Wohngeld vereinfachen

  • Hoher bürokratischer Aufwand bei Bürgern und Behörden
  • Vermeidbarer Aufwand entsteht, um Ausgaben den jeweiligen Kostenträgern zuzuordnen
  • Kommunen könnten jährlich mindestens 7 Millionen Euro Verwaltungskosten einsparen, wenn doppelte Bearbeitungen vermieden würden

Karlsruhe/Stuttgart: Der Rechnungshof hat festgestellt, dass die Verfahren für Wohngeld zu bürokratisch konstruiert sind. Er hat vorgeschlagen, die Verfahren für Wohngeld in die Verfahren für Arbeitslosengeld II (Hartz IV) und für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch XII (Sozialhilfe) zu integrieren. Der Aufwand bei den betroffenen Bürgern und Behörden könnte deutlich verringert werden. Viele Fälle müssten dann nicht mehr bei zwei Behörden bearbeitet werden. Dadurch könnten die Kommunen 7 Millionen Euro an Personalkosten einsparen.

Verursacht wird die Doppelbearbeitung durch gesetzliche Vorgaben. Bürger, deren Einkommen unter einer definierten Grenze liegt, werden vom Staat finanziell unterstützt. Je nach Lebenslage der Betroffenen sind unterschiedliche Leistungen vorgesehen. Der Bundesgesetzgeber hat definiert, dass die günstigste Leistung gewährt werden soll. In der Praxis ergibt sich aber ein entscheidender Nachteil: Die Sachbearbeiter bei den Behörden können erst nach vollständiger Fallbearbeitung erkennen, welche Leistung gewährt werden kann. Daher werden viele Fälle doppelt bearbeitet. Häufig handelt es sich dann noch um Leistungen, die auf andere Sozialleistungen angerechnet werden. In diesen Fällen dient der Aufwand im Ergebnis sogar nur der Verteilung der Kosten auf Bund, Land und Kommune.

Für den Bürger ist dies mit zusätzlichem Aufwand verbunden. Für die in Frage kommenden Leistungen sind unterschiedliche Behörden zuständig: Es sind dies die Wohngeldstellen in den Stadt- und Landkreisen bzw. den Großen Kreisstädten. Arbeitslosengeld II wird nur über die Jobcenter oder die Sozialämter abgewickelt. Und Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch XII werden von den Sozialämtern gewährt. Der Bürger muss seine Anträge jeweils neu stellen und belegen. Die Leistungsbescheide beziehen sich zwar auf den selben Lebenssachverhalt, werden aber nach unterschiedlichen Systematiken berechnet. Da kann es gut sein, dass das Jobcenter ein Einkommen von 670 Euro und die Wohngeldbehörde ein Einkommen von 700 Euro berücksichtigt.

Die Reformbedürftigkeit der Verfahrensregelungen wird bei zwei Fallkonstellationen besonders deutlich: Heimbewohnern mit Wohngeldanspruch steht regelmäßig auch Hilfe zur Pflege oder eine andere staatliche Leistung zu. Kinder von Arbeitslosengeld II-Empfängern erhalten teilweise unabhängig von den Zahlungen an die Eltern eigenes Wohngeld. Beide Fallkonstellationen führen jedoch nicht dazu, dass die Betroffenen finanziell von dem Wohngeld profitieren. Das Wohngeld wird von den anderen Leistungen abgezogen. Ein sogenannter Antragskreislauf entsteht.

Diese aufwendigen Verfahren verschieben daher nur die Kostentragungspflicht. Genau dies sind aber die falschen Anreize für die Behörden. „Die Frage der Kostenträgerschaft darf nicht auf dem Rücken der Antragsteller ausgetragen werden. Und die Antragsteller dürfen nicht zum Spielball der Kostenträger werden“, so Max Munding, der Präsident des Rechnungshofs Baden-Württem¬berg, bei der Vorstellung der Denkschrift 2010 in Stuttgart.

Der Rechnungshof hat untersucht, in wie vielen Fällen sowohl ein Wohngeldverfahren als auch ein Verfahren für Arbeitslosengeld II oder für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch XII bearbeitet wurden: Dies war bei 28 Prozent aller Wohngeldverfahren der Fall. Bei einer weiteren Prüfung hat er untersucht, ob sich durch eine Änderung des Wohngeldgesetzes 2009 die Verhältnisse verbessert haben. Obwohl das Verfahren vereinfacht werden sollte, wurden in diesem Jahr 44 Prozent der Wohngeldverfahren zusätzlich zu anderen Verfahren bearbeitet. Dies entspricht vermeidbaren Verwaltungskosten von 11 Millionen Euro.

Durch eine einheitliche, integrierte Verfahrensbearbeitung bei den für Arbeitslosengeld II oder Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch XII zuständigen Behörden könnten diese Bearbeitungskosten gespart werden. Hierzu müssten die wesentlichen Verfahrensvoraussetzungen angeglichen werden. Dies ist insbesondere die Einkommensermittlung. Die Kosten könnten nach Ansicht des Rechnungshofs vermieden werden, ohne dass es zu Leistungskürzungen oder Verschiebungen der Finanzverantwortung führen würde.

Bund und Länder erörtern, wie Wohngeld künftig für einkommensschwache Haushalte besser gestaltet werden kann. Inzwischen liegen verschiedene Modelle vor. Alle Modelle sehen vor, die Berechnungsregeln und andere Voraussetzungen für Wohngeld und bisher parallel bearbeitete Verfahren anzugleichen. Es fehlt jedoch an der Bereitschaft, die Verfahren flächendeckend in eine Hand zu geben.

Das vom Rechnungshof aufgezeigte Sparpotenzial müsste Bund, Ländern und Kommunen nur willkommen sein. Hier kann der Staat viel Geld sparen, ohne den Bürgern Leistungen zu kürzen.