Rechnungshof ermuntert Landesregierung, den Konsolidierungskurs trotz sprudelnder Steuereinnahmen beizubehalten
- Landesschulden auf 43,6 Mrd. € angestiegen - Haushaltskonsolidierung muss weiterhin oberste Priorität haben
- Organisationsstrukturen optimieren - Personal abbauen
- Höhere Kostendeckung anstreben - Verwaltungsleistung wirtschaftlicher erbringen
- Durch modernere DV-Ausstattung erreichen Behörden eine höhere Effizienz
- Fördermittel wirtschaftlicher einsetzen - Fördervoraussetzungen einhalten und Förderrichtlinien anpassen
- Ausgaben für Bildung müssen optimiert werden
- Das Land sollte seine Unternehmensbeteiligungen auf das Landesinteresse Baden-Württembergs hin überprüfen
- Bei baulichen Investitionen müssen Notwendigkeit, Wirtschaftlichkeit und Folgekosten mehr in den Vordergrund gerückt werden
- Rechnungshof rügt haushaltsrechtliche Verstöße
- Frühere Empfehlungen der Finanzkontrolle entlasten den Haushalt
Karlsruhe/Stuttgart: „Baden-Württemberg nimmt in diesem Jahr deutlich mehr Steuern ein als zunächst erwartet. Diese hohen Steuermehreinnahmen im Land wecken aber auch schon wieder Begehrlichkeiten. Die Landesregierung tut gut daran, die Haushaltskonsolidierung weiter voran zu treiben und bereits im nächsten Jahr einen ausgeglichenen Haushalt anzustreben. Der immer noch wachsende Schuldenberg von inzwischen 43,6 Mrd. € muss abgebaut werden. Es ist nicht tragbar, dass der Schuldendienst in Höhe von 7,4 Mrd. € den drittgrößten Posten im Landesetat darstellt“, mahnt Martin Frank, der Präsident des Rechnungshofs Baden-Württemberg, die Landesregierung bei der Vorstellung der Denkschrift 2007 vor Journalisten in Stuttgart. Mit einer Auswahl seiner Prüfungen informiert der Rechnungshof den Landtag, die Landesregierung und die Öffentlichkeit in der diesjährigen Denkschrift über wesentliche Ergebnisse seiner Tätigkeit. Die Finanzkontrolle unterstützt mit ihrer Arbeit den Landtag und die Landesregierung in ihrem Bestreben nach Haushaltskonsolidierung und Eindämmung der Nettoneuverschuldung, indem sie Wirtschaftlichkeits- und Einsparpotenziale aufzeigt. Bei voller Umsetzung der Vorschläge aus der vorliegenden Denkschrift könnten jährlich bis zu 62,6 Mio. € an Sachmitteln und rund 700 Personalstellen (rund 35 Mio. € Personalkosten) eingespart werden. Hinzu kommt ein einmaliger Betrag von 2,2 Mio. €.
1. Landesschulden trotz Steuermehreinnahmen auf 43,6 Mrd. € angestiegen
Auch im Jahr 2006 reichten die regulären Einnahmen nicht aus, um die Ausgaben zu finanzieren. Zwar blieb die Nettokreditaufnahme, die rund 1,5 Mrd. € betrug, hinter der haushaltsgesetzlichen Kreditermächtigung von rund 1,9 Mrd. € zurück. Bei einem kassenmäßigen Überschuss im Jahr 2006 von rund 0,5 Mrd. € hätte die Nettokreditaufnahme allerdings noch um diesen Wert geringer ausfallen müssen. Die Schulden des Landes einschließlich der verlagerten Verpflichtungen sind bis zum Ende desJahres 2006 um knapp 1,5 Mrd. € auf rund 43,6 Mrd. € angestiegen. Entsprechend stieg die Pro-Kopf-Verschuldung um 3,8 % auf 3.823 € an. Nach wie vor müssen rund ein Fünftel der Gesamtausgaben des Landes allein für den Schuldendienst aufgewandt werden. Er stellt damit den drittgrößten Posten im Landesetat nach den Personalausgaben und den Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse dar. Die zuletzt in der Denkschrift 2006 vom Rechnungshof aufgestellte Forderung, Haushalte ohne Nettoneuverschuldung aufzustellen und dies in der Verfassung und der Landeshaushaltsordnung zu verankern, ist auf fruchtbaren Boden gefallen. Die Landesregierung kündigte im Mai diesen Jahres bereits für das Jahr 2008 einen ausgeglichenen Etat ohne neue Schulden an. „Nach wie vor bietet die Arbeit des Rechnungshofs der Regierung und dem Parlament zahlreiche Chancen, an einer erfolgreichen Haushaltssanierung zu arbeiten. Wir zeigen Wege auf, wie Ausgaben sinnvoll einzudämmen sind, wo Personalkosten reduziert werden können und wie Verwaltungsleistung wirtschaftlicher erbracht werden kann“, erinnert Präsident Frank. Die Umsetzung der Vorschläge und die Einhaltung der Haushaltsdisziplin müssten allerdings von den politisch Verantwortlichen kommen.2. Organisationsstrukturen optimieren - Personal abbauen
