Schuldenbremse in der Bewährungsprobe
- Jetzt gilt es, die langfristige Haushaltsentwicklung nicht aus dem Blick zu verlieren
- Hohe Ausgabereste für Konjunkturimpulse und zur Haushaltskonsolidierung einsetzen
Karlsruhe/Stuttgart: „Baden-Württemberg konnte den Doppelhaushalt 2020/21 auf Basis eines guten Haushaltsjahrs 2019 ohne neue Schulden aufstellen. Die Corona-Pandemie hat die Rahmenbedingungen grundlegend verändert. Die Aufnahme neuer Kredite ist unumgänglich geworden. Nach der für September 2020 vorgesehenen Interims-Steuerschätzung ist eine weitere Kreditaufnahme nicht ausgeschlossen. Die Schuldenbremse hat in der Krise funktioniert. Ihre Vorgabe, neue Kredite in angemessenem Zeitraum zurückzuzahlen, wird eine Herausforderung. Haushaltspolitik wird mehr Konsolidierung brauchen.“, stellte Präsident Günther Benz anlässlich der Vorstellung der Denkschrift des Rechnungshofs in Stuttgart fest.
Das Jahr 2019 markiert das Ende einer langen konjunkturellen Hochphase mit stetig steigenden Steuereinnahmen.
Das Land konnte 2019 noch 1 Mrd. Euro an alten Krediten tilgen und weitere 2,1 Mrd. Euro zum Abbau sogenannter impliziter Schulden bereitstellen. Den Urhaushalt 2020/21 konnte es ohne neue Schulden planen. Darüber hinaus konnten, nicht zuletzt mit Überschüssen aus 2019, weitere Mittel in Rücklagen eingestellt werden, insbesondere in die Rücklage für Haushaltsrisiken. Aufgrund der absehbaren konjunkturellen Entwicklung wies die Mittelfristige Finanzplanung bereits zum damaligen Zeitpunkt für die Jahre 2022/23 einen Konsolidierungsbedarf von 1,2 Mrd. Euro aus, wollte man ohne neue Schulden auskommen.
Die Covid-19-Pandemie hat allerdings diese Planungen obsolet gemacht. Beschlossene und weitere Maßnahmen zu deren Bekämpfung erhöhen die Ausgaben, während gleichzeitig die Einnahmen drastisch sinken.
Im März wurde eine Nettokreditaufnahme von bis zu 5 Mrd. Euro beschlossen. Die frühzeitige Bereitstellung von Mitteln zur Bewältigung der Krise war richtig und wichtig. Sie ist durch die Ausnahmeregelung der Schuldenbremse zu Naturkatastrophen gedeckt. Allerdings umfasst die Schuldenbremse auch die verfassungsrechtlich verankerte Verpflichtung zur Tilgung dieser Kredite innerhalb eines angemessenen Zeitraums. Der beschlossene Tilgungsplan sieht die Rückzahlung binnen zehn Jahren in Raten von jeweils 500 Mio. Euro vor, beginnend ab 2024. Richtig und finanzpolitisch konsequent war auch, die Haushaltsrücklage in Höhe von 1,2 Mrd. Euro für in Folge der Krise notwendige Sofortmaßnahmen zusätzlich zu mobilisieren.
Auf der Einnahmenseite prognostiziert die Mai-Steuerschätzung aufgrund des pandemiebedingten Konjunktureinbruchs für die Jahre 2020/21 Steuerausfälle von insgesamt 6,8 Mrd. Euro. Nach der Frühjahrsprognose der Bundesregierung würde die Schuldenbremse eine konjunkturbedingte Kreditaufnahme von 7,2 Mrd. Euro erlauben.
Über einen weiteren Nachtragshaushalt, weitere Hilfen des Landes und damit über eine weitere Kreditaufnahme soll nach der Interims-Steuerschätzung im September entschieden werden. Dies ist mit Blick auf eine bessere Einschätzung der ohnehin schwierigen Konjunkturlage konsequent. Es ist mit Blick auf eine gegebenenfalls notwendige weitere Unterstützung durch das Land vertretbar, zum einen, da nun das Konjunkturprogramm des Bundes greift, zum anderen, da der verfügbare Finanzrahmen des Landes in Höhe von 6,2 Mrd. Euro noch Handlungsspielräume für weitere Maßnahmen hat.
Klar ist: die Bewältigung der Pandemie und deren Auswirkungen hat Priorität. Klar ist auch: die Folgen werden die Haushalts- und Finanzpolitik des Landes für 2020/21 und darüber hinaus prägen. Was in den zurückliegenden Jahren die Einhaltung der Übergangsregelung zur Schuldenbremse und eine teilweise Tilgung von Altschulden ermöglicht hat, nämlich ausnehmend gute Steuereinnahmen über einen langen Zeitraum hinweg, kann für die nächste Zukunft nicht als selbstverständlich unterstellt werden. Vielmehr verpflichten die neuen Kredite auch zu konsequenter Konsolidierung auf der Ausgabenseite. Mit dem üblichen Repertoire pauschaler Einsparvorgaben wird diese Herausforderung nicht zu bewältigen sein. Es werden inhaltliche Prioritäten und strukturelle Maßnahmen auf der Ausgabenseite notwendig werden. Dabei geht es nicht ums Sparen in der Krise. Sondern es geht darum, sich wieder die finanzpolitische Handlungsfähigkeit für die Zukunft zu sichern, welche das entschlossene Handeln jetzt ermöglicht hat.
Vor der Aufnahme neuer Kredite sollten, um diese möglichst zu begrenzen, Einsparungen und Umschichtungsmöglichkeiten im Haushalt geprüft werden. Hier liegt beispielsweise nahe, die extrem stark gestiegenen Ausgabenreste in den Blick zu nehmen. Nicht abgeflossene Mittel, die auf eine durchaus großzügige Etatisierung zurückgehen, könnten für Maßnahmen der Corona-Folgen-Bekämpfung genutzt werden.
Die Schuldenbremse des Landes, gerade erst eingeführt, hat in der Krise sachgerechte Lösungen ermöglicht. Sie wird sich auch auf Dauer bewähren. Sie wurde eingeführt, um der in den zurückliegenden Jahrzehnten ungebremst steigenden Verschuldung der öffentlichen Haushalte entgegenzuwirken, auch mit dem Blick auf die Belastung der kommenden Generation. Dieses Ziel der Schuldenbremse gilt nach wie vor. Der für die Kredite von 5 Mrd. Euro beschlossene Tilgungszeitraum von zehn Jahren trägt dem Rechnung.