermit wird die Basis für Mehrjahresvergleiche geschaffen, welche die Entwicklung der einzelnen Vermögens- und Schuldenpositionen aufzeigen. Der Rechnungshof sieht hierin den Hauptnutzen der Vermögensrechnung.
In künftigen Vermögensrechnungen wird die Entwicklung der einzelnen Positionen des Anlagevermögens dargestellt. Zudem zeigen sie die Ursachen der Vermögensänderungen (z. B. Zugänge, Abgänge, Werteverzehr) auf. Aus dem künftigen Werteverzehr des Anlagevermögens ergeben sich Anhaltspunkte für den zum Substanzerhalt erforderlichen Reinvestitionsbedarf.
Bei allem Informationsnutzen der Vermögensrechnung sollte nicht verkannt werden, dass auch dieses Instrument Grenzen hat. So sind Entwicklungen der Vorjahre, insbesondere ein bestehender Sanierungsstau, aus der ersten Vermögensrechnung nicht ersichtlich.
Maßnahmen zum Erhalt von Infrastrukturvermögen und Gebäuden stellen häufig Erhaltungsaufwand dar und führen deshalb nicht zu nachträglichen Herstellungskosten. Somit führt eine wirtschaftlich sinnvolle Erhöhung der Erhaltungsaufwendungen nicht zu einer Erhöhung des Vermögens.
5 Prüfungen durch den Rechnungshof
Nach § 90 Satz 1 Nr. 2 Landeshaushaltsordnung erstreckt sich die Prüfung des Rechnungshofs auch auf die Ordnungsmäßigkeit des Vermögensnachweises. Deshalb wird der Rechnungshof künftig über die Vermögensrechnung in der Denkschrift berichten.
Vorab hat der Rechnungshof bereits die Struktur der Eröffnungsvermögensrechnung zum 1. Januar 2017 überprüft. Einen Schwerpunkt bildeten dabei die Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen. Der Rechnungshof unterbreitete dem Ministerium für Finanzen Änderungsvorschläge, welche in Teilen bereits in der Eröffnungsvermögensrechnung umgesetzt wurden.
So wurden z. B. ursprünglich über 14.000 Beamte nicht in die Berechnung der Pensionsrückstellung einbezogen. Dies lag daran, dass die hierfür erforderliche Mindestdienstzeit von fünf Jahren im Datenbestand dieser Personen als nicht erfüllt angesehen wurde. Hierbei waren allerdings anrechenbare Vordienstzeiten, vor allem Zeiten des Vorbereitungsdienstes, nicht berücksichtigt worden. Dies wurde nach Hinweis des Rechnungshofs korrigiert.
Bezüglich weiterer Feststellungen zur Vollständigkeit und Qualität der Pensionsrückstellung hat das Ministerium für Finanzen inhaltliche und technische Weiterentwicklungen zugesagt. Beispielsweise wurden 4.000 Beamte nicht in die Berechnung der Pensionsrückstellungen einbezogen, die in Aufgabenbereichen tätig sind, welche im Zuge der Verwaltungsstrukturreform zum 1. Januar 2005 auf die Stadt- und Landkreise übergegangen sind. Weil das Land in diesen Fällen dauerhaft die Versorgungsausgaben übernimmt, ist auch hierfür eine Rückstellung zu bilden.
6 Schlussbemerkung
Der Rechnungshof begrüßt die Einführung der Vermögensrechnung. Sie bietet einen deutlich umfassenderen und fundierteren Überblick über die Vermögens- und Schuldenlage des Landes als die bisherige Vermögensübersicht.
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Eine effizientere Gestaltung könnte die Polizeiausbildung für den gehobenen Dienst wirtschaftlicher machen, bei gleichbleibender Anzahl der Studienplätze mehr Polizisten befähigen und sie schneller in den aktiven Dienst bringen. Dafür sollte vor allem die Vorausbildung für Polizeikommissaranwärter abgeschafft und das Studium der Aufstiegsbeamten deutlich gestrafft werden. Polizeianwärter sollten bedarfs- und eignungsgerecht eingestellt werden.
1 Ausgangslage
Baden-Württemberg stellte Polizisten bis 1992 ausschließlich im mittleren Dienst als Polizeimeisteranwärter ein. Diese konnten - und können noch heute - bei dienstlicher Befähigung über zwei Laufbahngruppenwechsel hinweg bis in höchste Führungspositionen aufsteigen. Seit 1993 gibt es zusätzlich den Direkteinstieg in den gehobenen Dienst als Polizeikommissaranwärter. Diese Möglichkeit richtet sich speziell an Abiturienten.
Entsprechend beruht die Polizeiausbildung heute auf zwei Säulen. Die Polizeimeisteranwärter werden praxisorientiert in zweieinhalb Jahren ausgebildet. Die Polizeikommissaranwärter durchlaufen ein dreijähriges Bachelorstudium, dem eine neunmonatige Vorausbildung vorgeschaltet ist. Diejenigen, die im mittleren Dienst begonnen haben, können über ein zweieinhalbjähriges Studium in den gehobenen Dienst aufsteigen. Dieses Aufstiegsstudium entspricht dem Bachelorstudium der Polizeikommissaranwärter gekürzt um das sechsmonatige Grundpraktikum.
Aktuell werden zwei Drittel der Anwärter für den mittleren und ein Drittel für den gehobenen Polizeivollzugsdienst eingestellt. Dem steht eine Stellenstruktur gegenüber, die 60 Prozent Stellen im gehobenen Dienst ausweist.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Profil der Polizeianwärter
Letztmalig 2007 wurden überwiegend Bewerber mit mittlerer Reife für den mittleren Polizeivollzugsdienst rekrutiert. In den vergangenen zehn Jahren verfügten bis zu 85 Prozent aller Anwärter eines Jahrgangs über Abitur oder einen vergleichbaren Schulabschluss. Jedoch wurde in diesem Zeitraum nur gut ein Viertel der Anwärter in den gehobenen Dienst eingestellt, für den das Abitur Einstellungsvoraussetzung ist. Viele Abiturienten werden als Polizeimeisteranwärter eingestellt, obwohl für diese Laufbahn ein mittlerer Bildungsabschluss genügt.
Hierfür gibt es zwei Hauptgründe. Einigen Abiturienten bleibt der Direkteinstieg von vornherein verwehrt, weil sie den von der Polizei geforderten Notendurchschnitt von mindestens 3,0 nicht erreicht haben. Diese Bewerber können ihre Polizeikarriere nur im mittleren Dienst beginnen, obwohl sie die Bildungsvoraussetzungen für den gehobenen Dienst erfüllen.
Vor allem aber haben sich Änderungen in der Stellenstruktur nicht auf das Einstellungsverhältnis zwischen Anwärtern für den mittleren und gehobenen Dienst niedergeschlagen. In den vergangenen Jahren wurde der Anteil des gehobenen Dienstes im Polizeivollzugsdienst deutlich ausgebaut. Die hierzu vorgenommenen Stellenhebungen vom mittleren Dienst in den gehobenen Dienst wurden jedoch für Entwicklungsmöglichkeiten des Bestandspersonals genutzt und nicht, um mehr Polizeikommissaranwärter einzustellen. Bei den Anwärterstellen überwiegt nach wie vor der mittlere Dienst.
2.2 Profil der Aufstiegsbeamten
Polizisten, die über das Studium an der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg vom mittleren in den gehobenen Dienst aufsteigen wollen, benötigen eine Hochschulzulassungsberechtigung. Unsere Prüfung ergab, dass jene Polizisten, die bereits mit Abitur eingestellt wurden, den Aufstieg deutlich schneller anstrebten als andere. Dabei leistete eine Mehrheit von ihnen durchschnittlich nur zweieinhalb Jahre aktiven Polizeidienst, bevor sie mit der zweiten Ausbildung begannen.
Die Gesamtdauer der Ausbildungen für den mittleren und den gehobenen Dienst steht zumindest für diese „Schnellaufsteiger“ in keinem Verhältnis zur aktiven Dienstzeit, die sie zwischen den Ausbildungen erbracht haben. Da Polizeimeister zudem grundsätzlich zuerst in einer Einsatzhundertschaft der Bereitschaftspolizei eingesetzt werden, dürften die regionalen Polizeipräsidien von diesem Personenkreis nur in geringem Umfang profitieren.
2.3 Kosten der Polizeiausbildungen
Für die verschiedenen Ausbildungen entstehen folgende Kosten:
Bezogen auf ein Ausbildungsjahr verursachen Aufstiegsbeamte nahezu doppelt so hohe Kosten wie Direkteinsteiger in den gehobenen Dienst. Maßgeblich dafür sind die Personalkosten. Während Direkteinsteiger lediglich Anwärterbezüge erhalten, absolvieren Aufstiegsbeamte ihr Studium unter Fortzahlung der vollen Bezüge, nicht selten auch schon im Status eines Polizeihauptmeisters.
Dementsprechend variieren die Kosten des Aufstiegsstudiums je nach Dienstgrad des Beamten. Die Wirtschaftlichkeit bemisst sich dagegen auch an der Anzahl der geleisteten Dienstjahre im mittleren Dienst. Dies ist nachfolgendem Kostenvergleich typischer Karrierewege von Aufstiegsbeamten mit Direkteinsteigern zu entnehmen:
Insgesamt befinden sich Aufstiegsbeamte deutlich länger „in Ausbildung“ als Direkteinsteiger in den gehobenen Dienst. Eine Karriere über den mittleren Dienst bindet Polizisten zusätzliche 15 Monate. Noch deutlicher werden die Unterschiede bei den Ausbildungskosten: Aufstiegsbeamte verursachen durchschnittlich über 100.000 Euro mehr Ausbildungskosten je Personalfall als Direkteinsteiger.
Es ist ineffizient, Bewerber mit Abitur in großer Zahl in den mittleren Dienst mit dem Ziel einzustellen, sie später über ein Studium an der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg in den gehobenen Dienst aufsteigen zu lassen.
Die Analyse der Werdegänge von Aufstiegsbeamten zeigt, dass insbesondere ein Aufstieg nach nur wenigen Dienstjahren unwirtschaftlich ist. Zwar sind spät aufsteigende Polizeihauptmeister bei einem auf die reinen Ausbildungskosten reduzierten Vergleich am teuersten. Eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung muss aber auch die im mittleren Dienst geleistete Dienstzeit berücksichtigen. Der Kostennachteil der späten Aufsteiger wird mit der Anzahl der Jahre, in denen vollwertiger praktischer Dienst verrichtet wird, zunehmend aufgewogen.
Setzt man die aktiven Dienstjahre im mittleren Dienst ins Verhältnis zu den Gesamtausbildungskosten, ergeben sich für den Aufsteiger mit längerer Verweildauer im mittleren Dienst Ausbildungskosten von 37.225 Euro je Dienstjahr. Für den bereits nach kurzer Dienstzeit aufsteigenden Polizeimeister liegen die Ausbildungskosten mit 79.053 Euro je Dienstjahr mehr als doppelt so hoch.
Die in der Polizei-Laufbahnverordnung festgeschriebene Mindestverweildauer im mittleren Dienst ist ausschlaggebend für das Verhältnis von aktiver Dienstzeit zur Ausbildungszeit. Sie beträgt derzeit fünf Jahre, schließt aber die Ausbildungszeit für den mittleren Dienst ein. Demnach muss nur zweieinhalb Jahre aktiver Dienst geleistet worden sein, bis eine Zulassung zum Aufstiegsstudium möglich ist. Dies ist im Vergleich zum Direkteinstieg unwirtschaftlich.
2.3.1 Studium der Polizeikommissaranwärter
Ein Vergleich zeigt, dass alle Länder Direkteinsteiger in den gehobenen Dienst in einem dreijährigen Bachelorstudiengang ausbilden. Nur Baden-Württemberg schaltet dem Studium eine neunmonatige Vorausbildung vor. Diese dient dazu, die Ungleichheit hinsichtlich des berufsspezifischen Wissens zwischen Aufstiegsbeamten und Direkteinsteigern, die bislang gemeinsam studieren, zu minimieren. Die Vorausbildung wird also auch durch die bislang praktizierte Verknüpfung der Studiengänge erforderlich. Das fehlende Erfahrungswissen der Direkteinsteiger soll durch eine spezielle Ausbildung beim Institut für Ausbildung und Training sowie durch selbstverantwortliches Eigenstudium weitestgehend kompensiert werden. Dies verursachte 2016 Ausbildungskosten von 6,1 Mio. Euro, 2017 wegen gestiegener Einstellungszahlen 7,7 Mio. Euro.
Auch wenn die Vorausbildung für junge Polizisten hilfreich sein kann, stellt sich die Frage, ob sie für ein erfolgreiches Studium erforderlich ist. Der Rechnungshof hält es bei einer Entkoppelung der Studiengänge für Aufstiegsbeamte und Direkteinsteiger für möglich, die Themen der Vorausbildung nach dem Vorbild anderer Länder in das Bachelorstudium selbst zu integrieren und die Polizeikommissaranwärter damit neun Monate früher dem aktiven Dienst zur Verfügung zu stellen.
2.3.2 Studium der Aufstiegsbeamten
Die Dauer des Studiums der Aufstiegsbeamten stellt sich im Ländervergleich wie folgt dar:
Die Mehrheit der Länder sieht für ein Aufstiegsstudium 24 Monate bzw. 18 Monate vor. Würde Baden-Württemberg diesen Beispielen folgen und das Studium um bis zu zwölf Monate straffen, könnten die Ausbildungskosten für jährlich 200 Aufstiegsbeamte um bis zu 11,5 Mio. Euro reduziert werden. Zugleich könnte diese Maßnahme dazu beitragen, die Polizeipräsenz in den Dienststellen „vor Ort“ zu erhöhen.
Ausschlaggebend für die Anzahl der Aufstiegsbeamten sind auch die zur Verfügung stehenden Studienplätze an der Hochschule für Polizei. Dort sollen angesichts des hohen Einstellungsbedarfs, der auf die hohen Pensionierungszahlen und auf den Stellenzuwachs zurückzuführen ist, gegenwärtig viele Polizeikommissaranwärter ausgebildet werden. Für Aufstiegsbeamte sind derzeit nur 200 Studienplätze reserviert. Diesen stehen mehr als 4.000 Beamte gegenüber, die schon aufgrund ihrer schulischen Qualifikation potenzielle Aufstiegskandidaten sind. Bei einer Straffung der Ausbildung könnten mehr Personen aus diesem Kreis an den vorhandenen Studienplätzen partizipieren.
2.3.3 Polizeiärztliche Auswahluntersuchung
Alle Bewerber, die den Auswahltest für den mittleren oder gehobenen Polizeivollzugsdienst bestanden haben, werden dem polizeiärztlichen Dienst zur Beurteilung der Diensttauglichkeit vorgestellt. Beispielsweise wurden für zwei der drei Einstellungstermine 2017 insgesamt 1.846 Bewerber polizeiärztlich untersucht. Davon waren 1.527 Bewerber polizeidiensttauglich. Letztlich wurden aber nur 1.009 Bewerber eingestellt. Allein für diese beiden Einstellungstermine hat der polizeiärztliche Dienst somit 518 polizeidiensttaugliche Bewerber mehr untersucht als eingestellt werden konnten.
3 Empfehlungen
3.1 Polizeianwärter bedarfs- und eignungsgerecht einstellen
Das Einstellungsverhältnis zwischen Anwärtern für den mittleren und gehobenen Dienst sollte - unter Wahrung einer angemessenen Aufstiegsperspektive - stärker an der Stellenstruktur im Polizeivollzugsdienst ausgerichtet werden. Dort überwiegen die Stellen des gehobenen Dienstes.
Die Bewerber für den Polizeivollzugsdienst sollten stets eignungsgerecht eingestellt werden. Dann könnten Bewerber mit herausragendem Testergebnis unabhängig vom Notendurchschnitt im Abitur direkt in den gehobenen Dienst eingestellt werden und müssten nicht den Umweg über den mittleren Dienst nehmen.
Eine polizeiärztliche Auswahluntersuchung sollte nur für jene Bewerber veranlasst werden, die durch ihren erreichten Testwert eine realistische Chance auf Einstellung haben.
3.2 Polizeikommissaranwärter schneller qualifizieren
Auf die Vorausbildung für die Polizeikommissaranwärter sollte zukünftig verzichtet werden. Die wesentlichen Ausbildungsinhalte könnten in das Bachelorstudium integriert werden.
3.3 Studium der Aufstiegsbeamten straffen
Das Studium der Aufstiegsbeamten sollte von dem der Polizeikommissaranwärter abgekoppelt werden. Gleichzeitig sollte die zeitliche Beanspruchung durch das Ausbildungsstudium deutlich reduziert werden. Denkbar wäre eine Straffung um bis zu zwei Semester.
Entsprechend dem Leistungsgedanken sollen nur besonders bewährte Polizisten in den gehobenen Dienst aufsteigen. Aufstiegskandidaten sollten zumindest in zwei aufeinander folgenden Beurteilungszyklen überdurchschnittliche Leistungen nachweisen können. Damit würde neben dem Leistungsgedanken auch dem Wirtschaftlichkeitsgedanken Rechnung getragen.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Innenministerium macht in seiner Stellungnahme deutlich, dass es bereits fest einplane, einige Empfehlungen des Rechnungshofs innerhalb des Projekts Einstellungsoffensive anzugehen. Es weist jedoch darauf hin, dass die Realisierung der Einstellungsoffensive das zeitlich primäre Ziel sei und die Polizeiausbildung bereits vor große Herausforderungen stelle.
Vom Ministerium konkret angestrebt werde unter Berücksichtigung der Kapazitäten der Hochschule für Polizei, den Anteil der Polizeikommissaranwärter an den Neueinstellungen anzuheben. Auch die Empfehlungen des Rechnungshofs zur Vorausbildung für Polizeikommissaranwärter und zur Verkürzung des Aufstiegsstudiums sollen aufgegriffen werden. Die gegenwärtige Situation mache es jedoch erforderlich, zunächst an bewährten Strukturen und Abläufen festzuhalten. Dies gelte beispielsweise für die gegenwärtige Untersuchungspraxis des polizeiärztlichen Dienstes.
5 Schlussbemerkung
Aus Sicht des Rechnungshofs sollten die vorgeschlagenen Maßnahmen möglichst zügig umgesetzt werden. Dies gilt insbesondere für jene Maßnahmen, die zu einer schnelleren Qualifizierung führen. So könnte dazu beigetragen werden, die Herausforderungen der Einstellungsoffensive zu bewältigen.
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Aufgrund gesetzlicher Vorgaben wird die Landesoberbehörde IT Baden-Württemberg (BITBW) bis 2021 die Entwicklung und Pflege von Fachverfahren übernehmen. Erfahrungen beim Fachverfahren Migranten-Verwaltungs-Informations-System (MigVIS) zeigen, dass Aufgabenübergänge sorgfältiger vorbereitet werden müssen. Das Innenministerium und die BITBW sollten dafür frühzeitig einheitliche Zuständigkeiten und standardisierte Abläufe festlegen.
1 Ausgangslage
1.1 Zuständigkeiten bei der Entwicklung und Pflege von Fachverfahren
Die Landesregierung verfolgt das Ziel, die Informationstechnik zu zentralisieren und zu professionalisieren. Dadurch sollen Synergien geschaffen, die Wirtschaftlichkeit verbessert und die Informationssicherheit erhöht werden.
Hierzu wurde zum 1. Juli 2015 die BITBW gegründet. Nach dem Errichtungsgesetz (BITBW-Gesetz) sind die Dienststellen und Einrichtungen der Landesverwaltung verpflichtet, die Dienstleistungen der BITBW zu nutzen. Zu diesen Dienstleistungen gehört auch die technische Entwicklung und Pflege von Fachverfahren, was bislang Aufgabe der Ressorts war.
Die Nutzungspflicht hinsichtlich der Entwicklung und Pflege der Fachverfahren gilt ab 1. Juli 2021. Spätestens zu diesem Zeitpunkt geht die Zuständigkeit auf die BITBW über; diese kann bei Bedarf Unterauftragnehmer hinzuziehen.
Von der Nutzungspflicht ausgenommen sind die Fachverfahren der Gerichte, Staatsanwaltschaften und Notariate sowie die steuerrechtlichen Fachverfahren.
1.2 Prüfung der IT-Unterstützung im Flüchtlingsmanagement
Für das Flüchtlingsmanagement setzen Bund, Länder und Kommunen eine Vielzahl unterschiedlicher IT-Verfahren ein. In Baden-Württemberg spielt das Fachverfahren Migranten-Verwaltungs-Informations-System (MigVIS) eine zentrale Rolle bei der Unterstützung der Aufgaben.
Die Finanzkontrolle hat 2017 die IT-Unterstützung im Flüchtlingsmanagement geprüft. Ein Teil der Prüfungsergebnisse hat bereits in der Beratenden Äußerung „Flüchtlingsaufnahme in Baden-Württemberg“ (Landtagsdrucksache 16/3311) ihren Niederschlag gefunden.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 IT-Unterstützung im Flüchtlingsmanagement in Baden-Württemberg
MigVIS wurde von der Datenzentrale Baden-Württemberg im Auftrag des Innenministeriums entwickelt und ist seit 2008 im Einsatz. Durch eine im Juni 2003 geschlossene Vereinbarung zwischen dem Innenministerium und den Stadt- und Landkreisen sind die unteren Aufnahmebehörden verpflichtet, dieses Verfahren zu nutzen.
MigVIS bietet den unteren Aufnahmebehörden jedoch nicht den Funktionsumfang, den diese zur umfassenden Wahrnehmung ihrer Aufgaben benötigen. Dies macht den Einsatz weiterer IT-Verfahren erforderlich. Für die Leistungsgewährung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz setzen die Stadt- und Landkreise beispielsweise Programme kommerzieller Anbieter ein.
Seit Anfang 2016 werden die Stammdaten von Flüchtlingen in einem Kerndatensystem des Bundes erfasst, das Bestandteil des Ausländerzentralregisters (AZR) ist. Auf die Kerndaten sollen alle am Asylverfahren beteiligten Behörden zugreifen können. In MigVIS können die Kerndaten aus dem AZR seit Anfang 2017 bei der Erstaufnahme einmalig übernommen werden. Zum Zeitpunkt der Prüfung bestand aber noch nicht die Möglichkeit, Datenänderungen in MigVIS elektronisch in den Kerndatensatz des Bundes zurück zu spiegeln. Eine bidirektionale Schnittstelle war jedoch in Planung.
Auch zwischen MigVIS und den Fachverfahren der Landkreise und Kommunen bestehen allenfalls Schnittstellen zum einmaligen Import von Daten in die kommunalen Systeme.
Änderungen an den Stammdaten von Flüchtlingen müssen daher in mehreren Systemen vorgenommen werden. Auch die Daten über den Verfahrensstand des Asylverfahrens müssen anhand der schriftlichen Mitteilungen oder Bescheide des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) manuell in MigVIS und in kommunale IT-Verfahren eingepflegt werden. Dies verursacht unnötigen Aufwand und birgt die Gefahr von Inkonsistenzen.
Die Stadt- und Landkreise als untere Aufnahmebehörden kommen ihrer Verpflichtung, die Daten in MigVIS zu pflegen, nicht einheitlich und nicht vollumfänglich nach. Dies betrifft insbesondere den Unterbringungsstatus der Flüchtlinge. Die Regierungspräsidien und das Ministerium haben sich verschiedentlich bemüht, diesen Zustand zu verbessern, blieben aber erfolglos.
Wegen der mangelhaften Datenqualität in MigVIS können steuerungsrelevante Informationen - etwa zur Belegungssituation - aus dem Verfahren nur bedingt gewonnen werden. Dies führt dazu, dass notwendige Angaben außerhalb des Verfahrens erhoben werden. Dieser Aufwand könnte vermieden werden, wenn die Stadt- und Landkreise ihre Daten laufend aktualisieren würden.
Aufgrund der stärkeren Nutzung von MigVIS infolge der Zugangssituation 2015 traten zudem Stabilitätsprobleme auf. Diese konnten zunächst durch Maßnahmen einer dafür gebildeten Taskforce reduziert werden. Ein noch stabilerer Betrieb kann nach Einschätzung von Experten mit dem bestehenden System nicht erreicht werden. Das Innenministerium bereitet deshalb eine Neuentwicklung vor. Dabei sollen mit externer Hilfe zunächst die Geschäftsprozesse erhoben und optimiert werden.
2.2 Zuständigkeiten für das Fachverfahren MigVIS
An der Konzeption, Entwicklung und dem Betrieb von MigVIS waren und sind verschiedene Organisationseinheiten beteiligt. Die fachliche Federführung für das IT-Verfahren MigVIS liegt beim Innenministerium. Dort sind zwei Fachabteilungen sowie die IT-Leitstelle beteiligt. Das Regierungspräsidium Karlsruhe bringt die Anforderungen der Fachanwender ein und ist für die Abnahme neuer Programmversionen zuständig. Die Nutzer des Verfahrens werden bei Problemen durch Anwendungsbetreuer in den vier Regierungspräsidien unterstützt.
Mit der Entwicklung und Pflege der Software wurde die Datenzentrale betraut. Die Entwicklung kostete 1,5 Mio. Euro und dauerte vier Jahre, doppelt so lange wie ursprünglich geplant. Danach wurde die Datenzentrale mit Anpassungen und Beseitigungen von Mängeln der Software beauftragt. Zwischen 2008 und 2016 hat das Land dafür weitere 2,2 Mio. Euro aufgewandt.
Die Betriebsaufgaben werden von der Datenzentrale und der BITBW arbeitsteilig wahrgenommen. Die BITBW betreibt die Hardware und die Betriebssysteme für das Verfahren MigVIS, die Datenzentrale ist für den Betrieb der Fachanwendung und für Teile des Supports zuständig. Diese Arbeitsteilung zwischen Datenzentrale und BITBW beim Betrieb von MigVIS hat in der Vergangenheit mehrfach zu Unstimmigkeiten geführt.
Die Datenzentrale erhielt für ihre betrieblichen Leistungen das volle vereinbarte jährliche Entgelt, obwohl einige im Vertrag enthaltene Leistungen - beispielsweise die Berechtigungsverwaltung - von der Datenzentrale gar nicht erbracht wurden.
Bis Anfang 2015 hat das Innenministerium die Leistungserbringung der beiden Dienstleister koordiniert. Danach hat es die Verfahrenskoordination und sogar die fachliche Vertretung auf Bundesebene auf das Informatikzentrum Landesverwaltung Baden-Württemberg (IZLBW), den Vorgänger der BITBW, übertragen. Die Datenzentrale wurde Unterauftragnehmer.
Das Innenministerium hat es jedoch versäumt, die im Rahmen der Verfahrenskoordination vom IZLBW bzw. der BITBW zu erbringenden Leistungen konkret festzulegen. Weder die Details zu diesem Aufgabenübergang noch mögliche Konsequenzen hinsichtlich Vertragslage, Auftragsmanagement, Abnahmeverfahren und Rechnungsstellung wurden schriftlich fixiert. Auch die Aufgabenverteilung innerhalb des Innenministeriums war nicht eindeutig geregelt.
In der Folge sind bei allen Beteiligten Unsicherheiten bezüglich der Zuständigkeiten entstanden. So ging beispielsweise der Überblick über die an die Datenzentrale erteilten Aufträge verloren. Außerdem konnten Rechnungen nicht mehr den Aufträgen zugeordnet werden. Teilweise wurden Rechnungen bezahlt, obwohl deren sachliche und rechnerische Richtigkeit noch nicht festgestellt worden war.
3 Empfehlungen
3.1 IT-Unterstützung im Flüchtlingsmanagement verbessern
Das Innenministerium sollte als Akteur im Projekt „Digitalisierung des Asylverfahrens“ und in Zusammenarbeit mit den Regierungspräsidien, den unteren Aufnahmebehörden und allen weiteren beteiligten Stellen das Ziel einer medienbruchfreien Kommunikation mit Nachdruck weiterverfolgen.
Bei der geplanten Neuentwicklung eines Nachfolgeverfahrens für MigVIS sollten insbesondere folgende Punkte beachtet werden:
- Für das Projekt ist eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung durchzuführen. Projektbegleitend und nach Abschluss des Projekts sollte durch kontinuierliche Erfolgskontrollen überprüft werden, ob die Ziele erreicht wurden.
- Bei der geplanten Geschäftsprozessanalyse sollten nicht nur die bestehenden Prozesse erhoben, sondern auch mögliche Optimierungen identifiziert werden.
- Der Leistungsumfang des Verfahrens und die notwendigen Schnittstellen sollten basierend auf der Geschäftsprozessanalyse festgelegt werden. Das Innenministerium sollte prüfen, ob für den geplanten Leistungsumfang Verfahren anderer Länder übernommen werden können oder ob eine länderübergreifende Vorgehensweise in Frage kommt.
- Das neue Verfahren sollte flexibel, modular und erweiterbar sein.
- Auf das Thema Informationssicherheit sollte bei der Neuentwicklung von Anfang an ein besonderes Augenmerk gelegt werden. Dabei sollte nach den Vorgaben des IT-Grundschutzes des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik vorgegangen werden.
3.2 Zuständigkeiten für MigVIS und das Nachfolgeverfahren festlegen und dokumentieren
Das Innenministerium muss seiner Gesamtverantwortung gerecht werden und Steuerungsaufgaben - auch länderübergreifend - stärker wahrnehmen. Aufgaben und Rollen aller Beteiligten müssen festgelegt und dokumentiert werden.
Innenministerium und BITBW sollten prüfen, ob die Betriebsaufgaben vollständig von der BITBW übernommen werden können.
Die Supportstrukturen sollten optimiert werden. Spätestens bei der Einführung eines Nachfolgesystems sollte geprüft werden, ob ein zentraler Support durch die BITBW wirtschaftlicher ist als ein dezentraler Support bei allen vier Regierungspräsidien.
Für den Aufgabenübergang sollten Innenministerium und BITBW - wie nach dem BITBW-Gesetz vorgesehen - ein Feinkonzept erstellen. Darin sind die Zuständigkeiten und Abläufe bei der Entwicklung und Pflege von MigVIS und dem geplanten Nachfolgesystem eindeutig festzulegen. Die von der BITBW zu erbringenden Leistungen sollten in einer mit dem Innenministerium getroffenen Vereinbarung beschrieben und auf dieser Basis abgerechnet werden.
3.3 Übergang der Fachverfahren zur BITBW gestalten
Die BITBW wird künftig immer stärker die technische Entwicklung und Pflege von Fachverfahren aus allen Ressortbereichen übernehmen. Um wirtschaftliche Abläufe zu sichern und Synergien aus der Bündelung erzielen zu können, müssen die eingesetzte Technik, aber auch Zuständigkeiten und Prozesse bei Fachverfahren standardisiert werden. Dies betrifft
- die Definition fachlicher und nicht fachlicher Anforderungen,
- die Vergabe und den Abschluss von Verträgen sowie das Vertragsmanagement,
- die Einholung von Aufwandsschätzungen und Angeboten im Rahmen der Softwarepflege,
- die Entscheidung über deren Realisierung, die Auftragserteilung, -priorisierung und -überwachung,
- den Test,
- die Abnahme und
- die Rechnungsstellung.
Die jetzt für MigVIS bzw. das Nachfolgeverfahren zu treffenden Festlegungen könnten als Vorlage für weitere Fachverfahren dienen. Dabei sollten die Erfahrungen beim Aufgabenübergang von MigVIS zu einer optimierten Vorgehensweise beitragen.
Der Beauftragte der Landesregierung für Informationstechnologie (CIO), die Stelle für IT-Koordination im Innenministerium und die BITBW sollten diese Festlegungen gemeinsam mit den Ressorts treffen und sich dabei auf eine möglichst einheitliche Vorgehensweise verständigen. Dabei ist das Zusammenspiel aller Beteiligten (Fachseite des Ressorts, IT-Leit¬stelle des Ressorts, BITBW sowie etwaige Unterauftragnehmer der BITBW) zu regeln.
Mit den Zuständigkeiten müssen auch die dafür erforderlichen Ressourcen von den Ressorts zur BITBW übergehen.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Innenministerium stimmt den Prüfungsfeststellungen und den daraus abgeleiteten Empfehlungen im Wesentlichen zu. Erste Schritte zur Optimierung seien bereits ergriffen und umgesetzt worden. So plane es unter dem Projektnamen „Digitalisierung in der Migrantenverwaltung“ die Einführung eines stabilen zukunftsfähigen IT-Verfahrens. Die Projektsteuerung sowie die Vertretung im länderübergreifenden Projekt „Digitalisierung des Asylverfahrens“ liege nun im Innenministerium. Die Zuständigkeiten zwischen BITBW und den beteiligten Abteilungen des Innenministeriums seien angepasst worden. Administration und Support für die Nachfolgeanwendung von MigVIS sollen von der BITBW übernommen werden.
Zur künftigen Rolle der BITBW bei Fachverfahren teilt das Ministerium mit, dass mit der Installation einer Fachkoordination in der BITBW Neuland betreten worden sei. Der weitere Aufbau erfolge auf der Grundlage wachsender Erkenntnisse. Der bereits vollzogene Übergang verschiedener Fachverfahren von anderen Ressorts an die BITBW mache deutlich, dass die zur Integration und Standardisierung notwendigen Maßnahmen bereits in die Wege geleitet wurden.
5 Schlussbemerkung
Der Rechnungshof anerkennt die zwischenzeitlich eingeleiteten Schritte in Folge seiner Prüfung des IT-Verfahrens MigVIS.
Dennoch besteht weiterer Handlungsbedarf, um den anstehenden Übergang der Entwicklung und Pflege von Fachverfahren auf die BITBW vorzubereiten und Verzögerungen zu vermeiden.
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Einzelplan 08: Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz
Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz hat bei zehn Förderungen mit zusammen 2 Mio. Euro Ausgaben das gestufte Förderverfahren gewählt. Der Erstempfänger entscheidet über die Weitergabe an die Letztempfänger und prüft die Verwendung. Das Ministerium hat bei der Mehrzahl dieser Förderungen nicht sichergestellt, dass sowohl die Bewilligungsstellen als auch die Erstempfänger hinreichend prüfen. Dadurch blieb beispielsweise bei einem Programm unentdeckt, dass die meisten Letztempfänger für Ausgaben gefördert wurden, die sie gar nicht hatten.
1 Ausgangslage
1.1 Prüfung der Zuwendungen für Kontrollkosten im ökologischen Landbau
Die Finanzkontrolle hatte für die Haushaltsjahre 2012 bis 2014 geprüft, wie das Land Zuwendungen für Kontrollkosten im ökologischen Landbau gewährt. Die Förderung beruhte auf der Verwaltungsvorschrift über Zuwendungen zur Stärkung des ökologischen Landbaus (VwV Ökologischer Landbau).
Durchschnittlich wurden fast 0,4 Mio. Euro jährlich ausgegeben. Das Land wickelte das Förderverfahren mit dem Landesverband Erwerbsobstbau Baden-Württemberg e. V. in Stuttgart als Erstempfänger ab. Dieser gab die Zuwendungen an die zuletzt mehr als 2.500 Letztempfänger weiter und hatte die Aufgabe, die Verwendung zu prüfen.
Die Prüfungsergebnisse boten Anlass, zu untersuchen, wie das Ministerium generell mit gestuften Förderverfahren umgeht.
1.2 Rechtslage
Das Land kann für die Durchführung von Zuwendungsverfahren ein gestuftes Verfahren wählen. Dabei erhalten ein oder wenige Erstempfänger den gesamten Zuwendungsbetrag und geben ihn zweckbestimmt ganz oder teilweise an Dritte (Letztempfänger) weiter. Die Weitergabe von Zuwendungen ist in Nr. 12 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zu § 44 Landeshaushaltsordnung geregelt.
Die Landesbehörden müssen bei solchen Förderverfahren sicherstellen, dass die Vorschriften eingehalten werden. Dies gilt sowohl bezogen auf Erstempfänger als auch auf Letztempfänger. Der Erstempfänger muss die Verwendungsnachweise beim Letztempfänger prüfen können. Für die Bewilligungsbehörde ist das Recht festzulegen, beim Letztempfänger zu prüfen.
Voraussetzung einer Förderung ist, dass die Zuwendung zur Erreichung des Landesinteresses erforderlich ist (Nr. 3.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zu § 23 Landeshaushaltsordnung). Sind förderfähige Ausgaben vom Zuwendungsempfänger nicht getätigt, fehlt es an einer Fördervoraussetzung. Die Erkenntnisse aus der Prüfung der Verwendungsnachweise sind einzubeziehen, um zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für weitere Förderung bestehen (Wirkungserfolg).
Werden Förderungen weitergeleitet, sind die Ausgaben und der Förderzweck insbesondere beim Letztempfänger zu prüfen. Die Bewilligungsbehörde darf sich nicht ohne Kontrolle auf den Erstempfänger verlassen. Sie muss von ihren Prüfungsrechten beim Erst- und beim Letztempfänger Gebrauch machen, damit sie selbst beurteilen kann, ob die Voraussetzungen für die Förderung (noch) vorliegen.
1.3 Verwendung gestufter Förderverfahren
In den Haushaltsjahren 2011 bis 2015 verwendete das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz gestufte Förderverfahren für weitere neun Förderungen. Die jährlichen Ausgaben einschließlich der Kontrollkosten im ökologischen Landbau betrugen zuletzt 2,0 Mio. Euro.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Prüfungsergebnisse beim Förderprogramm Ökologischer Landbau
Beim Förderprogramm Ökologischer Landbau wurden weder die Landeshaushaltsordnung noch die hierzu erlassenen Allgemeinen Verwaltungsvorschriften eingehalten. So wurden insbesondere die Letztempfänger weder vom Erstempfänger noch von der Bewilligungsbehörde geprüft. Die Letztempfänger mussten nicht nachweisen, dass sie die geförderten Ausgaben für Ökokontrollen auch hatten. Die Stichprobe in der Prüfung ergab, dass 70 Prozent der Letztempfänger entweder keine Kontrollkosten bezahlt hatten oder die erhaltene Zuwendung höher war. Die Bewilligungsbehörde prüfte auch nicht, ob der Erstempfänger seinen Verpflichtungen bei der Abwicklung der Förderung nachkam.
Das Ministerium legte nicht fest, wie die Zuwendung an den Landesverband als Erstempfänger und die Weitergabe durch diesen an die Letztempfänger durch das Regierungspräsidium mindestens zu prüfen ist. Dadurch wurde weder festgestellt, wie der Erstempfänger die Weitergabe handhabte, noch, ob die Grundvoraussetzungen der Förderung bei den Letztempfängern (noch) vorlagen.
In einem Viertel der Fälle lag die Förderung an den Letztempfänger unter 100 Euro. Bei diesen Kleinförderungen ergaben sich Verwaltungskosten von 24 Prozent der Fördersumme.
2.2 Kontrollen bei den Erst- und Letztempfängern der übrigen Förderprogramme
Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz teilte für die weiteren genannten Förderprogramme mit, ob und wie die Kontrollen bei den Erst- und Letztempfängern stattfinden:
- Bei einem Programm finden keine Kontrollen der Erstempfänger, bei fünf weiteren Programmen keine dazugehörigen Vor-Ort-Kontrollen bei den Erstempfängern statt. Lediglich bei drei Programmen finden ausreichende Vor-Ort-Kontrollen der Erstempfänger statt.
- Bei einem Programm werden die Letztempfänger weder vom Erstempfänger noch von der Bewilligungsbehörde kontrolliert. Bei vier Programmen werden bei den Letztempfängern keine Vor-Ort-Kontrollen durchgeführt. Bei den anderen vier Förderprogrammen führt die Bewilligungsstelle Vor-Ort-Kontrollen bei den Letztempfängern durch.
2.3 Beurteilungsmaßstab der Finanzkontrolle über die Kontrollpraxis
Wir legten folgende Maßstäbe zur Bewertung der Kontrollpraxis an:
- Vor-Ort-Kontrollen sind in solchen Fällen vorzunehmen, in denen durch die Inaugenscheinnahme Erkenntnisse über die Aktenlage hinaus möglich sind. Ein Abgleich mit den Angaben in den Förderakten ist vorzunehmen.
- Vor-Ort-Kontrollen müssen nicht flächendeckend durchgeführt werden. Stichprobenhafte Vor-Ort-Kontrollen innerhalb eines mehrjährigen Zeitraums sind ausreichend. Die Kontrollabfolge darf für den Förderempfänger nicht erkennbar sein. In Ausnahmefällen kann es angemessen sein, ganz auf Vor-Ort-Kontrollen zu verzichten.
- Die Vor-Ort-Kontrollen dürfen sich nicht auf das „Ob und den Umfang“ beschränken, sondern müssen auch dazu dienen, Erkenntnisse über die Qualität und den Erfolg der geförderten Maßnahme zu gewinnen.
2.4 Bewertung der Kontrollpraxis
Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz hat die Besonderheiten der einzelnen Förderprogramme erläutert.
Für die beiden Förderprogramme, welche über die Marketinggesellschaft Baden-Württemberg - einer Mehrheitsgesellschaft des Landes - abgewickelt werden, kann auf zusätzliche Vor-Ort-Kontrollen verzichtet werden. Die getroffenen Vereinbarungen und die enge Projektbegleitung durch die Marketinggesellschaft Baden-Württemberg führen zu vergleichbaren Erkenntnissen.
Beim Förderprogramm Zukunftsfragen der Verbraucheraufklärung fanden bisher zwar keine Kontrollen statt. Da diese Förderung erst seit 2015 besteht, beanstanden wir fehlende Kontrollen für das erste Förderjahr nicht. Trotzdem ist gerade in den ersten Jahren einer Förderung sicherzustellen, dass das Verfahren richtig durchgeführt wird und notwendige Korrekturen veranlasst werden, damit sich keine falsche Praxis verfestigt.
Bei der ländlichen Weiterbildung werden die notwendigen Angaben zu den Teilnehmenden durch deren Unterschrift bestätigt. Die Förderung je Teilnehmer ist sehr niedrig und weitere Erkenntnisse sind aus örtlichen Erhebungen eher nicht zu erwarten. Die fehlenden Vor-Ort-Kontrollen der Letztempfänger wurden daher von uns nicht beanstandet.
Bei sechs von zehn Förderungen werden keine ausreichenden Kontrollen auf mindestens einer der beiden Stufen durchgeführt. Davon werden bei drei Förderungen die Erstempfänger, bei vier die Letztempfänger nicht ausreichend geprüft.
Auf die beanstandeten Förderprogramme entfallen 1,2 Mio. Euro. Das sind 60 Prozent des oben genannten Fördervolumens.
Bei den als nicht ausreichend bewerteten Programmen fehlen die Prüfungen im angegebenen Bereich entweder vollständig oder die Vor-Ort-Kontrolle wird nicht entsprechend unseren Bewertungsmaßstäben durchgeführt.
Die Vorgehensweise weist bei gestuften Förderverfahren strukturelle Mängel auf. Da die Bewilligungsstellen ihrer Kontrollverpflichtung nicht in ausreichendem Maße nachkommen, kann nicht ausgeschlossen werden (und wurde im Fall des Förderprogramms Ökologischen Landbaus auch festgestellt), dass Zuwendungen nicht zweckentsprechend verwendet werden oder sonstige wesentliche Verstöße unerkannt vorliegen. Zudem kann die Bewilligungsbehörde nicht beurteilen, wie der Erstempfänger die Weitergabe handhabt und ob die Grundvoraussetzungen der Förderung bei den Letztempfängern (noch) vorliegen.
