„Keine Fraktionsgelder für Parteizwecke“
- Landtagspräsident soll über die Rückforderung von 365.000 € von den Fraktionen entscheiden
- Verfassungskonforme Regelung der Funktionszulagen steht noch aus
- Mehr Transparenz und Zurückhaltung bei Ausgaben für die interne Repräsentation
Karlsruhe/Stuttgart: „Das Land Baden-Württemberg gab den Landtagsfraktionen 2001 bis 2006staatliche Zuschüsse von 19 Mio. € für ihre parlamentarische Arbeit.Dieses Geld haben die Fraktionen zum größten Teil korrekt ausgegeben.Lediglich 365.000 € wurden nach unserer Beurteilung zweckwidrigverwendet und sollten vom Landtagspräsidenten zurückgefordert werden.“So Martin Frank, der Präsident des Rechnungshofs Baden-Württemberg, und Rechnungshofdirektor Dr. Martin Willke bei der Vorstellung der Beratenden Äußerung „Zuschüsse und sonstige Leistungen an die Fraktionenin der 13. Wahlperiode“ vor Journalisten in Stuttgart.
„Die Fraktionen dürfen diese staatlichen Mittel nur für ihrespezifischen parlamentarisch-politischen Aufgaben verwenden, aber nichtfür Zwecke ihrer Parteien“, erklärte Präsident Frank weiter. Es sei den Fraktionen lediglich gestattet, die Öffentlichkeit über ihre parlamentarische Arbeit zu unterrichten. Dagegen sei Werbung für die Fraktionen, für ihre politischen Positionen oder für einzelne Fraktionsmitglieder nicht zulässig. Damit solle verhindert werden, dassdie politische Willensbildung der Bevölkerung durch staatlich finanzierte Aktivitäten der Fraktionen außerhalb des Parlaments beeinflusst werde.
Diese Grundsätze seien nicht immer beachtet worden. EinzelneFraktionen hätten in unzulässiger Weise den Wahlkampf ihrer Parteien mitPublikationen unterstützt oder Werbung ohne ausreichendeSachinformationen betrieben. Darüber hinaus hätten sich verschiedeneVeranstaltungen oder Projekte der Fraktionen nicht eindeutig von derParteiarbeit abgegrenzt, sondern versucht, auf die politischeWillensbildung der Bevölkerung einzuwirken. Eine Fraktion habe mitmehreren Meinungsumfragen den Wahlkampf vorbereitet.
Der Rechnungshof hat den Landtagspräsidenten gebeten, über die Rückzahlung von insgesamt 365.000 € zu entscheiden, informierte Rechnungshofdirektor Dr. Martin Willke. Die Fraktionen würden die Beurteilung des Rechnungshofs nicht teilen und hätten eine Rückzahlung der Zuschüsse an das Land bislang abgelehnt. Für weitere unzulässige Aktivitäten hätten die Fraktionen zugesagt, 97.000 € in ihre Haushalte zurückzuführen.
Ein weiterer Schwerpunkt der Prüfung betraf die verfassungsrechtlicheZulässigkeit der Gewährung von Funktionszulagen. Diese Zulagen erhaltenAbgeordnete zusätzlich zur Abgeordnetenentschädigung aus denstaatlichen Fraktionszuschüssen für Funktionen, die sie in der Fraktionwahrnehmen. Die Funktionszulagen beliefen sich auf insgesamt 3,4 Mio. €.Davon entfielen 1,4 Mio. € auf die Fraktionsvorsitzenden.
Funktionszulagen dürften nach der einschlägigen Rechtsprechung desBundesverfassungsgerichts nur an Abgeordnete mit besondershervorgehobenen gesamtparlamentarischen Funktionen gewährt werden,betonte Rechnungshofdirektor Dr. Willke. Dies treffe auf dieLandtagspräsidenten und die Fraktionsvorsitzenden zu. Tatsächlich hättenzum 01.01.2006 die Fraktionen 40 der 128 Abgeordneten (31 %)Funktionszulagen von monatlich 58.000 € gezahlt. Eine Fraktion gewährtesogar 80 % ihrer Abgeordneten eine Funktionszulage. Diese Praxis hältder Rechnungshof für verfassungswidrig. Unerheblich sei, ob sich derLandtag von Baden-Württemberg als Teilzeitparlament verstehe. DerLandtag hätte spätestens 2006 eine verfassungskonforme Regelung schaffenmüssen. Der Landtagspräsident habe darauf hingewiesen, dass mit dervorgesehenen Parlamentsreform ab 2011 eine verfassungskonforme Regelungder Funktionszulagen zu treffen sei. „Bei dieser Gelegenheit muss auch eine entsprechende Verminderung der Fraktionszuschüsse geprüft werden“,so Dr. Willke weiter.
Schließlich wiesen die Finanzkontrolleure noch auf weitereKritikpunkte hin. Der Landtag stellt den Fraktionen ParlamentarischeBerater zur Verfügung. Die Beraterstellen der vier Fraktionen wurdenseit 2001 von 33 auf 37 erhöht. Dafür wurden auch Beraterstellen der ausdem Parlament ausgeschiedenen Fraktion „Die Republikaner“ eingesetzt,statt diese Stellen zu streichen. Daneben beschäftigen die Fraktionenauch eigene Bedienstete mit einer höheren Vergütung als vergleichbare Landesbedienstete. Nach Ansicht des Rechnungshofs müssen sich die Bezügedieser Fraktionsbediensteten in das Vergütungssystem des öffentlichenDienstes einfügen. Zu beanstanden waren auch die Ausgaben für dieinterne Repräsentation. Zwei Fraktionen hatten ihre Leistungen an dieeigenen Fraktionsmitglieder und an ihre Bediensteten für Bewirtung oderGeschenke in den Rechnungen nicht transparent ausgewiesen. Auch sei derUmfang ihrer Ausgaben nicht vertretbar gewesen.
Abschließend betonte Rechnungshofdirektor Dr. Willke die Forderungdes Rechnungshofs, die Fraktionsaufgaben und Parteiaufgaben klarvoneinander zu trennen. Dazu sollten die Fraktionen zukünftig aufMeinungsumfragen verzichten, die der Parteiarbeit oder der Wahlkampfunterstützung dienen könnten. Das Gleiche gelte für die Unterrichtung der Öffentlichkeit, die über die Sachinformation zur Fraktionsarbeit hinausgingen und mit Parteienwerbung verwechselt werdenkönnten. Der Verzicht auf Mischfinanzierungen oder gemeinsame Veranstaltungen bzw. Publikationen von Fraktionen und Parteigliederungenstelle bei der Verwendung öffentlicher Mittel die notwendige Trennungzwischen Fraktion und Partei her.