Denkschrift 2006

1 Vorwort

Die Denkschrift stellt wesentliche Ergebnisse ausgewählter Prüfungen des RH und der staatlichen Rechnungsprüfungsämter aus den Jahren 2005/2006 dar. Sie enthält damit die Informationen, die für die Entlastung der Landesregierung von Bedeutung sind. Die Denkschrift ist kein abschließender Bericht über die Tätigkeit der Finanzkontrolle in diesem Zeitraum. Sie enthält vielmehr eine Zusammenstellung wichtiger Prüfungsergebnisse aus verschiedenen Bereichen der Landesverwaltung, die das Parlament und die Landesregierung in ihrem Bemühen unterstützen soll, die Wirtschaftlichkeit des Verwaltungshandelns weiter zu verbessern und finanzielle Nachteile für das Land zu vermeiden. Allgemeine Schlüsse zur Qualität der Landesverwaltung lassen sich aus den Einzeldarstellungen nicht ziehen.

Die Beratungen zu dieser Denkschrift wurden am 27.04.2006 abgeschlossen. Die Zuordnung der Prüfungsergebnisse in Abschnitt III richtet sich nach der Geschäftsbereichsabgrenzung der Ministerien zu diesem Zeitpunkt. Danach liegende Beschlüsse der Landesregierung oder Änderungen im Zuschnitt der Geschäftsbereiche der Ministerien zu Beginn der neuen Legislaturperiode sind nicht berücksichtigt.

Im Berichtszeitraum hat der RH drei Beratende Äußerungen vorgelegt. Am 23.08.2005 veröffentlichte er die Ergebnisse seiner „Prüfung der Prozesskostenhilfe“ (Drs. 13/4610). Die Untersuchung zur Gewährung von Prozesskostenhilfe im Land lieferte erstmals eine verlässliche Datenbasis, zeigte Schwachstellen auf und machte konkrete Vorschläge zur Ausgabenreduzierung. In dem Bericht „Organisation, Wirtschaftlichkeit und Personalbedarf der Landesoberkasse Baden-Württemberg“ vom 20.12.2005 (Drs. 13/4987) stellte der RH ein erhebliches Einsparpotenzial fest und sprach eine Reihe von Empfehlungen zur effizienteren Aufgabenerledigung aus. Der Abbau von Personalressourcen wurde eingefordert. Am 24.01.2006 stellte der RH seine Untersuchungsergebnisse zur „Organisation und Arbeitsweise der Erbschaftsteuerstellen und der Bedarfsbewertung“ (Drs. 13/5077) vor, die erhebliche Defizite bei der Besteuerung von Erb- und Schenkungsfällen aufzeigte. Beträchtliche Steuerausfälle und Zinsverluste waren die Folge. Um dies zukünftig zu vermeiden, wurden in der Beratenden Äußerung verschiedene Maßnahmen zur Optimierung der Arbeitsabläufe, des Personaleinsatzes und der Arbeitsweise in diesem Bereich vorgeschlagen.

Gemeinsam mit dem Rechnungshof von Rheinland-Pfalz hat der RH zum zweiten Mal die Haushalts- und Wirtschaftsführung des SWR geprüft (§ 35 Abs. 1 Staatsvertrag über den Südwestrundfunk). Die Ergebnisse dieser Prüfung wurden am 30.11.2005 den Landtagen und Landesregierungen von Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg sowie dem Rundfunkrat, dem Verwaltungsrat und dem Intendanten des SWR mitgeteilt.

Mit der Denkschrift 2006 legt der RH ein breites Spektrum an Maßnahmen und Empfehlungen vor, die zur Entlastung des Haushalts beitragen oder eine verbesserte Nutzung der vorhandenen Ressourcen bewirken können. Schwerpunkte bilden dabei Prüfungsfeststellungen aus den Bereichen Personal und Organisation sowie Förderungen und Zuwendungen. Die Erkenntnisse und Vorschläge des RH können bei zügiger Umsetzung einen Beitrag dazu leisten, das Ziel eines Haushalts ohne Nettoneuverschuldung zu erreichen. Insgesamt kann das Land einschließlich der Universitätsklinika bei Umsetzung der Vorschläge in den nächsten Jahren rd. 440 Personalstellen einsparen. Darüber hinaus werden Einsparpotenziale von rd. 45 Mio. € aufgezeigt. Zudem könnten Steuermehreinnahmen von jährlich mehreren Mio. € erzielt werden.

Die Konsolidierung des Landeshaushalts ist weiterhin dringend geboten. Auch im Jahr 2005 reichten die regulären Einnahmen bei weitem nicht aus, um die Ausgaben zu finanzieren. Netto mussten rd. 1,7 Mrd. € durch Kredite finanziert werden. Dadurch haben sich die Schulden des Landes einschließlich der verlagerten Verpflichtungen bis zum Ende des Jahres 2005 um knapp 2 Mrd. € auf rd. 42 Mrd. € erhöht (Nr. 3). Der Aufwand für den Schuldendienst machte - bei historisch niedrigem Zinssatz - mit 7,2 Mrd. € rd. ein Fünftel der Gesamtausgaben des Landes aus. Für die Finanzierung zukunftsorientierter Aufgaben besteht praktisch kein Spielraum mehr. Die mittelfristige Finanzplanung der Landesregierung weist für die Jahre 2005 bis 2009 weitere Nettokreditaufnahmen in Höhe von insgesamt mehr als 8,4 Mrd. € aus. Vor diesem Hintergrund bewertet der RH das von der Landesregierung im März 2006 beschlossene Maßnahmenpaket für eine nachhaltige und zukunftsgerichtete Haushaltskonsolidierung als positiv. Dieses hat zum Ziel, schrittweise das strukturelle Haushaltsdefizit abzubauen und bis zum Jahr 2011 Haushalte ohne Nettoneuverschuldung zu erreichen.

Den Worten müssen nun allerdings auch Taten folgen. Nachdrücklich spricht sich der RH dafür aus, künftig die Ausgaben allein durch reguläre Einnahmen zu decken und damit regelmäßig ohne die Aufnahme von Krediten auszukommen. Dieses Ziel sollte in Anlehnung an die Regelungen zur Schuldenbegrenzung in der Schweiz und in Bayern gesetzlich verankert werden. Um das Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben herzustellen, sind einschneidende Veränderungen im Finanzgebaren des Landes erforderlich. Neben einem restriktiven Haushaltsvollzug müssen alle vorhandenen Effizienzpotenziale aufgedeckt und konsequent ausgeschöpft werden. Darüber hinaus führt an einem Abbau staatlicher Aufgaben und kostenwirksamer Standards kein Weg vorbei. Die Sach- und Personalausgaben müssen ebenso wie die Ausgaben für die zahlreichen Förderprogramme konsequent gesenkt werden.

Ein immer noch erhebliches Einsparpotenzial lässt sich durch eine Optimierung von Verfahrensabläufen und Organisationsstrukturen in verschiedenen Verwaltungsbereichen realisieren. So hat der RH festgestellt, dass bei den Universitätsklinika des Landes verlässliche Informationen über das tatsächliche Leistungsvolumen der Labore sowie ein funktionierendes System zur Erfassung und Dokumentation steuerungsrelevanter Daten bisher fehlen. Eine Modellrechnung ergab allein bei den zentralen Laboren für die Krankenversorgung der Universitätsklinika ein rechnerisches Einsparpotenzial von rd. 112 Vollzeitäquivalenten. Das Zentralisierungspotenzial der Labore insgesamt ist längst nicht ausgeschöpft (Nr. 19). Eine Verminderung des Personalaufwands ist bei der Flurneuordnungsverwaltung (Nr. 14) möglich; dort sinkt der Personalbedarf deutlich, weil wesentliche Flächen bereits neu geordnet sind und künftig vor allem nur noch kleinere Flächen bereinigt werden, die einen geringeren Aufwand verursachen.

Die Landesbibliotheken Karlsruhe und Stuttgart können mit einem geringeren Personaletat auskommen (Nr. 20). Mit einer Verbesserung der Ablauf- und Aufbauorganisation könnte die Staatsgalerie Stuttgart (Nr. 22) wirtschaftlicher werden. Durch Deputatserhöhungen für das künstlerische Lehrpersonal an Musikhochschulen kann die Personalausstattung reduziert oder das Lehrangebot entsprechend erhöht werden (Nr. 21).

Bei der Vergabe von Gutachten haben nicht nur die Ministerien, sondern auch andere Landesbehörden den Wirtschaftlichkeits- und Wettbewerbsgrundsatz bisher nicht hinreichend beachtet. Eine korrekte Anwendung des Vergaberechts sowie verstärktes Zurückgreifen auf die Sachkompetenz der Landesbediensteten können zu einer erheblichen Kostenreduzierung führen (Nr. 6).

Das Land hat mit Steuergeldern sparsam umzugehen. Vorhandene Ressourcen müssen deshalb optimal genutzt werden, Investitionen müssen möglichst wirtschaftlich sein. Nach den Berechnungen des RH kann ein Gesamtkonzept zur Schaffung neuer Haftplätze so ausgestaltet werden, dass zusätzliches Personal nicht erforderlich wird. Personalintensive Justizvollzugsanstalten sollten geschlossen und preisgünstige Anstaltserweiterungen innerhalb und außerhalb der Mauern teueren Neubauten vorgezogen werden; außerdem hält der RH Standardabsenkungen für nötig und möglich (Nr. 10). Die beim Straßenbau zu errichtenden Amphibienschutzanlagen sollten besser unterhalten und kontrolliert werden, da sie ansonsten wirkungslos oder dem Artenschutz nur begrenzt gerecht werden und den Landeshaushalt belasten (Nr. 9).

Einsparpotenziale für den Landeshaushalt liegen im Bereich der Altersversorgung der Beamten: Bei der Nachversicherung von ausgeschiedenen Referendaren, Beamten und Richtern in der gesetzlichen Rentenversicherung könnte das Land bei bestimmten Rechts- und Verfahrensänderungen jährlich rund eine Mio. € sparen (Nr. 4). Die vorgeschlagene Trennung der Versorgungssysteme würde die Problemlage nicht nur in diesem Bereich entschärfen, auch die Anrechnung von Rentenbezügen auf die Versorgungsbezüge der Pensionäre könnte dann unterbleiben. Weil Rentenbezüge von den Versorgungsberechtigten nicht ordnungsgemäß mitgeteilt werden und die rechtlichen Voraussetzungen für einen automatischen Datenabgleich mit den Daten der Rentenversicherungsträger bisher fehlen, werden in einzelnen Fällen zu hohe Versorgungsbezüge ausbezahlt (Nr. 5).

In der Eigenschaft als Gesellschafter privatrechtlicher Unternehmen sollte das Land seine Pflichten besser wahrnehmen. Bei einem Sonderabfallunternehmen ist darauf hinzuwirken, dass die Gesellschaft künftig ihre Einnahmemöglichkeiten stärker ausschöpft und Belastungen für den Landeshaushalt weitestgehend vermeidet (Nr. 11). Zudem sollte sich das Land nur in dem Umfang an privatrechtlichen Gesellschaften beteiligen, der für die Wahrnehmung der Landesinteressen erforderlich ist. Bei der Beteiligung des Landes an der ekz.Bibliotheksservice GmbH ist ein wichtiges Landesinteresse nicht erkennbar; die Geschäftsanteile sollten veräußert werden (Nr. 12).

Ein Schwerpunkt der Denkschrift liegt auch in diesem Jahr wieder im Zuwendungsbereich. Förderprogramme sollten regelmäßig auf ihre Notwendigkeit und Wirksamkeit überprüft werden. Anpassungen der Fördervoraussetzungen und Zuwendungsverfahren sollten, soweit nötig, zeitnah erfolgen. Auch kann die Einstellung von Förderprogrammen angezeigt sein. Insbesondere sollte die Mitfinanzierung kommunaler Pflichtaufgaben durch Fördermittel des Landes überdacht werden. Dies betrifft zum einen die Sanierung der öffentlichen Abwasserkanäle (Nr. 16), die nach Auffassung des RH keiner Landesförderung bedarf. Zum anderen sollten die Zuwendungen des Landes zur Kleinkindbetreuung und Tagespflege auf einer neuen Bemessungsgrundlage erfolgen und von einer mindestens gleich hohen finanziellen Beteiligung der Kommunen abhängig gemacht werden (Nr. 15).

Teilweise führen komplexe Förderverfahren und konkrete Fehler bei der Durchführung von Förderprogrammen zu unsachgemäßen Ergebnissen. Im Hinblick auf den wirtschaftlichen Einsatz knapper Fördermittel und zur Verwaltungsvereinfachung regt der RH bei der Förderung von Infrastrukturvorhaben des öffentlichen Personennahverkehrs qualifizierte Antragsprüfungen und eine Anteilsfinanzierung mit Höchstbetragsbegrenzung an (Nr. 8).

Unberechtigt gewährte Leistungen sind möglichst zeitnah zurückzufordern. Der RH hat bei der Überprüfung der Ausbildungsförderung Verbesserungspotenziale unter anderem bei der Rückforderungspraxis festgestellt (Nr. 18). Die allgemeine Verfügungsmasse der Städtebauförderung sollte davon profitieren, wenn eine Konversionsmaßnahme rentierlich ist und Mittel zurückzugeben sind (Nr. 13).

Durch den Einsatz der Datenverarbeitung in der Landesverwaltung entstehen regelmäßig Rationalisierungspotenziale. So könnte durch eine entsprechende DV-Unterstützung der fehlerhaften Auswertung von Grundlagenbescheiden bei der Einkommensteuererhebung entgegengewirkt werden. Dadurch können jährlich Steuermehreinnahmen in Millionenhöhe erzielt werden (Nr. 17). Auch bei der Beschaffung der in der Landesverwaltung erforderlichen IuK-Arbeitsplatzgeräte bestehen nach wie vor Einsparpotenziale. Der RH legt dar, dass eine Beschaffung über eine landesweit einheitliche Stelle sowohl im Wissenschaftsbereich als auch in der Landesverwaltung zu Vorteilen führen würde (Nr. 7).

Ein wichtiges Anliegen der Finanzkontrolle ist es, dass ihre Vorschläge und Empfehlungen zeitnah umgesetzt werden. Im Abschnitt IV geht der RH auf die Auswirkungen von einigen Beiträgen der vorangegangenen Denkschriften, Beratenden Äußerungen und sonstigen Prüfungen ein. So konnten u. a. nach der Prüfung der Gesellschafterstellung des Landes an einer Hafengesellschaft dem Haushalt 9 Mio. € zugeführt werden. Auch wurden die Besteuerung ausländischer Einkünfte sowie die Kriminaltechnik in Baden-Württemberg erheblich verbessert.

2 Parlamentarische Beratung der Denkschrift 2005

Die parlamentarische Beratung der Denkschrift 2005 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes Baden-Württemberg mit Bemerkungen zur Haushaltsrechnung 2003 (Drs. 13/4453) ist abgeschlossen. Der Landtag von Baden-Württemberg hat in seiner 107. Sitzung am 02.02.2006 der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zur Denkschrift 2005 (Drs. 13/5068) unverändert zugestimmt und die Landesregierung ersucht, bestimmte Maßnahmen zu treffen und ihm hierüber zu berichten (§ 114 Abs. 2 und 4 LHO). Der Verfahrensstand ergibt sich aus der Zusammenstellung der dem Landtag noch zuzuleitenden Berichte der Landesregierung, s. die Anlage zu dieser Denkschrift.

In dieser Sitzung hat der Landtag auch die in der Haushaltsrechnung 2003 nachgewiesenen üpl. und apl. Ausgaben sowie die in der Übersicht 1 A dargestellten Abweichungen von den Stellenübersichten - unter Berücksichtigung etwaiger einschlägiger Feststellungen des RH - nachträglich genehmigt und der Landesregierung Entlastung erteilt (Drs. 13/5070). Schließlich hat der Landtag in dieser Sitzung beschlossen, den Präsidenten des RH hinsichtlich der Rechnung des RH für das Hj. 2003 nach § 101 LHO zu entlasten (Drs. 13/5069).


Anhänge

Der Rechnungshof hat keine für die Entlastung der Landesregierung wesentlichen Abweichungen zwischen den in der Haushaltsrechnung 2004 und in den Büchern aufgeführten Beträgen festgestellt. Die geprüften Einnahmen und Ausgaben sind - von wenigen Einzelfällen abgesehen - ordnungsgemäß belegt.


1 Vorlage und Gestaltung der Haushaltrechnung des Landes

Gemäß Artikel 83 Abs. 1 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg und § 114 Abs. 1 der Landeshaushaltsordnung für Baden-Württemberg (LHO) hat der Finanzminister dem Landtag mit Schreiben vom 21.12.2005 die Haushaltsrechnung für das Hj. 2004 als Grundlage für die Entlastung der Landesregierung vorgelegt (Drs. 13/5003).

Die Haushaltsrechnung ist entsprechend den Vorschriften der §§ 81 bis 85 LHO gestaltet. Sie enthält alle in § 81 Abs. 1 und 2 LHO vorgeschriebenen Angaben für den Nachweis der bestimmungsgemäßen Ausführung des Staatshaushaltsplans. Die finanziellen Ergebnisse der Rechnungslegung sind in

  • einem kassenmäßigen Abschluss gemäß § 82 LHO (Ist-Ergebnisse ohne Haushaltsreste),
  • einem Haushaltsabschluss gemäß § 83 LHO (Ist-Ergebnisse zuzüglich Haushaltsreste) und
  • einer Gesamtrechnung (Soll-Ist-Vergleich der Einzelpläne)

dargestellt.

Der kassenmäßige Abschluss, der Haushaltsabschluss und die Gesamtrechnung sind entsprechend § 84 LHO auf S. 13/14 der Haushaltsrechnung erläutert. Die in § 85 Abs. 1 LHO genannten Übersichten sind beigefügt (S. 1035 bis 1049 und S. 1055 bis 1057); weitere Erläuterungen über den Haushaltsvollzug enthalten die besonderen Übersichten auf den S. 39 bis 81.

2 Ergebnisse der Haushaltsrechnung

Der kassenmäßige Abschluss und der Haushaltsabschluss der Haushaltsrechnung 2004 sind in der Übersicht 1 zusammengefasst und dem Vorjahr gegenübergestellt.

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Der rechnungsmäßige Fehlbetrag im Hj. 2004 kann erforderlichenfalls durch nicht ausgeschöpfte Kreditermächtigungen gedeckt werden (§ 25 Abs. 3 LHO).

3 Feststellungen des Rechnungshofs nach § 97 Abs. 2 Nr. 1 Landeshaushaltsordnung

Der RH hat die Ordnungsmäßigkeit der Haushaltsrechnung des Landes für das Hj. 2004 mit Unterstützung des StRPA Stuttgart geprüft. Die in der Haushaltsrechnung aufgeführten Beträge der Einnahmen und Ausgaben stimmen mit den in den Rechnungslegungsbüchern nachgewiesenen Beträgen überein. In den geprüften Rechnungen sind keine Einnahmen oder Ausgaben festgestellt worden, die nicht belegt waren; etwaige Ordnungsverstöße wurden mit den betroffenen Ressorts erörtert.

4 Druck- und Darstellungsfehler

Bei der Gesamtrechnungsprüfung hat der RH keine wesentlichen Druck- und Darstellungsfehler in der Haushaltsrechnung des Landes festgestellt.

5 Haushaltsüberschreitungen

Über- und außerplanmäßige Ausgaben bedürfen der vorherigen Zustimmung des FM, die nur im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses erteilt werden darf. Die üpl. Ausgaben einschließlich der Vorgriffe sowie die apl. Ausgaben sind in der Haushaltsrechnung einzeln nachgewiesen und in der Übersicht 1 zur Haushaltsrechnung (S. 1035 bis 1049) zusammengestellt und begründet. Sie betragen insgesamt rd. 428 Mio. €. Bereinigt um die apl. Ausgabe zum Ausgleich des kassenmäßigen Fehlbetrags des Haushalts 2003 in Höhe von rd. 274 Mio. € summieren sich die Haushaltsüberschreitungen auf rd. 154 Mio. € (Vorjahr: 120 Mio. €). Hiervon waren rd. 139 Mio. € Sachausgaben und rd. 15 Mio. € Personalausgaben. Von den Mehrausgaben entfielen im Wesentlichen 56 Mio. € auf Ausgaben für die vorläufige Unterbringung von Spätaussiedlern und Flüchtlingen im Zusammenhang mit der durch Rechtsänderung zum 01.04.2004 erfolgten Vereinfachung der Ausgabenerstattungssysteme im Eingliederungsgesetz und Flüchtlingsaufnahmegesetz. Außerdem sind Mehrausgaben in Höhe von 16 Mio. € für Wohngeldleistungen und 11 Mio. € für gesetzliche Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz angefallen.

Mit Schreiben vom 18.07.2005 hat das FM dem Landtag gemäß § 7 Abs. 4 Staatshaushaltsgesetz 2004 die üpl. und apl. Ausgaben des Haushaltsjahres 2004 von mehr als 100.000 € im Einzelfall mitgeteilt. Die Mitteilung (Drs. 13/4529) wurde vom Finanzausschuss des Landtags in der 57. Sitzung am 22.09.2005 zur Kenntnis genommen.

Nach dem Ergebnis der Rechnungsprüfung lag im Hj. 2004 bei den üpl. und apl. Ausgaben von 500 € und mehr in 37 Fällen die Einwilligung des FM nicht vor. Die Summe dieser Haushaltsüberschreitungen beträgt rd. 0,9 Mio. € (Vorjahr: 2 Mio. €). Davon entfallen auf Personalausgaben 113.000 € (Vorjahr: 200.000 €).

Die vom FM bewilligten Abweichungen von den Stellenübersichten sind in der Haushaltsrechnung, Übersicht 1 A, S. 1051 bis 1053, dargestellt und begründet.

Die üpl. und apl. Ausgaben bedürfen nach Art. 81 Satz 3 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg der Genehmigung des Landtags. Diese wurde, zugleich für die Abweichungen von den Stellenübersichten, vom FM im Zusammenhang mit der Vorlage der Haushaltsrechnung (s. Pkt. 1) beantragt.

6 Buchungen an unrichtiger Stelle

Die Finanzkontrolle hat bei stichprobenweiser Prüfung Fälle von Buchungen an unrichtiger Haushaltsstelle - sog. Titelverwechslungen - festgestellt, die auf Versehen der Verwaltung beruhen (Verstöße gegen § 35 Abs. 1 LHO). Sie haben eine relativ geringe Bedeutung für das Gesamtbild des Landeshaushalts.

Die Titelverwechslungen sind - soweit dadurch die veranschlagten Mittel um mehr als 1.000 € über- oder unterschritten worden sind - in der Übersicht 2 dargestellt.

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Bei richtiger Buchung wären die in der Haushaltsrechnung nachgewiesenen üpl. und apl. Ausgaben um 37.265 € niedriger gewesen.


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Der Haushalt des Landes wurde im Haushaltsjahr 2004 nach den Vorgaben des Staatshaushaltsplans vollzogen.


1 Haushalts-Soll und Haushalts-Ist 2004

Mit dem Gesetz über die Feststellung des Staatshaushaltsplans von Baden-Württemberg für das Haushaltsjahr 2004 (Staatshaushaltsgesetz 2004) vom 17.02.2004 (Gesetzblatt 2004, S. 69) wurde der Staatshaushaltsplan für das Hj. 2004 in Einnahme und Ausgabe auf 30.753.421.400 € festgestellt.

Das rechnungsmäßige Jahresergebnis 2004 (Haushalts-Ist, einschließlich Haushaltsreste 2004) weist gegenüber dem Haushalts-Soll (Haushaltsansätze einschließlich Haushaltsreste aus dem Vorjahr) einen Fehlbetrag in Höhe von 41.487.418,99 € aus (s. Beitrag Nr. 1, Übersicht 1), der sich aus dem Saldo der Mehreinnahmen von 795.371.749,09 € und der Mehrausgaben von 836.859.168,08 € ergibt.

Wie sich die Mehreinnahmen und die Mehrausgaben aus den Teilergebnissen der Einzelpläne errechnen, ist in der Landeshaushaltsrechnung 2004 (Anlage 1 zur Gesamtrechnung, S. 34/35, Spalte 9) sowie in den Erläuterungen hierzu (S. 39 bis 46) dargestellt.

2 Jahresvergleich - einschließlich Vorschau auf das Haushaltsjahr 2005

Die Übersichten 1 und 2 zeigen die Entwicklung der Ausgabe-Ansätze und Ist-Ausgaben insgesamt sowie der Ist-Ausgaben je Einzelplan. Zur Übersicht 1 wird darauf hingewiesen, dass die Drittmittel der Universitäten seit dem Jahr 2000 nicht mehr im Soll veranschlagt sind.

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Von 1996 bis 2005 stiegen die Gesamt-Ist-Ausgaben um 0,4 % und die Personalausgaben um 12,8 %.

2005 sanken die Personalausgaben als Folge der Kommunalisierung von Personal im Zuge der Verwaltungsstrukturreform.

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Seit dem Hj. 2004 sind die Ausgaben für die Versorgungsbezüge der Beamten und Richter sowie ihrer Hinterbliebenen - bis auf Restbereiche - in den Einzelplänen der jeweiligen Ressorts nachgewiesen. Dies gilt ebenso für die Beihilfen der Versorgungsempfänger. Bis 2003 waren diese Ausgaben im Einzelplan 12 veranschlagt.

3 Globale Minderausgaben

Im Staatshaushaltsplan für das Hj. 2004 waren bei Kap. 1212 Tit. 972 01 globale Minderausgaben in Höhe von 174.400.600 € veranschlagt; sie verteilen sich auf die Einzelpläne, wie in der Übersicht 3 dargestellt.

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Die Einsparungen bei den Sachausgaben - Haushaltsgruppen 5 bis 8 - wurden von den Ressorts nachgewiesen.

4 Haushaltsreste und Vorgriffe

4.1 Haushaltsjahr 2004

Beim Abschluss der Haushaltsrechnung für das Hj. 2004 sind folgende Reste in das Hj. 2005 übertragen worden:

Einnahmereste 1.064.086.447,86 €
Ausgabereste 987.413.412,18 €
Mehrbetrag Einnahmereste 76.673.035,68 €

Die Einnahmereste umfassen fast ausschließlich noch nicht verbrauchte Kreditermächtigungen für das Projekt Neue Steuerungsinstrumente (121 Mio. €) und für Kreditmarktmittel (942 Mio. €). Wie sich die Ausgabereste zusammensetzen, ist auf den S. 48 bis 50 der Haushaltsrechnung dargestellt.

Mit Schreiben vom 12.09.2005 hat das FM gemäß § 7 Abs. 5 Staatshaushaltsgesetz 2004 dem Finanzausschuss des Landtags die in das Hj. 2005 übertragenen Ausgabereste mitgeteilt. Der Finanzausschuss hat hiervon in seiner 60. Sitzung am 08.12.2005 Kenntnis genommen.

Wie in den Vorjahren war die Landesregierung nach § 9 Abs. 2 Staatshaushaltsgesetz 2005 ermächtigt, unverbrauchte Mittel aus übertragbaren Bewilligungen (Ausgabereste) in Abgang zu stellen; sie hat diese Ermächtigung im Umfang von rd. 85 Mio. € ausgeschöpft.

4.2 Jahresvergleich

Die Übersichten 4 und 5 zeigen, wie sich die Haushaltsreste in den letzten Jahren entwickelt haben. Bei den Einnahmeresten handelt es sich im Wesentlichen um die noch nicht verbrauchten Kreditermächtigungen.

Die Höhe der Haushaltsreste 2005 stand bei Abschluss der Denkschriftberatungen des RH noch nicht fest.

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Die Schulden des Landes, einschließlich der so genannten verlagerten Verpflichtungen, sind im Jahr 2005 erneut um 2 Mrd. € auf jetzt 42 Mrd. € gestiegen. Das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts ohne Nettoneuverschuldung wird nach Auffassung des Rechnungshofs nur zu erreichen sein, wenn es allen anderen landespolitischen Zielsetzungen konsequent übergeordnet wird. Um dies zu erreichen und auf Dauer zu gewährleisten, empfiehlt der Rechnungshof dem Gesetzgeber eine entsprechende rechtliche Absicherung.


1 Verschuldungslage

1.1 Schuldenzuwachs

Die Verschuldung des Landes ist auch im Hj. 2005 erheblich angestiegen. Die Landesschulden und verlagerten Verpflichtungen haben sich gegenüber dem Vorjahr, wie in Übersicht 1 dargestellt, verändert.

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Danach sind die Schulden einschließlich der verlagerten Verpflichtungen im Hj. 2005 um insgesamt 2.007,6 Mio. € (133,4 Mio. € mehr als im Vorjahr) gestiegen.

Die für die Pro-Kopf-Verschuldung maßgeblichen Kreditmarktschulden haben gegenüber dem Vorjahr um 1.986,9 Mio. € auf 39.540,5 Mio. € zugenommen.

Die im Jahr 2005 um 48,1 Mio. € reduzierten Schulden gegenüber dem Bund und dem Lastenausgleichsfonds für den Wohnungsbau sind finanzwirtschaftlich nicht von Bedeutung, weil den Schuldendienstverpflichtungen entsprechende Einnahmen von den Darlehensnehmern gegenüberstehen.

Die auf die Landeskreditbank Baden-Württemberg - Förderbank (L-Bank), die LEG Landesentwicklungsgesellschaft Baden-Württemberg mbH (LEG) und die Finanzierungsgesellschaft für öffentliche Vorhaben des Landes Baden-Württemberg mbH verlagerten Verpflichtungen, für die das Land den Schuldendienst oder den Finanzierungsaufwand erstattet, haben sich um 68,8 Mio. € auf 948,0 Mio. € erhöht.

Im Laufe des Jahres 2005 nahm das Land aufgrund der Ermächtigung im Staatshaushaltsgesetz Kassenverstärkungskredite an 11 Tagen (Vorjahr 33 Tage) in Anspruch; mit 280 Mio. € war am 10.01.2005 der höchste Stand der Kassenkredite zu verzeichnen. Am 31.12.2005 waren keine Kassenkredite aufgenommen.

Die Entwicklung der Landesschulden und der verlagerten Verpflichtungen in den letzten zwanzig Jahren zeigt Schaubild 1.

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1.2 Haushaltsmäßige Kreditaufnahme

Im Hj. 2005 sind am Kapitalmarkt 6.764,5 Mio. € neue Darlehen aufgenommen worden. Gleichzeitig wurden 5.078,1 Mio. € getilgt. Die haushaltsmäßige Nettokreditaufnahme war somit 2005 mit 1.686,4 Mio. € um 352,6 Mio. € geringer als im Vorjahr (2.039 Mio. €) und um 303,5 Mio. € niedriger als die haushaltsgesetzliche Kreditermächtigung von 1.989,9 Mio. €. Danach sind zum Ende des Hj. 2005 in Form von Einnahmeresten weiterhin noch 1.245,7 Mio. € nicht in Anspruch genommene Kreditermächtigungen früherer Haushaltsjahre verblieben.

Der gegenüber der Nettokreditaufnahme von 1.686,4 Mio. € um 300,5 Mio. € höhere Zuwachs der Kreditmarktschulden zum 31.12.2005 (1.986,9 Mio. €) ist darauf zurückzuführen, dass einerseits im Hj. 2005 gebuchte Kredite in Höhe von 89 Mio. € bereits im Hj. 2004 valutiert waren und andererseits von den im Jahre 2005 valutierten Krediten 389,5 Mio. € erst im Jahr 2006 haushaltsmäßig nachgewiesen werden.

Die Kreditfinanzierungsquote im Sinne des Anteils der Nettokreditaufnahme von 1.686,4 Mio. € an den bereinigten Gesamtausgaben (ohne die besonderen Finanzierungsvorgänge) in Höhe von 31.610,4 Mio. € hat sich gegenüber dem Vorjahr von 6,5 % auf 5,3 % reduziert.

1.3 Kreditaufnahme und Schuldendienst

Die Entwicklung der jährlichen (haushaltsmäßigen) Brutto- und Nettokreditaufnahme sowie der Aufwendungen für den Schuldendienst in den letzten zehn Jahren zeigt Übersicht 2.

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Die Ist-Ausgaben des Schuldendienstes für die Kreditmarktmittel (Zinsen und Tilgungsleistungen bei Kapitel 1206, Ausgabe-Tit.Gr. 86 - ohne Tit. 563 86 Ausgleichsstock -) sind im Hj. 2005 gegenüber dem Vorjahr um 1.639,5 Mio. € erheblich gestiegen. Dies ist im Wesentlichen auf höhere Tilgungsausgaben (+1.549,1 Mio. €) gegenüber dem Hj. 2004 zurückzuführen.

Außerdem sind die Zinsausgaben für die Kreditmarktschulden im Vergleich zum Hj. 2004 (1.867,6 Mio. €) um 90,4 Mio. € auf 1.958 Mio. € gestiegen (s. Übersicht 4). Danach betrug die Zinsausgabenquote als Verhältniszahl der Zinsausgaben zu den bereinigten Gesamtausgaben 6,2 % (Vorjahr 6 %).

Der Schuldendienst an die L-Bank und die Erstattung des Finanzierungsaufwands an die Finanzierungsgesellschaft für öffentliche Vorhaben des Landes Baden-Württemberg mbH sowie an die LEG beliefen sich im Hj. 2005 auf 159,3 Mio. €. Darin sind auch die Ersatzleistungen an die L-Bank für die Finanzierung des Darlehensanteils des Landes bei der Ausbildungsförderung für Studierende in Höhe von 19,5 Mio. € enthalten, die aus systematischen Gründen dem gesamten Schuldendienst zuzurechnen sind.

Die Ausgaben des Schuldendienstes für die Kreditmarktmittel und der Aufwand für die verlagerten Verpflichtungen beliefen sich im Hj. 2005 auf 7.195,4 Mio. €. Dementsprechend beträgt der Anteil des gesamten Schuldendienstes an den Gesamtausgaben (einschließlich der haushaltsmäßig nicht ausgewiesenen Tilgungsausgaben in Höhe von 5.078,1 Mio. €) des Landes 19,4 % (Vorjahr 15,7 %).

Der Aufwand für den Schuldendienst entsprach somit rd. einem Fünftel der Gesamtausgaben und war nach den Personalausgaben und den Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse nach wie vor der drittgrößte Posten im Landesetat.

1.4 Pro-Kopf-Verschuldung

Die Verschuldung des Landes am Kreditmarkt (einschließlich öffentliche Sondermittel) erhöhte sich zum 31.12.2005 auf 39.540,5 Mio. €. Die Pro-Kopf-Verschuldung betrug danach 3.682 € (Vorjahr 3.507 €) und ist gegenüber dem 31.12.2004 um 5 % gestiegen; in allen Flächenländern belief sie sich durchschnittlich - bei einer Steigerung um 5,6 % - auf 4.923 € (Vorjahr 4.660 €). Zur Pro-Kopf-Verschuldung im Einzelnen s. Übersicht 3.

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Danach ist die Pro-Kopf-Verschuldung im Jahr 2005 wiederum in allen Ländern zum Teil drastisch gestiegen. Wie bisher liegt Baden-Württemberg auf dem drittbesten Platz aller Flächenländer und weiterhin auf dem zweitbesten Platz der acht alten Flächenländer. Der Abstand zu Bayern, das seit Langem die günstigste Pro-Kopf-Verschuldung aufweist, ist gegenüber dem Vorjahr aber erneut größer geworden. Andererseits hat sich der Abstand zu den nachfolgenden Ländern zumeist deutlich vergrößert.

1.5 Steuerdeckungsquote und Zinsentwicklung

Das Steueraufkommen ist im Hj. 2005 gegenüber dem Vorjahr um 77 Mio. € (0,3 %) auf 22.228 Mio. € gesunken und lag somit auf dem Niveau des Hj. 1999. Danach belief sich die Steuerdeckungsquote, d. h. das Verhältnis der Steuereinnahmen zu den bereinigten Gesamtausgaben im Hj. 2005 auf 70,3 % (Vorjahr 71,4 %).

Die Zinsausgaben für die Kreditmarktschulden haben sich im Hj. 2005 gegenüber dem Vorjahr (1.868 Mio. €) auf 1.958 Mio. € erhöht. Danach ergab sich eine Zins-Steuer-Quote (Verhältnis zu den Steuereinnahmen) von 8,8 % (Vorjahr 8,4 %). Der trotz beträchtlicher Neuverschuldung relativ geringe Anstieg der Zinsaufwendungen ist auf das historisch niedrige Zinsniveau der zurückliegenden Jahre zurückzuführen.

1.6 Ausgabenstruktur

Die Übersicht 4 zeigt die Entwicklung der wesentlichen Ausgabearten und die prozentualen Anteile an den bereinigten Gesamtausgaben des Landes in den letzten zehn Jahren.

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Die bereinigten Gesamtausgaben sind im Hj. 2005 gegenüber dem Vorjahr um 351 Mio. € (+1,1 %) auf 31.610 Mio. € gestiegen.

Da sich die Personalausgaben um 256 Mio. € (-2 %) verringert haben, ist die Personalausgabenquote um 1,3 Prozentpunkte auf 40,5 % gesunken.

Der Anteil der sächlichen Verwaltungsausgaben hat sich ebenfalls nominal um 144 Mio. € und prozentual von 5,5 % auf 5 % reduziert.

Demgegenüber ist die Zinsausgabenquote durch die Erhöhung der Zinsausgaben um 90 Mio. € (+4,8 %) von 6 % auf 6,2 % gestiegen. Auch der Anteil der Zuweisungen und Zuschüsse einschließlich der Leistungen im Länderfinanzausgleich hat sich gegenüber dem Vorjahr um 588 Mio. € (+4,9 %) von 38,1 % auf 39,5 % wiederum deutlich erhöht.

Die Investitionsausgaben sind im Hj. 2005 im Vergleich zum Vorjahr um 100 Mio. € (+3,8 %) leicht gestiegen. Damit hat sich die Investitionsquote im Hj. 2005 um 0,3 Prozentpunkte auf 8,6 % erhöht.

1.7 Haushaltsstruktur

Nach der mittelfristigen Finanzplanung für die Jahre 2005 bis 2009 ist die Struktur des Landeshaushalts weiterhin defizitär.

In den Übersichten 5 und 6 ist das strukturelle Defizit im Einzelnen dargestellt.

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Die Mittelfristige Finanzplanung zeigt auf, dass die Steuereinnahmen und die übrigen regulären Einnahmen in den nächsten Jahren die vorgesehenen Ausgaben nicht decken. Da die Deckungslücke weiterhin durch Kredite geschlossen werden muss, besteht für zukunftsorientierte Aufgaben praktisch keinerlei Handlungsspielraum, zumal zur Einhaltung der vorgesehenen Kreditlinie in den Jahren 2007 bis 2009 voraussichtlich noch zwischen rd. 1,2 Mrd. € bis rd. 1,7 Mrd. € eingespart werden müssen.

2 Landesschuldbuch

Das Landesschuldbuch erbringt den ordnungsgemäßen Nachweis über die Buchschulden des Landes. Der RH hat die im Hj. 2005 in das Landesschuldbuch eingetragenen Schuldbuchforderungen geprüft. Die Prüfung hat keine Beanstandungen ergeben.

3 Beurteilung

3.1 Verfassungsrechtliche Kreditfinanzierungsgrenze

Nach Art. 84 der Landesverfassung (LV) dürfen die Einnahmen aus Krediten die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen grundsätzlich (bei wirtschaftlicher Normallage) nicht überschreiten.

Entsprechend der Begründung zu Art. 84 LV umfasst das Investitionsvolumen die nach der Haushaltssystematik im Haushaltsplan unter den Hauptgruppen 7 und 8 des Gruppierungsplans veranschlagten Ausgaben. Die Gesetzesbegründung zu § 10 des für Bund und Länder maßgeblichen Haushaltsgrundsätzegesetzes definiert die Investitionsausgaben als eigenfinanzierte Investitionen und verlangt, von Dritten gewährte Zuweisungen, Zuschüsse und Beiträge zu Investitionen (Obergruppen 33 und 34) bei der Ermittlung der Summe der Ausgaben für Investitionen abzuziehen.

Das Land hat danach die verfassungsmäßige Verschuldungsgrenze in der Vergangenheit und auch im Hj. 2005 eingehalten.

Für das Hj. 2005 ergibt sich nach der Übersicht 8 folgendes Bild:

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Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob an der bisherigen, an das Investitionsvolumen anknüpfenden, Regelung der Kreditfinanzierungsgrenze festgehalten werden kann, weil diese von gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften (Maastricht-Kriterien) überlagert wird und die unterschiedlichen Begrenzungsregelungen sachlich nicht vereinbar sind.

3.1.1 Derzeitige Auslegung des Investitionsbegriffs

Der für die Kreditobergrenze maßgebliche haushaltsrechtliche Investitionsbegriff ist sehr weit gefasst. So zählen zu den Investitionen auch Ausgaben für den Erwerb von Unternehmensbeteiligungen, für die Inanspruchnahme aus Gewährleistungen sowie für die Vergabe von Darlehen oder Zuschüssen für Investitionen Dritter (insbesondere von Kommunen). Außerdem werden auch die reinen Ersatzinvestitionen in die Investitionssumme einbezogen.

Andererseits werden Erlöse aus dem Verkauf von Unternehmensbeteiligungen (Privatisierungen) oder anderen Vermögenswerten (insbesondere Grundstücke und Gebäude), die den Charakter von „Desinvestitionen“ haben, auf das jährliche Investitionsvolumen nicht (mindernd) angerechnet.

Schließlich bleibt auch der Werteverzehr an hergestellten oder beschafften Investitionsgütern in Höhe der periodischen Abschreibungen unberücksichtigt.

Die Rechnungshöfe von Bund und Ländern haben sich deshalb wiederholt für eine engere Präzisierung des haushaltsrechtlichen Investitionsbegriffs ausgesprochen (s. Beschluss der Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe zur ausufernden Staatsverschuldung vom 05.05.2004).

3.1.2 Auswirkungen einer engeren Fassung des Investitionsbegriffs

Die Übersicht 9 zeigt die im Hj. 2005 im Einzelnen veranschlagten und tatsächlich geleisteten Investitionsausgaben.

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Danach entfallen von den gesamten Investitionsausgaben 1.926,8 Mio. € (71,3 %) auf Ausgaben für Investitionen Dritter. Diese Zuweisungen und Zuschüsse werden generell im Interesse des Landes gewährt. Gleichwohl sollten diese Ausgaben bei der Berechnung der für die Kreditobergrenze maßgeblichen Investitionssumme unberücksichtigt bleiben, weil sie zu keinem Vermögenszuwachs des Landes führen.

Bei dieser Betrachtungsweise läge somit die Nettokreditaufnahme im Hj. 2005 um 910,2 Mio. € über den für eigene Investitionen des Landes geleisteten Ausgaben in Höhe von 776,2 Mio. €.

Sofern darüber hinaus das haushaltsmäßige Investitionsvolumen auch um die Ausgaben für Ersatzbeschaffungen und einem grob geschätzten Betrag für den Werteverzehr (kalkulatorische Abschreibung) bereinigt würde, wäre der Negativsaldo noch beträchtlich höher.

Auf der Basis eines insoweit eingeengten Investitionsbegriffs bestünde somit in Baden-Württemberg wohl auf lange Sicht grundsätzlich (bei wirtschaftlicher Normallage) keinerlei Spielraum zur Aufnahme neuer Kredite. Von daher könnte eine wirksame Schranke zur Vermeidung einer weiteren Verschuldung implementiert werden, wenn man in dem oben ausgeführten Sinn den Investitionsbegriff enger fassen würde.

3.2 Betriebswirtschaftliche Betrachtung der Kreditfinanzierung

Nach Art. 84 der LV besteht keine unmittelbare verfassungsrechtliche Verbindung zwischen konkreten Investitionen einerseits und deren Finanzierung andererseits. Aufgrund des Haushaltsgrundsatzes der Gesamtdeckung nach § 18 LHO kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass Investitionen direkt aus Krediteinnahmen finanziert werden. Gleichwohl wäre es nach Auffassung des RH im Rahmen einer betriebswirtschaftlichen Betrachtung aber geboten, eine solche Verbindung zu ziehen. Denn das Ziel der verfassungsrechtlichen Kreditobergrenze impliziert die betriebs- und finanzwirtschaftliche Interpretation, dass Kredite grundsätzlich nur im Umfang und zur Finanzierung von Investitionsausgaben aufgenommen werden dürfen. Daraus leitet sich zugleich ab, dass die konsumtiven Haushaltsausgaben regelmäßig durch Steuern und andere reguläre Einnahmen (Gebühren u. Ä.) gedeckt werden müssen.

Der Zusammenhang von Kreditaufnahmen und Investitionen würde deutlicher erkennbar, wenn wie in Bayern (Art. 18 Abs. 5 Bayerische Haushaltsordnung) bei allen Investitionsmaßnahmen im Haushaltsplan jeweils einzeln anzugeben wäre, ob und in welchem Umfang diese durch Kredite finanziert werden.

3.3 Alternative Finanzierungsformen

Der RH hat bereits im Rahmen der Beratenden Äußerung „Wirtschaftlichkeitsanalyse privater Investorenfinanzierungen für Hochbaumaßnahmen des Landes“ vom 24.05.1993 (Drs. 11/1994) als Ergebnis einer umfassenden empirischen Untersuchung festgestellt, dass moderne Finanzierungskonzepte, insbesondere Investorenfinanzierungen (Investorenmodelle, Investorenlösungen und Mietbau) wirtschaftliche Möglichkeiten zur Lösung der Unterbringungsprobleme von Behörden sein können.

Sofern bei solchen Finanzierungslösungen die Leasingraten konsumtiv veranschlagt werden, erhöhen diese nicht das haushaltsmäßige Investitionsvolumen. Danach wären die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für Kreditaufnahmen - abgesehen von der Ausnahmemöglichkeit bei einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts - nicht mehr gegeben, wenn das Land alle eigenen Investitionen über Leasing finanzieren würde und somit keine Investitionsausgaben im Haushalt veranschlagt würden. Außerdem würde durch die bei Leasing vertragsimmanente Tilgung nach dem Prinzip „Pay-as-you-use“ eine strukturelle Überschuldung vermieden, falls die Leasingraten durch reguläre Haushaltsmittel gedeckt werden können. Die alternative Finanzierungsform ist geboten, wenn eine Vergleichsberechnung sie als wirtschaftlichere Lösung gegenüber einer konventionellen Finanzierung ausweist.

Da bereits ein erheblicher Teil der Bauinvestitionen des Landes sowie Beschaffungen von Fahrzeugen und Datenverarbeitungssystemen über Leasing oder Mietkauf realisiert werden, wäre es sinnvoll, das Gesamtvolumen der so finanzierten Investitionen im Haushaltsplan darzustellen. Für eine gesamtwirtschaftliche Analyse des Haushalts ist es wichtig, neben der üblichen, politisch bedeutsamen und schon immer dargestellten Investitionsquote für unmittelbar aus dem Haushalt finanzierte Beschaffungen, auch das Gesamtvolumen der über alternative Finanzierungen realisierten Beschaffungen betragsmäßig als zusätzliche Investitionen (nicht im haushaltsrechtlichen, aber im gesamtwirtschaftlichen Sinne) auszuweisen.

3.4 Vorbelastungen künftiger Haushalte

Für die Beurteilung der finanziellen Lage des Landes sind außer den fundierten Schulden sowie den sog. verlagerten Verpflichtungen und den insoweit langfristig gegebenen Schuldendienstverpflichtungen auch die sonstigen Vorbelastungen künftiger Haushalte von großer Bedeutung. Derartige kreditnahe Verpflichtungen entstehen auch bei alternativen Finanzierungsformen (laufende oder später einmalig einzulösende Verpflichtungen).

Im Wesentlichen handelt es sich um die explosionsartig steigenden künftigen Pensionsverpflichtungen. Da der Barwert der künftigen Versorgungsleistungen die derzeitigen Kapitalmarktschulden des Landes schon jetzt wesentlich übersteigen dürfte, wiederholt der RH nachdrücklich seine Empfehlung in der Denkschrift 2003, Beitrag Nr. 3, Landesschulden, den Wert der künftigen Versorgungsleistungen im jährlichen Haushaltsplan in geeigneter Weise darzustellen.

3.5 Finanzpolitische Aspekte

3.5.1 Derzeitige Situation

Nach der derzeitigen Haushaltsstruktur ist der finanzpolitische Spielraum des Landes bereits jetzt so eingeengt, dass für Landtag und Landesregierung fast keinerlei Raum für zukunftsorientiertes Handeln mehr besteht.

Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Haushalt seit Langem weitgehend durch Ausgaben bestimmt wird, die nicht in vollem Umfang durch reguläre Einnahmen gedeckt werden können. Kurzfristig bestehen nur begrenzte Einsparmöglichkeiten, etwa im Wege der schon regelmäßigen, aber letztlich unzureichenden globalen Minderausgaben. Hinzu kommt, dass das Steueraufkommen in den zurückliegenden Jahren zurückgegangen ist und im Hj. 2004 auf dem Niveau des Jahres 1999 liegt. Deshalb hat sich das Finanzierungsdefizit in diesem Zeitraum erhöht und den finanziellen Handlungsspielraum weiter reduziert. Insoweit stellt sich die Beschlussfassung über die Haushaltspläne seit Jahren immer weniger als Königsrecht des Parlaments zur politischen Gestaltung dar, sondern erschöpft sich mehr oder weniger in dem Bemühen, den bestehenden rechtlichen und faktischen Vorgaben zu entsprechen und die Verfassungsmäßigkeit des Haushalts gerade noch sicher zu stellen.

Zugleich ist auch das in den Jahren 1999 und 2000 in absehbarer Zeit als realisierbar eingeschätzte Ziel der Nettonullverschuldung wieder in weite Ferne gerückt worden.

3.5.2 Verwertung von Landesvermögen für laufende Ausgaben

Die Möglichkeit, neue finanzpolitische Spielräume durch die Veräußerung von Vermögen zu gewinnen, begegnet zum einen grundsätzlichen Bedenken (Substanzverbrauch ohne bleibenden Gegenwert); sie ist zum anderen auch nur noch eingeschränkt vorhanden. Das Land hat in den vergangenen 25 Jahren bereits in großem Stil Vermögen veräußert und die Erlöse, teilweise entgegen der grundsätzlichen Zweckbindung nach § 113 Abs. 2 LHO (Grundstock), im Umfang von rd. 685 Mio. € zur Finanzierung des Gesamthaushalts, also zur Deckung von Haushaltslücken, eingesetzt, und im Umfang von rd. 1.061 Mio. € für Sonderfinanzierungen (Zukunftsoffensiven) verwendet. Darin nicht enthalten sind Vermögensveräußerungen durch die Landesstiftung gGmbH (s. Denkschrift 2005, Beitrag Nr. 11, Betätigungsprüfung bei der Landesstiftung Baden-Württemberg gGmbH).

Die haushaltsrechtliche Vorschrift, die den Substanzerhalt gewährleisten soll (§ 113 LHO), hat sich insoweit als nicht sehr wirkungsvoll erwiesen.

3.5.3 Ausblick

Ohne einschneidende Maßnahmen wird sich die prekäre Finanzsituation in absehbarer Zeit nicht verbessern.

Selbst wenn konjunkturbedingt die Steuereinnahmen wieder steigen sollten, ist es nach früheren Erfahrungen unwahrscheinlich, dass die Mehreinnahmen in vollem bzw. ausreichendem Umfang zur Haushaltskonsolidierung eingesetzt werden. Eine strukturelle Erhöhung der Einnahmen, und damit eine weitere Erhöhung des Staatsanteils, dürfte nach der beschlossenen Mehrwertsteuererhöhung nicht mehr in Betracht kommen.

Eine nachhaltige Reduzierung der Ausgaben hat sich bisher als schwierig erwiesen:

  • Die Personalausgaben als größter Block im Landesetat können kurzfristig - etwa durch eine Verringerung der Bezüge (z. B. Wegfall oder Kürzung von Sonderzuwendungen und Zulagen) - insgesamt kaum reduziert werden. Vielmehr bedarf es aufgrund der in den nächsten Jahren explosionsartig steigenden Versorgungsausgaben erheblicher Anstrengungen, die derzeitige Personalausgabenquote auf dem heutigen Stand zu halten.

 

  • Durch die nach der mittelfristigen Finanzplanung beabsichtigte Neuverschuldung ist ein nicht unerheblicher Anstieg der Zinsausgaben zu prognostizieren, zumal von dem historisch niedrigen Zinsniveau der zurückliegenden Jahre nach den Erfahrungen langjähriger Schwankungsverläufe und der unstreitig zunehmenden inflationären Tendenzen (weltnachfragebedingte Erhöhung der Rohstoff- und Energiepreise, Mehrwertsteuererhöhung) nicht auf Dauer ausgegangen werden kann.

Außerdem ist zu befürchten, dass sich das generell gute Rating der öffentlichen Körperschaften in Deutschland bei einer ungebremsten Ausweitung der Staatsverschuldung mit negativen Auswirkungen auf das Zinsniveau verschlechtern wird.

Auf der Basis der nach der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehenen Kreditlinie und des jährlichen Refinanzierungsbedarfs (Umschuldungen) würde ein um 2 % höherer Normalzinssatz bei einer Bruttokreditaufnahme von derzeit etwa 6,5 Mrd. € je Jahr zu Mehrausgaben in Höhe von 130 Mio. € schon im ersten Jahr der Zinserhöhung führen. Aufgrund sehr unterschiedlicher Restlaufzeiten der Darlehen ist ein volles Durchschlagen der Zinserhöhung erst nach einigen Jahren zu erwarten; diese Entwicklung wird den Landeshaushalt dann aber mit jährlich bis zu rd. 800 Mio. € zusätzlich belasten.

Im Übrigen wird sich auch die demografische Entwicklung negativ auf die Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben des Landes auswirken, weil z. B.

  • das Steueraufkommen tendenziell sinken dürfte und

 

  • die Ansprüche einer gealterten Bevölkerung an die öffentliche Hand eher steigen als zurückgehen werden.

3.5.4 Folgerungen

Die dargestellten Aspekte verdeutlichen die Notwendigkeit einschneidender Veränderungen im Finanzgebaren des Landes, um den notwendigen finanziellen Handlungsspielraum zurückzugewinnen. Ansonsten kann auch auf strukturell neu entstehende Risiken, die sich aus globalen und gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen ergeben (z. B. Gefahren für die traditionelle Industrie wegen mangelnder Konkurrenzfähigkeit im internationalen Standortwettbewerb), nicht mehr reagiert werden.

Von daher ist eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung, zunächst mit dem Ziel eines Haushaltsausgleichs ohne Nettokreditaufnahmen und mittel- bis langfristig der Erzielung von Haushaltsüberschüssen zum Abbau des Schuldenbergs, dringend geboten.

Nach einem vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH und der Bertelsmann Stiftung erstellten Schulden-Monitoring vom Juli 2005 beläuft sich der mittel- bis langfristige Konsolidierungsbedarf für den Haushalt des Landes je nach Betrachtungszeitraum auf 5,4 % bis 5,7 % des bereinigten Ausgabevolumens.

Danach müssten praktisch ab sofort jährlich rd. 2 Mrd. € eingespart werden. Dies erfordert drastische Maßnahmen in allen Ausgabenbereichen des Landes. Unerlässlich ist es, die Personalausgaben durch weitere Stelleneinsparungen nachhaltig zu senken. Die durchaus noch vorhandenen Effizienzpotenziale müssen konsequent ausgeschöpft werden. Darüber hinaus führt an einem Abbau staatlicher Aufgaben und kostenwirksamer Standards kein Weg vorbei. Außerdem bedarf es einer deutlichen Reduzierung der Ausgaben für Förderprogramme. Dieser Prozess muss alle freiwilligen staatlichen Leistungen einbeziehen, auch wenn sie rechtlich verankert sind.

4 Fazit und Vorschläge

4.1 Ursachen und Folgen der Verschuldung

In der Praxis wird die Haushalts- und Finanzwirtschaft der öffentlichen Hand durch die zur Erfüllung der Staatsaufgaben für erforderlich angesehenen Ausgaben bestimmt.

Der danach notwendige Finanzbedarf muss nicht zwingend durch Steuern und sonstige reguläre Einnahmen gedeckt werden. Vielmehr dürfen zur Herstellung des formellen Haushaltsausgleichs gemäß Art. 79 Abs. 1 Satz 2 LV auch Kredite aufgenommen werden, die sich grundsätzlich am Investitionsvolumen orientieren sollen.

In Baden-Württemberg ist es seit vielen Jahren herrschende Praxis, die strukturelle Differenz zwischen den regulären Einnahmen des Landes und den vom Parlament für notwendig gehaltenen Ausgaben durch eine jährliche Nettokreditaufnahme mit dem Ergebnis einer ständig steigenden Nettoneuverschuldung auszugleichen. Für den Umfang der Kreditaufnahme war in der Vergangenheit dabei zumeist nicht eine antizyklische Finanzpolitik, sondern allein das normale Finanzierungsdefizit maßgeblich.

Insoweit hat es das Land in der Vergangenheit versäumt, die Höhe der jährlichen Kreditaufnahme durch eine entschlossene Anpassung der Staatsausgaben an die verfügbaren regulären Einnahmen wirksam zu begrenzen bzw. die aufgelaufene Verschuldung durch Haushaltsüberschüsse etwa in Zeiten boomender Steuereinnahmen zurückzuführen.

Da nach dem Prinzip der Nettoneuverschuldung bestehende Schulden durch neue Kredite refinanziert werden und deshalb keine wirkliche Tilgung stattfindet, wird der finanzielle Handlungsspielraum angesichts des dadurch permanent wachsenden Schuldendienstes von Jahr zu Jahr enger.

Daher müssen gegenwärtig und künftig Kreditzinsen für in der Vergangenheit getätigte Investitionen bezahlt werden, denen infolge des inzwischen eingetretenen Werteverzehrs kein aktueller Gegenwert mehr gegenübersteht. Für Ersatzbeschaffungen sind erneute Kreditaufnahmen erforderlich.

4.2 Empfehlungen des Rechnungshofs

Die vorliegende Verschuldungssituation des Landes zeigt, dass die derzeit gegebenen rechtlichen Rahmenbedingungen für die Kreditaufnahme nicht ausreichen, um das notwendige disziplinierte Ausgabeverhalten zu erreichen.

Der RH schlägt deshalb vor, die überkommene Staatspraxis der jährlichen Nettokreditaufnahme in der Weise zu korrigieren, dass sich die Gesamtausgaben des Haushalts künftig grundsätzlich nach den regulären Einnahmen richten müssen und der Haushalt deshalb regelmäßig ohne Kredite auszugleichen ist.

Dieser grundlegende Paradigmenwechsel sollte - etwa in Anlehnung an die Regelung in der Bundesverfassung der Schweiz oder der Vorschrift in Art. 18 Abs. 1 der Bayerischen Haushaltsordnung - in der Landesverfassung und in der Landeshaushaltsordnung verankert werden.

Der RH spricht sich primär dafür aus, eine derartige Regelung mit Nachdruck zu verfolgen. Sie wäre nach dem Prinzip des „balanced budget“ am ehesten geeignet, die nach § 51a Haushaltsgrundsätzegesetz entsprechend Art. 104 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes anzustrebende Rückführung der Nettoneuverschuldung mit dem Ziel ausgeglichener Haushalte zu erreichen.

Der RH verkennt dabei nicht, dass das Ziel ausgeglichener Haushalte angesichts der derzeitigen Ausgabenstruktur des Landeshaushalts kurzfristig nicht realisiert werden kann. Vielmehr bedarf es nach der vorgeschlagenen Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen für einen Weg aus der Schuldenfalle einer disziplinierten Ausgabenpolitik, die auch vor harten Einschnitten in überkommene Aufgaben und Ausgaben des Landes nicht zurückscheut.

Außerdem müssen selbstverständlich alle Einsparmöglichkeiten, etwa im Wege alternativer wirtschaftlicher Finanzierungsformen (s. Pkt. 3.3) unter Berücksichtigung der Vorbelastungen späterer Haushalte und der künftigen Leistungsfähigkeit des Landes, konsequent genutzt werden.

Im Übrigen dürfen Verbesserungen auf der Einnahmenseite künftig nicht mehr für zusätzliche Ausgabenwünsche der Ressorts genutzt werden.

Der RH hält deshalb ein generelles Moratorium für Mehrausgaben im Landeshaushalt für geboten und unterstützt nachdrücklich den Beschluss der Landesregierung, die sich aus der Umsetzung der Koalitionsvereinbarung für die 16. Legislaturperiode des Deutschen Bundestags ergebenden Mehreinnahmen und/oder Minderausgaben ausschließlich zur Reduzierung der nach der Mittelfristigen Finanzplanung vorgesehenen Kreditlinie zu verwenden.

Sofern aus Gründen der Einheitlichkeit des Haushaltsrechts bei Bund und Ländern an der bisherigen Kreditfinanzierungsgrenze festgehalten werden soll, spricht sich der RH nachdrücklich dafür aus, dass künftig bei der Ermittlung des Investitionsvolumens zumindest die investiven Zuweisungen und Zuschüsse an Dritte (insbesondere Kommunen) sowie die Erlöse aus Vermögensveräußerungen in Abzug gebracht werden. Eine solche restriktivere Auslegung des Investitionsbegriffs könnte der weiteren Ausuferung der Verschuldung des Landes entgegen wirken.