In mehreren Beiträgen zeigt der Rechnungshof, wie durch Optimierung von Organisationsabläufen Personal- und Sachmittel reduziert werden können. In verschiedenen Verwaltungsbereichen können nach den Verbesserungsvorschlägen des Rechnungshofs erhebliche Summen eingespart werden.2.1 Service-Einrichtungen für Hochschulen an einem Standort zu bündeln, spart 800.000 €
In Baden-Württemberg bestehen derzeit drei Service-Einrichtungen an drei Standorten, welche nichtuniversitäre Hochschulen, Berufsakademien und Kunsteinrichtungen in betriebswirtschaftlichen und informationstechnologischen Fragen beraten und unterstützen. Ihre Aufgaben ergänzen und überschneiden sich teilweise. Der Rechnungshof schlägt vor, die Standorte in Konstanz und Stuttgart zugunsten eines zentralen Standorts in Reutlingen aufzugeben. Durch eine solche Konzentration auf den Standort Reutlingen können jährlich 800.000 € Personal-, Unterbringungs- und Technikkosten eingespart werden.2.2 Das Bibliotheksservice-Zentrum kann wirtschaftlicher betrieben werden
Beim Bibliotheksservice-Zentrum in Konstanz und Stuttgart konnte der Rechnungshof einige Einsparmöglichkeiten aufzeigen. Er geht davon aus, dass bei gegebener Aufgabenstellung eine Personalreduzierung um ein Drittel möglich wäre. Weiteres Personal würde frei werden, wenn das Geschäftsfeld „Digitale Bibliothek“ aufgegeben und die Bibliotheksverbundsysteme länderübergreifend noch stärker konzentriert würden. Außerdem ließe sich das wirtschaftliche Ergebnis des Bibliotheksservice-Zentrums deutlich verbessern, wenn es für seine Leistungen kostendeckende Nutzungsentgelte erheben würde.2.3 Die Universität Karlsruhe kann bei der Gebäudereinigung jährlich 1,5 Mio. € einsparen
Bei der Gebäudereinigung an der Universität Karlsruhe ergab sich ein ungenutztes Einsparpotenzial von 1,5 Mio. € im Jahr. Es zeigte sich außerdem, dass die Fremdreinigung mit 7,22 €/m² deutlich günstiger ist als die Eigenreinigung, die 2005 bei 17,26 €/m² lag.2.4 Defizite bei der Unternehmensführung aufgedeckt
Mangelhafte Sicherungs- und Kontrollmechanismen und eine wenig effektive Steuerung rügte der Rechnungshof bei einem vom Land errichteten Unternehmen auf dem Gebiet der Krankenversorgung. Sowohl die interne als auch die externe Kontrolle der Geschäftsführung seien bislang unzureichend. Um das Unternehmen effektiv zu steuern, müssten die Verträge über den Einkauf externer Leistungen geordnet und transparenter gemacht werden, da nur so Einsparpotenziale erkannt und steuerliche Fragen beantwortet werden könnten. Bereits während der Prüfung konnten durch die Anregungen des Rechnungshofs 230.000 € eingespart werden.2.5 Mit einem optimierten Fuhrparkmanagement können bei den Regierungspräsidien Millionen eingespart werden
Beim Kfz-Wesen der Regierungspräsidien besteht nach wie vor ein Einsparpotenzial in Millionenhöhe. Die bereits 1999 beschlossene Neustrukturierung des Kfz-Wesens wurde bislang nur unzureichend umgesetzt. Nach wie vor übersteigt die Zahl der Kraftfahrerstellen den aktuellen Bedarf um 69 Stellen. Wie sich zeigte, ist die höhere Vergütung für Kraftfahrer häufig nicht gerechtfertigt, da die eigentliche Fahrtätigkeit deutlich weniger als die Hälfte der Arbeitszeit ausmacht. Hinzu kommt, dass in der Mehrzahl der Fälle Personen gefahren wurden, die nicht zum berechtigten Personenkreis zählten. Auch bei den Fuhrparks stellte der Rechnungshof erhebliche Überkapazitäten fest. Die Regierungspräsidien sollten die Auslastung ihrer Dienstfahrzeuge ermitteln und den Fuhrpark dem Bedarf anpassen. Bei der Anschaffung neuer Fahrzeuge sollte nur noch in Ausnahmefällen das Fahrzeug gekauft werden. Im Allgemeinen sind Leasingverträge wirtschaftlicher.2.6 Straffere Organisation und strikter Verwaltungsvollzug bei ausreisepflichtigen Ausländern könnten Millionen sparen
