Rechnungshof sieht erhebliche Unsicherheiten bei der Finanzierung von großen Nahverkehrsprojekten im ganzen Land
- Beratende Äußerung des Rechnungshofs zur „Förderung von großen Infrastrukturvorhaben im öffentlichen Personennahverkehr“ vorgelegt
- Unsichere Zuschüsse des Bundes und fehlende Priorisierungen sorgen für Finanzierungsrisiken bei landesweit 24 Nahverkehrsprojekten
- Rechnungshof empfiehlt, weitere Investitionszusagen bei großen Infrastrukturprojekten der Kommunen und der Bahn im Nahverkehr vorläufig zurückzustellen
Karlsruhe/Stuttgart: In einer aktuellen Beratenden Äußerung an die Landesregierung und den Landtag befürchtet der Rechnungshof erhebliche Unsicherheiten bei der Finanzierung großer Nahverkehrsprojekte im Land. So seien für den Ausbau von S-, Stadt- und U-Bahnen landesweit jährliche Bundeszuschüsse von rund 150 Millionen Euro eingeplant, tatsächlich zur Verfügung stünden jedoch nur Mittel von 50 bis 100 Millionen Euro je Jahr. „Mögliche Finanzierungslücken müssten entweder durch die dringend gebotene Weiterführung des aktuell nur bis 2019 laufenden Bundesprogramms geschlossen oder ansonsten durch die kommunalen Vorhabenträger gefüllt werden“, beschreibt Rechnungshofpräsident Max Munding das sich abzeichnende Risiko für die öffentlichen Haushalte im Südwesten.
Hintergrund der Beratenden Äußerung des Rechnungshofs ist die Bezuschussung von Großvorhaben im öffentlichen Personennahverkehr mit einem Volumen von mehr als 50 Millionen Euro nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) des Bundes. An den zuwendungsfähigen Ausgaben beteiligen sich der Bund dabei mit bis zu 60 Prozent, das Land mit 20 Prozent und der Vorhabenträger mit mindestens 20 Prozent. Bis 2019 stellt der Bund hierzu jährlich 333 Millionen Euro für alle Länder zur Verfügung, deren konkrete Verteilung jedoch von Jahr zu Jahr schwankt. Die Fertigstellung der jeweiligen Projekte ist unabhängig vom jährlichen Fördervolumen durch die Länder sicherzustellen. Werden Projekte nicht beendet, drohen Rückzahlungsforderungen des Bundes.
Insgesamt will das Land derzeit 24 Einzelprojekte durch Mittel aus dem laufenden GVFG-Programm des Bundes bezuschussen lassen, darunter beispielsweise der Ausbau der Stadtbahnen in Stuttgart, Karlsruhe, Mannheim, Freiburg und Heilbronn. Bislang fehlte hierbei jegliche Priorisierung für den Fall zu gering ausfallender Fördersummen. Das zuständige Ministerium für Verkehr und Infrastruktur hat jedoch auf die Beratende Äußerung des Rechnungshofs hin inzwischen zugesagt, die bewilligten Vorhaben nunmehr zu priorisieren und die Bundesfinanzhilfen anhand definierter Kriterien auf die einzelnen Vorhaben aus Baden-Württemberg zu verteilen. Nach Auffassung des Rechnungshofs ist hierbei Eile geboten, da schon 2014 der Finanzierungsbedarf im Land die zur Verfügung stehenden Bundesmittel übersteigen dürfte.
Für die Zukunft rät der Rechnungshof zudem, die Aufnahme weiterer Projekte in das laufende GVFG-Programm zurückzustellen. „Jede neue Maßnahme verringert die zur Verfügung stehenden Mittel für bereits bewilligte und begonnene Projekte und erhöht damit das Ausfallsrisiko für die Kommunen“, so der zuständige Rechnungshofdirektor Armin-Hagen Berberich. Weitere Investitionszusagen für große Infrastrukturprojekte der Kommunen und der Bahn im Nahverkehr seien erst dann empfehlenswert, wenn der Bund über ein Anschlussprogramm nach 2019 entschieden habe.
Die sich aus dem GVFG-Programm ergebenden Unsicherheiten offenbaren aus Sicht von Rechnungshofpräsident Max Munding darüber hinaus ein grundsätzliches Problem: „Das Geflecht der derzeitigen Bund-Länder-Finanzbeziehungen ist nicht ohne Weiteres durchschaubar. Bund und Länder stehen deshalb unverändert vor der Aufgabe, ihre Finanzbeziehungen grundlegend neu zu ordnen. Dem Charakter ihrer Eigenstaatlichkeit gemäß sollten sich die Länder dabei auf den Ansatz der Föderalismuskommission zurückbesinnen und für eine Entflechtung der Finanzbeziehungen eintreten. Dann könnte jede Ebene ihre Aufgaben wieder in eigener Verantwortung erfüllen.“