3 Empfehlungen
3.1 Neue Programme befristen und bei Beginn prüfen
Neue Förderprogramme sollten unabhängig vom Fördervolumen zu Beginn immer befristet werden. Außerdem sollten nach dem ersten Jahr Prüfungen beim Erst- und Letztempfänger durch die Bewilligungsbehörde durchgeführt werden. Dadurch sollen von Anbeginn ein funktionierendes Kontrollsystem und ein entsprechendes Bewusstsein der Zuwendungsempfänger gewährleistet werden.
3.2 Laufende Programme stichprobenhaft prüfen
In Fällen, in denen das gestufte Förderverfahren gewählt wird, sollten die Bewilligungsstellen die zweckentsprechende Mittelverwendung und die Fördervoraussetzungen bei den Erst- und Letztempfängern mindestens alle fünf Jahre stichprobenhaft prüfen. Die zu prüfenden Erst- und Letztempfänger sollten zufällig ausgewählt werden, damit nicht erkennbar ist, wann die nächste Stichprobenprüfung ansteht. Zudem sollte der Erstempfänger die Letztempfänger regelmäßig vor Ort prüfen.
3.3 Qualität und Erfolg Vor-Ort prüfen
Bei den Vor-Ort-Kontrollen sollten auch die Qualität und der Erfolg der Fördermaßnahme geprüft werden. Ein Abgleich mit den Angaben in den Förderakten ist vorzunehmen.
3.4 Auf Kleinförderungen verzichten
Das gestufte Förderverfahren wird besonders bei Kleinförderungen gewählt. Trotzdem kann auf eine Überprüfung nicht gänzlich verzichtet werden. Der Anteil der Verwaltungskosten kann nur gering gehalten werden, wenn auf Kleinförderungen verzichtet wird.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz teilte mit, bei der Förderung Ökologischer Landbau (Nr. 10 der Tabelle 1) und bei der Kleintierzuchtförderung (Nr. 6 der Tabelle 1) habe es aufgrund der Prüfung bereits die Vor-Ort-Kontrollen angepasst. So solle das Regierungspräsidium Karlsruhe bei der Förderung Ökologischer Landbau als Bewilligungsbehörde neben der bisherigen Ökokontrolle vor Ort künftig stichprobenweise bei den Erst- und den Letztempfängern prüfen. Zudem werde ein fünfjähriger Kontrollplan ausgearbeitet.
Das Ministerium betont, es sei abzuwägen zwischen dem Erkenntnisgewinn durch die Kontrollen und dem Aufwand für Zuwendungsempfänger und Verwaltung. Dabei sei die Höhe des Programmvolumens und die des Zuwendungsbetrags zu berücksichtigen.
Das Ministerium geht von der Notwendigkeit des jeweiligen Förderprogramms aus. Unter Berücksichtigung der oben genannten Abwägungsgründe würden bei Bedarf oder nach vorheriger Festlegung entsprechende Vor-Ort-Kontrollen durchgeführt.
5 Schlussbemerkung
Der Rechnungshof hält stichprobenhafte Vor-Ort-Kontrollen für unerlässlich, um die Wirksamkeit und Effizienz der Förderung sicherzustellen. Er verkennt nicht, dass bei der Kontrolle der Förderungen Aufwand und Erkenntnisgewinn gegeneinander abgewogen werden müssen.
Aus der Stellungnahme des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz ergibt sich nicht, inwieweit es künftig Befristungen erwägt und bereit ist, auf Kleinförderungen zu verzichten.
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Die Förderung landwirtschaftlicher Betriebe und Haushalte hat massiv an Bedeutung verloren. Die Zielgruppen für den Einsatz von Dorfhelferinnen haben sich grundlegend verschoben.
Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz sollte die Förderung grundsätzlich überprüfen. Jedenfalls sollte es keine Weiterbildungsmaßnahmen mehr fördern, die sich lediglich auf Einsätze in privaten Haushalten beziehen.
Das Einsparvolumen beträgt für die gesamte Förderung jährlich 410.000 Euro. Davon entfallen 240.000 Euro auf Weiterbildungsmaßnahmen ausschließlich für Einsätze in privaten Haushalten.
1 Ausgangslage
1.1 Fördertatbestände für den Einsatz von Dorfhelferinnen und Betriebshelfern/Betriebshelferinnen
Der Einsatz einer Dorfhelferin, eines Betriebshelfers oder einer Betriebshelferin wird gefördert, wenn in einem landwirtschaftlichen Betrieb oder Haushalt eine Hauptarbeitskraft infolge von Tod, Unfall oder Krankheit ausfällt. Dadurch sollen Notlagen überbrückt werden.
Die Kosten für Einsätze erstattet in der Regel die landwirtschaftliche Sozialversicherung. Deren Kostenzusage umfasst einen befristeten Zeitraum. Wenn der Zeitraum für die Kostenzusage abgelaufen ist, können bei Bedarf die Dorfhelferinnen- und Betriebshelfereinrichtungen für den weiteren Einsatz ihrer Fachkräfte eine Förderung des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz in Anspruch nehmen. Dabei gilt eine Prosperitätsgrenze von 60.000 Euro (bei Ledigen 50.000 Euro). Diese Förderung ist historisch gewachsen und seit 1972 in § 14 des Landwirtschafts- und Landeskulturgesetzes (LLG) geregelt. Die dazu ergangene Verwaltungsvorschrift nennt neun anerkannte übergebietliche Einrichtungen, die einen Rechtsanspruch haben, gefördert zu werden.
Neben dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz fördert auch das Sozialministerium Dorfhelferinneneinrichtungen.
Die Dorfhelferinnen- und Betriebshelfereinrichtungen haben ihre Einsatzbereiche im Laufe der Zeit auf private Haushalte erweitert. Sie erbringen hierbei die gleichen Leistungen wie andere Familienpflege- und Dorfhilfedienste, die im ländlichen und städtischen Bereich tätig sind.
1.2 Fördertatbestand für die Weiterbildung der Einsatzkräfte
Weiterbildungsmaßnahmen für Einsatzkräfte von Dorfhelferinnen- und Betriebshelfereinrichtungen fördert bisher ausschließlich das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz. Weder das Sozialministerium noch die Sozialversicherungsträger beteiligen sich an den Weiterbildungskosten.
1.3 Frühere Prüfung und Ziel der aktuellen Prüfung
Die Förderung von Dorfhelferinnen- und Betriebshelfereinrichtungen wurde bereits 2005 geprüft. Dabei hatte sich gezeigt, dass sich die Fördermittel für Einsätze gegenüber denen für die Weiterbildung erheblich verringert hatten. Obwohl die Einsatzkräfte überwiegend in privaten Haushalten ohne landwirtschaftlichen Bezug eingesetzt waren, wurde die Weiterbildung ausschließlich über das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz finanziert.
Mit der aktuellen Prüfung wurden die Haushaltsjahre 2013 bis 2015 betrachtet. Soweit Daten für 2016 vorlagen, wurden sie einbezogen. Im Vordergrund stand die Frage, ob die Förderung noch zweckmäßig ist.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Entwicklung der Fördermittel
Die gesamten jährlichen Fördermittel für die Einsätze und die Weiterbildungen von Dorfhelferinnen und Betriebshelfern/Betriebshelferinnen betrugen 1995 noch 2,1 Mio. Euro. Von 1999 bis 2016 verringerten sie sich von 1,3 Mio. Euro auf 410.000 Euro.
Seit 1999 reduzierten sich die Fördermittel für Einsätze um fast 90 Prozent von 870.000 Euro auf 90.000 Euro. Dagegen sind die Fördermittel für Weiterbildungen nur relativ gering von 430.000 Euro auf 320.000 Euro gesunken.
2.2 Einsätze
2.2.1 Förderumfang bei landwirtschaftlichen Betrieben und Haushalten
Von 2013 bis 2015 förderte das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz insgesamt 66 Einsätze.
Die Fördermittel entfallen fast ausschließlich auf Einsätze in landwirtschaftlichen Betrieben. Lediglich zwei Einsätze in landwirtschaftlichen Haushalten wurden gefördert.
Grund für die Reduzierung ist u. a., dass die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe immer weiter zurückgeht und kleine Familienbetriebe aufgeben. Während 1995 noch über 96.000 landwirtschaftliche Betriebe existierten, war die Zahl 2016 auf etwa 40.000 zurückgegangen. Die verbleibenden Betriebe werden immer größer und überschreiten die Prosperitätsgrenze. Zudem spezialisieren sich Großbetriebe immer stärker. Sie benötigen bei Einsätzen eher Spezialkräfte an Stelle der klassischen Einsatzkräfte, die die Einrichtungen bereithalten.
Die Förderung der Einsätze hat daher deutlich an Bedeutung verloren.
2.2.2 Einsatzbereiche
Weil die Einsätze in landwirtschaftlichen Betrieben stark zurückgegangen sind, haben die Dorfhelferinnen- und Betriebshelfereinrichtungen ihr Einsatzspektrum im Laufe der Zeit auf private Haushalte (ländliche und städtische Haushalte ohne landwirtschaftlichen Betrieb) erweitert. Diese Leistungen werden anschließend mit den gesetzlichen beziehungsweise privaten Krankenkassen der Einsatzfamilien oder mit den Jugendämtern (Jugendhilfe) abgerechnet.
Von 1999 bis 2015 ist der Anteil aller Einsätze der Einrichtungen für solche außerhalb der Landwirtschaft von 31 Prozent auf 60 Prozent gestiegen. Einsätze finden heute überwiegend in privaten Haushalten statt. Insbesondere Dorfhelferinnen werden fast ausschließlich nur noch in privaten Haushalten eingesetzt. Seitens des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz wurden 2015 nur Einsätze von fünf der neun anerkannten überbetrieblichen Einrichtungen gefördert. Dies entsprach lediglich 0,2 Prozent der Einsatzstunden aller geförderten Einrichtungen.
2.2.3 Notlagenüberbrückung in landwirtschaftlichen Betrieben und Haushalten durch das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz
Die landwirtschaftliche Sozialversicherung erbringt eine befristete Versicherungsleistung. Diese soll eine vorübergehende Notsituation zeitlich begrenzt überbrücken.
Eine anschließende Förderung durch das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz erfolgt nur für die zur ordnungsgemäßen Weiterführung des Betriebs beziehungsweise Haushalts unbedingt erforderliche Zeit.
Einsätze, die länger als 30 Tage dauern, können nur in Ausnahmefällen bei besonderer Notlage gefördert werden. In 26 der 66 vom Ministerium geförderten Fälle wurde eine besondere Notlage angenommen. Auf diese Einsätze entfielen fast 70 Prozent der Fördermittel. Bisher fehlten jedoch Kriterien, nach denen eine besondere Notlage bzw. Ausnahmefälle und ein unbedingt erforderlicher Überbrückungszeitraum berücksichtigt werden kann.
2.2.4 Förderung von Einsätzen durch das Ministerium für Soziales und Integration
Das Sozialministerium fördert Maßnahmen zur Versorgung im Vorfeld und Umfeld der Pflegebedürftigkeit sowie Maßnahmen der Familienpflege und Dorfhilfe. Gefördert werden Träger von entsprechenden Diensten unabhängig davon, ob sie im ländlichen Raum oder im städtischen Bereich tätig sind.
Für 2015 wurden u. a. für vier Dorfhelferinneneinrichtungen Zuschüsse von 600.000 Euro ausbezahlt. Die für dieselben Einrichtungen vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz gewährten Fördermittel von 14.000 Euro fallen demgegenüber nicht ins Gewicht.
2.3 Weiterbildung
2.3.1 Förderumfang
Die Fördermittel für Weiterbildungsmaßnahmen für Einsatzkräfte von Dorfhelferinnen- und Betriebshelfereinrichtungen betrugen 2013 bis 2016 durchschnittlich 310.000 Euro je Jahr.
Der hohe Förderumfang für Weiterbildungsmaßnahmen steht im Widerspruch zur geringen Förderung von Einsätzen in landwirtschaftlichen Betrieben und landwirtschaftlichen Haushalten von nur durchschnittlich 120.000 Euro je Jahr.
2.3.2 Weiterbildungsmaßnahmen
Weiterbildungsmaßnahmen sind meist nicht speziell auf den Einsatz in der Landwirtschaft ausgerichtet. Vielmehr betreffen sie hauptsächlich Einsätze in privaten Haushalten.
2013 bis 2015 entfallen im Durchschnitt etwa 240.000 Euro auf Weiterbildungsmaßnahmen, die allgemein Einsätze in Haushalten wie beispielsweise die Familienpflege und die häusliche Pflege betreffen. Insbesondere bei Dorfhelferinnen werden Weiterbildungsmaßnahmen unabhängig davon gefördert, ob sie in landwirtschaftlichen oder privaten Haushalten eingesetzt werden. Beispielsweise entfallen bei einem Dorfhelferinnenwerk im Durchschnitt 90 Prozent der Gesamtförderung von jährlich 130.000 Euro auf die reine Weiterbildung von etwa 180 Einsatzkräften. Die Einsatzkräfte des Dorfhelferinnenwerks erbringen jedoch 90 Prozent ihrer Einsätze außerhalb der Landwirtschaft.
Das Landwirtschafts- und Landeskulturgesetz ist nach seinem § 1 grundsätzlich auf die Förderung der Landwirtschaft und nicht auf die Förderung des ländlichen Raums ausgerichtet. Privathaushalte im ländlichen Raum gehören damit nicht zur Zielgruppe. Zudem werden nach § 8 LLG nur fachliche Weiterbildungen für Tätigkeiten in der Landwirtschaft gefördert. Aufgrund des hohen Anteils an Einsätzen außerhalb der Landwirtschaft ist die Förderung der gesamten Weiterbildungsmaßnahmen nicht mehr durch den ursprünglichen Zweck des Landwirtschafts- und Landeskulturgesetzes gedeckt.
Das Sozialministerium fördert generell keine Weiterbildungsmaßnahmen von Einsatzkräften im Bereich der Familienpflege und Dorfhilfe. Die Träger der Dienste müssen selbst für eine angemessene Fort- und Weiterbildung sorgen.
Vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz werden wenige Einrichtungen nur deshalb gefördert, weil sie früher überwiegend in landwirtschaftlichen Betrieben und Haushalten tätig waren. Dadurch werden andere Dienstleister, wie z. B. Familienpflege- und Dorfhilfedienste, gegenüber den vom Ministerium anerkannten Dorfhelferinneneinrichtungen benachteiligt.
3 Empfehlungen
3.1 Förderanspruch überprüfen
Da sich die Rahmenbedingungen für die Förderung grundlegend geändert haben, sollte das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz prüfen, ob ein derartiger Förderanspruch noch gerechtfertigt ist.
Zumindest sollte § 14 LLG aktualisiert und nach den originären Zielen des Landwirtschafts- und Landeskulturgesetzes ausgerichtet werden. Die Förderung sollte ausschließlich für land- und hauswirtschaftliche Einsätze in landwirtschaftlichen Betrieben und die hierfür erforderliche spezielle Weiterbildung gewährt werden.
3.2 Kriterien für Ausnahmefälle und den Überbrückungszeitraum festlegen
Bei fortbestehender Förderung sollte das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz trotz der geringen Fallzahl der Bewilligungsbehörde Hinweise geben, wie im Einzelfall zwischen einer Notlage und Ausnahmefällen, bei denen der Förderzeitraum verlängert werden kann, zu unterscheiden ist.
3.3 Förderung der Weiterbildung für Einsätze in privaten Haushalten einstellen
Die Förderung der Weiterbildung für Einsätze in privaten Haushalten sollte eingestellt werden.
Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz sollte die Förderung für Einsätze in landwirtschaftlichen Haushalten jedenfalls auf spezielle Weiterbildungsthemen für diese Haushalte beschränken. Hierbei sollte auf eine bedarfsgerechte Anzahl an fortzubildenden Einsatzkräften geachtet werden.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz teilt mit, es habe mit der neuen Verwaltungsvorschrift zur Förderung der Dorfhelferinnen- und Betriebshelfereinrichtungen vom Juni 2016 die Anforderungen des EU-Beihilferechts zusammen mit den Empfehlungen des Rechnungshofs im Wesentlichen umgesetzt. Das Themenspektrum für förderfähige Weiterbildungen sei an die speziellen Belange der landwirtschaftlichen Haushalte und Betriebe angepasst worden.
Das Ministerium strebe zudem an, das Landwirtschafts- und Landeskulturgesetz im Sinne der Empfehlungen des Rechnungshofs zu aktualisieren. Dadurch solle künftig ein Rechtsanspruch auf Förderung nur noch dem Grunde und nicht der Höhe nach gesetzlich begründet sein.
Die Forderung des Rechnungshofs, für Ausnahmefälle und den Überbrückungszeitraum Kriterien festzulegen, lehnt das Ministerium ab. Das Vorliegen eines Notfalls und eines besonderen Notfalls beziehungsweise von Ausnahmefällen könne nur vor Ort und im Einzelfall entschieden werden.
5 Schlussbemerkung
Sollte die Förderung als solche nicht abgeschafft oder als institutionelle Förderung weitergeführt werden, ist jedenfalls die Förderung der Weiterbildung für Einsätze in privaten Haushalten einzustellen.
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Einzelplan 09: Ministerium für Soziales und Integration
Die sieben Zentren für Psychiatrie verfügen über einen unnötig hohen Bestand an liquiden Mitteln, die überwiegend auf Festgeldkonten angelegt sind. Der Rechnungshof empfiehlt, die vorhandene Liquidität zu reduzieren und das System der Investitionsfinanzierung so zu modifizieren, dass die Investitionszuschüsse des Landes erst ausgezahlt werden, wenn aktueller Finanzierungsbedarf besteht. Kredite sollen die Zentren für Psychiatrie künftig nur noch mit Zustimmung des Landtags aufnehmen dürfen.
1 Ausgangslage
Die baden-württembergischen Zentren für Psychiatrie (ZfP) sind im Jahr 1996 als Rechtsnachfolger der früheren Psychiatrischen Landeskrankenhäuser errichtet worden. Sie wurden im Gesetz zur Errichtung der Zentren für Psychiatrie (EZPsychG) als rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts konstituiert. Das Betriebsvermögen der früheren Landeskrankenhäuser wurde den ZfP ungeachtet der Frage, ob es dauerhaft betriebsnotwendig war, unentgeltlich übertragen.
Durch eine Fusion dreier Zentren im Jahr 2009 ergab sich die heutige Struktur der sieben ZfP:
ZfP Südwürttemberg mit den Standorten Bad Schussenried, Weissenau und Zwiefalten,
ZfP Calw-Hirsau,
ZfP Emmendingen,
ZfP Reichenau,
ZfP Weinsberg,
ZfP Wiesloch,
ZfP Winnenden.
Jedes ZfP wird von einem Geschäftsführer geleitet, der seinerseits von einem mit fünf stimmberechtigten Mitgliedern besetzten Aufsichtsrat kontrolliert wird. Jeder der Geschäftsführer leitet mehrere Zentren. Die Vertreter des Sozialministeriums und des Finanzministeriums verfügen in jedem Aufsichtsrat über die Mehrheit der Stimmen.
Die Aufgaben der ZfP sind im Errichtungsgesetz definiert: Im Mittelpunkt stehen das Angebot der Versorgung psychisch Kranker, die Unterbringung von Tätern im Rahmen des Maßregelvollzugs und die Betreuung seelisch Behinderter und Bedürftiger.
Die Finanzierung der ZfP erfolgt aus verschiedenen Quellen: Für den laufenden Betrieb der stationären Krankenversorgung werden von den Krankenkassen und den Privatpatienten Entgelte erhoben (landesweit rund 450 Mio. Euro). Für den Maßregelvollzug leistet das Land einen jährlichen Zuschuss in Höhe von mehr als 100 Mio. Euro. Die Betreuungs- und Pflegeleistungen werden von den Patienten, der Pflegeversicherung und den Sozialleistungsträgern finanziert.
Notwendige Investitionen der ZfP werden überwiegend durch Zuschüsse des Landes finanziert. Die ZfP können diese Zuschüsse im Rahmen des Staatshaushaltsplans aufgrund einer ihnen erteilten Bewirtschaftungsbefugnis unmittelbar bei der Landesoberkasse abrufen.
Ferner sind für die ZfP im Staatshaushaltsplan 2017 bis 2019 Investitionszuschüsse von 50 Mio. Euro für Sanierungs- und Erhaltungsmaßnahmen zur Verringerung der impliziten Verschuldung vorgesehen. Hiervon wurden 2017 bereits 10 Mio. Euro abgerufen.
Der Rechnungshof hat in der Vergangenheit die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Zentren unter verschiedenen Aspekten geprüft.
Im Fokus der aktuellen Prüfung des Rechnungshofs stehen die Entwicklung der liquiden Mittel bei den ZfP und der Umgang mit den Investitionszuschüssen des Landes. Schwerpunktmäßig analysiert wurden die Haushaltsjahre 2012 bis 2016.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Ungewöhnlich hohe liquide Mittel
Bei der Prüfung des Rechnungshofs zeigte sich, dass bei den ZfP ein in dieser Höhe nicht zu erwartender Bestand an liquiden Mitteln vorhanden ist.
Aus den vorliegenden Jahresabschlüssen ergibt sich, dass die einzelnen Zentren am 31. Dezember 2016 jeweils über liquide Geldmittel zwischen 19,6 Mio. Euro (ZfP Weinsberg) und 81,7 Mio. Euro (ZfP Südwürttemberg) verfügten. In Summa hatten die sieben ZfP über 271,6 Mio. Euro zur Verfügung. Zusätzlich bestanden Forderungen über 180 Mio. Euro. Liquide Mittel und Forderungen entsprechen damit in der Summe dem Jahresumsatz aus stationären Krankenhausleistungen.
Der größte Teil der liquiden Geldmittel befindet sich auf Festgeldkonten (2016: 203 Mio. Euro), dazu kommen Guthaben auf Tagesgeld- und Girokonten sowie Bargeld.
Es ist nicht zu erwarten, dass sich der Bestand an liquiden Mitteln bis Ende 2018 nennenswert vermindert.
2.2 Ursachen der hohen Liquidität
Die hohe Liquidität der ZfP geht auf mehrere Ursachen zurück:
- Die ZfP konnten durch Veräußerung von Teilen des ihnen 1996 übertragenen Vermögens (insbesondere von Liegenschaften und ganzen Geschäftsbereichen) Erlöse in Millionenhöhe erzielen. Die Erlöse verblieben im Vermögen der ZfP.
- Die ZfP haben durch erfolgreiche Gestaltung des laufenden Betriebs Jahr für Jahr beachtliche Überschüsse erzielt, die ihnen als Eigenkapital erhalten geblieben sind.
- Nach den Feststellungen des Rechnungshofs wurden den ZfP nahezu jedes Jahr Investitionszuschüsse aus dem Landeshaushalt ausbezahlt, die zur Finanzierung der Investitionen noch nicht erforderlich waren. Dies geschah in vielen Fällen, obwohl die eingeräumte Bewirtschaftungsbefugnis unter dem Vorbehalt stand, dass Investitionszuschüsse nur abgerufen werden dürfen, wenn sie voraussichtlich innerhalb eines Monats zur Finanzierung der geplanten Investitionen benötigt werden. Insgesamt erhöhte sich die Liquidität durch dieses Vorgehen um 33 Mio. Euro.
- An fünf Standorten wurde - objektiv nicht benötigte - zusätzliche Liquidität geschöpft, indem die damaligen Geschäftsführer mit Zustimmung ihrer Aufsichtsräte Kredite aufgenommen haben. Diese Kredite waren Ende 2016 immer noch mit insgesamt 22 Mio. Euro valutiert. Dadurch entstand im Untersuchungszeitraum ein vermeidbarer Zinsaufwand von 1,5 Mio. Euro.
2012 bis 2016 wurden insgesamt 250 Mio. Euro investiert. Da für diese Investitionen neben den Zuschüssen des Landes auch auf Jahresüberschüsse aus den Jahren vor 2012 zurückgegriffen werden konnte, schmälerte dieses Vorgehen die hohe Liquidität nicht entscheidend. Der Bestand an liquiden Geldmitteln erhöhte sich vielmehr im Prüfungszeitraum um 70 Mio. Euro.
2.3 Mögliche Rechtfertigungen der hohen Liquidität
Die Geschäftsführer der ZfP und das Sozialministerium haben im Laufe der Prüfung den hohen Bestand an Liquidität gerechtfertigt. Im Einzelnen werden folgende Gründe vorgetragen.
2.3.1 Liquiditätsreserve
Die ZfP verweisen auf die Notwendigkeit einer Liquiditätsreserve für Notfälle. Beispielhaft wurden langwierige Pflegesatzverhandlungen oder technisch bedingte Betriebsausfälle an einzelnen Standorten genannt.
Der Rechnungshof verkennt nicht, dass eine Liquiditätsreserve für diesen Zweck in überschaubarem Umfang erforderlich ist. Bei stockenden Pflegesatzverhandlungen entrichten die Kostenträger ihre bisher geschuldeten Entgelte jedoch weiter, bei exzeptionellen Katastrophen könnte auf das Land als Gewährträger zurückgegriffen werden. Eine spezielle Vorsorge für diese Fälle erscheint daher nicht erforderlich.
2.3.2 Nicht vorhersehbare Verzögerungen von Investitionen
Weiterhin verweisen die ZfP darauf, dass es bei der Realisierung geplanter Investitionen in einigen Fällen zu unvorhersehbaren Verzögerungen gekommen sei. Dieses Argument wird jedoch dadurch widerlegt, dass die Schwankungsbreite über die Jahre hinweg relativ gering ist (2012 bis 2016 jeweils zwischen 45 und 55 Mio. Euro). Größere Einbrüche beim Abfluss der Investitionsmittel waren im Prüfungszeitraum nicht festzustellen.
2.3.3 Bestand an Verbindlichkeiten
Die ZfP verweisen auf einen Bestand von 107 Mio. Euro kurzfristig fälliger Verbindlichkeiten, die durch liquide Mittel gedeckt werden müssten.
Der Rechnungshof anerkennt dieses Argument, weist aber darauf hin, dass mit 270 Mio. Euro liquiden Geldmitteln ein Liquiditätsgrad I (Verhältnis liquider Geldmittel zu kurzfristigen Verbindlichkeiten) von 253 Prozent erreicht wird. Die betriebswirtschaftliche Literatur hält einen Liquiditätsgrad I von 100 Prozent selbst bei privaten Unternehmen im Allgemeinen für ausreichend, in einzelnen Branchen werden sogar Liquiditätsgrade zwischen 50 und 100 Prozent als angemessen akzeptiert. Beim Liquiditätsgrad II werden auch kurzfristig fällige Forderungen in diese Rechnung einbezogen. Auch solche befinden sich im Portfolio der ZfP.
2.3.4 Gefahr künftiger Jahresdefizite
Die Geschäftsführer der ZfP weisen darauf hin, dass keineswegs gesichert sei, dass auch in Zukunft im laufenden Betrieb beträchtliche Jahresüberschüsse erzielt werden können. Das neue Gesetz zur Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen sieht vor, dass die Entgelte nach Ablauf einer budgetneutralen Phase ab 2020 auf einer anderen Basis als bisher ermittelt werden. Dadurch und durch die verbindliche Mindestpersonalausstattung könnten sich die Betriebsergebnisse in Zukunft erheblich verschlechtern und einen Defizitausgleich aus liquiden Mitteln erforderlich machen.
Die Mindestpersonalausstattung geht in die Verhandlungen über die Entgelte ein und muss nach den gesetzlichen Bestimmungen von den Kostenträgern berücksichtigt werden. Es ist keineswegs zwingend, dass die ZfP ab 2020 jährlich Defizite erwirtschaften.
2.3.5 Sanierungsstau und Sicherheit der Investitionsfinanzierung
Sodann verweisen die Geschäftsführer auf einen nach ihrer Auffassung unbestreitbaren Sanierungsstau bei den Zentren. So hätte man in den Investitionsplänen für den Planungszeitraum 2017 bis 2021 notwendige Investitionen in einem Volumen von landesweit 374 Mio. Euro vorgesehen. Wenn der Rechnungshof mit seinen Vorschlägen dafür sorgen würde, dass diese Investitionen nicht mehr finanziert werden könnten, dann schlüge dies unmittelbar auf die Qualität der Krankenversorgung durch. Außerdem schaffe erst das Vorhandensein liquider Mittel die notwendige Sicherheit, um Investitionen verlässlich planen und realisieren zu können.
Der Rechnungshof bestreitet den technischen Sanierungsbedarf dem Grunde nach nicht. Allerdings hat dieser keine finanziellen Ursachen. Es hat sich gezeigt, dass die ZfP in den letzten fünf Jahren nicht in der Lage waren, Investitionen in einem Volumen über 55 Mio. Euro jährlich umzusetzen. Trotz einer ehrgeizigen, mit ausreichend finanziellen Mitteln unterlegten Investitionsplanung für die Jahre 2012 bis 2016 mit einem Gesamtvolumen von 293 Mio. Euro wurden schließlich nur Maßnahmen im Umfang von 250 Mio. Euro realisiert. Ein realistisches Investitionsvolumen von durchschnittlich 50 Mio. Euro jährlich kann auch in Zukunft erfolgreich finanziert werden.
Ziel der Prüfung des Rechnungshofs ist nicht, die Notwendigkeit von Investitionen infrage zu stellen, sondern diese Investitionen so zu planen und abzuwickeln, dass keine unnötige Liquidität entsteht und die vorhandenen Geldmittel endlich für die Investitionen der ZfP verwendet werden. Die Anlage von Festgeld gehört nicht zu den gesetzlich definierten Aufgaben der ZfP.
Die geforderte Verlässlichkeit der Finanzierung notwendiger Investitionen kann nicht nur durch vorhandene liquide Mittel, sondern auch durch rechtsverbindliche Finanzierungszusagen des Landes gewährleistet werden.
3 Empfehlungen
Mit den folgenden Eingriffen in das System der Finanzierung wird die Liquidität der ZfP angemessen reduziert, ohne das Volumen der vom Land finanzierten Investitionen zu schmälern. Die gute Arbeit der ZfP bleibt unangetastet.
3.1 Pauschale Investitionsförderung
Die Förderung kleinerer Investitionen sollte auch weiterhin durch einen pauschalen Investitionszuschuss erfolgen, über dessen Verwendung die ZfP jeweils im Rahmen ihres Jahresabschlusses Rechnung legen.
Allerdings würde die bei den ZfP vorhandene Liquidität ausreichen, um den Mittelbedarf für kleinere Investitionen in den kommenden drei Haushaltsjahren ohne Inanspruchnahme des Landeshaushalts zu finanzieren.
Der Rechnungshof schlägt deshalb vor, die pauschale Investitionsförderung aus dem Landeshaushalt entweder, soweit dies rechtlich zulässig ist, für drei Jahre auszusetzen (zuletzt 15 Mio. Euro jährlich) und erst dann nach den bisherigen Regeln fortzusetzen oder die pauschale Investitionsförderung dauerhaft zu reduzieren.
Das Sozialministerium muss sicherstellen, dass auch pauschale Zuschüsse für kleine Investitionen nur dann abgerufen werden, wenn der abgerufene Zuschuss voraussichtlich innerhalb eines Monats zur Finanzierung förderfähiger Kleininvestitionen verwendet wird. Soweit die Mittel aus diesem Grund nicht abgerufen werden, sind im Haushalt - falls erforderlich - Ausgabereste zu bilden und nicht Festgeldanlagen der ZfP zu finanzieren. Außerdem muss ausgeschlossen werden, dass sich die ZfP durch abgerufene, aber im Endeffekt nicht benötigte Investitionsmittel Liquidität verschaffen.
3.2 Förderung größerer Investitionen
Soweit das Land größere Investitionen der ZfP fördert, empfiehlt der Rechnungshof im Hinblick auf die sehr gute Liquidität der ZfP einen Systemwechsel. § 10 Absatz 4 Landeskrankenhausgesetz gibt dem Haushaltsgesetzgeber und der Landesregierung für das Verfahren der Förderung einen weiten Gestaltungsspielraum.
Der Rechnungshof schlägt vor, dass das Sozialministerium künftig die für diese Investitionen notwendigen Finanzhilfen des Landes durch einen Bescheid bewilligt, der einen rechtlich verbindlichen Anspruch des jeweiligen ZfP auf Auszahlung der betragsmäßig bestimmten Finanzhilfe begründet. Durch die Rechtsverbindlichkeit des Bescheids ist sichergestellt, dass die ZfP bei Bedarf die Finanzhilfen abrufen können und kein Finanzierungsrisiko besteht.
In diesen Bescheiden ist vorzusehen, dass die ZfP die Investitionen in der Regel aus eigenen Mitteln vorfinanzieren und erst nach ihrer Fertigstellung die Auszahlung der Mittel des Landes beantragen. Bei Investitionen, deren Mittelbedarf die Vorfinanzierungskraft des jeweiligen ZfP übersteigt, sind gestaffelte Abschlagszahlungen nach Baufortschritt vorzusehen. Der Nachweis zweckentsprechender Verwendung der Investitionsmittel erfolgt durch einen Verwendungsnachweis.
Im Landeshaushalt ist in jedem Haushaltsjahr eine Verpflichtungsermächtigung vorzusehen, deren Höhe jenem Haushaltsansatz entspricht, der bisher für die jährliche Förderung von Einzelprojekten eingestellt war (im Durchschnitt der letzten Haushaltsjahre 15 Mio. Euro). Damit wird gesichert, dass durch das neue Finanzierungssystem in Zukunft keine weitergehende Belastung für den Landeshaushalt entsteht als in der Vergangenheit.
3.3 Kreditaufnahmeverbot
Angesichts der sehr guten Liquidität der ZfP kann für die Zukunft auf die im EZPsychG vorgesehene Ermächtigung zur Kreditaufnahme grundsätzlich verzichtet werden, ohne den laufenden Betrieb und die Investitionsfähigkeit der ZfP zu gefährden.
Für den Fall, dass aufgrund außergewöhnlicher Umstände für eine Investition eines Zentrums für Psychiatrie ausnahmsweise eine Kreditaufnahme erforderlich würde, sollte im Hinblick auf die Gewährträgerhaftung des Landes vorgesehen werden, dass ein solcher Kredit nur aufgenommen werden darf, wenn der Landtag der Kreditaufnahme ausdrücklich zustimmt. Das EZPsychG ist entsprechend zu ändern.
Eine Kreditgewährung der ZfP untereinander kann zur landesweiten Steuerung der Liquidität erlaubt werden, wenn die beteiligten Aufsichtsräte zustimmen.
3.4 Derzeit keine Entnahme aus der Sanierungsrücklage erforderlich
Es kann offen bleiben, ob die für die Haushaltsjahre 2018 und 2019 vorgesehenen besonderen Investitionszuschüsse nach § 1 Absatz 3 der Verordnung zu § 18 Landeshaushaltsordnung in Höhe von 40 Mio. Euro von den ZfP für zusätzliche notwendige Sanierungen verwendet werden. Jedenfalls ist dafür angesichts der bei den ZfP vorhandenen Liquidität derzeit keine Entnahme aus der Rücklage für Maßnahmen zum Abbau der impliziten Verschuldung des Landes erforderlich.
Der Rechnungshof empfiehlt deshalb, in den Jahren 2018 und 2019 auf eine Entnahme aus der Rücklage zu verzichten. Bei späteren Entnahmen sollten auch diese Mittel nach dem unter Punkt 3.2 beschriebenen Verfahren zugewiesen werden.
4 Stellungnahmen
4.1 Zentren für Psychiatrie
Die drei Geschäftsführer der ZfP tragen vor, dass die Versorgung psychisch kranker Menschen in Baden-Württemberg in den letzten Jahren kontinuierlich weiterentwickelt und verbessert worden sei. Sie gelte bundesweit als vorbildlich. Die ZfP seien seit 1996 wirtschaftlich solide geführt worden, hätten ihre Risiken durch eigene Betriebsmittel abgemildert und zu keiner Zeit die Gewährträgerschaft des Landes in Anspruch genommen.
Sodann wiederholen die Geschäftsführer die bereits im Prüfungsverfahren vorgetragenen Argumente zur Rechtfertigung der hohen Liquidität. Sie verweisen auf die kurzfristigen Verbindlichkeiten, die Notwendigkeit, mögliche Belegungs- und Ertragsschwankungen durch eine angemessene Risikovorsorge abzusichern, und ihre Rückstellungen für künftige Pensionslasten.
Die vom Rechnungshof kritisierte hohe Liquidität beruhe im Wesentlichen auf Betriebsüberschüssen und stamme nicht aus nicht verbrauchten Investitionszuschüssen. Jedes der Zentren habe im Prüfungszeitraum deutlich mehr investiert, als es dafür Zuschüsse des Landes erhalten habe.
Die heute vorhandenen Mittel seien erforderlich, um jene Investitionen zu finanzieren, für die im Krankenhausinvestitionsplan des Landes keine ausreichende Landesfinanzierung vorgesehen sei. Allein in den Investitionsplänen der ZfP sei bis 2021 ein Finanzierungsbedarf von 374 Mio. Euro vorgesehen, u. a. für den Neubau in Böblingen (39 Mio. Euro), für die Sanierung des Zentralgebäudes in Wiesloch (26 Mio. Euro), den Krankenhausneubau in Lörrach (30 Mio. Euro) und den Neubau der Klinik und des Ambulanzzentrums in Biberach (30 Mio. Euro). Es sei nicht zu erwarten, dass dieser Finanzierungsbedarf auch nur überwiegend vom Land durch Investitionszuschüsse gedeckt werde.
Beachtet werden müsse auch, dass aus den sogenannten Investitionszuschüssen des Landes auch Ausgaben für Mieten von Gebäuden und Anlagegütern, IT-Investitionen und Neu- und Ersatzbeschaffungen für Einrichtungen und Ausstattungen gedeckt werden müssen. Allein dafür seien Jahr für Jahr 20 Mio. Euro erforderlich.
Die zur Beseitigung impliziter Verschuldung zugewiesenen Mittel von 40 Mio. Euro für die Jahre 2018 und 2019 könnten bestimmungsgemäß verwendet werden.
Eine Kürzung der Landesfördermittel zum gegenwärtigen Zeitpunkt wirke angesichts steigender Baukosten und des anstehenden Bau- und Sanierungsvolumens kontraproduktiv und gefährde den Erhalt der Qualität der psychiatrischen Versorgung in Baden-Württemberg. Eine Aussetzung oder Kürzung der pauschalen Investitionsfördermittel berge sogar die Gefahr, dass an den Standorten Weinsberg und Wiesloch die gemeindenahe psychiatrische Versorgung nicht wie geplant aufrecht erhalten werden könne.
Eine Realisierung der Vorschläge des Rechnungshofs verlagere unternehmerische Risiken in den Staatshaushalt.
4.2 Sozialministerium
Das Sozialministerium hält den Vorschlägen des Rechnungshofs rechtliche Bedenken entgegen:
- Die ZfP seien nach § 10 Absatz 4 des Landeskrankenhausgesetzes anderen Krankenhäusern in Baden-Württemberg gleichgestellt und hätten deshalb - wie diese - einen Anspruch auf pauschale Investitionsförderung durch einen festen jährlichen Zuschuss des Landes nach § 9 Absatz 3 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes. Dieser Zuschuss setze keinen ungedeckten Liquiditätsbedarf des Krankenhausträgers voraus und könne daher auch nicht wegen überschüssiger Liquidität ausgesetzt werden.
- Bei der Förderung größerer Investitionen könne das Zuwendungsrecht keine Anwendung finden, da es sich bei den Investitionszuschüssen des Landes um Zuschüsse nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz und dem Landeskrankenhausgesetz und nicht um Zuwendungen handele. Die ZfP hätten insoweit einen Anspruch auf Gleichbehandlung mit den Krankenhäusern in kommunaler und privater Trägerschaft.
Im Übrigen würde die bei den ZfP vorhandene Liquidität im Wesentlichen als Betriebsmittelreserve gebraucht und stehe daher als Substitution für Investitionszuschüsse des Landes nicht zur Verfügung.
Weiterhin bezweifelt das Ministerium, ob ein Kreditaufnahmeverbot angesichts des nach wie vor niedrigen Zinsniveaus tatsächlich sinnvoll ist. Zwar könne auf Kredite verzichtet werden, wenn Investitionsmittel ausreichend zur Verfügung stehen, dann sollten aber nicht gleichzeitig die pauschalen Investitionsmittel ausgesetzt werden.
Hinsichtlich der Erforderlichkeit der für 2018 und 2019 zugewiesenen Sanierungsmittel verweist das Ministerium auf die Stellungnahme der Geschäftsführer der ZfP.
4.3 Finanzministerium
Das Finanzministerium trägt die Empfehlungen des Rechnungshofs grundsätzlich mit.
Es sieht aber für eine Einsparung bzw. Rückforderung der besonderen Sanierungsmittel im Sinne des § 1 Absatz 3 der Verordnung zu § 18 Landeshaushaltsordnung von 20 Mio. Euro für das Jahr 2018 nur begrenzte Möglichkeiten, weil dafür bereits eine Freigabe erfolgt sei.
Ferner hält es ein gesetzliches Verbot der Kreditaufnahme durch die ZfP für nicht erforderlich. Die Entscheidung über die Festlegung des Kreditrahmens sollte wie bisher beim Finanzministerium verbleiben, um die damit verbundene Flexibilität zu erhalten.
5 Schlussbemerkung
Der Rechnungshof bleibt auch angesichts der von den Geschäftsführern der ZfP und der vom Sozialministerium erhobenen Einwendungen bei seinen Empfehlungen.
Wenn die Empfehlungen des Rechnungshofs umgesetzt werden, muss auf keine einzige Investitionsmaßnahme verzichtet werden. Der Rechnungshof verlangt lediglich, dass die Finanzierung der Investitionen nach Zeitpunkt und Höhe an den wirklichen Finanzbedarf der einzelnen Zentren angepasst wird.
Es ist für den Rechnungshof nach wie vor nicht ersichtlich, wie unnötig hohe Bestände auf den Festgeldkonten zur Qualität der Krankenversorgung beitragen sollen.
Selbst wenn die vom Sozialministerium vorgetragenen rechtlichen Gesichtspunkte es ausschließen würden, die pauschale Investitionsförderung des Landes für drei Jahre komplett auszusetzen, steht die Höhe der pauschalen Investitionsförderung im Ermessen des Landes. Das Land kann die besondere finanzielle Situation der ZfP bei der Bemessung der Investitionsförderung berücksichtigen.
Die vom Sozialministerium behauptete Gleichbehandlung zwischen den ZfP und den übrigen vom Land geförderten Krankenhäusern schließt der Gesetzgeber in § 10 Absatz 4 Satz 2 des Landeskrankenhausgesetzes explizit aus. Der Haushaltsgesetzgeber und die Landesregierung sind vielmehr frei, das Verfahren, nach dem landeseigenen Anstalten des öffentlichen Rechts Zuschüsse für größere Investitionen bewilligt und ausgezahlt werden, zweckmäßig und finanzwirtschaftlich sinnvoll zu gestalten.
Der Vorschlag des Rechnungshofs, eine Kreditaufnahme durch die ZfP an die Zustimmung des Landtags zu binden, trägt einerseits dem Argument Rechnung, dass eines Tages Kreditaufnahmen zur Finanzierung von Investitionen notwendig werden könnten, verschafft aber andererseits dem Landtag die Dispositionsbefugnis über Risiken, die einer Garantie oder einer Bürgschaft des Landes vergleichbar sind.
