Rechnungshof: Gute Wirtschaftslage zur Konsolidierung und zum Schuldenabbau nutzen

  • Ausgeglichener Haushalt früher möglich als erwartet
  • Rückführung der Schulden auf die gesetzliche Obergrenze beginnen
  • Ausgabendynamik durch neue Stellen stoppen

Karlsruhe/Stuttgart: Innerhalb nur eines Jahres haben sich die haushaltspoltischen Rahmenbedingungen komplett gewandelt. Die Wirtschaftsinstitute sagen eine gute und stabile Konjunkturentwicklung voraus. Nach der Mai-Steuerschätzung wird das Land 2011 über 1 Mrd. Euro mehr Steuern einnehmen als geplant waren. Die Steuerschätzung im Herbst lässt ein weiteres Steuerplus erwarten. Daher wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, die Schuldendynamik zu stoppen. Die Landesregierung sollte spätestens ab 2012 ausgeglichene Haushalte vorlegen und noch in dieser Legislaturperiode mit dem Abbau der Altschulden beginnen.

„Überraschend schnell ist die Chance zur Konsolidierung des Haushalts wiedergekommen. Diese Chance muss auch genutzt werden. Sonst bleibt nachhaltige Finanzpolitik Wunschdenken“, so Günter Kunz, Vizepräsident des Rechnungshofs, bei der Vorstellung der Denkschrift 2011. „Der Haushalt 2012 wird die Weichen für die Finanzpolitik der kommenden Jahre stellen. Für Landtag und Landesregierung wird er zur Bewährungsprobe für eine nachhaltige Haushaltspolitik. Der Konsolidierungspfad sollte nicht bis 2019, dem Jahr vor Inkrafttreten der bundesrechtlichen Schuldenbremse, gestreckt werden.“

  • Das Land sollte sich in dieser Legislaturperiode konkrete Konsolidierungsziele stecken. Aus Sicht des Rechnungshofs heißt dies:
  • Das Land sollte in dieser Legislaturperiode ohne neue Schulden auskommen. Für ein Verzögern bis 2019 besteht haushaltspolitisch keine Veranlassung.
  • Die Ausgaben des Landes sollten bis Ende der Legislaturperiode die Marke von 37 Mrd. Euro nicht übersteigen.

Es sollte möglichst bald damit begonnen werden, den Schuldenstand auf die gesetzlich vorgeschriebene Obergrenze von 41,7 Mrd. Euro zurückzuführen.
    
Die neu gefasste Landeshaushaltsordnung (LHO) enthält bindende Vorgaben für den Landeshaushalt. Danach ist eine über die gesetzliche Obergrenze hinausgehende Neuverschuldung nur dann zulässig, wenn die (prognostizierten) Steuereinnahmen um mindestens 1 Prozent gegenüber dem Vorjahr sinken oder ein Katastrophenfall vorliegt. Für den Haushalt 2012 dürften diese Voraussetzungen nach den Konjunkturprognosen der Wirtschaftsinstitute nicht vorliegen.

Die LHO fordert zudem für jede Neuverschuldung, die über die gesetzliche Obergrenze hinausgeht, die Aufstellung eines verbindlichen Tilgungsplans. Dieser Tilgungsplan ist derzeit lediglich in der mittelfristigen Finanzplanung des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft enthalten, die keine rechtliche Verbindlichkeit hat. Nach Auffassung des Rechnungshofs kann die rechtliche Verbindlichkeit nur durch Gesetzesform erreicht werden.

Die Deckelung der Ausgaben auf 37 Mrd. Euro ist ein ehrgeiziges, aber realistisches Ziel. Es wird allerdings nicht erreichbar sein, wenn die Personalausgaben in größerem Umfang steigen. Außerdem darf die Tendenz der Stellenvermehrung nicht fortgesetzt werden. Seit 2008 wurden in der Landesverwaltung einschließlich der Landesbetriebe 3.000 neue Stellen geschaffen. Durch den soeben beschlossenen Entwurf für einen 4. Nachtragshaushalt kommen weitere 300 Stellen hinzu. Kunz sagte hierzu: „Nicht Personalvermehrung, sondern Aufgabenkritik und Personalabbau sind gefragt.“

Wie der Rechnungshof in seiner Denkschrift aufzeigt, haben sich die Kreditmarktschulden des Landes in den letzten 20 Jahren von 22 Mrd. Euro auf 45 Mrd. Euro mehr als verdoppelt. Das Land musste im vergangenen Jahr bereits 7,5 Mrd. Euro für Zins- und Tilgungszahlungen bereit stellen. Dies entspricht in etwa einem Fünftel des Landeshaushalts.

Weitere Risiken für den Haushalt ergeben sich aus den Gewährleistungsverpflichtungen des Landes. Seit Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise sind diese Verpflichtungen von gut 10 Mrd. Euro auf etwa 25 Mrd. Euro gestiegen. Darin enthalten ist mit 4,8 Mrd. Euro auch die Gewährleistung für die Neckarpri GmbH zum Erwerb von Anteilen der EnBW AG. Hinzu kommt die ohnehin bestehende Gewährträgerlast für Verbindlichkeiten der LBBW, der L-Bank, der Universitätsklinika und weiterer Anstalten des öffentlichen Rechts.

„Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass Haushalte zumeist in wirtschaftlich guten Jahren ruiniert werden. Wann, wenn nicht in Zeiten guter Steuereinnahmen, sollte mit der Haushaltskonsolidierung begonnen werden?“, fasste Günter Kunz zusammen.