Der Aufenthalt und die Rückführung ausreisepflichtiger Ausländer kostet das Land und die Kommunen jedes Jahr Millionen. Für das Jahr 2005 machte der Rechnungshof einen Betrag von 31,3 Mio. € an Personal- und Sachaufwand sowie 46,4 Mio. € für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz aus. Diese Kosten könnten reduziert werden, wenn die Verwaltungsorganisation gestrafft werden würde. Der Rechnungshof empfiehlt dazu, die Rückführungen künftig zentral vom Regierungspräsidium Karlsruhe durchführen zu lassen. Die Aufgabe der unteren Ausländerbehörde sollte von den Großen Kreisstädten auf die Landratsämter übertragen werden. Diese Neuorganisation hätte Synergieeffekte zur Folge und würde bei den unteren Ausländerbehörden mindestens 100 Stellen frei setzen. Das Land sollte auf die Änderung von Bundesgesetzen mit dem Ziel der Verfahrensbeschleunigung hinwirken.2.7 Durch zügige Einführung neuer Datenverarbeitung bei der Polizei werden mehrere hundert Stellen frei
Seit Jahren wird bei der Polizei mit großem Aufwand die Modernisierung der Datenverarbeitungssysteme betrieben. Obwohl seit 1999 rund 145 Mio. € zur Verfügung standen, verzögerte sich der Prozess, sodass bis heute die Modernisierung nicht abgeschlossen ist. Der Rechnungshof macht für diese Verzögerung Mängel in der Projektorganisation und unklare Aufgabenabgrenzungen zwischen der Polizei und dem Informatikzentrum Landesverwaltung Baden-Württemberg (IZLBW) verantwortlich. Die Finanzkontrolleure begrüßen grundsätzlich die Modernisierung, Standardisierung und Zentralisierung der Datenverarbeitung bei der Polizei. Die Planung und die Umsetzung der Projekte seien allerdings erheblich zu verbessern. Sollte die Neuorganisation dann endlich abgeschlossen sein, sieht die Finanzkontrolle Personalreserven von 360 Stellen. Diese Verwaltungsstellen sind dann zügig abzubauen.3. Höhere Kostendeckung anstreben - Verwaltungsleistung wirtschaftlicher erbringen
Das Land ist an vielen Stellen Dienstleister und kann als solcher Nutzungsentgelte erheben. Eine vollständige Kostendeckung sollte auf jeden Fall dort erreicht werden, wo einzelne Bedienstete die Einrichtungen des Landes für ihre Nebenverdienste nutzen.3.1 Im Beschussamt Ulm hätten in den Jahren 2002 bis 2005 Mehreinnahmen von 680.000 € erzielt werden können
„In den Jahren 2002 bis 2005 hätten Ertragsausfälle in Höhe von rund 680.000 € vermieden werden können, wenn das Beschussamt in Ulm die Entgelte für die nicht hoheitlichen Aufgaben rechtzeitig angepasst hätte“, erläutert Martin Frank die Rüge seiner Behörde. Nach seinen Worten wurden die Nutzungsentgelte zehn Jahre lang nicht angehoben, obwohl dies nach der allgemeinen Kostenentwicklung, den rechtlichen Vorgaben der Landeshaushaltsordnung und bundesweit geltenden Stundensätzen erforderlich gewesen wäre. Aufgrund der Feststellungen des Rechnungshofs wurden die Entgelte im Bereich Sicherheitstechnik nun zum 01.01.2007 erhöht. Voraussichtlich verbleibt aber dennoch in diesem Aufgabenbereich eine jährliche Unterdeckung von 115.000 €, die es zügig durch eine weitere Anhebung der Nutzungsentgelte zu beseitigen gilt.3.2 3,8 Mio. € können bei der allgemeinen Beratungshilfe und dem außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren gespart werden
Im Jahr 2006 gab die Justiz rund 9,8 Mio. € für die allgemeine Beratungshilfe und das außergerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren durch Rechtsanwälte aus. „Die Pro-Kopf-Ausgaben für die Beratungshilfe schwanken in den einzelnen Gerichtsbezirken zwischen 0,09 € und 1,82 € je Einwohner. Ursache für diese breite Streuung ist die unterschiedliche Rechtsanwendungspraxis bei den Amtsgerichten. Bei einer einheitlich strikten Rechtsanwendung könnten 3,8 Mio. € im Jahr gespart werden“, führt Frank zu den Feststellungen seiner Behörde aus. Außerdem halten die Finanzkontrolleure eine Eigenbeteiligung der Rechtssuchenden für angemessen, mit welcher zumindest ein Teil der Ausgaben abgedeckt werden könnte und vor allem eine Hemmschwelle für die Inanspruchnahme dieser Leistung bei Bagatellsachen vorhanden wäre.3.3 In den Zentren für Psychiatrie wurden die Nebentätigkeiten nicht immer korrekt abgerechnet