5 Stellungnahme des Ministeriums

Das FM weist darauf hin, dass das Land die verfassungsmäßige Verschuldungsgrenze im Hj. 2005 und in der Vergangenheit eingehalten habe. Nach dem materiellen Gehalt der Finanzverfassungen von Bund und Ländern seien Investitionsausgaben solche Ausgaben, die bei makroökonomischer Betrachtung die Produktionsmittel der Volkswirtschaft erhalten, vergrößern oder verbessern. Entsprechend dieser gesamtwirtschaftlichen Sicht könne nicht auf eine zivilrechtliche Zuordnung von Vermögensgegenständen nach dem Rechtsträgerprinzip abgestellt werden. Insoweit sei die Forderung des RH, die Zuweisungen und Zuschüsse des Landes für Investitionen Dritter bei der Berechnung der Investitionssumme unberücksichtigt zu lassen, aus der Verfassung nicht abzuleiten.

Da für die Kreditaufnahme seit der Haushaltsreform anstelle der objektbezogenen Betrachtung der situationsbezogene Deckungsgrundsatz gelte, könne auch nicht auf eine betriebswirtschaftliche Sicht der Kreditfinanzierung abgestellt werden.

Das FM ist außerdem der Auffassung, dass die vom RH verstärkt geforderten alternativen Finanzierungsmodelle - insbesondere Leasing - die Verschuldungsproblematik nicht lösen können, weil alle finanzwirksamen Maßnahmen, bei denen die Kosten nicht nur durch konkrete Entgeltzahlungen gedeckt werden können, letztlich aus allgemeinen Deckungsmitteln finanziert werden müssen.

6 Schlussbemerkung

Das FM gibt die herrschende Meinung zur Definition des Investitionsbegriffs zutreffend wieder. Gleichwohl hält der RH an seiner Auffassung fest, dass die vorgeschlagene engere Auslegung zu einer Verschuldungsbegrenzung beitragen würde. Diese Meinungsunterschiede werden jedoch obsolet, wenn die von der Landesregierung angestrebte Nettonullverschuldung in absehbarer Zeit tatsächlich erreicht und dies rechtlich auf Dauer gewährleistet wird.


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Die parlamentarische Behandlung finden Sie hier


Anhänge

Für die Nachversicherung von ausgeschiedenen Richtern, Beamten und Rechtsreferendaren in der gesetzlichen Rentenversicherung hat das Land von 2002 bis 2004 jährlich durchschnittlich 41 Mio. € aufgewendet. Der Vollzug der Nachversicherung durch das Landesamt für Besoldung und Versorgung ist verbesserungsfähig. Durch Verzögerungen im Verfahren entstanden vermeidbare Ausgaben. Würde das materielle Recht dahin geändert, dass die Nachversicherung erst zwei Jahre nach Eintritt des Nachversicherungsfalles durchzuführen ist, könnte das Land jährlich rund 1 Mio. € einsparen.


1 Allgemeines

Wenn Richter, Beamte oder andere Bedienstete, für die eine Anwartschaft auf Versorgung gegeben ist, aus dem Dienst des Landes ohne Anspruch auf Versorgung ausscheiden, sind sie vom Land in der gesetzlichen Rentenversicherung für die abgeleistete Dienstzeit nachzuversichern (§ 8 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - SGB VI). Neben den Beamten, die aus dem Beamtenverhältnis ausscheiden, um in eine versicherungspflichtige Tätigkeit zu wechseln, sind von dieser Regelung am häufigsten Lehramtsanwärter, Rechts- und Studienreferendare betroffen, die nach dem Bestehen ihrer Prüfung aus dem Landesdienst ausscheiden.

Nimmt der ausgeschiedene Bedienstete danach eine rentenversicherungspflichtige Tätigkeit (z. B. als Angestellter) auf, so wird der nachversicherte Zeitraum als Beitragszeit für die Rentenberechnung berücksichtigt. Kehrt der ausgeschiedene Bedienstete dagegen ins Beamtenverhältnis zurück (z. B. als Lehrer), so werden die nachversicherten Zeiten gleichwohl versorgungserhöhend berücksichtigt; Rentenansprüche entstehen in diesem Falle jedoch regelmäßig nicht, weil diese Beamten die im Rentenrecht vorgeschriebenen Mindestversicherungszeiten normalerweise nicht erreichen. In diesem Fall führt die Zahlung des Landes an die Rentenversicherung wirtschaftlich nicht zu einer Gegenleistung, sie dient allein der Verbesserung der Finanzlage der Rentenversicherung.

Für die Durchführung der Nachversicherung ist in Baden-Württemberg das Landesamt für Besoldung und Versorgung (LBV) zuständig. Die Nachversicherung hat nach den einschlägigen rentenrechtlichen Bestimmungen unverzüglich zu erfolgen. Wird dabei ein Zeitraum von drei Monaten nach dem Ausscheiden des Bediensteten überschritten, so erheben die zuständigen Rentenversicherungsträger Säumniszuschläge in Höhe von 1 % des rückständigen Betrages für jeden angefangenen Monat. Die Dreimonatsfrist haben die Rentenversicherungsträger als angemessen festgesetzt.

Die Nachversicherung kann vom LBV aufgeschoben werden, wenn alsbald nach dem Ausscheiden feststeht oder wahrscheinlich ist, dass innerhalb von zwei Jahren eine andere versicherungsfreie Beschäftigung (z. B. als Beamter) aufgenommen und der Nachversicherungszeitraum bei der Versorgungsanwartschaft aus dieser neuen Beschäftigung berücksichtigt wird. Ergibt sich nachträglich, dass kein Aufschubgrund vorliegt, ist die Nachversicherung unverzüglich nachzuholen.

Nach Beendigung des versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisses prüft das LBV anhand der von den ausgeschiedenen Personen abgegebenen Erklärung zur Nachversicherung, ob die Voraussetzungen für eine Nachversicherung oder einen Aufschub gegeben sind.

Die Berechnung der Nachversicherungsbeiträge erfolgt nach § 181 Abs. 1 SGB VI nach den Vorschriften, die im Zeitpunkt der Zahlung der Beiträge für versicherungspflichtige Beschäftigte gelten. Durch diese dynamische Regelung soll sichergestellt werden, dass der Beitragsberechnung generell der aktuelle, d. h., der im Zeitpunkt der Zahlung der Beiträge gültige Beitragssatz sowie die sonstigen Rechengrößen zugrunde gelegt werden.

Die Ausgaben für die Nachversicherung ausgeschiedener Bediensteter des Landes in den Jahren 2002 bis 2004 sind in der Übersicht 1 dargestellt.

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Das Staatliche Rechnungsprüfungsamt Stuttgart hat die Praxis der Nachversicherung durch das LBV im Jahr 2005 geprüft - Gegenstand der Prüfung waren die Nachversicherungsfälle der Jahre 2002 bis 2003.

2 Ergebnisse der Prüfung

2.1 Säumniszuschläge

In vielen Fällen wurden die Nachversicherungsbeiträge nicht rechtzeitig innerhalb der Dreimonatsfrist nach dem Ausscheiden aus der Beschäftigung abgeführt, sodass Säumniszuschläge bezahlt werden mussten.

Das LBV hat die Bearbeitungsdauer im Prüfungszeitraum zwar verbessern können, gleichwohl wurden im Jahr 2003 immer noch mehr als die Hälfte der Fälle erst nach Ablauf der Dreimonatsfrist erledigt.

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Aus den Säumnisfällen des Jahres 2003 ergaben sich Säumniszahlungen in Höhe von 237.000 €, die im Jahre 2004 von der Rentenversicherung erhoben und vom Land bezahlt wurden.

Eine Prüfung der Säumnisursachen im Einzelfall hat ergeben, dass diese Säumnisfälle z. T. auf eine zu langsame Bearbeitung der Fälle durch das LBV zurückgehen. Insbesondere wurden die für die Beurteilung der Fälle notwendigen Erklärungen der ausgeschiedenen Bediensteten zu spät erhoben; eine Erinnerung der Betroffenen an die Abgabe der Erklärung erfolgte manchmal erst kurz vor Ablauf der von den Rentenversicherungsträgern gesetzten Frist.

Zum Teil liegt die Ursache der Säumnis aber auch darin, dass die Dreimonatsfrist objektiv zu kurz bemessen ist. Das gilt insbesondere in jenen Fällen, in denen es um künftige Lehrer geht, über deren Einstellung unter Umständen erst mehrere Monate nach Ablegung der Prüfung entschieden wird.

Schließlich fehlen dem LBV in vielen Fällen auch die notwendigen Informationen der personalverwaltenden Stellen über beabsichtigte oder mögliche Neueinstellungen. Die Erklärungen der ausgeschiedenen Bediensteten sind nicht immer hilfreich, um eine zeitnahe Entscheidung über Aufschub oder Nachversicherung zu ermöglichen.

Nachdem die Rentenversicherungsträger seit 2003 für nicht zeitgerecht abgewickelte Nachversicherungen Säumniszuschläge erheben, haben diese Säumnisfälle finanzielle Auswirkungen für den Landeshaushalt.

2.2 Nachversicherung von Bediensteten, die wieder ins Beamtenverhältnis eintreten

Die Prüfung hat weiterhin ergeben, dass in erheblichem Umfang Personen nachversichert wurden, die nach ihrem Ausscheiden alsbald wieder in den Landesdienst eingestellt wurden.

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In den Jahren 2002 und 2003 wurden mithin für innerhalb von zwei Jahren nach ihrem Ausscheiden wieder in ein Beamtenverhältnis berufene Personen Nachversicherungsbeiträge in Höhe von 2,4 Mio. € geleistet, die sich auf die Renten- oder Versorgungsanwartschaften der Nachversicherten nicht auswirken, aber den Landeshaushalt belastet haben.

Die Ursachen für diese vermeidbaren Ausgaben liegen teilweise darin, dass innerhalb des Bearbeitungszeitraums objektiv nicht ermessen werden konnte, ob die Voraussetzungen für einen Aufschub vorliegen, sowie darin, dass bei den ausgeschiedenen Bediensteten und den Einstellungsbehörden keine zeitnahen und belastbaren Informationen erhoben wurden, ob ein Wiedereintritt des ausgeschiedenen Bediensteten ins Beamtenverhältnis beabsichtigt ist.

So hat die Prüfung allein 111 Fälle ergeben, in denen eine Nachversicherung ohne die entsprechende Erklärung des Betroffenen durchgeführt wurde.

Außerdem ist den Betroffenen die Tragweite der Erklärung, die sie gegenüber dem LBV abgegeben haben, offenkundig in vielen Fällen unklar geblieben, sodass es zu unrichtigen Angaben gekommen ist, die für das Land die aufgezeigten finanziellen Konsequenzen nach sich ziehen.

In einigen Fällen ist der Nachversicherung aus nicht nachvollziehbaren Gründen der Vorzug vor der Erteilung einer Aufschubbescheinigung gegeben worden. Die Gründe, wie es zur Entscheidung über die Nachversicherung kam, wurden vom LBV nicht dokumentiert.

2.3 Mängel in der Arbeitsweise des Landesamts für Besoldung und Versorgung

Das LBV hat zur Durchführung und zum Aufschub der Nachversicherung Arbeitsanweisungen erstellt.

Dennoch bereitet die Bearbeitung der „Erklärungen zur Nachversicherung“ durch die nachzuversichernden Bediensteten in der täglichen Praxis große Schwierigkeiten.

Die ordnungsgemäße Erfüllung der mit der Nachversicherung zusammenhängenden Aufgaben hängt maßgeblich von den Angaben des Nachzuversichernden in der Erklärung zur Nachversicherung sowie von der Zusammenarbeit mit den personalverwaltenden Stellen ab. Aufgrund unvollständiger oder widersprüchlicher Angaben der nachzuversichernden Bediensteten sowie der subjektiven Bewertungen durch die jeweiligen Bearbeiter wird oft bei gleich gelagerten Sachverhalten unterschiedlich verfahren.

Das beim LBV vorgesehene Verfahren zur Durchführung der Nachversicherung ist nach alledem noch verbesserungsfähig.

3 Vorschläge des Rechnungshofs bei gegebener Rechtslage

Der RH hat dem LBV Hinweise für eine Verbesserung des Nachversicherungsverfahrens gegeben und insbesondere angeregt,

  • die den Bearbeitern zur Verfügung stehenden Arbeitshilfen zu verbessern,

 

  • Mitarbeiterschulungen durchzuführen,

 

  • die Bearbeitungsfristen und die Fristen zur Erinnerung der Betroffenen an die Abgabe der Erklärungen DV-gestützt zu überwachen und

 

  • Verknüpfungen mit bereits gespeicherten Besoldungsdaten vorzunehmen.

Die Schulverwaltung muss künftig sicherstellen, dass das LBV über die beabsichtigten Neueinstellungen von Lehrern so rechtzeitig unterrichtet wird, dass eine Nachversicherung unterbleibt. Bei Bewerbern, die auf einer Nachrückliste für Beamtenstellen geführt werden, sollte regelmäßig eine Aufschubbescheinigung erteilt werden. Ähnliches gilt für Juristen, die sich nach dem Zweiten Staatsexamen um eine Verwendung im öffentlichen Dienst bemühen.

Soweit dies im Einzelfall rechtlich möglich ist, sollte bei wieder eingestellten Beamten der Aufschubgrund nachträglich mit dem Ziel der Rückerstattung der Nachversicherungsbeiträge geltend gemacht werden. Dies gilt insbesondere in jenen Fällen, in denen ohne Erklärung des Betroffenen nachversichert wurde.

Mit der Deutschen Rentenversicherung sollte im Rahmen des geltenden Rechts eine Vereinbarung angestrebt werden, dass Säumniszuschläge künftig frühestens nach Ablauf von sechs Monaten ab Eintritt der Fälligkeit erhoben werden, sodass eine längere Bearbeitungszeit zur Klärung des weiteren Berufsweges der nachzuversichernden Personen zur Verfügung steht.

4 Notwendige gesetzliche Neuregelungen

Die bestehende Gesetzeslage ist aus den dargestellten Gründen unbefriedigend und für das Land finanziell nachteilig. Sie führt zu einem Verwaltungsverfahren, das (wegen der notwendigen Prognoseentscheidung und der mangelhaften Auskünfte der Beteiligten) fehleranfällig und in der vorgegebenen Zeit nur schwer sachgerecht zu erledigen ist.

4.1 Trennung der Systeme

Die weitestgehende Lösung dieses Problems wäre durch eine vollständige Trennung der Versorgungssysteme zu erreichen, bei der Versorgungsansprüche und Rentenansprüche unabhängig voneinander erworben und geltend gemacht werden können. Eine Notwendigkeit, ausscheidende Bedienstete nachzuversichern, bestünde dann je nach Ausgestaltung der Trennung nicht mehr. Der RH hält auch vor diesem Hintergrund die derzeit laufenden Bemühungen um die Trennung der Versorgungssysteme für richtig.

Mit dieser grundlegenden Reform entfiele nicht nur weitgehend das fehleranfällige Verwaltungsverfahren, dem Land bliebe auch der Aufwand von etwa 40 Mio. € jährlich für die Nachversicherung ausscheidender Bediensteter erspart. Denkbar ist allerdings je nach Ausgestaltung des neuen Rechts, dass im Gegenzug Versorgungsansprüche der ausgeschiedenen Bediensteten entstehen und bestehen bleiben, sodass die Einsparung per saldo unter 40 Mio. € bliebe.

4.2 Änderungen im Recht der Nachversicherung

Soweit Nachversicherungen auch in Zukunft durchgeführt werden müssen, schlägt der RH folgende Modifikationen der geltenden Rechtslage vor:

Angestrebt werden sollte, dass Nachversicherungsbeiträge für Bedienstete kraft Gesetzes erst zwei Jahre nach ihrem Ausscheiden fällig werden, sofern sie nicht ausdrücklich erklären, nicht mehr in den öffentlichen Dienst zurückkehren zu wollen. Damit könnte gleichzeitig auf das arbeitsaufwendige Aufschubverfahren verzichtet werden.

Die Rentenversicherungsträger sollten unabhängig davon, wann der Bedienstete ins Beamtenverhältnis zurückkehrt, verpflichtet werden, erstattete Nachversicherungsbeiträge für Personen zurückzuzahlen, wenn diese zum Zeitpunkt der erneuten Berufung in ein Beamtenverhältnis die für den Anspruch auf Regelaltersrente erforderliche Wartezeit von fünf Jahren noch nicht erfüllt haben.

Selbst wenn es in absehbarer Zukunft zu einer Trennung der Versorgungssysteme kommt, werden aber für eine Übergangszeit noch Nachversicherungen durchzuführen sein. Die vorgeschlagenen Änderungen des materiellen Rechts sollten deshalb unabhängig von den Bemühungen um eine Reform der Versorgungssysteme angestrebt werden.

5 Stellungnahme des Ministeriums

Das FM macht geltend, die Prüfung des RH habe zwar die Praxis des LBV in den Jahren 2002 und 2003 zutreffend wiedergegeben, mittlerweile seien jedoch zahlreiche Verbesserungen der Verfahrensabläufe erfolgt, sodass das Bild, das der RH zeichne, nicht mehr den aktuellen Gegebenheiten entspreche.

Insbesondere seien die Verfahren mittlerweile so weit beschleunigt worden, dass es im Regelfall nicht mehr zur Entrichtung von Säumniszuschlägen komme. Es würden derzeit weitere Optimierungsmöglichkeiten geprüft, die ein weiteres Hinausschieben der Fälligkeitszeitpunkte überflüssig machen würden. In Fällen, in denen zu Unrecht entrichtete Beiträge zurückgefordert werden können, werde von dieser Möglichkeit konsequent Gebrauch gemacht.

Den vom RH vorgeschlagenen Gesetzesänderungen tritt das FM mit der Begründung entgegen, durch ein Hinausschieben der Fälligkeitszeitpunkte würde das Land gegenüber anderen Beitragsschuldnern ungerechtfertigt privilegiert und die finanzielle Situation der Rentenversicherung weiter verschlechtert, was letztlich zu weiteren Beitragssatzerhöhungen führen müsse. Außerdem werde der Rentenversicherung für die Dauer der Schwebezeit das Risiko des Eintritts eines Versicherungsfalles zugemutet, ohne dass dafür ein Entgelt geleistet worden sei.

LBV und FM hätten - alternativ zu den Vorschlägen des RH - andere juristische Maßnahmen ergriffen, um Säumniszuschlagsforderungen auf der Grundlage des geltenden Rechts entgegenzutreten. So werde mittlerweile in geeigneten Fällen konsequent die Einrede der Verjährung oder der Verwirkung der Säumniszuschläge erhoben und zur Durchsetzung dieser Einreden auch der Rechtsweg beschritten.

Die vom RH befürwortete Trennung der Systeme würde neben den vom RH angestrebten Einsparungen von Nachversicherungsbeiträgen auch zu neuen oder höheren Versorgungsansprüchen führen, die per saldo schwerer wiegen könnten als diese Einsparungen. Das FM weist darauf hin, dass durch die bevorstehende Übertragung der Gesetzgebungszuständigkeit für das Versorgungsrecht auf die Länder eine Trennung der Systeme weit schwieriger zu verwirklichen wäre als in der Vergangenheit.

6 Schlussbemerkung

Der RH hält an seinen Vorschlägen fest, die im Wesentlichen auf einer im Jahr 2005 durchgeführten Prüfung des Staatlichen Rechnungsprüfungsamts Stuttgart beruhen.

Die vom LBV im Zuge dieser Prüfung ergriffenen Maßnahmen zur Beschleunigung des Verwaltungsverfahrens und zur besseren Wahrnehmung der Rechte des Landes, die zur Vermeidung unnötiger Säumniszuschläge beitragen, bewertet der RH positiv. Das FM selbst räumt in seiner Stellungnahme ein, dass weitere Optimierungsmöglichkeiten bestehen und derzeit diskutiert werden.

Unbefriedigend und für das Land finanziell nachteilig ist nach wie vor die Situation bei der Nachversicherung von Lehramtsanwärtern, Rechts- und Studienreferendaren, die ihr Zweites Staatsexamen abgelegt haben. Die Entscheidung über deren weiteren Berufsweg erfolgt häufig zu einem Zeitpunkt, in dem die Nachversicherungsbeiträge bereits überfällig sind. Hier würde ein generelles Hinausschieben der Fälligkeit der Nachversicherung auf zwei Jahre zu sachgerechten Entscheidungen beitragen, unnötigen Verwaltungsaufwand ersparen und die Rentenversicherung im Ergebnis nur in jenen Fällen belasten, in denen ihr nach geltendem Recht Beiträge zufließen, ohne dass diesen Beiträgen Leistungen der Rentenversicherung gegenüberstehen.

Es ist nicht sachgerecht, die finanziellen Engpässe der Rentenversicherung dadurch zu verbessern, dass Bund, Länder und Kommunen aus Steuergeldern Beiträge entrichten, denen keine Leistungen der Versicherungsträger gegenüberstehen.

Das Hinausschieben der Fälligkeit der Nachversicherungsbeiträge durch eine entsprechende Änderung des materiellen Rechts ist daher sinnvoll und geboten und wird auch von Rechnungshöfen anderer Bundesländer vorgeschlagen.

Die Trennung der Altersversorgungssysteme hätte über die Einsparung der Nachversicherungsbeiträge hinaus weitreichende günstige finanzielle Wirkungen (etwa durch die Nichtanrechnung von Versicherungszeiten auf die beamtenrechtliche Versorgung), die die vom FM im Einzelfall befürchteten Mehrausgaben mehr als aufwiegen.


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Anhänge

Wegen nicht mitgeteilter Rentenbezüge durch die Versorgungsberechtigten und der deshalb unterbliebenen Anrechnung auf die Versorgungsbezüge zahlte das Landesamt für Besoldung und Versorgung seit 1982 insgesamt 1,8 Mio. € zu viel aus. Eine Korrektur der überprüften Zahlfälle für die Zukunft erbringt jährliche Einsparungen von rund 244.000 €. Der Rechnungshof empfiehlt, die Versorgungsdaten regelmäßig mit den Rentendaten abzugleichen.


1 Ausgangslage

Ein Beamter, der aus Altersgründen oder wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand tritt, erhält von seinem letzten Dienstherrn Versorgungsbezüge, deren Höhe bundeseinheitlich im Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) geregelt ist. Das Gesetz geht dabei vom Grundsatz der einheitlichen Versorgung aus, d. h., dass neben den im aktiven Beamtendienst verbrachten Zeiten auch andere Beschäftigungszeiten versorgungserhöhend berücksichtigt werden. Im Gegenzug werden die Renten, die ein Beamter aus anderen öffentlichen Kassen bezieht, angerechnet, wenn der Ruhestandsbeamte durch die Kumulation von Versorgungsanspruch und Rente die vom Gesetz bestimmte Höchstgrenze, die sich aus dem Alimentationsprinzip ergibt, überschreitet (§ 55 BeamtVG).

Durch diese Rentenanrechnung soll auch verhindert werden, dass ein Beamter, der neben seinen Versorgungsbezügen eine Rente bezieht, sich dadurch besser stellt als ein Beamter, der sein gesamtes Berufsleben im Beamtenverhältnis verbracht und daher lediglich Anspruch auf ein Ruhegehalt hat. Als Renten im Sinne des § 55 BeamtVG gelten solche aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus einer zusätzlichen Alters- oder Hinterbliebenenversorgung für Angehörige des öffentlichen Dienstes, aus der gesetzlichen Unfallversicherung und unter bestimmten Voraussetzungen auch Leistungen aus einer berufsständischen Versorgungseinrichtung oder einer befreienden Lebensversicherung.

Außer Ansatz bleibt der Rentenbetrag, der auf freiwilligen Beiträgen oder einer Höherversicherung beruht. Anrechnungsfrei ist bei Ruhestandsbeamten der Bezug einer Hinterbliebenenrente aus einer Beschäftigung oder Tätigkeit des Ehegatten sowie bei Witwen, Witwern und Waisen der Bezug einer Rente aufgrund einer eigenen Beschäftigung oder Tätigkeit.

Zuständig für die Anrechnung der Renten von Versorgungsempfängern des Landes ist allein das Landesamt für Besoldung und Versorgung (LBV). Damit das LBV die Bezüge korrekt festsetzen kann, sind die Versorgungsberechtigten verpflichtet, den Bezug von Renten unverzüglich anzuzeigen (§ 62 Abs. 2 BeamtVG). Auf diese Anzeigepflicht werden die Versorgungsberechtigten regelmäßig in einer Anlage zum Bescheid über die Festsetzung der Versorgungsbezüge hingewiesen.

Wenn im Einzelfall eine Rente entgegen der Regelung des § 55 BeamtVG nicht angerechnet wird, kommt es zu Überzahlungen, die vom Versorgungsberechtigten zurückzuzahlen sind. Er kann sich dabei regelmäßig nicht darauf berufen, er habe keine Kenntnis von dem Mangel des rechtlichen Grundes gehabt, denn die Zahlung der Versorgungsbezüge steht unter dem gesetzesimmanenten Vorbehalt der Kürzung wegen rückwirkender Gewährung oder nachträglichen Bekanntwerdens anzurechnender anderweitiger Bezüge.

Soweit der Versorgungsberechtigte die Anzeige bewusst und in der Absicht der Täuschung unterlässt oder in dieser Absicht unrichtige Angaben macht, kann er wegen Betrugs strafrechtlich verfolgt werden. Bei schuldhafter Verletzung der Anzeigepflicht droht dem Versorgungsberechtigten der teilweise oder vollständige Entzug der Versorgungsbezüge auf Zeit oder auf Dauer.

Bei der Untersuchung zeigte sich, dass ein Teil der Versorgungsberechtigten aus unterschiedlichen Gründen mit den ihnen obliegenden Erklärungspflichten überfordert war und ist. Dies gilt insbesondere für die Hinterbliebenen, die mit den Feinheiten des Beamtenrechts regelmäßig nicht vertraut sind. Ein Teil der fehlerhaften Anzeigen beruhten mithin eher auf Unkenntnis als auf dem Bestreben, sich durch die Nichtanzeige einen ungerechtfertigten Vermögensvorteil zu verschaffen.

2 Zweck und Ergebnis der Prüfung

Der RH hat im Jahr 2005 die Einhaltung der Anzeigepflicht durch die Versorgungsberechtigten und den Vollzug der gesetzlichen Anrechnungsvorschriften des BeamtVG durch das LBV geprüft. Grundlage der Prüfung war ein Datenabgleich zwischen den beim LBV vorgehaltenen Versorgungsdaten und den bei den Rentenversicherungsträgern vorgehaltenen Rentendaten. Rechtsgrundlage dafür ist § 69 Abs. 5 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch, der die Rechnungshöfe des Bundes und der Länder ermächtigt, einen solchen Datenabgleich durchzuführen.

Dabei hat sich ergeben, dass die Ruhensregelung des § 55 BeamtVG bei 20.910 Versorgungsempfängern angewendet wird; das sind 25,5 % der insgesamt 82.050 Versorgungsempfänger des Landes.

In 264 Fällen war dem LBV der Bezug einer Rente nicht bekannt; davon fielen 18 Fälle nicht unter die Regelung des § 55 BeamtVG. In 56 Fällen wurde eine mögliche Rentenanrechnung durch das LBV aktuell bearbeitet. Die eigentliche Fehlerquote beträgt mithin weniger als 1 %.

Zudem hat sich gezeigt, dass das beim LBV praktizierte manuelle Verfahren zur Überprüfung der Angaben der Versorgungsberechtigten und zur Ermittlung der anzurechnenden Renten mit einem enormen Zeit- und Personalaufwand verbunden ist.

2.1 Nichtanzeige von Rentenbezügen

190 Versorgungsberechtigte haben nach dem Ergebnis der Prüfung dem LBV den Bezug einer Rente nicht angezeigt. In 134 Fällen führte dies zur Feststellung eines anrechenbaren Rentenbezugs und damit zu einer Überzahlung. In 56 Fällen wurde die Höchstgrenze nach § 55 Abs. 2 BeamtVG nicht erreicht, sodass es letzten Endes nicht zu einer Anrechnung kommt. Gleichwohl wären die Versorgungsempfänger auch in diesen Fällen verpflichtet gewesen, den Rentenbezug anzuzeigen.

2.2 Überzahlungen durch nicht angezeigten Rentenbezug

Durch den nicht angezeigten Rentenbezug wurden nach den bisher vorliegenden Ergebnissen in der Vergangenheit insgesamt 1,8 Mio. € Versorgungsbezüge zu viel gezahlt. In einigen Fällen reichen die Überzahlungen bis in das Jahr 1982 zurück. Als Überzahlungen wurden hierbei im Einzelfall Beträge bis hin zu 84.000 € festgestellt. Im Durchschnitt belaufen sich die Überzahlungen auf rd. 13.000 € je Anrechnungsfall.

Die überzahlten Versorgungsbezüge werden vom LBV nunmehr zurückgefordert; zumeist geschieht dies durch Aufrechnung mit aktuell fälligen Bezügen.

2.3 Korrektur laufender Zahlfälle

Im Zuge der Untersuchung wurden die Versorgungszahlungen in den genannten 134 Fällen auch für die Zukunft berichtigt. Hierbei verminderten sich im Einzelfall die Versorgungsbezüge um monatliche Anrechnungsbeträge bis zu 800 €. Die Korrekturen der festgestellten Zahlfälle führen zu laufenden Einsparungen in Höhe von jährlich insgesamt rd. 244.000 €.

2.4 Optimierungsbedarf beim Landesamt für Besoldung und Versorgung

Im Rahmen der Untersuchung ergaben sich neben der Hauptfehlerquelle, dem nicht angezeigten Rentenbezug durch die Versorgungsberechtigten, einige wenige typische Fehler bei der Sachbearbeitung von Anrechnungsfällen durch das LBV. Der RH hat dem LBV entsprechende Hinweise zur weiteren Optimierung der Bearbeitung gegeben.

3 Empfehlungen des Rechnungshofs

Dem LBV sollte (gerade im Hinblick auf die steigende Zahl von Versorgungsfällen in den nächsten Jahren) ein geeignetes zusätzliches Arbeitsmittel zur möglichst lückenlosen Ermittlung und Überprüfung von nicht oder unrichtig angezeigten Rentenzahlungen und somit zur korrekten Festsetzung der Versorgungsbezüge zur Verfügung stehen.

Zur Sicherstellung der vollständigen und richtigen Übermittlung von Rentenzahlungen und des Vollzugs der gesetzlichen Anrechnungsvorschriften schlägt der RH vor, die Daten der Versorgungsberechtigten des Landes durch das LBV zukünftig im Wege eines automatisierten Verfahrens mit den Renten gewährenden Stellen abzugleichen.

Die derzeitige Rechtslage lässt einen automatisierten Datenabgleich durch das LBV allerdings noch nicht zu. Das Land sollte die dafür notwendigen rechtlichen Voraussetzungen schaffen oder auf den Erlass entsprechender bundesrechtlicher Normen hinwirken.

Solche Datenabgleiche werden in anderen Bereichen, in denen Berechtigte Leistungen aus mehreren öffentlichen Kassen beziehen, bereits erfolgreich angewendet. In diesem Zusammenhang sind die Verordnung über den automatisierten Datenabgleich bei Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende, die Regelungen zur Durchführung eines Datenabgleichs bei der Gewährung von BAföG und die Regelungen des Datenabgleichs im Wohngeldgesetz zu nennen.

4 Trennung der Versorgungssysteme

Die gesetzliche Rentenversicherung und die Beamtenversorgung sind zwei eigenständige, unterschiedliche Systeme für die Versorgung im Alter. Diese beiden Versorgungssysteme sind nicht so abgestimmt, dass die zeitlich aufeinander folgende Zugehörigkeit zu beiden Systemen keine höhere Versorgung ergibt als die lebenslange Zugehörigkeit zu nur einem der beiden Systeme. Zudem werden teilweise dieselben Zeiten sowohl für den Erwerb einer Rentenanwartschaft als auch einer Versorgungsanwartschaft berücksichtigt.

Durch das bisher geltende Prinzip der Einheitsversorgung wird ein erheblicher Aufwand verursacht, der dann entsteht, wenn Leistungen aus beiden Systemen nacheinander oder nebeneinander erworben werden. Dies gilt für das hier dargestellte System der Anrechnung von Renten auf Versorgungsbezüge ebenso wie für die Nachversicherung von ausscheidenden Beamten.

Seit längerer Zeit sind deshalb Bestrebungen im Gange, eine Trennung der Versorgungssysteme bei der Ermittlung der Altersversorgungsbezüge zu erreichen. Diese Trennung der Systeme würde beide Ansprüche unabhängig voneinander entstehen lassen, die Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten außerhalb des Beamtenverhältnisses bei der Festsetzung der Versorgung entfiele ebenso wie die Anrechnung von Renten oder die aufwendige Nachversicherung ausscheidender Beamter.

Außerdem behindert die gegenwärtige Ausgestaltung der Beamtenversorgung und der anderen Alterssicherungssysteme den Personalaustausch zwischen öffentlicher Verwaltung und freier Wirtschaft. Beamtinnen und Beamte müssen beim Wechsel in die Wirtschaft und dem damit verbundenen Wechsel in ein anderes Altersversorgungssystem Nachteile in der Altersversorgung hinnehmen; ein Wechsel aus der Wirtschaft in das Beamtenverhältnis ist wegen der damit verbundenen versorgungsrechtlichen Konsequenzen in fortgeschrittenem Alter regelmäßig nicht mehr möglich.

Auch dieses Problem würde durch die Trennung der Versorgungssysteme entschärft.

Der RH hält deshalb die aktuellen Reformüberlegungen zur Trennung der Systeme für sachgerecht. Dadurch können in ganz erheblichem Umfang Haushaltsmittel eingespart und der Aufwand für die Anrechnung zusammentreffender Einkünfte sowie für die Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung in nennenswertem Umfang vermindert werden.

Für eine Übergangszeit würde es allerdings in den Altfällen bei den bisherigen Regelungen verbleiben, sodass die unter Pkt. 3 ausgesprochene Empfehlung auch im Falle einer Trennung der Systeme zunächst realisiert werden müsste.

5 Stellungnahme des Ministeriums

Das FM unterstützt die Bemühungen des RH, die Anrechnung von Renten auf die Versorgungsbezüge zu verbessern. Es sagt zu, dass das LBV die vom RH gegebenen Hinweise zur weiteren Optimierung der Bearbeitung beachten wird.

Die Empfehlung des RH zur Schaffung einer Rechtsgrundlage für einen automatisierten Datenabgleich wird vom FM geprüft. Allerdings ließen die durch die Föderalismusreform zu erwartenden Rechtsänderungen eine Realisierung in absehbarer Zeit eher unwahrscheinlich erscheinen; insbesondere liefen etwaige Bundesratsinitiativen (z. B. zur Änderung des § 62 BeamtVG) ins Leere.

Das FM teilt die Auffassung des RH, dass Abstimmungsprobleme beim Bezug von Leistungen aus verschiedenen Alterssicherungssystemen bei einer völligen Trennung der Systeme vermieden werden könnten. Es gibt aber zu bedenken, dass dieser Ansatz einen grundlegenden Paradigmenwechsel darstellt und eine Vielzahl anderer Probleme mit sich bringe. Auf Bundesebene seien Reformbemühungen in der Vergangenheit stets am Widerstand des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales gescheitert. Vor dem Hintergrund der kommenden Übertragung des Versorgungsrechts in die Zuständigkeit der Länder erscheine eine solche Lösung noch schwieriger. Es sei fraglich, inwieweit ein Land für sich eine Trennung der Systeme verwirklichen könne, denn im Interesse der Mobilität und Flexibilität der Beamten erscheine eine enge Abstimmung zwischen Bund und Ländern auf diesem Gebiet unerlässlich, um Dienstherren übergreifende Lebenssachverhalte auch in Zukunft sachgerecht lösen zu können.

Das FM sieht deshalb zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine konkrete Verwirklichungschance für eine Trennung der Systeme; selbst bei ihrer Verwirklichung werde es aus Gründen des Bestandsschutzes noch über Jahre hinaus zahlreiche Altfälle mit den bekannten Anrechnungsproblemen geben.


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Bei der Vergabe von Gutachten haben die Landesbehörden das Leitprinzip des Vergaberechts, den Wirtschaftlichkeits- und Wettbewerbsgrundsatz, nur unzureichend beachtet.


1 Ausgangslage

Im Jahr 2004 hat der RH eine Querschnittsprüfung der Vergabe von Gutachten und gleichartigen Dienstleistungen in den Ministerien durchgeführt. Über die wesentlichen Ergebnisse wurden der Landtag und die Landesregierung im Wege der Beratenden Äußerung zur Vergabe von Gutachten durch die Ministerien vom 14.01.2005 unterrichtet (Drs. 13/3960). Der Landtag hat sich am 01.06.2005 mit dieser Beratenden Äußerung auseinander gesetzt und die Regierung ersucht, die Vorschläge und Empfehlungen des RH zeitnah umzusetzen und dem Landtag über die eingeleiteten Maßnahmen bis 31.05.2006 zu berichten (Drs. 13/4200). Das FM hat die Ressorts umgehend auf die Beschlüsse des Landtags hingewiesen und deren Umsetzung nachdrücklich angemahnt.

Die gravierenden Verstöße der Ministerien gegen das Leitprinzip des Vergaberechts, den Wirtschaftlichkeits- und Wettbewerbsgrundsatz, nahm der RH zum Anlass, ergänzend die Vergabe von Gutachten bei nachgeordneten Behörden in fünf Ressorts zu prüfen. Insgesamt wurde eine Stichprobe von 18 Vergabefällen im Detail geprüft. Ziel war auch hier, Erkenntnisse über die Vergabepraxis - von der Feststellung des Beratungsbedarfs über die Ausschreibung und Vergabe bis hin zur Umsetzung - zu gewinnen.

2 Allgemeine Feststellungen

2.1 Fehlerhafte Meldung an den Landtag

Die Landesregierung hatte dem Parlament in regelmäßigen Abständen über die Vergabe von Gutachten und Aufträgen an Dritte zu berichten, zuletzt zu Beginn des Jahres 2004 (Drs. 13/2882). Bei stichprobenartiger Prüfung dieses Berichts hat der RH festgestellt, dass im Ressort des UM fünf Gutachten doppelt aufgeführt und in Einzelfällen der Beratungsgegenstand falsch angegeben waren. Darüber hinaus waren Honorarangaben fehlerhaft oder nur jährliche Teilzahlungen aufgeführt, sodass der Gesamtbetrag einer Dienstleistung nicht abgeleitet werden konnte oder nicht erkennbar wurde, dass es sich um einen identischen Vergabevorgang gehandelt hat. Für eine Beratungsleistung wurde ein Honorar in Höhe von 44.295 € gezahlt. Gegenüber dem Landtag wurden nur 25.000 € angegeben, ohne darauf hinzuweisen, dass es sich um eine erste Abschlagszahlung handelte. Diese Darstellung wurde vom UM mit einer Fehlinterpretation der Fragestellung des parlamentarischen Antrages begründet.

In diesem Bericht an den Landtag war auch die Vergabe einer Analyse des Hochwasserrisikos mit einem Honorar von 18.000 € doppelt aufgeführt. Der RH hat festgestellt, dass diese Untersuchung nicht vom Land selbst, sondern von einem Zweckverband an zwei Dienstleister freihändig und ohne Vergleichsangebote vergeben wurde. Das Gesamthonorar betrug rd. 280.000 €. Das Land hat dieses Projekt mit einer Zuwendung in Höhe von rd. 161.000 € gefördert. Gleichzeitig hat das Land selbst für dieses Vorhaben eine ergänzende Bedarfsanalyse mit dem genannten Honorar von 18.000 € in Auftrag gegeben. Die Aufwendungen des Landes für die Analyse des Hochwasserrisikos summieren sich damit auf 179.000 €, statt - wie dem Landtag berichtet - auf 18.000 €.

Die fehlerhaften und unvollständigen Angaben gegenüber dem Landtag beeinträchtigen nicht nur den Informationswert, sondern bergen auch die Gefahr, dass parlamentarische Entscheidungen auf unzutreffender Grundlage abgeleitet werden.

Die künftige Berichterstattung der Ressorts sollte dem Landtag einen vollständigen und realitätsgetreuen Überblick über die Vergabe von Gutachten liefern und die geforderte Transparenz besser als bisher herstellen.

Bereits bei der oben genannten Querschnittsprüfung zur Vergabepraxis bei den Ministerien vom 14.01.2005 hat der RH den Begriff des Gutachtens definiert, um Irritationen über finanzielle und zeitliche Abgrenzungen zu vermeiden. Auf dieser Basis sollte künftig eine transparentere Darstellung der Ausgaben für Gutachten gegenüber dem Landtag sichergestellt werden. Das FM hat bereits zusammen mit den Ressorts als Konsequenz aus den Forderungen des RH ein entsprechendes zielorientiertes Abfrageschema für die in den Jahren 2004 und 2005 vergebenen Gutachten entwickelt. Hierin werden die wesentlichen Tatbestände erfasst.

2.2 Formelle Mängel

Nach den einschlägigen Vergabebestimmungen sind die einzelnen Schritte des Vergabeprozesses zwingend zu begründen und zu dokumentieren. Diese Verpflichtungen wurden überwiegend nicht beachtet. Unterlagen waren auch aufgrund z. T. unzureichender Aktenführung unvollständig und intransparent. Die Entscheidungs- und Vergabeprozesse konnten daher oft nicht nachvollzogen werden.

Die erforderliche prospektive Prüfung der Notwendigkeit nach § 6 LHO und der Wirtschaftlichkeit nach § 7 Abs. 2 LHO wurde überwiegend nicht durchgeführt. Dabei hätte den Anforderungen des § 7 Abs. 2 LHO bei Vergabevolumina von weniger als 200.000 € allein schon durch die Einholung von Vergleichsangeboten ohne größeren Aufwand Rechnung getragen werden können.

Im Ergebnis konnten die Dienststellen des Landes vielfach nicht belegen, dass sie wirtschaftlich gehandelt haben und dass die von ihnen gezahlten Honorare in angemessener Relation zu den erhaltenen Dienstleistungen standen.

Bei 14 Vergaben haben die Auftraggeber vorab weder die Ziele schriftlich fixiert noch Leistungsbeschreibungen erstellt. Wenn die Verwaltung sich nicht in der Lage sieht, die Aufgabenstellung vorab konkret zu beschreiben, ist dies ein Indiz dafür, dass es nicht gerechtfertigt ist, externen Sachverstand hinzuzuziehen. Dies schließt nicht aus, dass im Einzelfall Sachverständige bei schwierigen oder komplexen Sachverhalten zur Formulierung einer Leistungsbeschreibung hinzugezogen werden. Ohne eine eindeutige Leistungs- und Zielbeschreibung, zumindest aber eine Beschreibung der Aufgaben- oder Problemstellung, kann später keine sachgerechte Leistungskontrolle erfolgen.

Für die Gutachtenvergaben wurden zwischen den Auftraggebern und den Auftragnehmern überwiegend schriftliche Verträge abgeschlossen, deren Inhalte unterschiedlich ausgeprägt waren. Im Rahmen eines Vertragsmanagements ist künftig zu gewährleisten, dass wesentliche Vertragsinhalte, wie Leistungsinhalt und -umfang, Honorarhöhe, Zahlungsmodalitäten, Termine und Fristen, Nutzungsrechte sowie rechtliche Konsequenzen bei Vertragsverletzungen, vollständig berücksichtigt werden. Bei Vergaben nach der Verdingungsordnung für Leistungen, Teil A (VOL/A) sind zwingend die Bestimmungen der Verdingungsordnung für Leistungen, Teil B (VOL/B) zum Vertragsbestandteil zu machen.

2.3 Wahl der Vergabeart

Nach § 3 VOL/A hat die öffentliche Ausschreibung Vorrang vor anderen Vergabearten. Sofern besondere Umstände oder die Natur des Geschäfts es rechtfertigen, kann unter einer der Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 VOL/A beschränkt ausgeschrieben werden. In Ausnahmefällen kann auf der Grundlage der Voraussetzungen des § 3 Abs. 4 VOL/A auch eine freihändige Vergabe erfolgen. Der Verzicht auf die öffentliche oder beschränkte Ausschreibung ist dabei immer aktenkundig zu machen. Eine komprimierte Darstellung der weiteren vergaberechtlichen Prämissen enthält Pkt. 4 der oben genannten Beratenden Äußerung.

Von den stichprobenartig geprüften 18 externen Dienstleistungen wurden 15, also mehr als 80 %, freihändig ohne Vergleichsangebote vergeben. In nur einem Fall wurden die Gründe für den Verzicht auf Vergleichsangebote dokumentiert. Nach Auffassung des RH war bei 14 freihändigen Vergaben der Verzicht auf die Einholung von Vergleichsangeboten nicht gerechtfertigt. Einzelheiten zeigt die Übersicht.

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Bei fünf Vergaben wurde die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) zugrunde gelegt. Diese Honorarordnung und die vergaberechtlichen Vorschriften sind voneinander unabhängige Rechtsbereiche. Die Anwendung der Honorarvorschriften schließt die Anwendung der einschlägigen Vergabebestimmungen nicht aus.

Das gesamte Vergaberecht ist vom Gedanken des Wettbewerbs und der Chancengleichheit geprägt. Das gilt auch für die freihändige Vergabe von HOAI-Leistungen. Daher sind unabhängig von der jeweils anzuwendenden konkreten Vergabebestimmung auch die Leistungen, auf die die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure anzuwenden ist, im Wettbewerb zu vergeben.

Die Begrifflichkeit „Freihändige Vergabe“ impliziert nicht per se den Verzicht auf Vergleichsangebote. Der Verzicht auf Wettbewerb ist grundsätzlich nur in Ausnahmefällen möglich und dann hinreichend zu begründen. Das gilt sinngemäß auch für Vergaben nach der HOAI, s. Denkschrift 2004, Beitrag Nr. 8, Vertretung der Dienststellen und Behörden des Landes bei Rechtsstreitigkeiten, Pkt. 7 (Vergabe von Mandaten und Auswahl der Rechtsanwälte).

3 Einzelfeststellungen

3.1 Einführung eines Facility Managements

Eine Universität hat die stufenweise Einführung eines Facility Managements, d. h. eines technischen und infrastrukturellen Gebäudesteuerungssystems, beschlossen. Die Nutzung des Sachverstandes der staatlichen Vermögens- und Hochbauverwaltung oder der Hochschul-Informations-System GmbH wurde im Vorfeld nicht erwogen.

Bereits vor der Beauftragung eines Gutachters zur Erstellung eines DV-Konzeptes für die Einführung des Facility Managements wurde im Projektausschuss, dem u. a. der Kanzler der Universität und der Prorektor als allgemeiner Vertreter des Rektors angehörten, geschätzt, dass allein für Hardware und Software Mittel in Höhe von rd. 350.000 € benötigt werden. Aufgrund dieses finanziellen Volumens hätten Mittel nach dem Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe „Ausbau und Neubau von Hochschulen“ (Hochschulbauförderungsgesetz) beantragt werden müssen.

Nur rund fünf Monate später wurde in einer Sitzung des gleichen Projektausschusses deutlich, dass die für die Universität verfügbaren Bundesmittel nach Maßgabe des Hochschulbauförderungsgesetzes bereits auf Jahre hinaus anderweitig verplant waren. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits Teilaufträge zur Erstellung des DV-Konzeptes mit einem Ausgabevolumen von 35.000 € erteilt. Obwohl Mittel nach dem Hochschulbauförderungsgesetz nicht zur Verfügung standen und die Haushaltsabteilung der Universität vorab substanzielle haushalts- und vergaberechtliche Vorbehalte geäußert hatte, wurden dem Berater weitere Teilaufträge erteilt. Für den RH ist nicht nachvollziehbar, warum das Projekt nicht spätestens zu diesem Zeitpunkt noch einmal auf seine Sinnhaftigkeit überprüft wurde.

Weitere zwei Monate später hat die Universität das Projekt ohne dokumentierte Gründe unterbrochen und bis zum Zeitpunkt der Prüfung nicht wieder aufgenommen. Für die letzten Untersuchungsphasen wurden Teilzahlungen in Höhe von rd. 42.000 € geleistet. Insgesamt wurden rd. 77.000 € für ein nur fragmentarisches und nicht umsetzbares Facility-Management-Konzept ausgegeben.

Bereits in seiner unter Pkt. 1 genannten Beratenden Äußerung zur Vergabe von Gutachten durch die Ministerien hat der RH das nahezu durchgängige Fehlen eigener Ziel- und Leistungsbeschreibungen durch den Auftraggeber kritisiert. Er hat dabei auch auf den Zusammenhang zwischen fehlenden oder unzureichenden eigenen Ziel- und Leistungsbeschreibungen und der Unmöglichkeit der Umsetzung, z. B. wegen fehlender Ressourcen, hingewiesen.

Hätte die Universität im Vorfeld neben den erwarteten Leistungen auch Ziele formuliert, andere Alternativen geprüft und deren Umsetzungsszenarien evaluiert, hätten die Ausgaben in Höhe von 77.000 € vermieden werden können.

3.2 Zuwendungen des Landes für ein Gutachten

Die Aufträge für eine Analyse des Hochwasserrisikos wurden von einem Bürgermeisteramt im Namen eines Zweckverbandes freihändig ohne Vergleichsangebote für ein Gesamthonorar in Höhe von rd. 280.000 € vergeben (s. auch oben Pkt. 2.1). Das zuständige Regierungspräsidium hatte die im Angebot genannte Honorarsumme ohne Abstriche als zuwendungsfähige Aufwendungen anerkannt. Bestandteil des Zuwendungsbescheides waren die Allgemeinen Nebenbestimmungen nach § 44 LHO, Anlage 3, die in Pkt. 3 bestimmen, dass neben dem Gemeindewirtschaftsrecht die Vergabevorschriften und hier insbesondere die VOL/A zu beachten sind, wenn die Zuwendung 25.000 € übersteigt. Der in diesem Einzelfall zugesagte Zuwendungsbetrag lag mit rd. 197.000 € deutlich höher. Abgerechnet wurde diese Maßnahme mit förderfähigen Aufwendungen in Höhe von rd. 230.000 €. Die Maßnahme wurde letztlich durch eine Zuwendung des Landes in Höhe von rd. 161.000 € maßgeblich mitfinanziert. Es war nicht erkennbar, dass die Gewässerdirektion bzw. das Regierungspräsidium die Einhaltung der Nebenbestimmungen zur Förderung kontrolliert bzw. deren Umsetzung eingefordert hat. Die freihändige Vergabe ohne jegliches Vergleichsangebot wurde hingenommen.

Das Zuwendungsrecht verlangt, dass die Einhaltung und die Umsetzung der Bestimmungen der Zuwendungsbescheide überwacht und eingefordert werden.

3.3 Korrekte Vergabeverfahren

Lediglich zwei von 18 Vergaben waren nicht zu beanstanden. Diese Verfahren wurden nach dem Vergaberecht und unter Beachtung von Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten durchgeführt; sie waren ausreichend dokumentiert und entsprachen den formellen und materiellen Anforderungen. Diese positiven Beispiele sind ein Beleg dafür, dass selbst bei komplexen Inhalten die vergaberechtlichen Vorschriften eingehalten werden können.

Ein ordnungsgemäß abgewickeltes Vergabeverfahren des Landesvermessungsamtes bezog sich auf die Einführung des SAP-Systems in den Vermessungsdienststellen. Das Honorarvolumen lag bei rd. 899.000 €. Einer prospektiven Wirtschaftlichkeitsuntersuchung zufolge sollten durch den Einsatz des Programms SAP R/3 innerhalb von fünf Jahren Personalkosteneinsparungen in Höhe von rd. 4,5 Mio. € erzielt werden. Die Einsparungen hätten überwiegend bei den 35 staatlichen Vermessungsämtern generiert werden sollen. Da im Zuge der Verwaltungsstrukturreform die Vermessungsämter zum 01.01.2005 in die Landkreisverwaltungen integriert wurden, werden sich diese potenziellen Einsparungen allerdings nicht mehr auf den Landeshaushalt auswirken.

4 Schlussfolgerungen des Rechnungshofes

Die Prüfung der Vergabe von Gutachten bei nachgeordneten Behörden ergab im Wesentlichen die gleichen Mängel wie die Prüfung bei den Ministerien. Das Leitprinzip des Vergaberechts, der Wirtschaftlichkeits- und Wettbewerbsgrundsatz, wird bei der Gutachtensvergabe in der Landesverwaltung zu wenig beachtet. Die Ministerien sind gefordert, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen; hierzu wird auf die Empfehlungen der unter Pkt. 1 genannten Beratenden Äußerung verwiesen.

Die Ministerien sollten im Rahmen ihrer Fach- und Rechtsaufsicht dafür Sorge tragen, dass die nachgeordneten Stellen die Empfehlungen des RH konsequent umsetzen und anwenden. Dies gilt auch dann, wenn das Land Gutachten über Zuwendungen wesentlich mitfinanziert.

5 Novellierung des Vergaberechts

Seit dem 01.02.2006 gilt die EU-Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG vom 31.03.2004. Mit dieser Richtlinie werden die für den Bereich ab den EU-Schwellenwerten bisher geltenden Richtlinien für Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge der öffentlichen Auftraggeber zusammengefasst und novelliert. Diese Richtlinie gilt in Deutschland unmittelbar, da sie noch nicht in nationales Recht umgesetzt wurde. Für die öffentlichen Auftraggeber ergibt sich hieraus seit dem 01.02.2006 die Notwendigkeit, bei allen Vergabeverfahren, neben den weiterhin geltenden Bestimmungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, der Vergabeverordnung und der Verdingungsordnungen für Bauleistungen, für Leistungen und für freiberufliche Leistungen, die sich aus der EU-Richtlinie ergebenden Novellierungen zu berücksichtigen. Die niedrigen Schwellenwerte des § 2 der Vergabeverordnung gelten weiterhin.

Die grundlegende Reform des geltenden nationalen Vergaberechts mit dem Ziel einer Vereinfachung und Verschlankung soll zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen.

6 Stellungnahmen der Ministerien

Das MWK hat die Sachdarstellung und die vom RH vertretene Rechtsauffassung bestätigt und selbst konstatiert, dass das Vergabeverfahren insgesamt und die Abwicklung des Projekts Facility Management nicht den einschlägigen Vorgaben entsprachen. Die Universität bedauert, dass sich dieses Projekt im Laufe der Zeit als zu komplex und die Realisierung als nicht finanzierbar erwiesen habe, auch weil keine vorherige Ziel- und Leistungsbeschreibung erfolgt sei und das Projektmanagement nicht optimal funktioniert habe. Den bei dieser Prüfung gewonnenen Erkenntnissen werde bei künftigen Verfahren aber Rechnung getragen.

Das UM weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass durch diesen Denkschriftbeitrag zu Unrecht der Eindruck gravierender Vergabefehler erweckt werde. Die auf einem Übertragungsfehler beruhenden Doppelnennungen seien, bezogen auf die Anzahl und die Auftragsvolumina der Gutachten, marginal und würden im Ergebnis den Informationswert des Berichts der Landesregierung nicht in Frage stellen. Das gelte sinngemäß auch für die abweichenden Honorarangaben, die lediglich die konkreten Fragestellungen reflektierten.

Zur Kritik des RH an der Aufsicht des zuständigen Regierungspräsidiums bei der Vergabe der Gutachten zum Hochwasserrisiko stellt das UM fest, dass ein anderes Vorgehen zu keinem anderen Ergebnis geführt hätte. Aufgrund der Markt- und Preiskenntnis der vergebenden Stellen über die wenigen Anbieter mit entsprechenden Fachkenntnissen ließen Verhandlungen mit anderen Ingenieurbüros keine gleichwertige Leistung zu einem günstigeren Preis erwarten.

Ergänzend weist das UM darauf hin, dass die Schlussfolgerungen des RH so verstanden werden könnten, dass die im nachgeordneten Bereich festgestellten Unzulänglichkeiten in Kenntnis und entgegen den Empfehlungen in der Beratenden Äußerung (s. Pkt. 1) erfolgt wären. Die beanstandeten Fälle seien aber bereits vor Bekanntgabe der Beratenden Äußerung entstanden und nicht danach. Das UM halte es nicht für gerechtfertigt, die in der Vergangenheit liegenden Vorgänge erneut zu bemühen, um hieraus Verstöße auch gegen materielle Vergabegrundsätze abzuleiten und insbesondere zu unterstellen, freihändige Vergaben würden ohne Vorliegen und Beachtung der gesetzlichen Voraussetzungen durchgeführt.

7 Schlussbemerkung

Mit der ergänzenden Prüfung der Gutachtenvergaben ging es dem RH allein darum festzustellen, ob und inwieweit die Vergabemängel bei den Ministerien auch für die Aufgabenerledigung in den unteren Verwaltungsebenen zutreffen. Die Feststellung des RH in seiner Beratenden Äußerung vom Frühjahr 2005, wonach der Ausnahmefall der freihändigen Vergabe ohne jegliches Vergleichsangebot zur Regel geworden ist, hat sich ebenso bestätigt wie die fehlende Beachtung wirtschaftlicher Aspekte. Auch im nachgeordneten Bereich wurden mehr als 80 % der geprüften Gutachten ohne Wettbewerb vergeben. Dies ist nicht hinnehmbar. Nicht überzeugend sind auch Begründungen, wonach aufgrund der Markt- und Preiskenntnisse der vergebenden Stellen von vornherein ausgeschlossen werden könne, dass sich in Verhandlungen gleichwertige Leistungen zu einem günstigeren Preis erzielen ließen. Weder die vom RH vor Ort geführten Gespräche noch die geprüften Unterlagen haben hierzu begründete Anhaltspunkte ergeben. Diesen Vorgehensmustern, die letztlich zum Ausschluss des Wettbewerbs führen und die Korruptionsgefahr erhöhen, soll das Vergaberecht entgegenwirken.

Die Dringlichkeit und Notwendigkeit der am 01.06.2005 vom Landtag beschlossenen Forderungen, künftig bei der Prüfung der Notwendigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit strengere Maßstäbe anzulegen und vorrangig den eigenen Sachverstand zu nutzen sowie Gutachtenaufträge im Rahmen der vergaberechtlichen Bestimmungen verstärkt im Wettbewerb zu vergeben, werden durch diese Prüfung bestätigt. Das FM hat hierauf reagiert und am 11.07.2005 die Ministerien gebeten, die einstimmigen Beschlüsse des Landtags umgehend und mit Nachdruck umzusetzen. Künftig sollen in stärkerem Ausmaß auf die Fach- und Sachkompetenz der Bediensteten des Landes zurückgegriffen und die Vergaben an Dritte auf Ausnahmen beschränkt werden. Die späteren Berichte der Landesregierung und die Prüfungen der Finanzkontrolle werden zeigen, ob die Gutachtenvergaben der Landesverwaltung künftig stärker als bisher dem Wirtschaftlichkeits- und Wettbewerbsgrundsatz Rechnung tragen.


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Die vom Landtag geforderte gemeinsame Beschaffung von IuK-Geräten für die Landesbehörden sollte zügiger umgesetzt werden. Auch wissenschaftliche Einrichtungen können günstigere Preise erzielen und Verwaltungsaufwand sparen, wenn sie künftig Standardgeräte vermehrt über eine gemeinsame Beschaffungsstelle beziehen.


1 Beschluss des Landtags vom Dezember 2003

In der Denkschrift 2003, Beitrag Nr. 6, Beschaffung von IuK-Geräten, hatte der RH darauf hingewiesen, dass die Beschaffung von IuK-Geräten in der Landesverwaltung nicht in wirtschaftlich sinnvollem Umfang gebündelt wird und zu aufwendig ist. Durch eine gemeinsame Beschaffung mit wirtschaftlichen Losgrößen, reduzierter Gerätevielfalt durch Standardisierung und durch Nutzung der Internettechnik bei Ausschreibungen könnten Beschaffungen wirtschaftlicher und rechtssicherer gemacht werden.

Daraufhin ersuchte der Landtag im Dezember 2003 die Landesregierung,

  • die IuK-Arbeitsplatzausstattung zu vereinheitlichen,

 

  • die IuK-Arbeitsplatzgeräte in die Liste der gemeinsam zu beschaffenden Gegenstände aufzunehmen,

 

  • eine darauf spezialisierte Stelle mit der (möglichst durch das Internet gestützten) Ausschreibung und der Führung eines elektronischen Warenkorbs im Landesintranet zu beauftragen und

 

  • Refinanzierungsmöglichkeiten der gemeinsamen Beschaffungsstelle zu erproben (Drs. 13/2700).

Der Landtag ging dabei von einer zügigen Umsetzung seiner Beschlüsse aus und erbat mehrmals Berichte der Landesregierung zum Sachstand (Drs. 13/3484, 13/3699 und 13/4295). Das parlamentarische Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Die Finanzkontrolle hat die Umsetzung durch beratende Mitarbeit in einer vom IM eingerichteten Arbeitsgruppe begleitet und ihre Prüfungen im Wissenschaftsbereich fortgesetzt.

