Rechnungshof: Grobe Fehler bei der Förderung von Ganztagsschulen
- Geburtsfehler des Förderprogramms schlagen bei der Bewilligung negativ durch
- Auffällig großzügige und fehlerhafte Vergabe von Zuschüssen
Karlsruhe/Stuttgart: „Bei der Förderung der Ganztagsschulen vergab das Land die Chance, Fördermittel von weit mehr als einer halben Milliarde Euro entsprechend der spezifischen Problemlage in Baden-Württemberg bedarfgerecht, zielgenau und wirtschaftlich einzusetzen“, so Martin Frank, der Präsident des Rechnungshofs Baden-Württemberg, bei der Vorstellung der Denkschrift 2008 vor Journalisten in Stuttgart. „Die konzeptionellen Geburtsfehler des Programms, die wir schon 2005 beanstandeten, wurden mit einer allzu unbürokratischen und fehleranfälligen Bewilligungspraxis fortgesetzt.“
Zur Schaffung einer modernen Infrastruktur im Bereich der Ganztagsschulen hat der Bund im Jahr 2003 das „Investitionsprogramm Zukunft Bildung und Betreuung (IZBB)“ aufgelegt. Baden-Württemberg erhielt hieraus insgesamt 528,3 Mio. € und förderte damit 566 Maßnahmen. Bereits im Jahr 2005 hatten sich die Finanzkontrolleure mit diesem Programm auseinandergesetzt und dabei festgestellt, dass die Fördermittel nach dem „Windhundprinzip“, d. h. sehr ungleichmäßig im Land verteilt worden waren (siehe Denkschrift 2005, Beitrag Nr. 8, S. 68 ff.). Wie sich nun herausstellte, entfielen mehr als die Hälfte der bewilligten Zuwendungen (269 Mio. €) und mehr als ein Drittel der geförderten Maßnahmen (208) auf den Regierungsbezirk Tübingen, obwohl sich dort 2005 nur 19,2 % der allgemein bildenden Schulen des Landes befanden und im Vergleich zu den anderen Regierungsbezirken nur 17,4 % der Schüler unterrichtet wurden.
Mit der erneuten Prüfung wollten die Finanzkontrolleure herausfinden, ob das Kultusministerium die Vorschläge des Rechnungshofs aufgegriffen bzw. umgesetzt hat und inwieweit die Wirkungsziele des IZBB-Programms erreicht wurden. Dazu untersuchten der Rechnungshof und das Staatliche Rechnungsprüfungsamt Tübingen landesweit 74 Maßnahmen mit einem Fördervolumen von 138,5 Mio. €. Mit diesen Mitteln sollten insgesamt mehr als 31.700 Ganztagsplätze neu geschaffen oder bestehende ausgebaut werden. Damit entfielen auf einen Ganztagesplatz durchschnittlich 4.365 €. Wie die Prüfung ergab, waren die Abweichungen von diesem Durchschnittswert eklatant: Die Förderung schwankte zwischen den Extremen von 230 € und 71.000 € für den einzelnen Ganztagsplatz.
Unterschiedlich war auch die Bewilligungspraxis der Regierungspräsidien. Während ein Regierungspräsidium für drei Sporthallen Zuwendungen von mehr als 2,2 Mio. € bewilligte, lehnten die anderen Regierungspräsidien solche Förderungen ab. Bei baugleichen Vorhaben, wie z. B. Kleinspielfelder, lag der Unterschied bei 76 %. Zuwendungen gab es auch für nicht förderfähige Maßnahmen, wie zum Beispiel den Kauf eines Kleinbusses. An der Spitze lag eine Zuwendung in Höhe von 13,5 Mio. € für eine neu gebaute Schule, die auch Ganztagsbetrieb anbietet.
Die Schulträger waren sehr erfindungsreich, um Maßnahmen als dem Förderzweck entsprechend zu deklarieren. So wurde zum Beispiel eine Sportplatztribüne als „grünes Klassenzimmer“ ausgegeben. Auch machten eine Reihe von Schulträgern fehlerhafte Angaben zum Bauvolumen oder zum Verwendungszweck.
Die Finanzkontrolleure mussten feststellen, dass das Kultusministerium weder ein eigenständiges Konzept verfolgte noch inhaltliche Schwerpunkte bei der Förderung setzte. Die lückenhaften Fördervorgaben des Ministeriums setzten sich in einer großzügigen und oft fehlerhaften Praxis der Bewilligungsstellen fort. Nur so ist es zu erklären, dass Kostenschätzungen der Schulträger ohne Vorbehalt übernommen, in unzulässiger Weise Grundstücke, Erschließungskosten, Außenanlagen und die darauf entfallenden Baunebenkosten gefördert und den Berechnungen falsche Flächen- und Kostenrichtwerte zugrunde gelegt wurden. Die beanstandeten Förderfälle summierten sich auf 3,9 Mio. €. Zusätzlich waren wegen veränderter oder nicht umgesetzter Bauausführung Zuwendungen um mindestens 2,9 Mio. € zu hoch festgesetzt.
Für Präsident Frank ist es eine wesentliche Erkenntnis der Untersuchung, „dass bei Förderprogrammen, insbesondere solchen mit hoher finanzieller Ausstattung, mehr als bisher auf die Festlegung überprüfbarer Förderziele und auf die tatsächliche Erreichung der beabsichtigten Wirkungen geachtet werden sollte“.