Die Zentren für Psychiatrie setzten die Bestimmungen der Landesnebentätigkeitsverordnung sowie Vereinbarungen in den Chefarztverträgen nicht immer korrekt um und verzichteten so zum Teil auf Kostenerstattungen für die Inanspruchnahme von Einrichtungen, Personal oder Material im Rahmen der Nebentätigkeiten der Ärzte. Der Rechnungshof deckte für die Jahre 2003 bis 2005 Mindereinnahmen von rund 250.000 € auf. Außerdem wiesen die Finanzkontrolleure darauf hin, dass bei Erstellung von Gutachten als Dienstaufgabe (statt wie bislang als Nebentätigkeit) jährliche Mehreinnahmen von bis zu 115.000 € zu erzielen seien.3.4 Nebentätigkeiten bei den rechtsmedizinischen Instituten erfordern eine Neuausrichtung
„Die Universitätsklinika subventionieren in erheblichem Umfang die Nebentätigkeiten der Leiter der rechtsmedizinischen Institute. Aus diesem Grund sind die von den Institutsleitern zu entrichtenden Entgelte, die für die Inanspruchnahme von Einrichtungen, Personal oder Material anfallen, so weit zu erhöhen, dass eine Vollkostendeckung erreicht wird“, mahnen die Karlsruher Finanzkontrolleure an. In einer Querschnittsprüfung stellten sie fest, dass die von den Institutsleitern für die Inanspruchnahme von Personal, Räumlichkeiten und Sachmittel im Rahmen ihrer Nebentätigkeiten gezahlten Nutzungsentgelte die tatsächlichen Kosten nicht decken. Diesem Umstand könnte nach Ansicht des Rechnungshofs teilweise dadurch begegnet werden, dass manche der bislang als Nebentätigkeit erledigten Aufgaben als Dienstaufgaben definiert werden. So könnten die derzeit vorhandenen Defizite abgebaut und in einigen Bereichen sogar Deckungsbeiträge erzielt werden.4. Höhere Effizienz mit modernerer Datenverarbeitungsausstattung erzielen
Fehlerhafte Steuerfestsetzungen führen nach wie vor jährlich zu Einnahmeausfällen in Millionenhöhe. Die Hauptursache ist sicherlich im komplizierten und anwendungsfeindlichen Steuerrecht zu suchen. Erschwerend kommt bei den Finanzämtern eine unzureichende DV-Unterstützung hinzu. Der Rechnungshof fordert daher zur Vermeidung weiterer Einbußen die sofortige Einführung einheitlicher, moderner Datenverarbeitungssysteme.5. Fördermittel müssen wirtschaftlicher und zweckorientierter eingesetzt werden
Viel Geld fließt nach wie vor im Zuwendungsbereich. Der Rechnungshof mahnt in regelmäßigen Abständen die Überprüfung der Förderprogramme auf Notwendigkeit, Wirtschaftlichkeit, Zweckerreichung und Gesetzmäßigkeit bei der Vergabe der Gelder an. „Staatliche Förderung muss transparent und wirtschaftlich sinnvoll sein. Im Blickpunkt sowohl bei der Vergabe der Gelder als auch bei der Kontrolle im Förderzeitraum und danach muss immer die Frage nach der Zweckerreichung stehen“, erinnern die Finanzkontrolleure.5.1 Park-and-ride-Anlagen erfüllen häufig Förderzweck nicht
Seit 1993 hat das Land Park-and-ride-Anlagen mit inzwischen rund 38 Mio. € gefördert. Dies nahm der Rechnungshof zum Anlass, landesweit 20 solcher Anlagen zu überprüfen. Die Förderung einer Park-and-ride-Anlage ist als erfolgreich anzusehen, wenn die Anlage ausgelastet ist und zweckentsprechend genutzt wird. „Förderung verfolgt stets ein fachpolitisches Ziel. Wird dieses Ziel nicht erreicht, hat das Land Geld verschenkt. Wir empfehlen daher ein stringentes Erfolgs-Controlling, das bei der genauen Prüfung des Förderantrags beginnt, die Erfolgsfaktoren im Bewilligungsbescheid verankert und mit einer Erfolgskontrolle endet“, verdeutlicht Martin Frank den Ansatz des Rechnungshofs. Die Finanzkontrolleure stießen bei ihrer Prüfung auf Stellplätze, die als Park-and-ride-Parkplätze gefördert, jedoch kaum benutzt oder von der Kommune als Privat-Parkplätze vermietet wurden.5.2 Das Programm „Virtuelle Hochschule“ verfehlt Förderzweck trotz Ausgaben von 23,2 Mio. €
