Langfristige Haushaltsentwicklung in den Blick nehmen und Trendumkehr einleiten

  • Konsolidierung ist die finanzpolitische Daueraufgabe auch der nächsten Jahre
  • Niedrige Zinsen für Konsolidierung nutzen
  • Strukturelle Ausgaben müssen beständig unter den strukturellen Einnahmen des Landes liegen

Karlsruhe/Stuttgart: Die Rahmenbedingungen für die Staatsfinanzen sind in Deutschland insgesamt günstig. Die konjunkturelle Aufwärtsentwicklung sowie die niedrigen Zinsaufwendungen entlasten die öffentlichen Haushalte erheblich. Das Land hat die Haushaltsjahre 2015 und 2016 mit einem Überschuss abgeschlossen. Auch 2017 will das Land ohne neue Schulden auskommen.

Das Land hat aufgrund der wirtschaftlichen und finanzwirtschaftlichen Rahmenbedingungen - hohe Beschäftigung, stabiles wirtschaftliches Wachstum, niedrige Zinsen und hohe Steuereinnahmen - gute Voraussetzungen, die Schuldenbremse dauerhaft einzuhalten und auf neue Schulden zu verzichten. Dies wird gleichwohl kein Selbstläufer werden. Die Struktur der öffentlichen Haushalte ist allein durch diese günstigen Rahmenbedingungen noch nicht robuster, belastbarer und zukunftstauglicher geworden. „Konsolidierung ist die finanzpolitische Daueraufgabe auch der nächsten Jahre.“, betonte Präsident Max Munding bei der Vorstellung der jährlichen Denkschrift des Rechnungshofs. „Das Land darf in seiner Haushaltspolitik nicht nur die jeweiligen Haushaltsjahre in den Blick nehmen, sondern muss ein besonderes Augenmerk auf die langfristigen Entwicklungen richten“, so Max Munding weiter. Die nachfolgenden Kennzahlen beschreiben einige wichtige Trends und Entwicklungen, denen in Zukunft mehr Bedeutung beigemessen werden muss.

Eine Entwicklung, die in Zukunft stärker in den Fokus rücken wird, ist die Steuerquote. Sie zeigt an, welchen Anteil der Wertschöpfung der Staat in Form von Steuern für sich beansprucht. Die wachsenden Steuereinnahmen haben die öffentlichen Haushalte deutlich entlastet. Die Kehrseite ist aber, dass sie auch einen stetig wachsenden Anteil der Wirtschaftskraft für sich in Anspruch nehmen.

PM Haushalt - Abbildung 1

Die Steuerquote hatte 2004 mit 19,5 Prozent ihren niedrigsten Stand erreicht. Sie liegt heute fast 3 Prozentpunkte höher und wird nach der Prognose der Steuerschätzung vom Mai 2017 bis 2021 auf 23,3 Prozent weiter steigen. Bei einem nominalen Bruttoinlandsprodukt von 3.123,7 Mrd. Euro (2016) entspricht ein Prozent Steuerquote damit ca. 30 Mrd. Euro.

Ein weiterer Indikator für den Finanzierungsspielraum des Landes aus eigenen Finanzierungsquellen ist die Steuerdeckungsquote. Diese drückt das Verhältnis der Brutto-Steuereinnahmen zu den bereinigten Gesamtausgaben aus. Je niedriger die Quote ist, umso höher ist die Abhängigkeit von anderen Einnahmen, wie z. B. Entnahmen aus Rücklagen, Zuweisungen vom Bund oder Kreditaufnahmen. Trotz guter Steuermehreinnahmen liegt die Steuerdeckungsquote immer noch unter dem Stand zum Zeitpunkt der Finanzmarktkrise.

Das Land wurde und wird durch die niedrigen Zinsausgaben nennenswert entlastet. Sie betrugen 2016 1,5 Mrd. Euro. Sie nahmen im Vergleich zum Vorjahr um 73,6 Mio. Euro ab. Seit 2007 verringerten sich die Ausgaben für Kreditmarktzinsen um 24,3 Prozent, obwohl die Kreditmarktschulden im gleichen Zeitraum von 41,71 Mrd. Euro auf 46,30 Mrd. Euro stiegen. Das sehr niedrige Zinsniveau täuscht daher über die dauerhaften Lasten aus einer hohen Staatsverschuldung hinweg und lässt die Lage der Staatsfinanzen insgesamt wesentlich günstiger erscheinen.

Gemessen am Jahr 2007 hat das Land in den letzten 10 Jahren 2,3 Mrd. Euro insgesamt weniger für seine Kreditmarktschulden an Zinsen bezahlen müssen. Dieser Betrag entspricht 41 Prozent der Nettokreditaufnahme in diesem Zeitraum.

PM Haushalt - Tabelle

Diese Kennzahlen machen deutlich, dass das Land eine konsequente Politik der Haushaltskonsolidierung auch durch Ausgabenbegrenzung einschlagen muss.

Ab dem Jahr 2020 müssen die Länder ihre Haushalte grundsätzlich ohne neue Schulden ausgleichen. Nach den 2013 neu geschaffenen haushaltsrechtlichen Vorgaben hätte das Land bereits jetzt und in den nächsten beiden Jahren in nennenswertem Umfang Kreditmarktschulden tilgen müssen (ca. 3,14 Mrd. Euro). Das Land hat allerdings für den vom Grundgesetz eröffneten Übergangszeitraum bis 2019 im letzten Jahr den Schuldenbegriff auf die implizite Verschuldung erweitert. Statt der Tilgung von Krediten sind damit auch die Durchführung zusätzlicher, (über)fälliger Sanierungsmaßnahmen und die Deckung künftiger Verpflichtungen, z. B. durch Zuführungen zum Pensionsfonds, als Maßnahmen einer aktiven Zukunftsvorsorge unter Anrechnung auf die Tilgungsverpflichtung möglich, da sie das Land in den kommenden Haushaltsjahren entlasten. Der Rechnungshof ist diesen Weg im Grundsatz mitgegangen, allerdings unter der Voraussetzung, dass es sich um zusätzliche Maßnahmen handelt, die unmittelbar dem Land zugutekommen. Der Abbau ist auf den originären Bereich des Landes zu beschränken und sollte nicht auf kommunale Maßnahmen erweitert werden.

„Ein strukturell ausgeglichener Haushalt spätestens ab 2020 ist ein richtiges und wichtiges Ziel. In einer sich immer schneller wandelnden Welt sollte sich das Land politischen Handlungsspielraum erhalten“, erklärte Munding. Für die künftige Haushaltsplanung muss die einfache Formel gelten: Die strukturellen Ausgaben müssen unter dem Niveau der strukturellen Einnahmen liegen, nur so hat das Land überhaupt die Chance, neue Schwerpunkte zu setzen und auf wechselnde Herausforderungen nicht nur zu reagieren, sondern diese aktiv zu gestalten.