2 IuK-Beschaffung im Wissenschaftsbereich

2.1 Fachhochschulen, Pädagogische Hochschulen und Berufsakademien

Der RH hatte bereits früher festgestellt, dass in diesem Bereich Einzelbeschaffungen zu oft überhöhten Preisen durchgeführt wurden. Häufig wurden hierfür Mitarbeiter ohne hinreichende Kenntnisse der Vergabevorschriften und ohne ausreichende Erfahrung eingesetzt, was ungünstige Auswirkungen auf Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit hatte. Daran hat sich seither kaum etwas geändert. Weder werden Beschaffungen hochschulintern oder gar hochschulübergreifend gebündelt, noch steht - wie vom RH angeregt - ein bildschirmgestützter Prozessablauf zur Verfügung, der die Bediensteten durch den Beschaffungsvorgang leitet. Allerdings ist bisher auch noch kein gut gefüllter Warenkorb vorhanden, aus dem Standardgeräte ohne weiteren Verwaltungsaufwand abgerufen werden könnten. Ein problemloser Zugriff auf den rudimentär vorhandenen Warenkorb beim Landesbetrieb Logistikzentrum Baden-Württemberg (LZBW) ist überdies von den meisten Beschaffungsstellen der Hochschulen aus nicht möglich, weil diese vom Wissenschaftsnetz Bel-Wü keinen direkten Übergang zum Landesverwaltungsnetz haben.

Viele der bei Hochschulen eingesetzten Computer sind handelsübliche Geräte, wie sie auch in den Verwaltungsbehörden verwendet werden. Bisher sind die Hochschulen jedoch auf Selbsthilfe angewiesen, wenn sie Beschaffungen wirtschaftlicher und vergabekonformer durchführen wollen. So hat beispielsweise die Fachhochschule Reutlingen nach Hinweisen des StRPA Tübingen interne Beschaffungsrichtlinien mit Formularen für den Beschaffungsvorgang und zur Dokumentation eingeführt. Sie will mit Nachdruck darauf bedacht sein, dass Beschaffungen künftig gebündelt ausgeschrieben und die Dienste des LZBW verstärkt in Anspruch genommen werden. Der Warenkorb des LZBW sollte aber noch um weitere Standard-Hardware erweitert werden.

2.2 Universität Freiburg

2.2.1 Allgemeines

Das StRPA Freiburg hat 2005 die IuK-Ausgaben der Universität Freiburg geprüft und Stichproben zur Beschaffung durchgeführt. Damit hat sich die Finanzkontrolle, im Anschluss an die früheren Untersuchungen bei einigen Fachhochschulen, Pädagogischen Hochschulen und Berufsakademien, erstmals ein Bild über die Beschaffungen bei einer großen Universität verschafft.

2.2.2 IuK-Beschaffungsvorgänge

Für IuK-Technik hat die Universität Freiburg in den Jahren 2002 bis 2004 durchschnittlich 6 Mio. €/Jahr ausgegeben, davon 4,5 Mio. € für Gerätebeschaffungen. Rund drei Viertel der IuK-Ausgaben der Universität Freiburg wurden durch Landesmittel finanziert.

In der Universität sind mehr als 3.400 Bedienstete in elf Fakultäten und zentralen Einrichtungen beschäftigt. In Folge der dezentralen Budgetierung beschaffen mehr als 200 Organisationseinheiten eigenverantwortlich IuK-Geräte. Dabei werden jährlich fast 6.000 IuK-Beschaffungsvorgänge durchgeführt. Dies bedeutet, dass an jedem Arbeitstag durchschnittlich mehr als 20 Beschaffungen parallel bearbeitet werden. Davon entfallen täglich allein zwei Beschaffungsvorgänge auf PC, die übrigen 18 auf Nicht-Standardgeräte, Geräteergänzungen und Verbrauchsmaterial. Über das LZBW wurden bisher keine IuK-Geräte bezogen.

Die Aufträge wurden regelmäßig freihändig vergeben, weil die Einzelbeschaffungen jeweils nur ein geringes Volumen hatten. In einem Umfang von rd. einem Drittel wurden die Beschaffungen universitätsintern durch Mitarbeiter des Rechenzentrums des Klinikums der Universität mit einschlägigen Kenntnissen und Erfahrungen unterstützt. Zwei Drittel der Beschaffungen wurden jedoch eigenständig durchgeführt. Für die Bearbeiter entstand ein erheblicher Arbeitsaufwand für Preisvergleiche, Vergleiche der sonstigen Leistungen (z. B. Garantieleistungen) und Dokumentation der Vergabe. Verstärkt wird dieser Effekt durch eine Vielzahl von Lieferanten und durch unterschiedliche Produkte.

Im Jahre 2004 wurden beispielsweise bei 79 verschiedenen Lieferanten Arbeitsplatzrechner beschafft. Aufgrund fehlender Vorgaben/Empfehlungen für eine Standardisierung ist die IuK-Landschaft der Universität Freiburg sehr heterogen. Selbst bei den gleichen Herstellern werden in kurzen Zeitabständen je nach Angebotslage unterschiedliche Gerätetypen gekauft. Mitarbeiter der Universität berichten von Schwierigkeiten, wenn unabgestimmt beschaffte Geräte in die Datennetze der Universität einzubinden sind. Seitens der Universität wurde daher Bereitschaft signalisiert, auf freiwilliger Basis von der Landesverwaltung gemeinsam beschaffte Arbeitsplatzrechner abzunehmen. Voraussetzung sei, dass der Bezug einfach und ohne größeren Verwaltungsaufwand möglich ist.

2.2.3 Preisvergleiche für IuK-Beschaffungen

Preisvergleiche für PC waren nachträglich nur eingeschränkt möglich, da oft Komponenten eingebaut sind, die einem schnellen technischen Wandel unterliegen. Dies führt dazu, dass bei nicht genau zeitgleichen Beschaffungen gleichartiger Geräte die Ausstattungsmerkmale unterschiedlich sind. Für Drucker, bei denen Preisvergleiche möglich waren, hat die Universität Freiburg allerdings z. T. bis zu 17 % mehr bezahlt als sie beim Bezug über das LZBW hätte bezahlen müssen.

Eine weitere - eingeschränkte - Vergleichsmöglichkeit besteht bei dem von der Universität Freiburg 2004 gezahlten Durchschnittspreis für einen Arbeitsplatzrechner, an den keine besonderen Anforderungen gestellt wurden (sog. Standard-PC). Dieser Durchschnittspreis lag um 14 % über dem damals geltenden Preis für einen Standard-PC aus dem Warenkorb des LZBW. Zwar hat die Universität darauf hingewiesen, dass die von ihr beschafften Arbeitsplatzrechner regelmäßig eine bessere Ausstattung und z. T. neuere Komponenten als die vom LZBW angebotenen Standard-PC hatten. Fraglich ist jedoch, ob diese Ausstattungsvorteile in jedem Fall benötigt wurden.

Letztlich zeigen die Vergleiche, dass Beschaffungen über eine landesweit einheitliche Stelle zu wirtschaftlichen Vorteilen führen dürften, Standardisierung und Beschränkung auf erforderliche Ausstattungsmerkmale vorausgesetzt.

2.2.4 Gemeinsame Beschaffung von IuK-Verbrauchsmitteln für die Hochschulen

Die Hochschulen waren durch das MWK angehalten worden, DV-Zubehör (Verbrauchsmittel) über das Rechenzentrum des Universitätsklinikums Freiburg zu beschaffen. Obwohl die Ausschreibungen, die dieses Rechenzentrum jährlich durchführte, durchaus zu günstigen Ergebnissen geführt haben, hat das Interesse der anderen Hochschulen an der gemeinsamen Ausschreibung in den letzten Jahren deutlich nachgelassen. Daher kam es zu teilweise erheblichen Differenzen zwischen den ausgeschriebenen und den tatsächlich abgenommenen Mengen. Die Universität Freiburg erwartet, dass sich künftig ein Großteil der Hochschulen nicht mehr am gemeinsamen Beschaffungsverfahren beteiligen wird.

3 Aktivitäten der Landesverwaltung

3.1 Erforderliche Festlegungen

In ihren Berichten an den Landtag hat die Landesregierung eine Reihe von Absichtserklärungen abgegeben und mögliche Lösungen aufgezeigt, deren Umsetzung aber noch nicht abgeschlossen ist. Verbindliche Festlegungen über die Zuständigkeiten und die Finanzierung der Beschaffungsstelle stehen noch aus; daher fehlt eingeleiteten Aktivitäten die Durchsetzungskraft.

3.2 Vorgesehene Zuständigkeiten

Eine vollständige Zentralisierung der IuK-Beschaffung ist nicht vorgesehen. Die Landesregierung hat mitgeteilt, dass diese Aufgabe auf die beiden zum Geschäftsbereich des IM gehörenden Landesbetriebe Informatikzentrum Land Baden-Württemberg (IZLBW) und LZBW sowie auf den Landesbetrieb Landeszentrum für Datenverarbeitung im Geschäftsbereich des FM und weiterhin auch auf die Fachverwaltungen verteilt wird.

IuK-Standardgeräte sollen künftig IZLBW und LZBW in Arbeitsteilung beschaffen, weil im Informatikzentrum der IuK-Sachverstand für die Erstellung der Pflichtenhefte und die Beratung der Bedarfsträger, im Logistikzentrum hingegen der Sachverstand für Ausschreibungen vorhanden sei. Das LZBW soll die Ausschreibungen auf Basis der vom IZLBW gelieferten Pflichtenhefte durchführen und den Zuschlag erteilen. Für die Standardisierung seien das IM und das FM in Abstimmung mit dem Arbeitskreis Informationstechnik zuständig. Für die Beschaffung nicht standardisierbarer IuK-Lieferungen und -Leistungen sollen weiterhin die Fachverwaltungen und auch der Landesbetrieb Landeszentrum für Datenverarbeitung zuständig sein. Alle Dienststellen sollen sich allerdings künftig des LZBW-Sachverstands für (auch elektronisch gestützte) Ausschreibungen bedienen.

Die Arbeitsteilung zwischen IZLBW und LZBW ist angesichts der Komplexität von Vergaberecht und IuK-Technik vorläufig hinzunehmen. Die gemeinsame Beschaffung sollte allerdings jetzt nach der - vom IM als sehr erfolgreich bezeichneten - Pilotausschreibung zügig weiter umgesetzt werden. Im Hinblick auf die bevorstehenden Änderungen im Vergaberecht sollte die Beschaffung konsequent und verbindlich zentralisiert werden. Es wäre unwirtschaftlich, das bisher noch an vielen Stellen (anteilig) vorhandene Personal für Beschaffungen aufwendig fortzubilden, zumal Vergabeentscheidungen zunehmend komplexer werden und nicht zum Zuge gekommene Bieter sich häufiger zur Wehr setzen. Daher sollte auch die Vertretung des Landes vor der Vergabekammer möglichst einer einzigen Stelle übertragen werden.

Ob die Arbeitsteilung zwischen den drei Landesbetrieben (LZBW, IZLBW und Landeszentrum für Datenverarbeitung) und den Fachverwaltungen wirtschaftlich ist, müssen die weiteren Erfahrungen zeigen. Unabhängig davon bleibt generell zu klären, ob die beiden Rechenzentren IZLBW und Landeszentrum für Datenverarbeitung auf Dauer nebeneinander bestehen bleiben können. Nach Abschluss der Vorarbeiten sollten alle Beteiligten verbindlich angewiesen werden, ihre IuK-Ausschreibungen ausschließlich über das Logistikzentrum LZBW abzuwickeln.

3.3 Pilotausschreibung zur Standardisierung

Um die Standardisierung einzuleiten, hat das IZLBW im Herbst 2005 eine erste öffentliche Ausschreibung handelsüblicher Hardware und Finanzdienstleistungen für die gesamte Landesverwaltung durchgeführt (Pilotausschreibung).

Gegenstand waren - aufgeteilt in zugesagte Mindestabnahmemengen und geschätzte Höchstmengen - bis zu 15.000 PC, 1.000 Notebooks, 7.000 Drucker, 16.000 Bildschirme sowie Leasingkonditionen für ein Finanzierungsvolumen von 6 Mio. €. Aus den ausgeschriebenen Grundgeräten und einer Vielzahl möglicher, ebenfalls ausgeschriebener Ergänzungen und Erweiterungen soll jedes Ministerium ressorttypische PC und Notebooks zusammenstellen können.

Die Ausschreibung wurde über das Internet abgewickelt (sog. „e-Vergabe“). Etwa 100 Interessenten haben die Unterlagen heruntergeladen.

Der bisherigen Kritik an länger laufenden Verträgen, die eine zeitnahe Preisanpassung nicht zuließen, begegnet das Land durch zeitnah wirkende Anpassungsklauseln. Die Bieter mussten einen auf Referenzpreislisten anzuwendenden Rabattsatz nennen. Preissenkungen während der Vertragslaufzeit muss der Bieter vollständig weiter geben. Das IM will die Beschaffungsstelle beauftragen, monatlich die Preisentwicklung zu prüfen und zu dokumentieren. Je nach Gerät betragen die Rabatte zwischen knapp 30 % und mehr als 50 % auf die Referenzpreislisten.

Die Ausschreibung beinhaltet eine große Vielfalt möglicher Ausstattungsmerkmale, um den zahlreichen Wünschen der Ressorts gerecht zu werden. Eine Standardisierung ist mit dieser Pilotausschreibung daher nur ansatzweise gelungen. Alles in allem hat das Vergabeverfahren aber trotzdem günstige Preise gebracht, und der Vertrag lässt die notwendige Flexibilität bei der Preisanpassung zu. Die Landesverwaltung sollte zügig den weiteren Bedarf an IuK-Geräten und -Dienstleistungen erheben und - gestützt auf die gewonnenen Erfahrungen aus der Pilotausschreibung - die weiteren gemeinsamen Vergaben vorbereiten.

3.4 Vergabeplattform und elektronischer Warenkorb

Das LZBW benötigt zur Umsetzung der elektronisch gestützten Beschaffung (e-Procurement) zwei verschiedene DV-Verfahren: eine Software zur Durchführung der Ausschreibungen und zur Auswertung der Angebote („e-Vergabe; Vergabeplattform“) sowie eine weitere Software zur Verwaltung der Gegenstände und deren Bereitstellung in einem elektronischen Warenkorb (e-Bestellung). Mit seiner derzeit installierten Vergabeplattform ist es nur bedingt in der Lage, auch umfangreiche Leistungsverzeichnisse internetfähig aufzubereiten und zum Abruf zur Verfügung zu stellen. Weitere Investitionen sind erforderlich. Außerdem gibt es bei der Realisierung des elektronischen Warenkorbs technische Hürden. Die Software zur Führung des Warenkorbs muss hierfür erneuert, benutzerfreundlicher gestaltet und für zeitgemäß bebilderte und bepreisbare Artikeldarstellungen flexibilisiert werden. Außerdem fehlt Personal für die Pflege des elektronischen Shops. Das LZBW sieht sich folglich derzeit nur fachlich, nicht aber personell, technisch, finanziell und organisatorisch, in der Lage, die mit der Führung des Warenkorbs und einem Berichtswesen zusammen hängenden Arbeiten zu übernehmen. Ähnliches gilt nach Auffassung des LZBW auch für zusätzliche Ausschreibungen in nennenswerter Zahl.

3.5 Verbindlichkeit des Warenkorbs

IuK-Standardgeräte unterliegen noch nicht der verbindlich angeordneten gemeinsamen Beschaffung nach der Beschaffungsanordnung (BAO) . Damit fehlt ein Nutzungszwang. Trotzdem waren schon seit Jahren einzelne DV-Geräte, die das FM für seinen Geschäftsbereich über Verträge mit Öffnungsklauseln beschafft hat, im Büroshop eingestellt. Die Landeseinrichtungen haben von diesem Angebot jedoch kaum Gebrauch gemacht, weil es technisch nur wenig praxisgerecht war und vor allem auch, weil marktbedingte Preissenkungen der Geräte nicht nachvollzogen wurden.

Selbst IuK-Verbrauchsmaterial, dessen gemeinsame Beschaffung verbindlich geregelt ist, wird nur teilweise über den Büroshop bezogen.

Offenbar sind sich das FM und das IM auch noch nicht über den geeigneten Dienstleister einig. Das FM lässt nämlich beim privaten Dienstleister für den Betrieb der DV-Verfahren der Neuen Steuerungsinstrumente (NSI) einen dem Büroshop vergleichbaren Warenkorb führen und macht insoweit Parallelarbeit zum IM.

3.6 Refinanzierung

Die Landesregierung hat berichtet, dass der Aufwand des IZLBW und des LZBW grundsätzlich von den Bedarfsträgern finanziert werden soll. Dazu seien allerdings noch entsprechende Regelungen zu schaffen. IZLBW und LZBW wollen eine umsatzabhängige Vergütung erproben.

Solange Organisations- und Finanzierungsfragen nicht geklärt sind, wird die gemeinsame Beschaffung nicht funktionieren können. Ebenso wie der RH geht auch der Landtag davon aus, dass bei den bisher zuständigen Ressorts Personal freigesetzt werden kann (Drs. 13/4295).

4 Offene Punkte und Wertung

Die gemeinsame Beschaffung standardisierter IuK-Geräte ist trotz eines eindeutigen Beschlusses des Landtags vor fast drei Jahren noch nicht verbindlich eingeführt. Insbesondere ist das LZBW nicht in notwendigem Umfang ausgestattet worden. Die Ministerien wollen keine Personalstellen und keine Mittel abgeben; über eine umsatzabhängige Finanzierung ist bisher keine Entscheidung gefallen. Unsicherheit herrscht bei den Dienststellen auch, weil IuK-Geräte bislang nicht in die Liste der gemeinsam zu beschaffenden Güter aufgenommen worden sind.

Angesichts des erheblichen Einsparpotenzials, das der RH 2003 auf etwa 3 Mio. € jährlich geschätzt hat, sollten daher unverzüglich

  • das LZBW als gemeinsame Beschaffungsstelle mit dieser Aufgabe betraut,
  • die BAO ergänzt,
  • die Finanzierung geregelt und
  • Beschaffungs-Work-Flows verbindlich vorgeschrieben

werden.

Die freiwillige Teilnahme für wissenschaftliche Einrichtungen sollte durch einfachere Netzwerkübergänge erleichtert werden.

Dem Beispiel anderer Verwaltungen folgend, die deutlich weiter sind als Baden-Württemberg, sollten die neuen Medien offensiver genutzt werden. Auch der Bund hat zu Beginn des Jahres 2005 die Veröffentlichungspflichten von Vergabeverfahren neu geregelt. Danach sind alle öffentlich bekannt zu machenden Vergabeverfahren des Bundes auf dem Dienstleistungsportal „www.bund.de“ elektronisch zu veröffentlichen . Ein ähnliches Instrument stünde dem Land mit seinem Portal „www.service-bw.de“ zur Verfügung.

5 Stellungnahme der Ministerien

Das IM vertritt die Auffassung, dass seit der Denkschrift 2003 wesentliche Erfolge bei der Standardisierung der IuK sowie der gemeinsamen Beschaffung von IuK-Geräten und IuK-Dienstleistungen erreicht werden konnten und verweist auf die Pilotausschreibung 2005 des LZBW. Es dürfe nicht verkannt werden, dass bei der Konzentration der IuK-Beschaffung auf eine zentrale Beschaffungsstelle eine Aufgabenübertragung aus technischen, organisatorischen und personellen Gründen nur sukzessive möglich und durchsetzbar sei. Es stimme aber mit dem RH überein, dass es noch einer weiteren ständigen Optimierung der Standardisierung sowohl bei den IuK-Geräten als auch bei den IuK-Dienstleistungen und einer kontinuierlichen Verbesserung des Beschaffungsprozesses bedürfe. Dennoch sei die Landesverwaltung auf dem Weg hin zur gemeinsamen Beschaffung von IuK-Geräten ein gutes Stück vorangekommen.

Das MWK warnt davor, die Befunde des RH verallgemeinernd dahin zu interpretieren, dass im wissenschaftlichen Bereich Einzelbeschaffungen zu oft überhöhten Preisen durchgeführt würden. Aus dem laufenden Prüfungsverfahren bei der Universität Freiburg seien nur Einzelfälle bekannt, bei denen die im Warenkorb des LZBW ausgewiesenen Preise geringfügig überschritten würden. Auch lägen schriftliche Äußerungen der StRPÄ vor, wonach das Beschaffungsverfahren bei geprüften Fachhochschulen nicht zu beanstanden sei. Das MWK räumt jedoch ein, dass es im Beschaffungswesen der Hochschulen und Berufsakademien Verbesserungsmöglichkeiten, z. B. durch zentrale Beschaffungen, gibt. Grundsätzlich bestehe seitens der Hochschulen und Berufsakademien erhebliches Interesse, den Warenkorb des LZBW bei ihren Beschaffungsmaßnahmen mit einzubeziehen. Hinsichtlich der vom RH angeführten unzureichenden Anbindung der Hochschulen und Berufsakademien an das Landesverwaltungsnetz seien IM und MWK bereits tätig geworden und hätten einen Leitfaden für das Landesverwaltungsnetz erstellt. Die Anbindung müsse seitens der Einrichtungen selbst realisiert werden.

Weiter weist das MWK darauf hin, dass die Universität Freiburg aufgrund ihrer Aufgabenstellung in Anlehnung an die Fächerstruktur organisatorisch und verwaltungsmäßig in der Breite aufgestellt sei und in Konsequenz dieser Gegebenheiten eine vom Gesetzgeber für den Hochschulbereich ermöglichte und gewollte weitgehende dezentrale Ressourcenverantwortung praktiziere. Eine weitere Konzentration des Beschaffungswesens bleibe der Autonomie der Universität vorbehalten. Sollten sich über das LZBW künftig günstigere Beschaffungsmöglichkeiten ergeben, beabsichtige die Universität Freiburg, verstärkt auf Angebote des LZBW zurückzugreifen. Grundsätzlich bestehe zwischen MWK und RH Einvernehmen, dass die freiwillige Teilnahme an der gemeinsamen Beschaffung noch mehr ins Bewusstsein der Hochschulverwaltungen rücken müsse.

Die gemeinsame Beschaffung von IuK-Verbrauchsmitteln für die Hochschulen durch das Rechenzentrum des Klinikums der Universität Freiburg solle aufgegeben werden. Aufgrund der geänderten Rahmenbedingungen (Angebot des LZBW, günstige Angebote auf dem freien Markt) bestehe kein weiterer Bedarf an diesem Service.

Bei den noch ungeklärten, aber hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit entscheidenden, Fragen sei unstrittig, dass neben der vom LZBW vorgehaltenen Plattform keine weiteren e-Procurement-Lösungen in Baden-Württemberg vorgehalten werden dürfen. Die verschiedenen Lösungsansätze zur Führung elektronischer Warenkörbe sollten im Lauf des Jahres 2006 in Einklang gebracht werden. Die beim LZBW entstehenden personellen, sachlichen und organisatorischen Mehraufwendungen müssten haushaltsneutral finanziert werden. Das WM betreibe im Rahmen seiner Zuständigkeit für das Beschaffungswesen der Landesverwaltung schon seit längerer Zeit die verbindliche Einbeziehung von IuK-Geräten in die gemeinsame Beschaffung über das LZBW. Schon heute ergäbe sich aus der LHO ein Nutzungszwang, wenn die gemeinsam beschafften standardisierten Geräte die wirtschaftlichste Lösung darstellen. Das WM habe im 2. Halbjahr 2005 entsprechende Rohentwürfe für eine Neufassung der Verwaltungsvorschrift der Landesregierung über die Beschaffung in der Landesverwaltung Beschaffungsanordnung BAO samt einer Kabinettsvorlage dazu erarbeitet. Nach den erforderlichen Vorabstimmungen zur Ressourcenfrage in den betroffenen Ressorts werde die Ressortanhörung und danach die Kabinettsbefassung eingeleitet. Die Kabinettsvorlage werde auch einen Vorschlag zur Finanzierung enthalten.

Die Dienstleistung „e-Vergabeservice“, die das LZBW gegen Kostenerstattung anbietet, werde durchaus angenommen und solle auch nach der Beendigung der Pilotphase als Standarddienstleistung - nicht nur für IuK - im Regelbetrieb fortgesetzt werden.

Die angesprochene elektronische Veröffentlichung von Vergabebekanntmachungen auf dem Landesportal „www.service-bw.de“ werde zwar grundsätzlich unterstützt. Sie sollte aber im Hinblick auf die derzeit noch nicht abgeschlossene Diskussion um die erwogene Veräußerung der landeseigenen Staatsanzeiger für Baden-Württemberg GmbH vorerst zurückgestellt werden.

6 Schlussbemerkung

Die Stellungnahmen der Ministerien haben deutlich gemacht, dass die Landesverwaltung die Auffassung des RH hinsichtlich der künftigen Gestaltung der IuK-Gerätebeschaffung grundsätzlich teilt. Die Vorteile einer gemeinsamen Beschaffung wurden nicht bestritten. Auch die mit der Beschaffung befassten Mitarbeiter fordern schon lange praktikable Lösungen. Der RH bleibt bei seiner Einschätzung, dass Beschaffungen durch die einzelnen Universitätsinstitute bei Standardprodukten vermeidbaren Mehraufwand verursachen. Auch wissenschaftliche Einrichtungen sollten daher ihre Standard-IuK-Geräte aus dem elektronischen Warenkorb des LZBW abrufen.

Der Denkschriftbeitrag soll den Prozess der gemeinsamen Beschaffung fördern. Vor allem sollte die Standardisierung mit noch mehr Nachdruck verfolgt werden.


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Einzelplan 03: Innenministerium

Förderanträge für große Infrastrukturvorhaben im öffentlichen Personennahverkehr wurden häufig nicht ausreichend geprüft. Zahlreiche Erhöhungsanträge waren die Folge.Im Hinblick auf den wirtschaftlichen Einsatz knapper Fördermittel und zur Verwaltungsvereinfachung regt der Rechnungshof qualifizierte Antragsprüfungen und Anteilsfinanzierungen mit Höchstbetragsbegrenzung an. In einem Einzelfall kann damit die Förderung um 8 Mio. € reduziert werden.


1 Vorbemerkung

Das Land fördert nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) schwerpunktmäßig den Ausbau der Straßen- und Stadtbahnsysteme durch

  • Streckenneu- und -ausbauten (einschließlich Haltepunkten) und
  • Neubauten von Betriebshöfen und zentralen Werkstätten.

Für die Förderung standen in den vergangenen Jahren jährlich bis zu 200 Mio. € zur Verfügung; infolge von Einsparauflagen ging der Betrag inzwischen auf rd. 65 Mio. € zurück. Außerdem wurde der Fördersatz der Anteilsfinanzierung im Zuge einer Übergangsregelung 2004 von maximal 85 % auf maximal 75 % abgesenkt. Danach gilt der höhere Fördersatz nur noch bei Vorhaben, für die bis zum 30.11.2003 ein Förderantrag auf eine erstmalige Bewilligung vorlag und die noch vor dem 30.06.2004 begonnen wurden.

Der RH hat bei 21 Vorhaben, deren jeweiliges Fördervolumen von rd. 10 Mio. € bis zu mehr als 50 Mio. € reichte, den Verfahrensablauf insbesondere unter dem Aspekt der Erhöhungsanträge betrachtet.

Bei den genannten Infrastrukturvorhaben traten z. T. in erheblichem Umfang Erhöhungen der Bauausgaben auf. Nachfinanzierungen sind aber nur förderfähig, wenn Umstände vorliegen, die vom Antragsteller nicht zu vertreten sind. Hierzu gehören in erster Linie allgemeine Preissteigerungen oder nicht vorhersehbare Schwierigkeiten während der Bauausführung.

2 Anzahl der Erhöhungsanträge

Die geprüften Vorhaben wiesen - nach dem ersten Antrag zur GVFG-Förderung - zusammen 26 Erhöhungsanträge auf. Zu 12 der 21 Vorhaben lagen zum Zeitpunkt der Prüfung keine Erhöhungsanträge vor; bei den übrigen neun gab es bis zu zehn Erhöhungsanträge je Vorhaben.

Da die Mehrzahl der Vorhaben noch nicht schlussgerechnet ist, sind bei allen Vorhaben weitere Erhöhungen nicht ausgeschlossen, zumal das Ministerium dazu übergegangen ist, die Festsetzung der zuwendungsfähigen Ausgaben auf die Verwendungsprüfung nach Abschluss der Maßnahme zu verschieben und daher viele Vorhabensträger während der Bauausführung keine Erhöhungsanträge mehr vorlegen.

3 Umfang der Nachträge

Die Erhöhungen bewegten sich zwischen knapp 1 Mio. € und mehr als 15 Mio. €; bezogen auf die im ersten GVFG-Förderantrag angesetzten zuwendungsfähigen Ausgaben betrugen sie bis zu 90 %.

Die Erhöhungsanträge sowie die Zuwendungsfähigkeit der beantragten Mehrausgaben wurden von den Bewilligungsstellen nicht konsequent genug hinterfragt. Im Übrigen führten Planungsnachlässigkeiten sowie zu knapp kalkulierte Bauausgaben zu Beginn des Zuwendungsprozesses häufig dazu, dass das Ministerium das Vorhaben als wirtschaftlich und damit förderfähig einstufte. Verschlechtert sich die Wirtschaftlichkeit im Nachhinein jedoch durch die geradezu zwangsläufigen Erhöhungen, war und ist die Bewilligungsstelle aber nicht mehr in der Lage, den Bau einer Anlage zu stoppen.

4 Ursachen für Erhöhungsanträge

Im Wesentlichen sind die Gründe für die Erhöhungsanträge den in Übersicht 1 dargestellten Kategorien zuzuordnen.

 

Die Begründungen der Antragsteller passten im Wesentlichen in das Schema akzeptabler Erhöhungen. Ausgelöst wurden sie aber in der Regel dadurch, dass die Bewilligungsstelle die Vorhaben eingangs nicht daraufhin geprüft hatte, ob sie technisch mit dem vom Antragsteller gewählten Kostenansatz überhaupt umsetzbar waren. Nur in einigen Fällen sah das Ministerium die eingereichten Erhöhungsanträge kritisch („Planungsfehler sind zu vermuten“); förderrelevante Konsequenzen wurden jedoch nicht gezogen.

Die Antragsteller konnten daher davon ausgehen, dass die Erhöhungsanträge - unabhängig von der jeweiligen Begründung - von der Bewilligungsstelle angenommen werden. Sie hatten insofern einen großen Spielraum, „kreativ“ mit den Erhöhungen umzugehen und Vorhaben nahezu beliebig auszuweiten und/oder zu ergänzen bzw. wenig solide Planungen erst im Verlauf der Bauausführung zu korrigieren.

5 Zeitliche Abwicklung

Erhöhungsanträge sind unverzüglich nach Bekanntwerden der Erhöhung, auf jeden Fall vor Ausführung der Bauleistung, der Bewilligungsstelle vorzulegen, damit diese den Antrag möglichst zeitnah zum Entstehen von Ausgabensteigerungen prüfen und aktiv das Förderverfahren und die finanziellen Auswirkungen für das Land steuern kann.

Bei den ausgewerteten Vorhaben zeigte sich allerdings, dass die meisten Erhöhungsanträge erst während oder nach der Bauausführung vorgelegt wurden. Der Bewilligungsstelle waren damit nahezu alle Prüfungs- und Steuerungsinstrumentarien aus der Hand genommen.

6 Verwendungsnachweise

Bei fast keinem der vom RH untersuchten Vorhaben wurden bislang die Verwendungsnachweise durch die Bewilligungsbehörden geprüft. Nachdem die Zeitpunkte der Inbetriebnahme (entspricht der Abnahme der Bauleistung) zwischen zwei und zehn Jahre zurückliegen, kann außerdem von einer fristgerechten Vorlage der Verwendungsnachweise (im Normalfall ein Jahr nach Inbetriebnahme) nicht die Rede sein (s. Übersicht 2).

 

Eine in die Prüfung der abschließenden Verwendungsnachweise verlagerte Überprüfung von Erhöhungsanträgen wird, da gewachsenes Wissen über die Vorhaben fehlt, dann nicht nur zeit- und arbeitsintensiv; es wird auch nahezu unmöglich, berechtigte Absetzungen bei den zuwendungsfähigen Ausgaben gegenüber den Antragstellern durchzusetzen.

7 Empfehlungen

7.1 Sorgfältige Antragsprüfung

Die gründliche Antragsprüfung ist Voraussetzung für ein stimmiges Förderverfahren; Mängel und Versäumnisse während der Antragsprüfung wirken sich bis zum Ende belastend aus, da sie später nur mit hohem Personal- und Zeitaufwand zu beheben sind. Deshalb sollte die bisherige Vorgehensweise des Ministeriums, Erhöhungsanträge, und sogar die Prüfung des Förderantrags, in die Verwendungsprüfung zu verschieben, aufgegeben werden.

7.2 Prüfung der Verwendungsnachweise von Altfällen

Die verzögerte Verwendungsnachweisprüfung der Vorhaben bedeutet ein Risiko für die Bewilligungsstelle, da sich eine Ungewißheit über die endgültige Höhe der Zuwendungen aufbaut. Deshalb empfiehlt der RH für die Altfälle, dass die Bewilligungsstelle die betroffenen Zuwendungsnehmer bis zu einem festzulegenden Stichtag letztmalig zur Vorlage der Verwendungsnachweise auffordert, um dann über die Erhöhungsanträge zu entscheiden.

7.3 Vereinfachung des Förderverfahrens durch Höchstbetragsfinanzierung

Eine große Vereinfachung wäre die Anwendung der Höchstbetragsfinanzierung, bei welcher der Förderbetrag auf der Grundlage des geprüften Förderantrags verbindlich festgesetzt wird. Die Bewilligungsstelle ist hierbei gefordert, eine qualifizierte und umfassende Antragsprüfung durchzuführen. Die Sinnhaftigkeit der Höchstbetragsfinanzierung wird in dem nachfolgenden Beispiel verdeutlicht.

8 Anwendung der Höchstbetragsfinanzierung - Neubau eines Betriebshofs

Ein Verkehrsunternehmen stellte von 1999 bis 2005 für den beabsichtigten Bau eines Betriebshofs für Schienenfahrzeuge verschiedene Förderanträge nach dem GVFG. Das Gesamtvorhaben soll folgende Maßnahmen umfassen:

  • eine Werkstatt,
  • eine Abstellhalle für insgesamt 72 Schienenfahrzeuge,
  • Gebäude auf dem Betriebshofgelände (Kopfbau usw.),
  • Neu- und Ausbauten auf den Zulaufstrecken und
  • den Umbau der bestehenden Straßenbahnabstell- und Wartungshalle zu einer Busabstellhalle.

Die Abfolge der Förderanträge ist in Übersicht 3 dargestellt.

 

Der Bauabschnitt 1b soll dann die restliche Abstellhalle sowie einen Kopfbau oder Querriegel umfassen, in dem Verwaltungspersonal untergebracht werden soll; der Zeitpunkt der Antragstellung sowie die zu veranschlagenden Bauausgaben hierfür sind derzeit nicht abschätzbar.

Die beantragten zuwendungsfähigen Ausgaben sind zwischen dem so genannten Hauptantrag (1999) und dem aktualisierten Förderantrag (2005) um rd. 30 Mio. € oder 57 % gestiegen; der letzte Anstieg wurde vor allem mit höheren Ausgaben für Bauwerke und bahntechnische Ausrüstungen begründet. Die bislang durchgeführte fachtechnische Prüfung des Ministeriums erbrachte (vorläufig) bereits Absetzungen bei den zuwendungsfähigen Ausgaben des Gesamtvorhabens von rd. 9 Mio. € und des Bauabschnitts 1a von 2,5 Mio. €.

Dennoch sind Erhöhungen in dem dann noch vorhandenen Umfang von rd. 40 % kaum nachvollziehbar und nur begrenzt durch allgemeine Preissteigerungen erklärbar. Deshalb dürfte 1999 eine Antragstellung auf der Grundlage nicht ausgereifter Planungen und vorläufiger Kostenschätzungen vorgelegen haben, die erst zu einem viel späteren Zeitpunkt auf eine realistischere Basis gestellt wurde. Prüfungserfahrungen zeigen, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass im Verlauf der Abwicklung der Gesamtmaßnahme weitere Mehrausgaben hinzukommen werden.

Auch wenn die grundsätzliche Förderfähigkeit des Betriebshofs mit Werkstatt und Abstellhalle anerkannt wird, bleiben angesichts der Dauer von sechs Jahren bis zur Vorlage eines prüfbaren Antrags die Fragen nach der Dringlichkeit und des wirtschaftlichen, also förderfähigen, Umfangs des Vorhabens.

Wegen der bisherigen Ausgabenentwicklung und der für eine Förderung problematischen Punkte empfiehlt der RH eine Höchstbetragsfinanzierung, zumal weitere Erhöhungen nicht auszuschließen sind, da der Vorhabensträger bislang schon durch hohe und häufige Erhöhungen bei großen Infrastrukturvorhaben aufgefallen ist. Der Höchstbetrag für das eingangs dargestellte Vorhaben sollte maximal 33 Mio. € betragen.

9 Stellungnahme des Ministeriums

Das Ministerium verweist darauf, dass die Abwicklung von Projekten in der Regel iterativ erfolge und Vorhabensträger bereits in der Projektplanung erfahren wollen, ob ein Vorhaben gefördert werden könne und sich weitere Planungen lohnen. Es vertrete daher die Ansicht, dass Zuwendungen im öffentlichen Personennahverkehr nicht nur von der Höhe der tatsächlich anfallenden Ausgaben abhängen dürften, sondern primär vom Sinn und Zweck des zu realisierenden Vorhabens. Daher habe man sich in der Vergangenheit „auf das Wesentliche konzentriert“ und Bauanträge zur Verbesserung der Infrastruktur des öffentlichen Personennahverkehrs unterstützt, zumal man bei größeren Vorhaben nur in der Lage sei, die Angemessenheit einer vorgesehenen Lösung zu beurteilen und „Kostenausreißer“ nach oben zu hinterfragen.

Im Übrigen sei nur bei einigen wenigen Vorhaben die Festsetzung der zuwendungsfähigen Ausgaben erst im Zuge der Verwendungsprüfung erfolgt. Das Ministerium beabsichtige, auch zukünftig im Einzelfall Fristverlängerung für die Einreichung des Schlussverwendungsnachweises einzuräumen, weil Überschreitungen der Fristen ihre Ursachen u. a. in der Komplexität der Vorhaben und der Zuordnung von Ausgaben sowie in Streitigkeiten wegen offener Nachforderungen haben können. Auch sehe es keine Schwierigkeiten, berechtigte Absetzungen gegenüber dem Zuwendungsnehmer später noch durchzusetzen.

Die knapper werdenden Fördermittel hätten das Ministerium überdies bereits im Hj. 2005 veranlasst, vorrangig Altfälle zu finanzieren und nur noch in ganz besonders begründeten Ausnahmefällen einen vorzeitigen Baubeginn zuzulassen. Auch habe das Ministerium hinsichtlich der Erhöhungsanträge im Jahr 2004 bereits angemessen reagiert und den Fördersatz für Änderungsanträge von 80 % auf 60 % abgesenkt. Im Weiteren betont das Ministerium, dass die vom RH als Höchstbetragsfinanzierung bezeichnete „Deckelung“ der Zuwendungen keine Neuerung darstelle, sondern dass - allerdings bei kleineren Vorhaben - dies bereits in der Vergangenheit angewandt worden sei.

Im dargestellten Förderfall sehe das Ministerium die Ursache der Verzögerungen in nicht abgeschlossenen Rechtsverfahren und den sich hinziehenden Grundstücksverhandlungen. Ferner habe die Befassung des RH mit dem Vorhaben den Vorhabensträger verunsichert und zur Überprüfung seiner Planungen veranlasst.

Als Ergebnis des Bemühens, den Bauaufwand zu beschränken, sei das Ministerium vom Verkehrsunternehmen mit Schreiben vom 18.02.2006 darüber informiert worden, dass insbesondere der Bau von Teilen des Betriebsdienstgebäudes und eines Drittels der Abstellanlagen zurückgestellt würde. Auch sei beabsichtigt, die übrigen Bauphasen zunächst nicht weiter zu verfolgen und den Grunderwerb zugunsten einer Erbpacht zurückzustellen. Das IM halte das vorgelegte Planungskonzept mit Gesamtausgaben von 46,2 Mio. € für umsetzungsfähig. Die Prüfung durch das Ministerium habe zuwendungsfähige Ausgaben von 40,5 Mio. € ergeben. Entsprechend der Anregung des RH beabsichtige es nunmehr, das Vorhaben mit einem Höchstbetrag von 29,9 Mio. € zu fördern. Bei der Festsetzung der Zuwendung würden auch die neuen Förderkriterien berücksichtigt.

10 Schlussbemerkung

Im Hinblick darauf, dass sich die Mittelsituation im öffentlichen Personennahverkehr zusehends kritischer gestaltet, sollte nur das zur Erreichung des Förderziels unabdingbar Notwendige bezuschusst werden. Dies setzt aber zwingend voraus, dass die Bewilligungsstellen eine umfassende Prüfung der vollständigen Antragsunterlagen durchführen können. Hier sind also sowohl die Bewilligungsstellen als auch Antragsteller/Vorhabensträger gefordert, das bisherige Muster aus unzureichender Durchführung der Förderverfahren und nachlässigen, mit Mängeln behafteten Antragsunterlagen, die nachfolgend durch Erhöhungsanträge behoben wurden, zu durchbrechen.

Für das Land als Zuwendungsgeber ist eine aufwendige und teure Fördersituation entstanden, mit mittlerweile kaum mehr zu überschauenden finanziellen Folgen. Deshalb regt der RH an, konsequent die Altfälle abzuarbeiten, nur noch solche Förderanträge anzunehmen, die dem Zuwendungsrecht entsprechen, und verstärkt - durchaus bei allen, nicht nur kleineren Vorhaben - das Instrument der Höchstbetragsfinanzierung, wie an dem Beispiel des Betriebshofs verdeutlicht, einzusetzen.

So veranschaulicht gerade das sich über Jahre hinziehende Antragsverfahren für den Betriebshof, wie unerlässlich zuverlässige Planungen und seriöse Kostenansätze für das Land als Zuwendungsgeber sind. In Folge der frühzeitigen Befassung des RH mit diesem Vorhaben wurde die zwischenzeitlich beabsichtigte Lösung nochmals optimiert und in einzelnen Bestandteilen modifiziert. Die „Deckelung“ der Fördermittel auf nunmehr rd. 30 Mio. € stellt einen wichtigen Schritt in die aus Sicht des RH richtige Richtung dar. Angesichts verstärkter Finanzierungs- und Personalengpässe erleichtert eine solche Entwicklung die Arbeit der Bewilligungsstelle. Eine Höchstbetragsfinanzierung nutzt aber auch den Vorhabensträgern, da sie die Fördergrenze kennen und ihre eigene Finanzierung sowie die Bauausführung darauf ausrichten können. Zugleich zwingt die Höchstbetragsfinanzierung zu konsequenter Ausgabendisziplin. Schließlich können bei gegebenem Fördervolumen mehr Projekte realisiert werden.


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Im Zuge von Straßenbaumaßnahmen wurden Durchlässe für Amphibien errichtet, bei denen erhebliche Defizite bezüglich Planung, Bauausführung und Unterhaltung vorliegen. So wurden zwar mit teilweise großem Aufwand Anlagen gebaut, die dann aber nur unzureichend unterhalten und damit wirkungslos wurden. Eine Verbesserung des gesamten Amphibienschutzes einschließlich der Abstimmung zwischen Straßenbau- und Naturschutzverwaltung ist deshalb erforderlich.


1 Ausgangslage

Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft durch Straßenbaumaßnahmen sind nach dem Landesgesetz zum Schutz der Natur, zur Pflege der Landschaft und über die Erholungsvorsorge in der freien Landschaft (Naturschutzgesetz) möglichst zu vermeiden. Daher baut die Straßenbauverwaltung u. a. Schutzanlagen, die den Amphibien bei ihren Wanderungen eine sichere Querung der Straßen ermöglichen sollen. Querungshilfen können mobile (Schutzzäune) oder stationäre (Amphibiendurchlässe mit Leiteinrichtungen) Schutzanlagen sein.

Der RH und die StRPÄ Freiburg, Karlsruhe und Stuttgart haben in den Jahren 2003 und 2005 bei mehr als 30 Straßenbaumaßnahmen die stationären Anlagen für den Amphibienschutz geprüft. Dabei wurde festgestellt, dass Defizite bezüglich Planung, Bauausführung und Unterhaltung der stationären Anlagen vorliegen. Nachdem das IM 2005 den künftigen finanziellen Bedarf für den dringlichen Bau von Anlagen für den Amphibienschutz an Bundes-, Landes- und Kreisstraßen auf rd. 20 Mio. € bezifferte (davon allein 10 Mio. € an Landesstraßen), sieht der RH hier erhebliche Einsparpotenziale und Verbesserungsmöglichkeiten.

2 Grundlagen für den Bau der Anlagen für den Amphibienschutz

Damit Straßenbaumaßnahmen durch Anforderungen des Artenschutzes nicht ins Stocken gerieten, akzeptierte die Straßenbauverwaltung trotz unzureichender oder veralteter Datengrundlagen (z. B. zur Amphibienpopulation, zum Wanderverhalten oder zum Gefährdungsgrad) in der Regel alle Forderungen des privaten oder behördlichen Naturschutzes. Auf der Grundlage ökologischer Gutachten folgte die Straßenbauverwaltung oft zu bereitwillig den Vorstellungen der Naturschützer. Eine sachgerechte Abwägung zwischen einem ausgewogenen Naturschutz und einem wirtschaftlichen Straßenbau fand dabei nicht statt. So errichtete eine Gemeinde bei einem nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) geförderten Straßenbauvorhaben auf der Grundlage des Planfeststellungsbeschlusses 42 Amphibiendurchlässe mit Ausgaben von rd. 480.000 € (= rd. 25 % der gesamten Bauausgaben für dieses Vorhaben). Im Vorfeld waren in einem Gutachten zum landschaftspflegerischen Begleitplan zunächst 75 Durchlässe gefordert worden. Im Zuge des Planfeststellungsverfahrens hatte die Naturschutzverwaltung hingegen lediglich 20 Durchlässe für erforderlich gehalten. Die wechselnden Angaben weisen auf eine mangelhafte Datenbasis hin, zumal fraglich ist, ob sich in diesem Gebiet überhaupt Amphibienkolonien befinden.

Auch eine Alternative zu den stationären Schutzanlagen wurde selten bedacht, obgleich sogar der behördliche Naturschutz einräumt, dass die Tiere die Querungstunnel eher meiden. Die Alternative könnte, je nach Verkehrsaufkommen, in Straßensperrungen oder in der Einrichtung von Laichgewässern bestehen. So sperrt eine Gemeinde in 20 so genannten Hauptwander-Nächten eine Landesstraße und kann damit nach eigenen Angaben rd. 80 % der Amphibien vor dem Überfahrenwerden schützen.

3 Funktionsfähigkeit der Anlagen für den Amphibienschutz

3.1 Bauliche Mängel

Die Funktionsfähigkeit der Anlagen war bei vielen der geprüften Vorhaben wegen einer mangelhaften Bauausführung an den Übergängen der Leiteinrichtungen zu den Durchlässen erheblich beeinträchtigt. Selbst kleine Öffnungen genügen, dass die Amphibien die Leiteinrichtung verlassen und in der Folge den Durchlass nicht mehr erreichen (s. Bild 1).

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Die oft erheblichen Bauausgaben für den Amphibienschutz waren damit zum Teil wirkungslos. Üblicherweise bewegten sich die Bauausgaben bei den einzelnen Straßenbaumaßnahmen - je nach Anzahl der Amphibiendurchlässe und Leiteinrichtungen - zwischen 20.000 € und 500.000 €; die durchschnittlichen Ausgaben für Amphibiendurchlässe lagen bei 840 €/m, für Leiteinrichtungen bei 110 €/m und für mobile Fangzäune bei 40 €/m.

3.2 Unzureichende Unterhaltung der Anlagen

Die Schutzanlagen können nur dann ihren Zweck erfüllen, wenn sie den Tieren möglichst wenige Ansatzpunkte zum Hochklettern oder Umkehren bieten. Bei der Mehrzahl der geprüften Schutzanlagen war das Erreichen der Zweckbestimmung ausgeschlossen, weil wegen vernachlässigter Unterhaltung die Tunneleingänge und Laufwege zugewachsen (s. Bild 2) oder manchmal durch Müll versperrt waren.

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Neben der Unterhaltung der Anlagen, für die beispielsweise in einem Regierungsbezirk knapp 1 % der gesamten Kosten für die Straßenunterhaltung aufgewendet wurde, fehlte es aber auch an einer regelmäßigen Funktions- und Erfolgskontrolle, zu der sich weder die Straßenbau- noch die Naturschutzverwaltung verpflichtet fühlten. Es ist widersprüchlich, wenn zunächst Forderungen gestellt werden, eine Erfolgskontrolle dann jedoch nicht mehr stattfindet.

4 Empfehlungen

Straßenbau und Naturschutz stehen in einem klassischen Zielkonflikt, der bislang häufig so gelöst wurde, dass die Vertreter des Naturschutzes etwas verlangten und die Straßenbauverwaltung dieser Forderung nachkam. Nicht erklärbar ist, dass sich die Naturschutzvertreter später kaum mehr dafür interessierten, ob die von ihnen verlangten Anlagen von den Amphibien auch wirklich genutzt werden. Die Aktivitäten der Straßenbauverwaltung zielten mehr auf das „Beruhigen“ der Naturschutzbehörden hin und dienten weniger dem zweckentsprechenden Bau und Unterhalt der Anlagen.

Um einen adäquaten Mitteleinsatz sicherzustellen regt der RH vor allem eine engere und weiter gehende Zusammenarbeit zwischen Straßenbau und Naturschutz an. Damit diese gelingt, sollten folgende Punkte berücksichtigt werden:

  • Amphibienschutzanlagen sollten nur auf der Basis stichhaltiger Begründungen angeordnet und gebaut werden; hierfür sollte im Einvernehmen zwischen Straßenbau und Naturschutz ein Mindeststandard in Anlehnung an den bestehenden Leitfaden der Landesanstalt für Umweltschutz festgelegt werden. Außerdem sollten von Straßenbau- und Naturschutzverwaltung bereits im Planungsstadium Alternativen zu den kostenintensiven stationären Schutzanlagen untersucht werden (z. B. Anlage von Laichgewässern oder zeitweise Sperrung einer Straße). Der RH sieht es durchaus als Aufgabe der Straßenbauverwaltung an, die Forderungen des Naturschutzes hinsichtlich ihrer Qualität und Quantität auf den Prüfstand zu stellen, statt jede Forderung kritiklos umzusetzen.

 

  • Die konkrete Bauausführung sollte weit gehend standardisiert und qualitativ verbessert werden. Um bauliche Mängel zu vermeiden, ist eine engere Zusammenarbeit zwischen Straßenbau- und Naturschutzverwaltung geboten. Bei Förderungen nach dem GVFG sollten Pauschalen für den Bau von Durchlässen und Leiteinrichtungen für Amphibien eingeführt werden.

 

  • Die Straßenbaulastträger/Unterhaltungspflichtigen sollten im Rahmen der sonstigen Unterhaltung der Straße die Pflege der Schutzanlagen für Amphibien konsequenter als bisher übernehmen. Der RH verkennt dabei nicht, dass die Unterhaltung der Schutzanlagen angesichts abnehmender Personalressourcen und Mittel nicht an erster Stelle steht und nur schwer zu bewerkstelligen ist. Ohne Pflege und Wartung der Anlagen wird jedoch die Investition ad absurdum geführt.

 

  • Entlastet werden könnten die Unterhaltungspflichtigen hierbei durch den die Anlagen fordernden privaten oder behördlichen Naturschutz. Die Einbeziehung des Naturschutzes in die Unterhaltung könnte beispielsweise durch die Festschreibung eines Unterhaltungsplans im Rahmen des Genehmigungsverfahrens unterstützt werden. Der Naturschutz könnte darüber hinaus Nachschauen zur Funktionsfähigkeit der Anlagen durchführen und das Ergebnis der Straßenbauverwaltung mitteilen.

5 Stellungnahme des Ministeriums

Das IM stimmt im Wesentlichen den Ausführungen des RH zu. Es verweist dabei darauf, dass Ausgangspunkt bei Straßenbauprojekten stets sei, eine möglichst wirtschaftliche Lösung für die Vermeidung oder den Ausgleich von Naturbeeinträchtigungen zu finden. Allerdings habe in den Jahren nach in Kraft treten des Naturschutzgesetzes weder die Straßenbau- noch die Naturschutzverwaltung über Erfahrungen in der Planung und baulichen Umsetzung von Amphibienschutzanlagen verfügt.

Um die vom RH aufgezeigte Situation zu verbessern, sagt das Ministerium zu, bei Konzeption und Planung dieser Anlagen in Zukunft neben dem „Merkblatt zum Amphibienschutz an Straßen“ verstärkt den Leitfaden „Baumaterialien für den Amphibienschutz“ der früheren Landesanstalt für Umweltschutz (LfU) heranzuziehen. Beide stellten Mindestanforderungen an den Amphibienschutz dar und würden derzeit aktualisiert sowie im Hinblick auf eine optimierte Unterhaltung ergänzt. Auf dieser Grundlage sollen die Forderungen der Naturschutzvertreter verstärkt hinterfragt und überprüft sowie mögliche Alternativen in die Planungsüberlegungen einbezogen werden. Bei den Bauausführungen sollen zur weiteren Qualitätsverbesserung insbesondere gemeinsame Bauabnahmen von Straßenbau- und Naturschutzverwaltung angedacht werden.

Eine Pauschalierung im Zuge einer GVFG-Förderung betrachtet das Ministerium als generell prüfenswert. Allerdings verfüge es derzeit noch über zu wenig Erfahrung für eine Vereinheitlichung. Auch sehe es die einzelfallbezogene kritische Prüfung des Umfangs der vorgesehenen Schutzmaßnahmen als zielführender für die angestrebten Kosteneinsparungen an.

Im Hinblick auf die Verbesserung der Unterhaltung der Anlagen sieht das Ministerium einen Synergieeffekt darin, dass durch die Verwaltungsstrukturreform die Landratsämter nunmehr für den Betrieb und die Unterhaltung der klassifizierten Straßen zuständig und gleichzeitig untere Naturschutzbehörde sind. Entsprechend solle künftig bei der Konzeption und Umsetzung von Maßnahmen für den Amphibienschutz auf eine engere Zusammenarbeit zwischen Vertretern von Straßenbau und Naturschutz hingewirkt werden.

6 Schlussbemerkung

Der Amphibienschutz mag als unbedeutende Begleiterscheinung von Straßenbaumaßnahmen gesehen werden. Angesichts des finanziellen Volumens für den Bau der Schutzanlagen und des völlig unbefriedigenden Unterhaltungszustandes relativiert sich aber diese Sichtweise. So treten Missstände auf, die den Artenschutz existenziell betreffen und den Landeshaushalt unnötig belasten.

Die vom RH vorgeschlagenen Empfehlungen zeigen Verbesserungen und Einsparpotenziale auf, anhand derer - mit gemeinsamen Anstrengungen der Straßenbauverwaltung und der Naturschutzinstitutionen - der Schutz der Amphibien nachhaltig, aber zugleich finanziell in vertretbarem Rahmen, gesichert werden kann.


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Einzelplan 05: Justizministerium

Personalintensive, meist kleine Justizvollzugsanstalten sollten durch Neubauten oder Anstaltserweiterungen ersetzt werden. Die dadurch eingesparten Personalkosten würden den Finanzierungsaufwand für die Ersatzbauten decken. Erweiterungen sind wirtschaftlicher als Neubauten von Justizvollzugsanstalten. Bei Neubauten sollten Anforderungen und Standards reduziert und Erfahrungen anderer Bundesländer genutzt werden.


1 Ausgangslage

In Baden-Württemberg bestehen für die Unterbringung der rd. 8.500 Gefangenen 20 Justizvollzugsanstalten (JVA) mit 25 Außenstellen. Im Staatshaushaltsplan 2005 sind für den Justizvollzug bei Kapitel 0508 insgesamt 3.606 Personalstellen ausgebracht, die sich im Wesentlichen auf die im Schaubild dargestellten Bereiche verteilen.

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Der Allgemeine Vollzugsdienst ist mit 2.420 Stellen (67 % aller Bediensteten) die größte Beschäftigtengruppe im Justizvollzug. Seit 1985 ist die Jahresarbeitszeit bei weitgehend konstanter Gefangenenzahl in der Bilanz um rd. 235.000 Stunden (6 %) gestiegen. Im Gegensatz zu anderen Bereichen der Landesverwaltung wurde dieser Zuwachs nicht zur Personalreduzierung genutzt. Bei der Personalausstattung im Justizvollzug liegt Baden-Württemberg im Ländervergleich vor Bayern an zweitletzter Position.

Das JuM fordert 1.200 neue Haftplätze. Mit diesen Haftplätzen soll nicht das Haftplatzangebot erhöht, sondern Ersatz für wegfallende Haftplätze geschaffen werden, die der neueren Rechtsprechung zur Gefangenenunterbringung nicht entsprechen.

Das JuM fordert außerdem für die Betreuung der 1.200 neuen Haftplätze zusätzliches Personal. Diese Forderungen widersprechen dem Ziel der Landesregierung, den Landeshaushalt durch Personaleinsparungen zu konsolidieren. Dies war für den RH Anlass, den Personaleinsatz im Justizvollzug zu analysieren und Optimierungspotenziale aufzuzeigen. Parallel wurden die Abwicklung des so genannten Haftplatzerweiterungsprogramms I und die Planung des Anstaltsneubaus in Offenburg in baulicher Hinsicht untersucht.

2 Personalaufwand

2.1 Struktur des Justizvollzugs

Der RH hat den Personaleinsatz in den JVA und den Außenstellen einem Kennzahlenvergleich unterzogen. Sonderbereiche mit einem atypischen Personalbedarf wie das Justizvollzugskrankenhaus Hohenasperg, die Sozialtherapeutische Anstalt (mit einer Außenstelle), reine Freigängerheime und Außenstellen mit überwiegend offenem Vollzug wurden dabei ausgeklammert. Der untersuchte Kernbereich deckt mit 7.802 Gefangenen 92 % der Durchschnittsbelegung 2004 ab.

Die Einrichtungen des Justizvollzugs weisen eine erhebliche Streuung in den Kapazitäten auf. Die unterschiedlichen Vollzugsformen (geschlossener/offener Vollzug, Strafhaft/Untersuchungshaft), bauliche Gegebenheiten und andere Komponenten können einen Einfluss auf den Personalbedarf haben. Sie sind jedoch in allen Größenklassen regelmäßig vertreten. Eine Differenzierung der JVA in drei Größenklassen nach Gefangenenkapazitäten zeigt Übersicht 1.

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Die 18 kleinen JVA (58 % der einbezogenen Vollzugseinrichtungen) waren nur mit 1.251 Gefangenen (16 %) belegt. Ihre Durchschnittsbelegung lag 2004 bei knapp 70 Gefangenen.

2.2 Kennzahlenvergleich für den Personalaufwand

Der RH hat Kennzahlen zum Personaleinsatz im Allgemeinen Vollzugsdienst/Werkdienst und im Bereich Verwaltungs- und Fachdienste nach den Größenklassen der JVA gebildet. Als Kennzahl wurde der Personalaufwand je Gefangener ermittelt auf der Basis der VwV des FM über die Berücksichtigung der Verwaltungskosten insbesondere bei der Festsetzung von Gebühren und sonstigen Entgelten für die Inanspruchnahme der Landesverwaltung vom 14.07.2005.

Der RH hat weiter den Personalaufwand der neu gebauten und der erweiterten JVA sowie der personalintensiven Vollzugseinrichtungen untersucht. Bei den Neubauten wurden die JVA Heimsheim, Schwäbisch Hall, Ravensburg und Stuttgart berücksichtigt. In die Untersuchung der Erweiterungsbauten wurden die bis 2004 im Haftplatzerweiterungsprogramm I geschaffenen 447 Haftplätze in sechs JVA einbezogen. Als personalintensive Einrichtungen hat der RH die 12 Anstalten mit dem höchsten Personaleinsatz definiert. Dies waren neben sechs Außenstellen auch sechs Hauptanstalten mit insgesamt 1.469 Haftplätzen. Übersicht 2 stellt den Personalaufwand je Gefangener in den JVA dar.

