Rechnungshof stellt erheblichen Sanierungsbedarf bei Universitätsgebäuden fest
- Zur Sicherung von Forschung und Lehre im Land ist eine konsequente und zeitnahe Beseitigung des Sanierungsstaus erforderlich.
- Trotz aller Sparzwänge sollte das Sanierungsprogramm von künftigen Mittelkürzungen ausgenommen werden, um irreparable Schäden und aufwendige Generalsanierungen zu vermeiden.
- Die Universitäten sollten eine finanzielle Mitverantwortung übernehmen.
Karlsruhe/Stuttgart: Der Rechnungshof Baden-Württemberg hat einen erheblichen Sanie-rungsbedarf bei den Universitätsgebäuden des Landes festgestellt. Rund 2 Mrd. € müssen nach einer Untersuchung der Karlsruher Kontrollbehörde in den nächsten 10 Jahren in die Bestandserhaltung investiert werden. „Nur eine konsequente und zeitnahe Sanierung des vorhandenen Gebäudebestandes kann das hohe Niveau von Forschung und Lehre an baden-württembergischen Universitäten weiterhin sicherstellen und Steigerungen zulassen“, betonen die Finanzkontrolleure. Dabei sprechen sie eine Reihe von Empfehlungen zur kostengünstigen Umsetzung des erforderlichen Sanierungsprogramms aus.
Der Rechnungshof legte heute dem Landtag und der Landesregierung eine beratende Äußerung vor, in der die Dringlichkeit der Sanierung und Erhaltung des umfangreichen Gebäude-bestands der neun baden-württembergischen Universitäten erläutert sowie Möglichkeiten einer kostengünstigen Umsetzung der Sanierungsaufgabe aufzeigt werden. Die Finanzkontrolleure überprüften die Bauten der Universitäten des Landes in Freiburg, Heidelberg, Ho-henheim, Karlsruhe, Konstanz, Mannheim, Stuttgart, Tübingen und Ulm mit Ausnahme der vier Universitätskliniken. Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass trotz jährlicher Investitionen in Höhe von rund 90 Mio. € viele der in den 60er- und 70er-Jahren errichteten Baulichkeiten heutigen Anforderungen nicht mehr genügen. Bei manchen Gebäuden könne der Betrieb nur noch durch Notmaßnahmen wie Fassadenschutzgerüste oder Notbedachungen aufrecht erhalten werden. In vielen naturwissenschaftlichen Instituten seien die Heizungs- und Lüftungsanlagen sowie die sanitären Anlagen und Laboreinrichtungen verbraucht und müssten erneuert werden. Manchen Gebäuden drohe sogar die Zwangsschließung durch die Baurechtsbehörden, weil heutige Sicherheitsstandards wie z.B. Brandschutzvorrichtungen fehlten.
Die Ursache für den angestauten Sanierungsbedarf sieht der Rechnungshof darin begründet, dass die Priorität in den letzten 30 Jahren beim Aus- und Neubau der Universitätsgebäude lag und dabei oft werden konnte, obwohl sich die Zahl der an den hiesigen Universitäten Studierenden in den letzen 30 Jahren auf rund 125.000 verdoppelt hat. Allein in den 90er-Jahren erhöhte sich die Hauptnutzfläche der Universitäten um mehr als 20% auf 1,8 Mio. m². Mit diesem Zuwachs an Gebäuden und technischen Einrichtungen konnten die jährlich für die bauliche Unterhaltung zur Verfügung gestellten Mittel nicht mithalten. Statt der durchschnittlich jährlich aufgewendeten 0,8 % der Gebäudewerte wären nach Berechnungen des Rechnungshofs mindestens 1,5 % erforderlich gewesen, um die Bausubstanz zu erhalten. Nach Ansicht der Finanzkontrolleure ist es nun dringend geboten, die für den Hochschulbau zur Verfügung stehenden Mittel des Bundes und des Landes auf die Sanierung zu konzentrieren. Das erforderliche Sanierungsprogramm sollte innerhalb der nächsten 10 Jahren abgearbeitet werden, um irreparable Schäden zu vermeiden. Der Rechnungshof geht dabei von einem geschätzten Sanierungsbedarf von etwa 2 Mrd. € aus.
Die Karlsruher Finanzkontrolleure empfehlen, die Unterhaltung und Instandsetzung der Gebäude von den allgemeinen Mittelkürzungen auszunehmen, da sich sonst die ohnehin schon bestehenden Schäden potenzieren würden. Bei der Umsetzung des Sanierungsprogramms sollten alle Kosteneinsparpotenziale ausgeschöpft werden. Neben einer kritischen Überprüfung des Flächenbedarfs sollte ein aktives Immobilienmanagement dafür sorgen, dass notwendige Neubauten nur noch dann errichtet werden, wenn an anderer Stelle Flächen aufgegeben werden. Der Rechnungshof regt außerdem an, den Universitäten finanzielle (Mit-) Verantwortung für ihre Flächen- und Raumqualitätsanforderungen zu übertragen. Sie sollten sich künftig – innerhalb eines zu definierenden Budgets – mit eigenen Mitteln an den Unterhalts- und Sanierungskosten beteiligen. Eine Alternative auf dem Weg zu dieser Mitverantwortung sieht der Rechnungshof in der Einführung des Vermieter-Mieter-Modells, das zumindest pilotweise erprobt werden sollte. Danach leisten die Universitäten als „Mieter“ Entgeltzahlungen für die Inanspruchnahme der Gebäude, während der Landesbetrieb Vermögen und Bau als „Vermieter“ aus den Entgeltzahlungen die Sanierungs- und Bauunterhaltungsleistungen erbringt und finanziert. Das stärkere Einbeziehen der Universitäten in die Mittelbewirtschaftung und Prioritätensetzung lasse insgesamt einen wirtschaftlicheren Umgang mit der teuren Ressource „Gebäude“ erwarten und verstärke den Druck zur Veräußerung entbehrlicher Liegenschaften.
Die Landesregierung hat inzwischen die Brisanz des Themas erkannt und Schritte zur Umsetzung eines Sanierungsprogramms in die Wege geleitet. „Das Land ist auf dem richtigen Weg. Jetzt müssen die erforderlichen Sanierungsprogramme aber auch zügig und konsequent umgesetzt werden. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass das hohe Niveau von Forschung und Lehre an den baden-württembergischen Universitäten auf lange Sicht spürbar abfällt,“ betonen die Finanzkontrolleure bei der Vorstellung ihrer beratenden Äußerung. Vergleichbare Probleme sieht der Rechnungshof bei den weiteren Hochschulen und auch beim sonstigen Gebäudebestand des Landes.