Mit dem Programm „Virtuelle Hochschule“ wollte die Landesregierung die Hochschulen auf die strukturellen Veränderungen vorbereiten, die mit dem Einsatz neuer Medien in Lehre und Studium verbunden sind. In den Jahren 1998 bis 2003 stellte sie dafür 23,2 Mio. € zur Verfügung. Der Rechnungshof musste nach seiner Prüfung zu dem Schluss kommen, dass die mit dem Förderprogramm verbundenen Zielsetzungen nur in sehr eingeschränktem Umfang erreicht wurden. Der Rechnungshof kritisiert, dass dem Programm und den einzelnen Projekten keine zielorientierte Strategie zugrunde lag; bei einigen der geprüften Projekte wurden darüber hinaus unzulässige, unwirtschaftliche oder zweckwidrige Ausgaben festgestellt, die Rückforderungen gegenüber den beteiligten Hochschulen rechtfertigen. Es hat sich gezeigt, dass die Hochschulen mit viel Engagement bei der Akquisition der Projektmittel vorgehen und dieses Engagement zurückgeht, sobald die Gelder fließen. Der Rechnungshof empfiehlt daher, bei künftigen Programmen die Fördergelder an das Erreichen messbarer Projektziele zu knüpfen.5.3 Vermeintliche Gemeindeverbindungsstraße mit 358.000 € gefördert
Das Land förderte bis Ende 2006 kommunale Straßenbauvorhaben, wenn sie beispielsweise von besonderer Wichtigkeit für den innerörtlichen Verkehr waren oder eine notwendige Verbindung zwischen zwei Orten in unterentwickelten Gebieten darstellten. Ausdrücklich nicht förderfähig waren hingegen Anlieger- und Erschließungsstraßen. Auf just eine solche nicht förderfähige Erschließungsstraße stieß der Rechnungshof bei seiner Prüfung. Das als Ausbau einer Gemeindeverbindungsstraße deklarierte Vorhaben dient in erster Linie dazu, einen geplanten Freizeitpark verkehrlich zu erschließen und an das überörtliche Verkehrsnetz anzubinden. Damit erfüllt das Vorhaben nach Ansicht der Rechnungsprüfer nicht den gesetzlich vorgesehenen Förderzweck. „Die Bewilligungsstellen sollten konsequent den Bedarf und die Dringlichkeit solcher Straßenbauvorhaben hinterfragen und nicht auf Zuruf jedes Vorhaben zur Förderung vorsehen“, mahnt Martin Frank mehr Besonnenheit bei der Subventionsvergabe an.5.4 Kosten für Ortsumfahrungen stehen häufig außer Verhältnis zu deren Nutzen
Das Land förderte bis Ende 2006 Ortsumfahrungen zur Entlastung der Bürger von Lärm- und Schadstoffemissionen sowie für mehr Verkehrssicherheit. Bei der Prüfung von 40 Umfahrungen landesweit stellten die Finanzkontrolleure fest, dass vielerorts die Ortsumgehungen gebaut und mit Landesmitteln gefördert wurden, ohne dass der Bedarf im Vorfeld auf Grundlage belastbarer Verkehrsdaten ermittelt wurde. In Anbetracht der Bauausgaben zwischen 1 Mio. € und 5 Mio. € je Kilometer gebaute Straße mahnen die Finanzkontrolleure eine konsequente Kosten-Nutzen-Betrachtung an, die Auskunft darüber gibt, ob die getätigten Bauausgaben in einem angemessenen Verhältnis zu der zu erreichenden Verkehrsentlastung stehen. Dringend erforderlich scheint dem Rechnungshof auch eine effektive Erfolgskontrolle, die gesetzlich normiert werden sollte.5.5 Förderdschungel im Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum muss gelichtet werden
Das Land zahlte allein im Jahr 2004 Agrarsubventionen in Höhe von rund 400 Mio. € aus, welche mit 129,8 Mio. € die EU, mit 62,9 Mio. € der Bund und mit 207,3 Mio. € das Land finanzierte. Der Rechnungshof stellte bei einer Ziel- und Maßnahmenanalyse eine Vielfalt verschiedener Programme, Intransparenz und teilweise parallele Strukturen fest. Bei dieser Vielfalt können Zielkonflikte und Mitnahmeeffekte nicht ausbleiben. Im Sinne einer effektiven und effizienten Förderung regt der Rechnungshof an, systematisch einzelne Förderprogramme zusammenzuführen, auf kleinere Förderprogramme zu verzichten und insgesamt eine Neustrukturierung anzustreben. Im Zuge der Neustrukturierung sollte die Regierung mehr Transparenz sichern, ein systematisches Erfolgs-Controlling installieren und den Verwaltungsaufwand reduzieren.5.6 Dem Konzept „Kinderfreundliches Baden-Württemberg“ fehlt eine schlüssige Gesamtkonzeption
Das Land fördert mit den Konzepten „Kinderfreundliches Baden-Württem-berg“ und „Kinderland Baden-Württemberg“ seit Jahren den bedarfsgerechten Ausbau von Betreuungsangeboten für Kinder. Im Jahr 2005 wurden hierfür 36 Mio. € ohne schlüssige Gesamtkonzeption zur Verfügung gestellt. Neben dieser Förderung erhalten die Kommunen seit 2004 zum Ausgleich der Kindergartenlasten jährlich 394 Mio. €. Der Rechnungshof sieht angesichts zurückgehender Kinderzahlen neben diesem Finanzausgleich keinen Bedarf, Betreuungsangebote für Kleinkinder und Strukturen in der Tagespflege durch das Land weiter zu fördern.5.7 Das Ökokonto überwindet Umsetzungsdefizite beim Straßenbau und der Gewässerentwicklung