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Der Personalaufwand sinkt mit zunehmender Anstaltsgröße. Beim Ersatz personalintensiver JVA durch Neubauten könnte der Personalaufwand um über ein Drittel und bei Erweiterungsbauten um die Hälfte reduziert werden. Beim Ersatz aller 1.469 personalintensiven Haftplätze durch Neubauten könnte der jährliche Personalaufwand rechnerisch um 17 Mio. € und bei Erweiterungsbauten um 22 Mio. € vermindert werden. Inwieweit dies aus vollzuglicher Sicht vollständig realisierbar ist, muss vom JuM geprüft werden. Das erhebliche Einsparpotenzial sollte jedoch zeitnah in möglichst großem Umfang erschlossen werden.

3 Dienstplanung

3.1 Arbeitszeitverlängerungen

Die Arbeitszeit der Landesbeamten wurde am 01.10.1996 von 38,5 auf 40 Wochenstunden und am 01.09.2003 auf 41 Wochenstunden erhöht. Am 01.10.1996 hatte der Allgemeine Vollzugsdienst rd. 148.000 Überstunden. Die JVA wurden daher vom JuM gebeten, die Dienstpläne beizubehalten und Überstunden abzubauen. Anlässlich der Arbeitszeitverlängerung zum 01.09.2003 wies das JuM auf den immer noch hohen Stand der Überstunden hin. Veränderungen der Dienstpläne seien nur möglich, soweit dadurch das jährliche Gesamtstundenkontingent der alten Dienstpläne nicht überschritten werde.

Im 1. Halbjahr 2005 haben die JVA die Dienstpläne überarbeitet und dabei teilweise die Schichten verlängert. Das JuM hat diesen Schichtverlängerungen zugestimmt. Die frühere Ablehnung längerer Schichten wurde damit aufgegeben.

Die Mehrarbeitsstunden sind zwischen April und September 2005 deutlich von 31.489 Stunden auf 75.891 Stunden gestiegen. Sie weisen damit zum ersten Mal seit der letzen Arbeitszeitverlängerung wieder eine steigende Tendenz auf. Der RH sieht einen Grund hierfür in der Überarbeitung der Dienstpläne im 1. Halbjahr 2005.

3.2 Arbeitsgruppe Sicherheit im Vollzug

Im Jahr 2001 hat eine vom JuM eingesetzte Arbeitsgruppe die Sicherheit des Justizvollzugs untersucht. Eine Kernforderung der Arbeitsgruppe war, 140 Stellen für konkrete Sicherheitsmaßnahmen zu schaffen.

Durch die Arbeitszeitverlängerungen stehen dem Allgemeinen Vollzugsdienst unter Berücksichtigung des Abbaus der Mehrarbeitsvergütung rechnerisch rd. 100 Stellen zusätzlich zur Verfügung. Damit hätte der von der Arbeitsgruppe genannte Bedarf von 140 Stellen in weiten Teilen abgedeckt werden können. Bis 2005 wurden für die Sicherheitsmaßnahmen jedoch erst 11 Stellen bereitgestellt, wobei sich die ursprünglichen Personalforderungen durch Schließung von Außenstellen reduziert haben.

Die durch die Arbeitszeitverlängerungen gewonnene Personalkapazität wurde somit nicht für die Umsetzung der geforderten Sicherheitsmaßnahmen, sondern zum größten Teil für sonstige Anpassungen der Dienstpläne verwendet.

3.3 DV-Programm

Im Justizvollzug besteht bislang keine elektronische Verknüpfung der Dienstplanerstellung, Dienstzeiterfassung, Dienstplanabrechnung und Auszahlung der Vergütung für Dienst zu ungünstigen Zeiten. Der RH geht nach einer überschlägigen Schätzung davon aus, dass bei Einführung eines entsprechenden DV-Programms landesweit 8 Stellen eingespart werden könnten.

Der RH hat das JuM gebeten, ein DV-System einzuführen.

4 Bauliche Maßnahmen

4.1 Neubau der Justizvollzugsanstalt Offenburg

Der Ministerrat hat im Juni 2005 den Neubau der JVA Offenburg mit 500 Haftplätzen, bestehend aus 440 Haftplätzen für die so genannte Multifunktionale Anstalt und 60 Haftplätzen für die Sozialtherapeutische Abteilung, beschlossen. Der RH hat die Planung und insbesondere die Kostenveranschlagung geprüft und einer vergleichenden Betrachtung mit anderen neuen JVA unterzogen.

Der Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg (Landesbetrieb VB-BW) hat die Gesamtbaukosten mit 72,6 Mio. € ermittelt; die Gesamtbaukosten je Haftplatz belaufen sich hierbei für den Anteil der Multifunktionalen Anstalt auf 135.400 € und für den Anteil der Sozialtherapeutischen Abteilung auf 217.900 €. Nicht in die Gesamtbaukosten eingerechnet sind die Kosten für das geplante Personalwohnheim außerhalb der Anlage, die mit rd. 950.000 € veranschlagt sind, sowie die Kosten der Vorplanung für die nicht weiter verfolgten Vorprojekte in Offenburg mit rd. 250.000 €.

Demgegenüber geht der RH - auf gleicher Grundlage der genehmigten Nutzungsanforderung und der von der Bauverwaltung angewandten Richtlinien für die Baukostenplanung (RBK) - von 69 Mio. € Gesamtbaukosten aus; dies sind - bezogen auf die Multifunktionale Anstalt - 130.000 €/Haftplatz und - bezogen auf die Sozialtherapeutische Abteilung - 200.000 €/Haftplatz (s. Übersicht 3). Die Differenz zwischen den Kostenansätzen des Landesbetriebs VB-BW und denen des RH ergibt sich durch unterschiedliche Ansätze, insbesondere bei den gebäudetechnischen Standards und hier vor allem beim Werkstattgebäude und bei der Sporthalle.

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Das FM wurde vom Ministerrat beauftragt, für das Bauvorhaben die wirtschaftlichste Lösung zu finden. Durch eine Parallelausschreibung, zum einen in Form der konventionellen Baudurchführung, zum anderen in Form eines Investorenmodells, soll die günstigste Realisierungsform ermittelt werden. Erst nach erfolgter Ausschreibung und Vergabe werden realistische Kosten des Bauvorhabens feststehen.

Zur Bewertung der veranschlagten Kosten hat der RH einen Vergleich mit den tatsächlichen Kosten neuer Haftanstalten in anderen Bundesländern angestellt. In Übersicht 4 wird die Veranschlagung für die JVA Offenburg den Kosten neu erbauter Anstalten in Hessen (Hünfeld) und Sachsen (Dresden) gegenübergestellt. Zusätzlich aufgeführt sind die Kosten der in den 1990er Jahren erstellten JVA Schwäbisch Hall. Wegen der besseren Vergleichbarkeit (die Vergleichsobjekte beinhalten keine Sozialtherapeutischen Abteilungen) wird bei Offenburg auch der auf die Multifunktionale Anstalt bezogene Anteil (440 Haftplätze) genannt.

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Nur auf den Anteil der Multifunktionalen Anstalt bezogen liegen die Kosten je Haftplatz in Offenburg gegenüber Dresden um 24 % und gegenüber Hünfeld um 10 % höher. Der RH führt die Unterschiede bei den Kosten je Haftplatz im Wesentlichen auf höhere Nutzungsanforderungen und Standards für den Neubau in Offenburg zurück. In Anbetracht der Vergleichswerte wäre für Offenburg eine deutlich niedrigere Kostenveranschlagung möglich gewesen.

Die höheren Anforderungen in Offenburg schlagen sich auch in den Kennwerten für den umbauten Raum und für die Nutzfläche nieder. Bei beiden Werten liegt Offenburg deutlich über denjenigen der Vergleichsobjekte (s. Übersicht 5).

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4.2 Absenkung von Nutzerstandards

Bedeutende Kostenreduzierungen bei einer Neubauplanung wären möglich, wenn Standards der Nutzer gesenkt und Optimierungspotenziale ausgeschöpft würden. Einsparpotenziale sieht der RH in den folgenden Bereichen:

  • Die Werkstätten für die Gefangenenarbeit könnten, wie in Hünfeld praktiziert, auf einen Zweischicht-Betrieb umgestellt und damit die Flächen um 50 % und die Kosten um rd. 5 Mio. € reduziert werden.

 

  • Die Wartung der Dienstfahrzeuge könnte privaten Anbietern übertragen werden; die hierfür geforderten Werkstattflächen innerhalb der Anstalt könnten somit entfallen und dadurch 0,8 Mio. € eingespart werden.

 

  • Bauliche und technische Standards der Sporthalle könnten reduziert werden.

 

  • Das Personalwohnheim ist nicht erforderlich. Die Wohnungsversorgung der Bediensteten könnte dem örtlichen Wohnungsmarkt überlassen werden, zumal das Land an anderer Stelle seinen Wohnungsbestand konsequent veräußert. Dies würde beim Projekt Offenburg eine Einsparung von knapp 1 Mio. € bedeuten.

 

  • Die Energieversorgung ließe sich, z. B. im Rahmen eines Energie-Contractings, an Private vergeben; entsprechende Bauaufwendungen für die Anstalt könnten entfallen.

4.3 Weiterer Ausbau von Haftplätzen

Mit dem Haftplatzerweiterungsprogramm I konnten 447 Haftplätze kostengünstig durch den Bau zusätzlicher Unterkunftsgebäude innerhalb bestehender Haftanstalten geschaffen werden. Die Kosten je Haftplatz beliefen sich bei diesem Schnellbauprogramm auf rd. 55.000 €, wobei allerdings im Gegensatz zu einer überwiegend auf Einzelunterbringung basierenden Neuplanung eine Mischung von Einzel- und Doppelbelegung der Zellen realisiert wurde; Kosten für den Ausbau der Infrastruktur (zentrale Versorgungsanlagen, Verwaltung, Werkstätten, Küche usw.) fielen nicht an. Wird der Ausbau der Infrastruktur einbezogen, kalkuliert der RH mit Kosten von rd. 80.000 bis 90.000 €/Haftplatz.

Selbst wenn in manchen Haftanstalten zusätzliche Ergänzungsbauten wegen der Grundstückssituation oder wegen einer nicht erweiterbaren Infrastruktur der Anstalt nur begrenzt geschaffen werden können, besteht doch in einigen größeren JVA die Möglichkeit, weitere Unterkunftsgebäude zu errichten.

Wenn es gelingt, anstelle eines weiteren Neubaus mit z. B. 700 Haftplätzen, Erweiterungen in entsprechender Größenordnung in bestehenden JVA vorzunehmen, könnten Baukosten in Höhe von mind. 28 Mio. € eingespart werden.

5 Wirtschaftlichkeitsberechnung

Der RH hat einen überschlägigen Wirtschaftlichkeitsvergleich zwischen der Weiternutzung personalintensiver JVA, Anstaltsneubauten und Anstaltserweiterungen angestellt. Dabei wurde ein Bauaufwand in Höhe von rd. 135.000 €/Haftplatz für Neubauten (gemäß Baukostenschätzung des Landesbetriebs VB-BW) bzw. 85.000 €/Haftplatz (Mittelwert der Grobschätzung des RH) für künftige Erweiterungen angesetzt. Veräußerungserlöse für Altanstalten, evtl. Grunderwerbskosten und der geringere Bauunterhaltungsaufwand für neue Haftplätze blieben außer Betracht. Unter Berücksichtigung eines jährlich um 1 % steigenden Personalaufwands und eines Baufinanzierungsaufwands - bei einer Nutzungsdauer von 50 Jahren - wurden die Ausgaben-Barwerte der jeweiligen Alternativen errechnet (s. Übersicht 6).

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Der weitere Betrieb der personalintensiven JVA stellt die unwirtschaftlichste Alternative dar. Der Barwertvorteil gegenüber personalintensiven JVA beträgt bei Anstaltsneubauten 21 %, bei Anstaltserweiterungen 40 %. Erweiterungsbauten weisen einen geringeren Personal- und Investitionsaufwand als Neubauten auf; sie sind deshalb deutlich kostengünstiger.

Daneben sprechen weitere Gründe für den Ersatz personalintensiver Anstalten durch neu zu schaffende Haftplätze in größeren Einheiten. Für die häufig sanierungsbedürftigen und unter Sicherheitsaspekten ungünstigen Kleinanstalten entstehen erhebliche Sanierungs- und Sicherheitsaufwendungen. Außerdem können z. B. Sicherheitsbelange in neuen, größeren Einheiten grundsätzlich besser gewährleistet werden. Wenn die Belegungsfähigkeit der Altanstalten durch geänderte rechtliche Vorgaben zur Gefangenenunterbringung reduziert wird, sinkt deren Wirtschaftlichkeit weiter, sofern der Personaleinsatz nicht im selben Verhältnis reduziert werden kann.

Angesichts der angespannten Haushaltssituation kann die Umsetzung langfristig wirtschaftlicher Maßnahmen schwierig sein, wenn sie mit höheren Anfangsbelastungen für den Landeshaushalt verbunden ist. Der RH hat daher die Anfangsbelastung zu Beginn der Nutzungsdauer errechnet. Dabei wurde im Personalbereich der Versorgungsaufwand nicht berücksichtigt, weil dieser nicht sofort haushaltswirksam wird. Übersicht 7 zeigt, dass sich auch bei Betrachtung nur des sofort haushaltswirksamen Aufwands finanzielle Vorteile für Anstaltsneubauten und Anstaltserweiterungen gegenüber dem weiteren Betrieb personalintensiver JVA ergeben.

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Nach Auffassung des RH sollte das derzeit noch günstige Zinsniveau genutzt werden, um unter Berücksichtigung vollzuglicher Belange ein Konzept für die zeitnahe Schließung personalintensiver Anstalten zu entwickeln. Das JuM sollte daher Anstaltserweiterungen „innerhalb und außerhalb der Mauer“ nochmals intensiv prüfen. Das Ergebnis des Wirtschaftlichkeitsvergleichs ist von verschiedenen Parametern abhängig, die vom JuM im Einzelfall noch zu konkretisieren wären.

6 Planungen zur Deckung des Haftplatzbedarfs

6.1 Planungen des Justizministeriums

Eine frühere Planung des JuM sah die Errichtung von sieben Anstaltsneubauten mit insgesamt 2.000 Haftplätzen vor. Die Regelgröße für Anstaltsneubauten betrug 240 Haftplätze. Aktuell sieht das JuM mindestens 1.200 neue Haftplätze als erforderlich an. Mit diesen neuen Haftplätzen soll Ersatz für wegfallende Haftplätze geschaffen werden, die der neueren Rechtsprechung zur menschenwürdigen Unterbringung von mehreren Gefangenen in einer Zelle nicht entsprechen.

Der Ersatzbedarf soll durch Nachrüstung bestehender Hafträume um 347 Haftplätze, Anstaltserweiterungen (Haftplatzerweiterungsprogramm II) mit 500 Haftplätzen, den Anstaltsneubau in Offenburg (500 Haftplätze) und einen Anstaltsneubau in Rottweil (maximal 700 Haftplätze) gedeckt werden. Mit den geplanten Baumaßnahmen können statt der o. g. 1.200 Haftplätze bis zu 2.047 Haftplätze geschaffen werden. Für die Anstaltsneubauten und die Anstaltserweiterungen fordert das JuM zusätzliches Personal. Allein für den Anstaltsneubau in Offenburg hat das JuM einen Bedarf von 228 Stellen errechnet.

6.2 Forderungen des Rechnungshofs

Die geplanten Baumaßnahmen dienen auch dem Ziel, personalwirtschaftlich optimierte JVA bereitzustellen. Nach Auffassung des RH muss daher - entgegen den Forderungen des JuM - angestrebt werden, die optimierten JVA bei insgesamt konstantem Haftplatzangebot ohne Personalvermehrung zu betreiben.

Die nach dem Konzept maximal zu schaffenden 2.047 Haftplätze übersteigen den Bedarf mit 1.200 neuen Haftplätzen um 847 Haftplätze. In dieser Größenordnung könnten personalintensive JVA geschlossen und erhebliche Einsparpotenziale erschlossen werden. Das JuM sollte unverzüglich ein Gesamtkonzept unter folgenden Prämissen erarbeiten:

  • Parallel zur Schaffung neuer Haftplätze sind bestehende Außenstellen und weitere personalintensive Hauptanstalten in möglichst großem Umfang zu schließen und die Immobilien wirtschaftlich zu verwerten.

 

  • Bei der Schaffung neuer Haftplätze sollten Anstaltserweiterungen Vorrang vor weiteren Anstaltsneubauten haben. Hierzu sollten Erweiterungen „innerhalb und außerhalb der Mauer“, insbesondere in Adelsheim, Heimsheim, Mannheim, Ravensburg, Schwäbisch Hall und Stuttgart, untersucht werden.

 

  • Bei evtl. künftigen Anstaltsneubauten sollte eine Mindestgröße von 700 Haftplätzen angestrebt werden. Frühere Konzeptionen mit Anstaltsgrößen von 240 Haftplätzen sollten aus wirtschaftlichen Gründen nicht weiter verfolgt werden.

 

  • Die Belegungsfähigkeit der bestehenden Anstalten sinkt nach Anpassung an die rechtlichen Rahmenbedingungen im Durchschnitt um etwa 10 %. Bei einer Belegungsreduzierung muss auch ein Personalabbau geprüft werden.

 

  • Eventuelle Rationalisierungsgewinne durch Teilprivatisierung des Betriebs müssen in die Personalplanungen einbezogen werden (s. Pkt. 7).

Der RH hält bei konsequenter Anwendung dieser Prämissen eine Umsetzung des Konzepts ohne Personalvermehrung für möglich. Er ist sich bewusst, dass bei der Erarbeitung des Gesamtkonzepts neben finanziellen Aspekten auch vollzugliche Belange berücksichtigt werden müssen.

7 Teilprivatisierung des Betriebs in der Justizvollzugsanstalt Offenburg

Bei der neuen JVA Offenburg ist eine Teilprivatisierung des Betriebs vorgesehen. Von den Betriebsleistungen können etwa 40 % des Aufgabenvolumens privatisiert werden. Dabei wird damit gerechnet, dass diese Leistungen durch einen privaten Betreiber um 10 - 15 % kostengünstiger erbracht werden können. Als wesentlicher Maßstab für die Wirtschaftlichkeit der Teilprivatisierung soll in einem betriebswirtschaftlichen Modell (sog. 100-Prozent-Modell) errechnet werden, was alternativ ein rein staatlicher Betrieb der JVA kosten würde.

Wesentlicher Kostenfaktor bei dem anzustellenden Wirtschaftlichkeitsvergleich ist der Personalaufwand. Das JuM hat für den Betrieb des Neubaus der JVA Offenburg eine vorläufige Personalbedarfsberechnung erstellt. Danach wird von einem Personalbedarf von insgesamt 228 Bediensteten ausgegangen. Der RH hat den vom JuM geltend gemachten Personalbedarf für die 440 Haftplätze des Regelvollzugs mit dem tatsächlichen Personaleinsatz in bestehenden Anstaltsneubauten verglichen. Der tatsächliche Personalaufwand in bestehenden Anstaltsneubauten liegt unter dem vom JuM angesetzten Personalaufwand für den Regelvollzug im Neubau Offenburg.

Der RH erwartet, dass eine teilweise Privatisierung des Betriebs in der neuen JVA Offenburg nur umgesetzt wird, wenn deren Wirtschaftlichkeit nachgewiesen ist. Für einen sachgerechten Wirtschaftlichkeitsvergleich ist es zwingend erforderlich, im sog. 100-Prozent-Modell lediglich den unabdingbar erforderlichen Personalbedarf bei optimiertem Eigenbetrieb des Landes anzusetzen. Die vorläufige Personalbedarfsberechnung sollte daher im Zuge des weiteren Verfahrens mit dem Ziel einer Angleichung an die Durchschnittswerte bestehender Anstaltsneubauten überprüft werden.

8 Stellungnahmen der Ministerien

8.1 Justizministerium

  • Die im Bundesvergleich niedrige Personalausstattung des baden-württembergischen Justizvollzugs decke nur einen personellen Mindestbedarf ab. Die Anforderungen an den Justizvollzug seien in den letzten Jahrzehnten gestiegen.

 

  • Auch das JuM hält eine Bereinigung der Vollzugsanstaltslandschaft mit einer Vielzahl kleiner Einrichtungen seit Langem für notwendig. Es wolle den Ersatz personalintensiver Vollzugseinrichtungen durch wirtschaftliche Einheiten gemeinsam mit dem FM untersuchen. Primär müssten die notwendigen 1.200 neuen Haftplätze geschaffen werden. Eine Konzentration auf weniger Standorte führe zu qualitativen Einschränkungen des vollzuglichen Behandlungsangebots und höheren Transportkosten.

 

  • Das FM untersuche derzeit, in welchem Umfang wirtschaftlich günstige Anstaltserweiterungen noch möglich seien. Bei künftigen Neubauvorhaben wolle das JuM prüfen, ob bei einer Anstaltsgröße mit 700 Haftplätzen neben wirtschaftlichen auch qualitative Aspekte berücksichtigt werden können. Frühere Konzeptionen mit vollzuglich wünschenswerten Anstaltsgrößen mit 240 Haftplätzen könnten aus wirtschaftlichen Gründen nicht weiter verfolgt werden.

 

  • Das JuM teilt die Auffassung des RH, dass eine Teilprivatisierung des Betriebs der neuen JVA Offenburg nur umgesetzt werden könne, wenn deren Wirtschaftlichkeit nachgewiesen werde. Der bislang nur vorläufig angesetzte Personalbedarf werde derzeit exakt ermittelt.

 

  • Die Arbeitszeitverlängerungen seien nach dem Abbau von Überstunden zur Verbesserung der Sicherheitsstandards genutzt worden. Das JuM gehe davon aus, dass der Stand der Mehrarbeitsstunden, der zum 01.01.2006 bei 67.008 Stunden gelegen habe, wieder deutlich zurückgeführt werden könne. Ansonsten werde es korrigierend eingreifen. Die Einführung eines DV-Systems für die Dienstplangestaltung solle noch im Jahr 2006 in zwei JVA erprobt werden. Für einen Personalabbau müssten erst Erfahrungswerte gesammelt werden.

8.2 Finanzministerium

  • Neubau Justizvollzugsanstalt Offenburg

Die der Kostenberechnung zugrunde liegenden Standards und Ausführungsqualitäten seien das Ergebnis intensiver Abstimmungen zwischen dem JuM und dem Landesbetrieb VB-BW unter Beachtung der sicherheitstechnischen und funktionalen Belange. Die Abweichung von Kennwerten anderer JVA sei auf die spezifischen Anforderungen des Nutzers oder auf die speziellen Rahmenbedingungen in Offenburg zurückzuführen.

Einsparpotenziale bei den nutzerbedingten Anforderungen, wie sie der RH für die Bereiche Werkstätten, Wartung und Sport vorgeschlagen habe, seien aus vollzuglichen Gründen nicht realisierbar. An der Erfordernis einer Personalunterkunft für die aus dem ganzen Land abgeordneten Bediensteten werde festgehalten. Eine Ausgliederung der Heizzentrale außerhalb des Bereichs der JVA komme aufgrund fehlenden Baugeländes nicht in Betracht.

  • Weiterer Ausbau von Haftplätzen

Die Kostenwerte aus dem bereits realisierten Haftplatzerweiterungsprogramm I mit einem Gemenge von Einzelzellen und doppelt belegbaren Haftzellen seien kritisch zu sehen, da bei künftigen Erweiterungen von Einzelzellen auszugehen sei. Für die Anpassung der Infrastruktur müssten konkrete Kostenberechnungen im Zuge der Vorbereitungen zum Haftplatzerweiterungsprogramm II abgewartet werden.

  • Planungen zur Deckung des weiteren Haftplatzbedarfs

Finanzministerium und JuM erarbeiteten derzeit eine Gesamtkonzeption für den Justizvollzug, mit der mittel- und langfristig die Weichen für einen wirtschaftlicheren Strafvollzug gestellt werden sollen.

9 Schlussbemerkung

Nach Auffassung des RH müssen im Strafvollzug - trotz der im Bundesvergleich niedrigen Personalausstattung - alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um eine Personalvermehrung zu vermeiden. Er sieht beim Ersatz personalintensiver JVA durch neue Haftplätze erhebliches Einsparpotenzial im Personalbereich. Dieses Potenzial sollte im Rahmen eines Gesamtkonzepts parallel zur Schaffung der geforderten 1.200 neuen Haftplätze erschlossen werden.

Anstaltserweiterungen sind wirtschaftlicher als Anstaltsneubauten „auf der grünen Wiese“, weil die Infrastruktureinrichtungen vorhanden sind oder kostengünstig angepasst werden können. Daher sollen vorrangig Anstaltserweiterungen in möglichst großem Umfang realisiert werden. Bei einem Neubau müssen hingegen durch Annäherung an die dargestellten Vergleichswerte alle Möglichkeiten einer wirtschaftlichen Planung und Baudurchführung umgesetzt werden. Trotz der aus vollzuglicher Sicht geäußerten Bedenken sollten künftig die nutzungsbedingten und baulichen Anforderungen überdacht werden.


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Anhänge

Einzelplan 06: Finanzministerium

Die landeseigene Sonderabfallagentur sollte Einnahmepotenziale noch besser ausschöpfen und ihre Kosten reduzieren. Die Andienungspflicht für den besonders überwachungsbedürftigen Abfall ist faktisch nur mit großen Schwierigkeiten und in rechtlich problematischer Form durchsetzbar.


1 Allgemeines

Das Land ist alleiniger Anteilseigner der SAA Sonderabfallagentur Baden-Württemberg GmbH, Fellbach (SAA). Der RH prüfte die Betätigung des Landes als Gesellschafter dieses Unternehmens unter Beachtung kaufmännischer Grundsätze (sog. Betätigungsprüfung nach § 92 LHO) und führte dabei auch Erhebungen bei dem Unternehmen durch.

2 Entwicklung und Gegenstand des Unternehmens

Ursächlich für die Gründung der SAA im Jahr 1996 war zum einen die Absicht des Landes, das damalige Landesunternehmen SBW Sonderabfallentsorgung Baden-Württemberg GmbH (SBW) von seinen öffentlichen Funktionen zu befreien (diese sollten auf die SAA übertragen werden) und danach zu privatisieren (was einige Jahre später auch geschah). Zum anderen sollten mittels der SAA als „Zentraler Stelle“ die auf die Landratsämter, die Regierungspräsidien und die Landesanstalt für Umweltschutz verteilten Zuständigkeiten im Sonderabfallbereich gebündelt werden.

Nach ihrer Gründung und der Ausstattung mit hoheitlichen Aufgaben und Befugnissen durch das Land übernahm die SAA von der SBW den hoheitlichen Bereich der so genannten Andienung, womit ihr die Steuerung der Sondermüllentsorgung im Land oblag. Die ebenfalls von der SBW übernommene, privatwirtschaftlich tätige Abfallberatungsagentur hat die SAA zu Beginn des Jahres 1999 verkauft, sodass sie ab diesem Zeitpunkt ausschließlich als beliehenes Unternehmen fungierte. In der Folgezeit wurden der SAA sukzessive weitere hoheitliche Aufgaben im Sonderabfallbereich übertragen, bis sie schließlich mit Beginn des Jahres 2002 ihre letzte Ausbaustufe als „Zentrale Stelle“ im Sonderabfallbereich erreichte.

Entsprechend dem im Gesellschaftsvertrag festgelegten Unternehmensgegenstand (Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben im Sonderabfallbereich) sowie aufgrund ihrer Bestimmung als „Zentrale Stelle“ im Land für den Sonderabfallbereich agiert die SAA im Wesentlichen in den hoheitlichen Bereichen der Andienung und der Kontrolle von Sonderabfall. Im Andienungsbereich werden der Gesellschaft aufgrund der landesgesetzlichen Andienungspflicht besonders überwachungsbedürftige Abfälle zur Beseitigung angedient. Die SAA weist diese Abfälle dann grundsätzlich zur Beseitigung der Deponie Billigheim (abzulagernde Abfälle) oder der Sonderabfallverbrennungsanlage in Hamburg (thermisch zu beseitigende Abfälle) zu. Im Kontrollbereich sorgt sie mittels verschiedener gesetzlich vorgeschriebener Kontrollverfahren für eine ordnungsgemäße Entsorgung bereits angefallener oder künftig anfallender inländischer Sonderabfälle; außerdem überwacht und genehmigt sie den Im- und Export von Abfällen.

3 Finanzierung des Unternehmens

3.1 Erhebung von Gebühren

Die SAA erhebt - als beliehenes Unternehmen - nach dem Landesabfallgesetz Gebühren und den Ersatz von Auslagen. Das UM als oberste Abfallbehörde bestimmt durch Rechtsverordnung die (Rahmen-)Sätze der Gebühren; diese sind, wie im Landesabfallgesetz festgelegt, nach dem Aufwand und nach dem wirtschaftlichen oder sonstigen Interesse der Erzeuger oder Besitzer von Abfällen zu bemessen. Innerhalb dieses Rahmens legt die SAA per Aufsichtsratsbeschluss die Gebührensätze fest.

3.2 Nicht kostendeckende Gebühren

Während das Land im Vorfeld der Gründung des Unternehmens noch davon ausgegangen war, dass sich die SAA über kostendeckende Gebühren für ihre hoheitliche Tätigkeit finanzieren werde, war wenige Wochen nach der Gründung im Ministerrat nur noch von einer „möglichst weitgehenden“ Finanzierung durch Gebühren die Rede. Schließlich wurde zwei Jahre später im Ministerrat - wegen vermeintlich rechtlicher Risiken und Akzeptanzproblemen bezüglich der Gebührenerhebung - als neues Finanzierungsziel eine Kostendeckung durch Gebühren von mindestens 50 % anvisiert. Damit wurde in Kauf genommen, dass die bei der SAA anfallenden Kosten bis zur Hälfte vom Land zu tragen sind.

Tatsächlich aber erzielte die SAA mit im Durchschnitt 79 % einen wesentlich höheren Kostendeckungsgrad. Gleichwohl sind die vom Land zur Abdeckung der Fehlbeträge gewährten Zuwendungen beträchtlich. Die Übersicht 1 zeigt die Höhe dieser Zuwendungen.

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Hierzu ist anzumerken, dass

  • die unterschiedliche Höhe der Zuwendungen weitgehend aus Schwankungen beim Gebührenaufkommen der einzelnen Jahre resultiert und

 

  • die Tatsache, dass in den Geschäftsjahren 2004 und 2005 keine Fehlbeträge anfielen und dementsprechend keine Zuwendungen des Landes erforderlich waren, nur zum Teil in einer grundlegenden Verbesserung der Ertragssituation gründet (durch Einführung eines neuen Gebührentatbestands), sondern im Wesentlichen auf die Schwankungen beim Gebührenaufkommen zurückzuführen ist.

3.3 Möglichkeiten zur Verbesserung der Ertragssituation

Das Unternehmen hätte Möglichkeiten zur Verbesserung seiner Ertragssituation früher und noch besser nutzen können.

3.3.1 Andienungsbereich

Für die thermische Beseitigung der Sonderabfälle in der Verbrennungsanlage in Hamburg hat die SAA ein Entgelt zu entrichten, das sie den jeweiligen Abfalllieferanten ohne jeden Aufschlag weiterberechnet. Im Zusammenhang mit der Abwicklung des sog. Hamburg-Vertrags fällt aber bei der SAA jedes Jahr ein nicht unbeträchtlicher Verwaltungsaufwand an, der bisher von der SAA getragen wird.

Dies wäre vermeidbar (gewesen), wenn die SAA auch ihren eigenen Geschäftsaufwand an die Abfalllieferanten weiterberechnet hätte. Hierauf hat sie jedoch verzichtet, um bei der Entsorgungswirtschaft die Akzeptanz gegenüber diesem Entsorgungsweg zu steigern. Vermeintliche oder tatsächliche Akzeptanzprobleme hinsichtlich der Belastung der Abfalllieferanten können es aber nicht rechtfertigen, dass das Land im Zuwendungswege Verluste des Landesunternehmens aus dieser Tätigkeit finanziert. Dies gilt umso mehr, als zum einen die Mehrbelastung für die einzelnen Abfalllieferungen relativ gering wäre (während die SBW noch eine Marge von 5 % erhoben hatte, um ihre Selbstkosten zu decken, hätte der SAA eine Marge von gut 2 % zur Kostendeckung genügt) und zum anderen mit dem Abschluss des Hamburg-Vertrags dem früheren Begehren der Abfallwirtschaft auf Entsorgungskapazitäten im Lande entsprochen wurde.

3.3.2 Kontrollbereich

Im Zuge des Ausbaus zur „Zentralen Stelle“ im Land wurde der SAA zum 01.01.2000 ein weiteres Kontrollverfahren (das sog. privilegierte Verfahren) übertragen. Obwohl von Anfang an feststand, dass die Durchführung dieses Verfahrens der Gesellschaft beträchtliche Kosten verursachen werde, erhob sie anfangs keinerlei Gebühren. Erst im Verlauf des Jahres 2003 wurde im Aufsichtsrat der Anstoß dafür gegeben, dass das UM die Gebührenverordnung mit Wirkung ab 01.01.2004 entsprechend ergänzte. Die SAA geht davon aus, dass die neuen Gebühren zu einem deutlich höheren Gebührenaufkommen führen werden.

Dieses Einnahmepotenzial hätte schon in den Jahren 2000 bis 2003 erschlossen werden sollen. Zwar mangelte es in dieser Zeit an einer entsprechenden Rechtsgrundlage (die Gebührenverordnung enthielt noch keine Rahmengebührensätze für das privilegierte Verfahren), doch hätte die SAA durchaus den Anstoß dafür geben können, dass das UM die Gebührenverordnung schon zum 01.01.2000 entsprechend ergänzt (wie dies im Lauf des Jahres 2003 - mit Wirkung ab 01.01.2004 - dann auch tatsächlich geschah). So aber sind der SAA in den Jahren 2000 bis 2003 Gebühren entgangen, die nach überschlägiger Berechnung (und unter Zugrundelegung der ab 01.01.2004 eingeführten Gebührensätze) bis zu 1 Mio. € betragen hätten.

Problematisch ist aber auch die Höhe der ab dem Jahr 2004 geltenden Gebühren. Der Arbeitsaufwand der SAA für das privilegierte Verfahren ist - nach einer Consulting-Expertise und nach der Erörterung im Aufsichtsrat des Unternehmens - nicht sehr viel geringer als bei einem weitgehend gleich gelagerten Kontrollverfahren, dem sog. Grundverfahren. Gleichwohl hat der Aufsichtsrat die zum 01.01.2004 neu eingeführten Gebührensätze für das privilegierte Verfahren so niedrig festgesetzt, dass sie im Ergebnis kaum die Hälfte der Gebühren des Grundverfahrens ausmachen. Da nichts dafür spricht, dass die Gebühren für das Grundverfahren zu hoch sind, muss davon ausgegangen werden, dass die Gebühren für das privilegierte Verfahren zu niedrig festgesetzt worden sind. Daher sollte darauf hingewirkt werden, dass die Gebühren für das privilegierte Verfahren dahingehend erhöht werden, dass sie in einem angemessenen Verhältnis zum Arbeitsaufwand bzw. zu den Gebührensätzen für das Grundverfahren stehen.

3.3.3 Sonstiges

Das Ziel einer möglichst hohen Kostendeckung sollte indes nicht einseitig über die Gebührenseite verfolgt werden. Auch bei einem hoheitlich tätigen Unternehmen sollte eine Verbesserung der Ertragssituation vorrangig durch Einsparungen auf der Kostenseite angestrebt werden (insbesondere bei den Personal- und Mietkosten, s. Pkt. 5.3 und Pkt. 5.4).

4 Der Hamburg-Vertrag

4.1 Allgemeines

Nachdem das Vorhaben des Landes, in Baden-Württemberg eine eigene Anlage zur thermischen Behandlung von Sonderabfällen zu schaffen, aufgegeben worden war, schloss die damalige SBW im Jahr 1994 mit dem Betreiber der Sonderabfallverbrennungsanlage in Hamburg den sog. Hamburg-Vertrag ab. Dieser räumte der SBW das Recht ein, der Sonderabfallverbrennungsanlage in Hamburg jährlich 30.000 t Sonderabfall zur Verbrennung zuzuführen, verbunden mit einer Lieferpflicht von jährlich 20.000 t Sonderabfall. Wird die Lieferpflicht nicht erfüllt, so muss für die Fehlmenge eine Entschädigung, die so genannte Pönale, in Höhe von 75 % des jeweils geltenden Entsorgungspreises gezahlt werden. Der bis 31.12.2011 laufende Vertrag wurde im Zuge der Privatisierung der SBW im Jahre 1999 auf die SAA übertragen.

In einer sog. Garantievereinbarung hat sich das Land gegenüber der SAA verpflichtet, die Pönale bis zu einem Höchstbetrag von 92 Mio. € für die gesamte Laufzeit des Vertrags zu übernehmen. Zur Sicherstellung der Liefermengen wurde zugunsten der SAA die Andienungspflicht für beseitigungspflichtige Sonderabfälle eingeführt.

4.2 Finanzielle Folgen

Da die SAA das Entgelt für die Verbrennung des Sonderabfalls den jeweiligen Abfalllieferanten weiterberechnet und die Pönale für zu geringe Liefermengen vom Land gezahlt wird, ergeben sich finanzielle Folgen für die SAA insoweit, als das Unternehmen für Tätigkeiten in Zusammenhang mit dem Hamburg-Vertrag jedes Jahr einen nicht unerheblichen Aufwand hat. Weit gewichtiger sind die finanziellen Folgen für das Land, das die Zahlungen in Zusammenhang mit der Nichterfüllung der Lieferverpflichtung, insbesondere die Pönalezahlungen, zu tragen hat.

Die Übersicht 2 zeigt den finanziellen Aufwand des Landes aufgrund des Hamburg-Vertrags.

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Aus fiskalischer Sicht ist es unbefriedigend, dass das Land in Zusammenhang mit dem Hamburg-Vertrag hohen finanziellen Aufwand trug. Nach dem Landesabfallgesetz hat das Land zwar zusammen mit den Entsorgungspflichtigen zentrale Einrichtungen zur Beseitigung von Sonderabfällen zu schaffen; dieser Gesetzesauftrag begründet aber ausdrücklich keine Verpflichtung zur finanziellen Beteiligung des Landes. Problematisch ist auch, dass die SAA im Andienungsbereich den ihr übertragenen Gesetzesvollzug nicht stringent durchsetzen konnte und kann.

4.3 Umsetzung der Andienungspflicht

4.3.1 Grundsatz

Sonderabfälle sind nach dem Abfallrecht erst dann zu beseitigen, wenn sie weder vermieden noch verwertet werden können. Indes gibt es kaum praktikable Kriterien für eine eindeutige Zuordnung der Sonderabfälle zu den Entsorgungswegen Verwertung und Beseitigung. Da die Verwertung angefallener Sonderabfälle in der Regel wesentlich kostengünstiger ist als die Beseitigung in einer Sonderabfallverbrennungsanlage oder auf einer Sonderabfalldeponie, ist den Abfalllieferanten im Allgemeinen daran gelegen, dass der Sonderabfall als verwertungsfähig klassifiziert wird und nicht der Beseitigung zuzuführen ist. Die Frage nach dem zutreffenden Entsorgungsweg ist komplex; die SAA sieht sich bei der Umsetzung der Andienungspflicht erheblichen Schwierigkeiten gegenübergestellt.

4.3.2 Zuweisungsbescheide

Die für eine hoheitliche Tätigkeit typische Form des Gesetzesvollzugs durch Verwaltungsakte (hier der sog. Zuweisungsbescheide) setzt die SAA bei den Sonderabfällen, die dem Grunde nach in der Sonderabfallverbrennungsanlage in Hamburg zu beseitigen sind, nur sehr eingeschränkt ein. Dies hat zweierlei Gründe:

Ausgehend davon, dass die Abfall erzeugenden/entsorgenden Unternehmen grundsätzlich den für sie kostengünstigsten Weg zur Entsorgung ihrer Sonderabfälle wählen, unterstellt die SAA, dass bei einem stringenten Vollzug der gesetzlichen Andienungspflicht durch den generellen Erlass von Zuweisungsbescheiden die Unternehmen - was nach Auffassung der SAA abfallrechtlich sehr leicht möglich sei - auf die „Verwertungsschiene“ ausweichen und den an sich beseitigungspflichtigen Sonderabfall im Wege der Verwertung entsorgen würden. Deswegen gibt sie anderen, im Verhandlungswege gefundenen Lösungen den Vorzug.

Selbst in den Fällen, in denen der Abfalllieferant den Sonderabfall als verwertungsfähig deklariert, die SAA aber der Auffassung ist, dass der Sonderabfall beseitigt werden muss, setzt die SAA nur selten Zuweisungsbescheide ein. Dies hat zur Folge, dass beseitigungspflichtige Sonderabfälle nicht der Sonderabfallverbrennungsanlage in Hamburg zugeführt werden, sondern - toleriert von der SAA - im Wege der Verwertung entsorgt werden. Bei diesem Vorgehen beruft sich die SAA auf ihre Erfahrung, dass fast durchweg

  • gegen die Anordnungen zur Entsorgung in der Sonderabfallverbrennungsanlage in Hamburg Widerspruch eingelegt werde,

 

  • gegen die ablehnenden Entscheidungen über den Widerspruch der Verwaltungsrechtsweg beschritten werde und

 

  • der von der SAA jeweils angeordnete Sofortvollzug der Bescheide von den Gerichten nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung aufgehoben werde.

Dies habe zur Folge, dass der betroffene Abfallbesitzer seinen Sonderabfall bis zur Entscheidung der Hauptsache nicht zur Verbrennung nach Hamburg liefern müsse, sondern den ursprünglich vorgesehenen Entsorgungsweg beschreiten könne. Die regelmäßige Aufhebung des Sofortvollzugs bei bisher gerichtsanhängigen Verfahren habe die SAA bei ihrer Aufgabenwahrnehmung in eine schwierige Position gebracht.

Gleichwohl ist das Vorgehen der SAA in rechtlicher Hinsicht (wegen des gesetzlichen Auftrags zur Umsetzung der Andienungspflicht und wegen des Gleichheitsgebots) problematisch. Das UM bezeichnet das Vorgehen der SAA als „pragmatischen Gesetzesvollzug“.

4.3.3 Andere Formen der Umsetzung

Die SAA setzt die Andienungspflicht vor dem Hintergrund ihrer Schwierigkeiten, sie auf dem Rechtsweg zu realisieren, vielfach in der Weise um, dass sie mit wichtigen Sonderabfallerzeugern oder -entsorgern Pflichtmengen zur Lieferung an die SAA bzw. an die Sonderverbrennungsanlage in Hamburg vereinbart oder andere Vereinbarungen trifft, die es für das betreffende Unternehmen finanziell interessant machen, den Sonderabfall in Hamburg verbrennen zu lassen, gleichzeitig aber das Land von Pönalezahlungen entlasten.

Auch diese Formen der Umsetzung der Andienungspflicht sind rechtlich nicht unproblematisch, weil sie nicht alle Entsorgungspflichtigen gleichermaßen erfassen. Sie sind Folge einer Rechtslage, die praktisch kaum durchsetzbar ist. Gleichwohl sollte die SAA nur dann den pragmatisch genannten Weg des Gesetzesvollzugs wählen, wenn im Einzelfall tatsächlich die Andienungspflicht nicht anders durchsetzbar ist. Zudem muss sichergestellt sein, dass auch in diesen Fällen abfallrechtliche Vorgaben und umweltpolitische Ziele nicht konterkariert werden.

Die Steuerung der Abfallmengen mittels Zuweisungsbescheiden ist der rechtlich einwandfreie Weg, der nur dann verlassen werden sollte, wenn die jeweilige Alternative für das Land finanziell vorteilhafter ist. In absehbarer Zeit - nach Auslaufen des Hamburg-Vertrags - hält der RH eine an den Vollzugsmöglichkeiten orientierte Änderung der Rechtslage für geboten.

5 Personal- und anderer Aufwand

5.1 Allgemeines

Der RH hat schon in früheren Fällen festgestellt, dass verwaltungsnahe Unternehmen, die nicht wirklich am Markt teilnehmen, zu einem kritisch zu bewertenden Ausgabeverhalten neigen (zuletzt s. Denkschrift 2004, Beitrag Nr. 14, Betätigungsprüfung bei einem Dienstleistungsunternehmen). Diese Tendenz war in einzelnen Punkten auch bei der SAA festzustellen.

5.2 Abfindung für eine Führungskraft

Im Zuge der Übernahme der Geschäftsbereiche Andienung und Abfallberatungsagentur (s. Pkt. 2) übernahm die SAA von der SBW auch eine Führungskraft und schloss mit ihr einen bis zum 31.01.2001 laufenden Dienstvertrag ab. Wegen des Verkaufs der Abfallberatungsagentur zum 01.01.1999 sah die Führungskraft bei der (Rest-)SAA keine geeignete Aufgabenstellung mehr für sich und bat deswegen den Aufsichtsratsvorsitzenden um Beendigung des Dienstverhältnisses zum 31.12.1998. Trotz des Ausscheidens auf eigenen Wunsch forderte die Führungskraft von der SAA den vollen Ausgleich der ihr ansonsten bis zum regulären Ende des Dienstverhältnisses (31.01.2001) zu zahlenden Vergütung von einigen hunderttausend Euro. Im Verhandlungswege einigte man sich schließlich auf eine Abfindung in einer Höhe, die rd. 80 % der bis zum regulären Ende des Dienstverhältnisses zu zahlenden Vergütung entsprach.

Die Abfindung ist in doppelter Hinsicht problematisch:

  • Da eine Abfindung bei vorzeitigem Ausscheiden auf eigenen Wunsch im Dienstvertrag nicht vorgesehen war, ist nicht ohne Weiteres erklärlich, weshalb der Führungskraft überhaupt eine Abfindung gewährt wurde. Dies gilt umso mehr, als die SAA durch die Genehmigung einer anspruchsvollen Nebentätigkeit bei einem anderen Unternehmen es der Führungskraft ermöglicht hatte, sich noch während ihrer Tätigkeit bei der SAA beruflich neu zu orientieren (und sie mit Ausscheiden aus der SAA nahtlos die frühere Nebentätigkeit bei dem anderen Unternehmen hauptberuflich ausüben konnte).

 

  • Selbst wenn man die Abfindung dem Grunde nach für berechtigt hielte, so bliebe sie doch von der Höhe her problematisch. Die SAA sparte zwar vordergründig mehrere zehntausend Euro (20 % der Vergütung, die der ausgeschiedenen Führungskraft bis zu ihrem regulären Dienstende am 31.01.2001 zugestanden hätte), doch hatte sie der nachfolgenden, zum 01.01.1999 neu eingesetzten Führungskraft bis zum 31.01.2001 eine Vergütung in nennenswerter Höhe zu bezahlen. Die SAA hätte somit mehr als 50.000 € Dienstvergütungen einsparen können, hätte sie die Dienste der früheren Führungskraft bis zum regulären Vertragsende in Anspruch genommen oder ihr auf eigenen Wunsch hin erfolgtes Ausscheiden nicht so großzügig honoriert.

5.3 Zahlungen an Mitarbeiter

Die SAA hat in den Arbeitsverträgen mit ihren Mitarbeitern eine Vergütung entsprechend dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vereinbart. Gleichwohl hat sie den Mitarbeitern Zahlungen zukommen lassen, die im BAT nicht vorgesehen sind. So gewährte die SAA

  • Zuschüsse für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von bis zu 6.000 € jährlich und

 

  • vermögenswirksame Leistungen von 39,88 € monatlich statt der im BAT vorgesehenen 6,65 € monatlich (Mehraufwand bis zu 9.000 € jährlich).

Nicht durch den BAT gedeckt sind auch die Leistungszulagen im Gesamtbetrag von bis zu 13.000 € jährlich, zu deren Zahlung sich die SAA im jeweiligen Einzelfall durch eine Ergänzung des Anstellungsvertrags verpflichtet hat. Im Übrigen sind die Leistungszulagen auch deswegen problematisch, weil sie von der SAA auf Dauer zugesagt wurden; dies ist mit dem Ziel einer Leistungszulage, einem Mitarbeiter Leistungsanreize zu bieten, nur schwerlich zu vereinbaren.

Die nicht durch den BAT gedeckten Leistungen sind auch deswegen kritisch zu sehen, weil die zu 100 % dem Land gehörende SAA ausschließlich hoheitliche Aufgaben des Landes wahrnimmt. Zudem erwirtschaftet sie regelmäßig Fehlbeträge, die über Zuwendungen des Landes abgedeckt werden; im Bescheid über die institutionelle Förderung wurde ausdrücklich auf das sog. Besserstellungsverbot (keine höhere Vergütung als nach BAT) hingewiesen.

5.4 Anmietung von Geschäftsräumen

Die SAA bezahlt für ihre angemieteten, 1.171 m² großen Geschäftsräume in einem Bürogebäudekomplex eine Kaltmiete von 77.000 € jährlich. Angesichts der Tatsache, dass in den Stellenplänen bisher maximal 27,5 Mitarbeiterstellen ausgewiesen wurden, hat der RH den Raumbedarf der Gesellschaft kritisch hinterfragt.

Die SAA ist nicht nur aufgrund ihrer Eigenschaft als beliehenes Unternehmen, sondern auch nach ihrer Aufgabe und nach der Art ihrer Aufgabenwahrnehmung weitgehend mit einer Landesbehörde vergleichbar. Dies rechtfertigt auch einen Vergleich ihres Raumbedarfs mit dem einer Landesbehörde. Während dort die einem Beschäftigten durchschnittlich zur Verfügung stehende Fläche nach verwaltungsinterner Festlegung mit 15 m² als angemessen betrachtet wird, entfallen bei der SAA auf jede Stelle durchschnittlich 43 m² angemietete Fläche und damit fast das Dreifache der im Landesbereich maßgebenden Fläche. Dieser Vergleich spricht eindeutig dafür, dass die von der SAA angemietete Fläche von 1.171 m² weit über dem wirtschaftlich vertretbaren Raumbedarf liegt.

Die SAA hätte jedes Jahr rd. 50.000 € Miete (einschließlich Nebenkosten) einsparen können, wenn sie ihren Raumbedarf an den im Landesbereich als angemessen erachteten Flächen ausgerichtet hätte. Es sollte darauf hingewirkt werden, dass die SAA ihren Raumbedarf deutlich reduziert und dabei den inzwischen vorgenommenen und weiter absehbaren Personalabbau berücksichtigt.

6 Stellungnahme des Ministeriums

In seiner mit dem UM abgestimmten Stellungnahme hat sich das FM bezüglich der Fahrtkostenzuschüsse und der übertariflichen Zulagen an das Personal der Beurteilung durch den RH angeschlossen. Ansonsten vertritt es im Wesentlichen eine abweichende Auffassung, insbesondere zu folgenden Punkten:

  • Bei der Finanzierung strebe die SAA einen Kostendeckungsgrad von 75 % an, da 25 % auf nicht gebührenfähige Aufgaben entfielen.

 

  • Die Berechnung einer Marge im Andienungsbereich sei politisch verworfen worden und würde der baden-württembergischen Wirtschaft Akzeptanzprobleme bereiten; zudem sei die Marge de facto z. T. in Gebühren eingeflossen.

 

  • Im Kontrollbereich gebe es plausible Gründe dafür, dass für das privilegierte Verfahren erst im Jahr 2004 Gebühren eingeführt wurden. Bezüglich der Angemessenheit dieser Gebühren müsse beachtet werden, dass der Aufwand für das privilegierte Verfahren deutlich geringer sei als beim Grundverfahren und zudem eine weitere Gebührenerhöhung kontraproduktiv sei.

 

  • Bei der Umsetzung der Andienungspflicht praktiziere die SAA unter den gegebenen Rahmenbedingungen einen stringenten Gesetzesvollzug. Die rechtlich nicht zu beanstandende Praxis der SAA habe zu einer steigenden Liefermenge nach Hamburg geführt.

 

  • Das Unternehmen neige nicht zu einem kritisch zu bewertenden Ausgabeverhalten. Die frühere Führungskraft sei nur durch die Abfindung zu veranlassen gewesen, aus der SAA auszuscheiden. Bezüglich des Arbeitgeberanteils an den vermögenswirksamen Leistungen habe das Unternehmen beim UM beantragt, eine Ausnahme vom Besserstellungsverbot zuzulassen, da die zusätzliche Altersversorgung bei der SAA geringer sei als beim öffentlichen Dienst und mit den vermögenswirksamen Leistungen ein gewisser Ausgleich geschaffen werde. Von den angemieteten Geschäftsräumen werde ein 40 m² großer Raum im Untergeschoss aufgegeben; ansonsten sei der Raumbedarf - da jeder Mitarbeiter ein Einzelzimmer benötige - nicht zu hoch.

7 Schlussbemerkung

Der RH bleibt bei seiner Auffassung. Er hält es für problematisch, wenn das Land ein privatrechtlich organisiertes Unternehmen mit der Vorgabe kostendeckender Gebühren gründet, dieses Teilziel aber alsbald aufgegeben wird und in der Folge das Unternehmen hoher Zuwendungen des Landes bedarf.

Im Andienungsbereich sollte, wie früher bei der SBW, eine Marge erhoben werden. Die Gründe, die gegen die Erhebung von Gebühren für das privilegierte Verfahren schon ab dem Jahr 2000 vorgebracht wurden, überzeugen nicht, zumal sie fast sämtlich auch gegen die tatsächliche Einführung der Gebühren im Jahr 2004 vorgebracht werden könnten. Die zu begrüßende Steigerung der Liefermenge nach Hamburg ändert nichts an der Tatsache, dass die Andienungspflicht in problematischer Form umgesetzt wird.

Da die frühere Führungskraft der Leitungsebene schon angehörte, als das Unternehmen noch wesentlich größer war, und sie zudem auf eigenen Wunsch ausschied, ist eine Abfindung nicht oder zumindest nicht in dieser Höhe gerechtfertigt.

Über den Antrag der SAA, bezüglich der vermögenswirksamen Leistungen eine Ausnahme vom Besserstellungsverbot zuzulassen, hat das zuständige Ministerium zu entscheiden; der RH bemerkt jedoch, dass nach den Verwaltungsvorschriften zur LHO eine Ausnahme der vorherigen Zustimmung des Zuwendungsgebers bedarf. Auch mangelt es an einer Vergleichbarkeit der Vorsorgesysteme (vermögenswirksame Leistungen: wenige Jahre Laufzeit, keine Zweckbestimmung des angesparten Vermögens; Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder: Laufzeit oft das gesamte Berufsleben, zweckbestimmt zur Altersversorgung), sodass es überaus problematisch ist, den Arbeitgeberanteil zu den vermögenswirksamen Leistungen in Kontext zu stellen zur Altersversorgung der Mitarbeiter.

Die Fläche der angemieteten Geschäftsräume hält der RH aus den dargelegten Gründen weiterhin für zu hoch.


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Ein landesbeteiligtes Unternehmen, das Leistungen für öffentliche Bibliotheken erbringt, geriet durch verlustbringende Aktivitäten, verbunden mit einer mangelhaften Steuerung und Kontrolle des Unternehmens, in eine schwere wirtschaftliche Krise. Ein wichtiges Landesinteresse an einer Beteiligung an dem Unternehmen ist nicht erkennbar. Das Land sollte seine Geschäftsanteile baldmöglichst veräußern.


1 Allgemeines

Das Land ist mit einer Beteiligungsquote von 9,4 % der Geschäftsanteile größter Gesellschafter des früher als „Einkaufszentrale für Öffentliche Bibliotheken GmbH“ und jetzt als „ekz.Bibliotheksservice GmbH“ (ekz) firmierenden Unternehmens mit Sitz in Reutlingen. Die weiteren Geschäftsanteile werden insbesondere von Gebietskörperschaften gehalten, darunter die meisten Bundesländer sowie zahlreiche Kommunen. Derzeit sind Änderungen in der Zusammensetzung des Gesellschafterkreises zu beobachten, insbesondere durch die Übernahme von Geschäftsanteilen durch den Geschäftsführer.

Der RH hat die Betätigung des Landes als Gesellschafter der ekz geprüft und sich zu diesem Zwecke bei dem Unternehmen örtlich unterrichtet.

2 Entwicklung und Aktivitäten des Unternehmens

Die ekz wurde im Jahr 1947 gegründet, um ein kriegsbedingtes Ausweichlager des Leipziger „Einkaufshauses für Büchereien“ in Reutlingen zu übernehmen. Ursprünglich war der Unternehmensgegenstand auf die Versorgung öffentlicher Büchereien mit Büchern und Büchereibedarf sowie auf die Belieferung des Sortimentsbuchhandels beschränkt. Nach wiederholter Ausweitung umfasst er nunmehr auch die Entwicklung und den Vertrieb bibliotheksspezifischer Produkte (Bücher, Medien, Ausstattungen u. a. m.) sowie Dienstleistungen für öffentliche Bibliotheken und für andere Einrichtungen im In- und Ausland; auch die Belieferung Dritter ist zulässig. Dementsprechend stellt sich die ekz heute als ein Allround-Anbieter dar, der öffentliche Bibliotheken im In- und Ausland nicht nur mit ausleihfertigen Büchern und anderen Medien, sondern mit der gesamten Bandbreite der Büchereitechnik versorgt und sogar die komplette Möbelausstattung plant und liefert.

3 Wirtschaftliche Krise des Unternehmens

3.1 Eigenkapitalverzehr durch Verluste

Aus den Schaubildern 1 und 2 ist ersichtlich, dass die ekz über viele Jahre Verluste erwirtschaftete, die wesentliche Teile des Eigenkapitals aufzehrten.

2006-B012-Sch1 und 2.jpg

War das Eigenkapital durch die Jahresfehlbeträge in den Jahren 1994 bis 1998 ohnehin schon allmählich dezimiert worden, so führte der höchste Jahresfehlbetrag der Firmengeschichte im Jahre 2002 von 2,5 Mio. € das Unternehmen vollends in eine schwere wirtschaftliche Krise, die sich durch einen weiteren Jahresfehlbetrag im Jahr 2003 von 1,3 Mio. € noch verschlimmerte.

3.2 Ursachen der Krise

3.2.1 Allgemeines

Wie bei fast jeder wirtschaftlichen Krise von Unternehmen sind die Gründe hierfür auch bei der ekz vielschichtig. Der RH befasst sich im Folgenden mit den Problembereichen, die besonderes Gewicht haben, sich über viele Jahre hinzogen und auch heute noch im Unternehmen nachwirken.

3.2.2 Personal

Die Haustarife der ekz orientieren sich aus historischen Gründen (die ekz betrieb vor vielen Jahren eine Druckerei) an den Tarifverträgen für die Druckindustrie. Dies ist angesichts der seit Jahren völlig anderen Aktivitäten des Unternehmens nicht mehr zeitgemäß. Bei einer Orientierung an einem anderen, auch für Konkurrenzunternehmen der ekz einschlägigen Tarifwerk könnte das Unternehmen seine Personalkosten auf Dauer beträchtlich reduzieren.

3.2.3 Defizitäre Geschäftsbereiche

Während zuvor die öffentlichen Bibliotheken für ihren Büchereinkauf den Markt selbst sondieren mussten, haben sie seit 1976 die Möglichkeit, die von der ekz als Einkaufshilfe herausgegebenen sog. Informationsdienste entgeltlich zu abonnieren. Diese Informationsdienste, die insbesondere Rezensionen über neu herausgegebene Bücher umfassen, sind das Ergebnis einer bundesweiten, diffizil gestalteten Kooperation des sog. Lektoratsdienstes der ekz mit einem Verband von Bibliotheksbediensteten und einem Verband von Bibliotheken. Die ekz koordiniert, verwaltet und finanziert weitgehend das gesamte Kooperationssystem; ihr Entgelt für die Informationsdienste deckt nur einen Bruchteil der Kosten ab.

Die Lektoratsdienste sind in hohem Maße defizitär. Die negativen Ergebnisbeiträge wurden hingenommen; kaufmännische Überlegungen hatten insoweit einen zu geringen Stellenwert. Die bibliothekarischen Dienste der ekz wurden als Produkt des gesamten deutschen Bibliothekswesens angesehen, doch wurden die Verluste aus diesem Produkt allein von der ekz getragen.

3.2.4 Baumaßnahmen

Kritisch zu sehen sind auch die Bauaktivitäten der ekz:

1994 erstellte die ekz für mehrere Millionen Euro ein Bürogebäude mit fast 1.000 m² Fläche, die als Vorratsfläche zur Eigennutzung durch die ekz vorgesehen war und in der Zwischenzeit vermietet wurde, sowie ein Lagergebäude mit mehr als 4.000 m² Lagerflächen, die für den Möbelhandel der ekz genutzt wurden. Seit der Verlagerung des Möbelvertriebs Ende des Jahres 2002 standen die Lagerflächen längere Zeit vollständig, später zur Hälfte leer. Verkaufsbemühungen waren fruchtlos, obwohl das Anwesen weit unter den eigenen Gestehungskosten offeriert wurde.

Trotz dieser Reserve an Büroflächen schuf die ekz im Jahr 2002 durch Aufstockung ihres Stammhauses neue Räume von ebenfalls fast 1.000 m². Ohne dass der Aufsichtsrat hierüber beschlossen hatte, ohne Wirtschaftlichkeitsberechnung und ohne Prüfung von Alternativen, die mit dem 1994 erstellten Bürogebäude konkret zur Verfügung standen, wurden auch hier hohe Beträge investiert. Da sich im Zuge eines Personalabbaus der Flächenbedarf des Unternehmens reduzierte, wurde das gesamte Stockwerk bereits im Frühjahr 2004 wieder vollständig geräumt und steht seither leer.

