Studiengänge für Slavistik an fünf Universitäten nicht ausgelastet
- Derzeitige Auslastung der Lehreinheiten liegt nur zwischen 10 % und 45%
- Durchschnittskosten je Studierenden im Studienjahr bis zu 26.000 € und je Absolvent bis zu 258.000 €
- Reduzierung der Studienplätze und des Personals gefordert
- Schaffung eines Zentrums für Slavisitik geboten
Karlsruhe/Stuttgart. "Im Bereich der universitären Lehre könnten die Personalkapazitäten effizienter eingesetzt werden, wenn nicht ausgelastete Lehreinheiten zusammengefasst würden," so Martin Frank, der Präsident des Rechnungshofs Baden-Württemberg, vor Journalisten in Stuttgart bei der Vorstellung der Denkschrift 2002. Nach Franks Angaben hat der Rechnungshof festgestellt, dass derzeit die an fünf Universitäten vorhandenen Lehreinheiten für Slavistik wegen der zu geringen Studierendenzahlen bei Weitem nicht ausgelastet werden können. Die ungünstigen Rahmenbedingungen verhindern an allen Standorten eine effiziente Organisation der Lehre; die Kosten je Studierenden oder Absolventen sind überproportional hoch. Sie betrugen je Absolvent bis zu 258.000 €. Der Rechnungshof empfiehlt, die Personalkapazität und damit die Zahl der Studienplätze so zu reduzieren, dass eine Auslastung von mindestens 75 % entsteht. Diese sollten an einem Zentrum für Slavistik mit besserer fachlicher Breite, maximal jedoch an zwei Standorten zusammen geführt werden.
Bei den Universitäten Freiburg, Heidelberg, Konstanz, Mannheim und Tübingen werden bei je einer Lehreinheit Studiengänge für Slavistik und bei der Universität Heidelberg bei einer weiteren Lehreinheit noch der Studiengang Übersetzen und Dolmetschen - Russisch - angeboten. Diese sechs Lehreinheiten für Slavisitk sehen sich nach den Erhebungen der Finanzkontrolleure einer äußerst geringen Nachfrage bei den Studierenden gegenüber, wobei zwischen den Lehreinheiten noch erhebliche Unterschiede bestehen. Die Auslastung der Lehreinheiten liegt nur zwischen 10 % und 45 %. Dadurch ergeben sich hohe Kosten je Studierenden und Absolventen; diese betragen im Durchschnitt je Studierenden bis zu 26.000 € im Studienjahr und je Absolventen bis 258.000 €. Anfang 2002 standen den sechs Lehreinheiten insgesamt 51,5 Stellen zur Verfügung. Die Personalkosten hierfür betrugen rd. 4,4 Mio. €.
Die Finanzkontrolleure halten die Lehrstrukturen der Slavistik für problematisch. Die bestehenden Lehreinheiten an den fünf Universitäten befinden sich nach ihrer Auffassung unter Aspekten der Lehre in einer Situation, die sowohl von den Wissenschaftlern als auch von den Studierenden nicht als befriedigend angesehen werden kann. Sämtliche Slavistik-Lehreinheiten sind von ungünstigen Rahmenbedingungen für eine effiziente Organisation der Lehre geprägt. Daraus ergeben sich mehr oder weniger große Nachteile für die Attraktivität der Lehrangebote und die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Standorte. Eine hohe Schwundquote bei den Studierenden, der äußerst geringe Anteil der Studierenden in den höheren Semestern, die noch an den Veranstaltungen teilnehmen, und die niedrige Zahl der Absolventen können als Indiz dafür gewertet werden.
Die Karlsruher Kontrollbehörde empfiehlt daher die Zahl der vorgehaltenen Studienplätze dem tatsächlichen Bedarf, einschließlich einer Schwankungsreserve von 25 %, anzupassen. Daher sollte die Zahl der Studienplätze von derzeit 1.000 auf 440 reduziert werden. Zu diesem Abbau ist die Reduzierung des Personals im wissenschaftlichen Dienst unter Beibehaltung der derzeitigen Personalstruktur um 23,5 Stellen erforderlich. Die Personalkosten würden dadurch um 2,1 Mio. € jährlich verringert.
Eine Alternative über Stellenstreichungen bei den vorhandenen Lehreinheiten verbietet sich. Dies würde dazu führen, dass die einzelnen Lehreinheiten unter das Minimum der in der Slavistik notwendigen Stellenausstattung fielen. Der Rechnungshof empfiehlt deshalb, die Zahl der Lehreinheiten zu reduzieren. Eine Lehreinheit muss für den Bereich Übersetzen und Dolmetschen erhalten bleiben, die übrigen verbleibenden Stellen sollten auf ein Zentrum der Slavistik in Baden-Württemberg konzentriert werden. Diesem Zentrum stünden damit mehr Stellen für Professoren und für den Mittelbau zur Verfügung als bisher in der am besten ausgestatteten Lehreinheit.
Sollte das Konzept eines Zentrums der Slavistik nicht verfolgt werden, dürften nach Auffassung des Rechnungshofs maximal zwei Lehreinheiten beibehalten werden, weil die verbleibende Stellenausstattung mehr Lehreinheiten in angemessener Größe nicht gestattet.
Naturgemäß ergeben sich durch eine Reduzierung der Zahl der Standorte auch gewisse Nachteile. Diese liegen im Bereich der Lehre im Wesentlichen darin, dass die Studierenden an den Standorten, die keine Slavistik mehr hätten, ihre Studienfächer nicht mehr mit der Slavistik kombinieren können. Im Bereich der Forschung entfiele für die jeweiligen Universitäten ebenfalls der gesamte Bereich der Slavistik und damit auch der von der Slavistik gehaltene Kontakt mit osteuropäischen Staaten. Die Reduzierung des Personals würde aber auch insgesamt zu einer Verminderung von Forschungskapazität in der Slavistik führen. Denn die einer Lehreinheit zugewiesene Kapazität für wissenschaftliches Personal steht stets in gleichem Umfang für Lehre und Forschung zur Verfügung, weil diese eine Einheit bilden.
Nach Abwägung der Vor- und Nachteile hält es der Rechnungshof unter Effizienzaspekten jedoch nicht für vertretbar, die bisherigen Strukturen mit stark unterausgelasteten Studienplätzen in fünf Lehreinheiten auf Dauer aufrecht zu erhalten. Er sieht in der empfohlenen Konzentration der Slavistik an einem Standort die Chance, im Sinne der Profil- und Schwerpunktbildung eine attraktive und leistungsfähige Einheit zu gewinnen, die nicht nur eine hohe Qualität und einen effizienten Ressourceneinsatz gewährleistet, sondern auch gegenüber anderen großen Standorten in Deutschland wettbewerbsfähig wäre; die jetzigen Strukturen dürften dies auf Dauer nicht gewährleisten.