Vergabe von Gutachten/Beratungsleistungen

Im Zeitraum 2008/2009 hat die Landesregierung nach eigenen Angaben externen Sachverstand im Volumen von 18,28 Mio. Euro eingekauft. Im Zeitraum 2012/2013 hat sich der Einkauf von externem Sachverstand sogar noch nahezu verdoppelt (Vergabevolumen: 33,26 Mio. Euro). Da der Einkauf von externen Beratungsleistungen weiterhin einen signifikanten Ausgabenposten darstellt, hat der Rechnungshof den Einkauf von externen Beratungsleistungen durch die Ministerien und nachgeordneten Bereiche erneut geprüft. Hierbei hat sich gezeigt, dass ein Großteil der Feststellungen aus den ersten Untersuchungen vor zehn Jahren noch aktuell sind.

Eigenleistung vor Fremdleistung

Insgesamt wurden nach Angaben der Dienststellen des Landes 85 Prozent aller Beratungsleistungen aufgrund mangelnden Fachwissens (63 Prozent) oder mangelnder Personalressourcen (22 Prozent) vergeben. 2005 hat der Rechnungshof ausgeführt, dass dies „einem fachlichen Offenbarungseid gleich käme“.

Basierend auf ihren Kernaufgaben sind die Dienststellen des Landes grundsätzlich mit dem notwendigen Personal ausgestattet. Dies gilt insbesondere im Blick auf den vielfach vorhandenen juristischen Sachverstand in der Landesverwaltung.

Der Personalkörper der Landesverwaltung sollte über das Fachwissen verfügen, das für die Erledigung der Kernaufgaben erforderlich ist. Dies schließt mit ein, dass die Dienststellen des Landes auch komplexe und schwierige Aufgaben im Bereich der Kernaufgaben im Einzelfall ausführlicher und vertiefter mit eigenen Ressourcen bearbeiten können müssen. Daher sollten im Bereich der Kernaufgaben externe Beratungsleistungen dem Grunde nach nicht erforderlich sein. Der Rechnungshof verkennt hierbei nicht, dass es vereinzelt Sachverhalte gibt, die komplex und mit hohen finanziellen Risiken verbunden sind und über die Kernaufgaben der Dienststellen des Landes hinausgehen. Hier kann im Einzelfall das verwaltungsinterne Know-how an seine Grenzen stoßen. In solchen Fällen kann es durchaus sinnvoll sein, externen Sachverstand in Anspruch zu nehmen oder eine zweite Meinung einzuholen. Es gilt jedoch immer der Grundsatz: Eigenleistung geht vor Fremdleistung.

Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen

Beim Einkauf von externen Beratungsleistungen wurde größtenteils keine umfassende und aussagekräftige Wirtschaftlichkeitsuntersuchung durchgeführt. Alternativszenarien (z. B. die Eigenerledigung) eruierten und prüften die Dienststellen des Landes nur selten.

Bei allen finanzwirksamen Maßnahmen hat die Landesverwaltung Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchzuführen. Die Voraussetzungen sind in § 7 Landeshaushaltsordnung (LHO) und den dazugehörigen Verwaltungsvorschriften normiert. Bei der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung müssen alle Optionen zur Zielerreichung, insbesondere die Eigenleistung, geprüft werden.

Shared-Services

Das Know-how der Landesverwaltung ist nicht für alle Dienststellen zugänglich, denn das vorhandene Fachwissen der Landesverwaltung steht anderen Dienststellen oft nicht abrufbar zur Verfügung. Aufgrund der fehlenden Transparenz war es für die einkaufende Dienststelle nicht möglich, das vorhandene Fachwissen abzugreifen. Deshalb wurde insbesondere für juristische, technische und organisatorische Fragestellungen externer Sachverstand eingekauft, obwohl dieser im Land grundsätzlich vorhanden war.