Das Naturschutzrecht fordert bei Eingriffen in Natur und Landschaft, die mit dem Straßenbau immer einhergehen, Kompensation in Form von Ausgleichsflächen oder anderen Ersatzmaßnahmen. Im naturschutzrechtlichen Ökokonto können diese Kompensationsmaßnahmen bevorratet und bei Bedarf abgerufen werden. Als Kompensationsmaßnahmen in Betracht kommen Maßnahmen zur Gewässerentwicklung, welche die wasserwirtschaftliche und ökologische Funktionsfähigkeit der Gewässer erhalten oder nachhaltig verbessern bzw. wieder herstellen. Nach Ansicht der staatlichen Finanzkontrolle kann das Ökokonto so in zweierlei Hinsicht von Nutzen sein. Zum einen verringert sich beim Straßenbau durch das Abrufen der Kompensationsmaßnahmen vom Ökokonto gegenüber eigenen Kompensationsmaßnahmen der Verwaltungsaufwand, und die im Ökokonto enthaltene bereits funktionierende Maßnahme hat einen höheren Ausgleichswert, sodass der Eingriffsverursacher eine geringere Ausgleichslast zu tragen hat. Zum anderen profitiert die Gewässerentwicklung, die sich bestens als Kompensationsmaßnahme zur Einbuchung auf das Ökokonto eignet, da so überhaupt erst Mittel zur Verfügung gestellt werden.6. Ausgaben für Bildung müssen optimiert werden
Auch im Bereich der Ausgaben für Bildung sollte mit Augenmaß vorgegangen werden. Die Finanzkontrolle sieht trotz der anhaltenden Diskussion in der Öffentlichkeit über mehr „Investitionen in Bildung“ Bereiche, in denen die Landesmittel nicht optimal ausgegeben werden. Dort gilt es nachzusteuern.6.1 Durch Reform der Ausbildung zum gehobenen Dienst könnten bis zu 23 Mio. € jährlich und 23 Stellen eingespart werden
Seit Jahren wird in Baden-Württemberg über eine Reform der Ausbildung zum gehobenen Dienst diskutiert. In diese Diskussion bringt der Rechnungshof sich nun mit Reformvorschlägen ein, nach welchen die öffentliche Hand - vor allem die Kommunen - bis zu 23,9 Mio. € jährlich einsparen könnte. So schlägt er als weitestgehendes Reformmodell vor, die Studierenden nicht mehr zu Beamtenanwärtern zu ernennen, die Hochschule in Ludwigsburg aufzulösen und die Hochschule in Kehl organisatorisch in die Hochschule Offenburg einzugliedern. Aber auch ohne einschneidende Veränderungen decken die Finanzkontrolleure Einsparpotenziale auf. Ohne dass Leistungen der Hochschulen entfallen müssten, könnten in Ludwigsburg 18 Stellen im wissenschaftlichen Dienst und an beiden Hochschulen zusammen 5 Stellen im nicht-wissenschaftlichen Dienst gestrichen werden. Dies entspricht Personalkosten in Höhe von 1,95 Mio. € jährlich. Insbesondere an der Fachhochschule Ludwigsburg stellte der Rechnungshof erhebliche Defizite bei der Wahrnehmung der gesetzlichen Lehrverpflichtung der Professoren fest.6.2 Bei der Fachhochschule der Polizei kann viel Geld gespart werden
Das Land lässt sich seine Fachhochschule der Polizei einiges kosten. Insbesondere bei der Unterbringung, der Verpflegung und der Besoldung der Studierenden, bei der Zahl und beim Status der Dozenten sowie bei der Ausstattung der Hochschule in den Bereichen Kraftfahrzeuge, Bibliothek und Druckerei könnten bis zu 2 Mio. € jährlich gespart werden. Der fiskalisch bedeutendste Reformvorschlag, den der Rechnungshof dem Landtag im Zusammenhang mit der Ausbildung der Polizei unterbreitet, bezieht sich auf Kurse zur Erlangung der Fachhochschulreife im Vorfeld des Studiums an der Hochschule. Hierfür werden die Beamten bei Fortzahlung des Gehalts vom Dienst frei gestellt. Für eine solche Freistellung sieht der Rechnungshof keine Rechtfertigung. Bei einer Streichung dieses Bildungsangebots lassen sich Personalkosten in Höhe von 5,7 Mio. € jährlich einsparen.6.3 Reformierung des Berufskollegs erschließt ein jährliches Einsparpotenzial von 14 Mio. €