Ergebnis der Bauaktivitäten der ekz ist jedenfalls, dass das Unternehmen mehrere Millionen Euro in nicht betriebsnotwendiges Vermögen investierte, das zudem keine adäquaten Erträge abwirft.

3.3 Verantwortlichkeiten

Bezüglich der Frage der Verantwortlichkeiten ist vorweg darauf hinzuweisen, dass sich der RH bei der Betätigungsprüfung nach § 92 LHO ausschließlich mit dem Engagement des Landes Baden-Württemberg als Gesellschafter des Unternehmens befasst hat. Es war nicht Aufgabe des RH, sich mit der Betätigung der weiteren Gesellschafter auseinander zu setzen. Ausgangspunkt der Betätigungsprüfung war somit die Frage, ob das nach § 65 Abs. 2 LHO für die Landesbeteiligung zuständige FM seine Verantwortung für die Interessen des Landes direkt (in der Gesellschafterversammlung) und indirekt (über den Landesvertreter im Aufsichtsrat) genügend wahrgenommen hat. Deswegen hat der RH im Folgenden zwar die gesellschaftsrechtlich befugten Organe (Gesellschafterversammlung und Aufsichtsrat) benannt, doch bezieht sich seine Kritik ausschließlich auf das Wirken der Beteiligungsverwaltung in diesen Gesellschaftsorganen. Auch bezieht sich diese Kritik nicht auf einzelne Personen, etwa die Landesvertreter im Aufsichtsrat oder in der Gesellschafterversammlung, zumal diese in den geprüften Jahren wechselten.

Die jahrelangen Verluste, der Verzehr von Eigenkapital und schließlich die existenzbedrohende finanzielle Krise der ekz gründen wesentlich in Entscheidungen des damaligen Alleingeschäftsführers. Diese Entscheidungen sind mit dem kaufmännischen Grundsatz des vernünftigen und sparsamen Wirtschaftens nicht in Einklang zu bringen. Möglich war dies, weil der Aufsichtsrat die Geschäftsführung allenfalls lückenhaft überwacht hat. Begünstigt wurde dies durch eine wenig aktive Rolle der Gesellschafterversammlung.

Da im Verlauf der Unternehmenskrise die Mängel der Geschäftsführung transparent und in diesem Zusammenhang die Geschäftsführung der ekz ausgetauscht wurde, befasst sich der RH im Folgenden nur mit den Verantwortlichkeiten der weiteren Gesellschaftsorgane.

Ein ganz wesentliches Mittel für die präventive Überwachung der Geschäftsführung durch den Aufsichtsrat ist die Festlegung von Zustimmungsvorbehalten, die von der Geschäftsführung bei ihrer Tätigkeit zu beachten sind. Bei der ekz waren im Gesellschaftsvertrag in nicht genügendem Umfang Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats festgelegt worden; auch die vom Aufsichtsrat beschlossene Geschäftsordnung für die Geschäftsführung enthielt kaum weitere Zustimmungsvorbehalte. So fehlten Zustimmungsvorbehalte für die Feststellung eines jährlich im Voraus aufzustellenden aussagefähigen Wirtschaftsplans und für die Anschaffung von Gegenständen des Anlagevermögens mit einem Anschaffungswert ab einem bestimmten Betrag. Dies führte dazu, dass der Geschäftsführer ohne einen entsprechenden Beschluss des Aufsichtsrats, sondern nach eigenem Gutdünken wirtschaften und investieren konnte. Wie die zahlreichen Handlungen des damaligen Geschäftsführers und der damit zusammenhängende finanzielle Niedergang des Unternehmens deutlich zeigen, waren die festgelegten Zustimmungsvorbehalte nicht geeignet, eine wirksame Steuerung und Kontrolle zu sichern.

Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung wurden ihrer Aufgabe schon insoweit nicht gerecht, als sie sich mit den wenigen Zustimmungsvorbehalten im Gesellschaftsvertrag und in der Geschäftsordnung für die Geschäftsführung aus dem Jahr 1974 begnügten. Dabei ist deutlich darauf hinzuweisen, dass es sich nicht um einen einmaligen Mangel im Jahr 1974 handelt, sondern um einen Mangel, der bis zum Erlass einer neuen Geschäftsordnung im Jahr 2005 fortwirkte. Die Zustimmungsvorbehalte hätten jederzeit erweitert werden können. Die Geschäftsentwicklung hätte einen aktiven Aufsichtsrat veranlassen müssen, geplante, nicht zustimmungspflichtige Vorhaben von beträchtlicher Bedeutung per Einzelbeschluss seiner Zustimmung zu unterwerfen.

Auch im Übrigen ist Kritik gegenüber dem Aufsichtsrat angezeigt. So hat er z. B. Feststellungen in den Berichten des Abschlussprüfers nicht aufgegriffen. Trotz der anhaltend hoch defizitären Situation im Lektoratsdienst wurde dieses Thema nur im Abstand von mehreren Jahren erörtert; auch wurden die jahrelangen Verluste des Unternehmens nicht tiefer gehend hinterfragt. Die Protokolle geben keinen Hinweis darauf, dass er diesbezügliche Konsequenzen eingefordert hätte.

Aufgrund eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung wird der Aufsichtsrat nach einem bestimmten Länder-/Kommunen-Proporz besetzt. Dies und die Dominanz von Fachleuten des deutschen Bibliothekswesens in diesem Gesellschaftsorgan drängen den Eindruck auf, dass eher der Proporz als die wirtschaftliche Kompetenz den Ausschlag für die Besetzung der Aufsichtsratsmandate gegeben hat. Zu vermuten ist, dass der Aufsichtsrat die ekz vor allen Dingen als eine Institution des deutschen Bibliothekswesens sah und nicht als ein Unternehmen, das marktwirtschaftlich zu agieren und deswegen seine Wirtschaftsführung in den Fokus zu nehmen hat. Der RH erinnert in diesem Zusammenhang an seine wiederholte Forderung, dass maßgebliches Kriterium für eine Mandatsbesetzung die erwartete Fähigkeit sein muss, zu einer sinnvollen Steuerung und Kontrolle des (Wirtschafts-) Unternehmens beizutragen zu können.

3.4 Sanierung des Unternehmens

In jüngerer Zeit sind deutliche Anstrengungen zu einer aktiven Umsteuerung des Unternehmens festzustellen. Die Geschäftsführung wurde ausgetauscht. Die Sanierungsmaßnahmen sind noch nicht vollständig umgesetzt, doch lassen der gegenüber dem Vorjahr nur noch halb so hohe Verlust im Jahr 2003, der geringe Gewinn 2004 sowie bestimmte Zahlen des Jahres 2005 erwarten, dass die Sanierungsmaßnahmen greifen.

4 Wichtiges Landesinteresse an dem Unternehmen

§ 65 Abs. 1 Nr. 1 LHO setzt für die Beteiligung des Landes an einem Unternehmen in einer Rechtsform des privaten Rechts ein wichtiges Interesse des Landes voraus. Mit ihren Geschäftsaktivitäten betätigt sich die ekz jedoch auf einem Markt, der vom privaten Unternehmertum genügend besetzt ist. Sie steht im Wettbewerb mit dem Buchhandel, Buchbindereien, Titel- und Besprechungsdiensten und selbst mit bestimmten Einrichtungshäusern und Innenarchitekten. Ihr Aktionsradius geht über das Bundesgebiet hinaus. Zudem bedient das Unternehmen im Wesentlichen kommunale Bibliotheken; die Umsätze mit dem Land (z. B. Universitätsbibliotheken) sind verschwindend gering. Ein wichtiges Interesse des Landes an dem Unternehmen ist nicht erkennbar. Dies wurde - zumindest eine Zeit lang - offensichtlich auch vom FM so gesehen, hat es doch in der Vergangenheit wiederholt erklärt, es bestehe keine realistische Möglichkeit, sich von dieser Beteiligung zu lösen. Inzwischen besteht diese Möglichkeit.

5 Perspektiven für den Verkauf der Landesbeteiligung

Die derzeitige Entwicklung im Kreis der Gesellschafter zeigt, dass die Möglichkeit, sich von einer Beteiligung an der ekz zu lösen, jetzt durchaus realistisch ist. Das Land sollte daher versuchen, seine Geschäftsanteile an der ekz zügig zu veräußern. Dabei setzt der RH voraus, dass die Beteiligung zu ihrem vollem Wert abgegeben wird (§ 63 Abs. 4 LHO) und das Land bei der Ermittlung des Verkaufspreises die zukünftigen Einspar- und Ertragspotenziale des Unternehmens angemessen berücksichtigt.

Da ein Teil der Geschäftsanteile vom Geschäftsführer übernommen wurde, weist der RH noch auf Folgendes hin: Der bereits eingeschlagene Weg, die Geschäftsleitung im Wege des Management-Buy-outs in das Unternehmen einzubinden und so die Grundlage für eine noch stärkere Identifizierung der Geschäftsleitung mit dem Unternehmen zu schaffen, sollte im Bereich der Unternehmen mit Landesbeteiligung als eine sinnvolle Möglichkeit zur Steigerung des Unternehmenswerts gesehen werden. Diese kann dem Land letztlich auch im Fall einer Veräußerung der Unternehmensbeteiligung zugute kommen.

6 Stellungnahme des Ministeriums und Schlussbemerkungen

6.1 Grundsätzliches zum Prüfungsverfahren

Das FM bestreitet die Zulässigkeit des Prüfungsverfahrens. Nach dem Gesellschaftsvertrag dürfe der RH zwar die ekz selber (d. h. ihre Haushalts- und Wirtschaftsführung) prüfen, doch habe er nicht das Recht, sich zum Zwecke der Betätigungsprüfung bei dem Unternehmen örtlich zu unterrichten. Die bei der örtlichen Unterrichtung gewonnenen Erkenntnisse seien unrechtmäßig zustande gekommen und dürften deswegen nicht verwertet werden.

Der RH interpretiert sein im Gesellschaftsvertrag verankertes Recht bei dem Unternehmen anders und sieht die durchgeführte örtliche Unterrichtung als rechtens an. Es ist bemerkenswert, dass das vor Beginn der Erhebungen benachrichtigte FM erst im Nachhinein rechtliche Bedenken gegen die örtliche Unterrichtung geäußert hat. Im Übrigen hätte der RH die Erkenntnisse auch ohne örtliche Unterrichtung gewinnen können, allerdings in einem umständlichen, für alle Beteiligten (FM, ekz und RH) mit unverhältnismäßig hohem Arbeitsaufwand verbundenen Verfahren. Für die bei der örtlichen Unterrichtung gewonnenen Erkenntnisse besteht kein Verwertungsverbot.

6.2 Verantwortlichkeiten

Das FM hält die Darstellung der Verantwortlichkeit des FM für sehr fragwürdig, weil das Land nur einer von 73 Gesellschaftern sei und nur eines der 13 Mitglieder des Aufsichtsrats stelle. Außerdem vermittle der RH den Eindruck, die Gesellschafterversammlung, der Aufsichtsrat und die Beteiligungsverwaltung des FM hätten auf der ganzen Linie versagt. Dabei hätten Aufsichtsrat und Beteiligungsverwaltung eine in hohem Maße aktive Rolle wahrgenommen, namentlich bei der seit 2003 laufenden Sanierung des Unternehmens.

Der RH verkennt nicht, dass die Beteiligungsverwaltung - über den Landesvertreter im Aufsichtsrat - in Zusammenhang mit der Sanierung der ekz ihre Rolle engagiert wahrgenommen hat. Gleichwohl ist festzuhalten, dass das Maß des Einwirkens auf das Unternehmen über Jahre hinweg zu gering war. Dabei ist ohne Belang, dass das Land nur einer von vielen Gesellschaftern war und nur eines der Aufsichtsratsmitglieder stellte. Maßstab für eine ordnungsgemäße Verwaltung der Landesbeteiligung ist, ob das FM auf die Durchsetzung der Interessen des Landes hingewirkt hat und nicht, ob sich das Anliegen in den Gesellschaftsorganen dann auch durchsetzen ließ.

6.3 Sonstiges, insbesondere das wichtige Landesinteresse

Das FM beurteilt die Darstellungen des RH als vergangenheitsbezogene Betrachtungen. Nur insoweit bestehe ein Dissens, nicht aber hinsichtlich der Zukunft der ekz. Die Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats seien inzwischen wesentlich erweitert worden, defizitäre Geschäftsbereiche würden optimiert, auf die Vermietung leerstehender Räume werde hingewirkt. Das FM sei bereit, die Beteiligung an der ekz in drei bis fünf Jahren aufzugeben; eine frühere Veräußerung sei wegen der noch laufenden Restrukturierungsphase nicht angebracht.

Der RH stellt die Entwicklung vergangener Jahre dar, weil nur so die Beteiligung des Landes an dem Unternehmen insgesamt zutreffend gewertet werden kann. Die grundsätzliche Bereitschaft des FM, sich von der Beteiligung zu lösen, ist positiv zu bewerten. Der Verkauf der Geschäftsanteile sollte allerdings nicht erst mittelfristig, sondern zügig in Angriff genommen werden.


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Einzelplan 07: Wirtschaftsministerium

Von 61 in das Städtebauförderprogramm aufgenommenen Konversionsmaßnahmen mit einem Fördermittelvolumen von 165 Mio. € gestalteten sich bislang mindestens 13 als rentierlich; dieser Frage ist daher künftig mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Außerdem sollte beim Grunderwerb verstärkt vom Zinsausgleich Gebrauch gemacht werden. Mittelrückflüsse sollten vorrangig der Verfügungsmasse der Städtebauförderung zugeleitet und neu verteilt werden.


1 Ausgangslage

Das Bundesministerium der Verteidigung hat 2004 angekündigt, im Zuge der Umstrukturierung der Bundeswehr bis 2010 in Baden-Württemberg 17 Standorte aufzulösen. Vor diesem Hintergrund ist eine Rückbetrachtung des Erfolgs oder des Misserfolgs der früheren und der heute noch laufenden Konversionsmaßnahmen angezeigt. Ihre Analyse soll dazu beitragen, Erfahrungen aus der Vergangenheit bei der Bewältigung der anstehenden Fälle zu berücksichtigen.

Der RH hat zusammen mit den staatlichen Rechnungsprüfungsämtern ein Drittel der 61 in der Städtebauförderung geführten Konversionsmaßnahmen geprüft. Darüber hinaus wurden bei den betroffenen Kommunen mit einer Fragebogenaktion alle relevanten Daten und ihre Einschätzungen abgefragt.

2 Förderprogramme

Zur Unterstützung der Umwandlung ehemals militärisch genutzter in zivil zu nutzende Flächen wurden bislang verschiedene Förderprogramme eingesetzt, vorrangig das Städtebauförderungsprogramm.

Nach Kenntnis der ersten Überlegungen zur Truppenreduzierung und zur Freigabe militärischer Liegenschaften erarbeitete die Landesregierung 1990 eine Konzeption, die darauf ausgerichtet war, die negativen Auswirkungen der Truppenreduzierung zu mindern und Chancen für das Land bzw. für die betroffenen Gemeinden zu nutzen.

Ende 1990 wurde das IM beauftragt, „die Fördermöglichkeiten der Stadterneuerung und des Wohnungsbaus vorrangig zur Umnutzung bisher militärisch genutzter Liegenschaften einzusetzen“.

Auf der Grundlage dieser Entscheidung hat das - ab 1992 zuständige - WM diesen Förderschwerpunkt in die Jahresausschreibungen der Landesprogramme 1993 für die städtebauliche Erneuerung aufgenommen.

Außerdem wurden - wenngleich in wesentlich geringerem Umfang - Mittel aus dem (Landes-) Konversions-Standortprogramm (KSP), aus dem Programm der Europäischen Gemeinschaft (KONVER) sowie vereinzelt aus dem Landeswohnungsbauförderprogramm, dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz und dem Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum zur Verfügung gestellt.

Nachfolgend werden nur die im Rahmen der Städtebauförderung abgewickelten Maßnahmen behandelt, da für künftige Förderungen überwiegend nur dieses Programm zur Verfügung stehen wird.

3 Landesmittel für Konversionsmaßnahmen

Das Land hat zusammen mit dem Bund in den Jahren 1979 bis 2003 insgesamt 165 Mio. € aus dem Kontingent „Förderung städtebaulicher Sanierung und Entwicklung“ (Kap. 0705 Tit.Gr. 91) für Konversionsmaßnahmen bereitgestellt, wobei die Mittel überwiegend in den Jahren 1993 bis 1995 durch Bewilligungen gebunden wurden.

3.1 Fördergrundsatz

Die Gemeinde erhält die Fördermittel im Wege einer Anteilsfinanzierung zunächst als zins- und tilgungsfreie Vorauszahlung. Erst nach Abschluss der Sanierungsmaßnahme wird auf der Basis der Abrechnung entschieden, ob die Fördermittel ganz oder teilweise als Zuschuss oder als Darlehen gewährt werden, durch andere Finanzierungsmittel zu ersetzen sind oder zurückgezahlt werden müssen. In der Abrechnung werden die förderfähigen Kosten der Gesamtmaßnahme mit den durch die Sanierung bedingten Einnahmen und Wertansätzen aufgerechnet. Sollte sich hierbei ein Überschuss ergeben, ist dieser an das Land bzw. an den Bund zurückzugeben.

Insgesamt gilt für die Städtebauförderung der Grundsatz, dass Mittel grundsätzlich nur gewährt werden, wenn die Kosten nicht anderweitig gedeckt werden können. Wenn jedoch alle sanierungsbedingten Einnahmen (ohne Einrechnung der Städtebauförderungsmittel) die zuwendungsfähigen Kosten decken oder übersteigen, spricht man von der Rentierlichkeit einer Maßnahme. Ist eine solche Rentierlichkeit bereits im Vorplanungsstadium erkennbar oder kann sie prognostiziert werden, besteht kein Förderanspruch. Ergibt sich die Rentierlichkeit erst während der Ausführung, sind die Fördermittel zurückzuzahlen.

3.2 Rückgabe/Umschichtung

Nach Angaben der Kommunen wurden bis zum Prüfungszeitpunkt neun Konversionsmaßnahmen abgerechnet; das entspricht 15 % aller Maßnahmen (s. Schaubild). 17 Bewilligungen wurden - im Wesentlichen wegen zu erwartender Rentierlichkeit - widerrufen; das sind 28 %. Die hierbei frei gewordenen Mittel wurden großteils umgeschichtet, und zwar zugunsten anderer, allgemeiner Sanierungsmaßnahmen in der betroffenen Gemeinde.

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4 Prüfungsergebnis

4.1 Wahl des Förderprogramms

Wie unter Pkt. 2 aufgeführt, hatte die Landesregierung das IM beauftragt, „die Fördermöglichkeit der Stadterneuerung und des Wohnungsbaus vorrangig zur Umnutzung bisher militärisch genutzter Liegenschaften einzusetzen“. Dabei hat die Landesregierung offensichtlich übersehen, dass der Fördertatbestand „Umnutzung“ nach den Städtebauförderungsrichtlinien (StBauFR), zumindest bei der Förderung von Modernisierungsmaßnahmen an Gebäuden, ausgeschlossen ist. Weder das Ministerium noch die Bewilligungsbehörden haben in diesem Punkt Klarheit geschaffen. Handlungsbedarf besteht jedenfalls bei den laufenden Maßnahmen insoweit, als die Bewilligungsbehörden Umnutzungs-Modernisierungsmaßnahmen einerseits gefördert, andererseits aber auch abgelehnt haben.

4.2 Bewilligung

Die Aufnahme der Konversionsmaßnahmen ab 1993 als neuen Förderschwerpunkt der Städtebauförderung bewirkte, dass über 40 % der bisher angemeldeten 61 Fördermaßnahmen bereits in den Jahren 1993 bis 1995 beantragt und auch größtenteils (91 %) innerhalb eines Jahres bewilligt wurden. Im Nachhinein zeigt sich, dass eine Vielzahl dieser Anträge übereilt gestellt und offensichtlich nicht ausreichend kritisch geprüft wurde, da sich wegen der Rentierlichkeit heute bei vielen Maßnahmen grundsätzlich die Frage des Förderbedarfs nach § 23 LHO stellt.

Gefordert sind hier künftig die Regierungspräsidien, durch kritische Antragsberatung und -prüfung unzutreffende Anträge rechtzeitig auszusondern, um spätere Rückabwicklungen zu vermeiden.

4.3 Förderung trotz Rentierlichkeits-Erwartung

Nachdem bislang mehr als 20 % der Bewilligungen (rd. 30 Mio. € Finanzhilfe) wegen Rentierlichkeit von den Kommunen zurückgegeben und/oder durch die Bewilligungsbehörden widerrufen wurden - und voraussichtlich weitere solcher Fälle folgen werden -, stellt sich die Frage, ob eine mögliche Rentierlichkeit bereits vor der Bewilligung erkannt werden kann.

Konversionsanträge entstanden häufig unter kommunalpolitischem Zeitdruck und wurden daher oft nicht ausreichend vorbereitet. So entsprachen z. B. die im Antrag geschätzten zuwendungsfähigen Kosten sowie vor allem die angenommenen sanierungsbedingten Einnahmen häufig in keiner Weise den späteren Entwicklungen. Viele Anträge wurden auf unzureichender Grundlage bewilligt, wodurch Fördermittel ungerechtfertigt gebunden wurden; gleichzeitig mussten entscheidungsreife Vorhaben zurückstehen.

Die Grundstückspreise haben sich bei einer Reihe von Konversionsmaßnahmen überaus positiv entwickelt. So sind bis 2004 bei 12 nicht abgerechneten Maßnahmen die Grundstückspreise seit Beginn der Sanierung um 100 % bis 2.500 % gestiegen.

Die Regierungspräsidien müssten aufgrund ausreichender Fach- und Ortskenntnis einschätzen können, ob sich eine Maßnahme rentierlich entwickeln kann. So kann bei entsprechender Kenntnis das Verhältnis des Erwerbs- zum (vergleichbaren) Bodenrichtwert bereits zum Antragszeitpunkt ein Indiz für eine Rentierlichkeit sein.

Die Bewilligungsstellen müssen die Anträge künftig noch konsequenter und sorgfältiger prüfen. Die Fördervoraussetzung ist nicht bereits dadurch gegeben, dass eine Gemeinde konversionsbetroffen ist. Vielmehr muss die Fördernotwendigkeit in jedem Einzelfall unter Beachtung der §§ 23 und 44 LHO auf der Grundlage plausibler Planungen und Kostenansätze untersucht werden. Solange keine aussagekräftige Planung vorliegt, kann auch keine Bewilligung erfolgen. Vor allem der Zuwendungsgrundsatz des § 23 LHO, wonach Zuwendungen nur bewilligt werden dürfen, wenn der Zuwendungszweck ohne die Zuwendung nicht oder nicht im notwendigen Umfang erreicht werden kann, muss der Antragsprüfung konsequent zugrunde gelegt werden.

4.4 Einbringung der Bodenwertsteigerungen in die Finanzierung

Bei Konversionsmaßnahmen ist zumeist davon auszugehen, dass es aufgrund der Sanierung zu nicht unerheblichen Bodenwertsteigerungen im Sanierungsgebiet kommt. Dies hat auch die Umfrage bei den Konversionsgemeinden, mit Bodenwertsteigerungen von durchschnittlich mehr als 600 %, bestätigt.

Nach einem Grundgedanken des Sanierungsrechts sollen, soweit sanierungsbedingte Bodenwertsteigerungen in nennenswerter Höhe auftreten, diese zur Mitfinanzierung der Maßnahme herangezogen werden, um den Einsatz der öffentlichen Mittel entsprechend zu vermindern. Dieser Refinanzierungsgedanke wird allerdings dann umgangen, wenn die Gemeinden den Grunderwerb außerhalb der Förderung abwickeln, was bei einigen Maßnahmen festgestellt wurde. Dies sollte künftig durch geeignete Vorgaben des WM (ggf. mithilfe der Experimentierklausel) unterbunden werden.

4.5 Überschussbehandlung

Bei der Abrechnung der Konversionsmaßnahmen kam und kommt es z. T. zu erheblichen Überschüssen. Diese sind nach den in den StBauFR verankerten landesrechtlichen Regelungen bei der förderrechtlichen Abrechnung zu ermitteln und zurückzuzahlen.

Eine Besonderheit ergibt sich bei Konversionsmaßnahmen in den Fällen, bei welchen das umfassende Verfahren gewählt wurde und der Grunderwerb zeitlich erst nach der förmlichen Festlegung des Sanierungsgebiets erfolgte, was bei 14 Maßnahmen der Fall war. Hierbei ist der Überschuss entsprechend dem Baugesetzbuch auf den früheren Eigentümer und den/die neuen Eigentümer hälftig aufzuteilen. Gegebenenfalls müssen die neuen Eigentümer den von der Gemeinde festzulegenden Ausgleichsbetrag zahlen. Zugrunde zu legen ist in diesen Fällen nicht die förderrechtliche Abrechnung, sondern die Gesamtabrechnung der Sanierungsmaßnahme unter Einrechnung aller Zuschüsse.

Die Sanierungsbeteiligten sind, nachdem dies zumindest bei einer bereits abgerechneten Maßnahme nicht beachtet wurde, auf diese besonders gelagerte Fallgestaltung hinzuweisen.

4.6 Nebenkostenanteile

Die Nebenkostenanteile belaufen sich bei den bisherigen Konversionsmaßnahmen durchschnittlich auf 6 % des Förderrahmens. Es gibt allerdings Maßnahmen mit Nebenkostenanteilen von über 10 %; eine Maßnahme weist sogar einen Nebenkostenanteil von 26 % auf. Die Bewilligungsstellen sollten angehalten werden, die Förderung dieser Kosten auf einen vertretbaren Kostenanteil zu begrenzen.

4.7 Umschichtungen

Von den 13 infolge Rentierlichkeit aufgehobenen Bewilligungen wurden bei zehn Maßnahmen die Mittel ganz oder teilweise „umgeschichtet“, d. h., sie verblieben bei der betroffenen Gemeinde und wurden für andere Fördergebiete in der Gemeinde eingesetzt. Lediglich bei zwei Gemeinden wurden die Mittel „zurückgegeben“.

Dem aus dem Jahre 1994 stammenden Grundsatz, dass einmal bewilligte, aber für die beantragte Maßnahme entbehrlich gewordene, Mittel der Gemeinde verbleiben, wenn sie bei Ersatzmaßnahmen einen entsprechenden Bedarf vorweisen kann, sollte künftig, zumindest bei den Konversionsmaßnahmen, nicht mehr im bisherigen Umfang entsprochen werden. Die damals, auch vom RH mitgetragene Regelung sollte in erster Linie eine raschere Abrechnung solcher städtebaulicher Sanierungsmaßnahmen bewirken, deren Abwicklung sich über einen auffällig langen Zeitraum erstreckte. Das scheint heute entbehrlich.

Bei Konversionsmaßnahmen stehen andere Gesichtspunkte im Vordergrund. Infolge der oben genannten Regelung wurden mögliche Rückgabe- oder Aufhebungsfälle über Jahre hinweg verzögert. Ersatzmaßnahmen, für die im Übrigen oft kein unmittelbarer Sanierungsdruck (außer einer möglichen Bewilligungswartezeit) besteht, liegen bei den Gemeinden normalerweise nicht antragsreif bereit. Nicht selten werden mit den frei werdenden Mitteln auch andere in der Gemeinde laufende Sanierungsmaßnahmen „aufgestockt“. Durch kritische Prüfung der jährlich vorzulegenden Sachberichte sowie der Kosten- und Finanzierungspläne, auf die auch bei ausfinanzierten Maßnahmen nicht verzichtet werden kann, muss sichergestellt werden, dass frei werdende Mittel frühzeitig erkannt, unverzüglich zurückgefordert und zurückgegeben werden, damit sie zweckentsprechend (und insbesondere unter Beachtung der nach Nr. 14.3 StBauFR zu erstellenden Dringlichkeitsliste) eingesetzt werden können.

5 Weitere objektbezogene Prüfungsergebnisse

Der RH und die staatlichen Rechnungsprüfungsämter haben neben den grundsätzlichen Verfahrensfragen insbesondere die Förderpraxis bei den Einzelobjekten untersucht.

Beanstandungen gab es vor allem infolge Rentierlichkeit, wegen unzulässiger Wirtschaftsförderung, überhöht anerkannter Fördersätze, unbegründeter Neubauförderung, nicht akzeptabler Kompensationsvereinbarungen und unzutreffender Förderung von Stundungszinsen. Entsprechende Widerrufverfahren und Rückforderungen wurden angeregt, z. T. bereits in die Wege geleitet und vollzogen.

6 Resümee und Empfehlung für zukünftige Konversionsförderungen

Im Ergebnis dieser Prüfung kommt der RH zu dem Schluss, dass sich Konversionsgebiete in Groß- oder Universitätsstädten bzw. wirtschaftsstarken Regionen erfahrungsgemäß rentierlich gestalten.

In jedem Fall sollten Förderanträge daher intensiv, auch im Hinblick auf eine mögliche Rentierlichkeit der Maßnahme, geprüft werden.

Da ein wesentliches Problem der betroffenen Gemeinden häufig im Grunderwerb liegt, sollte das Land in diesen Fällen seine Förderung vermehrt auf den Zwischenerwerb der Grundstücke konzentrieren; dies könnte weiter im Rahmen der Städtebauförderung erfolgen, sollte aber auf einen Zinsausgleich für den Grundstückserwerb beschränkt werden.

Nicht mit den StBauFR oder dem Baugesetzbuch in Einklang stehende Konversionsmaßnahmen, Modellvorhaben von überörtlicher Bedeutung oder neue Fördermodelle könnten künftig aufgrund der ab 2006 vorgesehenen „Experimentierklausel“ gefördert oder erprobt werden. Dabei könnten z. B. abweichende Fördersätze, Vorgaben zur Verfahrenswahl, Einbeziehung von rentierlichen Bereichen usw. geregelt werden. Auch könnte die Förderung für diese Fälle mit Zustimmung des WM vereinfacht, z. T. weiter gehend pauschaliert, gedeckelt oder mit Förderobergrenzen versehen werden.

Ziel der Förderung muss es sein, den konversionsbetroffenen Kommunen eine sinnvolle Anschubfinanzierung zu gewähren, den vermeidbaren Verwaltungsaufwand für Bewilligung/Widerruf bei rentierlichen Konversionsvorhaben zu minimieren und frei werdende Mittel so schnell wie möglich revolvierend einzusetzen.

7 Stellungnahme des Ministeriums

Das WM verweist auf die nach der überraschenden Freigabe der militärischen Liegenschaften entstandene schwierige Ausgangssituation der Gemeinden. Es bezeichnet die kurzfristig angebotene finanzielle Unterstützung aus dem Städtebauförderprogramm als einzig verbliebene Hilfe für die Gemeinden, sich an die immensen städtebaulichen Aufgaben zu wagen. Auch habe es keine Klagen vonseiten der Gemeinden gegeben, die im Übrigen die vom RH vorgeschlagene Beschränkung auf Zinsförderung des Grunderwerbs ablehnten.

Das Ministerium räumt ein, dass es wegen der nach diesem Programm nicht förderfähigen Umnutzungsfälle Probleme gegeben habe. Die als Hilfskonstruktion fungierende Beschränkung auf so genannte nutzungsunabhängige Instandsetzungsmaßnahmen solle einer neuen Regelung weichen, wonach auch Umnutzungen künftig förderfähig seien.

Das WM hat zugesagt, die Förderanträge (weiterhin) sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen und verstärkt vom Zinsausgleich beim Grunderwerb Gebrauch zu machen. Es weist jedoch auf die Risiken für die Gemeinden im Einzelfall hin, die mithilfe der Förderung minimiert werden sollen.

Zur Umschichtungspraxis teile das WM nicht die Meinung des RH und wolle an dem Verfahren festhalten. Die aufgeworfene Frage zur Überschussbehandlung rechne das WM einer ganz besonders gelagerten Fallgestaltung zu.

Wegen der z. T. überhöht anerkannten Nebenkosten habe das WM veranlasst, dass die Regierungspräsidien künftig die Förderung dieser Kosten auf ein vertretbares Maß begrenzen werden. Die Überprüfung der aufgezeigten Einzelfallprobleme habe es an die Regierungspräsidien delegiert.

8 Schlussbemerkung

Maßnahmen im Zusammenhang mit der Konversion ehemaliger militärischer Liegenschaften stellen in den meisten Fällen für die davon betroffenen Gemeinden eine große Herausforderung im Hinblick auf Struktur und Finanzierung dar. Eine mögliche finanzielle Unterstützung durch das Land darf jedoch nicht allein durch diese Herausforderung bestimmt werden.

Da sich bei zahlreichen Konversionen schon frühzeitig eine Rentierlichkeit der Maßnahmen gezeigt hat, sind die Bewilligungsbehörden gefordert, die Anträge auf Zuwendung künftig noch kritischer als bisher auf eine mögliche Rentierlichkeit der Maßnahme hin zu prüfen. Es sollte vermieden werden, dass nur unrentierliche Bereiche in die Förderung einbezogen, rentierliche Bereiche, wie z. B. der Grunderwerb, hingegen außerhalb der Sanierungsrechnung abgewickelt werden. Das Land sollte verstärkt von der Möglichkeit des Zinsausgleichs beim Grunderwerb Gebrauch machen.

Dem Grundsatz, wonach niemand aus der geförderten Sanierung ungerechtfertigt Gewinn erzielen sollte, ist verstärkt Aufmerksamkeit zu schenken. Außerdem sollten die infolge der sich ergebenden Rentierlichkeit einer Maßnahme zurückzugebenden Mittel nicht in jedem Fall der betroffenen Gemeinde verbleiben, sondern vorrangig in die allgemeine Verfügungsmasse der Städtebauförderung zurückfließen.


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Einzelplan 08: Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum

Der Bedarf an Flurneuordnungsverfahren ist weitgehend gedeckt; auch eröffnet der Einsatz neuer Techniken bei der Flurordnungsverwaltung erhebliche Rationalisierungsmöglichkeiten. Beide Entwicklungen lassen den Personalbedarf stark sinken. Das Land sollte deshalb mittelfristig in diesem Bereich mindestens ein Drittel der vorhandenen Stellen abbauen.


1 Einleitung

Flurneuordnungsverfahren, traditionell als Flurbereinigungsverfahren bezeichnet, werden auf der Grundlage des Flurbereinigungsgesetzes (FlurbG) durchgeführt. Ziele der Flurneuordnung sind die Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft sowie die Förderung der allgemeinen Landeskultur. Diese Ziele sollen durch die Neuordnung des Grundbesitzes entsprechend § 1 FlurbG erreicht werden.

Die ersten Flurneuordnungsverfahren wurden im 19. Jahrhundert durchgeführt. Die Nachfrage nach solchen Verfahren stieg nach dem Zweiten Weltkrieg als Folge der Mechanisierung der Landwirtschaft stark an. In den letzten 30 Jahren ist die Zahl der jährlich neu angeordneten Verfahren allerdings deutlich rückläufig.

Im Zuge der Verwaltungsstrukturreform wurden zum 01.01.2005 jeweils 14 Stellen der ehemaligen Ämter für Flurneuordnung und Landentwicklung in die Landratsämter eingegliedert (Grundteams; insgesamt rd. 400 Stellen). Sechs Landkreise mit geringem Flurneuordnungsbedarf wollten kein Grundteam haben. Die übrigen rd. 900 Stellen blieben beim Land, um sog. Pool-Teams zu bilden, die innerhalb der Regierungsbezirke entsprechend des Bedarfs flexibel eingesetzt werden können.

2 Prüfung des Rechnungshofs

Der RH hat 2004 bei sieben der 19 ehemaligen Ämter für Flurneuordnung und Landentwicklung eine Querschnittsprüfung durchgeführt und sich dabei auf folgende Bereiche konzentriert:

  • Ausschreibung, Vergabe, Abwicklung und Abrechnung der vom Land geförderten Baumaßnahmen der Teilnehmergemeinschaften (TG),

 

  • Zuwendungsverfahren,

 

  • Möglichkeiten zur Beschleunigung der Flurneuordnungsverfahren, insbesondere durch Privatisierung von Arbeitsschritten innerhalb dieser Verfahren und

 

  • künftiger Bedarf an Flurneuordnungsverfahren und Konsequenzen für die weitere Entwicklung der Verwaltung, insbesondere im Hinblick auf die Reduzierung des Personals.

3 Kosten und Mitteleinsatz

Das FlurbG unterscheidet zwischen

  • Verfahrenskosten und
  • Ausführungskosten.

Als Verfahrenskosten werden die „persönlichen und sächlichen Kosten der Behördenorganisation“ bezeichnet (§ 104 FlurbG); sie sind im Staatshaushaltsplan in Kap. 0805 ausgewiesen und werden in vollem Umfang vom Land getragen.

Als Ausführungskosten werden die Kosten bezeichnet, die bei der Ausführung des Verfahrens entstehen (§ 105 FlurbG). Diese Kosten sind von der TG zu tragen; Mitglieder der TG sind sämtliche Grundstückseigentümer innerhalb eines Flurneuordnungsgebiets. Ausführungskosten sind insbesondere die Kosten des Wege- und Wasserbaus, der Bodenverbesserung, der Landschaftspflege sowie die Kosten zur Erledigung der Verwaltungsaufgaben der TG. Die Ausführungskosten können im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) gefördert werden, wobei der Fördersatz je nach Bodenqualität variiert und maximal 85 % der zuwendungsfähigen Kosten betragen darf.

Während des geprüften Zeitraums (2000 bis 2004) waren in Kap. 0805 - Flurneuordnung - jährlich zwischen 71 Mio. € und 74 Mio. € Haushaltsmittel eingestellt. Daneben wurden in Kap. 0804 (GAK) in den geprüften Jahren jeweils zwischen 22 Mio. € und 27 Mio. € veranschlagt, sodass je Jahr zwischen 93 Mio. € und 101 Mio. € im Epl. des MLR zur Verfügung standen. Die jährlichen Gesamtausgaben in Höhe von rd. 100 Mio. € sind zu rd. 75 % Verfahrenskosten und zu rd. 25 % Ausführungskosten. Nennenswerte Einsparungen im Bereich der Flurneuordnung müssen deshalb im Bereich der Behördenorganisation ansetzen.

4 Feststellungen

4.1 Zuwendungsverfahren

Die Ausführungskosten eines Flurneuordnungsverfahrens, die sich in vielen Fällen auf weit mehr als 1.000 €/ha belaufen, sind von der TG zu tragen. Die Eigentümer können diese Kosten nicht durch die infolge der Flurneuordnung eingetretenen Verbesserungen kompensieren; sie können aber einen Zuschuss nach der „Richtlinie des MLR zur Förderung der Flurneuordnung“ erhalten.

Bei den geprüften Zuwendungsverfahren waren überwiegend keine oder nur unzureichende Vermerke über die Antragsprüfung vorhanden, sodass die Entscheidungsgründe nicht oder lediglich unvollständig dokumentiert sind. Die vorgeschriebene Gegenüberstellung der ausgeführten Flächen und der Flächenberechnung des Zuwendungsantrags fehlte in den Unterlagen, sodass der Vergleich zwischen Planung und Ausführung nicht möglich war.

Der RH stellte fest, dass in sämtlichen Zuwendungsverfahren die Zuwendung durch mehrere Bewilligungen erhöht worden war. Dieser Verwaltungspraxis steht die Regelung der VV zu § 44 LHO entgegen, nach der die Zuwendung nur erhöht werden darf, wenn die Zuwendungsvoraussetzungen weiter vorhanden sind und insbesondere wenn der Zuwendungsempfänger die Umstände, die zur Nachfinanzierung führen, nicht zu vertreten hat.

Die Prüfung der Zuwendungsanträge ist nicht nur sorgfältig durchzuführen, sondern auch entsprechend zu dokumentieren. Außerdem ist bei Nachbewilligungen genau zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Nachbewilligung gegeben sind.

4.2 Ausschreibung und Vergabe von Bauleistungen

Der RH verglich die Gesamtkosten einzelner Baumaßnahmen mit den jeweiligen Angebotssummen und stellte dabei fest, dass die Schlussrechnungen regelmäßig die Angebotssumme überschritten hatten. Hauptgrund war die ungenaue Ausschreibung von Bauleistungen; insbesondere fielen die angegebenen Materialmengen und der Umfang der Stundenlohnarbeiten in der Praxis fast immer erheblich höher aus, als im Leistungsverzeichnis angegeben. Beispielsweise waren bei einer Baumaßnahme Stundenlohnarbeiten in Höhe von rd. 10.000 € im Leistungsverzeichnis veranschlagt; abgerechnet wurden dann 260.000 €. In einem anderen Fall war die Abweichung von Veranschlagung und Abrechnung noch extremer: 13.000 € waren veranschlagt, 450.000 € wurden abgerechnet.

Bei so starken Abweichungen von Ausschreibung und tatsächlicher Bauausführung fehlt die Transparenz, die ja gerade das Qualitätsmerkmal einer Ausschreibung ist. Für Anbieter ist unter diesen Umständen oft nicht erkennbar, welche Leistungen in welchem Umfang tatsächlich auszuführen sind. Bei einem Verfahren hat der RH die Angebote der anderen Bieter auf der Grundlage der abgerechneten Mengen hoch gerechnet und dabei festgestellt, dass sich die Reihenfolge der Bieter verändert hätte, wenn bereits bei der Ausschreibung die Mengenangaben eingesetzt worden wären, die bei der Schlussrechnung tatsächlich abgerechnet wurden.

Der RH stellte außerdem fest, dass die Gründe für Kostenerhöhungen nicht aktenkundig gemacht wurden, wenn die Angebotssumme um nicht mehr als 15 % - 20 % überschritten wurde. Bei einem Amt wurde dazu erklärt, dass man Kostenerhöhungen in diesem Umfang als nicht kritisch betrachte und demzufolge auch die Ursachen der Kostenerhöhung nicht analysiere und aktenkundig mache. Kostenerhöhungen würden erst dann eingehend dokumentiert und begründet, wenn die Erhöhung des Zuschusses und damit verbunden eine Genehmigung durch das damalige Landesamt für Flurneuordnung und Landentwicklung erforderlich sei.

Auch wurde die Auffassung vertreten, man müsse bei der Bauausführung flexibel reagieren können, insbesondere weil der Wege- und Gewässerplan relativ grob sei. Daher wurden viele Bedarfs- und Eventualpositionen in das Leistungsverzeichnis aufgenommen, die jedoch in der Mehrzahl nicht ausgeführt werden. Somit handelt es sich nach Auffassung des RH um unzulässige Luftpositionen.

Der RH hält eine möglichst genaue Ermittlung der zu erbringenden Leistungen für unbedingt erforderlich. Im Rahmen der Erstellung des Leistungsverzeichnisses müssen daher die Verhältnisse vor Ort umfassend berücksichtigt werden; z. B. ist bei feuchtem Untergrund eine wesentlich stärkere Befestigung erforderlich als beim Bau nach den üblichen Standardwerten. Die Planungsgenauigkeit des Wege- und Gewässerplans ist dafür generell ausreichend.

Ein transparentes Vergabeverfahren setzt vollständige und präzise Ausschreibungsunterlagen voraus. Nur so kann ein fairer und transparenter Wettbewerb stattfinden, bei dem jeder Bieter über die notwendigen Informationen bezüglich der ausgeschriebenen Maßnahmen verfügt. Transparenz beim Ausschreibungsverfahren ist aber auch deshalb wichtig, weil auf diese Weise Manipulationen weitestgehend ausgeschlossen werden können.

5 Weiterentwicklung der Flurneuordnungsverwaltung

Mithilfe neuer Techniken können in der Flurneuordnung heute die meisten Arbeitsschritte sehr viel rationeller, d. h. mit weniger Personal, durchgeführt werden. Zusätzlich kann die Flurneuordnungsverwaltung durch die Vergabe weiterer Aufgaben an Dritte entlastet werden. Beide Maßnahmen steigern den Output je Bediensteten und ermöglichen somit einen umfangreichen Personalabbau. Außerdem ist nach Einschätzung des RH künftig mit einem Rückgang der neu zu ordnenden Flächen zu rechnen, woraus sich weiteres Potenzial zur Personalreduzierung ergibt.

5.1 Effizienzgewinn durch technische Neuerungen

Die Arbeitsbedingungen der Flurneuordnungsverwaltung haben sich während der vergangenen beiden Jahrzehnte erheblich verändert. Vor allem Fortschritte der Datenverarbeitung haben bei der datenintensiven Flurneuordnung zu einem bemerkenswerten Rationalisierungsschub geführt. Als Beispiel sei die Entwicklung einer Software genannt, welche die Neuzuteilung der Flächen bei einem größeren Verfahren innerhalb weniger Tage ermöglicht, während dieser Arbeitsschritt früher ein Vielfaches an Personaleinsatz erforderte. Der Einsatz des satellitengestützten Navigationssystems (GPS) ist ein weiteres Beispiel für den technologischen Umbruch bei der Flurneuordnung. Mithilfe dieser Technik können Vermessungsarbeiten wesentlich rationeller durchgeführt werden als bei der herkömmlichen Arbeitsweise. Da die Vermessungsarbeiten annähernd 40 % des Gesamtarbeitsaufwands eines Verfahrens ausmachen, ist der Einfluss dieser Technik auf den Arbeitsaufwand eines Verfahrens groß.

5.2 Aufgabenerledigung durch Dritte

5.2.1 Vermessungsarbeiten

Die Vermessungsarbeiten wurden ursprünglich in vollem Umfang von der Flurneuordnungsverwaltung selbst durchgeführt. Aufgrund knapper Ressourcen und wegen Klagen über die lange Dauer von Flurneuordnungsverfahren wird bereits seit drei Jahrzehnten ein Teil der Vermessungsarbeiten an öffentlich bestellte Vermessungsingenieure vergeben. Diese Möglichkeit zur Vergabe wurde jedoch zu keiner Zeit vollständig ausgeschöpft.

In den vergangenen Jahren wurden keine Vermessungsarbeiten mehr an die öffentlich bestellten Vermessungsingenieure vergeben; stattdessen wurde der Landesbetrieb Vermessung mit Vermessungsarbeiten beauftragt. Seit der zum 01.01.2005 umgesetzten Verwaltungsstrukturreform sind sowohl die Flurneuordnungsverwaltung als auch die Vermessungsverwaltung in die Landratsämter integriert; seitdem können bei Bedarf Mitarbeiter der Vermessungsverwaltung mit Vermessungsarbeiten im Rahmen von Flurneuordnungsverfahren beauftragt werden. Die Entscheidung hierüber trifft der Landrat.

Der RH hält es für durchaus sinnvoll und auch möglich, einen erheblichen Teil der Vermessungsarbeiten zu privatisieren, sofern bei der Verwaltung entsprechend Personal abgebaut werden kann. Auf der Grundlage der Daten der geprüften Ämter und eines vom ehemaligen Landesamt für Flurneuordnung und Landentwicklung zur Verfügung gestellten Musterverfahrens hat der RH errechnet, dass die uneingeschränkt privatisierbaren Vermessungsarbeiten 15 % - 20 % des Gesamtarbeitsaufwands eines Flurneuordnungsverfahrens ausmachen.

5.2.2 Aufgabenerledigung durch die Landsiedlung

Die Landsiedlung Baden-Württemberg GmbH (Landsiedlung) ist inzwischen eine Tochtergesellschaft der Landesentwicklungsgesellschaft Baden-Württemberg GmbH (LEG), deren Hauptgesellschafter die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) ist. Die Landsiedlung wird von der Flurneuordnungsverwaltung mit der Wahrnehmung bestimmter Aufgaben bei der Durchführung von sog. Beschleunigten Zusammenlegungsverfahren beauftragt, bei denen keine Vermessungsaufgaben anfallen.

Grundlage für die Beauftragung der Landsiedlung und für die Vergütung der erbrachten Leistungen ist ein Vertrag aus den 1950er-Jahren des vorigen Jahrhunderts, der jedoch weder bei der Flurneuordnungsverwaltung noch bei der Landsiedlung auffindbar ist. Für jeden Auftrag wird auf der Grundlage des Rahmenvertrages ein spezieller Vertrag abgeschlossen, in dem der Auftrag spezifiziert wird. Die Vergütung an die Landsiedlung wird nach einer Formel berechnet, die sowohl die Fläche als auch die Zahl der Grundstückseigentümer berücksichtigt. Da inzwischen auch die Landsiedlung bei ihrer Arbeit die neueren technischen Möglichkeiten einsetzt, ist die weitere Anwendung der Formel aus den 1950er-Jahren des vorigen Jahrhunderts äußerst fragwürdig. Die Flurneuordnungsverwaltung hat inzwischen insofern reagiert, als sie in den vergangenen drei Jahren die Vergütung an die Landsiedlung nicht mehr angehoben hat. Zuvor wurde die Vergütung für die Werkverträge zwischen Land und Landsiedlung jährlich angepasst, wobei man sich an die Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst anlehnte. Bis heute fehlt eine zuverlässige Datenbasis, um zu vergleichen, ob es kostengünstiger ist, die Arbeiten von der Landsiedlung oder von der eigenen Verwaltung ausführen zu lassen. Auch eine Ausschreibung wurde bisher nicht erwogen, da man davon ausgeht, dass es keinen Wettbewerber für die Tätigkeit der Landsiedlung gibt.

Nach Auffassung des RH ist eine Neujustierung der Vertragsgrundlagen geboten. Vor allem muss die Verwaltung in der Lage sein, die Kosten der Beauftragung der Landsiedlung mit den Kosten der Ausführung durch die Verwaltung zu vergleichen.

5.3 Verfahrensbeschleunigung

Flurneuordnungsverfahren dauern aufgrund ihrer Komplexität stets mehrere Jahre, nicht selten 20 - 30 Jahre und manchmal sogar noch länger. Ein wesentlicher Grund für die lange Verfahrensdauer ist die große Nachfrage nach Flurneuordnungsverfahren während der vergangenen Jahrzehnte, die zu Engpässen bei der Verwaltung führte. Ein weiterer Grund ist, dass oftmals sehr große Verfahrensgebiete festgelegt wurden. Das hat zwar Vorteile, weil die Gestaltungsmöglichkeiten bei der Zuteilung größer sind als bei kleineren Gebieten; nachteilig ist jedoch bei großflächigen Verfahrensgebieten, dass aufgrund der langen Bearbeitungszeiten Flächenplanungen oftmals geändert werden mit der Folge, dass in dem Verfahren bestimmte Verfahrensschritte wiederholt werden müssen. Dadurch erhöhen sich Zeitbedarf und Kosten.

Die Verwaltung hat sich in den vergangenen fünf Jahren intensiv um eine Beschleunigung der Verfahren und um den Abschluss der Altverfahren bemüht. Diese Anstrengungen blieben nicht ohne Erfolg; so wurden in den vergangenen Jahren jeweils Verfahren mit einem Flächenumfang von insgesamt rd. 15.000 ha Verfahrensfläche abgeschlossen. Der RH misst einer raschen Durchführung der Verfahren weiterhin hohe Priorität zu. Hierzu gehören folgende Maßnahmen:

  • Vorrang für den Abschluss von Altverfahren,
  • Einsatz modernster Technik (z. B. satellitengestütztes Navigationssystem),
  • kleinere Verfahrensgebiete,
  • Anordnung nur, wenn Kapazität vorhanden, und
  • Vergabe von Aufgaben an Dritte.

5.4 Künftiger Bedarf an Flurneuordnungsverfahren

Der RH untersuchte auch den mittel- und längerfristigen Bedarf an Flurneuordnungsverfahren. Die Anordnung dieser Verfahren ist seit drei Jahrzehnten stark rückläufig (s. Schaubild). Offensichtlich wurde der überwiegende Teil der landwirtschaftlichen Flächen im Land inzwischen bereinigt. Auf einigen Flächen wurden bereits zwei Flurneuordnungsverfahren durchgeführt, bei denen es sich in der Regel um Unternehmensverfahren handelte, die im Zusammenhang mit der Durchführung einer Infrastrukturmaßnahme angeordnet wurden; selten wurde dagegen eine Zweitbereinigung aus agrarstrukturellen Gründen angeordnet.

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Die Zahl der neu angeordneten Flurneuordnungsverfahren wird sich künftig für die einzelnen Verfahrensarten unterschiedlich entwickeln, insgesamt aber weiter zurückgehen.

Vom MLR wird immer wieder die große Nachfrage nach Rebflurverfahren betont. Es trifft zwar zu, dass rund die Hälfte der Rebflächen noch nicht bereinigt ist; da der Anteil der Rebflächen aber weniger als 2 % der landwirtschaftlichen Flächen Baden-Württembergs umfasst, werden hierfür keine nennenswerten Kapazitäten der Flurneuordnungsverwaltung beansprucht. Dies gilt umso mehr, als bei Rebflurverfahren stets sehr kleine Gebiete - meist im zweistelligen, manchmal sogar nur im einstelligen Hektarbereich - angeordnet werden.

Inzwischen werden auch aus agrarstrukturellen Gründen Zweitverfahren angeordnet. Als Begründung wird die Weiterentwicklung der Agrartechnik angeführt; die moderne Agrartechnik könne nur bei wesentlich größeren Flächeneinheiten optimal eingesetzt werden. Vor allem seien bei Flurneuordnungsverfahren in den 1950er-Jahren des vorigen Jahrhunderts viel zu kurze Schlaglängen gebildet worden, weil damals hauptsächlich noch Pferde- und Kuhgespanne eingesetzt worden seien. Der RH hält die Forderung nach einer Zweitbereinigung allenfalls in Ausnahmefällen für begründet. Vor allem in Realteilungsgebieten ist eine weitergehende Zusammenlegung der Flächen aufgrund der großen Zahl der Grundstückseigentümer nur sehr begrenzt möglich. In der Realität gibt es in den meisten Gemeinden nur noch wenige Haupterwerbsbetriebe, die allerdings den größten Teil der Gemarkungsfläche bewirtschaften. Gerade diese Betriebe haben meist Flächen gepachtet und zu einer Bewirtschaftungseinheit zusammengefasst. Dadurch haben sie selbst de facto eine für die heutige Technik angemessene Bewirtschaftungseinheit gebildet. Die enorm hohen Kosten eines Flurneuordnungsverfahrens können unter diesen Bedingungen nicht gerechtfertigt werden.

Der RH stellte bei seiner Prüfung außerdem fest, dass die Flurneuordnungsverwaltung zunehmend Verfahren anordnet, die allenfalls am Rande agrarstrukturelle Bedeutung haben. Bei diesen Verfahren geht es z. B. um die Erhaltung eines beschädigten Weges, um Belange des Naturschutzes oder um Belange der Denkmalpflege in Verbindung mit Naturschutzinteressen. Der RH stellt nicht die Ziele dieser drei genannten Verfahren infrage; angesichts der sehr hohen Verfahrenskosten ist die Wirtschaftlichkeit eines Flurneuordnungsverfahrens in allen drei genannten Fällen zweifelhaft. Bei der Entscheidung über die Anordnung eines solchen Verfahrens müssten die zu erwartenden Verfahrenskosten berücksichtigt und mit den Kosten einer alternativen Vorgehensweise verglichen werden. Dies ist bisher in keinem Fall geschehen.

6 Konsequenzen für die Verwaltung

Aufgrund der Prüfung sieht der RH bei den Verfahren und in der Organisation Handlungsbedarf.

Die Anträge sind sorgfältig zu prüfen und die Ergebnisse zu dokumentieren. Vergabeverfahren sind nach den vergaberechtlichen Vorschriften durchzuführen; dabei ist vor allem auf eine sorgfältige und möglichst genaue Erarbeitung der Leistungsverzeichnisse zu achten.

Unter Berücksichtigung der in den vergangenen Jahren bereits erreichten Rationalisierungsmöglichkeiten einerseits und des rückläufigen Bedarfs an Flurneuordnungsverfahren andererseits muss die Führungsebene Konsequenzen für die Weiterentwicklung der Verwaltung ziehen. Die Vorgabe der Verwaltungsstrukturreform, innerhalb von sieben Jahren eine Effizienzrendite in Höhe von 20 % zu erbringen, ist angesichts der beiden genannten Entwicklungen zu gering. Aufgrund der Kostenstruktur der Verwaltung bedeuten Einsparungen in der Verwaltung in erster Linie Personalabbau. Soweit das Personal auch nach der Verwaltungsstrukturreform beim Land geblieben ist, muss - sofern aufgrund der Altersstruktur möglich - ein forcierter Personalabbau stattfinden. Als Zielmarke hält der RH beim Land einen Abbau von mind. einem Drittel der Stellen (entspricht etwa 300 Stellen) für realisierbar, der sich wie folgt zusammensetzt: Mindestens 15 % durch eine Teilprivatisierung der Vermessungsarbeiten, 10 % infolge des technologischen Fortschritts und 10 % - 15 % infolge des künftig flächenmäßig geringeren Bedarfs an Flurneuordnungsverfahren.

Zur Erledigung anstehender Arbeiten hält der RH die Vergabe von Leistungen an Dritte dann für ein geeignetes Mittel, wenn die Verwaltung nicht über ausreichend Personal verfügt. Die in der Vergangenheit praktizierte Vergabe von Vermessungsarbeiten und von Beschleunigten Zusammenlegungsverfahren an die Landsiedlung ist vor diesem Hintergrund zu sehen. Da in wenigen Jahren die Flurneuordnungsverfahren flächenmäßig noch mehr zurückgehen werden und die Verwaltung nicht zeitgleich abgebaut werden kann, ist parallel dazu auch die Vergabe von Vermessungsarbeiten bzw. von Beschleunigten Zusammenlegungsverfahren an die Landsiedlung einzustellen und vorübergehend von der Verwaltung selbst durchzuführen. Dies darf allerdings nicht zur Verzögerung des Personalabbaus führen.

7 Stellungnahme des Ministeriums

Das MLR versichert in seiner Stellungnahme, dass dem vom RH aufgezeigten Handlungsbedarf im Zuwendungsverfahren sowie im Bau- und Vergabewesen Rechnung getragen werde. Die Antragsprüfung werde künftig entsprechend den Anforderungen des RH sorgfältig dokumentiert; die Anzahl der Bescheide solle künftig auf das notwendige Maß beschränkt werden; weniger als drei Bescheide seien jedoch in der Regel nicht erreichbar. Die Verwaltung habe in den vergangenen drei Jahren die Programme „Kostenplanung“ und „AVA“ entwickelt und flächendeckend zum Einsatz gebracht. Die laufende Fortentwicklung sei ein erklärtes Ziel. Die effiziente Planung, Steuerung und Kostenkontrolle von Baumaßnahmen werde damit erleichtert und gewährleistet.

Das Ministerium teilt jedoch nicht die Auffassung des RH, dass bei den Flurneuordnungsaufgaben ein über die Effizienzrendite hinaus gehender Personalabbau möglich sei. Das MLR widerspricht insbesondere der Darstellung des RH, die Anordnung von Flurneuordnungsverfahren sei in den letzten 30 Jahren ständig zurückgegangen. Die Anzahl der jährlichen Anordnungen sei zwar seit den 1960er-Jahren bis Anfang der 1980er-Jahre des vorigen Jahrhunderts deutlich gesunken; seit 1980 sei die Zahl der Anordnungen jedoch nahezu konstant.

Beim Personal müsse - auch im Hinblick auf die nach dem Jahr 2011 drastisch einsetzende Altersfluktuation - durch rechtzeitige und ausreichende Nachwuchseinstellung sichergestellt werden, dass die Flurneuordnungsverwaltung funktionsfähig bleibe und auch künftig die notwendigen Aufgaben erfüllen könne. Mit der Erbringung der Effizienzrendite von 20 % bis zum Jahr 2011 und unter Berücksichtigung der bereits wirksam gewordenen Stellenabgänge seit 1993 komme die Flurneuordnungsverwaltung an die Grenze der Funktionsfähigkeit. Die Flurneuordnungsverfahren würden durch Spezialisten durchgeführt, die nicht beliebig am Arbeitsmarkt zur Verfügung stünden. Daher sei eine vorausschauende Personalpolitik mit rechtzeitiger Nachwuchsvorsorge unabdingbar.

Die Möglichkeiten zur Beschleunigung der Arbeitsabläufe bzw. zu Personaleinsparungen durch noch weitergehenden Einsatz aktuellster DV- und Messtechnik seien begrenzt, da die Verwaltung bereits jetzt nach dem neuesten Stand der Technik hochwertig ausgestattet sei und alle diesbezüglichen Möglichkeiten nutze.