Das breite Fachwissen der Landesverwaltung sollte für alle Dienststellen des Landes transparent und abgreifbar sein. Hierzu sind von den Organisationseinheiten, die über spezifisches Fachwissen verfügen, Shared-Services verfügbar zu machen.

Vergabepraxis

Bei den eingekauften Beratungsleistungen handelt es sich überwiegend um freiberufliche Leistungen. Daher sind oberhalb der EU-Schwellenwerte (für 2012 bis 2013: 200.000 Euro und 207.000 Euro ab 01.01.2014) die Regelungen der Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) einschlägig. Unterhalb dieser Schwellenwerte gelten die landesrechtlichen Vorschriften.

Die Dienststellen des Landes haben 8 Prozent der eingekauften Leistungen im Wege eines förmlichen Verhandlungsverfahrens mit öffentlichem Teilnahmewettbewerb vergeben. Durch eine freihändige Vergabe mit Vergleichsangeboten wurden 21 Prozent der Beratungsleistungen vergeben. Der größte Teil der Beratungsleistungen (71 Prozent) wurde mittels einer freihändigen Vergabe ohne Vergleichsangebote eingekauft. Damit machten die Dienststellen des Landes den Ausnahmefall (Direktvergabe) zur Regel. Im Jahr 2005 erfolgte bei 82 Prozent der Vergaben eine freihändige Vergabe ohne Vergleichsangebot. Insoweit hat sich das Vergabegebaren in den letzten zehn Jahren nicht wesentlich verbessert.

Bei Vergaben, bei denen die Vorschriften der VOF nicht oder nur eingeschränkt anzuwenden sind, sollten regelmäßig mindestens drei Vergleichsangebote eingeholt werden. Nur so kann ein wirtschaftliches Ergebnis beim Einkauf von Leistungen erzielt werden. Direktvergaben sollten nur in begründeten Ausnahmefällen erfolgen.

Vergütungsarten

Beim Einkauf von Beratungsleistungen haben die Dienststellen des Landes in 49 Prozent der Fälle ein Pauschalhonorar vereinbart.

Die Vereinbarung eines Pauschalhonorars stellt in der Regel die wirtschaftlichste Lösung dar. Die Dienststellen des Landes sollten daher beim Einkauf von Beratungsleistungen grundsätzlich ein Pauschalhonorar vereinbaren.

Controlling

Der Rechnungshof hat bei seinen Prüfungen häufig ein defizitäres Controlling vorgefunden.

Der Erfolg oder Misserfolg einer Beratungsleistung hängt unter anderem vom Controlling ab. Ein funktionsfähiges Controlling stellt sicher, dass die angestrebten Ziele erreicht und bei Fehlentwicklungen frühzeitig gegengesteuert werden kann.

Zielkonzeption

Grundsätzlich haben die Dienststellen des Landes vor dem Einkauf von Beratungsleistungen die Ist-Situation ermittelt. Bei über einem Viertel der Beratungsleistungen wurde auf diesen Schritt jedoch verzichtet.

Die Beschreibung der Ist-Situation ist ein wesentlicher Baustein, um das mit der Beratungsleistung avisierte Ziel zu erreichen. Daher sollten die Dienststellen des Landes vor dem Einkauf von Beratungsleistungen immer einen Blick auf die Ausgangssituation werfen.

Umsetzung

In nahezu 100 Prozent der Fälle halten die Dienststellen des Landes die Ergebnisse der Beratungsleistungen für umsetzbar. 80 Prozent der Empfehlungen der externen Berater wurden nach Auffassung der Dienststellen des Landes vollständig oder überwiegend umgesetzt.

Eine von den Dienststellen des Landes selbst eingeschätzte Umsetzungsquote von 80 Prozent ist positiv zu bewerten. Allerdings könnte durch eine Risikoanalyse im Vorfeld der Auftragsvergabe die Umsetzungsquote nach Auffassung des Rechnungshofs noch erhöht bzw. stärker fundiert werden.

