Rechnungshof: Mehr politische Aufmerksamkeit für die Informations- und Kommunikationstechnik im Land - Neuausrichtung erforderlich

  • Organisation der Informations- und Kommunikationstechnik (IuK) im Land stark zersplittert; zentrale Steuerung fehlt
  • Rechenzentren und Dienstleistungen in einem Systemhaus zusammenführen und einem Gesamtverantwortlichen unterstellen
  • 40 Mio. Euro jährlich könnten eingespart werden

Karlsruhe: Der Rechnungshof hat der Landesregierung und dem Landtag seine Beratende  Äußerung

„Neuausrichtung der Organisation der Informations- und Kommunikationstechnik (IuK)  in der Landesverwaltung“

vorgelegt. Der Bericht enthält eine umfassende Bestandsaufnahme der Informations- und Kommunikationstechnik, ausgenommen war nur der Wissenschaftsbereich.

Das Land wendet für seine 2.300 IuK-Bediensteten 183 Mio. Euro für Personalausgaben auf. Hinzu kommen Sachausgaben von 200 Mio. Euro. Diese Beträge sind im Staatshaushaltsplan besonders ausgewiesenen. Darüber hinaus werden IuK-Ausgaben aus einer Vielzahl unter-schiedlicher Haushaltstitel finanziert. Deshalb weiß das Land selbst nicht, wie viel es insgesamt für IuK-Technik und IuK-Personal ausgibt. Realistische Schätzungen gehen von jährlich rund 500 Mio. Euro aus. „Das Land muss insgesamt mehr Aufmerksamkeit auf seine IuK richten“, so der Präsident des Rechnungshofs Max Munding. Die Personalkosten für das eingesetzte IuK-Personal sind sogar höher als die Personalaufwendungen für die Geschäftsbereiche des Sozialministeriums und des Umweltministeriums. Die Sachausgaben liegen deutlich höher als die Aufwendungen für den Landesstraßenbau in der Vergangenheit.

„Die IuK-Technik ist ein unersetzliches, aber auch teures Werkzeug für die Verwaltung. Gerade deshalb muss das Land mit den Mitteln sparsam umgehen und die IuK so organisieren, dass die Kosten transparent bleiben und die knappen Ressourcen wirtschaftlich eingesetzt werden. Diesen beiden Kriterien wird die IuK-Organisation des Landes nicht gerecht; Änderungs-bemühungen der Regierung sind ins Stocken geraten“, resümierte Rechnungshofdirektorin Ria Taxis. Eine IuK-Neuorganisation sei daher überfällig.

Die Organisation der Informations- und Kommunikationstechnik ist stark zersplittert. Das Land betreibt zwei Rechenzentren  sowie mehrere größere IuK-Einrichtungen in verschiedenen Be-hörden. Die Hälfte der 4.500 betriebenen Server ist über das ganze Land verstreut. Die beiden Rechenzentren nehmen teilweise Parallelaufgaben wahr. Die Behörden müssen für viele Leistungen der Rechenzentren keine Kosten ersetzen. Daher ist der Sparsamkeitsgedanke auf beiden Seiten nicht sehr ausgeprägt. Einerseits werden Wünsche der Fachverwaltungen und sonstiger Leistungsempfänger nicht genug auf Notwendigkeit hinterfragt. Andererseits müssen sich die Rechenzentren nicht dem Wettbewerb stellen. Auch sind ihre Buchführungssysteme so unterschiedlich ausgestaltet, dass ein landesinterner Vergleich kaum möglich ist. Außerdem gab es   Anhaltspunkte, dass die Rechenzentren zumindest für einige Dienste im Vergleich zu externen Anbietern zu teuer sind. Die Fachverwaltungen unterhalten zur Entwicklung und Pflege von mehr als 500 Fachverfahren   Einrichtungen, die durchaus den Charakter von Softwarehäusern haben. In diesen setzt das Land häufig eigenes Verwaltungspersonal ein, das mit   entsprechend langem Vorlauf fortgebildet werden muss. Trotzdem ist in vielen Fällen externe Unterstützung zur Entwicklung von Fachverfahren erforderlich. Dies führt dazu, dass die Fachverfahren auf einer Vielzahl  von unterschiedlichen Methoden und Techniken basieren.