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Einzelplan 10: Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft
In Flussgebieten sind vielfach nicht alle Gemeinden gleichermaßen daran interessiert, eine gesamtheitliche Hochwasserschutzvorsorge gemeinsam umzusetzen. Der Rechnungshof empfiehlt, mit der Landesförderung verstärkt Anreize zur kommunalen Zusammenarbeit zu setzen.
1 Ausgangslage
Zur Hochwasserschutzvorsorge gehören zunächst alle nichttechnischen Maßnahmen, die Schaden mindern. Dies sind z. B. die Festsetzung von Überschwemmungsgebieten, die Reaktivierung von natürlichem Wasserrückhalt sowie die an potenzielle Hochwasser angepasste Bauweise von Gebäuden. Ein unverzichtbarer Bestandteil der Hochwasserschutzvorsorge ist die Verpflichtung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen und Gewerbebetriebe zur privaten Vorsorge (§ 5 Absatz 2 Wasserhaushaltsgesetz). Häufig reichen diese Maßnahmen zum Schutz von bestehenden Siedlungsgebieten nicht aus. Die Hochwasserschutzvorsorge wird dann durch Vorhaben des technischen Hochwasserschutzes wie Deiche, Ufermauern und Hochwasserrückhaltebecken vervollständigt.
Das Land unterstützt die Kommunen und Zweckverbände beim Hochwasserschutz. Auf der Grundlage der Förderrichtlinien Wasserwirtschaft können bei Vorhaben des technischen Hochwasserschutzes bis zu 70 Prozent der zuwendungsfähigen Ausgaben gefördert werden.
Im Land bestehen 43 Zweckverbände, die einen technischen Hochwasserschutz realisieren. Der Rechnungshof hat bei drei Verbänden geprüft, ob die Mittel für die Hochwasserschutzkonzeptionen sowie die Planung und den Bau von Hochwasserschutzanlagen zweckentsprechend und wirtschaftlich verwendet wurden. Bei vier Verbänden wurde betrachtet, wie deren Mitglieder die nichttechnischen Maßnahmen der Hochwasserschutzvorsorge im Verbandsgebiet umsetzen. Für einen Überblick über die satzungsgemäßen Aufgaben wurden 13 Zweckverbandssatzungen eingesehen.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Einzelne Kommunen kooperieren nicht beim Hochwasserschutz
Wirksamer Hochwasserschutz endet nicht an Gemeindegrenzen. Die Hochwasserschutzvorsorge ist in besonderem Maße von einer engen Zusammenarbeit und Abstimmung im gesamten Einzugsgebiet eines Flusslaufs abhängig. Ziel ist es, die Schutzmaßnahmen dort durchzuführen, wo sie am wirksamsten und zugleich wirtschaftlich sind.
Die Wasserwirtschaftsverwaltung unterstützt daher die kommunale Zusammenarbeit. Gemeinsam mit den zur Zusammenarbeit bereiten künftigen Verbandsmitgliedern und beauftragten Planern arbeitet sie die Gesamtkonzeptionen für die künftigen Verbandsgebiete aus.
In einigen Fällen lehnten Kommunen es ab, in einem Verband mitzuwirken, obwohl sie zum zu schützenden Gebiet gehören. Begründet wurde dies u. a. damit, dass durch den erforderlichen Hochwasserrückhalt Flächen verloren gehen, die anderweitig benötigt würden. Diese Kommunen verfolgen nun „eigene“ Lösungen, die von den ursprünglich abgestimmten Gesamtkonzeptionen abweichen.
Die Anreize zur kommunalen Zusammenarbeit in den Förderrichtlinien Wasserwirtschaft reichen nicht aus. Die Wasserwirtschaftsverwaltung kann im Rahmen der Förderung nicht steuernd eingreifen, wenn eine Kommune wegen eigener Interessen einer Solidargemeinschaft für Hochwasserschutz entlang eines Flusslaufs nicht beitritt.
Die Kommunen können trotz des Interesses an einer gesamtheitlichen Hochwasserschutzvorsorge eigene Wege beschreiten. Die Solidarität zwischen Oberlieger und Unterlieger ist nicht verbindlich geregelt. Die Hochwasserschutzmaßnahmen, welche die Anrainer am Oberlauf der Flüsse (Oberlieger) umsetzen, schützen in der Regel auch die von möglichen Hochwasserwellen stärker betroffenen flussabwärtsliegenden Gebiete (Unterlieger). Sind die Oberlieger nicht kooperativ, scheitert der Gemeindegrenzen überschreitende Hochwasserschutz.
Beispiel: Zweckverband Hochwasserschutz Starzeltal, Hechingen, Zollernalbkreis
Die Hochwasserabflüsse der Starzel und deren Nebengewässer führten im Juni 2008 zu einem Jahrhunderthochwasser u. a. in den Ortschaften Burladingen, Jungingen und Hechingen. Drei Personen starben, an Gebäuden und der Infrastruktur gab es Schäden von 40 Mio. Euro.
Die betroffenen Kommunen beauftragten 2010 eine gemeinsame Hochwasserschutzkonzeption, die vom Land gefördert wurde. Ungeachtet dessen entschlossen sich die Stadt Burladingen und die Gemeinde Jungingen, eigenständig ihre Schutzdefizite zu beseitigen. Die Stadt Hechingen und die Gemeinde Rangendingen gründeten Anfang 2013 den Zweckverband Hochwasserschutz Starzeltal. Die vorliegende Hochwasserschutzkonzeption musste mit zusätzlicher Landesförderung überplant werden. Nach einer von der Gemeinde Jungingen veranlassten Studie zum Hochwasserschutz kommt die Gemeinde nicht umhin, ihr eigenes Hochwasserrückhaltebecken zum Schutz der Ortslage zu bauen. Die Finanzierung ist derzeit offen. Keine Informationen liegen vor, ob die Stadt Burladingen bereits eigene Hochwasserschutzanlagen plant.
Ähnlich verhält es sich in einem weiteren geprüften Fall. Die Gemeinde Neuhausen auf den Fildern trat dem Zweckverband Hochwasserschutz Körsch, Denkendorf, Landkreis Esslingen nicht bei. Begründet wurde dies u. a. mit dem Verlust der landwirtschaftlichen Fläche durch das vorgesehene Hochwasserrückhaltebecken.
Der von den überschwemmungsgefährdeten Städten und Gemeinden angestrebte Hochwasserschutz wird dadurch erst später wirksam.
2.2 Die Zweckverbände konzentrieren sich auf den technischen Hochwasserschutz
Bei der Hochwasserschutzvorsorge sollen die nichttechnischen Maßnahmen dem infrastrukturellen Hochwasserschutz vorgezogen werden. Die wirksamste Art, das Schadenspotenzial gering zu halten, besteht in der Bau- und Flächenvorsorge. So können Elementarschäden durch eine hochwasserangepasste Bauweise verringert werden. Ebenso sollen verfügbare oder rückgewinnbare Retentionsräume für den natürlichen Wasserrückhalt gesichert und bauliche Entwicklungen weitgehend aus den Überschwemmungsgebieten herausgehalten werden (§§ 77 ff. Wasserhaushaltsgesetz).
Für eine solche Bau- und Flächenvorsorge gewährt das Land keine Zuwendungen. Die satzungsgemäßen Verbandsaufgaben zielen daher vorrangig darauf ab, potenziell überschwemmungsgefährdete Siedlungsgebiete vor allem mit den kostenintensiven und vom Land geförderten technischen Hochwasserschutzmaßnahmen zu sichern. Die Flächenvorsorge, eine Pflichtaufgabe der Kommunen, wird dagegen zurückhaltend umgesetzt.
Beispiel: Zweckverband Hochwasserschutz Körsch, Denkendorf, Landkreis Esslingen
Das Bauprogramm in der Anlage zur Satzung enthielt vor allem Vorhaben des technischen Hochwasserschutzes. Das Regierungspräsidium Stuttgart wies die Städte und Gemeinden als künftige Verbandsmitglieder darauf hin, dass zur Hochwasserschutzvorsorge neben dem technischen Hochwasserschutz zwingend nichttechnische Vorsorgemaßnahmen erforderlich sind. Die Städte und Gemeinden griffen dies in vorbildlicher Weise auf und setzten auf ihren Gemarkungen Vorsorgemaßnahmen wie Entsiegelungen oder dezentralen Rückhalt von Regenwasser um.
3 Empfehlungen
3.1 Förderung auf kommunale Kooperationen innerhalb eines Gewässereinzugsgebiets konzentrieren
Mit den Fördermitteln der Wasserwirtschaft sollte die kommunale Zusammenarbeit in Form der Oberlieger-/Unterlieger-Verantwortung stärker unterstützt werden.
Ergänzend sollte die Wasserwirtschaftsverwaltung weiterhin intensive Überzeugungsarbeit für die Kooperation aller Kommunen im Flusseinzugsgebiet leisten.
Den noch zu gründenden und bestehenden Zweckverbänden sollten bei der Förderung keine Nachteile entstehen, wenn sich einzelne Kommunen gegen eine Zusammenarbeit bei der Umsetzung einer fachtechnisch abgestimmten Gesamtkonzeption für die Hochwasserschutzvorsorge entscheiden.
Es sollte geprüft werden, ob durch gestaffelte Fördersätze die Bereitschaft für kommunale Kooperationen unterstützt werden kann. Aus Sicht des Rechnungshofs bietet sich an, dass Einzelvorhaben, die von Gesamtkonzeptionen abweichen, geringere Fördersätze erhalten. Die Förderrichtlinien Wasserwirtschaft sollten entsprechend angepasst werden.
3.2 Die Wasserbehörden sollten sich bei den Kommunen noch intensiver für die Hochwasserschutzvorsorge einsetzen
Die Erfahrungen vergangener Hochwasserereignisse zeigten, dass Schäden vor allem eintraten, weil die Schutzbauten nicht ausreichten oder versagten und die Wassermengen ungehindert in die Siedlungsgebiete eindrangen. In der Folge wird die Bau- und Flächenvorsorge gerade bei solchen Ereignissen immer wichtiger.
Die technischen Fachbehörden der unteren Wasserbehörden und die Bewilligungsstellen sollten daher künftig bei den Fördervorhaben stärker darauf hinwirken, dass zur fachtechnischen Abstimmung der Gesamtkonzeptionen nicht nur Vorhaben des technischen Hochwasserschutzes, sondern auch Bau- und Flächenvorsorgemaßnahmen einbezogen werden.
Die zuständigen Wasserbehörden sollten bei der Anhörung als Träger öffentlicher Belange und im Rahmen der allgemeinen Gewässeraufsicht von den Kommunen intensiver die nichttechnische Hochwasserschutzvorsorge einfordern.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft begrüßt, dass der Rechnungshof bei der Prüfung von Zuwendungen an Zweckverbände zum Bau von Hochwasserschutzanlagen auch die Maßnahmen der Hochwasserschutzvorsorge und des Flächenmanagements berücksichtigt.
Das Ministerium führt aus, dass die Entscheidung, in welcher Trägerschaft eine Kommune notwendige Hochwasserschutzmaßnahmen plant, baut und betreibt, eine weisungsfreie Angelegenheit der Kommunen ist. Gemäß den Förderrichtlinien Wasserwirtschaft würden kommunale Zusammenschlüsse bei der Ermittlung von Fördersätzen bereits bevorzugt behandelt. Die Vorgaben der Förderrichtlinien hinsichtlich nicht kooperationsbereiter Kommunen sollen überprüft werden.
Die Umsetzung von Maßnahmen zur Hochwasserschutzvorsorge, wie sie im Rahmen des Hochwasserrisikomanagements gemeindescharf erarbeitet wurden, sei Pflichtaufgabe der jeweiligen Kommune und in der Regel keine Verbandsaufgabe. Das Ministerium werde aber die Möglichkeit prüfen, inwieweit in Verbandssatzungen auf die Umsetzung von nichttechnischen Hochwasserschutzmaßnahmen hingewiesen werden könne.
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Die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg betreibt seit Jahren IT-Mehrfachstrukturen. Ihre IT-Prozesse sind häufig unstrukturiert und heterogen. Die Landesanstalt steuert, optimiert bzw. konsolidiert ihre IT in wesentlichen Teilen nicht ausreichend. Sie sollte den Übergang der IT zur Landesoberbehörde IT Baden-Württemberg sorgfältig vorbereiten und die festgestellten Mängel zügig bereinigen.
1 Ausgangslage
Die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg entstand 2006 aus der Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg und dem Zentrum für Umweltmessungen, Umwelterhebungen und Gerätesicherheit. Seit 1. Dezember 2017 führt sie - bei unveränderten Aufgaben - den Namen Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW). Sie ist rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts und zugleich staatliche Einrichtung, hat damit Selbstverwaltungsrecht und steht gleichzeitig unter Aufsicht des Landes. Weite Teile der Landeshaushaltsordnung gelten für sie nicht. Stattdessen hat sie das Handelsgesetzbuch anzuwenden.
Der Rechnungshof hat 2016/2017 - rund zehn Jahre nach der Gründung - die IT der LUBW erstmals umfassend geprüft. Die IT der Messnetze für Hochwasser, Radioaktivität und Luft wurde bereits im Beitrag Nr. 11 der Denkschrift 2017 dargestellt.
Das Gesetz zur Errichtung der Landesoberbehörde IT Baden-Württemberg (BITBWG) ist Basis für die IT-Neuordnung des Landes. Auch die LUBW darf IT nur noch selbst erledigen, wenn diese nicht als Aufgabe auf die Landesoberbehörde IT Baden-Württemberg (BITBW) übertragen oder als IT-Dienstleistung bei der BITBW zu beauftragen ist.
Die IT-Aufgaben (z. B. der Betrieb von Weitverkehrsnetzen und Firewalls) sollten nach BITBWG seit dem 1. Juli 2016 an die BITBW abgegeben sein. Betriebliche IT-Dienstleistungen sind ab dem 1. Juli 2018 von der BITBW zu beziehen, es sei denn, vor dem Stichtag wurde ein anderer Zeitpunkt vereinbart. Für die IT-Dienstleistung „Entwicklung und Pflege von Fachverfahren“ gilt die Nutzungspflicht spätestens ab dem 1. Juli 2021.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Umsetzung der IT-Neuordnung
Bei der praktischen Umsetzung der IT-Neuordnung zeigte sich, dass sich IT-Aufgaben und IT-Dienstleistungen häufig nicht voneinander trennen lassen und deshalb auch nicht zu unterschiedlichen Zeitpunkten auf die BITBW übergehen können. Zwischen dem Innenministerium und den betroffenen Behörden wurden in solchen Fällen Vereinbarungen - im Sinne eines Gesamtpakets - getroffen, die den Übergang abweichend von den ursprünglichen Vorgaben regeln.
Entsprechend wurde die LUBW über den 1. Juli 2016 hinaus mit der Erledigung von IT-Aufgaben betraut. Da der Stichtag 1. Juli 2018 für die Beauftragung von betrieblichen IT-Dienstleistungen für die LUBW nicht eingehalten werden kann, verzögert sich auch der Aufgabenübergang weiter.
2.2 IT-Dienstleistungen
Die IT der LUBW dient überwiegend dem Eigenbetrieb. Mit dem Umweltinformationssystem Baden-Württemberg entwickelt die LUBW Fachanwendungen für sich und für Dritte. Insbesondere die Regierungspräsidien und die Unteren Verwaltungsbehörden betreiben diese Fachanwendungen in eigenen Rechenzentren und erheben damit Daten, welche die LUBW zur Erledigung ihrer Fachaufgaben benötigt. Die LUBW ist somit kein klassischer IT-Dienstleister und nicht vergleichbar mit IT-Zentren, die IT-Dienstleistungen für Dritte erbringen.
2.3 Organisation und IT-Strukturen
Die LUBW betreibt vier weitgehend eigenständige Rechenzentren in verschiedenen Organisationseinheiten, die überwiegend unabhängig voneinander arbeiten. Dabei handelt es sich um das Informationstechnische Zentrum (Abteilung 5) sowie um je ein Rechenzentrum für drei Messnetze der LUBW (Referate 32, 33 und 43). Außerdem betreibt sie verteilt auf zwei Abteilungen in drei Referaten drei User Help Desks (UHD) zur Bearbeitung von IT-Anliegen und IT-Störungsmeldungen der Anwender. Durch diese Mehrfachstrukturen arbeiten Mitarbeiter in unterschiedlichen Organisationseinheiten mit unterschiedlichen Zeitanteilen auf unterschiedliche Art an vergleichbaren Tätigkeiten. Selbst ihre Arbeitsmittel sind verschieden. Die UHD nutzen z. B. unterschiedliche und in einem Fall keine UHD-Software.
Die LUBW versäumte es, ihre IT zu einer Einheit zusammenzuführen und homogene IT-Strukturen zu schaffen. Sie begründet das mit speziellen Anforderungen der Messnetze sowie mit unterschiedlichen Aufgaben und Zielgruppen. Dabei verkennt sie, dass die Basisanforderungen und -techniken gleich sind. Spezielle Bedarfe und Ausprägungen können auch im konsolidierten Rechenzentrumsbetrieb berücksichtigt werden. Die LUBW hat weder Synergien beim Personaleinsatz und den Sachkosten gehoben noch eine Spezialisierung und Vertiefung im IT-Betrieb und der Architektur verfolgt.
2.4 Ressourceneinsatz für IT
Alle Organisationseinheiten der LUBW mit IT-Zuständigkeiten lassen sich in wesentlichem Umfang von externen IT-Dienstleistern unterstützen.
Die LUBW setzt rund 40 Vollzeitäquivalente, das sind 9 Prozent ihrer Personalressourcen, für IT ein. Für eine Organisation mit primärem IT-Eigenbetrieb und untergeordnetem IT-Dienstleistungscharakter ist das hoch. Trotzdem klagt die LUBW im IT-Bereich über Personalmangel und begründet damit auch ihren umfangreichen Einsatz externer IT-Dienstleister.
Der hohe Ressourceneinsatz für IT hängt auch damit zusammen, dass Fach- und IT-Zuständigkeiten stark vermischt und kleinteilig in Personalunion wahrgenommen werden. Tätigkeiten der IT werden deshalb häufig von Fachpersonal ohne spezielle IT-Ausbildung erledigt. Zudem ist das interne und externe Personal in den vier Rechenzentren parallel mit gleichen Fragen beschäftigt. Das ist nachteilig für den IT-Betrieb und die IT-Sicher¬heit. Der Zuständigkeitswechsel zur BITBW kann diese Problematik lösen, wenn die aufsummierten LUBW-Stellenanteile für IT an die BITBW kompetenzwahrend übergehen.
2.5 Kosten- und Leistungsrechnung für IT
Die bestehende Kosten- und Leistungsrechnung der LUBW ist nicht geeignet, die IT-Kosten belastbar zu bestimmen. Entsprechende Kosten werden häufig den Fachprodukten der LUBW zugerechnet, ohne als solche erkennbar zu sein. Das ist auch der Fall, wenn Fachaufgaben durch externe IT-Dienstleister erbracht werden. Auf dieser Basis können keine Preise für IT-Leistungen kalkuliert und aktualisiert werden; eine IT-Steuerung ist damit bestenfalls eingeschränkt möglich. Auch ein Vergleich der IT-Kosten vor und nach dem Zuständigkeitsübergang zur BITBW wird nicht sachgerecht möglich sein.
2.6 IT-Betrieb (Netz, Software-Verteilung und Migration)
2.6.1 Netze und Firewalls
Seit 2009 sind Netzwerkthemen beim Informatikzentrum Landesverwaltung Baden-Württemberg (heute BITBW) zu bündeln. Trotzdem betrieb die LUBW im Zeitraum der Prüfung neben ihren lokalen Netzwerken noch mehrere Firewalls mit separaten Zugängen ins Internet und in das Landesverwaltungsnetz mit Unterstützung externer IT-Dienstleister. Die Folge sind höhere Personal- und Sachkosten. Mit dem Aufgabenübergang zur BITBW wird sich das erledigen.
2.6.2 IT-Systeme, -Prozesse und -Servicemanagement
Die vier Rechenzentren arbeiten teilweise mit veralteten Betriebssystemen, die vom Hersteller nicht mehr unterstützt werden. Damit und mit manuellen Softwareinstallationen, die von verschiedenen dezentralen Administratoren durchgeführt werden, steigt das Risiko eines instabilen IT-Betriebs. Auch die Existenz dreier UHD und die fehlenden einheitlichen Werkzeuge zur Erfassung und Auswertung der Hard- und Software sowie der Service Calls zeigen, dass vergleichbare IT-Prozesse innerhalb der LUBW uneinheitlich organisiert sind. Das IT-Servicemanagement der LUBW ist durchgehend verbesserungsbedürftig.
2.6.3 IT-Dokumentationen
Die IT-Dokumentationen der LUBW sind häufig veraltet, unvollständig, nicht nachvollziehbar oder nicht vorhanden. Das betrifft insbesondere die Dokumentationen der Arbeitsprozesse (z. B. des UHD), die Projektarbeit, die Hardware, die Software(lizenzierung), die Backup- sowie Notfall- und Vorsorgekonzepte sowie die Abhängigkeiten der IT-Systeme. Die LUBW hat z. B. keine verlässliche Übersicht über die von ihr eingesetzten Anwendungen. Auch ein ordnungsgemäßes Verfahrensverzeichnis nach § 11 Landesdatenschutzgesetz hat sie nicht vorgelegt. Außerdem führt die LUBW zur Dokumentation/Überwachung von IT-Ausgaben in ihren Akten noch umfangreiche handschriftliche Listen, obwohl dafür z. B. auch einfache Tabellenkalkulations-Software genutzt werden könnte. Die Anlagenbuchhaltung zeigt, dass das Bestandsverzeichnis der LUBW auch lange ausgesonderte IT-Bestände enthält.
2.6.4 Informationssicherheit
Für die Landesverwaltung ist Informationssicherheit seit Jahren Pflicht. Die zum 1. Mai 2017 in Kraft getretene Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zur Informationssicherheit orientiert sich am IT-Grundschutz des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik. Eine im laufenden Betrieb ausreichende bzw. funktionierende Informationssicherheit allein genügt den Anforderungen nach IT-Grundschutz nicht; auch die entsprechenden Dokumentationen sind notwendig. Die LUBW hat trotz vorhandener personeller Ressourcen versäumt, zielorientiert nach IT-Grundschutz vorzugehen und ihre Maßnahmen zu dokumentieren.
2.7 Strategische Weiterentwicklung der IT
Die LUBW hatte ihren 2014 begonnenen Strategieprozess im Zeitraum der Prüfung noch nicht abgeschlossen. Insbesondere sind für die IT-Neuord-nung relevante Kernkompetenzen und einzelne zurückgestellte strategische Initiativen noch nicht ausgearbeitet. Dies betrifft u. a. das Informationstechnische Zentrum, das nach den Vereinbarungen im aktuellen Koalitionsvertrag unter den Rahmenbedingungen der IT-Neuordnung zu einem „Kompetenzzentrum Umweltinformatik“ weiterentwickelt werden soll. Auch die Prüfung der Rechtsform ist offen. Bei der IT-Gesamtkonzeption der LUBW besteht dringender Handlungsbedarf.
2.8 Fazit
Die Fachaufgaben der LUBW sind in der Landesverwaltung vielfach einzigartig; für ihre IT-Basistechniken und Prozesse gilt das nicht. Wegen ihrer für IT ungeeigneten Kosten und Leistungsrechnung, ihrer ungenügenden Dokumentationen, heterogener IT-Prozesse und ihres unterentwickelten IT-Servicemanagements kann die LUBW ihre IT und deren Kosten nicht analysieren, bewerten und steuern. Die LUBW vernachlässigt damit wichtige Grundsätze einer wirtschaftlichen IT. Gleichzeitig fehlt - unter Verweis auf das Funktionieren der Systeme im täglichen Betrieb - häufig die Einsicht in die Notwendigkeit der Umsetzung von Maßnahmen, die in der Landesverwaltung längst beschlossen sind und etabliert sein sollten. Es ist absehbar, dass dadurch der Zuständigkeitswechsel zur BITBW erheblich erschwert wird.
3 Empfehlungen
3.1 Kosten- und Leistungsrechnung für IT etablieren
Die LUBW muss ihre IT stetig analysieren, bewerten und steuern, um sie wirtschaftlich und verlässlich zu gestalten. Dazu sollte sie eine geeignete Kosten- und Leistungsrechnung für IT sowie ein IT-Controlling etablieren.
3.2 Grundlagen für eine verlässliche IT schaffen
Die LUBW hat ihre IT zielorientiert, systematisch und nachvollziehbar zu dokumentieren. Das gilt insbesondere für Bausteine und Maßnahmen nach IT-Grundschutz. Eine Zertifizierung nach IT-Grundschutz sollte sie in sinnvollen Abständen prüfen. Sie muss ihre IT-Dokumentationen an die BITBW übergeben. Künftig sollte sie IT-steuerungsrelevante Informationen bei der BITBW einholen.
3.3 Strategieprozess zügig abschließen
Mit Blick auf die anstehenden Veränderungen im IT-Bereich und die hierfür notwendigen Entscheidungen sollte die LUBW ihren 2014 begonnenen Strategieprozess zügig abschließen und zurückgestellte strategische Initiativen einbeziehen.
3.4 IT-Betrieb optimieren und Migration sorgfältig vorbereiten
Der Zuständigkeitswechsel zur BITBW bedarf einer sorgfältigen Vorbereitung. Die LUBW sollte die festgestellten Mängel zügig bereinigen - soweit möglich im Vorfeld der Migration zur BITBW und wo nötig gemeinsam mit der BITBW. Insbesondere sollte sie
- IT-Prozesse standardisieren, konsolidieren und professionalisieren,
- Möglichkeiten der Automatisierung nutzen (z. B. Installation, Überwachungslisten),
- eine jährliche Inventur ihrer IT-Bestände durchführen und jeweils ihr Bestandsverzeichnis um Aussonderungen bereinigen,
- ein Verzeichnis mit allen bei ihr eingesetzten Anwendungen sowie ein Verzeichnis nach § 11 Landesdatenschutzgesetz erstellen und pflegen,
- ihre Projekte mit IT-Bezug im Projektstil erledigen, d. h. Ziele, Sachstände, Ergebnisse und Planabweichungen nachvollziehbar dokumentieren,
- separate Rechenzentren der Fachbereiche auflösen,
- Fach- und IT-Aufgaben sachgerecht und handhabbar abgrenzen,
- IT-Zuständigkeiten aus den Organisationseinheiten herauslösen und die kumulierten Stellenanteile an die BITBW übertragen,
- ihre verbleibenden Vollzeitäquivalente für IT evaluieren und entsprechend reduzieren sowie
- verbleibende IT-Personalressourcen zur IT-Steuerung, für die Informationssicherheit und als Schnittstelle zur BITBW einsetzen.
Fachliche Fragen und fachliche Konzeptionen sollten beim Informationstechnischen Zentrum bzw. beim vorgesehenen Kompetenzzentrum Umweltinformatik angesiedelt werden. Technische IT-Konzeptionen sowie alle technischen Umsetzungen müssen in die Zuständigkeit der BITBW gelegt werden.
4 Stellungnahme der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg
Die LUBW teilt im Einvernehmen mit dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft mit, dass sie zwischenzeitlich einen erheblichen Teil der Aufgaben und IT-Dienstleistungen an die BITBW übertragen habe. Vereinbarte Migrationszeitpunkte würden nach derzeitigem Sachstand eingehalten.
Ihren Personaleinsatz für IT beurteilt die LUBW angesichts ihres Aufgabenspektrums als „nicht zu hoch“. Eine enge Verzahnung zwischen IT- und Facharbeit sei aufgrund der fachlichen Anforderungen notwendig. Die IT-Dokumentationen seien, auch wenn sie nicht digital sondern handschriftlich erfolgten, angemessen und erfüllten die Anforderungen.
Die Existenz von vier Rechenzentren begründet die LUBW mit speziellen Anforderungen in den einzelnen fachlichen Bereichen. Angesichts der Schadenspotenziale bestünden besondere Anforderungen an die Leistungserbringung und den Personaleinsatz. Daher müsse bei einer Homogenisierung der IT, der Rechenzentren und der UHD sensibel und verantwortungsbewusst vorgegangen werden. Es sei selbstverständlich, dass nach der Migration von Aufgaben und IT-Dienstleistungen zur BITBW deren UHD genutzt werde. Für den „verbleibenden Anteil“ werde die Einrichtung eines zentralen UHD bei der LUBW sowie die Eignung der Werkzeuge der BITBW geprüft.
Zusammen mit dem Umweltministerium entwickelte Vorstellungen in Bezug auf das Kompetenzzentrum Umweltinformatik würden derzeit mit dem Beauftragten der Landesregierung für Informationstechnologie (CIO) abgestimmt. In diesem Zusammenhang werde auch die Einbeziehung der dezentralen Rechenzentren geprüft und die IT-Sicherheit vorangetrieben.
5 Schlussbemerkung
Der Rechnungshof hält an seinen Feststellungen und Empfehlungen fest.
Die Stellungnahme des Ressorts lässt erste Schritte in die richtige Richtung erkennen. Zwar sind verschiedene Maßnahmen angestoßen oder in Vorbereitung; die vorhandenen Defizite werden aber nicht durchgehend kritisch reflektiert. Der Prozess sollte intern wie auch in der Zusammenarbeit mit der BITBW intensiviert werden.
Die Ausgestaltung des Kompetenzzentrums Umweltinformatik muss sich, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, in die Rahmenbedingungen der IT-Neuordnung einfügen. Im Interesse eines erfolgreichen IT-Gesamtprozesses sollte hierauf in Zusammenarbeit mit dem Beauftragten der Landesregierung für Informationstechnologie (CIO) besonders geachtet werden.
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Einzelplan 12: Allgemeine Finanzverwaltung
Die Arbeitsqualität der Veranlagungsstellen bei den bedeutsamen Steuerfällen weist immer noch Verbesserungspotenziale auf. Fehlerhafte Steuerfestsetzungen führen zu Einnahmeverlusten in Millionenhöhe. Hauptursachen für die mangelhafte Arbeitsqualität sind das nach wie vor komplizierte und anwendungsfeindliche Steuerrecht sowie die noch immer unzureichende IT-Unterstützung.
1 Ausgangslage
Der Rechnungshof und die Staatlichen Rechnungsprüfungsämter untersuchen seit Jahren die Arbeit der Finanzämter im Land. Im Fokus der Prüfung steht dabei regelmäßig die Frage, ob die Steuern rechtzeitig und vollständig erhoben wurden. Schwerpunkt entsprechender Erhebungen waren in den letzten Jahren die Veranlagungsstellen als Kernbereich der Finanzämter.
Zum einen wurden dabei potenzielle Fehlerschwerpunkte vertieft untersucht. Daraus leitete der Rechnungshof Vorschläge ab, wie die Arbeitsqualität verbessert werden kann. Diese sind teilweise auf den Weg gebracht, einige bereits umgesetzt worden. So wurden beispielsweise die Empfehlungen des Rechnungshofs zu den elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen weitgehend umgesetzt. Ebenso ist die Landesregierung den Vorschlägen des Rechnungshofs zum Umgang mit den Rentenbezugsmitteilungen gefolgt. Auch beim Thema „Kirchenabgeltungsteuer“ hat die Landesregierung, soweit sie allein tätig werden konnte, den Empfehlungen des Rechnungshofs entsprochen.
Zum anderen wurden ganz überwiegend bedeutsame Steuerfälle mit hohen Einkünften und mehreren Einkunftsarten in ihrer ganzen Breite geprüft. Diese wurden nach Risikokriterien gezielt ausgewählt. 2011 bis 2017 wurden solche bedeutsamen Steuerfälle bei insgesamt 57 Finanzämtern untersucht. Die Ergebnisse sind nachfolgend zusammengefasst dargestellt.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Geprüfte und beanstandete Steuerbescheide, Fehlerquote
In Tabelle 1 sind - aufgegliedert nach den unterschiedlichen Fallarten - die Zahl der geprüften und der beanstandeten Steuerbescheide sowie die Fehlerquote dargestellt.
In den untersuchten Finanzämtern haben wir insgesamt 29.006 Steuerbescheide vollumfänglich geprüft. In 13.007 Fällen ergaben sich Beanstandungen. Die durchschnittliche Fehlerquote beträgt damit 45 Prozent. Die höchste Fehlerquote - 48,6 Prozent - ergab sich bei den Einkommensteuerfällen.
Zudem wurden 3.616 Steuerbescheide hinsichtlich unterschiedlicher Themen punktuell geprüft. Davon wurden 1.764 Bescheide (48,8 Prozent) beanstandet.
2.2 Einkommensteuerfälle
2.2.1 Fehlerquoten nach Verantwortungsbereichen
Die Finanzverwaltung führte 2008 ein Risikomanagementsystem ein. Dieses zeigt mittels Hinweisen die mutmaßlich risikobehafteten Teilbereiche der Steuererklärung auf. Bei jeder erstmaligen Veranlagung sind grundsätzlich nur diese Bereiche vom Bearbeiter zu prüfen. Dadurch können zwei Verantwortungsbereiche innerhalb eines Einkommensteuerfalls entstehen: Der Verantwortungsbereich des Risikomanagementsystems und der des Bearbeiters.
In Tabelle 2 sind für die geprüften Einkommensteuerfälle (ohne Arbeitnehmerfälle) die Fehlerquoten nach Verantwortungsbereichen aufgeführt. Fälle, für die sowohl die Bearbeiter als auch das Risikomanagementsystem verantwortlich sind, enthalten zwei Verantwortungsbereiche und werden daher in beiden Bereichen gezählt.
Die wesentlich geringere Fehlerquote im Verantwortungsbereich des Risikomanagementsystems dürfte hauptsächlich durch die Auswahl unserer Prüffälle beeinflusst sein. Bei diesen bedeutsamen Steuerfällen steuert das Risikomanagementsystem die meisten Sachverhalte aufgrund ihres Risikogehalts regelmäßig zur personellen Bearbeitung aus. Sachverhalte mit geringem Risiko kommen in diesen Fällen zum einen also nur recht selten vor. Zum anderen beschränken sie sich dann zumeist auf sehr einfache Problemstellungen.
2.2.2 Fehlerquoten nach Veranlagungszeiträumen
Tabelle 3 zeigt auf, wie sich die Fehlerquote bei den Einkommensteuerfällen (ohne Arbeitnehmerfälle) zeitlich entwickelt hat. Die beiden Verantwortungsbereiche „Bearbeiter“ und „Risikomanagementsystem“ werden dabei gesondert dargestellt.
Im Verantwortungsbereich der Bearbeiter verringerte sich die Fehlerquote in den Veranlagungszeiträumen 2013 und 2014 im Vergleich zum Vorjahr 2012. Gleichwohl liegt sie noch deutlich über den Werten der früheren Jahre. Im Gegensatz dazu zeigt die Beanstandungsquote im Verantwortungsbereich des Risikomanagementsystems bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2014 eine steigende Tendenz.
Für 2015 waren die Steuerfälle zum Zeitpunkt unserer Prüfungen vielfach noch nicht veranlagt. Den Fehlerquoten liegen daher deutlich weniger geprüfte Fälle zugrunde. Eine abschließende Bewertung für 2015 ist deshalb noch nicht möglich.
2.3 Fehler im Verantwortungsbereich des Risikomanagementsystems
Die Prüfungen bei den Veranlagungsstellen führten zu insgesamt 22.640 Beanstandungen. Davon waren 3.105 vom Risikomanagementsystem zu verantworten. Die besonders fehleranfälligen Bereiche sind in Tabelle 4 dargestellt.
Den Schwerpunkt bei den Sonderausgaben bildete mit 511 Feststellungen der unzutreffende Ansatz der Kirchensteuer. Bei den Werbungskosten der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit waren am häufigsten die Kosten für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu beanstanden (126).
2.4 Fehler im Verantwortungsbereich der Bearbeiter
19.535 der im Veranlagungsbereich getroffenen 22.640 Feststellungen waren von den Bearbeitern zu verantworten. Die besonders fehleranfälligen Bereiche sind in Tabelle 5 dargestellt.
Die bei den Sonderausgaben festgestellten Fehler und deren finanzielles Volumen entfallen zu mehr als der Hälfte (1.862) bzw. zu knapp zwei Drittel (4,6 Mio. Euro) auf den unzutreffenden Ansatz der Kirchensteuer. Ein Drittel der Fehler (1.183) und ein Viertel des Fehlervolumens beim Sonderausgabenabzug (2 Mio. Euro) resultieren aus dem unzutreffenden Ansatz von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Von den Fehlern bei den Werbungskosten aus nichtselbstständiger Arbeit entfallen zwei Drittel (686) auf den Ansatz von Aufwendungen für einen doppelten Haushalt. Mit 0,9 Mio. Euro (71 Prozent) ist diesem Bereich auch ein entsprechend hoher Anteil am Fehlervolumen zuzuordnen.
2.5 Finanzielles Ergebnis
Das finanzielle Volumen der vom Rechnungshof und den Staatlichen Rechnungsprüfungsämtern festgestellten Fehler beträgt nahezu 140 Mio. Euro. Die fehlerhaften Steuerbescheide konnten vielfach noch geändert werden. Deshalb war es möglich, aufgrund unserer Prüfung ein Fehlervolumen von mehr als 95 Mio. Euro zu korrigieren. Dadurch wurden für die öffentlichen Haushalte im Saldo Mehreinnahmen von 54 Mio. Euro realisiert.
Vom gesamten Fehlervolumen entfallen 135 Mio. Euro auf den Verantwortungsbereich der Bearbeiter, 5 Mio. Euro auf jenen des Risikomanagementsystems. Zudem haben sich die Prüfungsfeststellungen mit knapp 70 Mio. Euro auf festgestellte Verlustabzüge ausgewirkt.
Mehr als 126 Mio. Euro entfallen auf 2.829 Prüfungsfeststellungen, bei denen sich ein Fehlervolumen von jeweils mehr als 5.000 Euro ergab. Tabelle 6 zeigt, in welchen Bereichen solche gewichtigen Fehler häufig vorkamen.
Fehler mit erheblichen finanziellen Auswirkungen haben wir am häufigsten bei der Auswertung von Grundlagenbescheiden festgestellt. Das große Fehlervolumen in diesem Bereich ist zum einen durch die Häufigkeit der Fehler bedingt, zum anderen aber auch auf die hohe finanzielle Auswirkung einzelner Fälle zurückzuführen.
Beispiel 1:
Entgegen der Erklärung eines Steuerbürgers hat das Finanzamt dessen Beteiligungsgewinn um rund 21 Mio. Euro zu niedrig erfasst. Allein diese Prüfungsfeststellung führte zu Mehrsteuern von nahezu 10 Mio. Euro.
Dass sich auch in anderen Bereichen bisweilen Prüfungsfeststellungen mit hohem Fehlervolumen ergeben, zeigt folgender Beispielsfall:
Beispiel 2:
Das Finanzamt hatte für zahlreiche Vermietungsobjekte eines Steuerbürgers die jeweilige Gebäudeabschreibung zu ermitteln. Dabei legte es jeweils eine zu kurze Nutzungsdauer zugrunde, sodass die Abschreibungsbeträge zu hoch angesetzt wurden. Diese Prüfungsfeststellung hat ein Fehlervolumen von nahezu 2 Mio. Euro.
2.6 Bewertung
Den Veranlagungsstellen ist es bislang nicht gelungen, die Arbeitsqualität bei den bedeutsamen Steuerfällen zu verbessern. Vielmehr liegen die oben dargestellten Fehlerquoten höher als die entsprechenden Ergebnisse unserer Prüfungen aus den Jahren 2000 bis 2004. Es treten weiterhin hohe Steuerausfälle ein.
Einer der Hauptgründe für die unzureichende Arbeitsqualität ist nach wie vor das komplizierte und sich ständig ändernde Steuerrecht. Der Rechnungshof hat das anwendungsfeindliche Steuerrecht als eine der Hauptursachen für die unzureichende Besteuerungssituation bereits mehrfach benannt.
Ein weiterer, nicht zu vernachlässigender Grund für die vorgefundene Arbeitsqualität ist die noch immer unzureichende IT-Unterstützung. Insbesondere könnte der hohe Anteil von Fehlern bei der Auswertung von Grundlagenbescheiden durch eine bessere IT-Unterstützung reduziert werden. Die in Grundlagenbescheiden festgestellten Werte sollten maschinell übermittelt und ausgewertet werden. Eine entsprechende Empfehlung war bereits in der Denkschrift 2006 enthalten. Sie wurde 2014 wiederholt und ist bis heute nicht umgesetzt. Im Zeitalter der Digitalisierung sollte es selbstverständlich sein, dass Grundlagenbescheide elektronisch übermittelt und ausgewertet werden.
3 Empfehlungen
3.1 Steuerrecht vereinfachen
Die Prüfungsergebnisse zeigen eindeutig, dass die Steuervereinfachung eine Daueraufgabe ist. Durch einfachere Steuergesetze ließe sich auch der Anteil der Steuerfälle deutlich erhöhen, bei denen der Steuerbescheid - nach einer IT-gestützten Risikoprüfung der Steuererklärung - vollautomatisch erstellt werden könnte.
3.2 IT-Unterstützung weiter verbessern
Die IT-Unterstützung muss weiter verbessert werden. Dies gilt insbesondere für die elektronische Auswertung von Grundlagenbescheiden. Dadurch könnten Ressourcen freigesetzt werden, die für eine Qualitätssteigerung bei der Bearbeitung der bedeutsamen Steuerfälle einsetzbar wären.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Ministerium für Finanzen erhebt gegen die Feststellungen und Empfehlungen des Rechnungshofs keine Bedenken.
Es teilt mit, auch aus seiner Sicht sei die Bearbeitungsqualität bei den Steuerfällen mit hohen Einkünften noch nicht zufriedenstellend. Allerdings habe die Steuerverwaltung die Arbeitsqualität insoweit bereits in den letzten Jahren in den Vordergrund gerückt. Neben unterschiedlichen Qualitätssicherungsmaßnahmen habe das Ministerium einen Lenkungsausschuss zur Verbesserung der Qualität in der Veranlagung eingerichtet. Seine Arbeit beruhe auf den beiden Säulen „Zeit verschaffen“ und „Fähigkeiten stärken“. Zur Qualitätsverbesserung seien zudem in bestimmten Bereichen - wie z. B. bei Auslandssachverhalten oder Insolvenzfällen - Zentralisierungen erfolgt. Soweit verschiedene Fehlerquellen Gegenstand früherer Denkschriftbeiträge waren, habe das Ministerium sich auf Bundesebene und in Zusammenarbeit mit der Oberfinanzdirektion für eine Verbesserung der Bearbeitungsqualität eingesetzt. Den aktuellen Denkschriftbeitrag werde es zum Anlass nehmen, die Finanzämter nochmals daran zu erinnern, die bedeutenden Steuerfälle besonders sorgfältig zu bearbeiten.
Die Vereinfachung des Steuerrechts sieht das Ministerium als Daueraufgabe. Es teilt zudem die Auffassung des Rechnungshofs, dass die IT-Unterstützung weiter verbessert werden muss. Dies gelte insbesondere bei der Auswertung von Grundlagenbescheiden. Hinsichtlich der maschinellen Übermittlung der entsprechenden Daten zeichne sich im Vorhaben KONSENS ein Einsatz ab dem Veranlagungszeitraum 2019 ab. Um die Bearbeiter beim Erfassen der Daten zu unterstützen, sei hier inzwischen die sogenannte Schnellerfassungsmaske im Einsatz.
