Rechnungshofpräsident Munding fordert Trendumkehr in der Haushaltspolitik: "Gestalten ohne Schulden"

  • Konsolidierung muss primäres Ziel der Finanzpolitik bleiben
  • Rechnungshof legt Ergebnisbericht 2010 vor und zieht Bilanz seiner Tätigkeit

Karlsruhe: „Die Wirtschaft hat sich schneller erholt als gedacht und die Steuereinnahmen übertreffen die ursprünglichen Prognosen. Trotzdem muss die Haushaltskonsolidierung vorrangiges Ziel der Finanzpolitik bleiben“, so Max Munding, der Präsident des Rechnungshofs Baden-Württemberg anlässlich der Veröffentlichung des Ergebnisberichts 2010 seiner Behörde in Karlsruhe.

Er befürwortet die Absicht der Landesregierung und der Fraktionen des Landtags, die Steuermehreinnahmen zur Reduzierung der für 2010/2011 vorgesehenen Kreditaufnahme von 4,7 Milliarden Euro einzusetzen.

Diese positive Entwicklung dürfe kein Signal dafür sein, den dringend gebotenen Sparkurs zu verlassen oder gar zusätzlichen Ausgabewünschen nachzugeben. Dies gelte umso mehr, als auch nach den für 2012 prognostizierten Steuereinnahmen der Stand des Steueraufkommens von 2008 noch nicht erreicht werde.

In der neuen Legislaturperiode müssen nach Auffassung von Präsident Munding zwei Schwerpunkte eine nachhaltige Finanzpolitik prägen: In der ersten Hälfte sei es erforderlich, das strukturelle Defizit im Landeshaushalt zu beseitigen und die in der mittelfristigen Finanzplanung klaffende Deckungslücke zu schließen. Insgesamt gehe es dabei um ein Volumen von 2 bis 3 Milliarden Euro pro Jahr. In der zweiten Hälfte könne dann begonnen werden, die bis dahin neu aufgenommenen Kredite zu tilgen, die den 2008 in der Landeshaushaltsordnung verankerten Schuldendeckel von 41,7 Milliarden Euro überschreiten. „Wir brauchen eine Trendumkehr: Gestalten ohne Schulden ist gefragt“, so der Präsident.

Heute legt der Rechnungshof seinen zweiten Ergebnisbericht vor. Er enthält alle Denkschriftbeiträge, Beratenden Äußerungen und Sonderberichte, die in der Zeit vom 01.07.2008 bis zum 30.06.2010 abschließend parlamentarisch behandelt worden sind. Daraus geht hervor, wie der Landtag die Empfehlungen des Rechnungshofs aufgenommen und welche Maßnahmen er der Landesregierung empfohlen hat. Der Rechnungshof zieht bei den jeweiligen Themen ein Fazit, wie die Landesregierung die Empfehlungen umgesetzt hat und welche Wirkungen erreicht wurden.

Nicht in allen, aber in vielen Fällen bewirkte der Rechnungshof Veränderungen:

  • Das Statistische Landesamt hat 25 Prozent seines Personalbestandes abgebaut, seine Organisation gestrafft und die Wirtschaftlichkeit der Statistik verbessert (S. 37 des Ergebnisberichts).
  • Bei der Landesanstalt für Kommunikation hat der Rechnungshof eine engere bundesweite Zusammenarbeit der Anstalten untereinander angestoßen. Der Anteil der Landesanstalt für Kommunikation am Gebührenaufkommen wurde gesenkt (S. 28).
  • In einer Reihe von Fällen haben die Vorschläge zu Gesetzesinitiativen und Rechtsänderungen geführt: So hat das Land im Dienstrechtsreformgesetz die Trennung der Versorgungssysteme eingeführt (S. 23). Vorschläge des Rechnungshofs zur Beratungshilfe wurden über den Bundesrat in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht (S. 35).
  • In den Nachfolgeregelungen zum Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz sollen die Vorschläge zur Bedarfsorientierung, zu Pauschalierungen und Festbetrags-Förderungen einfließen (S. 44).
  • Die Prüfung des Landesverwaltungsnetzes hat zu Aufgabenbündelungen geführt. Mit der Beratenden Äußerung vom August 2009 hat der Rechnungshof dafür gesorgt, dass die Neuausrichtung der IuK-Strukturen auf der politischen Agenda bleibt (S. 24).

In einer Reihe von Fällen konnte sich der Rechnungshof mit seinen Empfehlungen bislang noch nicht durchsetzen.

  • Zu der vorgeschlagenen Zusammenlegung von Einrichtungen der Wirtschaftsförderung konnte sich die Landesregierung nicht durchringen, sondern begnügte sich mit einer stärkeren Zusammenarbeit dieser Einrichtungen (S. 39).
  • Entgegen den Empfehlungen des Rechnungshofs hat das Finanzministerium ÖPP-Projekte und Eigenrealisierung von Bauvorhaben nicht alternativ im Landeshaushalt veranschlagt. In der Wirtschafts- und Finanzkrise mussten vorgesehene ÖPP-Projekte mangels Investorenfinanzierung zurückgestellt werden (S. 54).
  • Die Zahl der Unternehmensbeteiligungen der Universitätsklinika hat sich in den letzten Jahren deutlich erhöht, obwohl der Rechnungshof einen zurückhaltenderen Kurs angemahnt hatte. Im Zuge des geplanten Universitätsmedizingesetzes besteht jetzt die Gelegenheit, aufgabenorientierte Vorgaben für die Beteiligungspolitik der Universitätsklinika zu machen (S. 58).

Im Berichtszeitraum hat der Rechnungshof außerdem die Haushaltsführung des SWR beleuchtet (S. 27) und die Zuwendungen an die Fraktionen geprüft (S. 26). Mit einer Stellungnahme zum Ausbau des Oberrheins hat die Finanzkontrolle zur Entscheidungsfindung der Landesregierung beigetragen (S. 72). Zur Tourismus Marketing GmbH hat der Rechnungshof dem Wirtschaftsministerium Hinweise zur Zuwendungspraxis gegeben (S. 71).

Der Ergebnisbericht 2010 ist auf der Internetseite des Rechnungshofs abrufbar. Außerdem hat der Rechnungshof auf seiner Internetseite ein „Dauer-Reporting“ eingerichtet. Hier ist die parlamentarische Behandlung aller Denkschriftbeiträge, Beratenden Äußerungen und Sonderberichte seit 2006 mit den zugehörigen Landtagsdrucksachen und Plenarprotokollen aus der Parlamentsdokumentation des Landtags lückenlos und stets aktualisiert dargestellt (zu finden unter: Archiv, „Was wurde aus den Beiträgen der Denkschriften/Beratenden Äußerungen“).