Rechnungshof empfiehlt: Kommunale Grundbuchämter in Baden auflösen

  • 36 Mio. € könnten jährlich eingespart werden, wenn im badischen Raum die 360 kommunalen Grundbuchämter in die elf staatlichen Grundbuchämter eingegliedert werden
  • Bei der Einführung des Elektronischen Grundbuchs ist Baden-Württemberg weiter Schlusslicht - erst 42 % der badischen kommunalen Grundbuchämter sind mit dem DV-Programm ausgestattet 
  • Die Prüfungserkenntnisse sollen bei den aktuellen Überlegungen der Landesregierung zur Neustrukturierung des Grundbuchwesens berücksichtigt werden

Karlsruhe/Stuttgart. „Die 360 kommunalen Grundbuchämter im badischen Rechtsgebiet sollten aufgelöst und in die elf staatlichen Grundbuchämter integriert werden. Damit könnten nicht nur 36 Mio. € pro Jahr eingespart werden, auch die Stagnation bei der Einführung des Elektronischen Grundbuchs könnte dann überwunden werden“, fasste Martin Frank, Präsident des Rechnungshofs Baden-Württemberg, die Kernaussage der Beratenden Äußerung vor der Landespressekonferenz in Stuttgart zusammen.

Baden-Württemberg ist weiterhin Schlusslicht bei der Einführung des Elektronischen Grundbuchs. Die Möglichkeit, Grundbucheintragungen online abzufragen, soll die persönliche Einsichtnahme in das Grundbuch beim Grundbuchamt und auch die Zahl der Grundbuchabschriften reduzieren. Nach der bisherigen Planung des Justizministeriums sollte das 75 Mio. € teure Großprojekt im Jahr 2010 abgeschlossen werden. Diese zeitliche Vorgabe ist nach den Berechnungen der Karlsruher Finanzkontrolleure nicht mehr erreichbar. Landesweit sind bislang lediglich 32 % der Grundbücher elektronisch erfasst. Erst 42 % der kommunalen Grundbuchämter in Baden sind mit dem erforderlichen DV-Programm ausgestattet. Wann die elektronische Erfassung der 5,6 Millionen Grundbücher abgeschlossen sein wird, ist nicht absehbar.

Die Hauptursache für die schleppende Einführung des Elektronischen Grundbuchs sehen die Finanzkontrolleure in der dezentralen Struktur der Grundbuchämter in Baden-Württemberg. Während in allen anderen Ländern die Grundbücher bei den Amtsgerichten geführt werden, ist das Grundbuchwesen in Baden-Württemberg geteilt. Im württembergischen Landesteil und in elf großen badischen Städten werden die Grundbuchämter von den Notariaten, im restlichen badischen Landesteil von 360 Kommunalverwaltungen geführt. Mit seinen derzeit 677 Grundbuchämtern hat das Land mehr Grundbuchämter als das gesamte übrige Bundesgebiet zusammen. „Diese Dezentralität hat ihren - nicht mehr vertretbaren - hohen Preis und führt zu Standortnachteilen auf dem Grundstücksmarkt“, führte Präsident Frank vor der Presse aus.

Der Rechnungshof analysiert in seiner Beratenden Äußerung die unbefriedigende Situation des Grundbuchwesens in Baden-Württemberg und macht Kosten senkende Verbesserungsvorschläge. Die Finanzkontrolleure knüpfen an ihre Untersuchung aus dem Jahr 2000 an (vgl. Denkschrift 2001, Nr. 11). Schon zu Beginn des Projekts „Einführung des Elektronischen Grundbuchs“ kritisierten sie, dass ein umfassendes Erfassungs- und Finanzierungskonzept fehlte. „Mit unseren neuen Prüfungserkenntnissen wollen wir einen konstruktiven Beitrag zur aktuellen Grundsatzdiskussion um die Neustrukturierung der Grundbuchämter in Baden-Württemberg liefern“, so Rechnungshofdirektor Dr. Martin Willke. Derzeit erarbeitet das Justizministerium ein Konzept zur grundlegenden Reform des Notariats- und Grundbuchwesens, das bis Ende des Jahres dem Ministerrat vorgelegt werden soll.

Für das badische Rechtsgebiet fordert der Rechnungshof, die 360 kommunalen Grundbuchämter in die elf staatlichen Grundbuchämter zu integrieren. Im kommunalen Bereich könnten so jährlich 31 Mio. € eingespart und der derzeitige Personaleinsatz um 63 % reduziert werden. Wenn das Elektronische Grundbuch bei den elf staatlichen Grundbuchämtern eingeführt ist, können diese mit 40 % weniger Personal auskommen. So könnte das Land 5 Mio. € pro Jahr einsparen. Die Abläufe in den verbleibenden Grundbuchämtern müssen dabei deutlich gestrafft und die Sachbearbeitung auf die Rechtspfleger konzentriert werden.

Im württembergischen Rechtsgebiet ist die Grundbuchbearbeitung durch die Kombination von Notar- und Grundbuchgeschäft in einer Hand bereits sehr effizient. Der Rechnungshof spricht sich wegen der erheblichen Überschüsse aus notarieller Tätigkeit weiterhin für die Beibehaltung des Amtsnotariats aus (vgl. Beratende Äußerung vom Mai 2000 - Landtagsdrucksache 12/5154). Soweit - entgegen den Empfehlungen des Rechnungshofs - das Amtsnotariat in ein freiberufliches Notariat übergeleitet wird, sollte die Grundbuchbearbeitung auf wenige Amtsgerichte konzentriert werden. Eine sinnvolle Größenordnung wäre ein Grundbuchamt in jedem der acht Landgerichtsbezirke.Es wäre zu einfach, wollte man die hier zutage tretenden Probleme bei der Einführung des Elektronischen Grundbuchs allein dem dezentralen Grundbuchwesen anlasten. So fehlt immer noch ein umfassendes Konzept für die Erstdatenerfassung mit quantifizierten Zielvorgaben. Ferner hat das Justizministerium die Wirtschaftlichkeit der verschiedenen Erfassungsmethoden nicht untersucht. Als unwirtschaftlich zeigte sich in der Untersuchung der Einsatz von Erfassungsteams mit Bediensteten der Vermessungsverwaltung. Dieses Vorgehen hat zu Mehrausgaben in Millionenhöhe geführt. Andere Erfassungsmethoden, wie z. B. die Eigenerfassung durch die Mitarbeiter der Grundbuchämter oder der Einsatz geringfügig Beschäftigter, sind deutlich kostengünstiger. Der Rechnungshof fordert eine neue Schwerpunktsetzung bei den Erfassungsmethoden oder eine Leistungssteigerung der Erfassungsteams.

Bei der Grundbuchdatenzentrale bleiben die Einnahmen bislang weit hinter den Erwartungen zurück. Einnahmen werden durch Gebühren erzielt, die für die Abfrage von Daten aus dem Elektronischen Grundbuch erhoben werden. Für das Jahr 2005 wurde mit Einnahmen in Höhe von 1,5 Mio. € gerechnet. Tatsächlich konnten nur 86.000 € erzielt werden. Die Finanzkontrolleure empfehlen daher, die Erstdatenerfassung möglichst schnell abzuschließen und eine attraktive Gebührenstruktur zu schaffen.

„Der Rechnungshof sieht im badischen Rechtsgebiet akuten Handlungsbedarf für eine grundlegende Neustrukturierung der Grundbuchämter, um weitere Nachteile für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg in Grenzen zu halten. Eine Reform sollte daher umgehend - unabhängig von weiteren Diskussionen über eine Notariatsreform - angegangen werden“, betonte Dr. Martin Willke.