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Die Qualität der Steuerbescheide, in denen Beiträge an berufsständische Versorgungseinrichtungen als Sonderausgaben zu berücksichtigen sind, ist weiterhin nicht zufriedenstellend. Jährlich drohen Steuerausfälle von mehr als 1 Mio. Euro. Zur Qualitätssteigerung sollten die Versorgungseinrichtungen die Beitragsdaten elektronisch an die Steuerverwaltung übermitteln.
1 Ausgangslage
1.1 Beiträge an berufsständische Versorgungseinrichtungen als Sonderausgaben
Beiträge an berufsständische Versorgungseinrichtungen sind einkommensteuerlich als Sonderausgaben abzugsfähig. Berufsständische Versorgungseinrichtungen gewähren den Angehörigen kammerfähiger Berufe und ihren Hinterbliebenen Versorgungsleistungen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Mitglieder selbstständig oder nichtselbstständig sind. 2015 hatte die Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen bundesweit 89 Mitgliedseinrichtungen mit über 820.000 Mitgliedern. Insgesamt wurden 2015 knapp 9 Mrd. Euro Beiträge geleistet.
Für die nichtselbstständigen Mitglieder haben ihre Arbeitgeber seit 2009 die zur Beitragserhebung notwendigen Daten monatlich an die berufsständischen Versorgungseinrichtungen zu übermitteln. Ein gemeinsamer Dienstleister betreibt für diese die Datenannahmestelle und stellt sonstige Datenservices bereit.
Für nichtselbstständige Mitglieder besteht ihr Pflichtbeitrag grundsätzlich aus einem Arbeitnehmeranteil und einem gleich hohen, steuerfreien Arbeitgeberanteil. Zudem können sie über ihren Pflichtbeitrag hinaus in begrenzter Höhe freiwillige Beiträge leisten.
Die Mitgliedsbeiträge der Nichtselbstständigen können auf zwei Zahlungswegen entrichtet werden:
- Der Arbeitgeber überweist seinen Arbeitgeberanteil monatlich dem Arbeitnehmer. Dieser überweist den fälligen Gesamtbeitrag aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil an die Versorgungseinrichtung („Selbstzahler“).
- Der Arbeitgeber behält den Arbeitnehmeranteil vom Bruttolohn ein und führt den Gesamtbeitrag aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil an die Versorgungseinrichtung zugunsten des Arbeitnehmers ab („Firmenzahler“).
Die unterschiedlichen Zahlungswege wirken sich auf die elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen aus: Beim „Firmenzahler“ bescheinigt der Arbeitgeber seit 2011 sowohl den an berufsständische Versorgungseinrichtungen geleisteten Arbeitgeberanteil als auch den Arbeitnehmeranteil. Beim „Selbstzahler“ ist der Arbeitgeberanteil ab dem Veranlagungszeitraum 2015 zu bescheinigen. Der Arbeitnehmeranteil wird in diesem Fall nicht bescheinigt.
Außerdem erstellen die Versorgungseinrichtungen in jedem Fall für ihre Mitglieder Jahresbescheinigungen, in denen der Gesamtjahresbeitrag einschließlich freiwilliger Zahlungen ausgewiesen ist.
1.2 Frühere Prüfung und Inhalt der aktuellen Prüfung
Der Rechnungshof hatte zusammen mit den Staatlichen Rechnungsprüfungsämtern 2009 den Sonderausgabenabzug für Aufwendungen zur Basisversorgung untersucht (siehe Denkschrift 2010, Beitrag Nr. 21). Im Anschluss an unsere Prüfung hat die Finanzverwaltung erfolgreich verschiedene Maßnahmen ergriffen. Das Bescheinigungsverfahren der Versorgungseinrichtungen blieb jedoch unverändert. Die Qualität der Bearbeitung hat sich zwar verbessert. Gleichwohl werden die Beiträge zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen weiterhin vielfach fehlerhaft behandelt. Wir haben daher die Thematik erneut landesweit untersucht. Dabei haben wir auch die Ergebnisse der Hinweisbearbeitung durch die Finanzämter analysiert. Diese werden in sogenannten Standardauswertungen dargestellt.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Ansatz der Beiträge zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen
2.1.1 Beanstandungsquote und Fehlervolumen
Aus den Datenbeständen der Finanzverwaltung haben wir landesweit 8.780 Sachverhalte mit auffälligen Veranlagungswerten im Veranlagungszeitraum 2015 gefiltert. 4.972 Sachverhalte betrafen Fälle mit einem zu versteuernden Einkommen von mindestens 40.000 Euro. Aus dieser Grundgesamtheit haben wir 702 Sachverhalte bei acht Finanzämtern geprüft. Die Tabelle enthält die festgestellten Beanstandungsquoten und Fehlervolumina. Neben dem Gesamtergebnis wird dargestellt, ob das Risikomanagementsystem die Sachverhalte als risikobehaftet oder risikolos einstufte. Bei der Einstufung als risikobehaftet werden Hinweise für die Bearbeiter ausgegeben.
Von den geprüften Sachverhalten haben wir 104 Sachverhalte mit einem Fehlervolumen von 142.000 Euro beanstandet (= 14,8 Prozent).
Den Bearbeitern hat das Risikomanagementsystem 550 Sachverhalte zutreffend mittels Hinweis als risikobehaftet zur Prüfung zugewiesen. Von diesen haben wir 88 Sachverhalte (= 16,0 Prozent) mit einem Fehlervolumen von 128.000 Euro beanstandet. Für 79 dieser beanstandeten Sachverhalte war folgende Fehlerquelle ursächlich: Arbeitnehmer erklären die auf den Lohnsteuerbescheinigungen ausgewiesenen Beträge. Zusätzlich erklären sie den von den Versorgungseinrichtungen bescheinigten Jahresbeitrag. Wird dies von den Finanzämtern nicht korrigiert, werden Arbeitgeber - und/oder Arbeitnehmerbeiträge ganz oder teilweise doppelt in der Sonderausgabenberechnung berücksichtigt. Auf diese Fehlerquelle entfiel ein Fehlervolumen von 114.000 Euro.
Das Risikomanagementsystem hat 152 Sachverhalte als risikolos eingestuft. Davon haben wir 16 Sachverhalte mit unterschiedlichen Fehlerquellen beanstandet (= 10,5 Prozent). In diesen Fällen dürfte ein Hinweis unterblieben sein, da in vorhergehenden Veranlagungszeiträumen der Sachverhalt regelmäßig als risikobehaftet ausgesteuert und zu Unrecht nicht geändert war. Wären insoweit die Grundlagen im Vorjahr zutreffend gelegt worden, hätte das Risikomanagementsystem in diesem Bereich die risikobehafteten Sachverhalte richtig erkennen können. Das Fehlervolumen betrug 14.000 Euro.
Die Bearbeitungsqualität würde steigen, wenn die Versorgungseinrichtungen zumindest die Gesamtjahresbeiträge elektronisch an die Steuerverwaltung übermitteln würden. Hilfreich könnte dabei sein, dass sich die berufsständischen Versorgungseinrichtungen bereits eines gemeinsamen Dienstleisters für Datenservices bedienen.
2.1.2 Landesweite finanzielle Bedeutung
Die geprüften 702 Sachverhalte ergaben ein Fehlervolumen von 142.000 Euro. Allein bei den Fällen mit einem zu versteuernden Einkommen von mehr als 40.000 Euro schätzen wir das Fehlervolumen landesweit auf 1 Mio. Euro. Zudem dürfte auch in den 3.808 Sachverhalten bei Steuerfällen mit weniger als 40.000 Euro zu versteuerndem Einkommen ein nicht unerhebliches Fehlervolumen bestehen.
2.2 Ergebnis der Hinweisbearbeitung durch die Finanzämter
Um die Qualität des Risikomanagementsystems zu sichern, verfügt die Finanzverwaltung über sogenannte Standardauswertungen.
Wir haben die Standardauswertung 7A bei sieben für die Besteuerung der Beiträge zu berufsständischen Versorgungswerken relevanten Hinweisen untersucht. Dabei haben wir festgestellt, dass insgesamt landesweit 23.870 Hinweise ausgegeben wurden. Davon führten 35 Prozent zu Änderungen der erklärten Besteuerungsgrundlagen. Bei den geprüften Finanzämtern - zusammengefasst betrachtet - entsprechen die durchschnittliche Änderungsquote sowie das durchschnittliche Änderungsvolumen annähernd den landesweiten Werten.
Einzeln betrachtet stellt sich die Situation bei den geprüften Finanzämtern jedoch sehr unterschiedlich dar: So liegt die Änderungsquote über alle Hinweise hinweg zwischen 27 und 41 Prozent. Hinsichtlich einzelner Hinweise ergeben sich allerdings deutlich größere Bandbreiten. Auch das Änderungsvolumen differiert beim gleichen Hinweis zwischen den Finanzämtern erheblich. Dies war beim Vergleich der Hinweise untereinander ebenso der Fall.
Die aus den Standardauswertungen ersichtlichen unterschiedlichen Ergebnisse der Hinweisbearbeitung könnten Ausgangspunkt für gezielte qualitätssichernde Maßnahmen in den Finanzämtern sein.
2.3 Dateneingabe für das Programm Leistungsvergleich
Im Verfahren Leistungsvergleich wird das finanzielle Ergebnis ermittelt, das die Finanzämter bei der erstmaligen Veranlagung erzielen. Dazu wird die verbleibende Steuer grundsätzlich auf Basis der erklärten Werte (Primärdaten) mit der verbleibenden Steuer auf Basis der vom Finanzamt ermittelten Werte (Sekundärdaten) verglichen. Der Differenzbetrag ist das Mehr- oder Minderergebnis, das in den Leistungsvergleich eingeht. Dazu müssen die Sekundärdaten gesondert eingegeben und besonders gekennzeichnet werden.
Wir haben festgestellt, dass Abweichungen von den erklärten Daten nicht immer den Vorgaben entsprechend eingegeben wurden. Dadurch wurden diese Abweichungen im Leistungsvergleich nicht berücksichtigt.
3 Empfehlungen
3.1 Daten durch berufsständische Versorgungseinrichtungen elektronisch übermitteln lassen
Die Landesregierung sollte sich nachdrücklich dafür einsetzen, dass eine gesetzliche Grundlage für ein elektronisches Bescheinigungsverfahren geschaffen wird. Ein solches Verfahren hätte bundesweit Bedeutung. Die Beiträge an die berufsständischen Versorgungseinrichtungen sollten - möglichst detailliert - der Finanzverwaltung elektronisch übermittelt werden.
3.2 Schulungsmaßnahmen durchführen
Die Finanzverwaltung sollte das Thema „Beiträge zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen“ - auch unter dem Gesichtspunkt der Personalfluktuation - in der Veranlagungsfortbildung aufgreifen.
3.3 Ergebnis der Hinweisbearbeitung im Führungsinformationssystem darstellen
Die Kennzahlen in den Standardauswertungen sind Basisdaten zu den Kernkennzahlen Abweichquote und Abweichvolumen in den Zielvereinbarungen. Daher sollte grundsätzlich für alle Hinweise das Ergebnis der Hinweisbearbeitung je Finanzamt leicht auswertbar im Führungsinformationssystem dargestellt werden. Dadurch eröffnet sich für jedes Finanzamt die Möglichkeit, die Standardauswertungen auch zur Qualitätssicherung einzusetzen. So könnten die Finanzämter gezielt kennzahlenbasierte Qualitätsmaßnahmen vornehmen.
3.4 Dateneingabe für das Programm Leistungsvergleich automatisieren
Die Abweichungen von den erklärten Daten sollten automationsgestützt erfasst werden können. Dadurch würde die Datenbasis sowohl für den Leistungsvergleich als auch für die Standardauswertungen verbessert. Zudem würde personeller Eingabeaufwand vermieden.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Ministerium für Finanzen erhebt gegen die Feststellungen des Rechnungshofs keine Einwendungen.
Zu den Empfehlungen äußert es sich wie folgt:
Es stimme mit dem Rechnungshof darin überein, dass eine elektronische Übermittlung der Beitragsdaten die Bearbeitungsqualität verbessern würde. Im September 2017 sei das Bundesministerium der Finanzen von den Ländervertretern gebeten worden zu prüfen, ob eine gesetzliche Grundlage zur verpflichtenden elektronischen Übermittlung von Altersvorsorgeaufwendungen geschaffen werden könne. Das Ergebnis dieser Prüfung stehe noch aus.
Die vom Rechnungshof aufgezeigte Problematik solle bei Fortbildungsmaßnahmen für den Veranlagungszeitraum 2017 erneut aufgegriffen werden.
Das Finanzministerium beabsichtige zu prüfen, ob und inwieweit die Standardauswertungen in das Führungsinformationssystem übernommen werden können.
Die programmtechnische Entwicklung der Dateneingabe für das Programm Leistungsvergleich in KONSENS solle ab Januar 2019 erfolgen und zum 30. September 2019 fertiggestellt sein.
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Die Außenanlagen des Landes sind vielerorts in einem vernachlässigten Zustand. Unausgereifte Planungen, unterlassene Pflege und mangelnde Instandhaltung führen zu vermeidbaren Mehrkosten. Die Planung, Pflege und der Unterhalt von Außenanlagen müssen neu ausgerichtet und intensiviert werden.
1 Ausgangslage
Das Land besitzt überschlägig 1.600 Hektar Außenanlagen, sogenanntes Behördengrün, ohne die Staatlichen Schlösser und Gärten.
Der Rechnungshof bewertete die Instandhaltung bzw. Pflege und den Zustand dieser Außenanlagen und hat davon ein Viertel in Augenschein genommen. Geprüft wurden befestigte Flächen (Stellplätze für Pkw und Motorräder), Baukonstruktionen (Einfriedigungen, Rampen, Treppen, Überdachungen, wasserbauliche Anlagen), technische Anlagen (Abwasseranlagen, Außenbeleuchtungen und Flutlichtanlagen einschließlich Masten und Befestigungen), Einbauten (Möbel, Schilder, Fahnenmasten), Wasserflächen und Pflanz- und Saatflächen.
Der Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg (Landesbetrieb Vermögen und Bau) ist für Planung und Realisierung der Außenanlagen zuständig und übt die Eigentümer- und Bauherrenfunktion aus.
Die Kosten für die Instandhaltung und Pflege baulicher und technischer Anlagen sowie Einbauten sind aktuell vom Landesbetrieb Vermögen und Bau nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand ermittelbar.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Viele Außenanlagen sind in vernachlässigtem Zustand
Anspruch des Landesbetriebs Vermögen und Bau ist es, der Öffentlichkeit und den Nutzern nicht nur funktionsfähige, sondern auch gepflegte und saubere Außenanlagen zur Verfügung zu stellen. Diesem Anspruch wird die Praxis nicht immer gerecht.
Der Rechnungshof stellte fest, dass die Außenanlagen in erheblichem Umfang vernachlässigt sind. Teilweise wurden festgestellte Mängel nach unserer Prüfung behoben.
Bei den Erhebungen wurden z. B. beschädigte Stellplätze für Kraftfahrzeuge vorgefunden. Das gewählte Material und die technische Ausführung machen regelmäßig in kurzen Zeitabständen intensive Instandsetzungen erforderlich, die oftmals nicht durchgeführt werden.
Beläge in Zufahrten und Zugängen zu Gebäuden waren in einem schlechten Zustand. Bei einer geprüften Zufahrt bestand Unfallgefahr. Ein mehrmals täglich genutzter Zugang zu einem Gebäude war nur über provisorisch verlegte Holzdielen zugänglich. Rampenanlagen waren teilweise an der Grenze der Verkehrssicherheit. Auf Parkplätzen und Wegen in Grünanlagen hatte sich starker Aufwuchs gebildet.
Vor allem die anspruchslosen und schnell wachsenden Götterbäume (Ailanthus) mit ihrem aggressiven Wurzelwerk setzen sich in den Fugen von Treppen, an Gebäuden oder zwischen Gebäuden und befestigten Wegeflächen fest, dringen in die Bausubstanz ein und zerstören die Konstruktion.
Außentreppen wiesen häufig Verschiebungen, Setzungen oder Verwerfungen auf. Die ungenügende Reinigung von Treppen, wie z. B. die Entfernung von Laub, schränkten die Verkehrssicherheit zusätzlich ein. Mit Hecken zugewachsene Toranlagen und defekte Zäune waren keine Seltenheit. Zaunanlagen, die von angrenzenden Grundstücken aus überwuchert wurden, stellten ein Risiko für Sicherheitsbereiche dar, zum Beispiel bei einer Justizvollzugsanstalt oder einem Polizeiareal.
Schutzdächer wiesen erhebliche Verschmutzungen oder Beschädigungen auf. Selbst in jüngster Zeit hergestellte Schutzdächer blieben ungereinigt.
Leuchten waren beschädigt oder verschmutzt. Der überwiegende Teil der Bodeneinbauleuchten wies Feuchtigkeit im Leuchtkörper, zugewachsene oder beschädigte Glasscheiben auf. Vermoosung und Grünbewuchs schränkten die Funktion erheblich ein. Bäume, Hecken und Sträucher verdeckten und verminderten die Leuchtdichte. Die Ausleuchtung von Verkehrsflächen war dadurch unzureichend.
Viele Einlaufschächte und Rinnen blieben über einen längeren Zeitraum ungereinigt. Laub, Erde, Schmutz oder Splitt hatten diese verstopft. Blätter zersetzten sich bereits zu Humus und Pflanzen wuchsen in den Rinnen. Das Oberflächenwasser konnte nicht ungehindert ablaufen.
Die Beschilderung überschritt häufig das notwendige Maß. Vielerorts waren Schilder verblichen, verschmutzt oder beklebt. Sie waren unlesbar und führten teilweise zu widersprüchlichen Angaben. Bei einem Munitionsdepot war ein Verbotsschild „Offenes Feuer verboten“ nicht mehr erkennbar.
In Außenanlagen wurden oftmals zugewachsene Bänke vorgefunden. Teilweise waren Holzbänke stark verwittert oder Holzbohlen entfernt. Herausragende Schrauben stellten eine Verletzungsgefahr dar. Bei einer Hochschule wurden 2008 drei Holzterrassen als Aufenthaltsbereiche hergestellt. Diese dürfen aus Sicherheitsgründen nicht mehr betreten werden. Grund dafür ist die ungeeignete und nicht nachhaltige Materialwahl.
Grünanlagen vermittelten teilweise einen ungepflegten Eindruck. Nicht regelmäßig zurückgeschnittene Anpflanzungen verdeckten beispielsweise die Fenster von Gebäuden oder überwucherten Tore. Stark verwilderte Anlagen sind durch Pflege nicht mehr in den Griff zu bekommen und machen kostenaufwendige Neuanlagen erforderlich. Begrünte Dächer zeigten wilden Aufwuchs, dessen Wurzeln die Dachhaut gefährden.
Nahezu alle zum 1. Januar 2012 bei sechs Ämtern eingerichteten sogenannten Grünpool-Ämter erklärten, dass die in ihrem Zuständigkeitsbereich bestehenden Grünanlagen in einem mehr oder weniger vernachlässigten Zustand seien. So hält z. B. ein Amt 80 Prozent der Grünanlagen für so beschädigt, dass Neuanlagen notwendig seien. Gleichwohl benoteten die Ämter die Qualität der Pflege nach dem Schulnotenprinzip überwiegend mit befriedigend bis ausreichend. Nur ein Amt bewertete die Qualität der Pflege mit gut.
Der Landesbetrieb Vermögen und Bau äußerte sich in einem Schreiben an den Rechnungshof wie folgt: „Der bauliche Zustand der Außenanlagen deckt sich mit dem baulichen Zustand des Gebäudebestandes des Landes. Über Jahrzehnte hinweg wurde zu wenig für den Gebäudeerhalt investiert, sodass mittlerweile ein beachtlicher Sanierungsanstau entstanden ist.“
2.2 Lebenszykluskosten werden bei der Planung unzureichend berücksichtigt
Die Lebenszykluskosten (von der Planung bis zum Abriss) von Außenanlagen werden oft außer Acht gelassen.
Technische Einbauten in Außenanlagen, wie Sitzgelegenheiten, Fahrradstellplätze oder Leuchten, werden in den unterschiedlichsten Ausführungen geplant und umgesetzt. Eine generelle Vorgabe zu Materialien und wirtschaftlichen Ausführungen von Einbauten gibt es nicht. Bei speziellen Beleuchtungen mit hohen Betriebskosten, z. B. in Justizvollzugsanstalten, werden in der Planungsphase keine Kosten-Nutzen-Vergleiche bei der Auswahl von Leuchtmitteln durchgeführt. Die Notwendigkeit von überdachten Wegen, zum Beispiel bei der Hochschule Offenburg, sowie technischer Einbauten in Außenanlagen, zum Beispiel Schranken oder Bodeneinbauleuchten, werden oftmals nicht hinterfragt. Eine Abwägung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zwischen Sanierung oder Rückbau unterbleibt.
Bei Grünanlagen werden im Planungsstadium von Neu- und Umbaumaßnahmen durch Gestaltung und Materialauswahl die Weichen für den späteren Pflegeaufwand gestellt. Das Grünflächenmanagement wird dabei vom Baumanagement jedoch nicht immer beteiligt, obwohl dies in der Dienstanweisung und einer Verfügung der Betriebsleitung des Landesbetriebs Vermögen und Bau zur Neuordnung im Grünbereich vorgegeben ist.
In einem Protokoll des Arbeitskreises Grünflächenmanagement „[…] wurde bemängelt, dass die Mitarbeiter GFM weiterhin zu wenig oder zu spät in Baumaßnahmen einbezogen werden. Folge hiervon sind teilweise schwierig zu pflegende Anlagen sowie Teilbereiche, die nicht funktionieren und deshalb umgebaut werden müssen.“
Es bestand oftmals der Eindruck, dass die Planung von Außenanlagen, die Materialwahl und die Auswahl von Produkten durch architektonischen Gestaltungswillen so beherrscht werden, dass nur das Erscheinungsbild zum Zeitpunkt der Fertigstellung betrachtet wird.
2.3 Systematische Kontrollen fehlen
In vielen Fällen überprüft der Landesbetrieb Vermögen und Bau den Zustand und die Funktionsfähigkeit der technischen Einbauten in Außenanlagen nicht turnusgerecht.
Zum Zeitpunkt der örtlichen Erhebungen war dem Landesbetrieb Vermögen und Bau in mehreren Fällen weder die exakte Lage noch der Zustand der Entwässerungsleitungen bekannt. Nach Auskunft des Landesbetriebs Vermögen und Bau werde eine Befahrung mit der Kamera nur bei Bedarf bzw. im Schadensfall durchgeführt. Generelle Inspektionen seien zu kostenintensiv. Außerdem bestünde bei einer Befahrung von alten Leitungssystemen immer die Gefahr, dass Leitungen dabei zerstört werden.
Die sechs Grünpool-Ämter prüften die Erfüllung der vereinbarten Leistungen durch die Unternehmen nur stichprobenweise.
2.4 Aufgeteilte Zuständigkeiten
Für die Außenanlagen sind die Organisationseinheiten Immobilien-, Bau- und Gebäudemanagement des Landesbetriebs Vermögen und Bau zuständig. Im Baumanagement sind die Bereiche Hochbau und Tiefbau sowie der Bereich Technik involviert, beim Gebäudemanagement die Bereiche Gebäudereinigung und Grünflächenmanagement.
Die Kompetenzzersplitterung bei technischen Belangen führt teilweise zu doppelten Zuständigkeiten oder zu einem gegenseitigen Zuweisen von Aufgaben. Innerhalb des Gebäudemanagements ist ungeklärt, ob das Grünflächenmanagement oder die Gebäudereinigung für die Pflege befestigter Flächen zuständig ist.
2.5 Der Landesbetrieb Vermögen und Bau überträgt Aufgaben an die Nutzer
Die nutzende Verwaltung hat nach der Verwaltungsvorschrift „VwV Liegenschaften“ die Außenanlagen und Grundstücke in ordnungsgemäßem Zustand zu halten. Ferner obliegt ihr die Verkehrssicherungspflicht für das Grundstück. Der Landesbetrieb Vermögen und Bau beauftragt Unternehmen mit den notwendigen Leistungen zur Erfüllung dieser Aufgaben. Die nutzende Verwaltung hat deren ordnungsgemäße Durchführung laufend zu überwachen.
Nicht immer erledigten die Nutzer ihre Aufgaben mit der gebotenen Sorgfalt. Dies ist offenkundig auch auf fehlendes sachkundiges Personal zurückzuführen.
Die Nutzer machten oftmals geltend, es fehle bei den Ämtern des Landesbetriebs Vermögen und Bau ein zentraler Ansprechpartner. Dieser Umstand trägt zu einer unbefriedigenden Aufgabenerledigung bei.
2.6 Technische Einbauten in Außenanlagen sind nicht vollständig erfasst
Derzeit werden nur Daten von Gebäuden dokumentiert. Mit der fortschreitenden Digitalisierung bei der Vergabe von Leistungen wird eine vollständige Dokumentation der technischen Einbauten unabdingbar. Die erforderlichen Leistungen für Pflege und Unterhalt von Außenanlagen können sonst nicht erschöpfend beschrieben werden.
3 Empfehlungen
Die Planung der Außenanlagen, deren Pflege und Unterhalt sollten neu ausgerichtet und intensiviert werden.
3.1 Planungen optimieren
Bei der Planung von Außenanlagen müssen die Lebenszykluskosten stärker als bisher berücksichtigt werden.
Einheitliche Vorgaben zur Auswahl und Verwendung von technischen Einbauten in Außenanlagen sollten landesweit eingeführt werden. Hierzu könnten z. B. Musterbeschriebe bereitgestellt werden.
Bei der Planung von Grünflächen sollte der Landesbetrieb Vermögen und Bau die Zusammenarbeit zwischen Bau- und Grünflächenmanagement intensivieren.
3.2 Kontrollen intensivieren
Regelmäßige Kontrollen, ob Unternehmen ihre turnusmäßigen Leistungen bei Außenanlagen, wie vertraglich vereinbart, erfüllen, sollten häufiger durchgeführt werden. Damit kann sichergestellt werden, dass bezahlte Leistungen auch tatsächlich erbracht wurden.
3.3 Zuständigkeiten neu regeln
Innerhalb des Landesbetriebs Vermögen und Bau sollten die Zuständigkeiten für Außenanlagen überprüft und neu geregelt werden. Eine gesplittete Zuständigkeit zwischen Baumanagement, Gebäudemanagement und Grünpool-Ämtern für ein und dieselbe Aufgabe ist weder sachgerecht noch zeitgemäß.
Die Überwachung der fachgerechten Ausführung von Arbeiten an Außenanlagen sollte von den Nutzern auf den Landesbetrieb Vermögen und Bau zurückübertragen werden.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Ministerium für Finanzen bestätigt, dass Defizite im Bereich der landeseigenen Außenanlagen vorhanden sind, die verbessert werden müssen. Eine Vernachlässigung dieser Anlagen in erheblichem Umfang liege jedoch nicht vor. Die Ursachen für die Defizite seien bereits erkannt worden. Mit personellen und finanziellen Nachsteuerungen seien die Voraussetzungen geschaffen worden, um den Zustand der Außenanlagen zu verbessern und die Mängel entsprechend aufzuarbeiten. Die Grünpool-Ämter würden aufgegeben, zukünftig solle in jedem Amt fachlicher Sachverstand vorgehalten werden. Die Zusammenarbeit zwischen Bau- und Grünflächenmanagement werde intensiviert.
In der Vergangenheit sind bei den Außenanlagen die Lebenszykluskosten nicht explizit berücksichtigt worden. Zur Optimierung der Planung und Bewirtschaftung der Außenanlagen ist im April 2018 der Leitfaden „Außenanlagen und Grünflächenmanagement“ eingeführt worden. Dessen Einführung sei ein entscheidender Schritt, auch für eine verstärkte Berücksichtigung von Folgekosten.
Durch die vorgesehene Verbesserung der Personalsituation werde der Landesbetrieb Vermögen und Bau seine Kontrollfunktionen verstärkt wahrnehmen. Im Zuge der bereits begonnenen Umstrukturierung würden die Zuständigkeiten innerhalb des Landesbetriebs Vermögen und Bau angepasst und neu geregelt. Die Zuständigkeit der nutzenden Verwaltung für die Pflege der Grünanlage und die Überwachung entsprechender Leistungen soll bestehen bleiben. Durch die begonnene Einrichtung von Nutzerservicereferaten im Gebäudemanagement sollen die Nutzer künftig einen Ansprechpartner erhalten, der die Anliegen bei Bedarf aufgreife, bearbeite und gezielt an die zuständige Fachabteilung weiterleite.
5 Schlussbemerkung
Der Rechnungshof ist nach wie vor der Auffassung, dass die Überwachung der fachtechnischen Leistungen von Unternehmen bei der Pflege und Instandsetzung von Außenanlagen nicht von den nutzenden Verwaltungen wahrgenommen werden kann. Dafür hat das Land eine technische Fachverwaltung, die Staatliche Vermögens- und Hochbauverwaltung. Sie sollte hierfür auch den Stellenzuwachs im Staatshaushaltsplan 2018/2019 nutzen.
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Das Land betrieb bis 2017 auf seinen 8.000 Landesgebäuden lediglich neun eigene Photovoltaikanlagen. Einige Anlagen sind nicht wirtschaftlich, weil sie ungünstig installiert, zu aufwendig gestaltet oder mangelhaft gereinigt sind. Das Land sollte verstärkt neue größere Anlagen zum eigenen Stromverbrauch errichten. Bei optimierter Planung und Realisierung ist ein wirtschaftlicher Betrieb zu erwarten.
1 Ausgangslage
Seit 1998 betreibt das Land Photovoltaikanlagen, die vom Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg (Landesbetrieb Vermögen und Bau) errichtet werden. Daneben vermietet es Dach- und Freiflächen, auf denen Dritte eigene Anlagen errichten und betreiben können.
Die produzierte elektrische Energie der Solarmodule Dritter wird in das allgemeine Stromnetz eingespeist. Die Anlagenbetreiber erhalten dafür Einspeisevergütungen nach dem Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien. Die landeseigenen Photovoltaikanlagen dienen auch direkt der Stromversorgung der Landesgebäude.
Die Landesregierung fasste 2012 den Beschluss: „Die PV-Fläche auf Landesgebäuden soll bis zum Jahr 2020 gegenüber dem Jahr 2010 mindestens verdoppelt werden“ . Ausgehend von 43.000 m² sollte demzufolge eine PV-Fläche von mindestens 86.000 m² installiert werden. In diese Summe sind sowohl landeseigene als auch Photovoltaikanlagen Dritter auf vermieteten Flächen eingerechnet.
Die Prüfungsergebnisse des Rechnungshofs stellen den Stand vom Sommer 2017 dar. Solarthermische Anlagen zur Erzeugung von Warmwasser wurden nicht in die Prüfung einbezogen.
2 Prüfungsergebnisse
Der Rechnungshof stellte fest, dass Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von überschlägig 10.000 Kilowatt peak auf Dach- oder Freiflächen des Landes installiert sind. 95 Prozent dieser Anlagen sind nicht im Eigentum des Landes. Bis 2017 betrieb das Land lediglich neun eigene Anlagen mit einer Leistung von 600 Kilowatt peak. Die Verteilung der Anlagenstandorte im Land und deren Leistung ist in der folgenden Abbildung dargestellt.
Seit Sommer 2017 hat das Land zusätzliche Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von mehr als 500 Kilowatt peak in Betrieb genommen. Belastbare Auswertungen zur Energieproduktion dieser neuen Anlagen lagen zum Zeitpunkt unserer Prüfung noch nicht vor.
2.1 Vermietung von Dach- und Freiflächen an Dritte
Für die Vermietung der Dach- und Freiflächen für Photovoltaikanlagen hat das Land 72 Gestattungsverträge abgeschlossen. Diese stammen überwiegend aus der Zeit hoher Einspeisevergütungen zwischen 2004 und 2011. In den letzten Jahren hat das Land nur noch wenige neue Verträge geschlossen.
Das Land erzielt aus den Gestattungsverträgen jährliche Einnahmen von 100.000 Euro. Die Vergütung wird in den meisten Fällen abhängig von der produzierten elektrischen Energie ermittelt und umfasst einen Anteil von ein bis 8 Prozent der Einspeisevergütung. In einigen Fällen wurde ein Festbetrag vereinbart, der sich zumeist nach der installierten Leistung richtet.
Der Verwaltungsaufwand für die korrekte Abrechnung der Gestattungsverträge ist unterschiedlich hoch. Die Feststellung der tatsächlich eingespeisten Energie ist für den Landesbetrieb Vermögen und Bau aufwendig und häufig kaum nachprüfbar.
Zudem kann sich das Land gegenüber Dritten schadensersatzpflichtig machen, wenn Dächer saniert oder Gebäude veräußert bzw. abgebrochen werden. In einem Fall musste das Land wegen vorzeitiger Vertragskündigung 111.000 Euro Schadensersatz leisten.
Ob das Vermietermodell vor diesem Hintergrund für das Land künftig noch wirtschaftlich ist, kann angesichts der zurückgehenden Bedeutung dieses Modells dahingestellt bleiben.
2.2 Wirtschaftlichkeit landeseigener Anlagen
Der Wirkungsgrad der Photovoltaikanlagen hängt im Wesentlichen von folgenden Faktoren ab:
- Ausrichtung der Module (Süd oder Ost-West),
- Neigungswinkel,
- Verschattung,
- Reinigungsintervalle.
Fünf der neun geprüften landeseigenen Anlagen wurden nicht genau nach Süden, sondern nach Südsüdwest ausgerichtet oder als Ost-West-Anlage erstellt. Diese sind über das Jahr betrachtet weniger wirksam als Anlagen, die exakt nach Süden orientiert sind.
Idealerweise werden Photovoltaikmodule mit einem Neigungswinkel zwischen 15 und 30 Grad errichtet. Die Anlagen auf dem Neubau beim Staatsministerium sowie auf dem Haus der Abgeordneten in Stuttgart sind hingegen aus gestalterischen Gründen ohne Neigung installiert. Sie sind daher deutlich weniger wirksam als geneigte Anlagen und anfälliger für Verschmutzungen.
Die Photovoltaikanlagen auf dem Haus der Abgeordneten in Stuttgart und beim Landwirtschaftlichen Zentrum Baden-Württemberg in Aulendorf waren durch Laub und Staub stark verschmutzt.
Die Verunreinigung der Module mit Feinstaub führte in Stuttgart dazu, dass die Erzeugung von Strom auf ein Drittel zurückging. Bei der Inaugenscheinnahme der Anlage auf dem Haus der Abgeordneten im Mai 2017 stellte der Rechnungshof fest, dass die Module unfachmännisch gereinigt waren.
Die Photovoltaikanlagen sind in der Regel auf Flach- oder Satteldächern installiert. Bei den Anlagen am Verkehrskommissariat in Kißlegg und der Hochschule in Esslingen wurden die Module vom Architekten gestalterisch in die Fassade integriert. Diese technisch sehr aufwendige Lösung kommt nur für sehr kleine Anlagen in Frage. Außerdem führt sie zu nicht optimaler Ausrichtung der Anlage, überdurchschnittlich hohen spezifischen Investitionskosten und zusätzlichen Architekten-Honoraren.
Bei dem 2016 errichteten Verkehrskommissariat in Kißlegg kostete die in die Fassade integrierte Photovoltaikanlage annähernd 5.000 Euro je Kilowatt peak. Bei konventionellen Dach-Anlagen mit größerer Modulfläche konnte das Land deutlich günstigere spezifische Preise von weniger als 2.000 Euro je Kilowatt peak erzielen. Nach Berechnungen des Rechnungshofs wird die Photovoltaikanlage in Kißlegg mit einer Spitzenleistung von nur 7 Kilowatt peak die Investitionskosten von mehr als 30.000 Euro während ihrer technischen Lebensdauer nicht erwirtschaften können.
Der Rechnungshof verglich die Effizienz landeseigener Anlagen mit Anlagen Dritter. Die landeseigenen Anlagen erzeugten im Mittel weniger als 800 Kilowattstunden Strom je installiertem Kilowatt peak je Jahr. Im Vergleich dazu produzierten die Anlagen Dritter nahezu 1.000 Kilowattstunden Strom je installiertem Kilowatt peak je Jahr. Gründe für die höhere Effizienz der privaten Anlagen sind neben einer optimalen Ausrichtung der Module größere zusammenhängende Installationsflächen und der Verzicht auf architektonische Stilelemente.
2.3 Kostenentwicklung und Planung landeseigener Anlagen
Vor 2013 errichtete Photovoltaikanlagen kosteten das Land mehr als 3.000 Euro je Kilowatt peak. Danach sanken die Investitionskosten deutlich unter 2.000 Euro je Kilowatt peak.
Bei der Errichtung der Anlagen fielen erhebliche Honorare von mehr als 10 Prozent der Baukosten an. Erst seit 2017 erstellt der Landesbetrieb Vermögen und Bau Planung und Ausschreibung in Eigenregie. Dadurch konnte der Landesbetrieb Kompetenz aufbauen. Allerdings ist das Wissen zur Planung und Ausschreibung von Photovoltaikanlagen und zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit nicht in allen Ämtern vorhanden.
Durch die gesunkenen Investitionskosten und die Eigenplanungen des Landesbetriebs Vermögen und Bau wird es für das Land zunehmend wirtschaftlich, den Strom mit eigenen Modulen zu erzeugen und diesen zum Eigenverbrauch in großen Liegenschaften zu nutzen.
Der Beschluss der Landesregierung von 2012 wurde zwar formal umgesetzt. Allerdings wurden 95 Prozent der Anlagen nicht vom Land, sondern von Dritten errichtet.
3 Empfehlungen
3.1 Konzeption zum Ausbau eigener Photovoltaikanlagen entwickeln
Das Land sollte zügig eine Konzeption entwickeln, auf welchen Liegenschaften große und rentable Photovoltaikanlagen zur Eigennutzung des erzeugten Stroms errichtet werden sollen. Hierfür bieten sich insbesondere größere Gebäude mit nutzungsbedingt hohen Stromverbräuchen an. Zum Beispiel haben Rechenzentren, Laborgebäude, Hörsäle und Justizvollzugsanstalten in den Sommermonaten hohe Kühllasten, die den Eigenverbrauch des erzeugten Stroms garantieren. Beispielhaft geeignet wären die Erweiterungsbauten der Justizvollzugsanstalt Stuttgart mit 3.300 m² oder das Höchstleistungsrechenzentrum der Universität Stuttgart mit 2.000 m² Dachfläche.
3.2 Photovoltaikanlagen wirtschaftlich planen
Die Planung und Realisierung landeseigener Photovoltaikanlagen müssen den Maßstab der Wirtschaftlichkeit erfüllen. Leistungsstarke Module mit einer optimalen Ausrichtung, größere zusammenhängende Installationsflächen und der Verzicht auf architektonische Stilelemente sind Voraussetzung, um dieses Ziel zu erreichen. Neuplanungen, die diese Anforderungen nicht erfüllen, sollten aufgegeben werden.
3.3 Fachwissen zu Photovoltaikanlagen konzentrieren
Der Landesbetrieb Vermögen und Bau sollte prüfen, ob die Planung und Ausschreibung von Photovoltaikanlagen sowie die Prüfung der Wirtschaftlichkeit an einer Stelle zentral durchgeführt werden können. Diese Aufgabe könnte einem Schwerpunktamt übertragen werden.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Ministerium für Finanzen schließt sich weitgehend den Feststellungen des Rechnungshofs an. Es sieht in der Nutzung von Photovoltaik eine wirtschaftliche und aus Vorbildgründen eine notwendige Maßnahme, erneuerbare Energien einzusetzen. Die notwendigen Schritte zur Umsetzung der Empfehlungen seien bereits eingeleitet.
Zur Vermietung von Dach- und Freiflächen an Dritte erläutert das Ministerium, dass die Vermietung aus Vorbildgründen erfolgt und das Land damals nicht anspruchsberechtigt für die EEG-Vergütung gewesen sei. Ab 2013 bilde die eigene Errichtung von Photovoltaikanlagen einen strategischen Schwerpunkt.
Das Ministerium kündigt an, dass ein Leitfaden zur Wirtschaftlichkeitsberechnung erstellt werde. Überdies gehe es davon aus, dass die bauwerksintegrierten Photovoltaikanlagen langfristig aufgrund der technologischen Entwicklung sowie aufgrund von nicht monetären Aspekten eine größere Rolle spielen würden. Außerdem seien mit der Vermietung von Dachflächen große Anstrengungen unternommen worden.
Das Ministerium berichtet, es wolle ein Kompetenzzentrum Photovoltaik in der Betriebsleitung einrichten.
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Einzelplan 13: Ministerium für Verkehr
Das Land sollte Modellvorhaben des öffentlichen Personennahverkehrs nur fördern, wenn sie innovativ und wegweisend sind. Die Regelungen des Zuwendungsrechts sind dabei einzuhalten. Mitnahmeeffekte sollten vermieden werden.
1 Ausgangslage
Das Verkehrsministerium hat seit 2015 fünf Sonderförderprogramme aufgelegt: Vorhaben zum barrierefreien Ausbau von Bushaltepunkten, die Einrichtung von Regiobuslinien, das Neubürgermarketing, Bürgerrufautos und Modelle des innovativen öffentlichen Personennahverkehrs im ländlichen Raum.
Die Sonderprogramme haben unterschiedliche Laufzeiten, teilweise enden sie erst 2019. Das Fördervolumen der einzelnen Programme beträgt zwischen 1,7 Mio. Euro und 5 Mio. Euro. Die Sonderförderprogramme waren teilweise als Modellvorhaben mit Anreizfunktion oder als befristete Förderung angelegt. Die Förderkonditionen und Modalitäten waren auf die jeweiligen Förderzwecke sowie Förderzeiträume zugeschnitten.
Die mit den Sonderförderprogrammen verfolgten Ziele reichten von baulichen Verbesserungen über ausgeweitete oder neu aufgebaute Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr bis zu Mobilitätsinformationen. Gemeinsam ist allen Sonderförderprogrammen, dass sie neue oder zusätzliche Angebote schaffen sollen, um mehr Fahrgäste für den öffentlichen Personennahverkehr und den Umweltverbund zu gewinnen.
Der Rechnungshof hat geprüft, ob das Verkehrsministerium bei den Sonderförderprogrammen die Vorgaben des Zuwendungsrechts eingehalten hat.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Anreizförderung wird zum reinen Mitnahmeeffekt
Einige der geprüften Sonderförderprogramme weisen nicht den Charakter von Modellvorhaben auf, da sie bereits vorhandene Planungen der Vorhabenträger aufgreifen. Dadurch treten in großem Umfang Mitnahmeeffekte auf. Es wird mit den Programmen dann keine neue Idee ausgetestet oder Bestehendes innovativ weiterentwickelt.
Beispiel: Neubürgermarketing - Nachhaltige Mobilität bewegt Neubürgerinnen und Neubürger
Die Förderung begann 2015 und sollte 2018 enden. Für die vier Jahre standen 1,8 Mio. Euro zur Verfügung. Die Förderung war laut den Fördergrundsätzen des Verkehrsministeriums als „Anreizförderung“ angelegt, um Kommunen, Verkehrsunternehmen und Verbünde dabei zu unterstützen, Neubürger-Unterlagen zu entwickeln oder vorhandene zu erweitern. Die Antragsteller der ersten Bewilligungsrunde von 2015 bauten alle auf vorhandenen Informationsmaterialien auf. Die meisten der geförderten Ausweitungen bestanden darin, das in Papierform bereits vorhandene Material künftig digital bereit zu stellen. Die Förderung bietet den potenziellen Antragstellern keinen initialen Anreiz. Die Maßnahme hat keinen Modellcharakter. Einer zusätzlichen Förderung des Landes bedurfte es nicht.