Buchungspraxis

In der Verwaltungspraxis der Dienststellen des Landes werden die Ausgaben für Beratungsleistungen haushaltsmäßig unterschiedlichen Gruppierungsnummern zugeordnet. Dies ist grundsätzlich nachvollziehbar, da die Haushaltsystematik des Landes keine Vorgaben enthält. Nicht nachvollziehbar ist jedoch, dass größtenteils die Vorgabe der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft zur Haushalts- und Wirtschaftsführung negiert wird, die für Ausgaben für Gutachten die Gruppe 526 (Ausgaben für Sachverständige, Gerichtskosten- und ähnliche Ausgaben) vorgibt.

Gutachten sollten entsprechend den Vorgaben des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft der Gruppe 526 zugeordnet werden. Andere Beratungsleistungen für die Erledigung von Fachaufgaben sollten bei den im Haushalt ausgewiesenen Zweckbestimmungen verbucht werden.

Beteiligung der Beauftragten für den Haushalt

Der Einkauf von Beratungsleistungen erfolgte zu 35 Prozent ohne eine Beteiligung der Beauftragten für den Haushalt.

Um den Erfordernissen von § 9 LHO sowie der Verwaltungsvorschrift der Landesregierung und der Ministerien zur Verhütung unrechtmäßiger und unlauterer Einwirkung auf das Verwaltungshandeln und zur Verfolgung damit zusammenhängender Straftaten und Dienstvergehen (VwV Korruptionsverhütung) Genüge zu tun, müsste eine Beteiligung erfolgen. Aus dem Einkauf von Beratungsleistungen ergeben sich finanzielle Verpflichtungen für das Land. Des Weiteren ist die Vergabe von Beratungsleistungen ein Bereich, der für Korruption anfällig sein kann. Daher ist es angebracht und notwendig, dass die Beauftragten für den Haushalt rechtzeitig eingebunden werden.

Vertragsmanagement

Die Verträge für den Einkauf von externen Beratungsleistungen waren heterogen, lückenhaft und enthielten zum Teil sogar nachteilige Regelungen für das Land.

Die Verwaltung sollte Musterverträge entwickeln, in denen die erforderlichen Standardnormierungen aufgenommen werden.

Vollkaskomentalität

Die Landesverwaltung hat zahlreiche Beratungsleistungen eingekauft, um von den eigenen Dienststellen bereits selbst erstellte Sachverhaltsbewertungen von einem externen Dritten prüfen zu lassen. Hierbei ging es überwiegend um rechtliche Fragestellungen.

Das Know-how der Landesbediensteten, insbesondere im juristischen Bereich, sollte ausreichend sein, um selbst erarbeitete Entscheidungsgrundlagen auch eigenständig vertreten zu können. Von einer zusätzlichen externen Verifizierung sollte daher im Regelfall abgesehen werden.

Dokumentation und Aktenführung

In vielen Fällen wurde der Einkauf von Beratungsleistungen nicht hinreichend dokumentiert. Häufig fehlten die Begründung der Notwendigkeit und der Nachweis der Wirtschaftlichkeit. Ebenso wurden die Gründe für die gewählte Vergabeart nicht aktenkundig gemacht. Aufgabenbeschreibungen oder vertragliche Regelungen fehlten in einzelnen Fällen gänzlich.

Die Dienststellen des Landes müssen ihre Aufgaben nachvollziehbar und transparent erledigen. Hierzu ist es erforderlich, dass das Verwaltungshandeln aktenkundig gemacht wird. Hierdurch wird auch den einschlägigen Vorschriften (z. B. LHO, Gemeinsame Anordnung der Ministerien über die Dienstordnung für die Landesverwaltung Baden-Württemberg oder VwV Korruptionsverhütung) Folge geleistet.


Link https://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP16/Drucksachen/0000/16_0150_D.pdf
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