Zoologisch-botanischer Garten Wilhelma in Stuttgart sollte nicht alleine vom Land weiter betrieben werden - Stadt Stuttgart oder Region Stuttgart sollten sich beteiligen
- Land trägt jährlichen Verlust der Wilhelma von fast 5 Mio. € bisher alleine
- Betrieb der Wilhelma keine staatliche, sondern eine kommunale Aufgabe
- Ertragslage der Wilhelma muss verbessert werden
- Verzicht auf Eintrittsgelder sollte überdacht werden
Karlsruhe/Stuttgart. Das Land finanziert mit dem zoologisch-botanischen Garten Wilhelma eine überwiegend kommunale Aufgabe. Es gleicht die Verluste aus, die jährlich in Höhe von fast 5 Mio. € erwirtschaftet werden. Angesichts der Tatsache, dass vergleichbare Einrichtungen durchweg kommunal oder privat betrieben werden, kritisiert der Rechnungshof dieses vom Volumen her beträchtliche Landesengagement. "Ein ständiges Anliegen der Finanzkontrolle ist es, die vom Land wahrgenommenen Aufgaben immer wieder kritisch zu hinterfragen. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Land heute noch Aufgaben wahrnimmt, die ihm zwar historisch zugewachsen sind, jedoch auf Grund des heutigen Aufgabenverständnisses dem kommunalen Sektor zuzuordnen sind," so Martin Frank, der Präsident des Rechnungshofs Baden-Württemberg, vor Journalisten in Stuttgart bei der Vorstellung der Denkschrift 2002.
Die Wilhelma, eine über die Landesgrenzen hinaus bekannte Attraktion, erwirtschaftet jedes Jahr Verluste in Höhe von fast 5 Mio. €, die vom Land ausgeglichen werden. Diese Verluste entstehen, obwohl die Wilhelma mit jährlich fast 2 Mio. Besuchern den Spitzenplatz aller Tiergärten im deutschsprachigen Raum einnimmt und sich von daher selbst mit den größten Freizeitparks in Deutschland messen kann.
Angesichts der Tatsache, dass vergleichbare Einrichtungen durchweg kommunal oder privat betrieben werden, sieht der Rechnungshof dieses vom Volumen her beträchtliche Landesengagement kritisch. Er weist darauf hin, dass der Betrieb der Wilhelma weder hoheitlicher Art noch Ergebnis einer auf den Landesbereich ausgerichteten Zielsetzung sei. Vielmehr habe die historische Entwicklung aus einer vom württembergischen Königshaus stammenden Parkanlage einen zoologisch-botanischen Garten entstehen lassen. Sofern der Betrieb eines solchen überhaupt als Aufgabe der öffentlichen Hand anzusehen sein sollte, ist es nach Auffassung des Rechnungshofs allenfalls eine - freiwillige - kommunale Aufgabe.
Die Finanzkontrolleure plädieren dafür, die Landeshauptstadt Stuttgart (und/oder den Verband Region Stuttgart) finanziell in den Betrieb der Wilhelma einzubinden. Hierfür spreche neben der Aufgabenträgerschaft auch der Umstand, dass die Stadt in vielfacher Hinsicht von der Wilhelma profitiere (z. B. auch als weicher Standortfaktor). Zudem habe sich das Land in vergleichbaren Fällen weit weniger großzügig verhalten: Bei einem Zoo etwa habe es unter Hinweis darauf, dass dessen Betrieb eine kommunale Aufgabe sei, eine Landesförderung abgelehnt; bei einem Schaugarten habe es eine hälftige Kostenteilung mit der Kommune vereinbart.
Erlöse und Aufwand der Wilhelma wurden vom Rechnungshof im Einzelnen kritisch untersucht. Die Ertragslage sollte entscheidend dadurch verbessert werden, dass die Unternehmenspolitik stärker an kaufmännischen Kriterien ausgerichtet wird. Hierzu macht die Karlsruher Kontrollbehörde verschiedene Vorschläge. So sollen das Marketing verbessert, der Besucherandrang entzerrt, zusätzliche Erlöse erzielt, im Personalbereich Sparpotenziale genutzt sowie die Betriebshöfe zur Grünflächenpflege wirtschaftlicher organisiert werden.
Mit dem Ziel, den Verlust zu minimieren, sollte nach Auffassung der Finanzkontrolleure auch der Verzicht auf Eintrittsgelder überdacht werden. Beispielsweise erhielten die etwa 17.000 Mitglieder des Vereins der Freunde und Förderer der Wilhelma freien Eintritt, wodurch der Wilhelma mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit Eintrittsgelder in nennenswertem Umfang entgingen. Obwohl dieser Verein viel Positives für die Wilhelma bewirkt habe und bewirke, sei es problematisch, dass einerseits die Wilhelma auf Eintrittsgelder verzichte und andererseits die Vereinsmitglieder nur einen Vereinsbeitrag zu bezahlen hätten, der unwesentlich höher sei als der Preis einer Jahreseintrittskarte. Unter Berücksichtigung der steuerlichen Wirkung sei es so für Viele interessanter, statt des Erwerbs einer Jahreseintrittskarte als Vereinsmitglied freien Eintritt zu erlangen. Das Land als Steuergläubiger begünstige indirekt den freien Eintritt der Vereinsmitglieder und trage so dazu bei, dass sie letztlich kostengünstiger als andere Besucher Eintritt in die Wilhelma erlangen könnten.
Der Rechnungshof hat weitere Fälle benannt, in denen sich die Wilhelma sehr großzügig zeige. Insbesondere sollte die kostenträchtige Praxis eingestellt werden, einem Kreis von Honoratioren eine sog. Ehrenkarte für 2 Personen durch Boten nach Hause bringen zu lassen.