Von den verfügbaren 1,8 Mio. Euro des Förderprogramms wurde nur etwa ein Drittel in Anspruch genommen.
Mit den Sonderförderprogrammen werden ferner vielfach Aufgaben gefördert, welche die Antragsteller auch ohne Förderung erledigen oder aufgrund ihrer Nahverkehrspläne innerhalb eines definierten Zeitrahmens ohnehin in eigener Zuständigkeit umsetzen müssten. Die Antragsteller wissen selbst, wo es in einer Zeit mit sich rasant entwickelnden digitalen Medien Potenziale für Fahrgastzuwächse gibt und stellen sich entsprechend auf.
Hinzu kommt, dass angesichts knapp gesetzter Antragsfristen und des „Windhundverfahrens“ nur solche Antragsteller zum Zuge kommen konnten, die bereits fertige Planungen in der Schublade hatten.
Beispiel: Innovativer öffentlicher Personennahverkehr im ländlichen Raum
Das Ministerium schrieb im Mai 2015 die Modellvorhaben aus. Es standen 1,7 Mio. Euro zur Verfügung, ein Projekt konnte mit maximal 850.000 Euro gefördert werden. Im März 2016 erhielt der Landkreis Göppingen eine Zuwendung von 784.000 Euro. Sein Konzept sah im Wesentlichen den Ausbau der vorhandenen flexiblen Verkehrsangebote (u. a. Einsatz von Rufbussen in verkehrsschwachen Zeiten) vor. Als weiterer Bewerber wurde der Landkreis Calw im September 2016 mit 850.000 Euro gefördert. Der Landkreis strebte an, die Verkehrsangebote auf kleinere Gemeinden und Ortsteile auszuweiten und sie über die aufzubauende Dispositionszentrale bedarfsgerecht zu steuern.
Beide Landkreise hatten für die Umsetzung ihrer Nahverkehrspläne bereits Überlegungen angestellt und einzelne Module konzeptionell vorbereitet. Sie konnten ohne größeren Aufwand an der Ausschreibung teilnehmen. So wird im Förderantrag des Landkreises Göppingen ausgeführt, dass „sich die Ansätze der Förderung des Modellprojekts vollständig mit den bereits im Landkreis entwickelten Vorstellungen treffen“.
2.2 Evaluierungen während der Laufzeit der Sonderförderprogramme fehlen
Die Förderbedingungen der Modellvorhaben lassen in Verbindung mit teilweise mehrjährigen Laufzeiten keine zielorientierten Nachjustierungen zu. Die Vorhaben werden nicht in regelmäßigen zeitlichen Abständen aktiv durch die Bewilligungsstelle evaluiert.
Hinzu kommt, dass durch IT- Entwicklungen Module für bedarfsorientierte öffentliche Personenverkehre im Verlauf des Modellvorhabens unter Umständen anzupassen sind. So sieht das Modellprojekt „Innovativer öffentlicher Personennahverkehr im ländlichen Raum“ vor, dass Verkehre wie Bus, Taxi, Car-Sharing und soziale Fahrdienste zu vernetzen und anzubieten sind. In den Modellprojekten sind dafür Mobilitäts- bzw. Dispositionszentralen vorgesehen. Ungeachtet der wichtigen persönlichen Beratung könnten aber einige Fahrtbuchungen ausschließlich über inzwischen verfügbare Apps erfolgen.
Mit einer Zwischenevaluierung könnten sowohl der Vorhabenträger als auch die Bewilligungsstelle den Ablauf des Modellvorhabens prozessbegleitend in regelmäßigen Abständen bewerten. Die Bewilligungsstelle hätte mit einer prozessbegleitenden Evaluierung gerade bei einem Modellvorhaben einen großen Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum, das laufende Vorhaben anzupassen und zu modifizieren.
Beispielsweise wurde beim Förderprogramm „Neubürgermarketing“, bei dem die Nachfrage hinter den Erwartungen zurückblieb und das Budget nicht ausgeschöpft wurde, wegen fehlender Zwischenevaluierungen nicht zügig reagiert. Das Förderprogramm hätte ansonsten früher beendet werden können.
Auch bei Förderprogrammen, die fortgeführt werden sollen, wären Zwischenberichte und ihre gezielte Auswertung ein Gradmesser dafür, welche Förderkonditionen bei Bedarf modifiziert werden müssten.
Beispiel: Regiobuslinien zur Anbindung von Mittel- und Unterzentren an den öffentlichen Schienenpersonennahverkehr
Mit den Regiobuslinien wird ein öffentlicher Personennahverkehr zwischen Mittelzentren und Unterzentren angeboten, die nicht an die Schiene angebunden sind. In das Förderprogramm wurden sieben Regiobuslinien der Landkreise und zwei des Verbands Region Stuttgart aufgenommen. Die ersten Regiobuslinien nahmen zum Winterfahrplan 2015/2016 den Betrieb auf. Der Förderzeitraum liegt zwischen drei und fünf Jahren. Der Landeszuschuss beträgt 50 Prozent des entstehenden Betriebskostendefizits.
Die Fahrgeldeinnahmen der Linien sind für die Fehlbedarfsermittlung gemäß Pflichtenheft zu erheben. Für die Vorhabenträger sind die Erhebungen zeitaufwendig und mit teilweise erheblichen Kosten verbunden. Die ersten Fahrgasterhebungen zeigten, dass beispielsweise im ländlichen Raum in Tagesrandlagen und an Wochenenden die Auslastung der Busse gering ist und einzelne Kurse nur von wenigen Fahrgästen genutzt werden. Dies rechtfertigt nicht immer das Festhalten am Regelfahrplan. Die strikten Förderkonditionen wären daher für einzelne Regiobuslinien schon während des Modellversuchs zu überdenken.
2.3 Erfolgskontrollen fehlen
Bei allen Sonderförderprogrammen fehlt die nach der Verwaltungsvorschrift zu § 44 der Landeshaushaltsordnung vorgegebene Erfolgskontrolle. Kriterien oder Kennzahlen, wie sie gefordert werden, gibt es in den Bewilligungsbescheiden nicht. Die Vorhabenträger werden lediglich verpflichtet, nach Abschluss der Förderung im Rahmen des Verwendungsnachweises einen Sachbericht vorzulegen. Für die Vorhabenträger besteht keinerlei Verpflichtung, konkrete Ziele mit der Förderung zu erreichen.
Gerade bei modellhaften Förderprogrammen wäre es aber dringend notwendig gewesen, überprüfbare Ziele vorab festzulegen. Damit wäre ein Soll-Ist-Abgleich zwischen den ambitionierten Projektplanungen und dem tatsächlich Erreichten möglich geworden. Aufgrund der eventuell festgestellten Abweichungen hätten Schlussfolgerungen für neue Projekte gezogen werden können.
3 Empfehlungen
3.1 Modellcharakter beachten
Die geförderten Modellprojekte sollten innovativ und wegweisend sein. Mitnahmeeffekte sind durch entsprechende Förderbestimmungen auszuschließen.
3.2 Evaluierungen aktiv und regelmäßig durchführen
Der aktiven und regelmäßigen Evaluierung kommt eine besondere Bedeutung zu, da dadurch wichtige Erkenntnisse über die Abläufe und die Akzeptanz eines Modellprojekts zu gewinnen sind.
Das Verkehrsministerium sollte deshalb die von den Vorhabenträgern erbetenen Berichte systematisch auswerten. Wir empfehlen, Zwischenberichte einzufordern, um flexibel und bedarfsgerecht die Förderbestimmungen rasch nachsteuern zu können.
Außerdem wird angesichts des rasanten Wandels der digitalen Medien angeregt, abhängig von der Laufzeit von Modellprojekten Zwischenberichte zu verlangen.
3.3 Erfolgskontrolle bei der Förderung einhalten
Auch bei relativ kleinen Sonderförderprogrammen mit Modellcharakter ist die nach der Landeshaushaltsordnung vorgegebene Erfolgskontrolle in alle Bewilligungsbescheide aufzunehmen. Eine „Förderung light“, freigestellt von den Vorgaben der Landeshaushaltsordnung, gibt es nicht.
Dem Zuwendungsempfänger sind klare Ziele vorzugeben, die mit dem geförderten Vorhaben zu erreichen sind. Die Bewilligungsstelle wiederum muss anhand der messbaren, zählbaren oder qualitativen Kennzahlen überprüfen, ob der gewünschte Erfolg tatsächlich eingetreten ist und welche Gründe es gegebenenfalls für Abweichungen gibt.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Ministerium für Verkehr führt aus, dass Laufzeiten von Modellprojekten nicht verkürzt werden sollten, da die Projekte ansonsten am Markt nicht ausreichend erprobt werden könnten. Außerdem wäre die Einbettung in längerlebige Plattformen (z. B. Elektronische Fahrplanauskunft EFA-BW) nicht leistbar. Deshalb müssten sich die IT-Lösungen auch daran orientieren und nicht nur an schnelllebigen technischen Trends.
Das Ministerium sagt zu, dass es bei noch laufenden und künftigen Sonderförderprogrammen verstärkt darauf achten werde, dass mit einer Anreizfinanzierung neue Aktivitäten und Impulse ausgelöst bzw. Bestehendes innovativ weiterentwickelt werde. Bezüglich der Evaluation werde das Ministerium in länger laufenden Modellprojekten Zwischenberichte einfordern und systematisch auswerten, um bei Bedarf fördertechnisch nachsteuern zu können. Ebenso werde die Erfolgskontrolle, soweit nicht schon bisher enthalten, in neue Bewilligungen aufgenommen. Um den Erfolg messen zu können, werden qualitative und quantitative Kennzahlen, die Soll-Ist-Vergleiche zulassen, definiert und entsprechend verwendet.
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Im Sinne der Verwaltungsvereinfachung und Fördergerechtigkeit sollte beim kommunalen Straßenbau die praktizierte Festbetragsförderung so weiterentwickelt werden, dass der Festbetrag auf der Grundlage von Ausschreibungsergebnissen ermittelt werden kann.
1 Ausgangslage
Der Bund stellt den Ländern nach dem Entflechtungsgesetz Mittel zur „Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden“ zur Verfügung. Baden-Württemberg erhält jährlich 165 Mio. Euro. Mit diesen Mitteln werden anteilig Vorhaben des kommunalen Straßenbaus gefördert.
Der Rechnungshof hatte das Thema „Festbetragsfinanzierung“ mehrfach in Denkschriftbeiträgen aufgegriffen. Nach Erfahrung des Rechnungshofs wird mit der Festbetragsfinanzierung bei der Schlussverwendungsprüfung eine wesentliche Verwaltungsvereinfachung erreicht. Im März 2016 wurden die Förderbedingungen aktualisiert. Nach der Verwaltungsvorschrift zum Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (VwV-LGVFG) können Vorhaben des kommunalen Straßenbaus mit bis zu 50 Prozent der zuwendungsfähigen Ausgaben im Wege der Festbetragsfinanzierung gefördert werden.
Bei der Festbetragsfinanzierung wird der Förderbetrag auch dann nicht geändert, wenn bei der Abrechnung des Vorhabens die zuwendungsfähigen Ausgaben über- oder unterschritten werden. Die Bewilligungsstelle muss daher sorgfältige Antragsprüfungen durchführen, um Überschreitungen zulasten des Landes zu vermeiden. Der zeitliche Aufwand einer Antragsbearbeitung liegt also vor der Bewilligung des Förderantrags. Der Antragsteller wiederum muss genaue Kostenermittlungen vorlegen, da Nachträge ausgeschlossen sind.
Der Rechnungshof untersuchte die praktische Umsetzung der Festbetragsfinanzierung in allen vier Regierungsbezirken. In die Prüfung waren 27 Vorhaben einbezogen, die seit 2016 bewilligt und bereits abgerechnet wurden.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Abstimmungen bei der Antragsprüfung sind teilweise zeitaufwendig
Die Prüfung der eingereichten Förderanträge durch die Bewilligungsstellen umfasst mehrere Bearbeitungsschritte. Dabei werden die Förderfähigkeit des Vorhabens festgestellt und eine fachtechnische Prüfung durchgeführt. Bei der fachtechnischen Prüfung werden die zuwendungsfähigen bzw. nicht zuwendungsfähigen Förderbestandteile sowie die zuwendungsfähigen Ausgaben festgestellt. Dies erfordert hohe Sorgfalt in der Bearbeitung, um die Festbetragsförderung zahlenmäßig abzusichern.
Die Bewilligungsstellen müssen dafür die der Kostenermittlung (-schätzung) des Antragstellers zugrunde liegenden Preise als marktgerecht oder überzogen erkennen und gegebenenfalls korrigieren. Für einige Förderbestandteile können Pauschalbeträge herangezogen werden, z. B. für kleine Brücken. Anhand der festgesetzten zuwendungsfähigen Ausgaben und dem anzuwendenden Fördersatz von bis zu 50 Prozent wird der Festbetrag ermittelt.
Die Prüfung machte deutlich, dass die für die Zuwendungsprüfung zuständigen Personen in den Regierungspräsidien für eine Reihe von Fördertatbeständen den Sachverstand anderer Referate zuziehen müssen. Hierzu gehören beispielsweise Ingenieurbauwerke wie Tunnel und Brücken oder Lärmschutzwände und Eisenbahnkreuzungsmaßnahmen. Die Prüfung von Antragsunterlagen zu solchen Fördervorhaben verursacht einen beträchtlichen Verwaltungsaufwand und kostet über die verschiedenen Prüfstationen hinweg entsprechend viel Zeit. Sie ist aber zwingend notwendig, um eine belastbare Grundlage für die Bemessung der Festbetragsfinanzierung zu erhalten.
Bei der Zuwendungsbearbeitung entsteht daher ein Spannungsfeld, einerseits „Überfinanzierung“ zu riskieren, andererseits eine zeitaufwendige fachtechnische Prüfung durchzuführen, falls erforderlich unter Zuhilfenahme Dritter.
Beispiel: Technische Sicherung des Bahnübergangs Waldstraße in Ettlingen, Regierungsbezirk Karlsruhe
Der Bahnübergang ist Teil einer wichtigen Fuß- und Radwegverbindung zur Ettlinger Innenstadt und nach Bad Herrenalb. Die Sichtweiten am Übergang entsprachen nicht den Mindestanforderungen. Der Bahnübergang musste durch den Einbau von Lichtzeichen und Schranken gesichert werden. Der Förderantrag der Stadt Ettlingen wurde am 20. August 2015 mit 111.650 Euro zuwendungsfähigen Ausgaben und einer Zuwendung von 55.800 Euro bewilligt. Die Prüfung des Schlussverwendungsnachweises ergab, dass sich die zuwendungsfähigen Ausgaben mit 55.200 Euro gegenüber dem Förderantrag in etwa halbierten und sogar unter der bewilligten Zuwendung lagen.
2.2 Förderanträge zeigen vereinzelt großzügig veranschlagte Kosten
Die Antragsteller richten ihre Kostenermittlungen (-schätzungen) so aus, dass Nachfinanzierungen in der Regel nicht auftreten. Zu vermuten ist daher, dass die Antragsteller Sicherheitsmargen in ihre Kostenansätze aufnehmen und die beauftragten Ingenieurbüros die Kosten eher hoch veranschlagen, auch um Regress-Forderungen des Zuwendungsempfängers bei später womöglich steigenden Projektkosten (nicht Indexsteigerungen) zu vermeiden.
Die Kostenberechnungen der Antragsteller sind daher von den Bewilligungsstellen mit Erfahrungswerten abzugleichen. Kostenrichtwerte sind meist nicht oder allenfalls in Form der anzuwendenden Förderpauschalen vorhanden. Die „korrekten“ Kosten zu erheben ist auch wegen deutlicher saisonaler Preisschwankungen oder sich auf die Preisbildung auswirkender lokaler bzw. regionaler Besonderheiten schwierig.
Die Bewilligungsstellen bewegen sich bei der Antragsprüfung auf einem schmalen Grat. Selbst bei zeitaufwendigster und sorgfältigster Antragsprüfung bleiben Unsicherheiten beim Kostenanschlag bestehen.
Zwei Regierungspräsidien sind in einigen Fällen dazu übergegangen, die Ausschreibungsergebnisse für die Bewilligung zugrunde zu legen. Die Ausschreibungsergebnisse beziehen sich auf die Hauptleistung eines Vorhabens. Grunderwerbskosten sowie Kosten für Kompensationsmaßnahmen und die Ausstattung der Straße kommen hinzu. Zum Teil umfangreiche Begutachtungen und Wertungen der Kostenberechnungen (-schätzungen) entfallen. Dies ist in der geltenden VwV-LGVFG jedoch nicht vorgesehen.
Beispiel: Bau eines Kreisverkehres im Zuge der Neugestaltung des Marktplatzes in Schwenningen, Regierungsbezirk Freiburg
Mit der Aufwertung des Innenstadtbereiches in Schwenningen sollte die Kreuzung „Auf der Lehr/Marktstraße“ zu einem Kreisverkehr umgebaut werden. Im Juli 2017 erhielt das Regierungspräsidium den Förderantrag mit zuwendungsfähigen Ausgaben von 1.597.220 Euro. Bei der Antragsprüfung ergaben sich für die Bewilligungsstelle Probleme bei der Bemessung der zuwendungsfähigen Ausgaben. Mit der Stadt Villingen-Schwenningen wurde vereinbart, das Ergebnis der Ausschreibung abzuwarten. Am 23. Oktober 2017 wurde dem Regierungspräsidium das Angebot des günstigsten Bieters übersandt. Anhand dessen wurden die zuwendungsfähigen Ausgaben auf 1.016.000 Euro festgesetzt, also rund ein Drittel geringer als beantragt. Am 21. November 2017 wurde die Bewilligung über eine Zuwendung von 508.000 Euro erteilt. Der Zuschlag seitens der Stadt an das Unternehmen erfolgte am 13. Dezember 2017.
2.3 Regelungslücke zur Mitteilungspflicht in den Fördervorschriften
Für den Zuwendungsempfänger besteht zwischen der Antragstellung und der Antragsprüfung bis hin zur Bewilligung keine Mitteilungspflicht, da die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung an kommunale Körperschaften erst mit dem Bewilligungsbescheid verpflichtend gelten. Deshalb muss ein Zuwendungsempfänger der Bewilligungsstelle Kostenveränderungen, beispielsweise geringere Baukosten infolge der Ausschreibung, derzeit nicht mitteilen.
Beispiel: Ausbau der K 7414 zwischen Schlechtenfeld und des Einmündungsbereiches Weiherstraße in Ehingen, Regierungsbezirk Tübingen
Der Alb-Donau-Kreis schrieb den Ausbau der Kreisstraße vor der Bewilligung aus, da der Vergabevorschlag vom Kreistag beschlossen werden musste. Die Submission war am 23. Oktober 2014. Seitdem war dem Landkreis bekannt, dass die bei der Antragstellung eingereichte Kostenermittlung deutlich unterschritten wurde. Der Bewilligungsbescheid erging am 19. November 2014. Der Zuwendungsempfänger informierte das Regierungspräsidium vorab nicht über die Ausschreibungsergebnisse. Das Staatliche Rechnungsprüfungsamt Tübingen stellte bei der Prüfung des Vorhabens fest, dass die zuwendungsfähigen Ausgaben auf Grundlage der Ausschreibungsergebnisse 260.000 Euro unter den beantragten lagen. Die Förderung wurde damit um 130.000 Euro zu hoch bewilligt.
3 Empfehlungen
3.1 Auf der Grundlage von Ausschreibungsergebnissen bewilligen
Die VwV-LGVFG sollte im Falle von Festbetragsfinanzierungen dahingehend überarbeitet werden, dass die Fördersumme auf Grundlage von Ausschreibungsergebnissen ermittelt und die Bewilligung auf dieser Grundlage erfolgt.
Der Rechnungshof hält eine weitere Verwaltungsvereinfachung bei der Festbetragsförderung für realisierbar. Aus zwei Regierungspräsidien liegen hierzu praktische Erfahrungen vor. Für alle Beteiligte bedeutet dies ein deutlich höheres Maß an Finanzierungssicherheit.
Werden Ausschreibungsergebnisse herangezogen, erübrigt sich eine Mitteilung der Zuwendungsempfänger, dass sich die Kosten zwischen Förderantrag und Ausschreibung geändert haben. Eine Regelungslücke bestünde dann nicht mehr.
3.2 Ablauf des Förderverfahrens anpassen
Bei der Festbetragsförderung anhand von Ausschreibungsergebnissen müssten die Abläufe des Förderverfahrens modifiziert werden. Unberührt davon bleibt die Antragstellung zur Aufnahme eines Vorhabens in das Förderprogramm. Ebenso bestimmt die Bewilligungsstelle bei der Antragsprüfung wie bisher die Priorisierung von Vorhaben.
Der Antragsteller braucht Rechts- und Finanzierungssicherheit für die Ausschreibung. Die Förderung sollte daher in dem bei der Antragsprüfung festgestellten Umfang der zuwendungsfähigen Ausgaben in einem vorläufigen Verwaltungsakt bewilligt werden. Die abschließende Festlegung des Zuwendungsbetrags erfolgt dann im endgültigen Bewilligungsbescheid auf Basis der Ausschreibungsergebnisse.
Weil Ausschreibungsergebnisse herangezogen werden, um den Festbetrag zu ermitteln, ist die Zuschlagsfrist, innerhalb der der Zuwendungsempfänger über den Zuschlag zu entscheiden hat, zu beachten. Die Erfahrungen bei zwei Regierungspräsidien zeigen, dass die Förderanträge in der üblichen Zuschlags- und Bindefrist von 30 Kalendertagen bearbeitet werden konnten.
Für die Verwendungsprüfung ist dann nur noch die ordnungsgemäße Durchführung des Vorhabens vom Zuwendungsempfänger zu bestätigen und ein zahlenmäßiger Nachweis vorzulegen, damit die Bewilligungsstellen prüfen können, ob die Fördervoraussetzungen erfüllt und eingehalten wurden.
Die VwV-LGVFG sollte entsprechend überarbeitet werden.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Ministerium für Verkehr legt dar, dass eine generelle Umsetzung der Empfehlungen des Rechnungshofs im Vollzug bei den Regierungspräsidien zu einem erheblichen Mehraufwand und hohem zeitlichen Bearbeitungsdruck führen würde. Da eine Vielzahl von Fördervorhaben in mehreren Losen ausgeschrieben und vergeben werde, würden sich regelmäßig mehrere Bearbeitungsschritte ergeben. Zudem könnten sich vergaberechtliche Probleme, die bisher beim Antragsteller verblieben, auf die Bearbeitung der Regierungspräsidien auswirken. Die angestrebte Verwaltungsvereinfachung und Entlastung der Regierungspräsidien würde damit nicht erreicht.
Das Ministerium werde jedoch im Rahmen der geltenden Regelungen und bei einzelnen Leistungspositionen von fachlich sowie zeitlich geeigneten Projekten auf das bewertete Ergebnis der Ausschreibung zurückgreifen. Dies entspräche dem derzeitigen Verwaltungshandeln bei streitigen Fällen. Den Vorschlag des Rechnungshofs zur Einführung einer Mitteilungspflicht der Antragsteller bei Kostenveränderungen und Vorlage von Ausschreibungsergebnissen in der Zeitphase zwischen Antragstellung und Bewilligung, werde das Ministerium umsetzen.
5 Schlussbemerkung
Der Rechnungshof bleibt bei seiner Auffassung, dass die Festbetragsförderung auf der Basis von Ausschreibungsergebnissen zu Verwaltungsvereinfachungen führt. Nicht nachvollziehbar ist, wie sich die allein vom Antragsteller zu lösenden vergaberechtlichen Probleme auf die Bearbeitungsschritte der Regierungspräsidien als Bewilligungsstellen auswirken sollen. Immerhin kann nach der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A) die Zuschlags- und Bindefrist in begründeten Fällen verlängert werden.
Unverständlich bleibt auch, weshalb trotz des vom Ministerium dargelegten erheblichen Mehraufwands bisher schon zwei Regierungspräsidien bei bis zu einem Viertel ihrer Fördervorhaben die vom Rechnungshof angeregte Festbetragsermittlung praktizieren.
Ferner hat das Ministerium dem Rechnungshof 2017 zu einem komplexen Fördervorhaben des Schienenpersonennahverkehrs mitgeteilt, dass aus verfahrensökonomischen Gründen viel für eine Festbetragsförderung auf der Basis von Ausschreibungsergebnissen spreche. Es stellte eine Evaluation der Verwaltungsvorschrift und ein Musterverfahren in Aussicht. Beim konkreten Fördervorhaben berücksichtigte das Ministerium die vorliegenden Ausschreibungsergebnisse bei seiner Bewilligung. Eine einheitliche Linie des Ministeriums, ob Ausschreibungsergebnisse zur Ermittlung des Festbetrags herangezogen werden, gibt es nicht.
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Einzelplan 14: Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst
Die Finanzhilfe des Landes für die Studierendenwerke sollte ab 2020 deutlich reduziert werden. Die Studierendenwerke können die Reduzierung der Finanzhilfe kompensieren, indem sie die vom Rechnungshof aufgezeigten Verbesserungspotenziale realisieren. Durch eine Konzentration der BAföG-Bearbeitung bei nur einem Studierendenwerk sowie die Optimierung des Personaleinsatzes und der IT-Verfahren ergäbe sich ein jährliches Einsparpotenzial bei der Verwaltungskostenerstattung des Landes in Millionenhöhe.
1 Ausgangslage
Das Land Baden-Württemberg hat zur sozialen Betreuung und Förderung der Studierenden an den baden-württembergischen Hochschulen acht Studierendenwerke als Anstalten des öffentlichen Rechts errichtet:
- das Studierendenwerk Mannheim,
- das Studierendenwerk Heidelberg,
- das Studierendenwerk Karlsruhe,
- das Studierendenwerk Freiburg,
- das Studierendenwerk Bodensee („Seezeit“),
- das Studierendenwerk Ulm,
- das Studierendenwerk Stuttgart und
- das Studierendenwerk Tübingen-Hohenheim.
Die Studierendenwerke betreiben Mensen und Cafeterien, bauen und betreiben Wohnheime für Studierende, bieten Betreuungseinrichtungen für die Kinder Studierender und diverse Beratungsstellen an. Sie vollziehen als übertragene Aufgabe die Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG), soweit Studierende gefördert werden.
Den dafür erforderlichen Finanzbedarf decken sie in erster Linie aus Entgelten für die erbrachten Leistungen, daneben aus den Beiträgen der Studierenden und aus Zahlungen des Landes und der Kommunen.
Jeder Studierende ist verpflichtet, den vom Verwaltungsrat seines Studierendenwerks festgesetzten Semesterbeitrag zu leisten, der in Baden-Württemberg derzeit durchschnittlich 50 Euro beträgt.
Vom Land erhalten die Studierendenwerke eine Finanzhilfe (in Summa 21,7 Mio. Euro jährlich), Investitionszuschüsse in wechselnder Höhe (zuletzt 5,2 Mio. Euro) und eine nach der Zahl der bearbeiteten Fälle bemessene Verwaltungskostenerstattung für den Vollzug des BAföG (13 Mio. Euro im Jahr 2016). Soweit die Studierendenwerke Kindertagesstätten betreiben, erhalten sie auch kommunale Zuschüsse. Die Summe der Zahlungen des Landes an die Studierendenwerke betrug im Jahr 2016 rund 40 Mio. Euro.
Die Studierendenwerke entwickelten sich nach dem Zweiten Weltkrieg aus den überkommenen Selbsthilfeeinrichtungen der Studierenden in den Universitätsstädten. Anfang der Siebzigerjahre des 20. Jahrhunderts wurden sie in Anstalten des öffentlichen Rechts umgewandelt und wie eine Behörde geführt. Durch das baden-württembergische Studentenwerksgesetz von 1999 wurden den Studierendenwerken zahlreiche unternehmerische Freiheiten gewährt mit dem erklärten Ziel, durch Autonomie und Bewährung im Wettbewerb effiziente und wirtschaftliche Strukturen zu schaffen.
In der Gesetzesbegründung brachte die Landesregierung ihre Erwartung zum Ausdruck, dass die so veränderten Rahmenbedingungen und das unternehmerische Geschick der neu zu berufenden Geschäftsführer auf mittlere Frist zu einer spürbaren Reduzierung der Landeszuschüsse führen würden. Auch die Beitragszahler sollten durch die Realisierung von Einsparpotenzialen entlastet werden. Die Gesetzesbegründung zeigte strukturelle Maßnahmen auf, die zu weiteren Einsparungen führen sollten: Angedacht war die Fusion von Studierendenwerken und die Konzentration des Vollzugs des BAföG.
Diese Erwartungen des Gesetzgebers haben sich in der Folgezeit nur teilweise erfüllt. So kam es lediglich 2007 zu einer Fusion der Studierendenwerke Tübingen und Hohenheim mit einem beträchtlichen Effizienzgewinn.
Das unternehmerische Geschick der neu berufenen Geschäftsführer führte an fast allen Standorten zu beachtlichen Jahresergebnissen, die das Eigenkapital der Studierendenwerke kontinuierlich wachsen ließen. Die jährliche Finanzhilfe des Landes wurde trotz der wachsenden Innenfinanzierungskraft der Studierendenwerke nicht gesenkt, allerdings über den gesamten Zeitraum auch nicht wesentlich erhöht. Die gegenwärtig gewährte Finanzhilfe von 21,7 Mio. Euro ist bis zum Jahr 2019 festgeschrieben. Die Höhe der Finanzhilfe für den Zeitraum 2020 bis 2024 wird in den nächsten Monaten von der Landesregierung festgelegt.
Der Rechnungshof hat in einer Querschnittsuntersuchung geprüft, ob die vorhandenen Einsparpotenziale ausreichend genutzt werden und das 1999 formulierte gesetzgeberische Ziel einer nachhaltigen Reduzierung der Landeszuschüsse erreicht werden kann. Grundlage der Prüfung war die Entwicklung der Jahresergebnisse bis einschließlich 2016.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Ausbildungsförderung
Seit Januar 2015 hat der Bund die Finanzierung der BAföG-Leistungen zu 100 Prozent übernommen. Für den Vollzug des BAföG und die Auszahlung der Mittel sind die Länder im Auftrag des Bundes zuständig. Die Länder tragen die dabei anfallenden Verwaltungskosten.
Das Land hat die Ausführung des BAföG, soweit es um Studierende der baden-württembergischen Hochschulen geht, den Studierendenwerken übertragen. Diese erhalten vom Land eine nach Fallzahlen bemessene pauschale Erstattung der Verwaltungskosten - im Jahr 2016 waren dies 13 Mio. Euro. Es handelt sich dabei vorwiegend um Personalkosten für insgesamt 227 Vollzeitäquivalente, die von den Studierendenwerken für den Vollzug des BAföG landesweit eingesetzt werden.
Der Normenkontrollrat des Bundes hat aufgrund einer Untersuchung des notwendigen Personalaufwands Normwerte für die Bearbeitung eines BAföG-Antrags ermittelt. Legte man diese Normwerte zugrunde, würde sich der Personalbedarf in Baden-Württemberg erheblich reduzieren. Weitere Verbesserungspotenziale ergäben sich, wenn die IT-Verfahren zur Bearbeitung des BAföG optimiert würden. Daran arbeitet gegenwärtig eine länderübergreifende Arbeitsgruppe.
Der Rechnungshof hält eine solche Effizienzsteigerung bei den Ämtern für Ausbildungsförderung dann für möglich, wenn die Bearbeitung der BAföG-Anträge aller baden-württembergischen Studierenden bei nur einem Studierendenwerk konzentriert wird. Freilich müsste bei jedem Studierendenwerk vor Ort nach wie vor Personal zur Beratung der Studierenden in BAföG-Angelegenheiten und zur Entgegennahme von Anträgen vorgehalten werden (analog zur Bürgertheke bei den Finanzämtern).
Saldiert man den Minderbedarf aufgrund der Effizienzsteigerung und den Mehrbedarf für die Bürgertheken, so ergibt sich ein Einsparpotenzial von landesweit 70 Vollzeitäquivalenten - das entspricht 30 Prozent des Personalaufwands.
Nach Realisierung dieser Aufgabenkonzentration kann das Land seine Verwaltungskostenerstattung entsprechend reduzieren. Ausgehend von den Fallzahlen des Jahres 2016 ergibt sich daraus eine Reduzierung der Verwaltungskostenerstattung um 3,9 Mio. Euro.
2.2 Studentisches Wohnen
Die acht Studierendenwerke stellen den Studierenden landesweit 34.000 Wohnheimplätze in eigenen oder angemieteten Liegenschaften zur Verfügung. Die Studierendenwerke decken zusammen mit anderen Anbietern, die öffentlich geförderten Wohnraum für Studierende bereitstellen, 12,5 Prozent des studentischen Wohnraumbedarfs. Damit nimmt Baden-Württemberg im bundesweiten Vergleich eine Spitzenstellung ein (Bundesdurchschnitt: 9,7 Prozent). Mit ihrem Angebot schaffen die Studierendenwerke zugleich Standards für die Qualität und den Preis studentischer Wohnungen, an denen sich private Vermieter orientieren.
Das Land fördert den Bau von Wohnheimplätzen für Studierende, indem es den Studierendenwerken einerseits nach Möglichkeit landeseigene Grundstücke zu sehr günstigen Konditionen für den Wohnheimbau zur Verfügung stellt, andererseits einen verlorenen Zuschuss von 8.000 Euro je neu geschaffenen Bettplatz gewährt. Auf dieser Grundlage kalkulieren die Studierendenwerke eine vollkostendeckende Miete. Damit werden auch die anfallenden Abschreibungen und eine mäßige Eigenkapitalverzinsung erwirtschaftet. Eine Quersubventionierung der Miete aus anderen Einnahmen der Studierendenwerke ist regelmäßig nicht erforderlich.
Die vorliegenden Analysen legen nahe, dass jedenfalls in einzelnen Universitätsstädten die studentische Nachfrage nach Wohnraum ungebrochen ist. In einzelnen Universitätsstädten bestehen sogar ein deutlicher Nachfrageüberhang und ein Bedarf nach weiterem öffentlich gefördertem Wohnraum.
Der Rechnungshof hält dieses System der Förderung studentischen Wohnraums für sachgerecht und plädiert dafür, das bestehende Verhältnis zwischen öffentlich gefördertem und privatem Wohnraumangebot zu erhalten.
Ein Verbesserungspotenzial sieht der Rechnungshof allerdings darin, dass die Studierendenwerke bei der Vermietung studentischen Wohnraums keinen weitergehenden Deckungsbeitrag für ihre anderen sozialen Aufgaben erwirtschaften. Einen solchen Deckungsbeitrag zu erwirtschaften, erscheint deshalb angemessen, weil die Mehrzahl der Studierendenwerke die Wohnheimplätze nicht mehr ausschließlich nach sozialen Kriterien vergibt und damit auch wohlhabende Studierende in den Genuss von Mieten kommen, die an vielen Standorten mehr als 50 Euro unter der ortsüblichen Miete liegen. Würden die Studierendenwerke je Wohnheimplatz einen sozial gestaffelten Mietzuschlag erheben, ergäbe sich daraus eine Mehreinnahme, die zur Finanzierung anderer sozialer Aufgaben des Studierendenwerks verwendet werden könnte. Außerdem wäre dieser Mietzuschlag ein Beitrag zur Gerechtigkeit im Verhältnis zwischen den Studierenden, die einen subventionierten Wohnraumplatz bekommen, und jenen, die auf den freien Wohnungsmarkt angewiesen sind.
2.3 Verpflegungsbetriebe
Der größte Teil des Primärdefizits, das die Studierendenwerke allerorts erwirtschaften, beruht auf der fehlenden Kostendeckung ihrer Verpflegungsbetriebe. 2016 betrug der Kostendeckungsgrad der Verpflegungsbetriebe (Mensen, Cafeterien usw.) landesweit lediglich 65 Prozent. Daraus ergab sich ein Zuschussbedarf dieses Bereichs von nahezu 40 Mio. Euro jährlich, der teilweise aus der Finanzhilfe des Landes und teilweise aus den Beiträgen der Studierenden gedeckt wird. Bemerkenswert ist, dass in diese Berechnung nur ein Teil der Gebäudekosten eingeht.
Die Erwartungen, die die Hochschulen und die Studierenden an ihre Mensen und Cafeterien richten, sind hoch: Sie erwarten eine Vielzahl dezentraler Standorte, ein qualitativ hochwertiges und abwechslungsreiches Essen und ein günstiges Preisniveau. Diese Ziele werden von den Vertretern der Hochschulen und der Studierenden im Verwaltungsrat offensiv eingefordert und durchgesetzt.
Die 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks und eigene Erhebungen des Rechnungshofs haben ergeben, dass trotz des hochwertigen und nachfragefreundlichen Angebots der Verpflegungsbetriebe die Inanspruchnahme des Angebots tendenziell rückläufig ist. Bundesweit hat sich die durchschnittliche Zahl der Mittagessen, die ein Studierender je Woche in der Mensa verzehrt, in den letzten fünf Jahren von 2,7 auf 1,7 vermindert. Nach Erhebungen des Rechnungshofs verzehrten die baden-württem¬bergischen Studierenden 2016 im Durchschnitt lediglich zwischen 22 Mittagessen je Jahr in Tübingen/Hohenheim und 41 Mittagessen in Heidelberg.
Der Rechnungshof hält es für möglich, den Kostendeckungsgrad der Verpflegungsbetriebe nachhaltig zu steigern. Schon bei einem Deckungsgrad von 70 Prozent ergäbe sich landesweit eine Verminderung des Zuschussbedarfs um mehr als 5 Mio. Euro jährlich.
Ein höherer Kostendeckungsgrad könnte erreicht werden, indem
- nicht notwendige und stark defizitäre Einrichtungen konsequent geschlossen werden,
- gegenüber Mitarbeitern und Gästen mehr als lediglich kostendeckende Preise verlangt und effektiv durchgesetzt werden,
- Waren- und Personalkostenerhöhungen zeitnah und vollständig an die Kunden der Verpflegungsbetriebe weitergegeben werden.
Das Land sollte, solange es Zuschüsse zum laufenden Betrieb gewährt und damit die Verpflegungsbetriebe subventioniert, auf eine Erhöhung des Kostendeckungsgrads hinwirken und, falls erforderlich, rechtlich verbindliche Vorgaben zum Kostendeckungsgrad definieren.
2.4 Soziale Aufgaben
Die Studierendenwerke erfüllen in den Bereichen Kinderbetreuung, psychosoziale Beratung und finanzielle Studienhilfen wichtige Aufgaben. Mit der Bereitstellung von Kinderbetreuungsplätzen speziell für die Kinder von Studierenden, mit der psychosozialen Beratung bei spezifisch studienbezogenen Problemen (z. B. Prüfungsangst) und mit unbürokratischen Hilfen bei vorübergehenden Notsituationen von Studierenden ergänzen die Studierendenwerke die Angebote anderer sozialer Einrichtungen. Allerdings sollten die Studierendenwerke darauf achten, dass sie nicht Pflichtangebote der Kommunen, der Hochschulen oder anderer gemeinnütziger Träger substituieren.
Wir halten auch in diesen Bereichen mäßige Ergebnisverbesserungen für möglich:
- Der Umfang des Kinderbetreuungsangebots sollte sich nur am spezifischen studentischen Bedarf orientieren. Primär zuständig für Kinderbetreuungsangebote sind die Sitzkommunen. Nicht erforderlich ist, Kindergartenplätze für Kinder von eigenen Mitarbeitern, Hochschulbediensteten oder hochschulfremden Familien vorzuhalten. Wenn ausnahmsweise im Zusammenhang mit der kommunalen Kostenerstattung von den Sitzgemeinden verlangt wird, dass Plätze für fremde Kinder vorgehalten werden, dann ist dies nur bei voller Kostenerstattung vertretbar.
- Wie bereits von zwei Studierendenwerken realisiert, sollte für die Inanspruchnahme der psychosozialen Beratung ein maßvoller Eigenanteil (z. B. von 10 Euro je Beratungstermin) erhoben werden. Kostendeckung ist in diesem Bereich freilich nicht zu erreichen.
Von den Möglichkeiten einer finanziellen Hilfe für Studierende in Notlagen (z. B. durch die Gewährung eines kurzfristigen Darlehens) machen die Studierendenwerke nach unseren Erhebungen ohnehin nur vorsichtig Gebrauch. Der Rechnungshof beanstandet diese Praxis daher nicht.
2.5 Verzicht auf freiwillige Aufgaben
Über die beschriebenen Aufgaben hinaus nehmen einige Studierendenwerke soziale und kulturelle Aufgaben wahr, auf die auch verzichtet werden könnte.
So bedarf es beispielsweise keiner Angebote zur juristischen Beratung: Für die Beratung in hochschulrechtlichen und prüfungsrechtlichen Fragen ist die Hochschule selbst zuständig; für zivilrechtliche Beratungen gibt es staatlich geförderte Beratungshilfe durch Amtsgerichte und Rechtsanwälte.
Kulturelle Angebote der Studierendenwerke konkurrieren häufig mit inhaltsgleichen Angeboten der Hochschulen, der Verfassten Studierendenschaften oder anderer lokaler Anbieter. So bedarf es weder einer vom Studierendenwerk betriebenen Bücherei noch eines ausgefeilten Angebots an öffentlichen Veranstaltungen noch einer vom Studierendenwerk subventionierten Fahrradwerkstatt.
Die Übernahme neuer sozialer oder kultureller Aufgaben kommt nach unserer Auffassung nur in Betracht, wenn für eine volle Kostendeckung aus Entgelten oder Zuwendungen Dritter gesorgt wird.
2.6 Effiziente Strukturen
Die Struktur der Studierendenwerke in Baden-Württemberg orientiert sich an den Universitätsstädten und ist deswegen polyzentrisch. Dadurch ergeben sich Effizienzreserven, die auch der Gesetzgeber des Studentenwerksgesetzes 1999 gesehen hat. Das Gesetz hat deshalb vorgesehen, dass die Errichtung, die Aufhebung und die Fusion von Studierendenwerken durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Landtags möglich sind. Von dieser Möglichkeit wurde bislang nur bei der Fusion der Studierendenwerke Tübingen und Hohenheim zum 1. Januar 2007 Gebrauch gemacht. Nach Berechnungen des Studierendenwerks Tübingen-Hohenheim hat diese Fusion eine Effizienzrendite von rund 30 Prozent beim Personalaufwand im Verwaltungsbereich erbracht.
Der Rechnungshof hält weitere Fusionen mit entsprechendem Effizienzgewinn für möglich:
- Aufgrund der räumlichen Nähe wären die Fusion der Studierendenwerke in Mannheim und Heidelberg sowie der Studierendenwerke Stuttgart und Tübingen-Hohenheim einfach realisierbar.
- Auf mittlere Frist könnte die Leistungsfähigkeit der Studierendenwerke weiter gesteigert werden, wenn die baden-württembergischen Hochschulen nur noch von drei Studierendenwerken versorgt würden:
- „Studierendenwerk Nordbaden“ mit den Hauptstandorten Karlsruhe, Heidelberg und Mannheim,
- „Studierendenwerk Südbaden“ mit den Hauptstandorten Konstanz und Freiburg und
- „Studierendenwerk Württemberg“ mit den Hauptstandorten Stuttgart, Tübingen und Ulm.
