Rechnungshof: Budgetrecht des Landtags wurde bei der Aufgabenübertragung in der Bewährungs- und Gerichtshilfe verletzt

  • Die rechtlichen Voraussetzungen für die Notbewilligung durch das Finanzministerium lagen nicht vor
  • Ein Nachtragshaushalt wäre erforderlich gewesen

Karlsruhe/Stuttgart: „Die rechtlichen Voraussetzungen für die Ausübung des Notbewilligungsrechts durch das Finanzministerium lagen bei der Übertragung der Bewährungs- und Gerichtshilfe auf einen freien Träger nicht vor. Die Landesregierung hätte einen Nachtragshaushalt für die Verpflichtungen in Höhe von 58 Mio. € im Parlament einbringen müssen“, so Rechnungshofpräsident Martin Frank bei der Vorstellung der Denkschrift 2007 vor der Landespressekonferenz in Stuttgart.

Im Dezember 2006 schloss das Justizministerium mit einem freien Träger einen Vertrag, mit welchem landesweit die Bewährungs- und Gerichtshilfe auf diesen übertragen wurde. Im Vorfeld hatte das Finanzministerium die haushaltsmäßigen Voraussetzungen durch Ausübung seines Notbewilligungsrechts geschaffen und in eine außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 58 Mio. € eingewilligt. Diese Vorgehensweise war im Finanzausschuss des Landtags im November 2006 umstritten. Es wurde die Frage aufgeworfen, ob das Budgetrecht des Parlaments verletzt wurde. Eine Fraktion hat inzwischen eine Klage beim Staatsgerichtshof eingereicht.

Der Rechnungshof hat im Januar 2007 die haushaltsmäßige Abwicklung der Maßnahme untersucht. Grundsätzlich sind alle Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen in einem Haushaltsgesetz vom Landtag festzustellen. Der Finanzminister kann nur im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses in außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigungen einwilligen. Dieses Notbewilligungsrecht ist lediglich eine subsidiäre Kompetenz für dringende Notfälle.

Nach den Feststellungen des Rechnungshofs lag bei der Aufgabenübertragung in der Bewährungs- und Gerichtshilfe ein unabweisbares Bedürfnis nicht vor. Das Finanzministerium hätte in die Verpflichtungsermächtigung nicht einwilligen dürfen. Unabweisbar ist ein Bedürfnis insbesondere, wenn ein Nachtragshaushalt nicht rechtzeitig herbeigeführt werden kann. Der voraussichtliche Mittelbedarf war seit April 2006 bekannt. Noch offene konzeptionelle Fragen wurden bis Ende September 2006 geklärt. Das Finanzministerium hätte spätestens mit dem am 07.11.2006 beschlossenen Entwurf des Staatshaushaltsplans 2007/08 auch den Entwurf eines Nachtragshaushaltsplans 2006 mit der Verpflichtungsermächtigung im Ministerrat einbringen können. Eine Verabschiedung des Nachtragshaushalts im Landtag wäre dann rechtzeitig vor einem Vertragsabschluss im Dezember 2006 möglich gewesen. Statt dessen hat das Finanzministerium den Landtagspräsidenten am 09.11.2006 darüber informiert, dass es sein Notbewilligungsrecht ausüben wolle.

Finanzministerium und Justizministerium haben geltend gemacht, dass in der Vergangenheit das Notbewilligungsrecht in vergleichbaren Fällen ausgeübt und der Landtag darüber informiert wurde. Der Rechnungshof hat die frühere Praxis im Einzelnen nicht nachvollzogen. Eine eventuell abweichende Praxis in der Vergangenheit stellt aber keine Rechtfertigung für die Nichtbeachtung gesetzlicher Vorschriften dar.

Finanzministerium und Justizministerium wollten zu der Bewertung des Rechnungshofs unter Hinweis auf das schwebende Verfahren beim Staatsgerichtshof keine Stellungnahme abgeben.