Das Ministerium teilt die Auffassung des RH, dass das Potenzial zur Privatisierung von Vermessungsarbeiten ausgeschöpft werden sollte; die Verwaltung sei dazu auch bereit. Der Anteil der Vermessungsarbeiten am gesamten Arbeitsaufwand sei allerdings nicht, wie vom RH angenommen, nahezu 40 %, sondern lediglich 29 %. Entsprechend betrage der Anteil der uneingeschränkt privatisierbaren Vermessungsarbeiten nur rd. 10 % und nicht 15 % - 20 %, wie vom RH berechnet. Das MLR führt in seiner Stellungnahme außerdem aus, dass zurzeit keine Mittel für die Vergabe an private, öffentlich bestellte Vermessungsingenieure zur Verfügung stünden. Als Alternative zur Vergabe an Private könnten auch die Vermessungsbehörden herangezogen werden. Der Einsatz der Vermessungsbehörden obliege allerdings der Organisationshoheit der Landräte und entziehe sich insoweit den Weisungsmöglichkeiten der Verwaltung bzw. des Landes. Unter Berücksichtigung der Haushaltssituation könne alternativ oder ergänzend auch Vermessungspersonal zur Flurneuordnungsverwaltung verlagert werden.

Schließlich weist das MLR darauf hin, dass die einzelnen Verfahren vielfältiger seien als früher. Bei der Mehrzahl der laufenden Verfahren stünde die Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen im Vordergrund. Es sei aber zunehmend in Betracht zu ziehen, dass die Aspekte der allgemeinen Landeskultur, der Ausbau der Infrastruktur und der Fördergrundsatz „Integrierte ländliche Entwicklung“ künftig an Bedeutung gewönnen.

8 Schlussbemerkung

Mit seiner Stellungnahme zum Handlungsbedarf bei den Zuwendungsverfahren sowie im Bau- und Vergabewesen entspricht das MLR den Forderungen des RH.

Die Kritik des MLR an der vom RH dargestellten Entwicklung der Zahl der Verfahrensanordnungen ist allerdings nicht nachvollziehbar. Die dem Schaubild zugrunde gelegten Zahlen stammen nämlich vom MLR selber und werden, wenngleich in anderer Darstellungsform, in der Stellungnahme des MLR wiedergegeben. Der RH geht sogar davon aus, dass die Zahl der Anordnungen in den nächsten Jahren wieder ansteigen wird, da gegenwärtig und wohl auch künftig vermehrt kleinere Verfahrensgebiete angeordnet werden als noch vor 20 und mehr Jahren. Naturgemäß erfordern diese kleineren Gebiete in ihrer Abwicklung jedoch erheblich weniger Arbeits- und Zeitaufwand. Der in Bearbeitung befindliche Flächenumfang insgesamt wird jedenfalls weiter zurückgehen. Zudem besteht für die rd. 400.000 ha, die derzeit noch nicht bereinigt sind, allenfalls in Einzelfällen - z. B. bei Infrastrukturprojekten - Dringlichkeit.

In Anbetracht des heute üblichen Einsatzes des satellitenunterstützten Navigationssystems bei der Flurneuordnung hält der RH trotz der Bedenken des MLR nach wie vor eine kritische Betrachtung des künftigen Personaleinsatzes für geboten.

Der RH ist weiterhin der Auffassung, dass privatisierbare Vermessungsarbeiten künftig auch wirklich privatisiert werden sollten. Dies setzt allerdings voraus, dass entsprechend Personal - bei Bedarf mittels kw-Vermerken - abgebaut wird. Nur unter dieser Voraussetzung können durch eine Privatisierung echte Einsparungen erreicht werden. Zugleich setzt ein solcher Schritt natürlich voraus, dass nach einem Personalabbau entsprechende Mittel für eine Beauftragung privater Büros zur Verfügung gestellt werden.

Schließlich muss davon ausgegangen werden, dass die Kofinanzierungsmittel für die Förderung der Ausführungskosten aufgrund der Kürzungen der EU-Mittel und der Föderalismusreform rückläufig sein werden. Es wird sogar zu prüfen sein, ob nicht eine Mittelumschichtung von den Verfahrenskosten zu den Ausführungskosten notwendig sein wird, damit die Verfahren überhaupt durchgeführt werden können. Auch ein solcher Schritt hat den Abbau von Personal zur Folge, das den größten Teil der Verfahrenskosten verursacht.

Insgesamt bleibt der RH bei seiner Auffassung, dass ein Abbau des Personals der Flurneuordnungsverwaltung mittelfristig - auch über die vorgegebene Einsparung von 20 % hinaus - möglich und geboten ist.


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Einzelplan 09: Ministerium für Arbeit und Soziales

Die der Förderung zugrunde gelegten Betriebskosten der Kinderkrippen sowie die weit angelegte Pauschalierung der Förderung führen zu vermeidbaren Ausgaben von - landesweit hochgerechnet - rund 2 Mio. €. Durch eine Öffnung der Richtlinien kann eine stärker am Bedarf orientierte Belegung der Plätze erreicht werden. Die verwaltungsaufwendige Förderung der Altersvorsorge für Tagespflegepersonen trägt nicht wesentlich dazu bei, eine Altersversorgung aufzubauen; deshalb sollte diese Förderung eingestellt werden.


1 Ausgangslage

Zur Umsetzung der Konzeption „Kinderfreundliches Baden-Württemberg“ werden seit 2003 die Kleinkindbetreuung in Kinderkrippen und die Strukturen in der Tagespflege gefördert. Bereits seit 1995 erhalten Tagespflegepersonen einen Zuschuss zu ihrer Altersvorsorge. Ziel dieser Fördermaßnahmen ist, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Gleichzeitig sollen die Kommunen in ihrer originären Aufgabe unterstützt werden, entsprechende Betreuungsangebote für Kinder unter drei Jahren anzubieten. Hierfür gewährte das Land 2004 Zuwendungen von 7,5 Mio. €. Der RH untersuchte die Förderprogramme und ihre Wirkung.

Für die Erhebung der erforderlichen Daten und Angaben wurden an 186 Träger von Kinderkrippen Fragebögen versandt; der Rücklauf betrug 97 %. Im Bereich Tagespflege wurden die beim SM vorliegenden Daten aus den Verwendungsnachweisen für die Jahre 2003 und 2004 übernommen und ausgewertet. Örtliche Erhebungen führte der RH beim SM, bei den Regierungspräsidien Freiburg und Karlsruhe sowie bei mehreren Zuwendungsempfängern durch.

Förderrahmen und -verfahren werden maßgeblich durch die VwV Kinderkrippen und die VwV Tagespflege bestimmt.

2 Kleinkindbetreuung in Kinderkrippen

Das Land beteiligt sich pauschal an den Betriebskosten der Betreuungseinrichtungen für Kleinkinder bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres; 2004 betrugen die Zuwendungen 5,1 Mio. €. Betreuungsangebote für Kleinkinder, die im Rahmen des Kindergartengesetzes gefördert werden, können nicht bezuschusst werden. Die Zuwendungen werden als Projektförderung im Wege der Festbetragsfinanzierung gewährt. Der Antrag auf Förderung gilt als Verwendungsnachweis.

Bemessungsgrundlagen für die Förderung sind die Anzahl der Gruppen und der wöchentliche Betreuungsumfang. Gefördert werden Gruppen ab fünf Kleinkindern und zehn Stunden Betreuung in der Woche. Die jährliche Förderung je Gruppe beträgt mindestens 4.000 € und höchstens 13.400 €. Damit sollten entsprechend der Konzeption „Kinderfreundliches Baden-Württemberg“ 10 % der jährlichen Betriebskosten gefördert werden.

Die Zuwendungen werden nur für Einrichtungen gewährt, welche in die örtliche Bedarfsplanung aufgenommen wurden und eine Betriebserlaubnis erhielten. Die kommunale Mitfinanzierung ist keine Fördervoraussetzung.

Die VwV Kinderkrippen enthält keine Regelungen zur Höhe bzw. zum Finanzierungsanteil der Elternbeiträge und zu den einzusetzenden Eigenmitteln.

2.1 Feststellungen

2.1.1 Bemessungsgrundlage

Das Land bezifferte für eine Modellgruppe mit zehn Kindern und einer täglichen Öffnungszeit von zehn Stunden die jährlichen Betriebskosten mit 134.000 €. Tatsächlich lagen bei zwei Dritteln der Gruppen mit eigenem Rechnungsergebnis und einer ganzjährigen Förderung die täglichen Öffnungszeiten unter zehn Stunden. Im Übrigen waren die tatsächlichen Betriebskosten meist geringer als in der Musterrechnung unterstellt. Die Betriebskosten betrugen bei den kommunalen Trägern durchschnittlich nur 101.000 € und bei den freien oder kirchlichen Trägern sogar nur 71.000 €.

Die der Förderung zugrunde gelegten Betriebskosten sowie die weit angelegte Pauschalierung der Förderung bedingen vermeidbare Ausgaben von - landesweit hochgerechnet - rd. 2 Mio. €.

2.1.2 Kommunales Engagement

Obwohl die Schaffung von Krippenplätzen eine originär kommunale Aufgabe ist, wiesen 48 (38 %) von 128 Rechnungsergebnissen keine kommunalen Zuwendungen aus. Bei 35 (27 %) Fällen entsprach die Zuwendung maximal dem Betrag der Landeszuwendung; nur bei 45 (35 %) Rechnungsergebnissen war sie höher als die Landeszuwendung.

2.1.3 Elternbeiträge

Fehlende Vorgaben zur Festsetzung der Elternbeiträge führten dazu, dass nicht alle Träger soziale Staffelungen vorsahen und die Elternbeiträge eine erhebliche Spanne, insbesondere bei den Einrichtungen in freier Trägerschaft, aufwiesen. Bei einer ganztägigen Betreuung lagen die Elternbeiträge zwischen 59 € und 1.190 € je Monat.

2.1.4 Leistungsbezogene Kriterien

Die Höhe der Landeszuwendung ist abhängig von der Anzahl der Gruppen, einer Mindestzahl von Gruppenmitgliedern und einer Mindestbetreuungszeit, nicht aber von leistungsorientierten Kriterien, wie beispielsweise den tatsächlich erbrachten Betreuungsleistungen.

Träger von Kinderkrippen mit einer jährlichen Betreuungszeit von mehr als 3.000 Stunden erhalten Zuwendungen in derselben Höhe wie Träger mit einer jährlichen Betreuungszeit von nur 600 Stunden.

Träger mit einer täglichen Öffnungszeit von jeweils fünf Stunden für eine Gruppe am Vormittag und eine andere am Nachmittag erhalten im Vergleich zu Trägern, die nur eine Gruppe ganztags betreuen, sogar die doppelte Landeszuwendung.

Träger mit ganzjährigen Öffnungszeiten erhalten Zuwendungen in derselben Höhe wie Träger mit bis zu 55 Ferientagen je Jahr.

2.1.5 Belegung der Betreuungsplätze

Der Erfüllung der Forderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe - (SGB VIII), bis spätestens 2010 ein bedarfsgerechtes Betreuungsangebot für Kleinkinder zu gewährleisten, wäre man heute bereits näher gekommen, wenn die Förderbedingungen offener gestaltet wären. Dann könnten die nach der Betriebserlaubnis genehmigten und bereits vorhandenen Plätze in den Gruppen auf mehrere Kinder aufgeteilt und bedarfsorientiert belegt werden, wie dies von manchen Trägern bereits praktiziert wird. Ausgaben für das Land und die Kommunen ließen sich vermeiden.

2.1.6 Förderung der Studentenwerke

Studentenwerke erhalten zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgabe, zu der auch die Betreuung von Kleinkindern unter drei Jahren gehört, nach dem Studentenwerksgesetz Finanzhilfen. Zusätzlich wurden die Kinderkrippen vom SM mit 0,3 Mio. € gefördert. Der RH sieht darin eine Doppelförderung.

2.1.7 Zielerreichung

Aussagen darüber, in welchem Umfang durch den Ausbau der Kinderkrippen die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit verbessert wurde, sind derzeit nicht möglich, da entsprechende Dokumentationen nicht verlangt werden.

3 Strukturen in der Tagespflege

Die finanziellen Zuwendungen zur Förderung der Strukturen in der Tagespflege werden an öffentliche Träger (Stadt- und Landkreise sowie an kreisangehörige Gemeinden mit eigenem Jugendamt) gewährt, wenn sie mit ihren Maßnahmen die Intention des Landes verfolgen, Fachkräfte einsetzen und mindestens einen gleich hohen Eigenanteil erbringen. 2004 gewährte das Land hierfür 1,7 Mio. €. Sie können von den öffentlichen Trägern an anerkannte freie Jugendhilfeträger weitergeleitet werden.

Die Zuwendung wird als Projektförderung im Wege der Festbetragsfinanzierung gewährt und ist nach der Einwohnerzahl gestaffelt:

  • Bis zu 100.000 Einwohnern 15.000 €
  • 100.001 bis 200.000 Einwohnern 30.000 €
  • 200.001 bis 300.000 Einwohnern 45.000 €
  • Bei mehr als 300.000 Einwohnern 60.000 €

Um die Wirksamkeit der Maßnahmen und letztlich die Effizienz der Zuwendungen beurteilen zu können, sind im Verwendungsnachweis neben dem zahlenmäßigen Nachweis auch die Zahl der Tagespflegepersonen, der Tagespflegeplätze und der tatsächlich betreuten Kinder zu nennen.

3.1 Feststellungen

3.1.1 Bemessungsgrundlage

Die Höhe der Landeszuwendung hängt ausschließlich von der Einwohnerzahl im Einzugsbereich des öffentlichen Trägers ab. Der Verzicht auf eine Kinderkomponente führt zu einer Besserstellung von öffentlichen Trägern mit niedrigen Kinderzahlen im Einzugsbereich. Die Bandbreite der Landesförderung, bezogen auf die Zahl der Kinder je Einzugsbereich, liegt zwischen 0,67 € und 2,22 €.

3.1.2 Komplementärförderung der öffentlichen Träger

Primär war die Landeszuwendung zusammen mit einer gleich hohen finanziellen Komplementärförderung der öffentlichen Träger zur Weiterleitung an die freien Träger gedacht. 34 % der öffentlichen Träger, in deren Bereich auch freie Träger tätig waren, förderten diese nicht einmal in Höhe der Landeszuwendung. Die von den öffentlichen Trägern geforderten Komplementärmittel können heute auch in eigener Zuständigkeit erbrachte Leistungen in der Tagespflege sein.

3.1.3 Zielerreichung

Die verlässliche Beurteilung der Zielerreichung - Sicherung und Ausbau der Tagespflegestellen - ist derzeit nicht möglich, da die im Verwendungsnachweis geforderten Angaben nicht eindeutig definiert sind.

3.1.4 Staatshaushaltsplan

Die im Staatshaushaltsplan eingestellte Fördersumme von 3 Mio. € ist um mehr als 1 Mio. € zu hoch angesetzt.

3.2 Altersvorsorge von Tagespflegepersonen

Das Land unterstützt die Altersvorsorge von Tagespflegepersonen monatlich mit der Hälfte des Mindestbeitrags in der gesetzlichen Rentenversicherung, höchstens jedoch mit 32 €. 2004 betrugen die Landeszuwendungen insgesamt nur noch 0,7 Mio. €. Gegenüber 1995 sind sie auf rund ein Viertel des ursprünglichen Betrages gesunken.

Aus heutiger Sicht ergibt sich bei einer Tätigkeit als Tagespflegeperson von einem Jahr und einem Monatsbeitrag von 64 € eine monatliche Rente von 3,50 €, bei einer Tätigkeit von vier Jahren von 13,90 € und bei einer Tätigkeit von zehn Jahren von 35 €. Das Förderprogramm trägt nicht wesentlich dazu bei, eine Altersvorsorge aufzubauen, und rechtfertigt nicht den damit verbundenen Verwaltungsaufwand.

4 Empfehlungen

Der RH empfiehlt, zur Kleinkindbetreuung in Kinderkrippen

  • über die Bemessungsgrundlage der Förderung neu zu entscheiden,

 

  • die Landeszuwendung für die originär kommunale Aufgabe von einer zumindest gleich hohen finanziellen Komplementärförderung der Kommunen abhängig zu machen,

 

  • zur Höhe der Elternbeiträge auf eine einvernehmliche Empfehlung der kommunalen Spitzenverbände und der betroffenen Spitzenverbände der Liga der freien Wohlfahrtspflege hinzuwirken,

 

  • die Höhe der Landeszuwendung nicht nur von einer deutlich anzuhebenden Zeituntergrenze, sondern auch von leistungsbezogenen Kriterien abhängig zu machen,

 

  • die Fördervoraussetzungen zu überdenken und klarer zu fassen,

 

  • die Studentenwerke künftig von einer Förderung auszuschließen und

 

  • die Träger der Kinderkrippen zu verpflichten, die Aufnahmegründe sowie die individuellen Betreuungszeiten zu dokumentieren, damit überprüft werden kann, ob das vom Land angestrebte Ziel erreicht worden ist;

zu den Strukturen in der Tagespflege

  • über die Bemessungsgrundlage der Förderung neu zu entscheiden,

 

  • die Landeszuwendung für die originär kommunale Aufgabe von einer zumindest gleich hohen finanziellen Komplementärförderung der öffentlichen Träger abhängig zu machen,

 

  • die im Verwendungsnachweis verlangten Angaben mit Blick auf das Förderziel zu konkretisieren und

 

  • den Haushaltsansatz dem tatsächlichen Zuwendungsbedarf anzupassen;

zur Altersvorsorge von Tagespflegepersonen,

  • das Förderprogramm aus den vorgenannten Gründen einzustellen.

5 Stellungnahme des Ministeriums

5.1 Kleinkindbetreuung in Kinderkrippen

Das SM sieht in den vom RH ermittelten durchschnittlichen Betriebskosten der Gruppen keinen Hinweis auf eine überhöhte Bemessungsgrundlage; vielmehr würden die Unterschiede bei den Betriebskosten aus der breit angelegten Pauschalierung des Förderprogramms resultieren. Künftig solle eine stärkere bzw. differenziertere Leistungsorientierung bei der Förderung vorgenommen werden. Dies könne auch eine Erhöhung der Bemessungsgrundlage für leistungsfähigere Gruppen beinhalten und somit zu Mehrausgaben führen. Eine generelle Reduzierung der Bemessungsgrundlage sei eine nicht adäquate Schlussfolgerung und hinsichtlich des politisch gewollten Ausbaus der Kleinkinderbetreuung letztlich kontraproduktiv.

Im Hinblick auf die gestiegene Bedeutung eines bedarfsgerechten Ausbaus der Betreuungsangebote für Kleinkinder teile das Ministerium die Auffassung des RH, die Landesförderung künftig von einer mindestens gleich hohen kommunalen Komplementärförderung abhängig zu machen. Allerdings könne nicht ausgeschlossen werden, dass bei fehlender Komplementärförderung und dem dadurch wegfallenden Landeszuschuss einzelne Einrichtungen ihren Betrieb einstellen müssten oder neue Gruppen nicht eröffnet werden könnten.

Angesichts der Vielfalt möglicher Finanzierungen hält das SM eine dem Kindergartenbereich nachgebildete einvernehmliche Empfehlung für die Gestaltung und Höhe der Elternbeiträge weder für sinnvoll noch für realistisch. Dennoch sollen die kommunalen Landesverbände sowie die kirchlichen und sonstigen freien Trägerverbände auf die Anregung des RH hingewiesen werden.

Hinsichtlich des tatsächlichen Bedarfs vor Ort könne ein sog. Platz Sharing durchaus in verstärktem Maße sinnvoll sein. Das Ministerium werde in enger Abstimmung mit dem Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg prüfen, inwieweit die Förderbedingungen im Sinne einer bedarfsgerechten Belegung durch eine entsprechende Platzverteilung offener gestaltet werden können.

An der Förderung der Kinderkrippen der Studentenwerke werde man weiterhin festhalten. Um den Bedenken des RH gleichwohl Rechnung zu tragen, sei das MWK grundsätzlich bereit, im Rahmen der Neufestschreibung der Finanzhilfen den Parameter für die Kleinkindbetreuung bei der Festsetzung und Verteilung der Finanzhilfen herauszunehmen.

Das SM räumte ein, dass die bisher erfassten Daten die Beurteilung der Zielerreichung nicht zuließen. Es werde die Ergebnisse der durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe geforderten jährlichen statistischen Angaben zur Betreuung abwarten.

5.2 Strukturen in der Tagespflege

Die eigenen Leistungen der öffentlichen Träger sollen, so das SM, auch weiterhin grundsätzlich auf die Komplementärfinanzierung angerechnet werden.

Bei der Überarbeitung der VwV Tagespflege soll geprüft werden, inwieweit durch eine zielgerichtetere Förderung den Geboten der Pluralität und der Subsidiarität noch mehr Nachdruck verliehen werden könne. Auch sei die Bemessungsgrundlage für die Weiterleitung der Zuwendungen des Landes an die Jugendhilfeträger weiter zu entwickeln und um eine Kinderkomponente zu ergänzen.

Zur Beurteilung der Zielerreichung sei die Präzisierung der Verwendungsnachweise derzeit nicht notwendig, da von der erstmals im Jahr 2006 zu erstellenden amtlichen Statistik valide Daten für die Kindertagespflege erwartet werden.

Das SM vertritt die Auffassung, dass der Haushaltsansatz nicht zu vermindern sei; vielmehr wäre zu prüfen, ob und inwieweit die bisherigen Finanzmittel erhöht werden müssten. Dies sei von der künftigen Bemessungsgrundlage sowie dem angestrebten weiteren Ausbau der Strukturen in der Tagespflege abhängig.

5.3 Altersvorsorge von Tagespflegepersonen

Trotz der nachvollziehbaren Anmerkungen des RH sei eine Streichung des Förderprogramms, insbesondere im Hinblick auf das geänderte SGB VIII (Tagesbetreuungsausbaugesetz) und die Bedeutung der Kindertagespflege, sehr kritisch zu beurteilen und letztlich einer politischen Entscheidung vorbehalten. In jedem Fall müssten die Haushaltsmittel aus Sicht des SM auch weiterhin für die Förderung der Kindertagespflege zur Verfügung stehen. In diesem Sinne werde das Ministerium eine Umsetzung der Empfehlung prüfen.

Das Ministerium bemerkt abschließend, dass trotz der kritischen Prüfungsfeststellungen zur Zielerreichung von den Förderprogrammen wichtige Impulse ausgegangen seien und der Ausbau der Betreuungsangebote zur Kleinkinderbetreuung einen großen Schritt voran gebracht werden konnte.

6 Schlussbemerkung

Das Land sollte bei der Förderung von originär kommunalen Aufgaben nicht an die Stelle der Kommunen treten. Deshalb ist insbesondere darauf hinzuwirken, dass alle Kommunen für ihre Aufgaben finanzielle Mittel mindestens in gleicher Höhe wie das Land einsetzen.

Der Verzicht auf einen zahlenmäßigen Verwendungsnachweis und konkret geforderte Angaben im Sachbericht trägt zwar zur Verwaltungsvereinfachung bei, kann aber zur Folge haben, dass die realen Verhältnisse durch die Verwaltung nicht erkennbar sind und deshalb notwendige Steuerungsmaßnahmen unterbleiben. Zur Überprüfbarkeit der vom Land mit der Förderung angestrebten Ziele sind klar definierte Kennzahlen unerlässlich.


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Einzelplan 10: Umweltministerium

Die Sanierung der öffentlichen Abwasserkanäle sollte allein von den Nutzern finanziert werden; einer Landesförderung bedarf es nicht. Der mit der Sanierung verbundene Anstieg der Abwassergebühren kann durch eine ökonomisch und ökologisch ausgewogene Sanierungsplanung gemindert werden.


1 Ausgangslage

In den vergangenen Jahren wurde die Gewässerqualität durch erhebliche Anstrengungen und Investitionen in der Abwasserbeseitigung deutlich verbessert. Allerdings sind aufgrund gesetzlicher Anforderungen weiterhin technische und finanzielle Aufwendungen erforderlich. Ein Schwerpunkt ist die Sanierung der Kanalisation. In Baden-Württemberg hat das öffentliche Kanalnetz eine Gesamtlänge von rd. 65.000 km. Davon sind nahezu 10.000 km der Abwasserkanäle so beschädigt, dass sie zeitnah saniert werden müssen. Diese Sanierung kostet in den nächsten Jahren schätzungsweise 1,5 Mrd. €.

2 Finanzierung der öffentlichen Abwasserbeseitigung

Die Abwasserbeseitigung ist eine kommunale Pflichtaufgabe. Die Kommunen haben das Abwasser insbesondere zu sammeln, den Abwasserbehandlungsanlagen zuzuleiten, zu reinigen sowie die hierfür erforderlichen Kanäle, Rückhaltebecken, Pumpwerke, Regenwasser- und Abwasserbehandlungsanlagen herzustellen, zu unterhalten und zu betreiben. Zur Finanzierung können die Kommunen Abgaben in Form von Beiträgen und/oder Gebühren auf der Grundlage des Kommunalabgabengesetzes verlangen. Auch bei Erweiterungen, z. B. bei Verdichtung der Bebauung mit folgender Kapazitätsvergrößerung der Kanäle, können Kommunalabgaben erhoben werden. Insofern muss die Sanierung der unbrauchbar gewordenen Abwasseranlagen nicht zwangsläufig durch das Land gefördert werden.

Das Land unterstützt jedoch im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten die Kommunen bei der öffentlichen Abwasserbeseitigung. Zwar wird so das Verursacherprinzip durch das Gemeinlastprinzip abgemildert; doch insgesamt sieht die umweltpolitische Zielsetzung des Landes vor, dass die Investitionen für Abwasseranlagen und deren Sanierung mit zumutbaren Gebühren- und Beitragsbelastungen für alle Bürger durchzuführen sind.

Zuwendungen können nur diejenigen Kommunen und Zweckverbände beantragen, deren Wasser- und Abwassergebühren, unter Berücksichtigung der Beitragsanteile, zusammen die Antragsschwelle von 5,50 €/m³ erreichen oder überschreiten. Je mehr die Gebühr die Antragsschwelle übersteigt, umso höher sind die Zuwendungen. Im Jahr 2004 wurden für die öffentliche Abwasserbeseitigung Zuwendungen von rd. 80 Mio. € bereitgestellt; die Haushaltsmittel haben jedoch eine abnehmende Tendenz (2001 / 2002 / 2003: 112 Mio. € / 98 Mio. € / 92 Mio. €). Der Umfang der ausgereichten Zuwendungen für die Sanierung der Abwasserkanäle ist den Statistiken nicht zu entnehmen; nach grober Schätzung lagen sie unter zehn Prozent der Gesamtzuwendungen.

3 Beendigung des Fördertatbestands Sanierung

Das Land hat die meisten Kommunen bereits bei der Erstellung der inzwischen sanierungsbedürftigen Abwasseranlagen mit hohen Zuwendungen unterstützt. Folglich werden bei Kanalsanierungen für ein und dieselbe Aufgabe erneut Fördermittel eingesetzt, sozusagen von Generation zu Generation abrufbar. Die dauernde Beteiligung des Landes an kommunalen Pflichtaufgaben widerspricht jedoch dem Prinzip der Subsidiarität. Auch Zuweisungen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs aus Mitteln des kommunalen Investitionsfonds können nicht als Ersatz für eine versäumte Refinanzierungsstrategie von Abwasseranlagen dienen. Grundsätzlich kann es aus zuwendungsrechtlicher Sicht nicht hingenommen werden, dass die Kommunen und Zweckverbände wegen vorhandener Fördermittel auf mögliche andere Einnahmen verzichten oder vorhandene zweckgebundene Abgaben nicht vorrangig einsetzen (Subsidiaritätsprinzip).

Zudem reichen die Fördermittel schon bislang für eine landeseinheitliche, zielorientierte, ökologisch und ökonomisch effiziente Unterstützung der kommunalen Baulastträger nicht aus. Das enorme Antragsvolumen für die Kanalsanierung und die stetig abnehmenden Fördermittel für die öffentliche Abwasserbeseitigung insgesamt erfordern eine grundlegende Rückbesinnung auf die kommunale Finanzierungskompetenz für originäre Pflichtaufgaben. Der RH empfiehlt daher, zumindest die Förderung für die reine Sanierung von Abwasserkanälen, die etwa 5 Mio. € bis 10 Mio. € je Jahr beträgt, zu beenden.

4 Einsparpotenziale bei der Kanalsanierung durch die Netzbetreiber

Unabhängig von einer Förderung können die Kanalnetzbetreiber auch auf andere Weise dazu beitragen, den Anstieg der Abwassergebühren und Beiträge zu mindern. Würden die Schäden an der öffentlichen Kanalisation innerhalb der nächsten zehn Jahre behoben, wären jährlich überschlägig 150 Mio. € erforderlich. Ob dabei die Abwassergebühren und Beiträge bei zugleich steigenden Anforderungen moderat oder heftig ansteigen werden, hängt im Wesentlichen von der Nutzung bisher kaum ausgeschöpfter Einsparpotenziale ab.

4.1 Sanierung öffentlicher Abwasserkanäle

Der RH hat zusammen mit dem Staatlichen Rechnungsprüfungsamt Freiburg festgestellt, dass die Sanierung von Abwasserkanälen (Erneuerung, Renovierung und Reparatur) vorrangig darauf ausgerichtet war, die schwerwiegenden baulichen und/oder hydraulischen Unzulänglichkeiten im Kanalnetz zu beheben („Feuerwehrstrategie“). So wurden i. d. R. Straßenüberflutungen wegen Kapazitätsengpässen in der Kanalisation oder Baumaßnahmen am Straßenkörper zum Anlass genommen, die Abwasserkanäle auszuwechseln. Dabei wurden - beispielsweise wegen der Erweiterung der baulichen Grundstücksnutzungen oder Baugebietserschließungen - bevorzugt Kanäle mit größeren Abflussquerschnitten eingebaut. Ausschlaggebend für die Querschnittsvergrößerungen waren jedoch meist zu hoch angesetzte Niederschlagswasserabflüsse infolge überholter Planungen, zu optimistisch prognostizierter Siedlungsentwicklungen oder nicht mehr zeitgemäßer Erhebungs- und Berechnungsmethoden.

Bei ganzheitlicher Untersuchung von Sanierungsvarianten wäre nämlich eine kostenintensive Erneuerung häufig nicht erforderlich gewesen. Beispielsweise hätte man auf Erneuerungen mit Querschnittserweiterungen verzichten können, wenn die hydraulische Überlastung durch den Bau von Umleitungs- oder Parallelkanälen verringert worden wäre. Außerdem wurde nicht immer das unter den jeweils gegebenen örtlichen Rahmenbedingungen geeignete und wirtschaftliche Sanierungsverfahren gewählt. So wurden Abwasserkanäle mehrfach in offener Bauweise ausgewechselt, obgleich sie nicht oder nur gering beschädigt und größere Abflussquerschnitte nicht erforderlich waren. Renovierungen wurden in solchen Fällen kaum auf ihre Anwendbarkeit und Wirtschaftlichkeit hin untersucht (z. B. Schlauchlining-Verfahren), obwohl Reparaturen und Renovierungen i. d. R. wirtschaftlicher sind als Erneuerungen; die Kosten einer Renovierung machen durchschnittlich weniger als die Hälfte einer Erneuerung aus.

Trotz erheblicher Investitionen und längerfristig sogar höherer Folgekosten wurden die eigentlichen Sanierungsziele häufig nur bedingt erreicht. Ausgehend von den festgestellten hydraulischen Verhältnissen, dem baulichen Zustand des Kanalnetzes (Eigenkontrolle) und den künftigen Anforderungen an das Entwässerungssystem sollte eine Sanierungsplanung aber mehr beinhalten, als beispielsweise eine Kanalaufweitung oder den Bau zusätzlicher bzw. den Umbau bestehender Abwasserbehandlungsanlagen. Unter Berücksichtigung modifizierter und ökologischer Ansätze der Siedlungsentwässerung sollte vielmehr eine optimierte Gesamtkonzeption für die Kanalnetzsanierung erarbeitet werden. Eine Dämpfung des Anstiegs der Abwassergebühren ist dabei vor allem durch die konsequente Verringerung der Investitionen und der Folgekosten erreichbar. Die eigentliche Sanierungsentscheidung, also die Abwägung technischer und betriebswirtschaftlicher Belange, hängt dabei im Wesentlichen von der Qualität der Entwässerungsplanungen ab.

4.2 Entwässerungsplanungen

Im Hinblick auf den ökonomischen Erfolg eines Projekts ist der Einfluss auf die Kapital- und Betriebskosten zu Beginn eines Planungsprozesses am größten, während die Möglichkeiten der Kostenbeeinflussung in den weiteren Projektphasen (Objektplanung und Bauausführung) naturgemäß immer geringer werden. Entsprechend erfolgen bei der Abwasserbeseitigung die maßgebenden Kostenentscheidungen bereits am Anfang der konzeptionell ausgerichteten Planung (Generalentwässerungsplan). Diese Planung sollte langfristige Entwicklungen ebenso berücksichtigen wie eine Aussage über Dringlichkeit, Wirtschaftlichkeit und Finanzierungsbedarf. Ferner sind gerade in die ersten Planungsüberlegungen Konzeptionen einzubeziehen, die erheblich zur Konsolidierung der Gebührenentwicklung beitragen können.

  • Fremdwasserreduktion

Viele Kläranlagen haben einen geschätzten Fremdwasseranteil (= unerwünschter Abfluss in ein Entwässerungssystem) von über 50 %. Dazu zählt beispielsweise Grundwasser, das wegen Undichtigkeit der Abwasserkanäle in die Kanalisation eindringt. Dieses „saubere“ Wasser erhöht die Wassermenge in den Abwasserbehandlungsanlagen mit der Folge verminderter Reinigungsleistungen und erhöhter Betriebskosten der kommunalen Kläranlage.

Vor der Erweiterung von Abwasserbehandlungsanlagen und vor der Sanierung von Kanalnetzen sollte daher die Verringerung von Fremdwasserabflüssen vordringlich untersucht werden. Langfristig hat die Reduktion des Fremdwasseranteils im öffentlichen Kanalnetz jedoch nur Erfolg, wenn die Fremdwasserzuflüsse aus den privaten Anschlusskanälen/-leitungen ebenfalls reduziert werden. Nach einer Schätzung des UM sind etwa 50 % bis 60 % der Leitungen/Kanäle auf Privatgrundstücken schadhaft oder undicht.

  • Niederschlagswasserbeseitigung

Im Wassergesetz von Baden-Württemberg ist geregelt, dass das Niederschlagswasser grundsätzlich durch Versickerung oder ortsnahe Einleitung in ein oberirdisches Gewässer zu beseitigen ist. Auf diese Weise muss das Niederschlagswasser nicht mehr zusammen mit dem Schmutzwasser abgeleitet und behandelt werden.

Bislang können die Kanalnetze vor allem im Zuge der Erschließung neuer Wohn- und Gewerbegebiete sowie der Baulückenbebauung die zusätzlichen Niederschlagswasserabflüsse oft nicht aufnehmen, mit der Konsequenz, dass nach herkömmlichen Entwässerungsplanungen die vorhandenen Abwasserkanäle gegen solche mit größeren Querschnitten ausgewechselt wurden. Ökologisch orientierte Entwässerungsplanungen berücksichtigen dagegen auch Maßnahmen zur Verringerung des Abflusses, z. B. durch Bodenentsiegelung, Belagsänderung und Abkopplung von abflusswirksamen Flächen. Durch diese dezentrale Niederschlagswasserbewirtschaftung können besonders in Neubaugebieten hohe Kosten für die Erweiterung der Regenwasserbehandlungsanlagen und für den evtl. notwendigen Bau bzw. die größere Dimensionierung von Misch- oder Regenwasserkanälen vermieden werden.

5 Stellungnahme des Ministeriums

Das UM stellt dar, dass es bereits im Anhörungsentwurf zur Novellierung der Förderrichtlinien Wasserwirtschaft 2005 von der Förderung der Flächenkanalisation abgerückt sei. Im weiteren Verfahren sei der Fördertatbestand durch politische Entscheidung jedoch wieder in die nunmehr geltenden Förderrichtlinien aufgenommen worden. Angesichts des stetigen Rückgangs der Fördermittel für die Abwasserbeseitigung müsse erneut über eine Prioritätensetzung nachgedacht werden; dabei sei eine nachrangige Förderung der entsprechenden Sanierungsmaßnahmen in Betracht zu ziehen. Das UM sagt zu, dass die Anregung des RH zur Beendigung des Fördertatbestands in die für Ende 2006 vorgesehene Evaluierung der Förderrichtlinien einbezogen werde.

Weiter teile das UM die Auffassung des RH, wonach durch ein optimiertes Sanierungsmanagement die Kosten für Sanierungsmaßnahmen stark reduziert werden können. Ebenso bestätigt das UM, dass bei einer gesamtplanerischen Betrachtung (Kanalnetz, Regenwasserbehandlung, Abwasserbehandlung) oft auf die Sanierung von Kanalabschnitten generell verzichtet werden könne. Es sagt zu, in diesem Sinne die Fachbehörden bei den Dienstbesprechungen künftig verstärkt zu informieren.

6 Schlussbemerkung

Die Sanierung von Abwasserkanälen ist eine vordringliche kommunale Pflichtaufgabe, die grundsätzlich durch Kommunalabgaben finanzierbar ist. Vor diesem Hintergrund, aber auch mit Blick auf die aktuelle Haushaltslage des Landes, sollte die Förderung der Kanalsanierung beendet werden. Unabhängig davon können die Kommunen durch optimierte Sanierungsplanungen erhebliche Mittel einsparen.


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Anhänge

Einzelplan 12: Allgemeine Finanzverwaltung

Durch die fehlerhafte Auswertung von Grundlagenbescheiden entstehen jährlich Steuerausfälle in Millionenhöhe. Die in Grundlagenbescheiden festgestellten Einkünfte sollten den zuständigen Finanzämtern elektronisch übermittelt und dort maschinell ausgewertet werden. Bis eine entsprechende DV-Unterstützung zur Verfügung steht, ist das bestehende Verfahren zu optimieren.


1 Vorbemerkung

Die Auswertung von Grundlagenbescheiden ist in der Steuerverwaltung ein Massenverfahren, bei dem die StRPÄ in den letzten Jahren regelmäßig erhebliche Bearbeitungsmängel feststellten. Vor diesem Hintergrund hat die Finanzkontrolle die Thematik bei der Besteuerung natürlicher Personen nunmehr landesweit untersucht.

2 Ausgangslage

2.1 Rechtslage und Begriffsbestimmungen

Besteuerungsgrundlagen werden in bestimmten Fällen außerhalb der Einkommensteuerveranlagung ermittelt und durch Feststellungsbescheid gesondert festgestellt. Das betrifft insbesondere Einkünfte, an denen mehrere Personen beteiligt sind. Gesonderte Feststellungen sind daher regelmäßig für die Einkünfte von Personengesellschaften und Grundstücksgemeinschaften durchzuführen. Das für die gesonderte Feststellung zuständige Finanzamt (sog. Betriebsfinanzamt) entscheidet dabei durch Feststellungsbescheid über die Höhe der Besteuerungsgrundlagen und über deren Verteilung auf die Beteiligten. Über diese Entscheidungen wird das für die Besteuerung der Beteiligten zuständige Finanzamt, nachfolgend als Wohnsitzfinanzamt bezeichnet, durch Mitteilungen in Papierform - sog. ESt4B-Mitteilungen - unterrichtet.

Feststellungsbescheide sind Grundlagenbescheide für die Einkommensteuerbescheide der Gesellschafter. Sie sind rechtlich bindend, d. h., die Wohnsitzfinanzämter haben die festgestellten und in den ESt4B-Mitteilungen ausgewiesenen Besteuerungsgrundlagen ohne rechtliche Prüfung in die Einkommensteuerbescheide zu übernehmen. Um die Übernahme zu beschleunigen, sind die Wohnsitzfinanzämter angewiesen, eingehende ESt4B-Mitteilungen zeitnah auszuwerten. Die abweichenden Zuständigkeiten machen regelmäßig eine Abstimmung der Wohnsitzfinanzämter mit den Betriebsfinanzämtern erforderlich. Das entsprechende Verfahren wurde durch einen Erlass bundesweit einheitlich geregelt. Hiernach hat das Wohnsitzfinanzamt die Besteuerungsgrundlagen beim Betriebsfinanzamt unverzüglich zu erfragen, wenn beispielsweise in einer Steuererklärung negative Beteiligungseinkünfte geltend gemacht werden und insoweit noch keine ESt4B-Mitteilung vorliegt. Das Betriebsfinanzamt hat solche Anfragen umgehend zu beantworten.

2.2 Bedeutung der gesondert festgestellten Einkünfte

Den gesondert festgestellten Einkünften kommt eine erhebliche Bedeutung zu. So waren beispielsweise im Veranlagungszeitraum 2002 landesweit bei 175.000 Einkommensteuerfällen Beteiligungseinkünfte aus Gewerbebetrieb und bei 236.000 Fällen Beteiligungseinkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen. Da gerade in bedeutenderen Steuerfällen nicht selten mehr als zehn Beteiligungen vorkommen und für jede Beteiligung mindestens eine ESt4B-Mitteilung je Veranlagungszeitraum ergeht, dürfte die Zahl der jährlich von den Finanzämtern auszuwertenden Mitteilungen landesweit im Millionenbereich liegen. Die Übersicht 1 zeigt für die untersuchten Einkunftsarten die Entwicklung der Zahl der Fälle und die Höhe der bisher berücksichtigten (saldierten) Einkünfte ab dem Veranlagungszeitraum 1999.

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3 Prüfungsablauf, Prüfungsumfang

Die Untersuchung wurde vom RH gemeinsam mit den vier StRPÄ durchgeführt. Um repräsentative Ergebnisse zu erhalten, wurden insgesamt elf Finanzämter in die Erhebungen einbezogen. Geprüft wurden die Steuerakten von 702 natürlichen Personen. Die Prüfung erstreckte sich hierbei auf 2.246 Steuerbescheide. Neben der materiell-rechtlichen Fallprüfung wurden auch die jeweiligen Arbeitsabläufe analysiert sowie eine Mitarbeiterbefragung in den geprüften Finanzämtern durchgeführt.

4 Materiell-rechtliche Prüfungsfeststellungen

4.1 Gesamtergebnis

Die Prüfung von 702 Steuerfällen mit Beteiligungseinkünften führte zu insgesamt 138 Beanstandungen und damit zu einer Fehlerquote von 19,7 %. Bezogen auf die untersuchten 2.246 Steuerbescheide ergaben sich 203 Beanstandungen. Dies entspricht einer Quote von 9 %.

Das finanzielle Ergebnis der Untersuchung beläuft sich bei wirtschaftlicher Betrachtung, d. h. im Saldo von Mehr- und Mindersteuern, auf knapp 600.000 €. Unter den Aspekten der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns und der Gleichbehandlung der Steuerbürger ergibt sich in der Summe dieser Beträge ein Fehlervolumen von rd. 900.000 €. Je geprüfter Steuerakte beträgt das durchschnittliche Fehlervolumen 1.313 €; bezogen auf die Zahl der geprüften Steuerbescheide ergibt sich ein Durchschnittswert von 411 €.

4.2 Ergebnis nach Einkunftsarten

Lagen Mitteilungen über Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor, waren 7,6 % der untersuchten Steuerbescheide zu beanstanden, während bei Mitteilungen über Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung lediglich 4,7 % der Steuerbescheide fehlerhaft waren. Hinsichtlich des Fehlervolumens sind die Unterschiede noch deutlicher: Vom gesamten Volumen entfallen rd. 800.000 € auf die Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Bezogen auf die Zahl der geprüften Steuerbescheide je Einkunftsart entspricht das durchschnittliche Fehlervolumen bei gewerblichen Einkünften etwa dem Sechsfachen des Werts, der sich bei Vermietungseinkünften ergibt.

In den untersuchten Fällen wurde auch erhoben, an wie vielen Gesellschaften die Steuerbürger jeweils beteiligt waren. Dabei wurde festgestellt, dass bei beiden Einkunftsarten die Beanstandungsquote mit steigender Zahl der Beteiligungen deutlich zunahm. Die höchste Quote von 17 % wurde erreicht, wenn den Steuerbescheiden gewerbliche Einkünfte oder Vermietungseinkünfte aus mehr als zehn Beteiligungen zugrunde lagen. Das Ergebnis überrascht nicht. Es belegt, dass mit steigender Zahl der Beteiligungen die Steuerfälle immer komplexer werden und dadurch unabhängig von der Einkunftsart das Fehlerrisiko deutlich zunimmt.

4.3 Fehlerquellen

Die Übersicht 2 weist die festgestellten Fehlerquellen aus.

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Die Hälfte der Beanstandungen ist demnach darauf zurückzuführen, dass ESt4B-Mitteilungen unzutreffend ausgewertet wurden. Innerhalb dieser Kategorie entfallen knapp zwei Drittel der Fehler auf die Einkünfte aus Gewerbebetrieb, wobei dort der Ansatz von Einkünften vor (statt nach) Anwendung der Verlustabzugsbeschränkung gemäß § 15a Einkommensteuergesetz (EStG) den Beanstandungsschwerpunkt bildet. Diese gesetzliche Regelung verbietet in bestimmten Fällen die steuerliche Berücksichtigung handelsrechtlicher Verluste. Steuerlich relevant ist deshalb allein der mitgeteilte Wert „nach Anwendung des § 15a EStG“. Gleichwohl enthalten die Mitteilungen zumeist die Werte vor und nach § 15a EStG, was häufig zu Verwechslungen führt. Neben zahlreichen Rechenfehlern sowie dem doppelten Ansatz von Verlusten sind, insbesondere bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, vielfach Mitteilungen falsch ausgewertet worden, ohne dass sich eine konkrete Fehlerursache aus den Akten ergeben hat.

ESt4B-Mitteilungen enthalten gerade im gewerblichen Bereich neben den zuzurechnenden Einkünften zumeist noch weitere Besteuerungsgrundlagen, die bei der Einkommensteuerveranlagung zu berücksichtigen sind. Übersicht 2 verdeutlicht, dass die Finanzämter diese Angaben - z. B. anrechenbare Steuern - des Öfteren nicht übernahmen und die Mitteilungen daher unvollständig auswerteten.

Weitere Beanstandungsschwerpunkte waren die nicht zeitnahe Auswertung von Mitteilungen sowie das Verhalten der Wohnsitzfinanzämter bei fehlenden Mitteilungen. Die Prüfungsfeststellungen zu fehlenden Mitteilungen betrafen zum einen Fälle, bei denen hohe Verluste - z. T. über mehrere Jahre hinweg - ohne entsprechende Mitteilungen und ohne die gebotenen Rückfragen beim Betriebsfinanzamt anerkannt wurden. Aufgegriffen wurden daneben Fälle, bei denen die von der Finanzkontrolle veranlassten Ermittlungen ergaben, dass ausgefertigte Mitteilungen die Wohnsitzfinanzämter nach Aktenlage nicht erreicht hatten.

5 Organisatorische Prüfungsfeststellungen

5.1 DV-Unterstützung und Arbeitsmittel

Für den Informationsaustausch zwischen Betriebs- und Wohnsitzfinanzämtern besteht derzeit keine DV-Unterstützung. Die Betriebsfinanzämter stellen die Besteuerungsgrundlagen zwar regelmäßig mittels DV fest, d. h., das Ergebnis der dortigen Rechtsentscheidung ist in einem DV-Verfahren gespeichert. Zur datenmäßigen Umsetzung in die Einkommensteuerbescheide werden die Besteuerungsgrundlagen den Wohnsitzfinanzämtern jedoch als ESt4B-Mitteilung in Papierform übersandt. Die Wohnsitzfinanzämter wiederum geben die ausgedruckten Daten dann in ein anderes DV-Verfahren ein. Damit liegt ein klassischer Medienbruch vor. Dieser bewirkt, dass - von einer zeitnahen und zutreffenden Auswertung abgesehen - nicht einmal der Zugang der ESt4B-Mitteilungen beim zuständigen Wohnsitzfinanzamt gewährleistet werden kann. Hierzu eine Feststellung aus der Aktenprüfung:

Beispiel 1

Steuerbürger A war an einer Gesellschaft beteiligt, bei der im Jahr 2003 eine Betriebsprüfung für die Jahre 1996 bis 2000 durchgeführt wurde. ESt4B-Mitteilungen über geänderte Besteuerungsgrundlagen befanden sich nicht in den Einkommensteuerakten, obwohl sie von dem für die Gesellschaft zuständigen Arbeitsgebiet ausgefertigt worden waren. Der Verbleib der Mitteilungen konnte nicht festgestellt werden. Die Finanzkontrolle regte daher an, erneut entsprechende Mitteilungen zu versenden. Deren Auswertung führte zu Mehrsteuern von rd. 130.000 €.

Zur Ermittlung der Einkünfte bei mehreren Beteiligungen stehen im Textverarbeitungssystem der Finanzämter entsprechende Vorlagen zur Verfügung. Diese haben nach Auffassung des RH jedoch den Nachteil, dass eingetragene Einzelwerte nicht automatisch zusammengerechnet und in Summenspalten ausgewiesen werden. Durch eine solche Funktionalität ließen sich - bei konsequenter Nutzung der Vorlagen - Rechenfehler vermeiden, die mehrfach Ursache von Prüfungsfeststellungen waren. Einen weiteren Schwachpunkt sieht der RH darin, dass erstellte Übersichten nicht zentral gespeichert werden können und somit regelmäßig nur dem Verfasser der jeweiligen Übersicht und nicht jedem auf den Steuerfall Zugriffsberechtigten zur weiteren Bearbeitung zur Verfügung stehen. Dadurch wird beispielsweise bei einem Bearbeiterwechsel regelmäßig nicht auf die Vorarbeit des letzten Bearbeiters zurückgegriffen. Vermeidbare Mehrarbeit ist die Folge.

5.2 Aufbau und Inhalt der ESt4B-Mitteilungen

Im Rahmen der örtlichen Erhebungen wurde festgestellt, dass Aufbau und Inhalt der ESt4B-Mitteilungen sehr unterschiedlich sind, was deren Auswertung nicht unerheblich erschwert. Daneben enthalten die Mitteilungen vielfach Angaben, die nach Auffassung des RH für die Einkommensteuerveranlagungen der Gesellschafter von keinerlei Bedeutung sind und stattdessen lediglich das Fehlerrisiko bei der Auswertung der Mitteilungen erhöhen. So beruhen viele Fehler bei der Auswertung von Mitteilungen im gewerblichen Bereich darauf, dass statt der Einkünfte nach Anwendung des § 15a EStG die in der Mitteilung überflüssigerweise enthaltenen Einkünfte vor Anwendung des § 15a EStG angesetzt werden (s. Pkt. 4.3). Diese Fehlerquelle entfiele, wenn die für die Veranlagung irrelevanten Werte nicht mehr in den Mitteilungen ausgewiesen würden.

Waren demnach die ESt4B-Mitteilungen einerseits mit unnötigen Angaben überfrachtet, so fehlten andererseits oftmals wichtige Zusatzinformationen. Beispielsweise werden bei Mitteilungen über geänderte Besteuerungsgrundlagen neben den neuen Werten weder die bisherigen Ansätze mitgeteilt noch wird in irgendeiner Weise kenntlich gemacht, ob sich bedeutende Abweichungen gegenüber den bisher festgestellten Werten ergeben. Die Veranlagungsstellen sind deshalb nicht in der Lage, allein aufgrund der Mitteilung zu entscheiden, ob die potenzielle steuerliche Auswirkung eine sofortige Auswertung erfordert. Des Weiteren fehlen in Fällen, bei denen sich der Firmenname oder das zuständige Finanzamt geändert hat, nicht selten die bisherigen Angaben. Dies führt bisweilen zu einer Doppelberücksichtigung von Besteuerungsgrundlagen.

5.3 Arbeitsabläufe bei den Veranlagungsstellen

Hat der Steuerbürger nur eine oder wenige Beteiligungen, werden neu eingehende Mitteilungen in der Regel sofort ausgewertet. Ist er hingegen an vielen Gesellschaften beteiligt, werden die Mitteilungen - unabhängig vom betroffenen Veranlagungszeitraum - regelmäßig in der Steuerakte gesammelt und erst bei der nächsten durchzuführenden Jahresveranlagung ausgewertet. Eine solche Organisation der Arbeitsabläufe bewirkt, dass sämtliche für die Bearbeitung von Steuererklärungen zuständigen Bediensteten sich im Rahmen der jeweils aktuellen Veranlagungen auch mit der Auswertung von Mitteilungen für zurückliegende Jahre befassen. Zentrale Zuständigkeiten haben sich selbst innerhalb größerer Arbeitseinheiten (sog. Großbezirke) bisher kaum gebildet.

Werden in einer Steuererklärung negative Beteiligungseinkünfte geltend gemacht und liegt insoweit noch keine ESt4B-Mitteilung vor, hat das Wohnsitzfinanzamt im Rahmen der Veranlagungsarbeiten die Besteuerungsgrundlagen beim Betriebsfinanzamt zu erfragen. Solche Anfragen wurden von den untersuchten Ämtern jedoch nur vereinzelt vorgenommen. Stattdessen wurden die Beträge regelmäßig, ohne Rücksprache mit den Betriebsfinanzämtern, wie vom Steuerbürger erklärt, bei der Veranlagung berücksichtigt. Zudem fand eine Überwachung des Eingangs der fehlenden Mitteilungen in diesen Fällen meist nicht statt. Die Arbeitsweise der Veranlagungsstellen führte im Ergebnis dazu, dass selbst in solchen Fällen Anfragen unterblieben, bei denen ohne Vorliegen einer entsprechenden Mitteilung hohe Beteiligungsverluste erstmalig oder bereits über mehrere Jahre hinweg geltend gemacht wurden. Beispiel 2 zeigt das Risiko einer solchen Arbeitsweise auf.

Beispiel 2

Bei der Einkommensteuerveranlagung 2002 wurden u. a. erklärte gewerbliche Verluste aus der Beteiligung an einer GmbH & Co. KG in Höhe von 51.100 € berücksichtigt. Diese Verluste gingen aus einem Schreiben des Steuerberaters der Gesellschaft hervor. Weder lag eine ESt4B-Mitteilung vor, noch wurden die Einkünfte beim Betriebsfinanzamt erfragt. Eine von der Finanzkontrolle veranlasste Anfrage ergab, dass der Steuerbürger an der Gesellschaft nicht beteiligt war. Der Aufgriff führte zu Mehrsteuern von 18.400 €.

Im Rahmen der Erhebungen wurde erörtert, warum von Anfragen nach Besteuerungsgrundlagen in der Regel abgesehen wird. Nach den Erkenntnissen des RH war hierfür neben der hohen Arbeitsbelastung der Bediensteten auch die Haltung mancher Betriebsfinanzämter verantwortlich, die bei Publikumsgesellschaften entsprechende Anfragen grundsätzlich nicht beantworten.

Die Aktenprüfung ergab, dass auch bei umfangreichen Steuerfällen mit vielen Beteiligungen die DV-Vorlagen für Beteiligungsübersichten nur selten verwendet wurden. Der RH führt dies zumindest teilweise auf die unter Pkt. 5.1 dargestellten Defizite der Vorlagen zurück. Des Öfteren waren jedoch überhaupt keine ordentlich geführten - d. h. auch keine manuell gefertigten - Übersichten vorhanden, aus denen die Zusammensetzung der im aktuellen Einkommensteuerbescheid berücksichtigten Werte eindeutig hervorging. Dadurch wird der Zeitaufwand für die Auswertung weiterer Mitteilungen immer größer, gleichzeitig nimmt das Fehlerrisiko erheblich zu.

6 Bewertung und Empfehlungen

Die Auswertung von ESt4B-Mitteilungen ist nichts anderes, als die datenmäßige Umsetzung einer vom Betriebsfinanzamt getroffenen Rechtsentscheidung, im Grundsatz also eine reine Routineangelegenheit. Vor diesem Hintergrund hält der RH die festgestellte Fehlerquote für zu hoch. Angesichts der hohen Fallzahlen (s. Pkt. 2.2) und der finanziellen Ergebnisse der Querschnittsuntersuchung ist allein in Baden-Württemberg von jährlichen Steuerausfällen in Millionenhöhe auszugehen. Das ist nicht hinnehmbar.

6.1 Beseitigung des Medienbruchs zwischen Grundlagen- und Folgebescheid

Die entscheidende Verbesserung brächte die Beseitigung des Medienbruchs zwischen Grundlagen- und Folgebescheid. Für den Informationsaustausch zwischen Betriebs- und Wohnsitzfinanzämtern besteht noch immer keine DV-Unterstützung, obwohl der Bundesrechnungshof bereits im Jahr 2001 eine solche gefordert hatte. Das Bundesministerium der Finanzen teilte damals dazu mit, dass ein automatisiertes Verfahren „derzeit“ nicht realisierbar erscheine, da in den Ländern erhebliche organisatorische und technische Unterschiede bestünden. Trotz dieser Unterschiede ist es der Verwaltung inzwischen jedoch z. B. gelungen, die elektronische Lohnsteuerbescheinigung und damit eine Übermittlung von Besteuerungsgrundlagen durch (private) Arbeitgeber an die Finanzverwaltung bundesweit einzuführen. Es erschließt sich dem RH daher nicht, warum ein entsprechendes Verfahren zum verwaltungsinternen Informationsaustausch nicht durchführbar sein soll.

Das Ziel, den Medienbruch zwischen Grundlagen- und Folgebescheid zu beseitigen und die festgestellten Besteuerungsgrundlagen automationsgestützt zu übermitteln und auszuwerten, muss nach Auffassung des RH dringend weiterverfolgt werden. In Anbetracht der Rahmenbedingungen (u. a. der zunehmenden Arbeitsbelastung der Veranlagungsstellen) kann allein auf diese Weise eine fehlerfreie Übernahme der Rechtsentscheidungen der Betriebsfinanzämter durch die Wohnsitzfinanzämter gewährleistet werden. Der RH regt daher an, die Thematik auf Bundesebene erneut aufzugreifen und mit Nachdruck zu verfolgen. Sollte sich mittelfristig keine bundesweite Lösung abzeichnen, sollte die erforderliche DV-Unterstützung innerhalb der Grenzen Baden-Württembergs realisiert werden.

6.2 Optimierung des bestehenden Verfahrens

Bis zu einer Beseitigung des Medienbruchs hält der RH eine Optimierung der bestehenden Verfahrensabläufe und der DV-Unterstützung für geboten. Die nachfolgenden Vorschläge sollten kurzfristig umgesetzt werden.

6.2.1 Verbesserung und konsequente Nutzung der DV-Vorlagen

Die derzeit zur Verfügung stehenden Vorlagen für die Beteiligungsübersicht und für die Anlage zum Steuerbescheid weisen die für die Veranlagung maßgeblichen Werte nicht in Summenspalten aus (s. Pkt. 5.1). Zur Vermeidung von Rechenfehlern empfiehlt der RH, eine entsprechende Funktionalität zu integrieren. Des Weiteren sollte die Möglichkeit geschaffen werden, die Übersichten künftig - verknüpft mit Steuernummer und Veranlagungszeitraum - zentral zu speichern. Dadurch wäre es jedem zugriffsberechtigten Bearbeiter möglich, die Übersichten aufzurufen und im Falle von Änderungen fortzuschreiben. Im Übrigen könnten solche Übersichten automatisch als Anlagen zu den Steuerbescheiden ausgefertigt und versandt werden. Die Umsetzung der Optimierungsvorschläge dürfte zu einer erhöhten Akzeptanz der DV-Vorlagen bei den Bearbeitern führen. Ergänzend sollte im Rahmen der Fachaufsicht auf eine konsequente Nutzung der Arbeitsmittel geachtet werden.

6.2.2 Optimierung von Aufbau und Inhalt der ESt4B-Mitteilungen

Um die Auswertung der ESt4B-Mitteilungen zu erleichtern und das Fehlerrisiko zu minimieren, regt der RH an, die Mitteilungen von überflüssigen - nicht selten irritierenden - Angaben zu entfrachten und künftig nur noch die bei der Einkommensteuerveranlagung zu berücksichtigenden Werte aufzuführen. Ergänzt werden sollten die Mitteilungen hingegen um wertvolle Zusatzinformationen, wie die bisherige Steuernummer oder den bisherigen Firmennamen, wenn sich insoweit Änderungen ergeben haben. In bestimmten Fällen sollte zudem die Empfehlung einer sofortigen Auswertung in die Mitteilung aufgenommen werden. Ein solcher Hinweis wäre insbesondere dann angezeigt, wenn die mitgeteilten Werte von den zuvor bereits festgestellten Besteuerungsgrundlagen gravierend abweichen.

Eine flächendeckende Verbesserung würde allerdings nur im Falle einer bundesweiten Umsetzung der Vorschläge eintreten. Die Thematik sollte deshalb in die entsprechenden Gremien auf Bundesebene eingebracht werden. Parallel dazu sollte im Land bereits mit der Umsetzung begonnen werden.