In diesem Zusammenhang müsste dann auch die Zuordnung der kleineren Hochschulen zu den einzelnen Studierendenwerken überdacht werden.
Durch die damit verbundene Straffung des Leitungsbereichs ergäbe sich ein Einsparpotenzial von landesweit mindestens 1,5 Mio. Euro. Durch die Synergieeffekte in der Verwaltung ist nach den Erfahrungen von Tübingen-Hohenheim mit weiteren Effizienzgewinnen in einer Größenordnung von 1 Mio. Euro zu rechnen, ohne dass das Leistungsangebot der Studierendenwerke beeinträchtigt würde.
2.7 Künftige Finanzierung
Die Studierendenwerke in Baden-Württemberg haben in den vergangenen Jahren jeweils gute Betriebsergebnisse erzielt und damit eine gute Eigenkapitalausstattung erarbeitet. Ebenfalls positiv entwickelt hat sich die Liquidität der Studierendenwerke, da neben den positiven Betriebsergebnissen auch die (erwirtschafteten) Abschreibungen zu einem beachtlichen Cash-Flow geführt haben.
Vor diesem Hintergrund sollte das Land prüfen, ob die Studierendenwerke einen Teil der vom Land traditionell geförderten Investitionen künftig aus eigenen liquiden Mitteln finanzieren können. Auch dadurch würde sich ein Teil der vom Land gewährten Zuschüsse erübrigen.
Eine weitere Möglichkeit, das Betriebsergebnis der Studierendenwerke zu verbessern, offenbart ein Blick auf den bundesweiten Vergleich der Studentenwerksbeiträge: Während in Baden-Württemberg im Wintersemester 2016/2017 im Durchschnitt ein Beitrag von 50,09 Euro je Semester gezahlt wurde, lag der Bundesdurchschnitt der Beiträge bei 68,38 Euro je Semester.
Würden die Semesterbeiträge an den baden-württembergischen Hochschulen um durchschnittlich 10 Euro je Semester erhöht werden, läge der Beitrag immer noch mehr als 10 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt. Das Betriebsergebnis der Studierendenwerke würde sich dagegen um 6,7 Mio. Euro verbessern.
3 Fazit und Empfehlungen
Die aufgezeigten Potenziale können die einzelnen Studierendenwerke je nach den örtlichen Gegebenheiten und der von ihnen verfolgten Strategie ganz, teilweise oder in Stufen nutzen, um ihre Betriebsergebnisse zu verbessern und eine Reduzierung der Finanzhilfe des Landes zu kompensieren.
3.1 Fortsetzung der Wohnheimförderung
Der Rechnungshof empfiehlt, das System der Förderung des Wohnheimbaus angesichts der steigenden Nachfrage nach studentischem Wohnraum beizubehalten. Es sollten auch weiterhin kostengünstig Grundstücke für den Wohnheimbau zur Verfügung gestellt und jeder Wohnheimplatz der Studierendenwerke sollte mit einem staatlichen Zuschuss subventioniert werden.
3.2 Einsparungen ohne Auswirkung auf die Studierenden
Eine Einsparung in Millionenhöhe bei den Zahlungen des Landes ohne Auswirkung auf die Leistungen an die Studierenden ließe sich realisieren, wenn
- die Studierendenwerke einen Teil ihrer notwendigen Investitionen mit eigenen liquiden Mitteln finanzieren würden,
- die Zuständigkeit für die Bearbeitung von BAföG-Anträgen bei nur einem Studierendenwerk konzentriert, der Personalbedarf an die Werte des Normenkontrollrats angepasst und das IT-Verfahren optimiert würde (bei gleichen Fallzahlen wie 2016 jährlich 3,9 Mio. Euro weniger Verwaltungskostenerstattung) und
- durch die Fusion von Studierendenwerken eine Effizienzrendite von 2,5 Mio. Euro geschöpft würde.
3.3 Ergebnisverbesserungen ohne Beitragserhöhung
Im Einzelnen sieht der Rechnungshof folgende Möglichkeiten, die Ergebnisse aus dem laufenden Betrieb zu verbessern, ohne die Semesterbeiträge erhöhen zu müssen:
- Eine sozial gestaffelte Erhöhung der Wohnheimmieten ergäbe einen Deckungsbeitrag für die übrigen sozialen Aufgaben der Studierendenwerke und würde die Gerechtigkeit zwischen den Studierenden verbessern.
- Durch eine (realistische) Steigerung des Kostendeckungsgrads der Verpflegungsbetriebe auf durchschnittlich 70 Prozent ergäbe sich eine Verbesserung des Betriebsergebnisses von landesweit 5,5 Mio. Euro.
- Eine Optimierung des Angebots an Kinderbetreuungseinrichtungen und die Erhebung eines Eigenanteils bei psychosozialen Beratungen ergeben ein Verbesserungspotenzial von rund 0,5 Mio. Euro.
- Der Verzicht auf freiwillige kulturelle Aufgaben und Beratungsaufgaben erbringt ein weiteres Verbesserungspotenzial.
Auch wenn nur ein Teil dieser Vorschläge umgesetzt würde, ergäbe sich Spielraum für die nachhaltige Reduzierung der jährlichen Finanzhilfe.
3.4 Ergebnisverbesserungen durch Beitragserhöhung
Würden die Beiträge um durchschnittlich 10 Euro je Semester erhöht, würde sich landesweit der Bedarf an staatlicher Finanzhilfe um 6,7 Mio. Euro reduzieren. Das baden-württembergische Beitragsniveau läge damit immer noch 10 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt.
4 Stellungnahme der Studierendenwerke
Die acht baden-württembergischen Studierendenwerke und in ihrem Auftrag das Deutsche Studentenwerk e. V. haben zu den Feststellungen und Vorschlägen des Rechnungshofs Stellung genommen. Die baden-württem-bergischen Studierendenwerke erheben im Wesentlichen folgende Einwendungen:
- Die Finanzhilfe des Landes Baden-Württemberg sei seit 1999 weitgehend unverändert und trage deshalb der wachsenden Studierendenzahl sowie den mittlerweile eingetretenen Personalkostensteigerungen nicht ausreichend Rechnung. Es habe erheblichen unternehmerischen Geschicks bedurft, um die Betriebsergebnisse vor diesem Hintergrund stabil zu halten. Die Studierendenwerke hätten in dieser Zeit Einsparpotenziale in beachtlichem Umfang realisiert.
- Die Konzentration der Zuständigkeit für die Bearbeitung von BAföG-Anträgen sei nur möglich, wenn Umfang und Qualität der Beratung vor Ort gewährleistet seien und die notwendige leistungsfähige IT-Infrastruktur bereitgestellt werde. Notwendig sei überdies eine deutliche Vereinfachung des materiellen Rechts. Angezweifelt wird das vom Rechnungshof errechnete Einsparpotenzial von 70 Vollzeitäquivalenten, maximal möglich seien allenfalls 30 Vollzeitäquivalente. Denkbar sei allerdings eine Übertragung der gesamten Ausbildungsförderung auf die Finanzämter.
- Die Studierendenwerke sprechen sich gegen die vorgeschlagene Mieterhöhung aus und weisen dabei auf die soziale Funktion ihres Wohnheimangebots hin. An einzelnen baden-württembergischen Standorten überträfen die erhobenen Mieten bereits heute den bei der Bemessung des BAföG zugrunde gelegten Bedarfssatz für Wohnraummiete und bewegten sich teilweise auf dem Niveau der ortsüblichen Vergleichsmieten. Im Übrigen könnte die Erhebung einer Miete über das Maß der Vollkostendeckung hinaus zuwendungsrechtliche und steuerrechtliche Probleme verursachen.
- Gegen den vom Rechnungshof vorgeschlagenen Kostendeckungsgrad von 70 Prozent bei den Verpflegungsbetrieben machen die Studierendenwerke geltend, dass schon heute drei Fünftel des dort erwirtschafteten Defizits aus den Beiträgen der Studierenden und nicht aus der Finanzhilfe des Landes gedeckt werden. Kostensenkungen scheiterten häufig an den tarifvertraglichen Vorgaben, Preiserhöhungen führten wegen des zu erwartenden Nachfragerückgangs nicht zwingend zu einem höheren Kostendeckungsgrad.
- Die Wahrnehmung sozialer Aufgaben gehöre nach dem Studierendenwerksgesetz zur Kernkompetenz der Studierendenwerke. Eine Kostenbeteiligung bei der psychologischen Beratung verursache einen hohen Verwaltungsaufwand und bringe datenschutzrechtliche Probleme mit sich. Ein vollkostendeckender Zuschuss der Kommunen zu einzelnen Kinderbetreuungsangeboten für Nichtstudierende sei wünschenswert, aber aufgrund unzureichender gesetzlicher und kommunaler Vorgaben vielerorts nicht durchsetzbar.
- Zum Thema „kulturelle Angebote“ weisen die Studierendenwerke auf die interkulturelle Dimension ihrer Angebote hin, auf die sie nicht gänzlich verzichten möchten.
- Zu den Fusionsvorschlägen des Rechnungshofs machen die Studierendenwerke geltend, dass die vom Rechnungshof errechnete Effizienzrendite nicht im Einzelnen belegt sei und durch vielfach gepflegte Kooperationen bereits heute Einsparpotenziale genutzt würden, ohne dass die besondere lokale Verankerung gefährdet werde. Der Rechnungshof übersehe auch die mit einer Fusion zwingend verbundenen Kosten für die rechtliche, organisatorische, technische und personelle Zusammenführung mehrerer Studierendenwerke.
- Mit den vom Rechnungshof in den Raum gestellten Beitragserhöhungen werde die Attraktivität des Studienstandorts Baden-Württemberg gemindert. Die vom Rechnungshof zitierten höheren Beiträge in anderen Ländern dienten dort vor allem der Kompensation höherer Defizite im Verpflegungsbereich.
Eines der Studierendenwerke weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass bei einer Neufestsetzung der Finanzhilfe des Landes jedenfalls auch eine leistungsgerechtere Verteilung der Finanzhilfe zwischen den Studierendenwerken erwogen werden müsse.
Das Studierendenwerk Stuttgart hält es für zielführend, die Standorte Stuttgart, Stuttgart-Hohenheim und Heilbronn in seiner Zuständigkeit zusammenzuführen. Eine Einbeziehung des Standorts Tübingen sei aus strukturellen Gründen jedoch nicht erstrebenswert.
5 Stellungnahme des Ministeriums
Das Wissenschaftsministerium betont, dass die Landesregierung die Schaffung von förderlichen Rahmenbedingungen und Chancengerechtigkeit beim Studium als soziale Verpflichtung des Landes sehe und den Wissenschaftsstandort Baden-Württemberg im nationalen und internationalen Wettbewerb stärken möchte. Das Ministerium werde die vom Rechnungshof ausgesprochenen Empfehlungen prüfen und intensiv mit den Studierendenwerken diskutieren. Es weist darauf hin, dass die meisten der vorgeschlagenen Maßnahmen in den Verantwortungsbereich der Geschäftsführungen sowie der Verwaltungsräte der einzelnen Studierendenwerke fallen. Aufgrund der Autonomie der Studierendenwerke seien die Einflussmöglichkeiten des Ministeriums begrenzt.
Das Ministerium sieht die Studierendenwerke des Landes auf einem guten Weg, auch weiterhin eine bestmögliche Förderung und Betreuung sicherzustellen. Die Landesregierung werde hierzu auch in Zukunft einen wichtigen Beitrag leisten.
Zu den einzelnen Vorschlägen des Rechnungshofs nimmt das Ministerium wie folgt Stellung:
Das Ministerium stimme den Feststellungen des Rechnungshofs zu, dass im Bereich der BAföG-Verwaltung Einsparpotenziale und Effizienzsteigerungsmöglichkeiten vorhanden sind. Dem Vorschlag eines zentralen Amts für die Anträge auf Studierenden-BAföG stehe es jedoch kritisch gegenüber, da in diesem Fall die im Sozialleistungsrecht verankerte Pflicht der Beratung und Betreuung nicht sichergestellt werden könne. Es plane, im Rahmen einer landesweiten Organisationsuntersuchung Einsparpotenziale zu ermitteln und in der Folge umzusetzen.
Einen pauschalen Zuschlag zur Miete sehe das Wissenschaftsministerium kritisch. Dieser Zuschlag berücksichtige weder standortbezogene Gegebenheiten wie z. B. das Mietniveau noch den baulichen Zustand der jeweiligen Wohnanlage (Altbau/Neubau, Sanierungsbedarf).
Die Möglichkeit einer Defizitreduzierung im Verpflegungsbereich sei durch bereits erzielte Effizienzgewinne, stetige Kostensteigerungen im Personal- und Beschaffungsbereich sowie erhebliche Sanierungsaufwendungen begrenzt. Preiserhöhungen fielen in den Entscheidungsbereich der jeweiligen Geschäftsführung. Die Schließung stark defizitärer Verpflegungseinrichtungen erscheine sinnvoll, sofern sie durch abfedernde Maßnahmen wie eine Automatenversorgung ergänzt würde.
Das Ministerium befürwortet die Erhebung eines maßvollen Eigenanteils bei der psychotherapeutischen Beratung und höhere Elternbeiträge für Eltern, die nicht studieren. Wegfallen könnten aus Sicht des Ministeriums ebenso die juristische Beratung und einzelne kulturelle Angebote, falls die Verfassten Studierendenschaften in diesem Bereich bereits tätig sein sollten.
Das Ministerium werde die Möglichkeiten einer Fusion der Studierendenwerke Mannheim und Heidelberg prüfen. Einer weitergehenden Fusion von Studierendenwerken stehe es jedoch kritisch gegenüber, da die Kosten einer weitgehenden Zentralisierung, die verwaltungstechnische Handhabung sowie „weiche Faktoren“ wie die gegebenenfalls sinkende Betreuungsqualität nicht ausreichend berücksichtigt seien. Bereits jetzt gebe es Synergieeffekte durch umfassende Zusammenarbeit z. B. bei Einkauf, IT und Marketing.
Eine pauschale Erhöhung der Studierendenwerksbeiträge um 10 Euro je Semester sei aus Sicht des Ministeriums als nicht ausgewogen abzulehnen. Dennoch sehe das Ministerium bei einzelnen Studierendenwerken Spielraum für eine moderate Erhöhung der Studierendenwerksbeiträge. Diese seien vielmehr standort- bzw. hochschulbezogen zu ermitteln. Die Entscheidung über die Höhe der Beiträge liege bei den Verwaltungsräten der Studierendenwerke. Die gute wirtschaftliche Situation der Studierendenwerke sollte nicht zur Kürzung staatlicher Mittel herangezogen werden. Sie diene vielmehr der Zukunftsvorsorge, um den Wissenschaftsstandort Baden-Württem¬berg zu stärken und die Chancengerechtigkeit beim Studium als soziale Verpflichtung des Landes zu verwirklichen.
6 Schlussbemerkung
Der Rechnungshof hält auch angesichts der Einwendungen, wie sie die Studierendenwerke erheben, an der Empfehlung fest, die Höhe der Finanzhilfe des Landes für den Zeitraum ab 2020 deutlich zu reduzieren.
Eine Halbierung der Finanzhilfe können die Studierendenwerke kompensieren, selbst wenn sie nur einen Teil der Vorschläge des Rechnungshofs umsetzen. Da viele der genannten Potenziale zur Ergebnisverbesserung in die Zuständigkeit der Verwaltungsräte und der Geschäftsführer der Studierendenwerke fallen, können dabei auch örtliche und strukturelle Besonderheiten der einzelnen Studierendenwerke berücksichtigt werden.
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Bei der Prüfung der Verfassten Studierendenschaften zeigten sich Defizite vor allem in der Organisation, der Aufgabenwahrnehmung und der Haushalts- und Wirtschaftsführung. Mehrere Studierendenschaften haben hohe Rücklagen gebildet, die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben nicht erforderlich sind. Der Rechnungshof empfiehlt den Hochschulen, die Aufsicht über und die Kooperation mit den Studierendenschaften zu stärken, und dem Wissenschaftsministerium, die Studierendenschaften durch eine Richtlinie bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen.
1 Ausgangslage
Mit Gesetz vom 10. Juli 2012 wurden an den baden-württembergischen Hochschulen „Verfasste Studierendenschaften“ als rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts errichtet. Pflichtmitglieder dieser Körperschaft sind alle Studierenden der jeweiligen Hochschule; eine Möglichkeit, aus der Körperschaft auszutreten, wurde vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Von der Regelung ausgenommen sind die Hochschulen für öffentliche Verwaltung, die Hochschule für Polizei und die Hochschule für Rechtspflege. Für sie gilt die alte Regelung über die Beteiligung der Studierenden fort.
Die Aufgaben der Verfassten Studierendenschaft wurden in § 65 Absatz 2 Landeshochschulgesetz abschließend definiert. Sie reichen von der Wahrnehmung der hochschulpolitischen, fachlichen und fachübergreifenden sowie der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Belange der Studierenden bis hin zur Förderung der politischen Bildung und des staatsbürgerlichen Verantwortungsbewusstseins der Studierenden.
Das Gesetz sah vor, dass sich die Verfassten Studierendenschaften bis spätestens 31. Dezember 2013 konstituieren sollten, indem die Studierenden in einer Urabstimmung eine Organisationssatzung beschließen und anschließend die Gremienmitglieder wählen. Wenn diese Frist fruchtlos verstrichen war, trat eine vom Gesetzgeber hilfsweise vorgesehene Organisationsregelung in Kraft. Das Rektorat der Hochschule war in einem solchen Fall verpflichtet, die Wahl des Studierendenparlaments in eigener Initiative anzuberaumen und durchzuführen.
Bis zum Jahresende 2017 haben sich die Studierendenschaften an 42 baden-württembergischen Hochschulen in dieser Weise konstituiert und eine Organisationssatzung beschlossen. An der Hochschule Konstanz hat sich bis heute keine Verfasste Studierendenschaft konstituiert. Die Beteiligung der Studierenden an den Abstimmungen über die Organisationssatzung und an den Gremienwahlen war und ist bis heute mäßig. Landesweit nehmen lediglich rund 10 Prozent der Studierenden an diesen Abstimmungen und Wahlen teil.
Jede Verfasste Studierendenschaft besteht aus mindestens einem Legislativorgan (Studierendenparlament oder Ähnliches) und einem zentralen Exekutivorgan (Allgemeiner Studierendenausschuss oder Ähnliches - AStA). Weitere Organe auf zentraler oder Fakultätsebene werden nach Maßgabe der Organisationssatzung gebildet.
Die Verfasste Studierendenschaft kann neben der Organisationssatzung weitere Satzungen erlassen, die Rechte und Pflichten der Studierenden und der Organe der Studierendenschaft begründen. In einer Beitragsordnung können Pflichtbeiträge der Studierenden festgesetzt werden, die von der Hochschule unentgeltlich eingezogen und an die Studierendenschaft weitergeleitet werden. Aus diesen Beiträgen und weiteren Einnahmen (z. B. Spenden oder Eintrittsgeldern) decken die Studierendenschaften ihre Ausgaben. An fünf Hochschulen haben die Studierendenschaften bis heute davon abgesehen, Beiträge von den Studierenden zu erheben.
Für die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Verfassten Studierendenschaften gelten die einschlägigen Vorschriften des Landes, insbesondere die Landeshaushaltsordnung. Das Legislativorgan hat vor Beginn des Haushaltsjahrs einen Haushalts- oder Wirtschaftsplan zu beschließen, der vom Rektorat der jeweiligen Hochschule zu genehmigen ist. Nach Ende des Haushaltsjahrs ist ein Jahresabschluss zu erstellen, der nach Prüfung durch einen oder mehrere Rechnungsprüfer dem Rektorat der Hochschule vorzulegen ist. Das Rektorat der Hochschule erteilt aufgrund dieses Jahresabschlusses die Entlastung nach Maßgabe der Landeshaushaltsordnung.
Zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Haushalts- und Wirtschaftsführung muss jede Studierendenschaft einen dafür qualifizierten Beauftragten für den Haushalt im Sinne des § 9 Landeshaushaltsordnung bestellen. Der Beauftragte hat das Recht, jede Ausgabe zu beanstanden und im Konfliktfall eine Entscheidung des Legislativorgans herbeizuführen.
Die Rechtsaufsicht über die Verfasste Studierendenschaft führt das Rektorat der jeweiligen Hochschule. Es muss die Satzungen und den Haushaltsplan genehmigen.
Der Rechnungshof und die Staatlichen Rechnungsprüfungsämter haben seit 2014 insgesamt 15 Verfasste Studierendenschaften geprüft - im Zuge der Prüfung hat der Rechnungshof die Studierendenschaften auch beraten und viele Fragen beantwortet.
2 Prüfungsergebnisse
Bei den Prüfungen der Finanzkontrolle zeigte sich bei den Organen der Studierendenschaften ein hohes Maß an Unsicherheit bei der Anwendung der einschlägigen Regeln und im Umgang mit den beträchtlichen Beitragseinnahmen.
Weiterhin zeigte sich, dass die Verfassten Studierendenschaften die ihnen vom Landeshochschulgesetz übertragenen Aufgaben nur teilweise wahrgenommen haben. Die im Gesetzgebungsverfahren ausgesprochenen Erwartungen sozialer, kultureller und hochschulpolitischer Aktivitäten wurden bis heute nur ansatzweise erfüllt. Dies ist u. a. den verkürzten Studienzeiten, dem jährlichen Wechsel der ehrenamtlich Tätigen und der verbreiteten Unsicherheit über die mögliche und rechtlich zulässige Verwendung der erhobenen Beiträge geschuldet.
2.1 Satzungen und Organisation
Wie vom Gesetzgeber gewünscht unterscheiden sich die Organisationsmodelle, die von den einzelnen Studierendenschaften beschlossen wurden, beträchtlich. Schwierigkeiten ergaben sich in der Praxis gelegentlich bei der Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Legislativ- und Exekutivorgan sowie bei der ordnungsgemäßen Dokumentation der gefassten Beschlüsse. Bei einigen der geprüften Studierendenschaften konnten wichtige Beschlüsse aus den Akten nicht mehr rekonstruiert werden.
Die Zahl der Mitglieder der Exekutivorgane reicht von 3 bis hin zu mehr als 25 an den großen Universitäten des Landes.
2.2 Beiträge und Rücklagen
Die Höhe der von den Studierendenschaften erhobenen Semesterbeiträge differiert stark: Die Beiträge reichen von 5 Euro bis zu 21 Euro je Semester. Bei mehr als 300.000 Studierenden in Baden-Württemberg verfügen die Studierendenschaften landesweit über Beitragseinnahmen in einer Größenordnung von 6,5 Mio. Euro jährlich.
Bei der Mehrzahl der geprüften Studierendenschaften überstiegen diese Beitragseinnahmen den Finanzbedarf erheblich. Aus den Jahresüberschüssen bildeten die Studierendenschaften Rücklagen, die an vielen Hochschulen hohe sechsstellige Beträge umfassen. Viele Studierendenschaften haben kein Konzept, wie diese Rücklagen und die hohen Beitragseinnahmen verwendet werden sollen.
Der Rechnungshof hält die Bildung von Rücklagen nur als Sicherheitsreserve für die Ausgaben eines Semesters für zulässig. Der Sinn und Zweck der vom Gesetzgeber geschaffenen Beitragshoheit rechtfertigt keine Ansparungen für unbestimmte Ausgaben künftiger Studentengenerationen.
Die Höhe der Beiträge sollte jenes Maß nicht übersteigen, das zur Deckung des aktuellen Ausgabebedarfs erforderlich ist. Rücklagen, die das zulässige Maß übersteigen, müssen zügig zurückgeführt werden.
2.3 Haushaltsplan und Jahresabschluss
Zahlreiche Beanstandungen des Rechnungshofs betrafen die (rechtzeitige) Aufstellung des Haushaltsplans, die zeitnahe Erstellung des Jahresabschlusses und die interne Rechnungsprüfung.
Häufig wurden die Haushaltspläne zu spät aufgestellt und die Jahresabschlüsse erst in der nächsten oder übernächsten Amtsperiode des AStA vorgelegt. Die (vom Gesetz vorgesehene) interne Rechnungsprüfung durch eigene Rechnungsprüfer findet bislang nur an wenigen Hochschulen statt.
Die Verwaltungen der Hochschulen haben die Genehmigung der Jahresabschlüsse in einigen Fällen genutzt, um ihrerseits Hinweise und Beanstandungen auszusprechen.
Die Komplexität der Haushalts-/Wirtschaftspläne, der Buchhaltung und der Jahresabschlüsse könnte deutlich reduziert werden, wenn sich die Studierendenschaften statt für eine kaufmännische Buchführung für eine Einnahmen- und Ausgabenrechnung nach kameralem Vorbild entscheiden würden. Nach den gesetzlichen Bestimmungen steht den Studierendenschaften insoweit ein Wahlrecht zu.
2.4 Ordnungsgemäße Haushalts- und Wirtschaftsführung
Bewährt hat sich die im Gesetz normierte Pflicht der Studierendenschaften, einen qualifizierten Beauftragten für den Haushalt zu bestellen, der die Auszahlungen genehmigt und gegebenenfalls unzulässige Ausgaben beanstandet. Diese Aufgabe wird bei den geprüften Studierendenschaften entweder von angestellten Fachkräften oder von externen Beauftragten (z. B. Steuerberatern oder Rechtsanwälten) wahrgenommen. Als besonders wirtschaftlich hat sich das Modell erwiesen, erfahrene Beschäftigte der jeweiligen Hochschule in Nebentätigkeit als Haushaltsbeauftragte der Studierendenschaft zu beschäftigen.
Angesichts des jährlichen Wechsels der ehrenamtlichen Mitglieder der Gremien sorgen die Haushaltsbeauftragten außerdem für Kontinuität und sichern das notwendige Know-how für die neugewählten Funktionäre.
Die geprüften Ausgaben boten wenig Anlass für Beanstandungen - hier wirkte sich die Mitwirkung der Beauftragten für den Haushalt disziplinierend aus. Wenn in wenigen Fällen Entscheidungen von Mitgliedern der Exekutive inhaltlich zu beanstanden waren, dann beruhte dies in der Regel darauf, dass beim Abschluss von Verträgen oder der Anordnung von Ausgaben der Beauftragte für den Haushalt nicht einbezogen wurde.
An mehreren Hochschulen musste der Rechnungshof durch Hinweise und Beanstandungen auf eine ordnungsgemäße Praxis im Umgang mit Bargeld hinwirken (Quittungen, Kassenbuch).
2.5 Veranstaltungen und Bewirtung
Große Unsicherheit war bei den Studierendenschaften im Hinblick auf die finanzielle Abwicklung von Veranstaltungen und die Zulässigkeit interner und externer Bewirtung festzustellen.
In diesem Bereich haben die Studierendenschaften nach Auffassung des Rechnungshofs große Spielräume: Gegen Veranstaltungen für Erstsemester, die feierliche Verabschiedung von Absolventen, Semesterabschlussfeiern und ähnlichen Events bestehen keine Bedenken, solange die notwendigen Gremienbeschlüsse vorliegen und mit den Beiträgen der Studierenden wirtschaftlich und sparsam umgegangen wird. Rechtlich ist es nicht zwingend erforderlich, die Ausgaben für solche Veranstaltungen ganz oder teilweise aus Eintrittsgeldern oder Entgelten zu decken.
Dasselbe gilt für die Bewirtung externer Gäste (z. B. von ausländischen Partnerhochschulen). Maßvolle Bewirtungsausgaben für Gremienmitglieder werden vom Rechnungshof dann nicht beanstandet, wenn diese Mitglieder nicht zugleich Aufwandsentschädigungen für ihre Tätigkeit erhalten.
Verbesserungspotenziale zeigten sich bei der Veranstaltungsplanung und beim Veranstaltungsmanagement sowie der Dokumentation und Abrechnung der Ausgaben. In einigen Fällen lagen der Veranstaltungsplanung völlig unrealistische Erwartungen an die Teilnehmerzahl zugrunde.
Soweit für die Organisation der Veranstaltungen auf externe Dienstleister zurückgegriffen wird, sollten die notwendigen Verträge und Absprachen immer schriftlich fixiert werden.
2.6 Beschaffungen und Vergaben
Bei Beschaffungen und Vergaben müssen die Studierendenschaften die einschlägigen haushaltsrechtlichen und vergaberechtlichen Vorschriften beachten. Das dafür notwendige Know-how müssen die Beauftragten für den Haushalt und in schwierigen Fällen die Hochschulverwaltungen im Rahmen präventiver Rechtsaufsicht liefern. Bei den Prüfungen des Rechnungshofs musste die Beschaffungs- und Vergabepraxis häufiger beanstandet werden.
Wenn die Studierendenschaft für ihre Aufgaben Sachen beschafft, müssen diese inventarisiert werden. Die Erfahrungen in anderen Ländern und einige Prüfungsfeststellungen in Baden-Württemberg zeigen, dass ohne Inventarisierung die Gefahr besteht, dass angeschaffte Sachen verloren gehen oder nicht mehr auffindbar sind.
2.7 Beschäftigung von Personal
Die Studierendenschaften haben das Recht, eigenes Personal zu beschäftigen und die Erfüllung von Aufgaben auf dieses Personal zu delegieren.
Beim Abschluss und der Ausgestaltung von Arbeitsverträgen sind die arbeitsrechtlichen, steuerrechtlichen und sozialrechtlichen Vorgaben zu beachten. Auch hier wirken die Beauftragten für den Haushalt auf ein professionelles Vorgehen hin. Nach unseren Feststellungen haben die Studierendenschaften bei der Beschäftigung des Personals im Wesentlichen umsichtig und korrekt agiert, gelegentliche Unsicherheiten (z. B. bei der Eingruppierung) sollten mithilfe der Hochschulverwaltungen bewältigt werden. Auch der Rechnungshof hat dazu einige Hinweise gegeben.
Einzelne Beanstandungen (z. B. wegen der eigenmächtigen Einstellung nahestehender Personen) hätten vermieden werden können, wenn die für Personalentscheidungen vorgesehenen Gremienbeteiligungen eingehalten worden wären.
Bei Dienstleistungen, die bei Veranstaltungen oder Wahlen nur wenige Stunden umfassen, sollten die Studierendenschaften anstelle von Arbeitsverträgen auch Honorarverträge in Betracht ziehen. Die Vereinbarungen sollten in jedem Fall schriftlich abgeschlossen werden.
2.8 Status der ehrenamtlich tätigen Studierenden
Die Mitglieder der Organe der Studierendenschaft üben ihre Tätigkeit als öffentlich-rechtliches Ehrenamt aus. Es bedarf deshalb keines zusätzlichen Arbeitsvertrages zwischen der Studierendenschaft und den ehrenamtlich Tätigen. Die Legislativorgane können für die ehrenamtlich tätigen Studierenden eine angemessene Aufwandsentschädigung festsetzen. Von dieser Möglichkeit wurde an nahezu allen geprüften Hochschulen für die Mitglieder des Exekutivorgans (AStA) Gebrauch gemacht. Die Mitglieder des Legislativorgans erhalten an den meisten Hochschulen keine Aufwandsentschädigung. Reisekosten der Organmitglieder sind nach Maßgabe des Landesreisekostengesetzes zu erstatten.
Der Rechnungshof hat die Studierendenschaften darauf hingewiesen, dass für die Höhe der gewährten Aufwandsentschädigungen der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gilt. Nach einem Erlass des Finanzministeriums sind Aufwandsentschädigungen für AStA-Mitglieder, die 200 Euro monatlich übersteigen, lohnsteuerpflichtig.
Da das Land und die Hochschule für Pflichtverletzungen der ehrenamtlichen Mitglieder nicht haften, erhebt der Rechnungshof gegen den Abschluss von Haftpflichtversicherungen (generell oder für einzelne Veranstaltungen) keine Einwendungen.
2.9 Verhältnis der Studierendenschaft zur Hochschule
Die Rektorate der Hochschulen üben die Rechtsaufsicht über die Studierendenschaften aus. Nach den Feststellungen des Rechnungshofs geschieht dies mit unterschiedlicher Intensität.
Es hat sich an verschiedenen Standorten gezeigt, dass sich vor allem in Konfliktfällen ein Eingreifen der Rechtsaufsicht lohnt und bei frühzeitiger Hilfestellung vermieden werden kann, dass Rechtsanwälte und andere externe Berater eingeschaltet werden müssen.
Die vom Gesetz vorgeschriebene (interne) Prüfung des Jahresabschlusses sollte der Hochschule als Teil der Rechtsaufsicht verbindlich übertragen werden - dann würde sich die Einschaltung eines besonderen Rechnungsprüfers erübrigen und das Verfahren beschleunigt werden.
3 Empfehlungen
3.1 Empfehlungen an die Studierendenschaften
Der Rechnungshof empfiehlt den Verfassten Studierendenschaften,
- die Beschlüsse der Gremien zeitnah und vollständig zu dokumentieren und (im Interesse künftiger Gremienmitglieder) nachhaltig zu archivieren,
- die Höhe der Beiträge auf jenes Maß zu reduzieren, das zur Deckung des aktuellen Ausgabebedarfs erforderlich ist,
- überhöhte Rücklagen zügig abzubauen,
- sich nach Möglichkeit für ein kamerales Buchungssystem zu entscheiden, das die Komplexität der Planung und des Jahresabschlusses deutlich reduziert,
- Haushalts- und Wirtschaftspläne sorgfältig und realitätsnah zu erstellen und rechtzeitig zu beschließen,
- Jahresabschlüsse nach Möglichkeit in der ersten Hälfte des Folgejahres zu erstellen und der Hochschule vorzulegen,
- einen hinreichend qualifizierten Beauftragten für den Haushalt zu bestellen und diesem beim Vollzug des Haushalts alle notwendigen Kompetenzen einzuräumen,
- Bargeldbestände auf ein Mindestmaß zu reduzieren, ein Kassenbuch zu führen und Barauszahlungen stets quittieren zu lassen,
- von einer unentgeltlichen Bewirtung in Gremiensitzungen abzusehen, wenn die Beteiligten eine Aufwandsentschädigung erhalten,
- bei Beschaffungen und Vergaben das geltende Recht zu beachten und bei größeren Beschaffungen und Vergaben auf das Fachwissen der Hochschulverwaltung zurückzugreifen,
- bei Personalentscheidungen die vorgesehene Gremienbeteiligung einzuhalten und
- bei der Gewährung von Aufwandsentschädigungen an ehrenamtliche Mitglieder der Gremien den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und die lohnsteuerrechtlichen Vorgaben zu beachten.
3.2 Empfehlungen an die Hochschulen
Der Rechnungshof empfiehlt den Hochschulen,
- den Studierendenschaften bei Unsicherheiten im Umgang mit den rechtlichen Vorgaben beratend zur Seite zu stehen und im Falle von Konflikten im Sinne präventiver Rechtsaufsicht frühzeitig einzugreifen,
- auf die rechtzeitige Aufstellung der Haushaltspläne und die rechtzeitige Vorlage der Jahresabschlüsse hinzuwirken und über die Genehmigung der Haushaltspläne und die Entlastung zügig zu entscheiden und
- die Aufgabe der internen Rechnungsprüfung, wie im Gesetz fakultativ vorgesehen, freiwillig (gegebenenfalls gegen Kostenersatz) zu übernehmen.
3.3 Empfehlungen an das Wissenschaftsministerium
Der Rechnungshof empfiehlt dem Wissenschaftsministerium,
- nach dem Vorbild anderer Länder durch eine Richtlinie notwendige Hinweise für eine korrekte und effiziente Aufgabenerfüllung der Studierendenschaften und ihrer Mitarbeiter zu geben und
- zu prüfen, ob im Landeshochschulgesetz zur Vereinfachung der Praxis die (interne) Rechnungsprüfung der Studierendenschaft als Pflichtaufgabe der jeweiligen Hochschule definiert werden sollte.
4 Stellungnahmen
Der Rechnungshof hat der Landesstudierendenvertretung, der Landesrektorenkonferenz der Universitäten, dem Verband der Hochschulen für angewandte Wissenschaften und dem Wissenschaftsministerium Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
4.1 Landesstudierendenvertretung
Die Landesstudierendenvertretung hat keine Stellungnahme abgegeben.
4.2 Landesrektorenkonferenz der Universitäten
Die Landesrektorenkonferenz weist darauf hin, dass durch die Rechtsaufsicht über die Studierendenschaften in der Verwaltung der Universitäten Aufgaben bis zum Umfang einer halben Vollzeitstelle des höheren Dienstes anfallen, ohne dass den Universitäten vom Land dafür eine finanzielle Kompensation gewährt werde.
Wenn der Rechnungshof es nunmehr für erforderlich halte, diesen Aufgabenumfang noch auszuweiten, möge er dafür einen Finanzierungsvorschlag unterbreiten. Wenn den Universitäten die für die Wahrnehmung dieser Aufgaben erforderlichen Mittel zugewiesen würden, könne die Rechtsaufsicht in dem vom Rechnungshof vorgeschlagenen Umfang ausgeübt werden.
4.3 Verband der Hochschulen für angewandte Wissenschaften
Der Verband Hochschulen für angewandte Wissenschaften e. V. teilt mit, dass er bereits im Gesetzgebungsverfahren darauf hingewiesen habe, dass durch die Rechtsaufsicht über die neu eingerichteten Verfassten Studierendenschaften schon heute ein großer zusätzlicher personeller und finanzieller Aufwand in den Hochschulverwaltungen verursacht werde. Die Empfehlung des Rechnungshofs, den Hochschulen weitere Pflichtaufgaben bei der Aufsicht über die Studierendenschaften zu übertragen, könne daher nur umgesetzt werden, wenn dafür Personal und Mittel zur Verfügung gestellt werden.
4.4 Wissenschaftsministerium
Das Wissenschaftsministerium teilt die Auffassung des Rechnungshofs, dass die haushaltsrechtlichen Vorschriften von den Verfassten Studierendenschaften einzuhalten und Haushalts- bzw. Wirtschaftspläne rechtzeitig den Hochschulen zur Genehmigung vorzulegen sind. Ebenso sollten Jahresrechnungen zeitnah im Folgejahr innerhalb des ersten Halbjahres erstellt und der Hochschule zugeleitet werden. Im Gegenzug sollten die Hochschulen zügig über die Genehmigung entscheiden.
Hinsichtlich der Anforderung an eine ordnungsmäßige Verwaltung werde das Ministerium prüfen, wie die Verfassten Studierendenschaften zu ihrer Entlastung - gegebenenfalls auch gemeinsam - Personal beschäftigen können. Damit könnten konkurrenzfähige Beschäftigungsverhältnisse geschaffen und Beitragserhöhungen als Folge einer Personaleinstellung vermieden werden.
lm Hinblick auf die überhöhten Rücklagen der Verfassten Studierendenschaften stimme das Ministerium dem Rechnungshof zu, dass diese rasch abzubauen seien. Der Empfehlung einer Rücklage in Höhe der Beiträge eines Semesters könne zugestimmt werden.
Ebenso wäre eine präventive Rechtsaufsicht durch die Hochschule zu begrüßen.
In Abstimmung mit dem Finanzministerium sei das Wissenschaftsministerium entgegen der Auffassung des Rechnungshofs zu dem Ergebnis gekommen, dass auch die Verfassten Studierendenschaften dem Grundsatz der Selbstversicherung unterliegen. Da die Organwalter nur für Schäden vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung haften, sei der Abschluss einer Haftpflichtversicherung in der Regel nicht wirtschaftlich und sparsam. Bei Vorliegen von Ausnahmetatbeständen sei der Abschluss einer Versicherung in Einzelfällen möglich, beispielsweise für die Veranstaltung von Festen.
Das Ministerium stehe den Vorschlägen des Rechnungshofs, Richtlinien zur Aufgabenerfüllung zu erarbeiten bzw. die Prüfung der gesetzlichen Übertragung der internen Rechnungsprüfung als Pflichtaufgabe auf die Hochschulen, offen gegenüber.
5 Schlussbemerkung
Der Rechnungshof hält an seinen Vorschlägen fest, die Rechtsaufsicht zu stärken und die interne Rechnungsprüfung den Hochschulen zu übertragen. Der Gesetzgeber möge entscheiden, ob er dem Vorschlag der Landesrektorenkonferenz folgen will und die Studierendenschaften sich aus ihrem Beitragsaufkommen an den dadurch entstehenden Personalkosten beteiligen sollen.
Das Prinzip der Selbstversicherung, das für das Land und seine Einrichtungen gilt, ist für die Studierendenschaften nicht entsprechend anwendbar, da bereits ein mittlerer Schadensfall die Leistungsfähigkeit einer einzelnen Studierendenschaft übersteigen würde und das Land nach § 65b Absatz 4 des Landeshochschulgesetzes für Verbindlichkeiten der Verfassten Studierendenschaft nicht haftet.
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Die Universitäten Freiburg, Heidelberg, Konstanz und Tübingen können Aufgaben zentralisieren, Arbeitsabläufe straffen und verstärkt elektronisch unterstützen. Dadurch können sie ein Potenzial von 52 Vollzeitäquivalenten gewinnen. Aus diesen Kapazitäten sollten zunächst Aufgabenfelder mit nachgewiesenem Personalmehrbedarf verstärkt werden. Danach verbleibende Ressourcen sollten mittelfristig abgebaut werden.
Die Innenrevisionen der Universitäten sind personell nicht ausreichend ausgestattet. Damit ist nicht sichergestellt, dass die ordnungsgemäße Mittelverwendung sachgerecht überprüft werden kann.
1 Ausgangslage
Der Rechnungshof hat den Personaleinsatz für verwaltungsinterne Dienstleistungen in den Universitäten Freiburg, Heidelberg, Konstanz und Tübingen geprüft. Einbezogen wurden die wesentlichen Kernaufgaben der Universitätsverwaltungen und Fakultätsgeschäftsstellen aus den Aufgabenbereichen Personal, Organisation, Haushalt und Innere Dienste.
Von der Untersuchung wurden insgesamt 794 Vollzeitäquivalente (1.230 Mitarbeitende) erfasst.
Die Aufgaben wurden unabhängig davon untersucht, welche Organisationseinheit sie wahrnimmt (aufgabenbezogener Prüfungsansatz). So wurden nicht nur die zentralen Universitätsverwaltungen, sondern teilweise auch dezentrale Einrichtungen in die Untersuchung einbezogen. Der Rechnungshof hat auf der Grundlage von Aufgabenkatalogen den Personaleinsatz ermittelt und Kennzahlen gebildet. Für vergleichbare Aufgaben wurde ein Benchmarking durchgeführt. Zusätzlich wurden weitere Aufgaben vertiefend analysiert.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Benchmarking vergleichbarer Aufgaben
Der Rechnungshof hat bei den Universitäten neun Aufgaben identifiziert, die unter Berücksichtigung der jeweiligen Struktur und Aufgabenerledigung vergleichbar sind. Von den insgesamt in die Prüfung einbezogenen 794 Vollzeitäquivalenten wurden für diese Aufgaben 171 Vollzeitäquivalente eingesetzt.
