Rechnungshof beurteilte die bisherige Gutachtenvergabe im Rahmen der Atomaufsicht kritisch

  • Rechnungshof weist den Vorwurf der "Kumpanei" entschieden zurück
  • Vergabe und Abrechnung von Gutachten stand im Focus der Prüfung
  • Prüfung der Organisation der Atomaufsicht war zunächst aus fachlichen Gründen und mangels ausreichender Kapazität zurückgestellt worden

Karlsruhe/Stuttgart. Der Rechnungshof weist den Vorwurf der "Kumpanei" entschieden zurück. Seine Entscheidung über den Umfang der Prüfung der Atomaufsicht erfolgte aus fachlichen Gesichtspunkten und entsprechend den Vorgaben des Rechnungshofsgesetzes. Die Karlsruher Kontrollbehörde hatte die bisherige Praxis, nach der das Ministerium für Umwelt und Verkehr (UVM) im Rahmen der Atomaufsicht überwiegend den TÜV Süddeutschland als Gutachter beauftragte, als kritisch beurteilt. Dies ergibt sich aus einer Prüfungsmitteilung der Karlsruher Behörde vom 31.10.2000, die in den vergangenen Tagen in den Medien veröffentlicht wurde. Ferner wurde die Abrechnung der Sachverständigenkosten moniert. Gegenstand der im Dezember 1999 begonnen Prüfung war die Vergabe und Abrechnung der Gutachten. Im Laufe des Jahres 2000 gab es dann Überlegungen, die zwischen dem Rechnungshof und dem Ministerium diskutiert wurden, zusätzlich die Organisation der mit der Atomaufsicht betrauten Fachabteilung des UVM (Abteilung 7) mit dem Ziel einer möglichen Personalreduzierung zu überprüfen. Zu einer solchen Erweiterung der Prüfung kam es nicht. Hierüber konnten die zuständigen Mitglieder des Rechnungshofs aus fachlichen und methodischen Gründen und wegen unterschiedlicher Einschätzung der Prüfungskapazitäten kein Einvernehmen erzielen, das nach dem Rechnungshofsgesetz für eine solche Erweiterung erforderlich gewesen wäre.

Im Dezember 1999 leitete der Rechnungshof beim UVM eine Prüfung ein, mit der die Sachverständigenkosten in atomrechtlichen Fragen untersucht werden sollten. Hierbei stellte die Karlsruher Behörde fest, dass bei der Vergabe von Sachverständigenaufträgen nach § 20 Atomgesetz der TÜV Süddeutschland eine monopolartige Vorrangstellung gegenüber anderen Sachverständigen hatte. Rd. 95 % der vom UVM jährlich vergebenen Aufträge gingen an den TÜV. Eine solche Vergabepraxis ist nach Auffassung des Rechnungshofs unter wettbewerbsrechtlichen Gründen nicht unbedenklich. Auch das Verfahren der Abrechnung der Gutachten hielten die Prüfer mangels Transparenz für verbesserungswürdig. Das Ministerium hat in seiner Stellungnahme vom 16.02.2001 die Vorschläge des Rechnungshofs nicht übernommen; vielmehr hielt es seine Vergabepraxis für sachgerecht. Erst die Ereignisse im Herbst 2001 führten zu einem Umdenken beim Ministerium. Nunmehr sollen die Gutachten europaweit ausgeschrieben werden.

Im Laufe des Jahres 2000 ergaben sich aus einem Vergleich mit anderen Ländern Anhaltspunkte dafür, dass die Organisation der Atomaufsicht personell überbesetzt sein könnte. Daher wurde vom Rechnungshof überlegt, ob zusätzlich nun auch die Organisation der Atomaufsicht und der Personalbedarf untersucht werden soll. Entsprechend den bestehenden Gepflogenheiten wurde eine solche Prüfung mit dem Ministerium auf verschiedenen Ebenen fachlich diskutiert. Es gab zum damaligen Zeitpunkt eine Reihe von Gründen, die gegen eine solche Erweiterung sprachen. Der Rechnungshof führte damals nämlich zeitgleich eine vergleichende Prüfung von Personalbedarf und Organisation der Querschnittsaufgaben bei den Ministerien durch, die sich schwierig gestaltete. Zudem hätte es bei einer entsprechenden Prüfung in der Abteilung 7 des UVM als einer Fachabteilung mit speziellen Aufgaben kaum Vergleichsmöglichkeiten gegeben. Durch die umfassende Prüfung des Personaleinsatzes in den Querschnittsbereichen der Ministerien waren zudem erhebliche Prüfungskapazitäten des Rechnungshofs gebunden. Diese Prüfung wurde im Oktober 2001 abgeschlossen (vgl. Untersuchung der Steuerungs- und Unterstützungsleistungen bei den Ministerien des Landes Gemeinsames Verwaltungsreformprojekt des Rechnungshofs und des Innenministeriums Baden-Württemberg - Ltags-Drcks. 13/386 vom 30.10.2001). In seiner Prüfungsmitteilung vom 31.10.2000 hatte sich der Rechnungshof ausdrücklich vorbehalten, zu gegebener Zeit über die Prüfungsmitteilung hinaus Fragen der Personalausstattung und Organisation der Abteilung 7 zu prüfen.

Vor diesem Hintergrund kam es nicht zu einer solchen Erweiterung der Prüfung. Der Abteilungsleiter teilte die fachlichen Bedenken des Vizepräsidenten gegen eine solche Erweiterung nicht, so dass sie keine Übereinstimmung erzielten. In einem solchen Fall hätte der Abteilungsleiter nach dem Rechnungshofsgesetz eine Entscheidung des Senats als Kollegialorgan verlangen können. Da der Senat nicht angerufen wurde, blieb es beim ursprünglichen Umfang der Prüfung der Gutachterkosten bei der Atomaufsicht. Abschließend übermittelte der Rechnungshof hierzu an das UVM am 31.10.2000 eine Prüfungsmitteilung, die von den beiden zuständigen Mitgliedern des Rechnungshofs unterschrieben wurde. Zum damaligen Zeitpunkt war die Atomaufsicht nicht Gegenstand der politischen Diskussion.

Das Prüfungsverfahren ist derzeit noch nicht abgeschlossen. Die Stellungnahme des UVM vom 16.02.2001 wurde im Rechnungshof vom neuen, inzwischen zuständigen Abteilungsleiter mit dem Prüfungsteam intensiv diskutiert, ohne dass eine abschließende Bewertung dieser Stellungnahme möglich war. Der Abteilungsleiter vereinbarte zur weiteren Abklärung im August 2001 Gesprächstermine mit dem Ministerialdirektor und der Fachabteilung des UVM; diese Gespräche fanden am 2. Oktober 2001 statt.

Inzwischen geriet aufgrund der Vorfälle beim AKW Phillipsburg die Atomaufsicht und die gutachtliche Stellung des TÜV Süddeutschland, die vom Rechnungshof zuvor kritisiert worden war, in das Zentrum des öffentlichen Interesses. Das Ministerium kündigte an, ein Gutachten über die Organisation der Atomaufsicht in Auftrag zu geben. Vor diesem Hintergrund macht es derzeit keinen Sinn, die Prüfung hinsichtlich Personal und Organisation wieder aufzunehmen.