Rechnungshof fordert Rückkehr zur pauschalen Ausgabenerstattung bei der vorläufigen Unterbringung von Flüchtlingen

  • Rechnungshof legt Beratende Äußerung zur Flüchtlingsaufnahme in Baden-Württemberg vor
  • Bei der Unterbringung von Flüchtlingen sollte die individuelle Bleibeperspektive bzw. der Aufenthaltsstatus stärker berücksichtigt werden
  • Bund, Land und Kommunen müssen stärker kooperieren und den Informationsaustausch verbessern

Karlsruhe/Stuttgart: Der Rechnungshof Baden-Württemberg hat nach einer Prüfung der Landeserstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge dieses Jahr die Organisation sowie die Ausgaben für die Flüchtlingsunterbringung in 22 Stadt- und Landkreisen geprüft. Die Ergebnisse hat er jetzt in seiner Beratenden Äußerung „Flüchtlingsaufnahme in Baden-Württemberg“ zusammengefasst.

Der Präsident des Rechnungshofs, Günther Benz, macht deutlich: „Die Flüchtlingsaufnahme ist zunächst eine humanitäre Aufgabe. Sie ist aber auch eine Management-Aufgabe. Die Sondersituation in der zweiten Jahreshälfte 2015 konnte durch den enormen Einsatz aller Beteiligten beim Land, den Kreisen und den Gemeinden sowie mit Hilfe der zahlreichen Ehrenamtlichen bewältigt werden. Für die Zukunft sieht der Rechnungshof beim Management jedoch Verbesserungspotenziale.“ Das von Bund und Land gemeinsam umgesetzte Ankunftszentrum in Heidelberg ist ein Beispiel für gutes Flüchtlingsmanagement durch abgestimmtes, effizientes Zusammenwirken der beteiligten staatlichen Akteure. Dies muss der Maßstab für den gesamten Prozess der Flüchtlingsaufnahme sein.

Derzeit praktiziert das Land ein dreistufiges Verfahren zur Flüchtlingsaufnahme. Zunächst werden Flüchtlinge in einer Erstaufnahmeeinrichtung des Landes aufgenommen. Sie werden dann in die Stadt- und Landkreise in die sogenannte vorläufige Unterbringung verteilt. Auch die vorläufige Unterbringung ist eine Landesaufgabe. Deshalb erstattet das Land den Stadt- und Landkreisen die Ausgaben hierfür. Schließlich werden die Flüchtlinge den Gemeinden zugewiesen. Diese sog. Anschlussunterbringung ist eine kommunale Aufgabe.

Der Rechnungshof empfiehlt hinsichtlich der Unterbringung ein stärker differenziertes System, das sich an der individuellen Bleibeperspektive und an der Art des Aufenthaltstitels orientiert. Die Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes sollen dabei eine größere Rolle spielen:

  • Anerkannte Flüchtlinge sollten nicht mehr den Kreisen zugewiesen, sondern direkt aus der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes in die Anschlussunterbringung bei den Gemeinden kommen. Dies beschleunigt die Integration.
  • Personen, die keine Aufenthaltserlaubnis oder nur eine Duldung erhalten, sollten entgegen der bisherigen Vorgaben des Flüchtlingsaufnahmegesetzes möglichst nicht in die Anschlussunterbringung wechseln.
  • Die sog. vorläufige Unterbringung von Flüchtlingen durch die Stadt- und Landkreise sollte nach dem Konzept des Rechnungshofs auf die Personengruppen mit offener Bleibeperspektive oder aus anderen Gründen langwierigen Asylverfahren beschränkt werden.

Die Rahmenbedingungen für diese Vorschläge schätzt der Rechnungshof positiv ein. Die gesunkenen Zugangszahlen und die mit Hilfe der Ankunftszentren angestrebte deutliche Verkürzung der Asylverfahren sowie die noch vorhandene Kapazität der Erstaufnahmeeinrichtungen eröffneten dem Land die für die Vorschläge des Rechnungshofs erforderliche Flexibilität.

Der Rechnungshof kritisiert das im Herbst 2015 vereinbarte Verfahren der Ausgabenerstattung des Landes für die vorläufige Unterbringung bei den Stadt- und Landkreisen („Spitzabrechnung“) als aufwendig und fehleranfällig. Das Innenministerium hat zwar Vorschläge des Rechnungshofs bereits aufgegriffen und entsprechende Vorgaben für das Abrechnungsverfahren gemacht. Dennoch bleibt der Aufwand für die Spitzabrechnung hoch. Zudem bietet sie wenig Anreize für wirtschaftliches Handeln der Stadt- und Landkreise. Der Rechnungshof empfiehlt daher eine möglichst schnelle Rückkehr zum gesetzlich vorgesehenen Verfahren der Ausgabenerstattung mittels Pauschale.

Ein weiteres Thema der Beratenden Äußerung ist die Zusammenarbeit der beteiligten Verwaltungen von Bund, Land und Kommunen. Ineffizienzen und eine erhöhte Fehlerquote stellte der Rechnungshof vor allem dort fest, wo Medienbrüche die Weitergabe von Daten und Informationen erschwerten. Ein aufeinander abgestimmtes Handeln der beteiligten Akteure ist aber von entscheidender Bedeutung für die Wirtschaftlichkeit des staatlichen Handelns bei der Flüchtlingsaufnahme. Dem laufenden Projekt „Digitalisierung des Asylverfahrens“ kommt daher eine erhöhte Bedeutung zu.