Für diese Aufgaben wurde der anteilige Personaleinsatz in Vollzeitäquivalenten ermittelt und bewertet. Die Universitäten setzten unterschiedliche Schwerpunkte, die sich auch im Personaleinsatz widerspiegeln. Für Aufgaben mit starker Außenwirkung hat der Rechnungshof besonders große quantitative Unterschiede zwischen den Universitäten festgestellt. So werden für die Aufgaben Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zwischen 3,5 und 12,5 Vollzeitäquivalente, für das Drittmittelmanagement zwischen 9,5 und 18,0 Vollzeitäquivalente eingesetzt. Auch bei anderen Aufgaben wie der Überwachung der Budgets oder bei den Schreibtätigkeiten wurden deutliche Unterschiede ermittelt. Die Spannbreiten liegen dabei jeweils zwischen 2,0 und 8,0 Vollzeitäquivalenten.
Der Rechnungshof hat für die einzelnen Aufgaben Kennzahlen gebildet und ein Benchmarking durchgeführt. Basierend auf dem jeweils zweitbesten Kennzahlenwert ergab sich ein Optimierungspotenzial von 34 Vollzeitäquivalenten, das nachfolgend in Aufgabenfeldern zusammengefasst dargestellt wird.
Die höchsten Optimierungspotenziale bestehen in den Aufgabenfeldern Presse-/Öffentlichkeitsarbeit und interne Kommunikation sowie Finanzmanagement einschließlich Drittmittel.
2.2 Analyse der Aufbau- und Ablauforganisation
Der Rechnungshof hat die Organisation des Dienstreisemanagements, der Personalgewinnung und des internen Post- und Mailverkehrs vertiefend analysiert. Für diese Aufgaben werden bei den geprüften Universitäten 52 Vollzeitäquivalente eingesetzt. Durch eine Verschlankung und stärkere elektronische Unterstützung der Arbeitsabläufe können die Aufgaben effizienter wahrgenommen werden. Der Rechnungshof hat in diesen Aufgabenfeldern ein Optimierungspotenzial von 18 Vollzeitäquivalenten festgestellt.
2.2.1 Dienstreisemanagement
Reisekostenvergütungen werden an allen geprüften Universitäten in Papierform beantragt und mit einem veralteten IT-Verfahren berechnet. Der Bearbeitungs- und Prüfaufwand ist entsprechend hoch. Die spezifischen Besonderheiten der Dienstreisen bei den Universitäten, insbesondere Auslandsreisen oder Exkursionen, erhöhen den Aufwand der Abrechnung zusätzlich. Gleiches gilt für die Reisevorbereitung.
Die Prüfung hat gezeigt, dass mit analogen Arbeitsabläufen keine weiteren Verbesserungen erreicht werden können.
Durch die Einführung eines vollelektronischen Workflows könnte die Fallbearbeitung jedoch deutlich effizienter gestaltet werden. Hierdurch könnte bei den vier geprüften Universitäten ein Optimierungspotenzial von 8 Vollzeitäquivalenten erschlossen werden.
Mit der Bearbeitung von Reisekostenvergütungsanträgen, Anträgen auf Trennungsgeld und Umzugskostenvergütungen an zentraler Stelle könnten weitere Optimierungspotenziale gewonnen werden. Mit der Einbindung der Dienstreisevorbereitung in die Arbeitsabläufe des Dienstreisemanagements ließe sich darüber hinaus ein zusätzlicher Nutzen erreichen.
2.2.2 Personalgewinnung
Die geprüften vier Universitäten haben einen Personalbestand von über 30.000 Bediensteten. Die Zahl der ausgeschriebenen Stellen lag 2015 zwischen 223 Stellen bei der Universität Konstanz und 500 Stellen bei der Universität Freiburg. Der hohe Personalbestand der Universitäten und die im wissenschaftlichen Bereich vorherrschenden befristeten Beschäftigungsverhältnisse bedingen einen erheblichen Aufwand für die Personalgewinnung.
Bei den geprüften Universitäten werden die Bewerbungsunterlagen in Papierform oder in elektronischer Form eingereicht. Standardisierte Online-Bewerbungsverfahren sind derzeit nicht im Einsatz. Die Bewerbungen werden manuell bearbeitet. Allerdings arbeiten die geprüften Universitäten derzeit an eigenen digitalen Lösungen.
Der Rechnungshof hat einen Kostenvergleich je ausgeschriebener Stelle vorgenommen und die Arbeitsabläufe analysiert. Mit der Einführung von elektronischen Workflowverfahren kann für dieses Aufgabenfeld ein Optimierungspotenzial von 4 Vollzeitäquivalenten erreicht werden.
2.2.3 Interner Post- und Mailverkehr
Der Rechnungshof hat festgestellt, dass große Mengen an interner Post in Papierform in Umlauf gebracht werden. Bei der Analyse mengen- und personalintensiver Arbeitsvorgänge wurde deutlich, dass die Möglichkeiten der digitalen Kommunikation nicht ausgeschöpft werden. Durch eine Reduzierung der Schriftstücke in Papierform, auch in Bewerbungsverfahren, und die Nutzung der digitalen Kommunikation kann bei den vier geprüften Universitäten ein Optimierungspotenzial von 6 Vollzeitäquivalenten generiert werden.
2.3 Innenrevision
Mit Blick auf die Aufgabenstellungen und Budgets der Universitäten ist der Personaleinsatz für die Innenrevision gering. Mit den vorhandenen Ressourcen lassen sich bestenfalls formelle Ordnungsmäßigkeitsprüfungen durchführen. Unabhängige Prüfungsleistungen für die Universitätsleitungen, z. B. zur Einhaltung von gesetzlichen Regelungen, der Wirtschaftlichkeit der internen Aufgabenerledigung oder der ordnungsgemäßen Mittelverwendung bei Drittmitteln, sind mit dem derzeitigen Personaleinsatz nicht möglich. Um die Durchführung der Leitungs-, Kontroll- und Überwachungsaufgaben der Universitätsleitungen zu unterstützen, ist eine Innenrevision mit angemessener Personalstärke unabdingbar.
3 Empfehlungen
3.1 Aufgabenfelder optimieren und Kapazitäten anpassen
Die geprüften Universitäten sollten die Benchmarking-Vergleiche nutzen, um organisatorische und personelle Optimierungspotenziale zu konkretisieren und umzusetzen.
Der Rechnungshof empfiehlt, aus den aufgezeigten Potenzialen zunächst die Aufgabenfelder mit nachgewiesenem Personalmehrbedarf zu verstärken. Verbleibende Ressourcen sollten mittelfristig abgebaut werden.
3.2 Workflows optimieren und Aufgaben zentralisieren
3.2.1 Dienstreisemanagement effizienter gestalten
Der Rechnungshof empfiehlt, die Reisevorbereitungen und die Abrechnungen im Dienstreisemanagement bei den Universitäten effizienter zu gestalten. Hierzu sollte in einem ersten Schritt ein standardisiertes elektronisches Workflowverfahren bei einer Universität eingeführt und mittelfristig im gesamten Hochschulbereich angewendet werden.
Dieses Verfahren sollte bei einer Dienststelle gebündelt werden. Als zentraler Dienstleister kommt das Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg in Betracht.
3.2.2 Personalgewinnung effizienter gestalten
Die Arbeitsabläufe bei der Personalgewinnung können verbessert werden. Der Rechnungshof empfiehlt die Einführung eines standardisierten und elektronisch unterstützten Workflowverfahrens bei allen Universitäten. Dabei sollte die Projektfederführung bei einer Universität liegen.
3.2.3 Internen Post- und Mailverkehr optimieren
Die Universitäten sollten den Umfang an Schriftstücken in Papierform durch die verstärkte Nutzung der digitalen Kommunikation reduzieren. Für die Verbesserung der Arbeitsabläufe und Anpassung der Personalausstattung sollte ein Benchmarking genutzt werden. Die Personalausstattung sollte mittelfristig entsprechend angepasst werden.
3.3 Innenrevision stärken
Der Rechnungshof empfiehlt, die Innenrevision personell zu verstärken. Die Personalausstattung sollte den Strukturen, Aufgaben und den Gesamtbudgets der Universitäten angemessen sein. Bei den Universitäten Freiburg, Heidelberg und Tübingen könnte dies mit 3 bis 4 Vollzeitäquivalenten erreicht werden, die Universität Konstanz könnte dieses Ziel mit 2 Vollzeitäquivalenten realisieren. Die Innenrevision sollte der Universitätsleitung unmittelbar unterstellt werden und gemeinsam mit dem Beauftragten für den Haushalt für eine wirksame Budgetkontrolle sorgen.
4 Stellungnahme des Ministeriums
In seiner mit den geprüften Universitäten abgestimmten Stellungnahme weist das Wissenschaftsministerium darauf hin, dass sich die Personalausstattung für die klassischen Kernaufgaben der Universitätsverwaltungen nicht parallel zu den stark gewachsenen Bereichen Forschung und Lehre weiterentwickelt hätte.
Das Ministerium teilt die Auffassung des Rechnungshofs, dass in den Bereichen Dienstreisemanagement, Personalgewinnung und interner Post- und Mailverkehr Digitalisierungsbedarfe bestehen. Die Universitäten würden derzeit jedoch eine Vielzahl von komplexen und stark mit anderen Aufgabenbereichen verwobenen Digitalisierungsprojekten verfolgen. Dies erfordere eine Priorisierung und eine bedachtsame Verwendung der zur Verfügung stehenden Ressourcen. Einer möglichen Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Besoldung und Versorgung beim Dienstreisemanagement steht das Ministerium offen gegenüber.
Das Ministerium unterstützt die Empfehlung des Rechnungshofs, die Innenrevision personell angemessen auszustatten, um die ordnungsgemäße Verwendung von Haushalts- und Drittmitteln sicherzustellen, Risiken zu verringern und die Kontrollfunktion der Universitätsleitungen zu stärken.
5 Schlussbemerkung
In vielen Aufgabenfeldern der Verwaltungen arbeiten die geprüften Universitäten vergleichsweise effizient. In Teilbereichen gehen die Mitarbeitenden bei der Erledigung ihrer Aufgaben an die Grenzen der Belastbarkeit. Dennoch konnte der Rechnungshof in unterschiedlichen Bereichen Verbesserungsmöglichkeiten aufzeigen, die auch für andere Universitäten gelten können.
Der Rechnungshof verkennt nicht, dass die Universitäten und ihre Aufgaben stark gewachsen sind. Mit dem Hochschulfinanzierungsvertrag Baden-Württemberg 2015 bis 2020 „Perspektive 2020“ wurde mit einer verlässlichen Grundfinanzierung die strategische Handlungsfreiheit der Hochschulen und die Verfügung über die Ressourcen gestärkt. Dies geht jedoch mit der Verpflichtung einher, die bereitgestellten Ressourcen wirtschaftlich einzusetzen. Mittelfristig sollten die vom Rechnungshof aufgezeigten Optimierungspotenziale in der Budgetbemessung berücksichtigt werden.
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Da eine durchgängige Kostenträgerrechnung fehlt, sind die Betriebsergebnisse der Hochschulambulanzen an den vier baden-württembergischen Universitätsklinika nicht valide ermittelbar. Der Rechnungshof empfiehlt eine höhere Transparenz und Maßnahmen zur Verbesserung der Betriebsergebnisse.
1 Ausgangslage
Der Versorgungsauftrag der vier baden-württembergischen Universitätsklinika umfasst im Kern die Maximalversorgung mit stationären Krankenhausleistungen. Die Versorgung mit ambulanten medizinischen Leistungen obliegt bei gesetzlich versicherten Patienten im Prinzip allein den kassenärztlichen Vereinigungen, also den niedergelassenen Ärzten (§ 75 Absatz 1 Sozialgesetzbuch V).
Nur ausnahmsweise sollen auch die Universitätsklinika ambulante medizinische Leistungen erbringen. Die bedeutendste Ausnahme ist die Hochschulambulanz, die ambulante Leistungen anbieten darf, soweit es für Zwecke von Forschung und Lehre erforderlich ist. Dazu kommen die Mitwirkung an der ambulanten Notfallversorgung (zusammen mit der Kassenärztlichen Vereinigung und den kommunalen Krankenhäusern) und Leistungen, die aufgrund ihrer Komplexität nur in Universitätsklinika erbracht werden können. Weitere Ausnahmen sind aufgrund von Spezialermächtigungen möglich.
Nicht im Sozialgesetzbuch geregelt ist die Erbringung ambulanter Leistungen gegenüber Privatpatienten. Auch dazu sind die Universitätsklinika befugt.
85 Prozent der Patienten kommen aufgrund einer vorherigen Terminvereinbarung in die Hochschulambulanz, 15 Prozent nehmen diese als Notfallambulanz in Anspruch.
Landesweit erzielten die vier Universitätsklinika 2016 mit ihren medizinischen Leistungen Erlöse von 2,2 Mrd. Euro. Davon entfielen 554 Mio. Euro auf Entgelte für ambulante Leistungen. Das entsprach 25,4 Prozent der gesamten Erlöse. Dieser Anteil stieg mit der Entwicklung neuer Behandlungsmethoden von Jahr zu Jahr.
Die Mehrzahl der Kliniken kommunaler Träger klagt über hohe Defizite ihrer Ambulanzen und fordert eine nachhaltige Erhöhung der Entgelte vor allem für die Behandlung von Notfallpatienten. Die betriebswirtschaftlichen Ergebnisse der Ambulanzen an den Universitätsklinika sind wegen der höheren Pauschalen, die sie von den Krankenkassen erhalten, weniger problematisch, aber gleichwohl vielerorts defizitär. Andere Rechnungshöfe haben deshalb Kritik und Empfehlungen zu den Hochschulambulanzen ihrer Länder formuliert.
Der Rechnungshof Baden-Württemberg hat die Hochschulambulanzen und die weiteren ambulant erbrachten Leistungen an den Universitätsklinika Ulm, Freiburg und Heidelberg erstmals im Jahr 2017 geprüft. Die Prüfung der ambulanten Leistungen am Universitätsklinikum Tübingen ist derzeit noch nicht abgeschlossen. Prüfungsgegenstand waren die Ergebnisse der Jahre 2012 bis 2016.
2 Prüfungsergebnisse und Empfehlungen
2.1 Unzureichende Kostenrechnung in der Hochschulambulanz
Die Kosten- und Leistungsrechnung der vier Universitätsklinika bildet nicht alle Leistungssektoren ab. Es gibt an allen vier Standorten eine flächendeckende und belastbare Kostenstellenrechnung, eine standardisierte Kostenträgerrechnung bei stationären Leistungen, aber nur für einen kleinen Teil der ambulanten Leistungen eine Kostenträgerrechnung.
Es ist daher bis heute weder für die Leitung der Universitätsklinika noch für den Rechnungshof möglich, abschließend und zuverlässig zu beurteilen, welche Kosten den einzelnen Arten ambulant erbrachter Leistungen der Hochschulambulanzen gegenüberstehen und welche wirtschaftlichen Ergebnisse die Hochschulambulanzen in den einzelnen Disziplinen erzielen.
Der Rechnungshof empfiehlt,
- zur Verbesserung der Steuerung die bestehende Kostenrechnung um eine belastbare Kostenträgerrechnung auch für den ambulanten Bereich zu ergänzen.
2.2 Erlöse der Hochschulambulanzen
Jede der vier Universitätsklinika hat für seine Hochschulambulanzen mehr oder weniger differenzierte Erlöspauschalen mit den Krankenkassen ausgehandelt. Rechtsgrundlage dafür ist § 120 Absatz 2 des Sozialgesetzbuchs V.
Den vereinbarten Pauschalen liegen in nahezu allen Fällen keine aktuellen Vollkostenkalkulationen zugrunde, obwohl dies vom Sozialgesetzbuch, dem Krankenhausfinanzierungsgesetz sowie der Hochschulambulanz-Struktur-Vereinbarung vorausgesetzt wird. Vielmehr werden in der Praxis vor Jahren vereinbarte Pauschalen einfach nur anhand allgemeiner Kostensteigerungen fortgeschrieben.
Der Rechnungshof anerkennt, dass auf diese Weise der jährliche Verhandlungsaufwand zwischen Klinikleitung und Krankenkassen begrenzt wird. Er weist aber darauf hin, dass die bloße Fortschreibung früher vereinbarter Entgelte vor allem in innovativen Bereichen nicht ausreichend sicherstellt, dass Defizite in einzelnen Disziplinen vermieden werden, die dann aus Überschüssen im stationären Bereich oder aus staatlichen Zuschüssen für Forschung und Lehre gedeckt werden müssten.
Der Rechnungshof empfiehlt,
- an der effizienten Abrechnung anhand von Pauschalen festzuhalten,
- den Verhandlungen mit den Krankenkassen jedoch jeweils aktuelle Vollkostenkalkulationen zugrunde zu legen und möglichst differenziert auf kostendeckende Entgelte hinzuwirken. Eine Quersubventionierung ambulanter Leistungen aus stationären Erlösen oder den Zuschüssen des Landes sollte vermieden werden. Falls keine Einigung mit den Krankenkassen auf dieser Basis zustande kommt, muss das gesetzlich vorgesehene Schiedsverfahren eingeleitet werden.
2.3 Vermeidbarer Aufwand durch Überschreitung der Hochschulambulanz-Obergrenzen
Der von den Krankenkassen zugestandene Umfang ambulanter Leistungen der Hochschulambulanzen schlägt sich an jedem Standort in einer mit den Krankenkassen vereinbarten Obergrenze für die Summe der abgerechneten Leistungen nieder. Entgelte, die für Leistungen jenseits dieser Obergrenze entrichtet werden, müssen im Folgejahr zurückerstattet werden.
Zuletzt wurde diese Obergrenze an allen vier Standorten Jahr für Jahr überschritten. Dies führt dazu, dass zum Jahresende hin ambulante Leistungen de facto unentgeltlich erbracht werden. Diese Leistungen erreichten im Jahr 2016 ein Volumen von landesweit 7,9 Mio. Euro.
Der Rechnungshof empfiehlt,
- die Obergrenzen für die Leistungen der Hochschulambulanzen realitätsnäher zu vereinbaren. Wenn die Krankenkassen erwarten, dass die Hochschulambulanzen Lücken im Angebot der kassenärztlichen Versorgung abdecken, müssen sie auch die sich daraus ergebenden Fallzahlen akzeptieren,
- bei gegebener Obergrenze durch geeignete Maßnahmen dafür zu sorgen, dass die vereinbarten Fallzahlen eingehalten werden. Jenseits der vereinbarten Obergrenze hat das Universitätsklinikum nach dem Sozialgesetzbuch außer in echten Notfällen keinen Versorgungsauftrag.
Die dafür notwendige Patientensteuerung kann - wie Best-Practice-Beispiele an einzelnen Standorten zeigen - dadurch erfolgen, dass
- bei der Terminvergabe an Patienten, die der Hochschulambulanz überwiesen werden, schon während des laufenden Jahres die drohende Obergrenzenüberschreitung beachtet wird,
- durch eine auch räumlich enge Zusammenarbeit mit der kassenärztlichen Notfallpraxis die Zahl der in der Hochschulambulanz zu behandelnden Notfälle reduziert wird, ohne dass die Versorgungsqualität der Patienten leidet.
Bewährt hat sich an mehreren Standorten auch ein System, das die Wartezeiten der Notfallpatienten nach medizinischer Dringlichkeit steuert und für einen gleichmäßigeren Einsatz des in der Hochschulambulanz vorgehaltenen Personals sorgt (Triagesystem).
Die von den Klinika vorgelegten Statistiken und eigene Auswertungen des Rechnungshofs haben ergeben, dass die meisten Notfallpatienten an Werktagen zwischen 8 und 16 Uhr in die Hochschulambulanz kommen und eher alltägliche Beschwerden haben, die ohne Weiteres von niedergelassenen Ärzten behandelt werden können.
2.4 Potenziale bei ambulanten Operationen
Die Universitätsklinika werden von den Krankenkassen nach § 115 b Absatz 1 Sozialgesetzbuch V ermächtigt, auch bestimmte ambulante Operationen vorzunehmen und mit den Krankenkassen abzurechnen. Die Abrechnung erfolgt in diesen Fällen in Anlehnung an die von den niedergelassenen Ärzten erhobenen Entgelte. Diese decken die in den Universitätsklinika bei ambulanten Operationen entstehenden Kosten in der Regel nicht.
Der Rechnungshof hat die Klinika gebeten, für typische ambulante Operationen (z. B. Mandelentfernung) eine Kalkulation vorzulegen, die speziell für die Prüfung des Rechnungshofs erstellt wurde. Außerdem hat der Rechnungshof die durchschnittlichen Erlöse bei diesen Operationen sowie die Schnitt-, Naht- und Rüstzeiten verglichen.
Durch diesen Vergleich hat sich ergeben, dass an drei Standorten ungenutzte Potenziale bei der Erhebung der Entgelte bestehen und an allen vier Standorten Kostensenkungspotenziale festzustellen sind. Bei Umsetzung der Hinweise des Rechnungshofs ergeben sich landesweit Möglichkeiten zur Ergebnisverbesserung in Höhe von 1,5 Mio. Euro.
Der Rechnungshof empfiehlt,
- die bei der Prüfung aufgedeckten Verbesserungspotenziale zügig umzusetzen und
- aus wirtschaftlichen Gründen auf ambulante Operationen zu verzichten, die in der gleichen Qualität und zu niedrigeren Preisen von niedergelassenen Ärzten vorgenommen werden können.
Das Argument, ambulante Operationen an Universitätsklinika seien für Zwecke der Lehre und der Weiterbildung unabdingbar erforderlich, wird durch die wachsende Zahl von Kooperationen mit niedergelassenen Ärzten in sogenannten Lehrpraxen (landesweit mehr als 600) widerlegt.
2.5 Prüfung der Privatambulanzen
Neben der ambulanten Behandlung von gesetzlich versicherten Patienten aufgrund von Spezialermächtigungen und in der Hochschulambulanz dürfen die Universitätsklinika ambulante Leistungen auch an Privatpatienten erbringen. Je nach Ausgestaltung der Chefarztverträge fließen die dabei erhobenen Entgelte entweder an den Chefarzt selbst oder (bei neueren Verträgen) an das Universitätsklinikum. Wenn der Chefarzt selbst liquidationsberechtigt ist, muss er für die Inanspruchnahme von Personal, Material und Infrastruktur Nutzungsentgelte an das Klinikum entrichten.
Die vier Universitätsklinika erzielen aus Entgelten privat versicherter Patienten und aus den Nutzungsentgelten für ambulante Behandlungen landesweit einen Umsatz von 128 Mio. Euro.
Der Rechnungshof hat überprüft, ob die Innenrevisionen der Universitätsklinika die korrekte und vollständige Abrechnung der Nutzungsentgelte regelmäßig kontrollieren, und hat sich die dabei angewendete Prüfungsstrategie darlegen lassen. Ein Thema der Prüfung war auch die Sicherung der Entgeltanteile der Klinika im Falle von bar zahlenden Patienten.
Beanstandungen ergaben sich in diesem Bereich nur vereinzelt. Nicht akzeptiert hat der Rechnungshof die an einem Universitätsklinikum vorgefundene Praxis, dass Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL), die gegenüber gesetzlich versicherten Patienten erbracht wurden, nicht vom Klinikum, sondern vom jeweiligen Chefarzt liquidiert wurden.
Der Rechnungshof empfiehlt,
- die Abrechnung von ambulanten Leistungen gegenüber Privatpatienten und die dabei fällige Zahlung von Nutzungsentgelten mit der gebotenen Frequenz durch die Innenrevisionen der Klinika prüfen zu lassen.
3 Stellungnahme des Ministeriums
Das Wissenschaftsministerium räumt ein, dass keine umfassende Kostenträgerrechnung existiert. Eine Kostenträgerrechnung würde wegen der dafür erforderlichen administrativen Tätigkeiten zu erheblichen zusätzlichen Kosten führen, denen im Gegensatz zur stationären InEK-Kalkulation (Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus-Kalkulation) keine externe Vergütung gegenüberstehe. Die Universitätsklinika würden jedoch prüfen, ob die Anregung des Rechnungshofs, eine Kostenträgerrechnung für ambulante Leistungen einzuführen, zumindest punktuell aufgegriffen werden soll.
Das Ministerium stimmt dem Rechnungshof zu, dass bei den Krankenkassen in künftigen Verhandlungen kostendeckende Entgelte erreicht werden müssen. Hierfür sollten die Universitätsklinika alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausschöpfen. Eine Quersubventionierung ambulanter Leistungen aus Zuschüssen für Forschung und Lehre finde nicht statt.
Für die Universitätsklinika bestehe nach § 117 Absatz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch V ein eigener Versorgungsauftrag, der sich aus den Bedürfnissen von Forschung und Lehre ergebe. Nur im Falle des § 117 Absatz 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch V bestehe ein subsidiäres Verhältnis zu den Leistungen der Kassenärztlichen Vereinigung (nach Überweisung durch einen Facharzt). Das Ministerium schließt sich der Auffassung der Universitätsklinika an, dass es vielfach nicht möglich sei, Patienten abzuweisen. Gleichwohl sollten die Möglichkeiten einer Reduzierung der Fallzahlen geprüft werden. Das Ministerium unterstützt die Universitätsklinika nach Möglichkeit bei der Umsetzung von Konzepten, zum Beispiel bei der Verortung der allgemeinen Notfallpraxis am Universitätsklinika.
Das Ministerium teilt die Meinung der Universitätsklinika, dass ambulante Operationen an den Hochschulambulanzen zu Zwecken von Forschung und Lehre sowie der Weiterbildung notwendig sind. Gleichwohl erachtet es das Ministerium für richtig, dass die Universitätsklinika den Austausch suchen, um mögliche Verbesserungspotenziale und Best-Practice-Beispiele zu ermitteln und umzusetzen.
Hinsichtlich der Prüfung der Privatambulanzen schließt sich das Ministerium der Auffassung des Rechnungshofs an.
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Bei der Gewährung von Forschungszulagen an Professoren sind den Rektoraten der Hochschulen für angewandte Wissenschaften bis 2017 zahlreiche Fehler unterlaufen. Die Hochschulen müssen in den beanstandeten Fällen die Rücknahme der gewährten Zulagen prüfen und künftig bei der Vergabe von Forschungszulagen die gesetzlichen Vor-aussetzungen genau beachten.
1 Ausgangslage
Im Jahr 2005 wurde die Besoldung der Professoren der baden-württembergischen Hochschulen reformiert. An die Stelle der überkommenen C-Besoldung traten die Regeln der W-Besoldung, die neben reduzierten Grundgehältern zahlreiche flexible Besoldungselemente (insbesondere Zulagen) vorsieht.
Unter anderem wurde den Hochschulen des Landes die Möglichkeit eingeräumt, an Professoren und Hochschuldozenten aus den von diesen eingeworbenen privaten Drittmitteln eine einmalige, nicht ruhegehaltfähige Forschungs- und Lehrzulage zu gewähren. Rechtsgrundlage ist heute § 60 Landesbesoldungsgesetz in Verbindung mit § 8 der Leistungsbezügeverordnung des Wissenschaftsministeriums, des Innenministeriums und des Justizministeriums. Im Unterschied zu Leistungszulagen werden diese Forschungs- und Lehrzulagen nicht auf den Vergaberahmen der Hochschulen angerechnet.
Hauptmotiv für die neu eingeführte Forschungs- und Lehrzulage war die erklärte Absicht des Gesetzgebers, Forschungstätigkeiten, die die Professoren im Hauptamt erbringen, attraktiver zu gestalten und damit der Tendenz zu weiteren Nebentätigkeiten der Professoren einen wirksamen Anreiz entgegenzusetzen.
Nach Maßgabe von tarifvertraglichen Regelungen (§ 18 Absatz 1 in der Fassung des § 40 Nr. 6 TV-L) können daneben auch Beschäftigte an Hochschulen und Forschungseinrichtungen vom Arbeitgeber eine Sonderzahlung aus Drittmitteln erhalten.
Der Rechnungshof hat 2017 Forschungszulagen und Sonderzahlungen aus Drittmitteln an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften geprüft. Einbezogen waren nur die Hochschulen, die zum Geschäftsbereich des Wissenschaftsministeriums gehören. Untersucht wurden Forschungszulagen und Sonderzahlungen, die im Zeitraum 2013 bis August 2017 gewährt worden waren.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Allgemeine Feststellungen
Im geprüften Zeitraum wurden an 11 von 21 Hochschulen für angewandte Wissenschaften Forschungszulagen für Professoren und Hochschuldozenten gewährt. Die übrigen Hochschulen für angewandte Wissenschaften machten von diesem Instrument keinen Gebrauch.
Es wurden insgesamt 370 Zulagen mit einem Gesamtwert von 1,82 Mio. Euro durch die Hochschulen bewilligt. Im Einzelfall betrugen die Zulagen zwischen 50 Euro und 75.000 Euro. In der Summe mehr als 300.000 Euro bewilligten im Prüfungszeitraum die forschungsstarken Hochschulen Konstanz, Offenburg und Heilbronn. Forschungszulagen zwischen 100.000 Euro und 300.000 Euro gewährten die Hochschulen Aalen, Reutlingen, Furtwangen und Biberach. Weniger als 100.000 Euro gewährten die Hochschulen Esslingen, Pforzheim, Mannheim und Ludwigsburg. Sonderzahlungen an Angestellte im Tarifbereich wurden an vier Hochschulen im Umfang von insgesamt 69.000 Euro geleistet.
Die Bestimmungen des § 60 Landesbesoldungsgesetz und der Leistungsbezügeverordnung enthalten mehrere Voraussetzungen, die bei der Vergabe einer Forschungszulage erfüllt sein müssen. Ob die Hochschulen bei Vorliegen dieser Voraussetzungen eine Zulage gewähren, muss das jeweilige Rektorat nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden.
2.2 Fehler bei der Bewilligung der Forschungszulagen
Im Rahmen der Prüfung hat der Rechnungshof festgestellt, dass die Hochschulen nicht alle diese Voraussetzungen exakt beachtet haben. Lässt man die Verfahrensfehler außer Betracht, so erwiesen sich zwei Drittel der geprüften Zulagenbewilligungen als materiell rechtswidrig.
Der Anteil der materiell fehlerhaften Forschungszulagen unterschied sich je nach Standort: An einigen Hochschulen musste der Rechnungshof rund ein Drittel der Zulagen beanstanden, an fünf Hochschulen waren alle Zulagen materiell fehlerhaft.
Neben diesen materiellen Fehlern zeigten sich an zehn Hochschulen Verfahrensfehler.
2.2.1 Verfahrensfehler
Die gesetzliche Regelung, dass über die Festsetzung einer Forschungszulage in jedem Einzelfall das Rektorat der Hochschule als Kollegium zu entscheiden hat, wurde an sechs Hochschulen nicht beachtet. An diesen Hochschulen entschieden lediglich einzelne Rektoratsmitglieder über die Vergabe.
Nach Auffassung des Rechnungshofs können diese Fehler durch eine nachträgliche Entscheidung des Rektorats geheilt werden, wenn die materiellen Voraussetzungen für die Gewährung der Forschungszulage gegeben sind.
Weiterhin setzt die Gewährung einer Forschungszulage nach den gesetzlichen Bestimmungen voraus, dass der Drittmittelgeber über den möglichen Umfang der aus seiner Zuwendung finanzierten Forschungszulage explizit informiert wurde und der Gewährung der Forschungszulage zugestimmt hat. Auch diese Voraussetzungen wurden in einigen der geprüften Fälle nicht erfüllt.
Der Rechnungshof hält es für möglich, diese Fehler zu heilen, indem die Zustimmung des Drittmittelgebers nachträglich eingeholt wird.
2.2.2 Kalkulationsfehler bei der Bemessung der Zulage
Die gesetzlichen Regelungen sehen vor, dass eine Forschungszulage nur gewährt werden darf, wenn die direkten und die indirekten Kosten des Forschungsvorhabens vollständig aus Drittmitteln gedeckt sind. Auch die Forschungszulage selbst darf nicht aus originären Mitteln der Hochschule, sondern nur aus den für dieses Forschungsprojekt eingeworbenen Drittmitteln finanziert werden. Erforderlich ist in jedem Fall eine vollständige und ordnungsgemäß dokumentierte Kalkulation des Forschungsprojekts.
An allen elf Hochschulen fanden sich Fehler in den Projektkalkulationen, die der Bewilligung der Zulagen zugrunde lagen.
Häufig wurden die Personalkosten der projektleitenden Professoren nicht bzw. in zu geringem Umfang berücksichtigt. Oft wurde auch die vorgesehene Forschungszulage nicht als Kostenanteil ausgewiesen. Fehler wurden zudem bei der Kalkulation der Gemeinkosten festgestellt. An fünf Hochschulen waren diese zu niedrig bemessen.
Kalkulationsfehler wurden bei mehr als der Hälfte der bewilligten Forschungszulagen festgestellt. Im Ergebnis wurden dadurch die jeweiligen Forschungszulagen in einer noch nicht bestimmbaren Zahl von Fällen nicht vom privaten Drittmittelgeber, sondern tatsächlich aus Landesmitteln bezahlt. In diesen Fällen müssen die Hochschulen die Projekte unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben nachkalkulieren und die gewährten Zulagen gegebenenfalls ganz oder teilweise zurücknehmen.
2.2.3 Forschungszulagen nur für Forschungsprojekte
Forschungsprojekte zeichnen sich dadurch aus, dass sie dazu dienen, neue Erkenntnisse zu gewinnen oder neue wissenschaftliche Methoden zu entwickeln. Nur für solche Projekte dürfen Forschungszulagen gewährt werden.
An sieben Hochschulen wurden Zulagen für Projekte gewährt, bei denen es sich nicht um Forschungsprojekte handelte. So wurden beispielsweise Forschungszulagen für die Durchführung von Seminaren und Workshops bei Unternehmen, die Gestaltung von Arbeitskreisen für Unternehmen oder die Beratung eines Industrieverbands zu Normungsfragen der Raum- und Gebäudeautomation gewährt. Auch die Vermietung von Hochschulräumlichkeiten und der Verkauf von Geräten oder Werkstücken sind ohne Zweifel keine Forschungsvorhaben.
In einer Vielzahl von Fällen wurden Forschungszulagen für Materialprüfungen gewährt, die in der Regel lediglich vorhandenes Know-how anwenden und damit im rechtlichen Sinne als Dienstleistungen anzusehen sind. Die Materialprüfung ist im Landeshochschulgesetz ausdrücklich als sonstige Aufgabe der Hochschulen (neben Forschung, Lehre und Weiterbildung) definiert.
In all diesen Fällen ist eine Heilung der fehlerhaften Bewilligung nicht möglich. Die Rektorate müssen daher in diesen Fällen über die Rücknahme der Bewilligung und die Rückforderung der ausbezahlten Forschungszulagen entscheiden.
2.2.4 Forschungszulagen nur aus privaten Drittmitteln
Die Drittmittelrichtlinien unterscheiden seit Jahrzehnten zwischen privaten Drittmitteln und öffentlichen Drittmitteln, die von öffentlich-rechtlichen Einrichtungen gewährt werden oder direkt oder indirekt aus Mitteln der öffentlichen Hand stammen.
Das Landesbesoldungsgesetz und die Leistungsbezügeverordnung haben diese Unterscheidung übernommen und die Gewährung von Forschungszulagen nur aus privaten Drittmitteln erlaubt.
An fünf Hochschulen wurde diese gesetzliche Vorgabe in einigen Fällen nicht beachtet. Die Fördermittel kamen in diesen Fällen von der EU, dem Bund, dem Land oder einer anderen öffentlich-rechtlichen Einrichtung.
Mehrfach wurden Zulagen bei Projekten gewährt, die zwischen einer Hochschule und einem öffentlichen Unternehmen abgeschlossen wurden. Da sich diese Unternehmen vollständig in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft befinden, handelt es sich auch hier um öffentliche Drittmittel.
Auch in diesen Fällen ist nach Auffassung des Rechnungshofs eine Heilung der rechtswidrigen Bewilligung nicht möglich. Die Rektorate müssen in diesen Fällen über die Rücknahme der Bewilligung und die Rückforderung der ausgezahlten Beträge entscheiden.
2.2.5 Forschungszulagen nur für eigene Leistungen
In wenigen Fällen musste der Rechnungshof darauf hinweisen, dass Forschungszulagen nicht schon für die Einwerbung der Drittmittel, sondern erst für die Erbringung der Forschungsleistung durch den Professor selbst gewährt werden dürfen. Keinesfalls darf eine Forschungszulage gewährt werden, wenn die Forschungsleistung von Studierenden im Rahmen ihrer Abschlussarbeiten erbracht wird.
2.3 Fehler bei der Gewährung von Sonderzahlungen an Tarifbeschäftigte
Auch die Mehrzahl der 27 geprüften Sonderzahlungen im Tarifbereich (64.083 Euro) wurde fehlerhaft bewilligt. Ursache waren im Wesentlichen Kalkulationsfehler.
Die im Tarifvertrag vorgesehenen kurzen Ausschlussfristen für die Rückforderung gewährter Leistungen an den Arbeitnehmer verhindern in diesen Fällen die Möglichkeit einer Rückforderung der fehlerhaft gewährten Zahlungen.
2.4 Konsequenzen aus den Prüfungsergebnissen
Der Rechnungshof hat die Rektorate der betroffenen Hochschulen im März 2018 im Einzelnen über die festgestellten Fehler unterrichtet und sie aufgefordert, bei den vom Rechnungshof als rechtswidrig beanstandeten Forschungszulagen in jedem Einzelfall zu prüfen, ob eine Heilung für die Vergangenheit möglich ist oder die Gewährung der Forschungszulage nach § 48 Landesverwaltungsverfahrensgesetz zurückgenommen werden kann oder muss.
Alle betroffenen Hochschulen und der Verband der Hochschulen für angewandte Wissenschaften haben im April 2018 zu den Beanstandungen des Rechnungshofs im Einzelnen Stellung genommen. Die Hochschulen haben mitgeteilt, dass sie einen Teil der Beanstandungen des Rechnungshofs als richtig akzeptieren und einen weiteren Teil der Beanstandungen durch nachgeholte Beschlüsse und Nachkalkulationen geheilt hätten. Die Methode zur Projektkalkulation sei an die gesetzlichen Vorgaben angepasst und professionalisiert worden.
In der Mehrzahl jener Fälle, die der Rechnungshof nicht als Forschungsprojekte qualifiziert hat, bestreiten die Hochschulen die rechtliche Beurteilung des Rechnungshofs. Viele Projekte, die der Rechnungshof als nicht zulagenfähige Dienstleistungen beurteilt hat, sehen die Hochschulen als angewandte Forschung und damit als zulagenfähig an. Abweichende Auffassungen vertraten die Hochschulen auch bei einzelnen Aspekten der Qualifikation der Drittmittel und der Methode der Gemeinkostenkalkulation.
Die Prüfung, in welchen Fällen Zulagenbewilligungen zurückgenommen werden und Rückforderungen erfolgen, sei im Gange. In einigen Fällen sei eine Rückforderung bereits in die Wege geleitet. Dem Rechnungshof werde in den nächsten Monaten berichtet, in welchen Fällen es zu Rückforderungen kommt und in welchen Fällen davon abgesehen wird.
Das Wissenschaftsministerium wurde vom Rechnungshof Anfang Januar 2018 über den Stand der Prüfung und im März 2018 über die beanstandeten Einzelfälle unterrichtet. Das Ministerium nahm diese Mitteilungen zum Anlass, in Abstimmung mit dem Rechnungshof eine „Handreichung“ zu erarbeiten, in der wesentliche Zweifelsfragen bei der Anwendung der einschlägigen Vorschriften beantwortet werden.
Weiterhin hat das Wissenschaftsministerium mit Schreiben von 19. März 2018 alle betroffenen Hochschulen für angewandte Wissenschaften aufgefordert, zu den Beanstandungen Stellung zu nehmen und bis zum 31. Juli 2018 über die Möglichkeit der Heilung beziehungsweise der Rücknahme rechtswidrig gewährter Forschungs- und Lehrzulagen und die Rückforderung von Sonderzahlungen nach TV-L zu entscheiden. Zu diesem Termin müssen die Hochschulen dem Ministerium über das Gesamtergebnis aller Prüfungen und über die beabsichtigten Maßnahmen berichten.
3 Empfehlungen
3.1 Empfehlung an die Hochschulen
Der Rechnungshof empfiehlt den Hochschulen für angewandte Wissenschaften,
- bei der künftigen Bewilligung von Forschungszulagen die gesetzlichen Voraussetzungen genau zu beachten, insbesondere eine vollständige Vor- und Nachkalkulation des Projekts durchzuführen und die Zulage erst dann in voller Höhe auszuzahlen, wenn die Kostendeckung des Forschungsprojekts valide festgestellt ist.
- bei der Kalkulation von Forschungsprojekten einen angemessenen Gemeinkostenzuschlag zu kalkulieren, der regelmäßig die gesamte Hochschule und ihren Overhead im Blick hat und im Normalfall mindestens 30 Prozent der direkten Projektkosten beträgt.
- bei Projekten, die sich im Grenzbereich zwischen Forschung einerseits und Dienstleistung bzw. Technologietransfer andererseits bewegen, Forschungszulagen nur noch dann zu gewähren, wenn die einzelnen Leistungen des Professors Teil einer vor Projektbeginn explizit formulierten Forschungsstrategie sind, die über die bloße Anwendung vorhandener wissenschaftlicher Erkenntnisse hinausgeht. Kombinierte Projekte, die sich aus Forschungs- und Dienstleistungselementen zusammensetzen, sind kalkulatorisch zu trennen. Dieses Trennungsgebot gilt auch, wenn ausnahmsweise Projekte teilweise aus öffentlichen Drittmitteln und teilweise aus privaten Drittmitteln finanziert werden.
Die Hochschulen für angewandte Wissenschaften sollten zur Verwaltungsvereinfachung prüfen, ob bei kleineren Forschungsprojekten mit einem Volumen bis zu 3.000 Euro generell von der Gewährung einer Forschungszulage abgesehen wird.
3.2 Empfehlungen an das Wissenschaftsministerium
Der Rechnungshof empfiehlt dem Wissenschaftsministerium,
- durch eine Verwaltungsvorschrift auf eine sachgerechte und einheitliche Praxis bei der Gewährung von Forschungszulagen und der Anwendung der dabei einschlägigen Rechtsnormen hinzuwirken.
- im Rahmen seiner Fachaufsicht darauf hinzuwirken, dass die Hochschulen für angewandte Wissenschaften zeitnah über die Möglichkeit der Heilung bzw. der Rücknahme rechtswidrig gewährter Forschungszulagen entscheiden.
- die für die Gewährung von Forschungszulagen einschlägigen Rechtsnormen einerseits auf ihre Praxistauglichkeit zu überprüfen, andererseits auf eine Präzisierung der Normen hinzuwirken und die wesentlichen Zweifelsfälle zu klären.
Der Rechnungshof regt insbesondere an, zu prüfen,
- ob für die Innovationsgutscheine des Landes vorgesehen werden kann, dass diese wie private Drittmittel behandelt werden können, um die damit erstrebte Verbesserung der Position kleiner und mittlerer Unternehmen als Drittmittelgeber bei Forschungsprojekten zu sichern,
- anstelle des in § 8 der Leistungsbezügeverordnung normierten betragsmäßig genau bestimmten Einverständnisses des Drittmittelgebers eine pauschale Einwilligung (möglicherweise auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen) ausreichen könnte.
4 Stellungnahme der Hochschulen und des Ministeriums
Zu den Feststellungen und Empfehlungen des Rechnungshofs haben namens der Hochschulen für angewandte Wissenschaften deren Verband HAW e. V. und das Wissenschaftsministerium Stellung genommen.