Daneben weist der Rechnungshof auf die unzureichende Steuerung   übergreifender IuK-Aufgaben hin. Im Gegensatz zu anderen Ländern fehlt   in Baden-Württemberg ein Gesamtver-antwortlicher für die Informations- und Kommunikationstechnik. Der Landessystembeauftragte kann lediglich   auf die Einhaltung unverbindlicher Standards achten und verfügt nicht   über eigene Haushaltsmittel. Die Ressorts können ihre IuK-Vorhaben auch ohne seine Zustimmung durch-führen und frei gestalten. Ein übergreifendes IuK-Controlling befindet sich erst im Anfangs-stadium. Auch die IuK-Gremien des Landes haben keine Entscheidungskompetenz.

Der Rechnungshof fordert eine grundlegende Neuausrichtung der IuK-Organisation im Land. Es bestehe akuter Handlungszwang. Die derzeitige Struktur sei zu teuer. Die Höhe der möglichen Einsparungen hänge allerdings davon ab, ob, in welchem Umfang und wie schnell die Landes-regierung die Vorschläge des Rechnungshofs umsetzte. Mögliche Einsparungen seien nicht sofort, sondern nur in Stufen realisierbar. In der Endstufe der Umsetzung seien Einsparungen von 40 Mio. Euro jährlich möglich. Allerdings dürfe auch nicht verkannt werden, dass eine Ver-besserung des IuK-Managements ebenso wie die stetige Anpassung der technischen Ausstattung wiederum Finanzmittel erfordern würden.

Mindestens so wichtig wie die Realisierung dieses Einsparpotenzials sei, so Präsident Munding, eine stringente Steuerung der IuK-Kosten in der Zukunft, weil sonst bei den kurzen Lebenszyklen der Hard- und Software sowie der weiter wachsenden Bedeutung der IuK-Technik in den nächsten Jahren die Gefahr besteht, dass die IuK-Kosten aus dem Ruder laufen.

Das Konzept des Rechnungshofs fordert deshalb einen Gesamtverantwortlichen für die IuK der Landesverwaltung mit ausreichendem Budget und personeller Ausstattung zulasten der Ressorts. Die Ausgaben für ressortübergreifende Verfahren, Dienste und zentrale Beschaffung sollten zentral veranschlagt und von dem Gesamtverantwortlichen bewirtschaftet werden. Außerdem fordert der   Rechnungshof eine Standardisierung der Vorgehensweise zur Verfahrensent-wicklung. Die Vielzahl der vorhandenen IuK-Diensteanbieter müssten konsolidiert und im Endausbau in ein Systemhaus mit mehreren Betriebsstätten überführt werden, wie das andere Länder bereits getan haben oder planen. Der Rechnungshof geht davon aus, dass eine solche organisatorische Lösung nicht in einem Schritt erreichbar sein wird und die Umsetzung seines Konzeptes mehrere Jahre in Anspruch nehmen wird.

Die Verwirklichung der Vorschläge darf sich nicht auf die organisatorischen, haushaltsmäßigen und informationstechnischen Aspekte beschränken. Die verwaltungskulturellen Voraussetzungen müssen   gleichermaßen in das Blickfeld genommen werden. Nicht die Eigenlösung um jeden Preis, sondern fachbereichs- und ressortübergreifende   Zusammenarbeit sind gefordert, ebenso die prozesshafte Integration von Fach- und IT-Anforderungen. „Zusammenarbeit statt Abschot-tung, Abstimmung statt Sonderwege sind angesagt“, so Präsident Munding.

Trotz der Notwendigkeit einer klaren Zielausrichtung komme es jetzt darauf an, dass die Ressorts sich nicht in der Diskussion über die übernächsten Schritte verzetteln und zerstreiten, sondern als nächste Schritte die Maßnahmen zügig angehen, für die bereits eine hinreichende Akzeptanz bestehe und die auch Voraussetzung für die weiterführenden Maßnahmen seien. Dazu zählen unter anderem

-    bessere Steuerungs- und Kosteninformationen,

-    die interne Konsolidierung der beiden Rechenzentren mit weiterer Bündelung in den  eigenen Ressortbereichen des Innenministeriums und des Finanzministeriums,

-    die Zusammenführung im Bereich der Server,

-    eine Verbesserung des Beschaffungswesens und

-    die Konzentration von Basisdiensten.