6.2.3 Informationsaustausch und Überwachung

Der Informationsaustausch mit den Betriebsfinanzämtern und die Überwachung des Eingangs fehlender ESt4B-Mitteilungen sind verbesserungsbedürftig. Zumindest in Fällen, bei denen Beteiligungsverluste erstmalig geltend gemacht werden und insoweit noch keine Mitteilungen vorliegen, sollten die Verluste nur nach Rücksprache mit den Betriebsfinanzämtern anerkannt werden. Werden für Folgejahre erklärte Beträge ohne Rücksprache angesetzt, muss der Eingang der fehlenden Mitteilungen konsequent überwacht werden. Hierzu regt der RH an, Hinweise in der Steuerakte anzubringen oder Eingaben im sog. internen Vermerk des DV-Systems vorzunehmen. Liegen die Mitteilungen bei der nächsten - spätestens jedoch bei der übernächsten - Veranlagung noch immer nicht vor, sind zwingend entsprechende Anfragen an die Betriebsfinanzämter zu richten.

Die Haltung mancher Betriebsfinanzämter, bei Publikumsgesellschaften Anfragen nach Besteuerungsgrundlagen generell nicht zu beantworten, ist vor diesem Hintergrund nicht akzeptabel. Das FM sollte deshalb auf Bundesebene darauf hinwirken, dass entsprechende Anfragen umgehend beantwortet werden und dies im Land durch geeignete Maßnahmen sicherstellen.

6.2.4 Überlegungen zur Einführung einer zentralen Auswertung

Die Auswertung von Grundlagenbescheiden ist ein Massenverfahren, dessen fehlerfreie Bewältigung nicht von vertieften Rechtskenntnissen der Bearbeiter, sondern im Wesentlichen von deren Arbeitsorganisation, Sorgfalt und Routine im Umgang mit den teilweise sehr komplexen Beteiligungsfällen geprägt ist. Die insoweit geforderten Voraussetzungen dürften sich umso stärker ausbilden, je öfter die entsprechende Tätigkeit ausgeübt wird. Daneben haben die Erfahrungen des RH aus der Aktenprüfung gezeigt, dass insbesondere Steuerbürger, die eine große Anzahl von Beteiligungen halten, oft an denselben Gesellschaften beteiligt sind. Damit könnten Bearbeiter, die Grundlagenbescheide zentral auswerten, im Einzelfall gewonnene Erkenntnisse über etwaige Besonderheiten auch bei anderen Steuerfällen verwenden. Einen weiteren Vorteil der zentralen Zuständigkeit sieht der RH darin, dass die Liegezeit der Mitteilungen für bereits veranlagte Jahre deutlich verkürzt werden könnte. Bei der derzeitigen Verfahrensweise kann diese Liegezeit, d. h. der Zeitraum zwischen Eingang der Mitteilung und Durchführung der nächsten Veranlagung, mehr als ein Jahr betragen.

Der RH hat gegenüber dem FM konkrete Vorschläge für den Ablauf einer zentralen Auswertung von Grundlagenbescheiden unterbreitet. Danach wäre sowohl eine zentrale Auswertung innerhalb der Großbezirke als auch die Bildung eines Auswertungsteams für den gesamten Veranlagungsbereich eines Finanzamts möglich.

Vor dem Hintergrund der seit Jahren bestehenden Bearbeitungsdefizite sollte die Verwaltung auch die zentrale Auswertung der ESt4B-Mitteilungen als Mittel zur Qualitätsverbesserung in Betracht ziehen und beide Varianten erproben.

7 Stellungnahme des Ministeriums

Nach Auffassung des FM geben die materiell-rechtlichen und organisatorischen Prüfungsfeststellungen des RH die derzeitige Situation in den Finanzämtern zutreffend und verallgemeinerungsfähig wieder.

Die Forderung des RH nach einer elektronischen Übermittlung und Auswertung der ESt4B-Mitteilungen sei fachlich und organisatorisch berechtigt. Allerdings könne aufgrund länderspezifischer Unterschiede eine bundesweite Realisierung erst im Rahmen des Vorhabens KONSENS (Koordinierte neue Softwareentwicklung der Steuerverwaltung) erfolgen. Das FM werde eine entsprechende Anforderung in das Vorhaben KONSENS einbringen.

Die empfohlene Verbesserung der DV-Vorlagen beabsichtigt das FM kurzfristig umzusetzen. Eine zentrale Speicherung von Falldokumenten sei hingegen im derzeitigen Verfahren technisch nicht realisierbar. Bis Ende des Jahres 2006 werde jedoch eine umfassende DV-Unterstützung für die Verwaltung und Auswertung von ESt4B-Mitteilungen zur Verfügung stehen. Damit werde gleichzeitig die maschinelle Übermittlung von Feststellungsdaten innerhalb von Baden-Württemberg ermöglicht.

Das FM hält die Forderung des RH, die ESt4B-Mitteilungen zu vereinheitlichen und von überflüssigen Informationen zu entfrachten, für richtig und wichtig. Allerdings sei hierüber schon vielfach und häufig ergebnislos auf Bundesebene diskutiert worden. Die geforderte Ergänzung von Mitteilungen um Zusatzinformationen lasse sich derzeit programmtechnisch nicht lösen, da z. B. im Grundinformationsdienst ein früherer Name nicht gespeichert sei. Zur Verbesserung des Informationsaustauschs und zur Überwachung fehlender Mitteilungen strebe das FM eine DV-Unterstützung mittels einer elektronischen Wiedervorlage an.

Gegen die Bildung von Auswertungsteams wendet das FM ein, dass eine weitere Atomisierung der Zuständigkeiten nicht sinnvoll erscheine. Zum einen wären in großem Umfang Aktentransporte notwendig, zum anderen dürfte es für die Motivation und Qualifikation der Bediensteten besser sein, wenn sie nicht nur mit reinen Auswertungsarbeiten betraut wären. Im Übrigen lasse die künftige Verbesserung der DV-Unterstützung einen erheblichen Fehlerrückgang erwarten, sodass eine zentrale Auswertung nicht erforderlich erscheine. Aus diesem Grund beabsichtige das FM, eine zentrale Auswertung auch innerhalb der Großbezirke nicht einzuführen.

8 Schlussbemerkung

Der RH hält die angekündigte Verbesserung der DV-Unterstützung für sinnvoll. Hinsichtlich der vom FM als richtig und wichtig erachteten Empfehlung, die ESt4B-Mitteilungen von überflüssigen Informationen zu entfrachten, geht der RH davon aus, dass das FM eine erneute Erörterung auf Bundesebene herbeiführt und sich dabei nachdrücklich für eine entsprechende Lösung einsetzt. Parallel dazu sollte im Land bereits mit der Umsetzung begonnen werden. Entsprechendes gilt für die Beantwortung von Anfragen nach Besteuerungsgrundlagen durch die Betriebsfinanzämter. Nachdem die Ergänzung der ESt4B-Mitteilungen um Zusatzinformationen derzeit programmtechnisch nicht möglich ist, bittet der RH, in den einschlägigen Fällen auf eine manuelle Ergänzung hinzuwirken.

Die vom FM dargelegten organisatorischen Probleme beim Einsatz von Auswertungsteams wurden nicht verkannt. Geeignete Lösungsansätze hat der RH dem FM bereits in seiner Prüfungsmitteilung aufgezeigt. So könnten die Teams ihre Tätigkeit auf freien Arbeitsplätzen (z. B. von Teilzeitkräften) direkt in den Bezirken ausüben. Gegen die Einrichtung des notwendigen Datenzugriffs bestehen aus Sicht des RH keine Bedenken. Auswirkungen auf die Motivation der in den Teams eingesetzten Bediensteten sieht der RH nicht. Er hält es vielmehr für möglich, geeignetes Personal zu gewinnen. Darüber hinaus gibt der RH zu bedenken, dass die aufgezeigten Vorteile der zentralen Auswertung auch nach Einführung der verbesserten DV-Unterstützung ungeschmälert zum Tragen kämen. Die Stellungnahme des FM setzt sich mit diesen Vorteilen nicht hinreichend auseinander. Im Ergebnis hält der RH daher an seiner Empfehlung fest, beide Varianten der zentralen Auswertung zu erproben.


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Einzelplan 14: Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst

In der Bewilligungs- und Rückforderungspraxis der Studentenwerke und der Ämter für Ausbildungsförderung bei den Landratsämtern wurden einige typische Fehler festgestellt. Der Rechnungshof fordert mehr Sorgfalt bei besonders fehleranfälligen Entscheidungen und einen zügigeren Verwaltungsvollzug bei der Rückforderung zu Unrecht bewilligter Leistungen. Außerdem empfiehlt er verschiedene Änderungen der gesetzlichen Grundlagen.


1 Allgemeines

Studierende und Schüler haben nach Maßgabe des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) Anspruch auf individuelle Förderung, wenn ihnen die für ihren Lebensunterhalt und ihre Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen. Die Leistungen nach dem BAföG werden teilweise als Zuschuss und teilweise als Darlehen gewährt.

Für die Entscheidung über die Ausbildungsförderung ist bei Studierenden das jeweilige Studentenwerk zuständig, bei Schülerinnen und Schülern das örtliche Landratsamt. Es handelt sich um einen Fall der Bundesauftragsverwaltung.

Die für die Ausbildungsförderung notwendigen Mittel werden zu 65 % vom Bund und zu 35 % vom jeweiligen Bundesland getragen.

Die Studierenden in Baden-Württemberg erhielten im Durchschnitt der letzten Haushaltsjahre Förderleistungen nach dem BAföG in Höhe von rd. 140 Mio. € jährlich; davon wurde die Hälfte als Darlehen und die Hälfte als Zuschuss gewährt. Auf das Land entfielen dabei 35 % der Ausgaben, wobei die Ausgaben für Darlehen für die Dauer von 5 Jahren von der Landesbank Baden-Württemberg vorfinanziert werden.

Die Leistungen nach dem BAföG für Schülerinnen und Schüler belaufen sich in Baden-Württemberg im Durchschnitt der letzten Jahre auf rd. 53 Mio. € jährlich, die ausnahmslos als Zuschüsse gewährt werden. Auch davon trägt das Land 35 %, also rd. 18 Mio. €.

Die bei den Studentenwerken durch die Ausführung des BAföG entstehenden Verwaltungskosten werden vom Land pauschal erstattet. Die Studentenwerke erhalten je erledigten Erstbewilligungsfall einen Landeszuschuss in Höhe von 170 € (bis 2004: 180 €), bei Rückforderungsfällen eine Fallpauschale von 50 €. Das Land gibt hierfür jährlich rd. 12 Mio. € aus.

Der Aufwand der Landratsämter geht in den allgemeinen kommunalen Finanzausgleich ein.

2 Prüfungen durch den Rechnungshof und die staatlichen Rechnungsprüfungsämter

Für die Rechnungsprüfung im Zusammenhang mit der Ausführung des BAföG sind, da die Mittel von Bund und Land gemeinsam aufgebracht werden, sowohl der Bundesrechnungshof und die Prüfungsämter des Bundes als auch der RH des Landes und die StRPÄ zuständig. Sie führen in diesem ausgabenträchtigen Bereich regelmäßig Prüfungen durch, die in zahlreichen Einzelfällen zu Beanstandungen, Korrekturen und ggf. Rückzahlungen führen.

Das StRPA Stuttgart hat in der Zeit von 2000 bis 2005 die Ausführung des BAföG durch die Studentenwerke Tübingen, Stuttgart-Hohenheim und Stuttgart sowie durch acht Landratsämter im Regierungsbezirk Stuttgart geprüft.

Durch eine stark risikoorientierte Auswahl der zu prüfenden Fälle ergaben sich bei einem Drittel der überprüften Fälle kleinere und größere Beanstandungen. Wegen der Art der Auswahl ist eine Hochrechnung dieser Fehlerquote auf die Gesamtheit der Fälle nicht möglich.

3 Typische Feststellungen zu der Bewilligungspraxis der Landratsämter

Die Landratsämter sind im Bereich der Ausbildungsförderung für die Entscheidung über Leistungen an Schüler der weiterführenden allgemein bildenden Schulen und der beruflichen Schulen zuständig. Sie unterliegen dabei der Aufsicht des Landesamts für Ausbildungsförderung beim Regierungspräsidium Stuttgart und des MWK.

Die Prüfung bei den Landratsämtern hat im Bereich der Erstbewilligung von Leistungen die folgenden typischen Feststellungen ergeben:

Obwohl die Erhebung der Einkommensverhältnisse der Schüler und ihrer Eltern, die jeder Bewilligungsentscheidung vorausgeht, sehr aufwendig ausgestaltet ist, arbeiten die Landratsämter zügig und kundenorientiert. Nennenswerte Rückstände bei der Entscheidung über die Erstbewilligung von Leistungen an Schüler konnten nicht festgestellt werden, obwohl sich nahezu alle Förderanträge auf wenige Wochen des Jahres konzentrieren.

Allerdings bewegen sich die bei kleineren Landratsämtern anfallenden Fallzahlen in einer Größenordnung, die eine Spezialisierung der mit Fragen des BAföG befassten Sachbearbeiter kaum möglich macht, sodass die inhaltliche Qualität der Entscheidungen gelegentlich hinter den Entscheidungen der Studentenwerke zurückbleibt.

Bei der Entscheidung darüber, ob die Unterbringungskosten bei einer Internatsunterbringung erstattet werden, ist von den Landratsämtern zu prüfen, ob die Voraussetzungen eines Härtefalls nach §§ 6, 7 der HärteVO erfüllt sind, ob also die Unterbringung des Schülers gerade in diesem Internat erforderlich ist. Nach Auffassung des RH werden diese Voraussetzungen von den Landratsämtern häufig bejaht, ohne ernsthaft geprüft zu haben, ob eine vergleichbare Ausbildung nicht auch ohne Internatsunterbringung möglich wäre. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Unterbringung des Schülers in einem Internat seiner besonderen musikalischen Ausbildung zu dienen bestimmt ist.

Bei der Bewilligung erhöhter Fördersätze wegen auswärtiger Unterbringung hat das Landratsamt zu prüfen, ob die Ausbildungsstätte für den Schüler innerhalb zumutbarer Zeit von der elterlichen Wohnung aus erreicht werden kann. Nach den Feststellungen des RH wird hier die Unzumutbarkeit täglicher Anreise häufig bejaht, ohne die Gegebenheiten des öffentlichen Personennahverkehrs ausreichend zu prüfen und zu würdigen. Der RH hält es für erforderlich, dass in diesen Fällen eine Fahrplanauskunft eingeholt wird, anstatt mit dem Argument „amtsbekannt“ vorschnell die Unzumutbarkeit der Wegstrecke zu bejahen.

4 Typische Feststellungen zu der Bewilligungspraxis der Studentenwerke

In den neun Studentenwerken des Landes wird das BAföG jeweils von einer spezialisierten Abteilung für Ausbildungsförderung wahrgenommen.

Die Prüfung der Studentenwerke in Hohenheim, Tübingen und Stuttgart hat die folgenden wesentlichen Erkenntnisse ergeben:

Die Abteilungen für Ausbildungsförderung erweisen sich insbesondere bei der Erteilung der Erstbescheide als sehr leistungsfähig und erledigen die regelmäßig zu Semesterbeginn massenhaft anfallenden Anträge zeitnah und kundenorientiert.

Beanstandungen durch die Finanzkontrolle haben sich insbesondere in jenen Fällen ergeben, in denen die Angaben der Antragsteller zu ihren Einkommensverhältnissen wenig lebensnah und plausibel erschienen. So sollten - etwa in Fällen, in denen geltend gemacht wird, dass Familien über Jahre hinweg einkommenslos waren oder ein negatives Einkommen erzielten - mindestens Rückfragen bei den Betroffenen erfolgen oder zusätzliche Auskünfte eingeholt werden.

Infrage zu stellen ist die in § 24 Abs. 1 BAföG vorgesehene Anknüpfung am Elterneinkommen des vorletzten Kalenderjahres. Durch die mittlerweile beschleunigte Bearbeitung von Steuererklärungen durch die Finanzämter könnte in vielen Fällen der Steuerbescheid des jeweils vorangegangenen Kalenderjahres als Grundlage der Bewilligungsentscheidung nach dem BAföG herangezogen werden. Nach der heute herrschenden Praxis der Finanzämter ist es den Antragstellern und ihren Angehörigen möglich und zumutbar, einen Steuerbescheid für das Vorjahr vorzulegen.

In Fällen, in denen der Antragsteller geltend macht, dass die Einkommen von Eltern und Ehegatten niedriger sind als in den Vorjahren, wird die Ausbildungsförderung regelmäßig unter dem Vorbehalt der Rückforderung bewilligt (§ 24 Abs. 2 und 3 BAföG). Bei der Bewältigung der danach notwendigen abschließenden Entscheidungen haben die Prüfungen des StRPA nennenswerte Rückstände ergeben; soweit Rückforderungen notwendig wurden, sind diese häufig nicht zeitnah erfolgt.

Wenig sorgfältig erscheint in vielen Fällen die Prüfung der Angaben des Antragstellers über sein eigenes Vermögen. Auch hier sind bei wenig plausibel erscheinenden Angaben der Antragsteller Rückfragen oder weitergehende Erhebungen angezeigt. Der in den letzten Jahren erfolgte Datenabgleich mit den Datenbeständen des Bundesamts für Finanzen hat gezeigt, dass die Antragsteller an dieser Stelle häufig zu unrichtigen Angaben neigen. Vermehrt an Bedeutung gewinnt die Fallkonstellation, in der Antragsteller ohne verständigen Grund über ihr Vermögen verfügen und damit ihre Bedürftigkeit absichtlich herbeiführen.

Weiterhin hat die Prüfung ergeben, dass das Widerspruchsverfahren, das ein Antragsteller durchführen muss, bevor er in Angelegenheiten nach dem BAföG verwaltungsgerichtliche Klage erhebt, in erheblichem Umfang Kapazitäten bei den Studentenwerken bindet. Die Einlegung von Rechtsbehelfen wird dadurch erleichtert, dass die Entscheidungen über Widerspruch und Klage gebührenfrei ergehen (§ 188 Verwaltungsgerichtsordnung).

5 Rückforderung unberechtigt gewährter Leistungen

Ein besonderer Schwerpunkt der Prüfungen der Jahre 2004 und 2005 waren die Entscheidungen über Rückforderungen, die sich aus den Kontrollmitteilungen des Bundesamts für Finanzen ergeben haben, und deren Vollzug.

Durch einen Abgleich zwischen den beim Bundesamt für Finanzen geführten Daten über die steuerrechtliche Freistellung von Bankguthaben und den bei der Antragstellung auf Ausbildungsförderung gemachten Angaben über die Vermögensverhältnisse der Schüler und Studenten ergab sich in Tausenden von Fällen Anlass zur Überprüfung der Leistungsbewilligung, zur Rücknahme der Bescheide und zur Rückforderung der überzahlten Beträge. Außerdem wurden in zahlreichen Fällen Bußgeldverfahren gegen die Betroffenen eingeleitet bzw. Strafanzeige bei den zuständigen Staatsanwaltschaften erstattet.

Diese zusätzliche Aufgabe stellte alle Studentenwerke des Landes und teilweise auch die Landratsämter vor eine nach Inhalt und Umfang besondere Herausforderung, der diese in unterschiedlicher Weise gerecht wurden.

Die Prüfung zu diesem Thema hat folgende Feststellungen ergeben:

Die Art und Weise sowie die Geschwindigkeit, mit der die Rückforderungsfälle von den Studentenwerken und Landratsämtern erledigt werden, sind sehr unterschiedlich. Einige Studentenwerke weisen erhebliche Rückstände bei der Geltendmachung der Rückforderungsansprüche auf.

Dabei wirkt sich aus, dass für die Studentenwerke die Erstbewilligung einer Leistung mit 170 € je Fall vergütet wird und damit in der Regel einen Deckungsbeitrag zum wirtschaftlichen Ergebnis des Studentenwerks erbringt. Die Bearbeitung von Fällen, die im Rahmen des Datenabgleichs auffällig wurden, werden dagegen - trotz des erheblichen Verwaltungsaufwandes und Widerstandes der Betroffenen - nur mit 50 € je Fall vergütet. Hier bietet sich eine prozentuale Beteiligung der Studentenwerke an den Ergebnissen der Rückforderung an, die ein Eigeninteresse der Studentenwerke an der zügigen Erledigung und an den Ergebnissen der Rückforderungsfälle schaffen würde.

Die Kriterien, nach denen in Fällen unrichtiger Angaben Bußgeldverfahren gegen die Betroffenen durchgeführt werden und Anzeige an die Staatsanwaltschaften wegen Betrugs erstattet wird, unterscheiden sich bei den einzelnen Studentenwerken sehr. Aus fiskalischer Sicht nachteilig ist, dass in Fällen erstatteter Strafanzeige das Verfahren zur Rückforderung der überzahlten Beträge häufig zunächst ruhte oder gar ausgesetzt wurde. Dadurch entstehen dem Land vermeidbare Zinsverluste.

Bei der inhaltlichen Prüfung der Rückforderungsbescheide ergab sich, dass in vielen Fällen Rückforderungsansprüche ohne nachvollziehbaren Grund gestundet wurden oder den Betroffenen Ratenzahlung gewährt wurde. Dies ist angesichts der Tatsache, dass aufgrund der Kontrollmitteilungen zumeist feststeht, dass Bankguthaben in nennenswerter Höhe vorhanden sind, regelmäßig nicht vertretbar.

Bei der Rückforderungspraxis der Landratsämter liegt der Schluss nahe, dass die Rückforderungen, die im Ergebnis nicht der Kreiskasse, sondern der Landes- und Bundeskasse zugute kommen, von den Vollstreckungsstellen der Kreiskassen nur mit nachrangiger Priorität abgewickelt werden.

6 Empfehlungen des Rechnungshofs

Der RH schlägt auf der Grundlage seiner Prüfungsfeststellungen folgende Verbesserungen im Verfahren nach dem BAföG vor:

  • Das MWK und die zuständigen Stadt- und Landkreise sollten prüfen, ob die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Ausbildungsförderung von Schülern bei wenigen Landratsämtern als Vor-Ort-Zuständigkeit konzentriert werden kann. So könnte eine stärkere Spezialisierung der Sachbearbeiter ermöglicht und eine gleichmäßigere Handhabung der gesetzlichen Bestimmungen gesichert werden.

 

  • Die Landratsämter sollten die Voraussetzungen für die Bewilligung von Ausbildungsförderung bei auswärtiger Unterbringung der Schüler und für den Ersatz von Unterbringungskosten nach der HärteVO sorgfältiger prüfen und dabei insbesondere alternative Ausbildungsmöglichkeiten und die Gegebenheiten des öffentlichen Personennahverkehrs stärker berücksichtigen.

 

  • Die Angaben der Studierenden zu ihrem eigenen Vermögen sollten schon bei der Erstbewilligung sorgfältiger als in der Vergangenheit überprüft werden. Dasselbe gilt für die Einkommensverhältnisse der Eltern in Fällen, in denen Negativ- oder Nulleinkommen geltend gemacht werden.

 

  • Fälle, in denen sich (z. B. durch den Datenabgleich mit dem Bundesamt für Finanzen) die Frage der Rücknahme von Leistungsbescheiden stellt, sind zügiger zu bearbeiten. Um für die Studentenwerke einen zusätzlichen Leistungsanreiz zu schaffen, sollten den Studentenwerken (anstelle der bisher gewährten Fallpauschale von 50 €) 2 % der mit Erfolg zurückgeforderten Beträge als Verwaltungskostenersatz überlassen werden.

 

  • Das MWK sollte (im Einvernehmen mit dem JuM) auf eine landesweit einheitliche Verwaltungspraxis hinsichtlich der Sanktionierung von Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Beantragung von Ausbildungsförderung hinwirken. Die Einleitung eines Strafverfahrens ist regelmäßig keine Rechtfertigung dafür, das Verwaltungsverfahren zur Rückforderung der überzahlten Beträge auszusetzen.

Der Gesetzgeber sollte prüfen, ob

  • die Kostenfreiheit des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bei Klagen in Angelegenheit des BAföG noch zeitgemäß ist und

 

  • § 24 BAföG dahingehend geändert werden kann, dass in der Regel der Einkommensteuerbescheid des Vorjahres vorgelegt werden muss.

7 Stellungnahme des Ministeriums

Das MWK teilt die Auffassung des RH, dass die Bildung größerer Einheiten bei den unteren Verwaltungsbehörden zu einer höheren Professionalisierung und einer kostengünstigeren Fallbehandlung führen würde. Es weist allerdings darauf hin, dass nach § 2 Abs. 1 des baden-württembergischen Ausführungsgesetzes zum BAföG eine Konzentration nur aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung zwischen den beteiligten Kommunen möglich ist.

Zur Entscheidungspraxis der Landratsämter weist das MWK darauf hin, dass ein Schüler nur dann auf eine erheblich kostengünstigere Ausbildungsstätte verwiesen werden könne, wenn diese das gleiche Profil aufweise wie die gewählte Einrichtung. Die Landratsämter verfügten in der Regel über ausreichende Kenntnisse, um Wegstrecken sachgerecht zu beurteilen.

Das MWK stimmt dem RH zu, dass Einkommens- und Vermögensverhältnisse, die wenig lebensnah und plausibel erscheinen, Anlass für weitere Überprüfungen der Ämter für Ausbildungsförderung sein müssen. Dies ergebe sich aus dem Untersuchungsgrundsatz, der auch für das Verfahren nach dem BAföG gelte.

Gegen die vom RH erhobene Forderung, künftig die Einkommensverhältnisse des Vorjahres zugrunde zu legen, macht das MWK verwaltungspraktische Gründe geltend. Ebenso widerspricht das MWK der Aussage des RH, Vorbehaltsfälle würden generell zu zögerlich einer endgültigen Entscheidung zugeführt. Allerdings räumt das Ministerium ein, dass bei einzelnen Ämtern erhebliche Rückstände in diesen Bereichen bestehen.

Aufgeschlossen ist das MWK dagegen für den Vorschlag des RH, den Studentenwerken in den Rückforderungsfällen eine Erfolgsbeteiligung zu gewähren. Das MWK könne sich vorstellen, dass eine zweiprozentige Erfolgsbeteiligung zusätzlich zu der Aufwandspauschale von 50 € je Fall gewährt werden könne.

Hinsichtlich der Vorlage von Rückforderungsfällen an die Staatsanwaltschaften und hinsichtlich der Durchführung von Bußgeldverfahren werde das MWK künftig noch stärker auf eine einheitliche Verwaltungspraxis hinwirken. Es teilt die Auffassung des RH, dass ein laufendes Straf- oder Bußgeldverfahren keinen Grund darstelle, das Verfahren zur Rückforderung überzahlter Beträge nicht weiter zu betreiben.

8 Schlussbemerkung

Der RH sieht sich durch die Stellungnahme des MWK in der Mehrzahl seiner Feststellungen und Empfehlungen bestätigt.

Hinsichtlich des maßgeblichen Einkommens bleibt er bei seinem Vorschlag, mindestens für die Entscheidungen, die nach dem 01.08. eines Jahres zu treffen sind, die Einkommensverhältnisse des Vorjahres zugrunde zu legen. Allerdings bedarf es dazu einer Entscheidung des Bundesgesetzgebers.


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Bei den Universitätsklinika des Landes liegen keine umfassenden und verlässlichen Informationen über das tatsächliche Leistungsvolumen der für die Krankenversorgung eingerichteten Labore vor. Eine Modellberechnung des Rechnungshofs ergab allein bei den zentralen Laboren ein rechnerisches Einsparpotenzial von rund 9 Mio. €, inklusive der Kosten für rund 112 Vollzeitkräfte. Weitere 0,9 Mio. € können eingespart werden, wenn Laborleistungen zentralisiert werden. Das Land sollte darauf hinwirken, dass ein aussagefähiges System zur Erfassung und Dokumentation der maßgeblichen Wirtschaftlichkeitsparameter für die Arbeit der Labore eingeführt wird. Die Universitätsklinika sollten die angesprochenen Schwachstellen mit dem Ziel der Leistungssteigerung überprüfen.


1 Ausgangslage

Die vier Universitätsklinika (UK) des Landes (Freiburg, Heidelberg, Tübingen und Ulm) nehmen im Rahmen der ihnen gesetzlich zugewiesenen Aufgaben vorwiegend solche der Krankenversorgung im stationären und ambulanten Bereich wahr; sie gewährleisten daneben in enger Zusammenarbeit mit der Universität die Verbindung der Krankenversorgung mit Forschung und Lehre. Im Zuge dieser Aufgabenerfüllung unterhalten sie Laboreinrichtungen sowohl für die Krankheitsdiagnose als auch für die Kontrolle von Therapiemaßnahmen. Bedingt durch ihre Zuordnung zur Leistungsstufe der Maximalversorgung fällt eine Vielfalt von Laboruntersuchungen an, die einen nicht unwesentlichen Kostenfaktor im Gesamtkontext der Behandlungskosten darstellen.

2 Prüfungsmethode und Prüfungsverlauf

Der RH prüfte den Personal- und Kosteneinsatz bei den Laboren im Rahmen einer Querschnittsprüfung. Die Prüfung umfasste die Jahre 2003 und 2004. Unberücksichtigt blieben die Labore, die nicht oder nur indirekt der Krankenversorgung dienen.

Im Zuge der Vorerhebungen bei den UK stellte sich heraus, dass die Klinikumsverwaltungen

  • nicht in der Lage waren, umfassende Angaben über sämtliche für die Krankenversorgung eingerichteten Labore zu machen,

 

  • oftmals lediglich über Leistungsstatistiken für die Labore verfügten, deren Leistungen für eine so genannte interne Leistungsverrechnung erfasst wurden und

 

  • mit ihren Besetzungslisten nicht immer die tatsächliche Personalausstattung der einzelnen Labore abbilden konnten.

Aus diesem Grunde hat der RH die bei den Klinikumsverwaltungen nicht verfügbaren Daten für das Jahr 2003 direkt bei den jeweiligen Abteilungen der Kliniken bzw. Institute durch eine schriftliche Umfrage erhoben.

Angesichts erheblicher Verzögerungen bei der Datenlieferung durch die UK bezog der RH das Jahr 2004 in die Prüfung mit ein. In einer zweiten Umfrage sollten die maßgeblichen Daten für das Jahr 2003 von den UK validiert und die Daten für das Jahr 2004 ergänzt werden.

Der RH forderte unter anderem Daten zu sämtlichen tatsächlich erbrachten Laborleistungen, ohne Kontroll- und Kalibrierungsmessungen, unter Angabe von Anzahl und Gebührenziffer gemäß der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) oder dem hinsichtlich des Leistungskatalogs für die Labore identischen Tarif der Deutschen Krankenhausgesellschaft an; letzteres erfolgte in Übereinstimmung mit der auch bei den UK üblichen Praxis der Leistungserfassung.

Ob, wie die UK nach Abschluss der Prüfung z. T. zum Ausdruck brachten, eine andere Plattform, wie z. B. der so genannte Einheitliche Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM), die Leistungen „besser“ abgebildet hätte, kann dahinstehen, weil die Leistungen bei allen UK in gleicher Weise erfasst wurden und der 2005 erneuerte EBM bei der Prüfung nicht relevant war.

3 Laborstruktur

Die Labordiagnostik ist bei den vier UK unterschiedlich organisiert.

Quellen zur Feststellung der für die Krankenversorgung tätigen Labore waren für den RH eine Umfrage, die Kostenstellenverzeichnisse der UK und eine Aufstellung der Klinikumsapotheken über den ausgelieferten Laborbedarf. Zum Teil wich die Organisationsstruktur von der Kostenstellenstruktur insofern ab, als für ein Labor mehrere Kostenstellen eingerichtet waren. Der RH hat in diesen Fällen durchgängig Labor-“bereiche“ analog den von den UK eingerichteten Kostenstellen dargestellt.

An allen Standorten sind sowohl zentrale als auch dezentrale Labore eingerichtet. Die zentralen Labore bearbeiten Anforderungen aus dem gesamten UK-Bereich; die dezentralen Labore erbringen Leistungen im Wesentlichen für die eigene Klinik oder das eigene Institut. Diesen Unterschied hat der RH in seiner Prüfung aufgegriffen und bei der Darstellung seiner Ergebnisse entsprechend berücksichtigt. Als zentrale Labore wurden, neben dem bei jedem UK eingerichteten allgemeinen Zentrallabor, die Disziplinen Mikrobiologie, Virologie, Humangenetik, Pathologie und Neuropathologie berücksichtigt. Alle anderen Laboreinrichtungen wurden den dezentralen Laboren zugeordnet.

Im Erhebungszeitraum haben die UK bei ihren dezentralen Laboren z. T. erhebliche Umstrukturierungen durchgeführt.

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In weiteren Fällen erfolgten Teilverlagerungen von Laboruntersuchungen, bei denen die betroffenen Laboreinrichtungen jedoch bestehen blieben.

Im Zuge dieser Umstrukturierungen wurden von drei UK insgesamt rd. 50 Stellen und von einem UK als Reaktion auf Budgetreduzierungen rd. 6 Stellen

mit Wertigkeiten zwischen den Vergütungsgruppen VIII und II a Bundes-Angestelltentarifvertrag abgebaut. Bei einer Bewertung dieser insgesamt 56 eingesparten Stellen mithilfe der Richtsätze des FM zur Aufstellung des Haushaltsplans für das Jahr 2004 ergibt sich ein Finanzvolumen von 2,6 Mio. €.

4 Personal

Bei der Erhebung des in den Laboren beschäftigten Personals wurden sämtliche Berufsgruppen erfasst. Die Anzahl aller in den Laboren für die Krankenversorgung eingesetzten Vollzeitäquivalente (VZÄ) ergibt sich aus Übersicht 2. Wegen Unterschieden in der Organisation und bei Behandlungsschwerpunkten kann allein aus der Personalausstattung kein Rückschluss auf eventuelle Unwirtschaftlichkeiten beim jeweiligen UK gezogen werden.

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Für Laborbestimmungen in der Krankenversorgung waren bei den vier UK im Jahr 2003 insgesamt rd. 927 VZÄ, im Jahr 2004 rd. 869 VZÄ eingesetzt. Der Gesamtrückgang von rd. 58 VZÄ verteilt sich auf die vier UK in unterschiedlicher Höhe. Während beim UK A die Personalausstattung nahezu konstant blieb, verzeichnet das UK B mit einem Rückgang von rd. 30 VZÄ oder rd. 10 % die größte Veränderung. Ursächlich für diese Entwicklung beim UK B war insbesondere eine Neuausrichtung des Untersuchungsspektrums des allgemeinen Zentrallabors und damit verbundene weit reichende Zentralisierungen von Laborleistungen.

5 Kosten (Personal- und Sachkosten)

Bei der Erhebung der Kosten hat der RH zwischen Personal- und Sachkosten unterschieden, wobei die Sachkosten weiter in Laborbedarf und sonstigen Sachaufwand unterteilt wurden. Die Ermittlung der Sachkosten basiert auf den von den UK zur Verfügung gestellten Kostenstellenberichten. Da die Personalkosten nicht immer verursachergerecht zugeordnet wurden, hat der RH sämtliche Personalkosten auf der Grundlage der von den UK mitgeteilten Personalausstattung und der Richtsätze des Finanzministeriums zur Aufstellung des Haushaltsplans für die Jahre 2003 und 2004 selbst ermittelt.

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Auch aus der Kostendarstellung allein lässt sich keine Aussage über einen wirtschaftlichen Ressourceneinsatz in den Laboren treffen.

Die bei den vier UK insgesamt angefallenen Kosten in Höhe von rd. 75,0 Mio. € im Jahr 2003 und von 72,3 Mio. € im Jahr 2004 werden im Wesentlichen durch den Personaleinsatz und den Laborbedarf verursacht; allein durch diese beiden Kostenarten werden knapp 95 % der Kosten abgebildet. Der für das Jahr 2004 ermittelte Kostenrückgang von 2,6 Mio. € entspricht einem Anteil von 3,5 %. Mit rd. 2 Mio. € verzeichnen die Kosten für den Laborbedarf den größten Rückgang.

Der RH hat auch untersucht, wie sich die Kosten im Jahr 2004 bei Einrichtungen, deren Leistungen ganz oder teilweise in der Regel auf zentrale Labore übertragen wurden, also den „abgebenden Laboren“, und den diese Leistungen jetzt erbringenden, also den „aufnehmenden Laboren“, verändert haben. Die abgebenden Labore weisen Kostenrückgänge von insgesamt 1,8 Mio. € auf. Bei den aufnehmenden Laboren gingen die Kosten ebenfalls zurück und zwar um insgesamt 0,9 Mio. €; dieser Kostenrückgang wird vor allem von der Neuausrichtung des allgemeinen Zentrallabors beim UK B bestimmt. Die Gesamtentwicklung ergibt für das Jahr 2004 insgesamt einen Rückgang von 2,7 Mio. €.

6 Leistungen

6.1 Leistungsdokumentation

Nach § 8 Krankenhaus-Buchführungsverordnung hat jedes Krankenhaus eine Kosten- und Leistungsrechnung zu führen, die u. a. eine betriebsinterne Steuerung sowie eine Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit erlaubt. Damit verbunden ist auch die Pflicht, erbrachte „Sekundärleistungen“, wie Laborbestimmungen, zeitnah und lückenlos zu erfassen, welche die Grundlage für eine effiziente Leistungserbringung durch die einzelnen Betriebseinheiten darstellen. Fehlen derartige Informationen, können weder Leistungsbewertungen des betroffenen Personals vorgenommen, noch kostenrelevante Erkenntnisse gewonnen werden. Damit fehlt eine Basis für eine evtl. Verbesserung von Betriebsabläufen oder zur Ermittlung von kostendeckenden Entgelten.

Der RH hat nur die nach den Kapiteln „M“ (Laboratoriumsleistungen) und „N“ (Histologie, Zytologie und Zytogenetik) der GOÄ dokumentierten Laborleistungen erfasst. Nicht berücksichtigt wurden dabei die im Rahmen der Qualitätssicherung vorgeschriebenen Kontroll- und Kalibrierungsmessungen, da diese von jedem Labor durchgeführt werden müssen, und der die Untersuchungen begleitende Aufwand, wie Beratungen, Arztberichte usw., da diese Leistungen in der Regel statistisch nicht erfasst sind. Unberücksichtigt blieben auch die Labore außerhalb der Krankenversorgung.

Sowohl während der Datenerhebung als auch im Zuge des an die Prüfungsmitteilung anschließenden Schriftwechsels zeigte sich, dass bei den UK die Dokumentation der Laborleistungen z. T. lückenhaft und fehlerhaft erfolgte. Zwei Beispiele dafür:

  • Zwei dezentrale Labore teilten während der Datenerhebung mit, über keinerlei Leistungsdaten zu verfügen. Hier sind im Jahr 2004 Kosten in Höhe von 1,2 Mio. € angefallen, in denen Personalkosten für insgesamt rd. 16 VZÄ enthalten sind.

 

  • Für ein zentrales Labor des UK A wurden die Leistungsdaten von 22 Mio. GOÄ-Punkten auf 66 Mio. GOÄ-Punkte nach oben korrigiert, weil diverse DV-Systeme erst nach Abschluss der Prüfung zusammengeführt wurden.

Hier und in weiteren Fällen zentraler Labore sind im Jahr 2004 Kosten in Höhe von insgesamt 5,6 Mio. € angefallen; darin enthalten sind Personalkosten für rd. 78 VZÄ.

In allen vom RH festgestellten Fällen unvollständiger Leistungsdokumentation sind die UK nicht in der Lage, die Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit der Organisationseinheiten abschließend zu bewerten.

Die UK sind der Auffassung, dass eine unterschiedliche Handhabung der so genannten Höchstwertregelung der GOÄ und die Heranziehung von so genannten Analogziffern zur GOÄ die Vergleichbarkeit der erfassten Daten beeinträchtigt.

Nach Mitteilung des UK A wird dort weitgehend eine Dokumentation praktiziert, die die Leistungen mit der Abrechenbarkeit gemäß der Höchstwertregelung der GOÄ kappt. Informationen über den Umfang der zwar erbrachten, aber nicht dokumentierten Leistungen konnte das UK A jedoch nicht vorlegen. Um Erkenntnisse über evtl. Folgen der Kappung von Leistungen nach der Höchstwertregelung zu erhalten, hat der RH diejenigen GOÄ-Ziffern isoliert, die einer Höchstwertregelung unterliegen. Danach entfielen auf das UK A im Jahr 2004 rd. 65 Mio. GOÄ-Punkte, auf die übrigen UK durchschnittlich rd. 107 Mio. GOÄ-Punkte. Der mit rd. 80 % weit überwiegende Teil der betroffenen GOÄ-Ziffern entfällt bei allen UK auf die jeweiligen allgemeinen Zentrallabore. Beim UK A ergab die Relation von GOÄ-Punkten zu der jeweils dokumentierten Untersuchungsanzahl in den allgemeinen Zentrallaboren 49,1 GOÄ-Punkte je Untersuchung mit Höchstwertregelung. Bei den übrigen UK wurden durchschnittlich 48,8 GOÄ-Punkte je Untersuchung ermittelt. Aus dieser Berechnung ergeben sich trotz der unterschiedlichen Handhabung der Höchstwertregelung keine signifikanten Unterschiede in der Leistungserfassung der UK im allgemeinen Zentrallabor.

Mit den Analogziffern zur GOÄ werden die durch den medizinischen Fortschritt bedingten “neuen“ Leistungen, die noch nicht über die bestehenden Tarifwerke abgebildet werden, erfasst. Zur Dokumentation dieser „neuen“ Leistungen ist nach den Vorgaben der GOÄ eine bereits existierende GOÄ-Ziffer zu verwenden, die nach Art, Kosten- und Zeitaufwand der tatsächlich erbrachten Leistung entspricht. Für die UK besteht bei der Beurteilung, welche GOÄ-Ziffer als gleichwertig betrachtet wird, ein gewisser Spielraum. Der Umfang dieser Analogziffern und somit die von den UK vermutete Einschränkung der Vergleichbarkeit konnte vom RH nicht abschließend ermittelt werden, da nicht in allen Leistungsdokumentationen erkennbar war, ob eine GOÄ-Ziffer analog oder originär zur Dokumentation verwendet wurde.

Nach Ansicht des RH handelt es sich bei diesem Spielraum, auf das jeweilige Gesamtklinikum gesehen, um eine vergleichsweise kleine und zu vernachlässigende Unschärfe. Er kommt nur bei „neuen“ Leistungen zum Zuge und stellt in Anbetracht der hohen Gesamtleistungen aus Routinebehandlungen eines UK nur eine marginale Größe dar. Außerdem müsste man unterstellen, dass bei den UK auch tatsächlich relevant abweichende Bewertungen solcher Leistungen vorgenommen werden. Aus Sicht des RH ist hier festzuhalten, dass alle UK denselben Rahmenbedingungen bei der Erfassung ihrer Laborleistungen unterliegen. Der RH geht von einer zutreffenden Zuordnung der Leistungen zu den maßgeblichen GOÄ-Ziffern durch das fachkundige medizinische Personal der UK aus.

Der RH teilt daher die Bedenken der UK in Bezug auf die Vergleichbarkeit der erwähnten Datenerfassung nicht. Damit bleiben die von den UK selbst gelieferten Leistungszahlen grundsätzlich für die nachfolgenden Berechnungen des RH maßgebend. Diese werden jedoch wegen der beispielhaft dargestellten Dokumentationslücken nicht mit dem Ziel vorgenommen, aktuelle Einsparvolumina aufzuzeigen. In welchem finanziellen Umfang Wirtschaftlichkeitsreserven möglich sind, würde einer genaueren Analyse bedürfen (s. Pkt. 7).

6.2 Umfang der Laborleistungen und Zentralisierungsgrad

Der in GOÄ-Punkten abgebildete Umfang der Laborleistungen wurde durch Multiplikation der von den Laboren mitgeteilten Anzahl der Bestimmungen je Leistung (z. B. Blutbild, Bestimmung des Blutzuckers) mit dem in der GOÄ hierfür vorgegebenen Punktwert ermittelt. Für die Jahre 2003 und 2004 ist der Leistungsumfang der vier UK in Übersicht 4 dargestellt.

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Insgesamt sind bei den vier UK in den Jahren 2003 und 2004 Laborleistungen im Umfang von jeweils 2,3 Mrd. GOÄ-Punkten angefallen. Diese reduzierten sich im Jahr 2004 insgesamt um rd. 1 %. Lediglich das UK D weist einen Anstieg von 1,4 % auf; bei den anderen UK ergaben sich Rückgänge zwischen 0,3 % und 2,7 %.

Die Gesamtergebnisse der jeweiligen UK setzen sich aus den Leistungen der zentralen und dezentralen Labore zusammen. Aus einer gesonderten Betrachtung dieser Leistungen lässt sich der „Zentralisierungsgrad“ des einzelnen UK darstellen. Allerdings können örtliche Besonderheiten, wie Behandlungsschwerpunkte mit umfangreichen dezentral organisierten Laboruntersuchungen oder bauliche Gegebenheiten, diesen Zentralisierungsgrad beeinflussen. Betrachtet man sämtliche zentralen Labore (allgemeines Zentrallabor und übrige zentrale Labore), wurden im Jahr 2004 im Durchschnitt 75 % der Leistungen in zentralen Laboren erbracht, wobei die Spannbreite zwischen rd. 68 % beim UK C und rd. 81 % beim UK A liegt. Wesentlich beeinflusst wird dieser Zentralisierungsgrad durch das jeweilige allgemeine Zentrallabor. Bezogen auf alle vier UK beläuft sich dessen Anteil an allen im Jahr 2004 erbrachten Leistungen auf rd. 43 %.

6.3 Parallelbestimmungen

Der RH hat für das Jahr 2004 untersucht, wie hoch das Volumen der Parallelbestimmungen, d. h. derjenigen identischen Untersuchungen ist, die innerhalb eines UK von verschiedenen Laboreinrichtungen durchgeführt werden. Diese Parallelbestimmungen stellen ein Zentralisierungspotenzial dar, das bei entsprechender Umsetzung zu Kostenreduzierungen führen kann. Problematisch bei der Ermittlung dieses Zentralisierungspotenzials war die Verwendung der so genannten Analogziffern bei der Leistungsdokumentation. Da die Dokumentation der UK nicht in jedem Fall auswies, ob eine GOÄ-Ziffer originär oder analog erbracht wurde, hat der RH zunächst sämtliche identischen GOÄ-Ziffern erfasst und den UK als Zentralisierungspotenzial mitgeteilt. In einem zweiten Schritt sollten die UK eigenständig abklären, inwieweit es sich bei den identifizierten GOÄ-Ziffern um originäre, d. h. echte, Parallelbestimmungen handelt und ob diese zentralisierbar sind. Grenzen einer Zentralisierung sind dann gegeben, wenn medizinische oder organisatorische Gründe eine dezentrale Erbringung fordern.

Während bei den zentralen Laboren innerhalb der einzelnen UK nur geringfügige Parallelbestimmungen festgestellt wurden, zeigten sich in Bezug auf die dezentralen Labore deutliche Überschneidungen ihrer Leistungsspektren, die in Übersicht 5 dargestellt sind.

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Im Jahr 2004 haben die dezentralen Labore insgesamt mit rd. 273 Mio. GOÄ-Punkten bewertete Leistungen durchgeführt, die auch zum Leistungsspektrum der zentralen Labore zählen. Mit einem Anteil von insgesamt rd. 47 % entspricht dies nahezu der Hälfte aller in den dezentralen Laboren erbrachten Leistungen. Diese Leistungen können nach Auffassung des RH in den meisten Fällen in den wesentlich größeren Einheiten der zentralen Labore wirtschaftlicher und damit kostengünstiger erledigt werden. Möglich wird dies durch eine dort in der Regel leistungsfähigere apparative Infrastruktur, durch eine bessere Bündelung von „nachrangigen“ Labortätigkeiten wie Reinigung und Desinfizierung und der gesamten administrativen Tätigkeiten sowie durch die Minimierung des Aufwandes für den Bereitschaftsdienst. Ob und inwieweit derartige Leistungsverlagerungen letztlich erfolgen können, ist allerdings von der fachlichen Einschätzung vor Ort unter Berücksichtigung der strategischen Ausrichtung der hiervon betroffenen Disziplinen abhängig.

Die UK haben in unterschiedlichem Umfang die vom RH im Verlauf der Prüfung geforderte Abklärung vorgenommen, ob Parallelbestimmungen zentralisiert werden können. Aus der Übersicht 6 wird ersichtlich, ob Parallelbestimmungen bereits zentralisiert wurden, ob eine Zentralisierung nach Einschätzung der UK nicht möglich ist und ob nach wie vor ein Zentralisierungspotenzial besteht.

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Während das UK A zusagte, die Umsetzbarkeit des aufgezeigten Zentralisierungspotenzials zu überprüfen, wurde beim UK B ein Großteil des vom RH ermittelten Einsparpotenzials bereits durch Umstrukturierungen im Erhebungszeitraum realisiert. Von den vom RH für das Jahr 2004 ermittelten und mit rd. 273 Mio. GOÄ-Punkten bewerteten Parallelbestimmungen sind etwas mehr als die Hälfte noch von den UK auf ihre Zentralisierbarkeit zu untersuchen.

Um die wirtschaftliche Bedeutung von auf das notwendige Maß zurückgeführten Parallelbestimmungen darzulegen, hat der RH das finanzielle Volumen der bereits realisierten und einer von den UK noch zu überprüfenden Zentralisierung der Parallelbestimmungen ermittelt.

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Von den für das Jahr 2004 insgesamt bewerteten Parallelbestimmungen in Höhe von 3,9 Mio. € haben die UK ein Volumen von rd. 1 Mio. € bereits realisiert; Parallelbestimmungen im Wert von rd. 2 Mio. € sind nach derzeitiger Einschätzung der UK zwingend dezentral zu erbringen. Es verbleibt somit noch ein rechnerisches Einsparpotenzial von insgesamt 0,9 Mio. €, dessen Umsetzbarkeit von den UK noch zu überprüfen ist.

Nicht berücksichtigt sind die Auswirkungen von Synergieeffekten aus einem effizienteren Einsatz von Personal und Laborgeräten bei den aufnehmenden Laboren.

7 Kennzahlen und darauf basierende Vergleiche (Benchmark-Modellberechnung)

7.1 Methodisches Vorgehen beim Kennzahlenvergleich

Der RH hat bei seiner Prüfung den Fokus auf die Produktivität und auf den Ressourceneinsatz in den Laboren gelegt. Als Grundlage für dementsprechende Bewertungen dienten die erhobenen Leistungen und Kosten sowie die Personalbesetzung der Labore. Der RH hat hieraus zwei Kennzahlen gebildet. Die erste Kennzahl zeigt das Verhältnis von Personal und Leistungen; sie bildet die erwirtschafteten GOÄ-Punkte je Vollzeitkraft ab. Die zweite Kennzahl setzt Kosten und Leistungen ins Verhältnis und stellt die Kosten je GOÄ-Punkt dar.

Diese Kennzahlen sind nach allgemeinem betriebswirtschaftlichem Verständnis Grundlagen für anschließende Entscheidungen und enthalten selbst noch keine Entscheidungsfestlegungen. Der RH hat die Labore der UK auf der Grundlage dieser Kennzahlen miteinander verglichen. Ziel dieses Vergleichs war, etwaige organisatorische Schwächen aufzudecken, damit die UK anschließend ihre Leistungsfähigkeit in diesen Bereichen erhöhen können. Vergleiche erfolgten dabei nicht auf Ebene des jeweiligen Gesamtklinikums, sondern wurden auf die einzelnen Disziplinen bezogen. Ein solcher Kennzahlenvergleich setzt nicht zwingend voraus, dass die Vergleichspartner deckungsgleich sind. Gerade bei unterschiedlichen Strukturen ist die an den Vergleich anschließende Prüfung, welche Bedingungen der Leistungserstellung genau beim Vergleichspartner zum besseren Ergebnis geführt haben, erst noch vorzunehmen. Im Zuge der Verwertung und Umsetzung der Ergebnisse ist somit durch das einzelne UK zu entscheiden, ob seine Strukturen derart vom besten Vergleichspartner abweichen, dass sich eine Übertragung verbietet.

Systematisch ist der vom RH durchgeführte Vergleich folgendermaßen aufgebaut:

  • Bildung von Kennzahlen

 

  • Gegenüberstellung der Kennzahlen in einem Vergleich

 

  • Identifikation von Schwachstellen

 

  • Überprüfung, ob diese Schwachstellen behoben werden können

 

  • Gegebenenfalls Neuorganisation mit dem Ziel der Leistungssteigerung bzw. Kostensenkung

Die Prüfung durch den RH umfasste die in den ersten drei Spiegelstrichen genannten Bereiche. Die festgestellten potenziellen Wirtschaftlichkeitsreserven, sowohl beim Personal als auch bei den Kosten, hat der RH in der Prüfungsmitteilung an die UK dargestellt. Die in den letzten beiden Spiegelstrichen genannten Bereiche sind von den UK zu bearbeiten.

7.2 Umfang der wegen lückenhafter Dokumentation nicht eindeutig bezifferbaren Wirtschaftlichkeitsreserven

Laut ihren Stellungnahmen waren die UK der Meinung, dass wegen unvollständiger Lieferung von Daten sowie durch ihre - nach der Datenerhebung erfolgte - Infragestellung der selbst gelieferten Daten eine sinnvolle Verwertung der Prüfungsergebnisse nicht möglich sei. Sollte dies tatsächlich zutreffen, wäre eine verlässliche Datengrundlage im Einzelnen nicht mehr gesichert. Ob dies ein Ziel der Vorgehensweise der UK war, mag dahinstehen. Die UK hätten damit allerdings die ihnen obliegende gesetzliche Pflicht nach § 95 Landeshaushaltsordnung nicht erfüllt, gemäß der sie dem RH alle Unterlagen und Auskünfte, die er verlangt, vollständig und richtig vorzulegen haben.

Dieser Sachverhalt macht deutlich, welch gravierende Organisations- und Dokumentationsmängel bei den UK in Bezug auf die zuverlässige Erfassung der tatsächlichen Wirtschaftlichkeitsparameter bei den Laboren vorliegen.

Die Übersichten 8 bis 11 zeigen die vom RH identifizierten Schwachstellen. Die darin aufgeführten Kennzahlen basieren auf den von den UK selbst mitgeteilten Daten. Die von den UK angeführten Unschärfen in der Leistungsdokumentation weisen nach einer Plausibilitätsüberprüfung durch den RH (s. Pkt. 6.1) keine wirklich relevanten Vergleichbarkeitsprobleme auf. Bei der Interpretation dieser Kennzahlen sind jedoch die anderen in Pkt. 6.1 angeführten Erfassungsmängel der UK zu beachten. Demnach sind die Daten nicht in der Form „belastbar“, dass die ermittelten Unterschiede zwischen den Standorten im Detail abgesicherte Einsparpotenziale darstellen. Der RH führt den Kennzahlenvergleich (Modellrechnung) dennoch durch, um zu veranschaulichen, in welcher finanziellen Größenordnung Wirtschaftlichkeitsreserven vorliegen, die wegen mangelhafter und unzuverlässiger Dokumentation der UK nicht in allen Punkten nachvollziehbar benannt werden können.

Der weit überwiegende Teil der Leistungen, der Kosten und des Personals entfällt auf die zentralen Labore. Daher werden im Folgenden nur die Ergebnisse für die zentralen Labore dargestellt. Wegen der fachspezifischen Besonderheiten der einzelnen Disziplinen werden Vergleiche zwischen den vier Standorten nur innerhalb derselben Disziplin vorgenommen.

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Aus den für die verschiedenen Disziplinen ermittelten GOÄ-Punkten je VZÄ werden sehr unterschiedliche Leistungszahlen deutlich. Dies gilt besonders für die Werte der allgemeinen Zentrallabore, die gegenüber denen der anderen Disziplinen zum größten Teil deutlich höher ausfallen, was ursächlich auf den überwiegend hohen Automatisierungsgrad zurückzuführen sein dürfte.

Der unterschiedliche Automatisierungsgrad bei den vier allgemeinen Zentrallaboren spiegelt sich im Leistungsgefälle zwischen den vier UK wider. Besonders deutlich wird dies beim UK C, bei dem eine so genannte Analysenstraße eingesetzt wird und dadurch gegenüber den UK A und D bis zum Dreifachen der Leistungen je VZÄ erbracht werden können. Auch beim UK B wirkt sich die Mitte des Jahres 2004 erfolgte Umstrukturierung des allgemeinen Zentrallabors mit damit verbundenem Einsatz einer Analysenstraße positiv auf die Kennzahl aus.

Die ermittelten Kennzahlen wurden anschließend in einem Vergleich gegenübergestellt und hieraus die Soll-Personalausstattung auf Grundlage der besten Kennzahl je Disziplin für die übrigen UK-Standorte ermittelt (Benchmarking). Stellt man diese Sollgröße der tatsächlichen Personalausstattung gegenüber, ergibt sich bei sämtlichen zentralen Laboren der vier UK eine rechnerische Differenz von insgesamt rd. 112 VZÄ. Die Verteilung dieses Ergebnisses auf die einzelnen Disziplinen ist in Übersicht 9 dargestellt.

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Für die angefallenen Laborkosten wurden ebenfalls Kennzahlen gebildet, die aus Übersicht 10 ersichtlich sind.

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Die Kennzahlen für die Kosten werden durch die unterschiedlichen Anteile der verschiedenen Kostenarten beeinflusst. Da die Kosten zu mehr als der Hälfte von Personalkosten bestimmt werden, weisen diejenigen Labore, bei denen günstige Relationen von Leistung und Personal bestehen, in der Regel niedrigere Kosten je GOÄ-Punkt auf. So haben beispielsweise die Fachbereiche Mikrobiologie des UK C, Virologie des UK D, Neuropathologie des UK A und Humangenetik des UK B sowohl gute Werte bei der Leistung je VZÄ als auch bei den Kosten je GOÄ-Punkt.

Die Kennzahlen der Personal- und Sachkosten wurden mit der bei den Personalkennzahlen beschriebenen Vorgehensweise in einen Vergleich eingebracht. Die Differenz zwischen Soll- und Ist-Kosten ist in Übersicht 11 dargestellt.

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Anhand der aus dem Vergleich der Kennzahlen für Personal- und Sachkosten ermittelten Differenzen zwischen den UK ergeben sich allein für die zentralen Labore Wirtschaftlichkeitsreserven in einer Größenordnung von rd. 9 Mio. €, in denen die Kosten für rd. 112 VZÄ enthalten sind. Für sie kann, wie oben ausgeführt, bisher keine im Einzelnen gesicherte Aussage zu einem effizienten Ressourceneinsatz getroffen werden, weil die UK partiell nicht in der Lage waren, die von ihnen selbst gelieferten Daten zu validieren, andererseits aber auch keine nachvollziehbar korrigierten Daten vorlegen konnten.

8 Folgerungen des Rechnungshofs

Bei den UK ist derzeit keine flächendeckende Erfassung der Laborleistungen gewährleistet, die den Forderungen der Krankenhaus-Buchführungsverordnung nach einer effektiven Steuerung und Beurteilung der Wirtschaftlichkeit entspricht. Bereits bei der Datenerhebung haben manche UK darauf hingewiesen, dass klinikumsintern kein einheitliches DV-System zur Leistungserfassung eingerichtet ist. Einige Labore konnten nur Schätzungen vornehmen oder waren generell nicht in der Lage, Angaben über ihre Laborleistungen zu machen. In anderen Bereichen waren zumeist wegen unzureichender DV-Ausstattung nicht sämtliche Leistungen dokumentiert. Die für die zentralen Labore durchgeführten Kennzahlenberechnungen verdeutlichen einen erheblichen finanziellen Umfang, für den bei den UK keine eindeutig validen Leistungsgrößen zur Wirtschaftlichkeitsberechnung vorhanden sind.

Der RH fordert deshalb eine umfassende Leistungsdokumentation bei allen Laboren der UK, die den Anforderungen des § 8 der Krankenhaus-Buchführungsverordnung gerecht wird. Ziel dieser Leistungserfassung muss sein, alle erbrachten Laborleistungen in der Krankenversorgung verlässlich und zeitnah zu erfassen und darzustellen. Nur auf diese Weise können die maßgeblichen Parameter gewonnen werden, die verlässliche Aussagen über die Wirtschaftlichkeit eines Laborbetriebs ermöglichen. Dabei muss im Interesse des Landes als Gewährträger der UK auch Wert auf eine transparente und vergleichbare Dokumentation sämtlicher Leistungen an allen vier Standorten gelegt werden. Möglichkeiten der Einflussnahme des Landes bestehen über die in die Aufsichtsräte der UK entsandten Landesvertreter.

Die Prüfung des RH hat bei allen vier UK auch ein erhebliches Potenzial an Parallelbestimmungen im Leistungsumfang von rd. 273 Mio. GOÄ-Punkten ergeben. Davon haben die UK bereits rd. 68 Mio. GOÄ-Punkte realisiert. Rund 144 Mio. GOÄ-Punkte müssen von den UK noch auf ihre Zentralisierbarkeit überprüft werden; diese Umsetzung birgt ein Einsparpotenzial von bis zu 0,9 Mio. €.

9 Stellungnahmen der Universitätsklinika

Die UK problematisierten generell die Methodik des RH und brachten im Einzelnen Folgendes hierzu vor:

  • Die Abgrenzung der Routinelaborleistungen und -einrichtungen gegenüber denen für Forschung und Lehre sei nicht transparent gemacht worden.