4.1 Verband der Hochschulen für angewandte Wissenschaften
Die Hochschulen bedauern es, falls es Ungereimtheiten im Rahmen der Bewilligung von Forschungszulagen gegeben habe, und sichern zu, diese im engen Austausch mit dem Wissenschaftsministerium weiter aufzuarbeiten. Im Übrigen seien sie überzeugt, dass in einer monetären Betrachtung dem Land unterm Strich kein finanzieller Schaden entstanden sei, was aber selbstverständlich eine Einzelfallüberprüfung nicht obsolet werden lasse.
Fälle, in denen unterschiedliche Auffassungen zur Kalkulationsgrundlage oder tatsächlich fehlerhafte Kalkulationen vorlägen, könnten mehrheitlich durch Nachkalkulation bereinigt werden. Die Hochschulen wollen in diesem Zusammenhang klarstellen, dass das Vorliegen von unterschiedlichen Auffassungen zur Projektkalkulation oder auch von tatsächlichen Berechnungsfehlern nicht zwingend mit einem Schaden für das Land gleichgestellt werden dürfe. Tatsächlich ließen die Rückmeldungen aus den Hochschulen erwarten, dass am Ende nur Einzelfälle verbleiben würden, in denen sich tatsächlich trotz Ausschüttung der Zulage keine Deckung der Gesamtkosten ergebe.
Die Feststellung, ob es sich im Einzelfall um „Forschung“ handele oder nicht, sei in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht nicht immer eindeutig. Die Prüfung habe in diesen Fällen eine Diskussion angestoßen, die mit aller Ernsthaftigkeit - interdisziplinär und unter Einbindung des Wissenschaftsministeriums - geführt werde. Auch hier könne es durchaus Fälle geben, in denen man den Forschungskontext der einzelnen Projektaktivität aufzeigen und dokumentieren könne. In Fällen, in denen dies nicht möglich sei, würden die Rektorate selbstverständlich über die Rücknahme der Bewilligung und die Rückforderung der ausbezahlten Forschungszulagen entscheiden.
Weiterhin machen die Hochschulen geltend, dass die Bestimmungen des Landesbesoldungsgesetzes und der Leistungsbezügeverordnung zwar die Voraussetzungen enthielten, von denen die Gewährung einer Forschungszulage abhängig ist, nicht jedoch die genaue Definition der wesentlichen Kernbegriffe „Forschung“ und „private Drittmittel“. Gäbe es einen allgemein anerkannten, zutreffenden, das gesamte Spektrum der Forschung aller beteiligten Hochschularten hinreichend erklärenden Forschungsbegriff, wäre es nach Auffassung der Hochschulen nicht zu Differenzen bei der Auslegung gekommen. Eine generelle Ausnahme bestimmter Methoden, etwa der Materialprüfung, vertrage sich mit der grundsätzlichen Offenheit des Forschungsbegriffes nicht. Die Frage, ob „Forschung“ betrieben werde oder nicht, sei vielmehr in jedem Einzelfall durch die Hochschule zu prüfen und eigenverantwortlich und orientiert am individuellen Fall zu entscheiden.
Es gebe keine gesetzliche Regelung, aus der sich klar ergebe, dass das Rektorat als Kollegium über Forschungszulagen zu entscheiden habe. Vielmehr bestimme § 9 Absatz 1 Satz 1 Leistungsbezügeverordnung, dass das Rektorat einer Hochschule das Verfahren und die Vergabe von Forschungs- und Lehrzulagen nach § 8 regele. Diese Vorschrift greife dabei den Grundsatz auf, wonach das Rektorat in Abgrenzung zu anderen Gremien zuständig sei, jedoch im Rahmen der Bestimmung verschiedener Geschäftsbereiche die Entscheidung an einzelne Rektoratsmitglieder delegieren könne. Aus diesem Grund seien die Hochschulen für angewandte Wissenschaften davon ausgegangen, dass - wie in anderen Fällen der Rektoratszuständigkeit auch - die interne Entscheidungsbefugnis durch das Rektorat bzw. die Vergaberichtlinien der Hochschule festgelegt werden könnte.
4.2 Wissenschaftsministerium
Das Wissenschaftsministerium stimmt mit den Feststellungen und Empfehlungen des Rechnungshofs überwiegend überein.
Zum Forschungsbegriff bestehe Konsens, dass ein Vorhaben nur dann als Forschungsvorhaben im Sinne von § 60 Landesbesoldungsgesetz klassifiziert werden könne, wenn es auf die Gewinnung neuer Erkenntnisse gerichtet sei. Hierzu gehörten bei den Hochschulen für angewandte Wissenschaften nach § 40 Absatz 1 Satz 2 2. Alternative Landeshochschulgesetz auch die auf Erkenntnisgewinn angelegte Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse in der Praxis einschließlich der Folgen, die sich aus der Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse ergeben können. Zu Abgrenzungsfragen beim Forschungsbegriff gebe es allerdings zwischen den Hochschulen und dem Ministerium noch Diskussionsbedarf.
Gegen die vom Rechnungshof vorgeschlagene Trennungsrechnung bei kombinierten Projekten, die sich aus Forschungs- und Dienstleistungselementen zusammensetzen oder die sich aus öffentlichen und privaten Drittmitteln finanzieren, erhebt das Ministerium Bedenken. Die Trennungsrechnung wäre mit teilweise großen Abgrenzungsproblemen behaftet, weil es keine allgemein anerkannten Kriterien gebe. Sie wäre zudem für die Hochschulen sehr aufwendig und wenig praktikabel. Ein Aufgreifen der kalkulatorischen Trennungsrechnung erfolge daher nicht.
Um insgesamt auf eine sachgerechte und einheitliche Praxis bei der Gewährung von Forschungs- und Lehrzulagen und der Anwendung der dabei einschlägigen Rechtsnormen hinzuwirken, habe das Ministerium eine Handreichung für die Hochschulen erstellt. Zudem habe es eine Checkliste für die Hochschulen zur Eigenkontrolle entworfen, die die Rechtmäßigkeitskriterien der Vergabeentscheidung bei Forschungs- und Lehrzulagen erfasse und die jährlich dem Ministerium zu übermitteln sei.
Inwieweit Konkretisierungen bei den für die Gewährung von Forschungs- und Lehrzulagen einschlägigen Rechtsnormen erforderlich und geboten seien, werde derzeit noch geprüft.
Die Anregung des Rechnungshofs, zu prüfen, ob für die Innovationsgutscheine des Landes vorgesehen werden kann, dass diese wie private Drittmittel behandelt werden, habe das Ministerium zum Anlass genommen, entsprechende Überlegungen anzustellen. Die Prüfung sei noch nicht abgeschlossen. Das gleiche gelte für die Anregung des Rechnungshofs, anstelle des in § 8 Leistungsbezügeverordnung normierten betragsmäßig genau bestimmten Einverständnisses des Drittmittelgebers eine pauschale Einwilligung ausreichen zu lassen.
lm Ergebnis befürworte das Ministerium auch weiterhin die Möglichkeit, Forschungs- und Lehrzulagen aus eingeworbenen Drittmitteln zu vergeben, da hierdurch materielle Anreize für die Professoren geschaffen würden, Drittmittelprojekte für die eigene Hochschule einzuwerben und im Hauptamt zu betreuen, und dadurch der Tendenz zur Nebentätigkeit entgegengewirkt werde.
5 Schlussbemerkung
Der Rechnungshof bleibt bei seiner Auffassung, dass Forschungszulagen nach dem Wortlaut und dem Zweck der gesetzlichen Bestimmungen nur für Projekte der Forschung, nicht aber für Dienstleistungen oder den Transfer vorhandener Erkenntnisse gewährt werden dürfen. Ein rechtlich nicht überprüfbarer Beurteilungsspielraum, welche Leistungen bei der Gewährung von Forschungszulagen als Forschung zu qualifizieren sind, steht den Hochschulen nicht zu, vielmehr unterliegen sie insoweit der Fachaufsicht des Wissenschaftsministeriums. Weder wird dadurch die Freiheit der Forschung beeinträchtigt, noch ist die Hochschule gehindert, für wichtige oder ertragreiche Dienstleistungen, die ein Professor im Hauptamt erbringt, Leistungszulagen zu gewähren. Diese sind dann freilich wie alle Leistungszulagen auf den Vergaberahmen der Hochschule anzurechnen.
Die Zuständigkeit des Rektorats als Kollegium für die Vergabe der Forschungszulagen ist in § 8 Absatz 3 Leistungsbezügeverordnung abschließend geregelt. Diese Regelung ist angesichts der finanziellen Bedeutung der Zulagengewährung auch sachgerecht. § 9 der Leistungsbezügeverordnung regelt nicht die Zuständigkeit, sondern das vom Rektorat als Kollegium zu praktizierende Verfahren.
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Filmförderung ist Kultur- und Wirtschaftsförderung. Unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftsförderung müsste die Filmförderung zielgerichteter erfolgen. Bei der Fortentwicklung der Förderstrategie sollte stärker auf die Qualität der erzielten Regionaleffekte geachtet werden. Die Höhe der Filmförderung sollte kritisch überprüft werden.
1 Ausgangslage
Seit Gründung im Jahr 1995 ist die MFG Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg mbH (MFG) die Filmfördereinrichtung des Landes. Mehrheitsgesellschafter mit 51 Prozent ist das Land, der Südwestrundfunk (SWR) hält 49 Prozent. Im Laufe der Jahre wurden die Filmfördermittel deutlich gesteigert. Sie betrugen 2016 gemäß Wirtschaftsplan 14,95 Mio. Euro. Dies ist eine Verdoppelung gegenüber dem Jahr 2000 (7,21 Mio. Euro).
Die MFG und damit auch der Geschäftsbereich Filmförderung werden aus den Gesellschafterbeiträgen (2016: jeweils 5,5 Mio. Euro) von Land und SWR finanziert. Daneben gewährt das Land der MFG zusätzliche Zuwendungen (2016: 6,5 Mio. Euro) zur zweckgebundenen Erhöhung der Filmfördermittel und stellt Mittel für sonstige Filmfördermaßnahmen zur Verfügung (z. B. für Kooperationen mit Fernsehsendern).
Die MFG vergibt Förderungen in allen Phasen der Filmentstehung und bezieht auch die Filmverwertung sowie den Kinobereich mit ein. Die Förderung besteht überwiegend aus erfolgsabhängig rückzahlbaren zinslosen Darlehen, im Übrigen aus Zuschüssen.
Die Landesregierung hat in 2000 und 2008 Filmkonzeptionen mit dem Ziel verabschiedet, das Land im Bereich Film und Fernsehen stärker zu etablieren. In der Folge wurden die Filmfördermittel der MFG insbesondere für die Produktionsförderung, aber auch für die Kinoförderung, weiter aufgestockt.
Es ist vorgesehen, die Filmkonzeption noch in dieser Legislaturperiode zu evaluieren und fortzuschreiben.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Fördervolumen und Verteilung nach Förderbereichen
Die MFG ist als selbstständige Landesfilmfördereinrichtung Teil der Filmförderlandschaft in Deutschland. Das Fördermittelvolumen der MFG hat sich - im Nachgang zur Filmkonzeption von 2008 - mit einem Plus von 80 Prozent deutlich stärker erhöht als bei anderen Ländereinrichtungen. Deren Fördervolumina sind seit 2008 insgesamt um 12 Prozent gewachsen.
Die einzelnen Landesfilmfördereinrichtungen setzen unterschiedliche Schwerpunkte. Die MFG setzte 2016 für die Förderung von Filmproduktionen mit 65 Prozent (9,7 Mio. Euro) einen geringeren Anteil ihrer Fördermittel ein als der Durchschnitt aller Fördereinrichtungen mit knapp 80 Prozent. Dagegen ist der Anteil der Kinoförderung mit 5 Prozent (0,7 Mio. Euro) gegenüber 2 Prozent in der Gesamtbetrachtung deutlich überdurchschnittlich. Die Fördermittel für Kommunale Kinos und für das Kino mobil, die Alleinstellungsmerkmale der MFG gegenüber den anderen Länderfilmfördereinrichtungen darstellen, sind dabei noch nicht eingerechnet.
2.2 Steuerung des wirtschaftlichen Erfolgs der Fördermaßnahmen
Der Rechnungshof hat sich bei seiner Prüfung schwerpunktmäßig mit den wirtschaftlichen Aspekten der Filmförderung befasst. Aus der Förderrichtlinie der MFG lassen sich hierzu drei Kernziele ableiten:
- Entwicklung und Stärkung der Filmwirtschaft, soweit diese für die Entwicklung, Pflege und Stärkung der Filmkultur notwendig ist;
- Förderung von Filmproduktionen, die einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Filmwirtschaft in Baden-Württemberg leisten;
- Stärkung des Standorts mithilfe eines Baden-Württemberg-Effekts (BW-Effekt).
Den filmwirtschaftlichen Erfolg ihrer Förderung misst die MFG vorrangig am erzielten BW-Effekt.
2.2.1 Baden-Württemberg-Effekt
Der BW-Effekt eines geförderten Projekts errechnet sich aus den in Baden-Württemberg realisierten Projektkosten. Diese sollen vor allem in filmwirtschaftlich relevanten Bereichen erbracht werden. Ein „wirtschaftliches Interesse“ an der Förderung setzt einen nachgewiesenen BW-Effekt von mindestens 120 Prozent der Fördermittel voraus. Das heißt vereinfacht: Mindestens das 1,2-fache der Fördersumme muss im Land ausgegeben werden.
Andere Landesfilmfördereinrichtungen fordern teils einen Regionaleffekt von 100, teils von 150 Prozent. Zulässig sind nach Vorgaben der Europäischen Kommission maximal 160 Prozent. Die MFG bewegt sich demnach hinsichtlich der prozentualen Höhe des geforderten Regionaleffekts im Mittelfeld.
Bei der Projektbewertung bezieht die MFG Qualitätsaspekte mit ein, zentrale Kennzahl ist aber der quantitative BW-Effekt. Dieser belief sich bei der Produktionsförderung seit 1995 insgesamt auf 287,7 Mio. Euro, dies entspricht bei einem Fördermittelvolumen von 130,6 Mio. Euro einem durchschnittlichen Effekt von 220 Prozent.
Der Rechnungshof hält es für erforderlich, der qualitativen Komponente - wie schon in der Filmkonzeption 2008 empfohlen - eine größere Bedeutung beizumessen. Bislang werden auch Ausgaben für Bahnfahrkarten, Hotels, Tages- und Spesengelder, Mietwagen, Flugtickets und Ähnliches beim BW-Effekt berücksichtigt. Aus Sicht des Rechnungshofs sind diese jedoch nicht geeignet, die Filminfrastruktur in Baden-Württemberg zu stärken. Bestenfalls kann diesen Ausgaben ein gewisser allgemeiner Wirtschaftsfördereffekt beigemessen werden.
Der BW-Effekt sagt insoweit ohne zusätzliche Informationen nichts über die filmwirtschaftliche Relevanz der Ausgaben und damit über den tatsächlichen Fördereffekt aus. Die in Baden-Württemberg geplanten bzw. realisierten Projektkosten sollten danach differenziert werden, ob und inwieweit sie einen nachhaltigen Beitrag zur Stärkung der filmwirtschaftlichen Branche im Land leisten können.
Im Rahmen einer Stichprobe von Förderfällen hat der Rechnungshof festgestellt, dass erhebliche Anteile des BW-Effekts im filmwirtschaftlich weniger relevanten Bereich erzielt werden. Eine Kategorisierung und Gewichtung nach filmwirtschaftlich relevanten bzw. weniger relevanten Ausgaben kann mit vergleichsweise überschaubarem Aufwand anhand eines Kalkulationsschemas erfolgen, das den Antragstellern ohnehin zur Verfügung gestellt wird und nur geringfügig modifiziert werden müsste. Mithilfe dieser Methode könnte die MFG künftig standardisiert die Qualität der BW-Effekte bestimmen. Auf diese Informationen kann bei der Auswahl und der Endabrechnung der Projekte zugegriffen werden.
2.2.2 Tilgungsquote bei Förderdarlehen
Bei der Bewertung des wirtschaftlichen Erfolgs der Filmförderung spielt die Tilgungsquote der Förderdarlehen bislang keine Rolle. Nach Auffassung des Rechnungshofs sind Tilgungsquoten bei erfolgsbedingt, d. h. in Abhängigkeit von den erzielten Erlösen, rückzahlbaren Darlehen ein geeigneter und wichtiger Gradmesser für den wirtschaftlichen Erfolg der geförderten Filme.
Bei der Produktionsförderung kam es von 2003 bis 2013 nur in 18 Prozent der Fälle zu einer Rückzahlung. Insgesamt wurden nur 2 Prozent der Fördermittel zurückbezahlt. Nach diesem Maßstab war der wirtschaftliche Erfolg der Förderung sehr gering.
2.2.3 Programmspezifische Steuerungsinstrumente
Landtag und Landesregierung benötigen aussagekräftige, konkrete Informationen, um den Fördermitteleinsatz bewerten und überprüfen zu können. Die derzeit verfügbaren Daten zur Filmförderung - etwa im Subventionsbericht - reichen hierzu nicht aus. Insbesondere enthalten sie keine spezifischen Aussagen zu einzelnen Förderprogrammen. Mit der Aufbereitung von Daten und der Bildung von Kennzahlen in Anlehnung an das Fördercontrolling des Landes könnten zusätzliche Informationen gewonnen und die Transparenz verbessert werden.
2.3 Verfahrensabwicklung
2.3.1 Verfahrensdauern und offene Bilanzposten
Wurde in einem Förderverfahren das Darlehen zum Bilanzstichtag noch nicht oder nur teilweise abgerufen, wird in der Bilanz eine Verbindlichkeit ausgewiesen. Die Bilanz der MFG enthält teils sehr alte Verbindlichkeiten. In einem Fall bestand eine solche Verbindlichkeit mehr als 15 Jahre. Liegt im Rahmen eines Förderverfahrens eine Förderzusage, aber noch kein Darlehensvertrag vor, wird diese in der Bilanz als Rückstellung ausgewiesen. Zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2016 lagen aus dem Jahr 2013 noch Förderzusagen in Höhe von 850.000 Euro vor, bei denen kein Fördervertrag unterzeichnet wurde. Aus dem Jahr 2007 bestand eine Förderzusage acht Jahre lang, bis die Rückstellung schließlich 2016 aufgelöst wurde.
Offene Posten binden vorhandene Fördermittel und beeinträchtigen das Erreichen der Förderziele. In der Bilanz der MFG waren Ende 2016 fast 17 Mio. Euro Fördermittel als Verbindlichkeiten bzw. Rückstellungen für noch nicht ausbezahlte Fördermittel ausgewiesen.
2.3.2 Gebührenbelastung von Klein- und Kleinstförderungen
Die MFG hat die Abwicklung der Förderverfahren auf der Grundlage eines Geschäftsbesorgungsvertrags ausgelagert. Der Dienstleister erhält Bearbeitungsgebühren von den Förderempfängern.
Die Gebühr ist im Normalfall auf 3 Prozent der Fördersumme begrenzt. Für Klein- und Kleinstförderungen gibt es bei den meisten Förderprogrammen eine Mindestgebührenregelung (in der Regel 500 Euro). Bei einigen Förderprogrammen kam die Mindestgebührenregelung seit 2010 in bis zu 39 Prozent der Förderfälle zum Tragen. Kleinfälle nehmen einen erheblichen Anteil an diesen Förderprogrammen ein und binden entsprechend Verwaltungskapazitäten. Bei diesen Fällen liegt die Bearbeitungsgebühr wegen der Mindestgebühr zum Teil sehr deutlich über 3 Prozent.
2.3.3 Line-Producer-Förderung
Die Line-Producer-Förderung für Dienstleister im Bereich Animation und visuelle Effekte weist mehrere Besonderheiten auf. Gefördert wird nicht das Filmprojekt als solches, sondern der Beitrag eines Dienstleisters, des Line-Producers. Der dabei erzielte BW-Effekt ist qualitativ hochwertig, er entfällt aber nahezu vollumfänglich auf die Dienstleistung, die der Line-Producer aufgrund der Förderung günstiger anbieten kann. Die Förderung erfolgt durch einen Zuschuss, da der Line-Producer nicht an den Filmerlösen beteiligt ist. Bei einer Zuschussförderung ist ein besonders kritischer Maßstab anzulegen, um eine dauerhafte Subventionierung zu vermeiden.
2.3.4 Kinoförderung
Für die Kinoförderung insgesamt standen von 2009 bis 2015 jährlich im Schnitt 1,7 Mio. Euro zur Verfügung. Die MFG unterstützt die Kinos im Vergleich zu anderen Ländern damit überdurchschnittlich stark. Der größte Anteil floss mit mehr als 34 Prozent in die Förderung Kommunaler Kinos. Jedes Kommunale Kino, das Programmqualität und kommunale Förderung nachweisen kann, hat einen Anspruch auf Kofinanzierung durch die MFG in Form eines Zuschusses. Eine Steuerung nach wirtschaftlichen Kriterien findet nicht statt.
Gewerblichen Kinos werden auf Antrag zur Verbesserung ihrer Ausstattung u. a. im Rahmen des Förderprogramms Kinoinnovation zinslose Darlehen gewährt. Die Darlehensrückzahlung kann dabei durch das Abspielen von Filmen, die durch die MFG gefördert wurden, verringert werden. Diese Abspielförderung greift auch dann, wenn bei der Filmvorstellung keine oder nur wenige Besucher anwesend waren. Filmvorführungen an unattraktiven Tagen oder Uhrzeiten können somit allein durch die Abspielförderung rentabel werden. Zwar können künstlerisch wertvolle Filme auf diesem Wege im Kinoprogramm untergebracht werden. Das Ziel, mit diesen Filmen Besucher zu erreichen, wird jedoch häufig verfehlt. Damit setzt die Abspielförderung falsche wirtschaftliche Anreize. Sie ist im Ergebnis als Zuschuss zu sehen. Bei den von 1995 bis 2005 zugesagten Darlehen wurden 25 Prozent der Darlehenssumme auf diese Weise in einen Zuschuss umgewandelt. Der Anteil der Abspielförderung an der Darlehenstilgung ist ab 2006 im Vergleich zu den Vorjahren deutlich angestiegen.
2.4 Rolle und Finanzierungsbeitrag des Südwestrundfunks
Die MFG finanziert sich aus Gesellschafterbeiträgen des Landes und des SWR. Der jährliche Gesellschafterbeitrag des SWR betrug von 2007 bis 2016 durchschnittlich rund 5,3 Mio. Euro. Diese Mittel werden dem SWR nach § 47 Landesmediengesetz aus dem für die Landesanstalt für Kommunikation vorgesehenen Anteil am Rundfunkbeitragsaufkommen direkt im Wege des Vorwegabzugs zugewiesen. Der SWR erhält diese Mittel mit der Zweckbindung, sie der MFG für Zwecke der Filmförderung zur Verfügung zu stellen. Die Entscheidung über die Höhe des Vorwegabzugs obliegt dem Landesgesetzgeber.
Der Rechnungshof hat ermittelt, dass von 2003 bis 2016 insgesamt 75 Mio. Euro für Produktionsförderungen an Filmprojekte gingen, an denen Rundfunkveranstalter (öffentlich-rechtliche und private Sender) beteiligt waren. Dies entspricht 72 Prozent der gewährten Produktionsfördermittel. Weniger als ein Drittel der Fördermittel ging demnach an Produktionen ohne Senderbeteiligung.
Im untersuchten Zeitraum gingen insgesamt 42,9 Mio. Euro Produktionsfördermittel an Filmprojekte, an denen der SWR (gegebenenfalls zusammen mit anderen Sendern) beteiligt war. Dies entspricht 41 Prozent der insgesamt in diesem Zeitraum ausgereichten Fördermittel. Filmprojekte, an denen der SWR als einziger Sender beteiligt war, erhielten 30,8 Mio. Euro. Dies entspricht 30 Prozent der in diesem Zeitraum insgesamt ausgereichten Fördermittel.
Dem Rechnungshof ist die Bedeutung des SWR für den Filmstandort Baden-Württemberg bewusst. Er verkennt auch nicht, dass im dargestellten Förderumfang Filmprojekte zur Nachwuchsförderung (SWR-Kooperation Fifty-Fifty) enthalten sind. Das Ziel der Filmförderung, eine unabhängige Produzentenlandschaft in Baden-Württemberg entstehen zu lassen, darf jedoch nicht aus dem Blick geraten.
3 Empfehlungen
3.1 Höhe der Fördermittel und ihre Verteilung prüfen
Die dauerhafte Subventionierung von Branchen oder Tatbeständen ohne die Perspektive, diese Subventionen zu streichen, ist nur in besonderen Ausnahmefällen vertretbar. Ein solcher Ausnahmefall kann die Filmförderung unter dem Gesichtspunkt der Kulturförderung sein.
Sofern Fördertatbestände nicht beendet werden, sollte zumindest ihre Höhe degressiv gestaltet werden. Ansatzpunkte für eine Reduzierung der Filmfördermittel bestehen bei einzelnen Programmen der Filmförderung sowie in der Kinoförderung. Daher sollte die Filmförderung im Rahmen der anstehenden Evaluation kritisch überprüft und gegebenenfalls zurückgeführt werden. Außerdem sollte hinterfragt werden, ob die bisherigen Schwerpunkte der Förderung geeignet sind, die Zielsetzungen der Filmförderung bestmöglich umzusetzen.
3.2 Qualität und Höhe des Baden-Württemberg-Effekts steigern
Unter dem Aspekt der Wirtschaftsförderung müsste die Filmförderung zielgerichteter erfolgen. Vor allem bei der Produktionsförderung sollten die Auswahlentscheidungen stärker daran ausgerichtet werden, ob und inwieweit der BW-Effekt in filmwirtschaftlich relevanten Bereichen realisiert wird. Hierzu empfiehlt der Rechnungshof, die Verwendung eines kategorisierten Kalkulationsschemas verpflichtend einzuführen.
3.3 Förderstrategie fortentwickeln
Um die Fördermittel zielgerichteter einzusetzen, sollte die Strategie für die Filmförderung fortentwickelt werden. Neben dem quantitativen BW-Effekt sollten konkrete Zielwerte für die qualitative Zusammensetzung des BW-Effekts festgelegt werden. Diese müssen geeignet sein, den Filmstandort und die unabhängige Filmwirtschaft in Baden-Württemberg wirkungsvoll und nachhaltig zu fördern. Die Zielwerte können dann als Leitlinie für die Projektauswahl dienen.
Der bisherige Förderschwerpunkt im Bereich Animation und visuelle Effekte sollte in die Förderstrategie integriert werden. Für Senderkooperationen und Serienförderungen könnten aufgrund der Besonderheiten spezifische Zielwerte festgelegt werden.
3.4 Steuerungsinstrumente weiterentwickeln
Die Haushalts- und Fördervolumina der einzelnen Programme einschließlich der Mittel des SWR müssen für die Entscheidungsträger transparent und nachvollziehbar dargestellt werden. Der Rechnungshof empfiehlt, im Bereich der Filmförderung Steuerungsinstrumente zu implementieren, die sich an den Inhalten des Landesfördercontrollings orientieren.
3.5 Verfahrensdauern und offene Bilanzposten reduzieren
Anzahl und Umfang der offenen Posten in der Bilanz sollten reduziert werden. Offene Posten, deren Inanspruchnahme unwahrscheinlich ist, sollten aufgelöst und, soweit sie aus zweckgebundenen Mitteln stammen, in das Förderbudget zurückgeführt werden. Die Höhe der nicht benötigten Haushaltsmittel kann gegebenenfalls bei der Höhe künftiger Haushaltsansätze berücksichtigt werden.
3.6 Kleinstförderungen vermeiden
Fälle von Kleinstförderungen, in denen die Mindestbearbeitungsgebühr zum Tragen kommt und bei denen die Bearbeitungsgebühr 10 Prozent (netto) der Fördersumme übersteigt, sollten vermieden werden. Die Zahl der Fälle, in denen die Bearbeitungsgebühr 5 Prozent (netto) der Fördersumme übersteigt, sollte möglichst gering gehalten werden.
3.7 Kinoförderung evaluieren
Die Ausstattung und Gestaltung des Förderprogramms für Kommunale Kinos sollte überdacht werden. Anstatt jeden Antragsteller, der bereits von einer kommunalen Gebietskörperschaft gefördert wird, automatisch in die Förderung einzubeziehen, sollte eine Auswahlentscheidung getroffen werden. Dabei könnten Kommunale Kinos in Orten mit vergleichsweise geringer Kinoversorgung priorisiert werden.
Die bisherige Praxis der Umwandlung von Teilen der Kinoinnovationsdarlehen in Zuschüsse mithilfe der Abspielförderung setzt falsche wirtschaftliche Anreize und sollte daher beendet werden.
3.8 Finanzierungsbeitrag des Südwestrundfunks erhöhen
Unabhängig von einer anzustrebenden Reduzierung der Filmfördermittel insgesamt sollte das Land versuchen, den SWR für eine paritätische Mitfinanzierung der zusätzlich gewährten Fördermittel von 6,5 Mio. Euro zu gewinnen. Dadurch würde der Landeshaushalt entsprechend entlastet. Hierfür spricht auch die Höhe der Fördermittel, die an Filmproduktionen mit SWR-Beteiligung gehen.
4 Stellungnahme der Ministerien
Das Ministerium für Finanzen teilt im Einvernehmen mit dem Wissenschaftsministerium mit, dass die Feststellungen und Empfehlungen des Rechnungshofs einschließlich seiner Aussagen zur Höhe der Filmförderung und der finanziellen Beteiligung des SWR in die geplante Evaluierung der Filmkonzeption einfließen werden.
Die MFG messe der qualitativen Bewertung des BW-Effekts größte Bedeutung bei und nehme diese bei allen Projekten vor. In den letzten zwei Jahren sei eine beachtliche Steigerung erreicht worden. Die Anregungen des Rechnungshofs würden dennoch aufgegriffen und geprüft.
Die Empfehlungen, die Steuerungsinstrumente weiterzuentwickeln und Verfahrensdauern bzw. offene Posten zu reduzieren, würden geprüft. Hinsichtlich der Kleinstförderungen werde das Ziel des Rechnungshofs geteilt. Die Anzahl sei in den letzten Jahren bereits reduziert worden.
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Die Kleintheaterförderung ist gut strukturiert und angemessen dotiert. Der Rechnungshof regt an, den kaufmännischen Teil des Theaterbetriebs zu professionalisieren und spricht sich für eine Eigeneinnahmenquote von mindestens 20 Prozent aus. Ferner empfiehlt er, die Förderbedingungen für Kleintheater künftig in einer Richtlinie zu regeln.
1 Ausgangslage
1.1 Struktur der Förderung
Baden-Württemberg verfügt über eine breit gefächerte und abwechslungsreiche Theaterlandschaft. Neben den beiden Staatstheatern, die vom Land und den Sitzstädten Stuttgart und Karlsruhe jeweils hälftig getragen werden, gibt es neun Kommunaltheater und drei rechtlich selbstständige Landesbühnen. Das Alte Schauspielhaus in Stuttgart und die Komödie im Marquardt werden wie ein Kommunaltheater gefördert.
Darüber hinaus fördert das Land gemeinsam mit den Sitzkommunen mehr als 40 Klein- und Figurentheater. Die Summe der Landeszuwendungen an diese Theater beträgt rund 5 Mio. Euro jährlich.
Weitere Landeszuwendungen erhalten die sogenannten Freien Theater, die sich zu einem großen Teil in einem Landesverband zusammengeschlossen haben. Hier fördert das Land den Verband und die einzelnen Theater, falls erforderlich, durch Projektfördermittel.
Nach der Kunstkonzeption des Landes setzt die Aufnahme in die institutionelle Landesförderung voraus, dass das Kleintheater
- ein Berufstheater ist (eigene feste Spielstätte, regelmäßiger Spielbetrieb, hauptberufliche Betätigung),
- seit fünf Jahren in Baden-Württemberg besteht und
- auch von der Kommune bzw. vom Landkreis institutionell gefördert wird.
Die inhaltliche Ausrichtung der Kleintheater ist vielfältig. Die Spanne reicht von gesellschaftlichen und politischen Themen über Theater mit regionalem Bezug, Kinder- und Jugendtheater bis hin zu experimentellem Theater.
1.2 Prüfungen durch die Finanzkontrolle
Der Rechnungshof und die Staatlichen Rechnungsprüfungsämter prüfen die Verwendung der Landeszuwendungen durch die Kleintheater. Prüfungsschwerpunkte sind dabei die Recht- und Ordnungsmäßigkeit, die Haushalts- und Wirtschaftsführung, die Entwicklung der Wirtschaftlichkeit sowie die Personalausstattung.
Geprüft wurden in den letzten fünf Jahren das Theater Lindenhof in Melchingen, das Theater Rampe in Stuttgart, das Freiburger Kinder- und Jugendtheater, das Theater „Die Tonne“ in Reutlingen, das Kammertheater in Karlsruhe und das Zimmertheater in Rottweil.
Die zwischen 2014 und 2018 vom Rechnungshof und den Staatlichen Rechnungsprüfungsämtern geprüften Kleintheater boten jährlich jeweils zwischen 170 und 430 Veranstaltungen an. Sie erreichten damit jeweils zwischen 10.000 und 77.000 Besucher. Ihr Ausgabenvolumen lag zwischen 0,4 und 2,6 Mio. Euro jährlich.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Rechtsform
Die Theater werden in unterschiedlichen Rechtsformen geführt. Am häufigsten handelt es sich um eingetragene Vereine, es bestehen aber auch Stiftungen des bürgerlichen Rechts und gemeinnützige Gesellschaften mit beschränkter Haftung.
Grundsätzlich sind all diese Rechtsformen geeignet, einen sachgerechten Theaterbetrieb sicherzustellen. Die Rechtsform einer Stiftung bürgerlichen Rechts schafft in besonderem Maße Stabilität und Kontinuität.
Als vorteilhaft hat sich erwiesen, wenn die Leitung des Vereins oder der Stiftung - wie bei den meisten Theatern - nicht von denselben Personen wahrgenommen wird, die für die künstlerische Leitung des Theaters zuständig sind. Die künstlerischen Leiter (Intendanten) sollten in der Regel Angestellte des Trägervereins bzw. der Stiftung sein. Dasselbe gilt für die verantwortlichen kaufmännischen Leiter.
2.2 Finanzierung
2.2.1 Eigene Einnahmen
Bei den geprüften Theatern bewegten sich die eigenen Einnahmen zwischen 7 Prozent und 80 Prozent der Gesamtausgaben.
Bei zwei geprüften Theatern lagen die Eigeneinnahmen unter 10 Prozent der Gesamtausgaben. Eine so niedrige Eigeneinnahmenquote kann auf Dauer keinen wirtschaftlichen Theaterbetrieb sicherstellen und widerspricht dem Subsidiaritätsprinzip.
Die durchschnittlichen Einnahmen aus privatem Sponsoring und Spenden liegen zwischen 0,4 Prozent und 5 Prozent der Gesamtausgaben und sind bei allen geprüften Theatern noch steigerbar. Primäre Finanzierungsquelle für die Kleintheater sollten eigene Einnahmen des Theaters sein, vor allem aus Eintrittsgeldern einerseits und privatem Sponsoring andererseits.
Der Rechnungshof hält es für geboten, dass die geförderten Kleintheater mindestens 20 Prozent ihrer Gesamtausgaben selbst erwirtschaften.
2.2.2 Förderstruktur
Der Rechnungshof hält die Struktur und die Dotierung der Kleintheaterförderung in Baden-Württemberg für sachgerecht und angemessen.
Angesichts des regelmäßig örtlich begrenzten Wirkungskreises ist es gerechtfertigt, dass die öffentliche Förderung zu einem Drittel durch das Land und zu zwei Dritteln durch die Sitzkommune erfolgt.
Diese ausgewogene Förderstruktur führt zu einer berechenbaren institutionellen Förderung, die den Kleintheatern die notwendige Planungssicherheit gibt. Sie gewährleistet mit ihren strengen Anforderungen die Qualität des Theaterbetriebs und das notwendige kommunale Engagement. Gleichwohl gilt das Prinzip der Subsidiarität, d. h. alle anderen Möglichkeiten, Einnahmen zu erzielen und Ausgaben zu vermeiden, sind vorrangig zu realisieren.
Mit dem finanziellen Engagement der Sitzkommune ist regelmäßig auch eine intensive Begleitung durch die Sitzkommune verbunden. Bei einem der geprüften Theater erwies sich das Interesse der Sitzkommune an der Arbeit des Theaters als begrenzt.
Ein besonderer Finanzierungsschlüssel gilt für das Theater Lindenhof in Melchingen. Seine selbst gewählte und vom Land akzeptierte Aufgabenstellung reicht weit über die Sitzkommune hinaus und führt zu einem höheren Landeszuschuss.
Ein Problem bei der Bemessung des Verhältnisses zwischen kommunalem Zuschuss und Landeszuschuss sind die Ausgaben der Theater für die Anmietung von Gebäuden, die im Eigentum der Sitzkommune stehen. Hier besteht eine Neigung der Sitzkommunen, hohe Mieten zu erzielen, die sich bei der Kommune nur als durchlaufender Posten, beim Land jedoch zuwendungserhöhend auswirken. Das Land muss deshalb in allen Fällen darauf achten, dass die Miethöhe das ortsübliche Maß nicht übersteigt und den gemeinnützigen Zweck des Theaters hinreichend berücksichtigt. Es sollte vermieden werden, dass durch eine entsprechende Ausgestaltung der Miete das Verhältnis zwischen Landeszuschuss und kommunalem Zuschuss verzerrt wird.
2.3 Personal
Die Bezüge, die die Kleintheater ihren Mitarbeitern im Verwaltungs- und Technikbereich gewähren, sind bei allen geprüften Theatern regelmäßig angemessen. Das künstlerische Personal wird bei einigen Theatern in Anlehnung an die vom Deutschen Bühnenverein empfohlenen Mindestgagen vergütet. Im Vergleich zu größeren Häusern sind die Arbeitsbedingungen und die Verdienstmöglichkeiten an den Kleintheatern verhältnismäßig bescheiden.
Gleichwohl gilt für die Theater als Zuwendungsempfänger das sogenannte Besserstellungsverbot. Die Theater dürfen danach die Differenz zwischen den von ihnen bezahlten - bescheidenen - Gehältern zu den bei staatlichen Häusern üblichen Vergütungen nicht durch kreative Nebenleistungen kompensieren. Problematisch ist es beispielsweise, Fahrtkostenzuschüsse zu der Fahrt zur Arbeit, Urlaubsgutscheine oder Zuschüsse zu den privaten Kinderbetreuungskosten zu gewähren. Wenn es zur Bindung der Mitarbeiter an das Theater erforderlich sein sollte, müsste in diesen Fällen über eine Erhöhung der Grundvergütung verhandelt werden.
Bei einigen der geprüften Theater musste der Rechnungshof beanstanden, dass für die Dauerbeschäftigten keine Tätigkeitsbeschreibungen vorlagen und Nebentätigkeiten des Personals nicht vollständig dokumentiert waren.
2.4 Haushalts- und Wirtschaftsführung
Ein wichtiger Erfolgsfaktor für den ordnungsgemäßen Theaterbetrieb ist eine professionelle kaufmännische Leitung und eine ordnungsgemäße Finanzbuchhaltung. Dazu ist es erforderlich, dass der kaufmännische Bereich von dafür qualifizierten Mitarbeitern professionell betreut wird. Wenn das vorhandene Personal nicht ausreicht, um dies mit eigenen Kräften zu bewirken, muss auf externen Sachverstand zurückgegriffen werden.
In einem geprüften Fall führte die dauerhafte Vernachlässigung dieser Maximen dazu, dass den Verantwortlichen und den Zuwendungsgebern die bedrohliche wirtschaftliche Situation des Theaters über längere Zeit verborgen blieb. Der jetzt notwendige beträchtliche Sanierungsaufwand hätte bei professionellem Vorgehen vermieden werden können.
2.5 Wirtschaftlichkeit
Wirtschaftlichkeitsreserven zeigten sich bei den geprüften Theatern unter anderem in den technischen Aufgabenbereichen. Der Rechnungshof hat in einigen Fällen vorgeschlagen, technische Aufgaben an externe Unternehmen auszulagern.
In einem Fall hätten sich hohe Kosten für Reinigungsleistungen durch eine öffentliche Ausschreibung vermeiden lassen.
Auf der Einnahmenseite musste der Rechnungshof eines der geprüften Theater darauf hinweisen, dass ein steigender Anteil an freien und ermäßigten Eintritten nicht geeignet ist, die angestrebte Eigeneinnahmenquote zu erreichen.
3 Empfehlungen
Die Kleintheater sollten qualifiziertes kaufmännisches Personal beschäftigen und die üblichen Standards ordnungsgemäßer Buchführung sicherstellen. Sie sollten die Einnahmen aus Eintrittsgeldern und Sponsoring durch geeignete Maßnahmen erhöhen. Zudem sollten sie die Wirtschaftlichkeit ihrer Ausgaben kontinuierlich überprüfen und wo möglich verbessern.
Die rechtlichen Vorgaben der Zuwendungsbescheide sind vollständig zu beachten. Um kritische wirtschaftliche Entwicklungen rechtzeitig erkennen zu können, müssen die Verwendungsnachweise noch sorgfältiger als in der Vergangenheit geprüft werden.
Das Wissenschaftsministerium sollte für die Kleintheater eine Mindestquote eigener Einnahmen von 20 Prozent festlegen. Soweit eigene Einnahmen in diesem Umfang noch nicht erzielt werden, sollte eine entsprechende Zielvereinbarung abgeschlossen werden.
Der Rechnungshof empfiehlt, die Förderbedingungen für Kleintheater künftig in einer Richtlinie zu regeln.
4 Stellungnahmen
Stellung genommen haben das Wissenschaftsministerium, die Stadt Stuttgart, die Stadt Reutlingen, das Kammertheater Karlsruhe, das Theater Rampe und das Theater „Die Tonne“.
Das Wissenschaftsministerium teilt die Auffassung des Rechnungshofs, dass eine Eigeneinnahmenquote von unter 10 Prozent sehr niedrig ist. Das Ministerium werde in diesen Fällen auf eine Steigerung der Eigeneinnahmenquote hinwirken. Eine Mindestquote von 20 Prozent sei jedoch nicht für alle Kleintheater zu erreichen. Hier sei jeweils der konkrete Einzelfall zu betrachten, da die Kleintheaterszene hinsichtlich Programm, Größe und Standort sehr ausdifferenziert sei. Bei einem Intendantenwechsel könne sich die programmatische Ausrichtung des Theaters ändern. Stammpublikum, Sponsoren und Drittmittelgeber müssten oft neu gewonnen werden. Durch die Lage von Theatern im ländlichen Raum oder in Ballungszentren sei die Zuschauerzahl begrenzt oder die Konkurrenz durch größere Theater spürbar. Unterschiede gebe es auch bei den Eintrittspreisen und den Platzkapazitäten. Teilweise würden die Bühnen mit ihren Angeboten experimentieren, um sich sinnvoll zu positionieren.
Das Ministerium werde die Regierungspräsidien als Bewilligungsbehörden bitten, im Rahmen der Verwendungsnachweisprüfung auch die Eigeneinnahmenquote zu ermitteln und bei Bedarf mit Zielvorgaben darauf hinzuwirken, dass diese Quote mindestens bei 15 Prozent liegt. Sofern eine höhere Eigeneinnahmenquote erreicht wird, sollte diese beibehalten und nach Möglichkeit gesteigert werden.
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