„Im Schuljahr 2005/06 nahmen etwa 80 % der Schüler an den untersuchten Berufskollegs im ersten Jahr den Zusatzunterricht zum Erwerb der Fachhochschulreife auf, obwohl nur ein Bruchteil von ihnen ein Studium anstrebte. Hinzu kommt, dass die jungen Menschen auch nach Abschluss eines Berufskollegs die herkömmliche duale Ausbildung durchlaufen müssen und daher keinen zeitlichen Vorteil für sich verbuchen können. Eine bedarfsorientierte Ausrichtung dieses Bildungsganges würde jährlich um 14 Mio. € geringere Deputatausgaben verursachen“, erläuterte Frank die Reformanregungen der Finanzkontrolleure. Sie schlagen vor, das Berufskolleg für Schüler mit dem Ziel einer dualen Ausbildung auf ein Jahr zu verkürzen. Das zweijährige Berufskolleg solle nur noch von solchen Schülern absolviert werden, die auch tatsächlich ein Studium anstreben.6.4 Entlastungskontingent an öffentlichen Realschulen ist überflüssig
Bei der Prüfung des allgemeinen Entlastungskontingents an den öffentlichen Realschulen stellte der Rechnungshof fest, dass die nicht-unterrichtsbezogenen Aufgaben von den Lehrern im Rahmen der für alle Landesbeamten geltenden Jahresarbeitszeit ohne jegliche Entlastung geleistet werden können. Die Kosten für das unnötig zur Verfügung gestellte Entlastungskontingent belaufen sich auf 9 Mio. € jährlich. Der Rechnungshof empfiehlt unter Beachtung seiner Feststellungen zu prüfen, ob und wie die Ressource Lehrerarbeitszeit besser, transparenter und gerechter als bisher erschlossen werden kann.7. Das Land sollte seine Unternehmensbeteiligungen kritisch überprüfen
Das Land ist vielerorts unternehmerisch engagiert. Dies ist nicht immer durch ein Landesinteresse gerechtfertigt.7.1 Staatliches Engagement am Rheinhafen Kehl aufgeben
Der dem Land gehörende Rheinhafen Kehl wird von einer landeseigenen Körperschaft des öffentlichen Rechts betrieben. Da kein Landesinteresse an dem Hafen ersichtlich ist, sollte das Land den Hafenbetrieb kommunalisieren bzw. privatisieren und den umfangreichen Grundbesitz veräußern. Auch hat der Rechnungshof festgestellt, dass die landeseigene Körperschaft nicht immer marktgerecht wirtschaftete, was seit vielen Jahren zu Ertragsausfällen von mehr als einer halben Million Euro jährlich führte.7.2 Für mittelbare Gesellschafterposition bei Film- und Medienfestival GmbH besteht kein Landesinteresse
Als Gesellschafter der Filmakademie ist das Land mittelbar an der Film- und Medienfestival GmbH beteiligt, welche nur knapp einer Insolvenz entging. Der Rechnungshof kann kein Interesse des Landes feststellen, das ein weiteres Engagement bei der Film- und Medienfestival GmbH rechtfertigen würde. Die Risiken aus dieser Geschäftstätigkeit für das Land sind nach Ansicht der Finanzkontrolleure nicht zu unterschätzen und sollten daher durch einen Rückzug minimiert werden.8. Bauliche Investitionen kritischer überprüfen
An den Hochschulen in Karlsruhe, Schwäbisch Gmünd, Villingen-Schwenningen und Esslingen investierte das Land rund 17 Mio. € für neue Mensen. Die Untersuchung des Rechnungshofs ergab, dass alternative Lösungen zu wenig in die Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen dieser Vorhaben einflossen und zu wenig Augenmerk auf die Folgekosten gerichtet wurde. Als Konsequenz aus diesen beispielhaften Erkenntnissen wurde die Verwaltung gebeten, künftig vor der Entscheidung für Neubauten verstärkt Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen anzustellen und als Alternativen die Umnutzung bzw. Modernisierung vorhandener Gebäude einzubeziehen. Im Übrigen ist zu überlegen, ob die Essensversorgung von Studenten überhaupt als staatliche Aufgabe angesehen werden muss oder von der Privatwirtschaft übernommen werden kann.Auch bei den Behandlungsanlagen für Straßenoberflächenwasser stellten die Finanzkontrolleure Verbesserungsbedarf fest. Bereits in der Planungsphase sollten mehr Varianten in Betracht gezogen werden, um so nicht nur die Baukosten, sondern auch die Folgekosten für den Betrieb und die Unterhaltung möglichst gering zu halten. Durchgängig wurden die Folgekosten bei der Projektierung der Entwässerungsanlagen nicht berücksichtigt und dies, obwohl gerade die Wartung der Anlagen nach ihrer Inbetriebnahme essenziell und mit erheblichen Kosten verbunden ist. Auch im Interesse des Gewässerschutzes fordern die Finanzkontrolleure eine Optimierung von Planung, Betrieb und Unterhaltung der Entwässerungsanlagen ein.