 

  • Die Ausführungen zur Krankenhaus-Buchführungsverordnung gingen an der zentralen Unterscheidung von externem und internem Rechnungswesen vorbei; insbesondere würden Anforderungen an eine Organisation und Vollständigkeit der Leistungserfassung formuliert, die weder auf das System der Wirtschaftsführung noch auf pragmatische Datenerfassungskonzepte im Hinblick auf Entscheidungsrelevanz expliziert wurden.

 

  • Die Generalargumentation „unvollständige Daten, also Unwirtschaftlichkeit“ des RH sei durch seine Analyse nicht belegt.

 

  • Die finanziellen Schlussfolgerungen des RH basierten auf unzureichender Methodik und fehlender medizinischer Kompetenz und seien deshalb für die UK nicht aussagefähig.

 

  • Hauptmangel der Analyse sei die Durchführung ohne Einbeziehung einschlägig qualifizierter und erfahrener Mediziner.

10 Schlussbemerkung

Die von den UK vorgebrachten Aspekte führen zu keiner anderen Einschätzung des RH über die unzureichende Leistungsdokumentation bzw. Datenübermittlung durch die UK sowie über die hieraus gezogenen Schlussfolgerungen.

Der RH hat bei seinen Datenanforderungen mehrfach auf die Bedeutung einer korrekten Abgrenzung zwischen Krankenversorgung einerseits sowie Forschung und Lehre andererseits hingewiesen und ist u. a. wegen der zahlreichen Rücksprachen von einer sorgfältigen und sachgerechten Abgrenzung durch die medizinisch fachkundigen Verantwortlichen der UK ausgegangen. Somit basieren die Aussagen des RH auf Daten, die von den UK selbst geliefert wurden. Für den RH sind daher weder der Vorwurf der mangelnden Transparenz noch deren vermeintliche Auswirkungen auf die Prüfungsergebnisse nachvollziehbar.

Die Krankenhaus-Buchführungsverordnung sieht ohne Differenzierung nach internem oder externem Rechnungswesen vor, dass die Kosten- und Leistungsrechnung „eine betriebsinterne Steuerung sowie eine Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit“ gewährleisten muss. Die konkrete Umsetzung dieser gesetzlichen Forderung ist Aufgabe der UK; hingegen ist es nicht Aufgabe des RH „pragmatische Datenerfassungskonzepte“ vorzugeben.

Mit ihrer Aussage „unvollständige Daten, also Unwirtschaftlichkeit“ verkennen die UK das vom RH aus der Prüfung gezogene Fazit. Gerade wegen der mangelhaften Datengrundlage waren konkrete Feststellungen zur Wirtschaftlichkeit der Labore durch den RH nicht möglich. Vor diesem Hintergrund konnten auch keine belastbaren Aussagen zu Einsparpotenzialen als „finanzielle Schlussfolgerungen“ getroffen werden. Die Gegenüberstellung der Kennzahlen erfolgte als Modellrechnung, um darzustellen, in welchen finanziellen Dimensionen sich mögliche Unwirtschaftlichkeiten bewegen dürften.

Der RH hat sich bei der Prüfung des Ressourceneinsatzes auf die betriebswirtschaftliche Identifikation von Schwachstellen beschränkt. Medizinischer Sachverstand ist erst im Anschluss daran erforderlich, wenn zu entscheiden ist, ob bzw. in welchem Ausmaß die vom RH aufgezeigten Schwachstellen wegen medizinischer oder organisatorischer Belange beibehalten oder ausgeräumt werden. Dies ist Aufgabe der UK.

Der RH hält an seinen Forderungen fest, bei den UK eine flächendeckende Erfassung der Laborleistungen einzuführen und die aufgezeigten Parallelbestimmungen auf ihre Zentralisierbarkeit zu überprüfen.


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Durch eine Reduzierung der Personalausstattung und eine Korrektur der Personalstruktur an den beiden Landesbibliotheken können jährliche Personalkosten in Höhe von 1,9 Mio. € eingespart werden. Weiterhin hält der Rechnungshof zur Verbesserung des wirtschaftlichen Ergebnisses die Erhebung allgemeiner Benutzungsgebühren und die deutliche Erhöhung der Fernleihgebühren für möglich. Weitere Ergebnisverbesserungen lassen sich erzielen, wenn in Stuttgart notwendige An- und Umbaumaßnahmen realisiert werden und das Leistungsangebot der beiden Bibliotheken maßvoll reduziert wird.


1 Vorbemerkung

Das Land betreibt mit der Badischen Landesbibliothek (BLB) in Karlsruhe und der Württembergischen Landesbibliothek (WLB) in Stuttgart zwei große wissenschaftliche Universalbibliotheken.

Die beiden Landesbibliotheken sammeln, erschließen und archivieren die in Baden-Württemberg erschienene Literatur. Sie berücksichtigen dabei im Wesentlichen alle Wissensgebiete. Wegen ihrer reichen Altbestände an Handschriften und Frühdrucken sowie umfangreicher Spezialsammlungen sind die Landesbibliotheken international gefragte Forschungseinrichtungen.

Sie verfügen insgesamt über mehr als 7,5 Mio. Medieneinheiten, von denen sich 5,2 Mio. in Stuttgart und 2,3 Mio. in Karlsruhe befinden.

Der Landeszuschuss betrug im Jahre 2004 bei der BLB 5,6 Mio. € und bei der WLB 8,3 Mio. €.

Der RH hat im Jahr 2005 die Personalausstattung und die Aufgabenerledigung der beiden Landesbibliotheken vergleichend geprüft mit dem Ziel, Einsparmöglichkeiten im Bereich des eingesetzten Personals aufzuzeigen.

Weiteres Ziel der Prüfung war es, über die vorgeschlagenen Personaleinsparungen hinaus Maßnahmen vorzuschlagen, die das wirtschaftliche Ergebnis der Landesbibliotheken verbessern können.

2 Personalausstattung der Landesbibliotheken

2.1 Ausgangslage

Zum Zeitpunkt der Prüfung verfügten die BLB in Karlsruhe über 91,5 Personalstellen und die WLB in Stuttgart über 133,5 Personalstellen. Daneben werden in den untersuchten Aufgabenbereichen bei den Landesbibliotheken Mitarbeiter beschäftigt, die aus Haushaltsmitteln bezahlt werden. Die Übersicht 1 zeigt, wie sich dieses Personal auf die einzelnen Aufgabenbereiche verteilt.

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Den Stellenzahlen liegt keine Personalbedarfsberechnung zugrunde, vielmehr orientieren sich beide Einrichtungen bei ihrer Bedarfsermittlung an den im Landeshaushalt ausgebrachten Stellen.

2.2 Einsparpotenzial durch Reduzierung der Personalausstattung

Der RH hat im Rahmen seiner Prüfung Leistungskennzahlen für die einzelnen Arbeitsbereiche der Landesbibliotheken ermittelt und für die Bemessung des Personalbedarfs die jeweils günstigere Kennzahl zugrunde gelegt.

Daraus ergeben sich Einsparmöglichkeiten im Bereich der BLB im Umfang von 28,1 Vollzeitäquivalenten (VZÄ), im Bereich der WLB von 4,4 VZÄ.

In Übersicht 2 ist dargestellt, wie sich das Einsparpotenzial auf die einzelnen Aufgabenbereiche verteilt.

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Im Bereich der technischen Dienste hat die WLB die vom RH vorgeschlagenen Einsparungen bereits im Jahr 2006 realisiert. Die BLB in Karlsruhe beabsichtigt, im Jahre 2006 bei der Telefonzentrale und bei der Medienbearbeitung jeweils 0,5 VZÄ zu streichen.

Die Einsparungen, die der RH vorschlägt, sind insbesondere durch folgende organisatorische Maßnahmen zu erreichen:

  • Leistungsverbesserung im Bereich der Medienbearbeitung in der BLB,
  • Abschaffung der Telefonzentrale in der BLB,
  • Anpassung des Magazindienstes der BLB an die Verfahren der WLB (insbesondere durch Verzicht auf die Sofortausleihe),
  • Vergabe des Reinigungsdienstes an private Unternehmen für beide Bibliotheken (in der WLB bereits weitgehend praktiziert),
  • Abschaffung des Garderobendienstes in beiden Bibliotheken.

Bei der IuK-Technik und im Hauptlesesaal fallen bei beiden Landesbibliotheken die gleichen Tätigkeiten an; es ist nicht nachvollziehbar, dass die kleinere Landesbibliothek in Karlsruhe hier mehr Stellen vorhält.

Zu den vom RH vorgeschlagenen Einsparungen kommen noch die Stellenstreichungen nach dem Stelleneinsparungserlass des MWK hinzu, die durch die Einführung neuer DV-Verfahren im Medienbereich realisiert werden können. Bis zum Jahre 2008 hat die BLB in Karlsruhe noch 3,0 Stellen und die WLB in Stuttgart noch 5,5 Stellen abzubauen.

3 Personalstruktur und Stellenbewertung

Neben der unterschiedlichen Personalausstattung weicht auch die Personalstruktur in den einzelnen Arbeitsbereichen der beiden Bibliotheken deutlich voneinander ab. In allen untersuchten Arbeitsbereichen verfügt die WLB in Stuttgart über höher dotierte Stellen. Dies führt zu vermeidbaren Personalmehrausgaben.

Würde in den untersuchten Arbeitsbereichen jeweils die Personalstruktur der BLB in Karlsruhe zugrunde gelegt, könnte die WLB in Stuttgart jährlich Personalkosten von rd. 400.000 € einsparen. Es sind deshalb auch die notwendigen Maßnahmen zur Anpassung der Personalstruktur bei der WLB zu ergreifen.

Notwendig ist dafür eine Stellenbewertung nach den maßgeblichen gesetzlichen und tariflichen Vorschriften.

Die Untersuchung des RH hat ergeben, dass die für Stellenbewertungen erforderlichen Tätigkeitsbeschreibungen für Beamte, Angestellte und Arbeiter an beiden Landesbibliotheken bis heute nicht vorhanden sind; nachvollziehbare Kriterien für die Wertigkeit der im Stellenplan ausgebrachten Stellen konnten weder von den Bibliotheken noch vom Ministerium dargetan werden.

In den Personalakten wurden jeweils - ohne Tätigkeitsbeschreibungen der Bediensteten - die Einreihung und Eingruppierung festgelegt. Es ist nicht auszuschließen, dass die Bediensteten auf diese Weise eine Einreihung bzw. eine Eingruppierung und einen Bewährungsaufstieg erhalten haben, ohne dass die rechtlichen Voraussetzungen dafür vorlagen.

Der RH war wegen der fehlenden Tätigkeitsbeschreibungen nicht in der Lage, die Eingruppierung und die Einreihung der Bediensteten im Einzelnen zu überprüfen. Es konnte jedoch festgestellt werden, dass die Stellenzuordnungen in den untersuchten Aufgabenbereichen der Landesbibliotheken erheblich voneinander abweichen.

Um die Personalstruktur an die geltende Rechtslage anzupassen und um das darin liegende Einsparpotenzial zu realisieren, schlägt der RH vor,

  • die Dienstposten, Einreihungen und Eingruppierungen aller Bediensteten zu überprüfen und
  • zu diesem Zweck Tätigkeitsbeschreibungen für alle Bediensteten (auch für die Beamten) zu erstellen.

4 Gebührenerhebung durch die Landesbibliotheken

4.1 Ausgangslage

Die Landesbibliotheken erbringen für ihre Benutzer eine Vielzahl qualitativ hochwertiger Dienstleistungen, die bis heute weitgehend gebührenfrei sind. Lediglich für besondere Dienstleistungen werden Gebühren erhoben, die aber ihrerseits zumeist nicht die Kosten decken.

Rechtsgrundlage für die Erhebung dieser Gebühren ist die Verordnung des MWK über die Erhebung von Bibliotheksgebühren (Bibliotheksgebührenverordnung vom 30.01.2002).

Nach § 1 dieser Verordnung werden nur die in dieser Verordnung geregelten Gebühren und Auslagen erhoben. Vorgesehen sind Mahn- und Überschreitungsgebühren, eine Fernleihgebühr, Gebühren für Foto- und Reproarbeiten, für schriftliche Auskünfte oder Gutachten sowie für Auslagenersatz. Allgemeine Benutzungsgebühren bzw. Gebühren für die Ersterteilung bzw. Verlängerung eines Bibliotheksausweises werden nicht erhoben.

In einigen Bundesländern werden dagegen Benutzungsgebühren erhoben. Für Auszubildende, Schüler, Studierende, Erwerbslose, Wehr- und Zivildienstleistende, Rentner, Jugendliche, Sozialhilfeempfänger werden geringere, sozial abgestufte Gebühren verlangt.

In den meisten kommunalen Büchereien (auch in Baden-Württemberg) werden für die Benutzung der Bibliothek ebenfalls jährliche Gebühren verlangt.

4.2 Einführung von Benutzungsgebühren

Der RH regt an zu prüfen, ob die Dienstleistungen der Landesbibliotheken auch künftig gebührenfrei erbracht werden sollen.

Denkbar wäre die Einführung jährlicher Benutzungsgebühren. Bei Erhebung einer jährlichen Benutzungsgebühr von 30 € für Erwachsene und bei Gewährung der üblichen Ermäßigungen hätten sich auf der Grundlage der Benutzerzahlen des Jahres 2004 bei den beiden Landesbibliotheken Einnahmen in Höhe von jeweils rd. 500.000 € ergeben.

Der RH verkennt nicht, dass durch die Einführung solcher Gebühren die Benutzerzahlen vermutlich abnehmen werden und die vom RH ermittelten Einnahmen dadurch möglicherweise geringer ausfallen werden.

Von einer Gebührenerhebung bei Studenten könnte ggf. abgesehen werden, wenn die Hochschulen an den Standorten der Landesbibliotheken aus den Einnahmen der Studiengebühren den Landesbibliotheken einen Abgeltungsbetrag für die studentische Nutzung der Landesbibliotheken entrichten würden.

Durch die Einführung von Benutzungsgebühren würde auch dem aktuellen Problem der kostenlosen Nutzung des Internets bei den Landesbibliotheken begegnet werden, da dann die Entrichtung der Benutzungsgebühr Zugangsvoraussetzung für die bereitgehaltenen Internetanschlüsse sein wird.

4.3 Erhöhung der Gebühren für die Fernleihe

Die Höhe der bereits bestehenden Gebühren und Auslagensätze für die Fernleihe ist nicht angemessen. Aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist es nicht vertretbar, für die Vermittlung von Bibliotheksgut im Deutschen Leihverkehr der Bibliotheken (Fernleihe) nach der Leihverkehrsordnung für jeden abgegebenen Bestellschein nur eine Gebühr von 1,50 € zu verlangen. Dieser Gebührenbetrag reicht nicht aus, um auch nur annähernd eine Kostendeckung bei der Fernleihe zu erreichen.

Der RH schlägt vor, für die Inanspruchnahme der Fernleihe künftig kostendeckende Gebühren zu erheben. Es ist nicht zu rechtfertigen, dass der aufwendige Fernleihverkehr, der jeweils einzelnen Benutzern zugerechnet werden kann und allein diesen zugute kommt, aus Steuergeldern subventioniert wird. Die heute geltenden Vereinbarungen, die die Höhe der Gebühren bestimmen und regeln, dass Fernleihbestellungen im Falle der gebenden Fernleihe unentgeltlich erbracht werden, sollten bei nächster Gelegenheit gekündigt werden.

5 Weitere Maßnahmen für eine wirtschaftlichere Aufgabenerledigung

Über die vom RH untersuchten Einsparmöglichkeiten hinaus gibt es mittel- und langfristig wirksame Möglichkeiten, die Wirtschaftlichkeit der Landesbibliotheken weiter zu verbessern.

5.1 Umbau-/Anbaumaßnahmen bei der Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart

Die Räumlichkeiten im Hauptgebäude der WLB in Stuttgart reichen nicht aus, um alle Bibliotheksbereiche dort unterzubringen. Demzufolge mussten die Bibliothek für Zeitgeschichte sowie Teile der Sammlungen und des Magazindienstes in angemieteten Objekten untergebracht werden. Dafür müssen erhebliche Mietzahlungen von rd. 420.000 € jährlich geleistet werden; außerdem entstehen Transportkosten für den Medientransport zwischen den Außenstellen und der Hauptstelle.

Weiterhin verhindert die Raumsituation in Stuttgart, dass ein offenes Magazin eingerichtet werden kann. Durch das geschlossene Magazin ist ein Selbstverbuchungsverfahren in der Ortsleihe nicht möglich. Auch sind im Bereich der Sammlungen durch den jetzigen Zuschnitt zu viele Lesesäle vorhanden, was zu einem erheblichen Personalmehraufwand für die Betreuung dieser Lesesäle führt.

Durch Umbau- oder Anbaumaßnahmen könnten Voraussetzungen geschaffen werden, die dazu führen,

  • dass alle Bereiche im Hauptgebäude untergebracht werden (und damit die Anmietungen und die dadurch verursachten Transportkosten entfallen),

 

  • dass ein offenes Magazin eingerichtet und dadurch erheblich Personal im Magazindienst und bei der Ortsleihe eingespart werden kann und

 

  • dass die Anzahl der Lesesäle im Bereich der Sammlungen reduziert wird, wodurch ebenfalls der Personalbedarf deutlich zurückgeht.

Nach Auffassung des RH ist es realistisch, dass durch entsprechende bauliche Veränderungen bis zu 15 Bedienstete und Mietkosten in Höhe von rd. 420.000 € jährlich eingespart werden können. Dies entspricht einer Einsparsumme von mindestens 1 Mio. € jährlich. Bei einem Zinssatz von rd. 5 % wäre eine Bauinvestition von bis zu 20 Mio. € vor diesem Hintergrund rentabel.

5.2 Reduzierung des Leistungsangebots

Das - heute noch weitgehend unentgeltliche - Leistungsangebot der Landesbibliotheken ist zu einer Zeit definiert worden, in der weniger ökonomische Zwänge herrschten oder zur Kenntnis genommen wurden als heute. Eine Anpassung der Leistungen an die heutigen Verhältnisse ist geboten. Dies betrifft insbesondere folgende Bereiche:

  • Beide Landesbibliotheken sollten verstärkt von ihrem Recht Gebrauch machen, Pflichtexemplare von geringer literarischer oder historischer Bedeutung nicht zu archivieren. Aus Sicht des RH reicht es aus, wenn die diversen Lokal- und Regionalausgaben der in Baden-Württemberg erscheinenden Zeitungen von den jeweiligen Verlagen archiviert werden. Ebenso kann auf die Archivierung von Buchpublikationen ohne literarischen oder historischen Wert verzichtet werden. Das bei den Bibliotheken beschäftigte wissenschaftliche Personal ist aufgrund seiner Ausbildung in der Lage, die notwendigen Entscheidungen über eine Archivierung verantwortlich zu treffen.

 

  • Die Landesbibliotheken sollten weiterhin überprüfen, ob Korrekturen in den Öffnungszeiten zu weiteren Personaleinsparungen führen können. Reduzierte Öffnungszeiten hinsichtlich der Sonderlesesäle würden den dort induzierten Personalbedarf ebenfalls vermindern helfen. Ebenso wäre es den Benutzern aus Sicht des RH zumutbar, längere Vorlaufzeiten zwischen Bestellung und Abholung der bestellten Medien in Kauf zu nehmen.

5.3 Aufgabenkonzentration bei den beiden Landesbibliotheken

Die Landesbibliotheken arbeiten heute schon in vielen Bereichen eng zusammen oder haben eine Arbeitsteilung vereinbart.

Der RH regt an zu prüfen, ob durch Konzentration von Aufgaben bei einer der beiden Bibliotheken weitere Kapazitäten eingespart werden können. Dabei verkennt der RH nicht, dass insbesondere bei kulturellen und historischen Aufgaben eine Konzentration zu Beeinträchtigungen der kulturellen Identität der beiden Standorte führen kann. Hier sind Kosten und der Wert der Bewahrung einer kulturellen Identität gegeneinander abzuwägen.

Von einer Fusion der beiden Landesbibliotheken kann abgesehen werden, wenn es gelingt, die aufgezeigten Einsparpotenziale zu realisieren.

6 Stellungnahme des Ministeriums und der Landesbibliotheken

Das MWK und die beiden Landesbibliotheken wenden sich gegen die vom RH vorgeschlagenen Personaleinsparungen. Sie machen geltend, dass wegen Besonderheiten in der Organisation und den Abläufen beider Bibliotheken ein Vergleich nur eingeschränkt möglich sei. So sei etwa beim Vergleich der Leistungen der Medienbearbeitung außer Betracht geblieben, dass die WLB Stuttgart einen beträchtlichen Teil ihrer Fallzahlen durch Mikrofiche-Medien erziele, die im Vergleich zu Büchern nur einen zu vernachlässigenden Arbeitsaufwand mit sich brächten. Zudem seien in Stuttgart vier VZÄ nicht berücksichtigt worden.

Weiterhin sei bei der Untersuchung eine überregionale Analyse unterblieben, die ergeben hätte, dass die baden-württembergischen Landesbibliotheken im bundesweiten Vergleich personell eher unzureichend ausgestattet seien.

Ferner habe es der RH unterlassen, die für eine echte Leistungsmessung unerlässlichen qualitativen Faktoren heranzuziehen und zu bewerten.

Vor diesem Hintergrund würde die vom RH bei der BLB vorgeschlagene Personaleinsparung zu gravierenden Konsequenzen in der Leistung der Bibliothek führen, die den Nutzern nicht zugemutet werden könnten.

Das MWK sagt zu, die beiden Landesbibliotheken zu veranlassen, die vom RH geforderten Tätigkeitsbeschreibungen für alle Bediensteten zu erstellen.

Die Einführung von Benutzungsgebühren an den beiden Landesbibliotheken sei eine politische Entscheidung, bei der auch bildungspolitische, gesellschaftspolitische und wirtschaftliche Aspekte zu bedenken seien. Untersuchungen hätten ergeben, dass mit der Einführung von Benutzungsgebühren die Bibliotheksbenutzung erheblich zurückgehe und die Kosten für die einzelnen Entleihungen ansteigen. Die vom RH unterstellten Einnahmen aus Benutzungsgebühren würden somit jedenfalls niedriger als angesetzt ausfallen.

Bei den Fernleihgebühren sei das MWK grundsätzlich bereit, eine maßvolle Anhebung der Gebühren anzustreben.

Eine Baumaßnahme bei der WLB sei auch aus Sicht der Landesbibliothek und des Ministeriums sinnvoll und wünschenswert. Das MWK werde diese Pläne daher weiterverfolgen. Die Umsetzung sei aber wegen der angespannten Haushaltssituation des Landes derzeit nicht absehbar.

Die Vorschläge des RH für eine weitere Reduzierung der Leistungsangebote bei den beiden Landesbibliotheken würden nach Auffassung des MWK zu einer erheblichen Verschlechterung der Benutzerbedingungen führen, die den Benutzern nicht zumutbar und aus fachlicher Sicht nicht hinnehmbar sei.

7 Schlussbemerkung

Die beiden Landesbibliotheken haben während der Prüfung des RH mehrfach deutlich gemacht, dass die Benutzer der Bibliotheken mit den dort gebotenen Leistungen sehr zufrieden seien. Vor diesem Hintergrund verwundert eine Stellungnahme, in der MWK und Landesbibliotheken nunmehr behaupten, dass die beiden Einrichtungen personell unzureichend ausgestattet seien. Sollte der bundesweite Vergleich (wie vom MWK vorgetragen) tatsächlich eine bessere Personalausstattung in den meisten anderen Bundesländern ergeben, so ist nicht von vornherein auszuschließen, dass dort Überkapazitäten vorgehalten werden.

Der RH hat auch in anderen Bereichen der Landesverwaltung die Auffassung vertreten, dass Maßstab für Leistungsvergleiche in Baden-Württemberg die leistungsstärksten Einrichtungen einer Vergleichsgruppe sein sollten und nicht der Durchschnitt, der sich aus den Vergleichszahlen leistungsstarker und leistungsschwacher Einrichtungen errechnet. Die BLB muss sich deshalb an den in Stuttgart vorgefundenen Leistungskennzahlen messen lassen.

Das in der BLB festgestellte Einsparpotenzial reduziert sich im Übrigen nur unwesentlich, wenn die Bearbeitung der Mikrofiche-Medien aus den gemessenen Leistungen herausgerechnet wird, zumal auch in Karlsruhe Mikrofiche-Medien bearbeitet werden und in die Berechnung eingegangen sind. Dass der RH drei VZÄ bei der Berechnung der Kennzahlen nicht berücksichtigt hat, ergibt sich aus der vom RH in ständiger Praxis angewendeten und bisher von den Ministerien nicht prinzipiell in Zweifel gezogenen Methode, Leistungskennzahlen anhand dauerhaft vorhandener Stellen zu errechnen. Bedienstete, die auf wegfallenden Stellen beschäftigt sind, werden dabei nicht berücksichtigt. Im Gegenzug werden dauerhaft vorhandene Stellen auch dann berücksichtigt, wenn sie vorübergehend nicht besetzt sind. Auch dies war bei der WLB Stuttgart der Fall. Ein weiteres VZÄ blieb außer Ansatz, weil es nur vorübergehend zur Einführung eines neuen DV-Verfahrens dient und demnächst wegfallen wird.

Dass von allen Bediensteten der Landesbibliotheken Tätigkeitsbeschreibungen erstellt werden sollen, entspricht dem Petitum des RH. Nach dem Vorliegen der Ergebnisse sind vom MWK die notwendigen Stellenumwandlungen zu veranlassen.

In Anbetracht der stetig wachsenden Ausgaben der beiden Landesbibliotheken und des damit verbundenen Zuschussbedarfs des Landes hält der RH an dem Vorschlag fest, die Einführung von Benutzungsgebühren zu prüfen und die Fernleihgebühren kostendeckend zu erhöhen. Dabei verkennt der RH nicht, dass durch die Einführung solcher Gebühren die Benutzerzahlen vorübergehend abnehmen werden. Die Funktion des Entgelts erschöpft sich nicht in der Deckung der bei der Erstellung einer Dienstleistung anfallenden Kosten. Das Entgelt hat vielmehr auch die Funktion, vor dem Hintergrund knapper Ressourcen Angebot und Nachfrage zur Deckung zu bringen.

Dasselbe gilt für die maßvollen Leistungseinschränkungen, die der RH vorgeschlagen hat. Die Vorstellung, dass Einnahmen und Ausgaben des Landeshaushalts ohne spürbare Leistungseinschränkungen zur Deckung gebracht werden könnten, ist unrealistisch. Einen Grund, die Landesbibliotheken von dieser allgemeinen Entwicklung auszunehmen, sieht der RH nicht.


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Die Lehrverpflichtung für künstlerische Mitarbeiter und Lehrkräfte für besondere Aufgaben an Musikhochschulen ist in Baden-Württemberg niedriger als in anderen Bundesländern. Der Rechnungshof empfiehlt deshalb die Erhöhung des Deputats auf 24 Semesterwochenstunden. Nach erfolgter Anpassung der Deputate könnte die Personalausstattung des künstlerischen Mittelbaus deutlich (um bis zu einem Sechstel) reduziert oder das Lehrangebot entsprechend erhöht werden.


1 Ausgangslage

In Baden-Württemberg gibt es fünf Musikhochschulen: Die Hochschulen für Musik in Freiburg, Karlsruhe und Trossingen sowie die beiden Hochschulen für Musik und Darstellende Kunst in Mannheim und Stuttgart.

Das hauptberufliche künstlerische Personal dieser Hochschulen setzt sich aus den Professoren, den künstlerischen Mitarbeitern und den Lehrkräften für besondere Aufgaben (künstlerische Lehrkräfte) zusammen. Weiterhin wirken nebenberufliche Lehrbeauftragte an der Ausbildung der Studentinnen und Studenten mit.

Die künstlerischen Mitarbeiter und die Lehrkräfte für besondere Aufgaben werden in der Regel als außertarifliche Angestellte beschäftigt, deren Vergütung sich nach einer Richtlinie des FM richtet. Die Vergütung der nebenberuflichen Lehrbeauftragten erfolgt heute regelmäßig aufgrund von Stundensätzen, in einigen Altfällen jedoch aufgrund einschlägiger Gerichtsurteile pauschal in Anlehnung an die Vergütung der hauptamtlichen Lehrkräfte.

Die Lehrverpflichtung der Bediensteten ergibt sich aus der Verordnung der Landesregierung über die Lehrverpflichtung an Kunsthochschulen vom 15.02.1982, auf die auch in den Arbeitsverträgen Bezug genommen wird. Danach beträgt die Lehrverpflichtung für künstlerische Mitarbeiter an Musikhochschulen in Baden-Württemberg 20 Semesterwochenstunden (SWS) zu je 60 Minuten. Es handelt sich dabei in der Regel um künstlerischen Einzel- oder Gruppenunterricht.

Für die Lehrkräfte für besondere Aufgaben an den Musikhochschulen ist die Lehrverpflichtung in der genannten Verordnung nicht explizit bestimmt; für sie werden die Bestimmungen über die Lehrverpflichtung der künstlerischen Mitarbeiter analog angewendet.

Ebenfalls 20 SWS zu je 60 Minuten leisten die Korrepetitoren, deren Aufgabe darin besteht, Sänger, Tänzer, Schauspieler oder Instrumentalmusiker am Klavier zu begleiten. Lediglich für die Tanzkorrepetitoren an der Musikhochschule Mannheim besteht eine besondere Regelung: Sie leisten 25 SWS.

Die Lehrverpflichtung der Lehrbeauftragten bestimmt sich nach dem Umfang des ihnen erteilten Lehrauftrags.

Der RH hat im Jahre 2005 die Einhaltung der Lehrverpflichtung der künstlerischen Mitarbeiter, der Lehrkräfte für besondere Aufgaben und der Korrepetitoren an den Musikhochschulen des Landes geprüft. Einbezogen in die Prüfung wurden die Lehrbeauftragten alter Art .

2 Ergebnisse der Prüfung

2.1 Unterschiedliche Personalstruktur

Die Personalstruktur im Bereich des künstlerischen Mittelbaus unterscheidet sich zwischen den einzelnen Hochschulen erheblich.

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Auch die Korrepetitoren werden teilweise als künstlerische Mitarbeiter, teilweise als Lehrkräfte für besondere Aufgaben beschäftigt.

Hinter den genannten Zahlen verbergen sich auch zahlreiche Teilzeitkräfte, sodass den 108,9 Vollzeitäquivalenten im Sommersemester 2005 insgesamt 174 Personen entsprachen.

Die Unterschiede in der Personalstruktur haben - neben der Größe der jeweiligen Einrichtung - im Wesentlichen historische Ursachen; nach dem Landeshochschulgesetz (LHG) bestehen allerdings funktionelle Unterschiede.

Nach den Bestimmungen des LHG obliegen den künstlerischen Mitarbeitern im Rahmen der Aufgabenstellung der jeweiligen Hochschule wissenschaftliche und künstlerische Dienstleistungen in Forschung, Lehre und Weiterbildung. Sie sind bei der Ausübung ihrer Tätigkeit in der Regel weisungsgebunden.

Lehrkräfte für besondere Aufgaben vermitteln nach den Normen des LHG dagegen überwiegend technische oder praktische Fertigkeiten sowie Kenntnisse in der Anwendung wissenschaftlicher oder künstlerischer Methoden im Rahmen von Lehrveranstaltungen, die sie selbstständig unter der fachlichen Verantwortung eines Hochschullehrers durchführen. Allerdings kann ihnen nach den Bestimmungen des LHG auch die Wahrnehmung von Aufgaben in Forschung und Verwaltung übertragen werden.

Diese rechtssystematischen Unterschiede schlagen sich jedoch in der vorgefundenen Praxis der einzelnen Musikhochschulen kaum nieder. Insbesondere erbringen in der Mehrzahl der Fälle weder die künstlerischen Mitarbeiter noch die Lehrkräfte für besondere Aufgaben außerhalb der Vorlesungs- und Prüfungszeit in nennenswertem Umfang Dienstleistungen für die Musikhochschule.

Nur die Tanzkorrepetitoren bei der Musikhochschule Mannheim werden über die Zeit ihres Klavierspiels hinaus bis zur Erfüllung ihrer regelmäßigen Arbeitszeit zu weiteren Dienstleistungen herangezogen.

2.2 Erfüllung der Lehrverpflichtung

Der RH hat für das Wintersemester 2004/2005 und für das Sommersemester 2005 geprüft, ob die Angehörigen des künstlerischen Mittelbaus an den Musikhochschulen ihre Lehrverpflichtung erfüllt haben. Ergaben sich dabei Abweichungen zwischen Ist und Soll, wurden auch die vorangegangenen Semester (bis einschließlich Wintersemester 2001/2002) in die Prüfung einbezogen.

Grundlage der Prüfung waren von den Hochschulverwaltungen im Hinblick auf die Prüfung des RH ausgefüllte Erhebungsbogen.

Von insgesamt 215 Angehörigen des künstlerischen Mittelbaus und Lehrbeauftragten alter Art haben nach dem Ergebnis der Prüfung 38 Lehrpersonen ihre Lehrverpflichtung nicht vollständig erfüllt. Das entspricht einem Anteil von 18 %.

Diesen Deputatsuntererfüllungen stehen Deputatsübererfüllungen bei 52 der in die Prüfung einbezogenen Mitarbeiter gegenüber.

Wie sich die nicht vollständig erfüllten Deputate auf die Musikhochschulen verteilen, ist in der Übersicht 2 dargestellt.

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Der Umfang der festgestellten Deputatsunterschreitungen hält sich allerdings in Grenzen. Er summierte sich bei den einzelnen Betroffenen in den untersuchten acht Semestern insgesamt auf einen Betrag von 0,25 SWS bis zu maximal 38,5 SWS je Lehrkraft.

Außerdem können die festgestellten Deputatsuntererfüllungen teilweise noch in kommenden Semestern ausgeglichen werden.

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Es ist teilweise nicht nachvollziehbar, warum die Leitungen der Musikhochschulen es zulassen, dass Mitarbeiter ihre Deputatsverpflichtung nicht vollständig erfüllen, zumal eine große studentische Nachfrage nach weiteren Unterrichtsstunden besteht. Selbst wenn es in einzelnen Semestern aufgrund besonderer Umstände zu Untererfüllungen kommt, müssen diese innerhalb von drei aufeinander folgenden Studienjahren ausgeglichen werden.

3 Umfang der Lehrverpflichtung des künstlerischen Mittelbaus

Zu Vergleichszwecken hat der RH die Regelungen über die Lehrverpflichtung von künstlerischen Mitarbeitern und von Lehrkräften für besondere Aufgaben bei Kunst- und Musikhochschulen oder den entsprechenden Fachbereichen an Hochschulen in den anderen Bundesländern erhoben. Danach ergibt sich das in Übersicht 4 dargestellte Bild, bei dem zu berücksichtigen ist, dass die individuelle Lehrverpflichtung bei Angestellten regelmäßig in Anlehnung an die nach dem Gesetz höchstmögliche Lehrverpflichtung festgelegt wird.

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Mit dem in Baden-Württemberg geltenden Deputat von 20 SWS liegt das Land am unteren Rand des Spektrums. Lediglich in Hamburg ist die Lehrverpflichtung der Angehörigen des künstlerischen Mittelbaus noch deutlich geringer als in Baden-Württemberg.

Der Umfang der Lehrverpflichtung für Professoren mit Lehrtätigkeit in den künstlerischen Fächern und für künstlerische Mitarbeiter an den Musikhochschulen ist in Baden-Württemberg seit dem Erlass der Lehrverpflichtungsverordnung vom 15.02.1982 unverändert geblieben. Demgegenüber wurde die Lehrverpflichtung an den anderen Hochschulen des Landes erhöht (Verordnung der Landesregierung vom 04.08.2003).

Eine sachliche Rechtfertigung für eine gegenüber den anderen Bundesländern geringere Lehrverpflichtung des künstlerischen Mittelbaus vermag der RH nicht zu erkennen.

Nach Auffassung des RH bleibt die Lehrverpflichtung des künstlerischen Mittelbaus einschließlich der notwendigen Vor- und Nachbereitungszeiten hinter der für Beamte und Angestellte geltenden wöchentlichen Arbeitszeit zurück.

Dies gilt umso mehr, wenn man dabei den Aspekt des Ferienüberhangs bedenkt. Die künstlerischen Mitarbeiter und Lehrkräfte für besondere Aufgaben erbringen ihre vertraglich geschuldete Arbeitsleistung in der Regel nur während der Vorlesungs- und Prüfungszeit (zusammen sind dies 35 Wochen im Jahr). Die übrige Zeit des Jahres ist veranstaltungsfrei. Während dieser Zeit nehmen die Angehörigen des künstlerischen Mittelbaus in der Regel keine dienstlichen Aufgaben an der Hochschule wahr.

Bei vollständigem Ausgleich des Ferienüberhangs wären bei der derzeit geltenden Lehrverpflichtung - unter Berücksichtigung eines 6-wöchigen Erholungsurlaubs - eigentlich in 46 Kalenderwochen im Jahr jeweils 20 Wochenstunden zu erbringen. Dies entspräche insgesamt 920 Stunden im Studienjahr. Müsste dieser Ferienüberhang durch zusätzliche Unterrichtsstunden in der Vorlesungszeit ausgeglichen werden, wäre die vertraglich geschuldete Arbeitszeit von 920 Lehrverpflichtungsstunden während der Vorlesungs- und Prüfungszeit von 35 Wochen zu erbringen. Dies ergäbe sogar eine Lehrverpflichtung von 26 SWS.

Bei einer Erhöhung des Deputats in der Lehrverpflichtungsverordnung auf 24 SWS könnte die Personalausstattung des künstlerischen Mittelbaus an den Musikhochschulen um bis zu einem Sechstel reduziert werden, ohne dass Leistungen gestrichen werden müssten. Mit der derzeitigen Personalausstattung könnte das Lehrangebot für die Studierenden auf diese Weise um 20 % verbessert werden.

4 Empfehlungen des Rechnungshofs

Auf der Grundlage der Prüfungserkenntnisse empfiehlt der RH:

  • Die Personalstruktur des künstlerischen Mittelbaus an den Musikhochschulen sollte überprüft und den funktionellen Vorgaben des LHG angepasst werden.

 

  • Die Vorstände der Musikhochschulen sollen darauf hinwirken, dass alle Angehörigen des künstlerischen Mittelbaus ihre gesetzliche bzw. vertragliche Lehrverpflichtung vollständig erfüllen. Untererfüllungen in einzelnen Semestern sind innerhalb von drei Studienjahren auszugleichen.

 

  • Die tatsächliche Erfüllung der Deputate ist dabei in allen Fällen durch individuelle Erklärungen der einzelnen Lehrpersonen zu dokumentieren und ggf. durch Stichproben zu überprüfen. Maßgeblich ist der Erlass des MWK vom 25.08.2005, der auch für die Musikhochschulen des Landes gilt.

 

  • Die Lehrverpflichtungsverordnung vom 15.02.1982 sollte im Hinblick auf die mittlerweile eingetretenen Arbeitszeitverlängerungen bei Beamten und Angestellten und auf die höheren Lehrverpflichtungen in den anderen Bundesländern für künstlerische Mitarbeiter auf 24 SWS erhöht werden. Diese Lehrverpflichtung ist in der Verordnung explizit auch auf die Lehrkräfte für besondere Aufgaben zu erstrecken.

Für die Tanzkorrepetitoren bei der Musikhochschule Mannheim sollte das Deputat entsprechend auf 30 SWS angehoben werden; die Differenz zur regulären Arbeitszeit, die nach den Angaben der Hochschule anderweitig erbracht wird, würde dadurch entsprechend geringer.

  • Nach erfolgter Anpassung der Lehrverpflichtung an die bundesweit geltenden Usancen kann die Personalausstattung der Musikhochschulen im Bereich des künstlerischen Mittelbaus ohne Einschränkung der Lehrleistung um bis zu einem Sechstel abgebaut werden. Bei Verzicht auf diesen Personalabbau ist eine entsprechende Erhöhung des Lehrangebots möglich.

5 Stellungnahme des Ministeriums

Das MWK hat gegen die Feststellungen und Vorschläge des RH keine Einwendungen erhoben. Es prüft derzeit, ob und in welchen Schritten die vom RH geforderte Deputatserhöhung umgesetzt werden kann.

Ergänzend weist das MWK darauf hin, dass den festgestellten Deputatsuntererfüllungen bei einzelnen Angehörigen des künstlerischen Mittelbaus Übererfüllungen von anderen Mitarbeitern gegenüberstehen. Gleichwohl teile es die Auffassung des RH, dass die Hochschulleitungen auf die vollständige Erbringung der Deputate hinzuwirken hätten.

Weiterhin weist das MWK darauf hin, dass das für Professoren an den Musikhochschulen geltende Deputat in Baden-Württemberg mit 20 SWS höher liege als in anderen Bundesländern.


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Die Prüfung der Staatsgalerie hat neben haushaltsrechtlichen Unregelmäßigkeiten erhebliche Verbesserungspotenziale im inneren Betrieb ergeben. Der seit 1998 eingeschlagene Modernisierungskurs muss sich auch auf die Organisation der Einrichtung erstrecken. Das Ministerium sollte diese Entwicklung durch verbindliche strategische Zielvorgaben unterstützen.


1 Vorbemerkung

Die Staatsgalerie Stuttgart ist mit einer Sammlung von rd. 5.100 Gemälden und Plastiken sowie über 400.000 Grafiken das größte Kunstmuseum des Landes. Nahezu 200 Mitarbeiter betreuen ihre Sammlungen und Ausstellungen, die jährlich etwa 300.000 Besucher anziehen.

Der Zuschussbedarf der Einrichtung betrug im Jahr 2004 5,6 Mio. €: Ausgaben von rd. 8 Mio. € waren im Umfang von 2,4 Mio. € durch eigene Einnahmen gedeckt. Seit Beginn des Jahres 2005 hat die Staatsgalerie die volle dezentrale Budgetverantwortung übernommen. Ob sie mittelfristig in einen Landesbetrieb nach § 26 LHO umgewandelt werden soll, ist derzeit in der Diskussion.

Der RH hat im Jahr 2005 die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Staatsgalerie Stuttgart geprüft und dabei insbesondere untersucht, inwieweit der 1998 begonnene Kurs der Modernisierung Früchte getragen hat.

Der von der Staatsgalerie eingeschlagene Weg der stärkeren Publikumsorientierung wurde vom MWK mitgetragen; allerdings war der Staatsgalerie von Anfang an bekannt, dass der Veränderungsprozess ohne zusätzliche Personalstellen bewirkt werden muss.

Im Zuge der Modernisierung der Staatsgalerie wurde die Aufbauorganisation zum 01.01.2004 reformiert; jedoch war die neue Aufbauorganisation zum Zeitpunkt der Prüfung noch nicht vollständig umgesetzt. So lag etwa noch kein gültiger Geschäftsverteilungsplan vor.

2 Ergebnis der Prüfung

Die Prüfung hat ergeben, dass der im Jahre 1998 eingeleitete Modernisierungsprozess in der Außendarstellung des Museums und in der Ausstellungskonzeption nachhaltige Wirkungen entfaltet hat. Er hat insbesondere dazu beigetragen, die Besucherzahlen, die 1997 auf 200.000 zurückgegangen waren, bei etwa 300.000 im Jahr zu stabilisieren.

Der RH unterstützt die Politik der Museumsleitung, sich stärker als in der Vergangenheit an den Interessen und der Nachfrage des Publikums zu orientieren. Diesen Kurs sollte das Museum auch künftig konsequent weiterverfolgen.

Nur ansatzweise ist die Weiterentwicklung der Aufbau- und Ablauforganisation gelungen. Hier hat die Prüfung noch erhebliche Verbesserungspotenziale ergeben.

Ursache für den eher zögerlichen Fortschritt des Organisationsentwicklungsprozesses sind vor allem innere Widerstände, allerdings in einigen Bereichen auch der fehlende Durchsetzungswille der Museumsleitung. So nimmt es die Museumsleitung z. B. seit Jahren hin, dass die für viel Geld beschaffte Museumssoftware von den Mitarbeitern nicht genutzt wird oder dass einige Mitarbeiter (darunter auch Führungskräfte) die vorgeschriebene Arbeitszeiterfassung boykottieren.

Eine (interne) Steuerung des Museums über Zielvorgaben und aussagekräftige Kennzahlen erfolgt bislang kaum; auch das MWK arbeitete hinsichtlich der Staatsgalerie noch nicht mit dem Instrument der Zielvereinbarung und nahm seine (externe) Steuerungsfunktion bislang nur unzureichend wahr.

Der RH hat im Zuge der Prüfung ein auf Kennzahlen gestütztes Modell für eine interne Steuerung der Staatsgalerie entworfen.

Auch eine aussagekräftige Kosten- und Leistungsrechnung besteht noch nicht; allerdings nimmt die Staatsgalerie wie die Mehrzahl der Behörden des Landes an der Einführung der neuen Steuerungsinstrumente NSI teil. Die seither angewandte Methode der Kostenrechnung lässt beispielsweise nicht einmal eine belastbare Deckungsbeitragsrechnung hinsichtlich der durchgeführten Sonderausstellungen zu, deren wirtschaftlicher Gesamterfolg damit im Dunkeln bleibt.

Letztlich ist in verschiedenen Bereichen eine weitere Professionalisierung der Ablauforganisation erforderlich.

3 Wichtige Einzelergebnisse

3.1 Dokumentation des Sammlungsbestandes

Die Dokumentation des Sammlungsbestandes mit über 400.000 Objekten erfolgt bis heute im Wesentlichen manuell, also ohne nennenswerten DV-Einsatz. Jedem Gemälde ist eine manuell geführte Gemäldeakte zugeordnet, die den „Lebenslauf“ des jeweiligen Objekts wiedergibt. Als Folge dieser nicht mehr zeitgemäßen Dokumentationsmethode traten während der Prüfung des RH mehrfach Unsicherheiten über den Umfang des Bestandes und dessen Lokalisierung im Einzelnen auf. Die aktuellen Standorte der einzelnen Kunstwerke sind zumeist in einer Depotkartei verzeichnet, deren handschriftliche Eintragungen sich bei Stichproben nicht immer als zutreffend erwiesen.

Hinzu kommt, dass diese Form der Aktenführung keine systematische Recherche nach unterschiedlichen Kriterien zulässt; ein Bestandskatalog, wie ihn andere Museen oder Bibliotheken haben, existiert in der Staatsgalerie nicht.

Mittlerweile haben ehrenamtlich tätige Mitglieder des Galerievereins begonnen, mithilfe einer selbst entwickelten Software eine interne Datenbank über den Bestand der Galerie aufzubauen. Diese wird jedoch von den hauptamtlichen Konservatoren abgelehnt und nicht genutzt.

Das MWK hat der Staatsgalerie wie allen staatlichen Museen im Jahr 2002 eine professionelle Software zur Erfassung ihrer Bestände zur Verfügung gestellt, die jedoch dort bis heute praktisch nicht genutzt wird. Bei der Prüfung fanden sich von über 400.000 Objekten lediglich 40 in der vom Land beschafften Datenbank. Bei anderen staatlichen Museen kommt die Software dagegen bereits zum Einsatz; so hat etwa das Badische Landesmuseum Karlsruhe bereits 32.000 Objekte, die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe 6.600 Objekte mithilfe dieser Software erfasst.

3.2 Überwachung der Leihgaben

Stichproben des RH haben ergeben, dass die Leihgaben der Staatsgalerie an Behörden, öffentliche Einrichtungen und auch private Entleiher teilweise nur unzureichend lokalisiert werden können. Neun Kunstwerke, die überwiegend schon vor Jahrzehnten verliehen wurden, sind nicht mehr auffindbar.

Bei einer weiteren Stichprobe vor Ort zeigte sich, dass verliehene Objekte von den Entleihern mit unterschiedlicher Sorgfalt behandelt werden. So befanden sich bei einer Einrichtung im Raum Ulm einige entliehene Objekte in Räumen, die offenkundig für die Aufbewahrung von Gemälden ungeeignet waren.

Die von der Staatsgalerie vorgesehene Überwachung der Leihobjekte im dreijährigen Rhythmus hat in mehreren vom RH geprüften Fällen seit mehr als zehn Jahren nicht mehr stattgefunden.

3.3 Beschäftigung von Personal ohne haushaltsrechtliche Grundlage

Die Staatsgalerie Stuttgart verfügte zum Zeitpunkt der Prüfung über einen (seit Jahren konstanten) Bestand von 109,5 Stellen. Darüber hinaus standen ihr Mittel für befristet Beschäftigte und Aushilfspersonal zur Verfügung.

Die Staatsgalerie beschäftigt über das im Stellenplan vorgesehene Personal hinaus weitere Mitarbeiter unbefristet, ohne dafür die notwendige haushaltsrechtliche Ermächtigung zu haben. Dies geschieht teilweise dadurch, dass Arbeitsverhältnisse rechtswidrig in selbstständige Beschäftigungsverhältnisse umdefiniert oder rechtlich fragwürdige Befristungen vereinbart werden, teilweise dadurch, dass unter Verstoß gegen die Zweckbestimmung des entsprechenden Haushaltstitels explizit unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer aus diesen Mitteln bezahlt werden. Es handelt sich dabei überwiegend um Bedienstete, die Aufgaben des gehobenen oder höheren Dienstes wahrnehmen.

3.4 Aufsichtspersonal

Die Staatsgalerie Stuttgart hat eigenes Aufsichtspersonal, das in jeder Nacht von 20:00 bis 07:00 Uhr das Museumsgebäude bewacht.

Der Aufwand pro Bewachungsstunde liegt mit 22,28 € um etwa 40 % höher als der Aufwand, der entstünde, wenn nach dem Vorbild anderer Museen ein privates Bewachungsunternehmen mit der nächtlichen Aufsicht betraut würde.

Weitere Einsparmöglichkeiten im Tagesdienst ergeben sich, wenn für die Belastungsspitzen auf Personal eines gemeinsamen Aufsichtspools der staatlichen Museen oder auf fremdes Personal zurückgegriffen werden könnte. Die (internen) Überlegungen in diese Richtung stehen jedoch erst am Anfang.

3.5 Hauseigenes Fotoatelier

Die Staatsgalerie betreibt ein hauseigenes Fotoatelier, das im geprüften Hj. 2004 mehr als 600 interne und externe Aufträge ausgeführt hat.

Diese Aufträge waren so unzureichend dokumentiert, dass in einer nennenswerten Zahl von Fällen die Berechtigung zur Auftragserteilung und die korrekte Abrechnung nicht mehr überprüft werden konnten. Steuerungsrelevante Daten liegen der Museumsleitung deshalb nicht vor.

Die Preisgestaltung bei der Abrechnung der Aufträge lässt weder eine nachvollziehbare Kalkulationsgrundlage noch ein durchschaubares Rabattsystem erkennen. Im Ergebnis wurden für gleiche Leistungen immer wieder unterschiedliche Beträge in Rechnung gestellt; zum Teil vergingen bis zur Rechnungsstellung mehrere Monate, teilweise wurde auf eine Rechnungsstellung ganz verzichtet. Dem Land sind durch diese Verfahrensweise allein in dem untersuchten Jahreszeitraum Einnahmen in fünfstelliger Höhe entgangen.

Die Staatsgalerie bereitet mittlerweile ein DV-gestütztes Verfahren vor, mit dessen Hilfe die Abläufe im Fotoatelier optimiert und die Einnahmen verbessert werden sollen.

3.6 Kuriertransporte

Zwischen den Museen der Welt besteht ein globaler Leihverkehr, in dessen Rahmen sich die Museen gegenseitig Kunstwerke für Sonderausstellungen zur Verfügung stellen.

Die Ausleihe erfolgt in der Regel gebührenfrei, allerdings hat das entleihende Museum dem verleihenden Museum die dabei entstehenden Transportkosten zu ersetzen. Bei hinreichend wertvollen Kunstwerken werden diese durch einen Mitarbeiter des verleihenden Museums als Kurier begleitet.

Bei der Prüfung der Abwicklung dieser Kuriertransporte haben sich folgende Feststellungen ergeben:

  • Die Mitarbeiter der Staatsgalerie Stuttgart, die als Kuriere eingesetzt wurden, erhielten von den entleihenden Museen in einigen Fällen Reisespesen oder geldwerte Leistungen, deren Höhe die im Landesreisekostengesetz vorgesehenen Ersätze übersteigen. Die übersteigenden Beträge wurden nicht an die Staatsgalerie abgeführt. Es handelte sich dabei in einigen der untersuchten Fälle um Zuwendungen an Landesbedienstete, die diese nach den einschlägigen Vorschriften nicht hätten annehmen dürfen.

 

  • Der Umfang der Kurierreisen der Mitarbeiter der Staatsgalerie überschritt in einigen der untersuchten Fälle den zur Begleitung des Kunstobjekts gebotenen Zeitraum. Soweit dieser verlängerte Aufenthalt zu dienstlichen Zwecken genutzt wurde, fehlte in Einzelfällen die notwendige Dienstreisegenehmigung; in anderen Fällen ergaben sich nach Aktenlage Anhaltspunkte für private Zwecke des längeren Aufenthalts.

In manchen Fällen konnten sich die tätig gewordenen Mitarbeiter nicht mehr an die Höhe der (oft nur Monate zuvor) erhaltenen Reisespesen erinnern; eine Aufklärung über ihre Höhe war damit unmöglich.

4 Empfehlungen des Rechnungshofs

Der RH empfiehlt, den 1998 begonnenen Modernisierungskurs, insbesondere den eingeschlagenen Weg der Publikumsorientierung, fortzusetzen. Notwendig ist allerdings eine deutliche Verbesserung der inneren Organisation und der Betriebsabläufe innerhalb der Galerie.

Auf der Basis seiner Feststellungen empfiehlt der RH,

  • zwischen MWK und der Staatsgalerie strategische Ziele zu vereinbaren und mit messbaren Kennzahlen zu versehen,

 

  • innerhalb der Staatsgalerie eine ebenfalls kennzahlengestützte interne Steuerung einzuführen, die durch ein aussagefähiges System der Kosten- und Leistungsrechnung gestützt wird,

 

  • die Bestände der Staatsgalerie endlich mithilfe der beschafften Museumssoftware zu erfassen und zu erschließen,

 

  • die Leihgaben der Staatsgalerie konsequenter als bisher zu überwachen und sie, falls notwendig, zurückzuholen,

 

  • den Personalbestand den haushaltsrechtlichen Vorgaben anzupassen und bestehende arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Risiken zu beseitigen,

 

  • das hauseigene Fotoatelier neu zu organisieren und den externen Auftraggebern den Aufwand auf der Grundlage einer an Vollkosten orientierten Kalkulation in Rechnung zu stellen sowie

 

  • die bei den Kuriereinsätzen festgestellten Rechtsverstöße zu unterbinden und die Praxis an die geltenden Vorschriften anzupassen.

Mittelfristig empfiehlt der RH

  • eine neue, solide Bestimmung des Personalbedarfs, auf deren Grundlage ein neuer Stellenplan geschaffen werden sollte,

 

  • die Bildung eines gemeinsamen Aufsichtspools der staatlichen Museen in Stuttgart zur Abdeckung von Spitzenlasten und die Einrichtung gemeinsamer Serviceeinrichtungen sowie

 

  • die Festlegung von Sammlungsschwerpunkten, die einen maßvollen Abbau der Sammlungsbestände der Staatsgalerie ermöglichen.

5 Stellungnahme des Ministeriums

Das MWK teilt die Auffassung des RH, dass die Staatsgalerie den begonnenen Modernisierungskurs fortsetzen soll. Allerdings weist es auf den umfassenden Bildungsauftrag der Einrichtung hin, der verfehlt würde, wenn sie sich bei ihren Ausstellungen ausschließlich an den Interessen und der Nachfrage des Publikums orientieren würde.

Die Einführung einer funktionierenden Kosten- und Leistungsrechnung, aus der sich steuerungsrelevante, verlässliche und aussagekräftige Daten ergeben, sei durch den Widerstand der Personalvertretungen gegen Zeit- und Mengenerfassungen im Personalbereich verzögert worden, die deshalb erst seit 01.01.2005 möglich geworden seien. Derzeit werde ein im Grundsatz einheitliches, aber im Detail individuelles Konzept für das Controlling in den Museen des Landes entwickelt. Die Einführung der neuen Steuerungsinstrumente werde sich allerdings noch über eine längere Zeit erstrecken. Mit einem anderen staatlichen Museum habe man im Jahr 2005 ein Verfahren zum Abschluss von Zielvereinbarungen entwickelt, das nunmehr auch auf die anderen Museen des Landes übertragen werden solle.

Vor diesem Hintergrund weist das MWK den Vorwurf des RH zurück, es habe seine Steuerungsfunktion unzureichend wahrgenommen.

Nachdem die Staatsgalerie seit geraumer Zeit über die zur Erfassung der Bestände geeignete moderne Soft- und Hardware verfüge, sei nunmehr geplant, in der Staatsgalerie bis zum Ende des Jahres 2006 insgesamt 25.000 Kunstwerke zu erfassen. Das MWK verweist allerdings auf Erfahrungen aus dem Bibliotheksbereich und prognostiziert, dass die vollständige Inventarisierung noch lange Zeit in Anspruch nehmen werde.

Die Leihgaben der Staatsgalerie an Landesbehörden oder Landeseinrichtungen würden in einem dreijährigen Rhythmus kontrolliert. Soweit andere Einrichtungen Leihgaben erhalten hätten, seien solche regelmäßige Kontrollen zwar nicht vereinbart worden, man habe aber in den Jahren 2005 und 2006 gleichwohl begonnen, die Leihobjekte zu überprüfen. Verträge mit Leihnehmern, bei denen eine solche Kontrolle nicht möglich sei, müssten grundsätzlich überdacht werden.

Die Beanstandungen des RH im Personalbereich hätten das MWK veranlasst, eine umfassende Bestandsaufnahme bei der Staatsgalerie anzufordern. Nach Vorliegen des Berichts würden in Abstimmung mit der Staatsgalerie die erforderlichen haushalts- und arbeitsrechtlichen Schritte ergriffen.

Das neue Konzept für die professionelle Abwicklung der Fotoaufträge werde von der Staatsgalerie zeitnah umgesetzt. Das MWK werde das neue Verfahren zu gegebener Zeit evaluieren.

Die Begleitung der Kunsttransporte durch eigenes Personal hält das MWK prinzipiell für sachgerecht. Zu den vom RH gerügten Einzelfällen werde es nach Aufklärung der Sachverhalte im Einzelnen Stellung nehmen.

Das MWK werde die Staatsgalerie veranlassen, alle Möglichkeiten einer effizienten Aufgabenerfüllung im Bereich der Aufsichten zu prüfen. Dies schließe das Outsourcing ebenso ein wie Kooperationen mit anderen Museen oder den Einsatz von technischen Überwachungseinrichtungen.

Zum Thema „Abbau von Sammlungsbeständen“ verweist das MWK auf die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft, Forschung und Kunst vom 17.11.2005, in dem die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für die Veräußerung von Kunstgegenständen aus den Museen des Landes niedergelegt worden seien. Es bleibe unklar, weshalb der RH für einen Abbau der Bestände über die dort festgelegten Grundsätze hinaus plädiert.

6 Schlussbemerkung

Die von der Staatsgalerie und dem Ministerium mitgeteilten Absichten und die mittlerweile eingeleiteten ersten Maßnahmen zur Verbesserung der Steuerung und der Organisation des Museums sind positiv zu bewerten.

Der RH sieht seine Feststellungen und Vorschläge durch die Stellungnahme des MWK im Wesentlichen bestätigt.

Ein maßvoller Abbau der Sammlungsbestände (z. B. Dubletten, „Ladenhüter“ oder Objekte außerhalb der Sammlungsschwerpunkte) könnte räumliche und personelle Ressourcen freisetzen, außerdem auch (bescheidene) Veräußerungserlöse erbringen. Dieser Abbau ist aber auch deshalb notwendig, weil die Prüfung ergeben hat, dass die Staatsgalerie mit der sachgerechten Verwaltung des bisherigen Bestandes teilweise überfordert ist.


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Der RH berichtet in diesem Abschnitt der Denkschrift über Auswirkungen der Tätigkeit der Finanzkontrolle. Der Bericht gibt die Umsetzung einiger bedeutsamer Vorschläge aus früheren Denkschriftbeiträgen, aus der Beratenden Äußerung zur Kriminaltechnik sowie aus einer prüfungsorientierten Beratung wieder und stellt - soweit dies möglich ist - die hiermit verbundenen finanziellen Auswirkungen dar. Die Information soll dem Parlament, zeitgleich mit der Vorstellung der Denkschrift, einen Überblick über wesentliche Ergebnisse aus früheren Prüfungen und über die Umsetzung seiner Beschlüsse vermitteln. Die nachstehende Darstellung ist nicht Gegenstand des laufenden Verfahrens zur Entlastung der Landesregierung im Sinne von § 97 Abs. 1 LHO.


[Der gesamte Text einschließlich Einzelergebnisse ist in der nachfolgenden PDF-Datei enthalten]


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