Rechnungshof: Kostenexplosion bei der rechtlichen Betreuung dämpfen

  • Dramatischer Anstieg der Betreuerausgaben von 0,3 Mio. Euro (1992) auf 44 Mio. Euro (2008) 
  • Reform der Berufsbetreuervergütung führte zu erheblichen Mehrausgaben 
  • Einsparungen von 10 Mio. Euro jährlich ohne Qualitätseinbußen möglich 
  • Verstärkt für Vorsorgevollmachten werben und mehr ehrenamtliche Betreuer gewinnen

Karlsruhe: Der Rechnungshof hat am 20.05.2009 der Landesregierung und dem Landtag seine Beratende Äußerung

„Rechtliche Betreuung“

vorgelegt. Darin geht der Rechnungshof der Frage nach, wie die Kostenexplosion bei der rechtlichen Betreuung gestoppt werden kann.

Die demographische Entwicklung und die zunehmende Verrechtlichung vieler Lebensbereiche führen dazu, dass die Zahl der Personen, für die eine rechtliche Betreuung notwendig ist, weiter zunehmen wird. In Baden-Württemberg hat sich die Zahl der betreuten Personen seit 1992 von 40.000 auf über 100.000 erhöht. Die Ausgaben des Landes hierfür sind in diesem Zeitraum von 0,3 Mio. Euro auf 44 Mio. Euro angestiegen. Die 2005 eingeführte pauschale Berufsbetreuervergütung trug zu dem kräftigen Kostenschub erheblich bei. „Aufgabe des Landes ist es, eine gute Betreuung sicher zu stellen und die ungebremste Kostendynamik in den Griff zu bekommen“, so der Präsident des Rechnungshofs Max Munding. Dazu sei es unter anderem notwendig, verstärkt für Vorsorgevollmachten zu werben und mehr ehrenamtliche Betreuer einzusetzen. Dadurch könnten die Ausgaben um 10 Mio. Euro gesenkt werden.

Wer seine Rechtsgeschäfte nicht selbst besorgen kann, für den bestellt das Vormundschaftsgericht einen Betreuer. Dies ist nicht erforderlich, wenn die Person rechtzeitig mit einer Vorsorgevollmacht einen Dritten beauftragt, die Rechtsgeschäfte für sie wahrzunehmen. Wird eine Betreuung notwendig, sollen grundsätzlich ehrenamtliche Betreuer bestellt und die Betreuerkosten vom Betreuten selbst getragen werden. Tatsächlich werden jedoch in Baden-Württemberg zu einem Drittel teure Berufsbetreuer eingesetzt. Bei 75 % aller Betreuten trägt der Staat die Kosten, weil diese Personen mittellos sind.

2005 wurde die Pauschalvergütung für Berufsbetreuer eingeführt. Diese trug einerseits zu einer erheblichen Steigerung der Landesausgaben bei. Andererseits haben die Berufsbetreuer durch die Pauschalierung einen deutlich geringeren Verwaltungsaufwand. Rechnungshofdirektor Dr. Martin Willke fordert deshalb, dass die Länderhaushalte an dieser Verwaltungsvereinfachung partizipieren sollen und die Berufsbetreuervergütung um 4 % gesenkt wird. In Baden-Württemberg könnten dadurch 1,5 Mio. Euro eingespart werden.

Ehrenamtliche Betreuer würden leichter zusätzliche Betreuungen übernehmen, wenn der Bund die Steuerfreiheit der Aufwandsentschädigung ausweiten würde. Diese Forderung der Länder hat der Bundestag bislang nicht umgesetzt. Deshalb müssen zu viele teure Berufsbetreuer eingesetzt werden. „Wer beim Ehrenamt knausert, spart an der falschen Stelle und zahlt an anderer Stelle ein Vielfaches drauf“, sagte Rechnungshofpräsident Munding. Dies gelte insbesondere dort, wo ehrenamtliche Arbeit öffentliche Haushalte entlaste.

Baden-Württemberg hat zwar die niedrigsten Betreuerausgaben im Ländervergleich. Das Betreuungsrecht wird jedoch im badischen und im württembergischen Rechtsgebiet sehr unterschiedlich angewandt. Die Ausgaben im württembergischen Rechtsgebiet sind um 45 % niedriger. Die württembergischen Amtsnotare wirken traditionell stärker darauf hin, Vorsorgevollmachten zu erteilen. Dadurch werden Betreuungen vermieden. Weitere Einsparungen könnten erzielt werden, wenn weniger Berufsbetreuer bestellt würden.

Der Rechnungshof hat für das badische und das württembergische Rechtsgebiet Zielgrößen in der Rechtsanwendung empfohlen, mit denen die Betreuerausgaben des Landes um 10 Mio. Euro gesenkt werden könnten. Bei der von der Landesregierung 2018 vorgesehenen Notariatsreform dürfen die bisherigen Kostenvorteile im württembergischen Rechtsgebiet nicht verloren gehen. Für Betreuungen sind dann, wie im übrigen Bundesgebiet, die Amtsgerichte zuständig.

Betreuungsvereine haben die Aufgabe, ehrenamtliche Betreuer zu gewinnen und zu begleiten. Das Land zahlt an 70 Betreuungsvereine jährliche Zuschüsse von 1,1 Mio. Euro. Laut Rechnungshofdirektor Dr. Willke bieten die derzeit gewährten Festbetragszuschüsse den Vereinen keinen finanziellen Anreiz, weitere ehrenamtliche Betreuer zu gewinnen. Der Rechnungshof schlägt vor, die Landesförderung umzustellen und eine zusätzliche Förderung für neu gewonnene ehrenamtliche Betreuer einzuführen.

Unabhängig davon ist es laut Rechnungshof notwendig, durch Informationen und Werbung darauf hinzuwirken, dass mehr Menschen rechtzeitig einer Person ihres Vertrauens eine Vorsorgevollmacht erteilen. Dadurch würde nicht nur eine teure Betreuung vermieden, sondern auch die Selbstbestimmung des Betroffenen besser gewahrt.

Das Justizministerium beabsichtigt, die Erkenntnisse des Rechnungshofs in die bundesweite Diskussion über die Betreuervergütung einzubringen. Auch die vom Rechnungshof vorgeschlagene Umstellung der Landesförderung für die Betreuungsvereine wird vom Ministerium für Arbeit und Soziales begrüßt.