9. Rechnungshof rügt haushaltsrechtliche Verstöße
„Die rechtlichen Voraussetzungen für die Ausübung des Notbewilligungsrechts durch das Finanzministerium lagen bei der Übertragung der Bewährungs- und Gerichtshilfe auf einen freien Träger nicht vor. Die Landesregierung hätte einen Nachtragshaushalt für die Verpflichtungen in Höhe von 58 Mio. € im Parlament einbringen müssen“, rügt Martin Frank die haushaltsrechtliche Verfahrensweise des Justiz- und des Finanzministeriums. Im Dezember 2006 schloss das Justizministerium mit einem freien Träger einen Vertrag, mit welchem landesweit die Bewährungs- und Gerichtshilfe auf diesen übertragen wurde. Nach Ansicht der Karlsruher Kontrollbehörde wurde das Budgetrecht des Parlaments durch die Notbewilligung des Finanzministeriums für eine außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 58 Mio. € verletzt.Bei einem Erweiterungsbau für das Beschussamt Ulm wurden elementare Grundsätze der Haushaltsaufstellung missachtet. Durch den Neubau, der aus Wirtschaftlichkeitsüberlegungen bewilligt wurde, können nicht wirklich Mehreinnahmen erzielt werden. „Der 1,6 Mio. € teure Erweiterungsbau kann nicht wirtschaftlich betrieben werden. Nach unseren Feststellungen werden sich die von der Verwaltung errechneten Mehreinnahmen nur auf dem Papier durch eine zu niedrig angesetzte Einnahmeprognose im Haushalt erzielen lassen können“, kritisiert Frank die Verwaltung. Spätestens im Jahr 2002 hätte der Haushaltsansatz an die in den Vorjahren erzielten deutlich höheren Ist-Ergebnisse angepasst werden müssen. Dies erfolgte jedoch nicht. Eine Anpassung des Haushaltsansatzes nach Fertigstellung des Neubaus könnte dann den Eindruck einer gesteigerten Wirtschaftlichkeit erwecken.
10. Frühere Empfehlungen der Finanzkontrolle entlasten den Haushalt
Ziel der unabhängigen Finanzkontrolle ist es, die Behörden dabei zu unterstützen, dass mit öffentlichen Geldern wirtschaftlich und sparsam umgegangen wird. Im Abschnitt IV der Denkschrift wird daher anhand exemplarischer Fälle berichtet, wie sich die Tätigkeit der Prüfer auswirkte. Bei der Prüfung der Kosten und der Organisation der Asylbewerberunterbringung stießen die Finanzkontrolleure auf fehlerhafte Abrechnungen der Kommunen zulasten des Landes. Bis zum Jahr 2002 wurden aufgrund dieser Prüfung rund 72 Mio. € an das Land zurückbezahlt. Eine Fortführung der Prüfung in den Folgejahren führte zu weiteren Rückzahlungen in Höhe von 12 Mio. €. Beim Förderprogramm MEKA (Marktentlastungs- und Kulturlandschaftsausgleich), mit welchem die Europäische Union und das Land eine besonders umweltschonende Landbewirtschaftung unterstützen, stellte der Rechnungshof fest, dass die beabsichtigte Wirkung bei mehreren geförderten Maßnahmen nicht eindeutig nachweisbar war. Das Förderprogramm wurde daraufhin modifiziert, wodurch 18 Mio. € jährlich eingespart werden.