Justizvollzugsanstalt Offenburg: Staat oder privat?
- 500.000 Euro Mehrkosten durch Teilprivatisierung des Betriebs
- Rechnungshof fordert Justizministerium auf, nach Auslaufen des Vertrags auf zusätzliche Stellen zu verzichten
- Rückläufige Gefangenenzahlen senken den Bedarf an Haftplätzen
Karlsruhe/Stuttgart: „Durch den teilprivatisierten Betrieb der Justizvollzugsanstalt Offenburg entstehen während der fünfjährigen Vertragslaufzeit 500.000 Euro Mehrkosten. Der vor Vertragsbeginn erwartete finanzielle Vorteil hat sich nicht realisiert. Die von der Landesregierung im Juli 2012 beschlossene Kündigung des Vertrags zum 31.05.2014 ist daher wirtschaftlich sinnvoll.“ Dies teilte Max Munding, Präsident des Rechnungshofs, anlässlich der Vorstellung der Denkschrift 2013 in Stuttgart mit.
Das Justizministerium hat 40 Prozent der betrieblichen Aufgaben in der neu errichteten Justizvollzugsanstalt Offenburg von 2009 bis 2014 an ein privates Dienstleistungsunternehmen vergeben. Eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung des Justizministeriums hatte im November 2007 einen Kostenvorteil der Privatisierung von 3,84 Prozent errechnet. Der Rechnungshof hat die Untersuchung überprüft und dabei einzelne Ansätze korrigiert. Dadurch sinkt der rechnerische Kostenvorteil vor Betriebsbeginn auf 2,96 Prozent. Die nach damaligem Kenntnisstand getroffene Entscheidung des Justizministeriums zur teilweisen Privatisierung ist aber nicht zu beanstanden.
Die Mehrkosten sind während der Vertragslaufzeit entstanden und beruhen in erster Linie auf einer Vermehrung des Personals. 101 Stellen waren mit Vertragsbeginn vom Staat auf den privaten Dienstleister übergegangen. Für den beim Staat verbleibenden Aufgabenbereich hatte das Ministerium ursprünglich einen Bedarf von 123 Stellen angenommen. Tatsächlich stieg die Anzahl der staatlichen Stellen in der Folgezeit schrittweise um 16,5 Stellen auf 139,5 Stellen an. Ein Teil des zusätzlichen Personalbedarfs wurde damit begründet, dass die Bediensteten des privaten Dienstleisters einen staatlichen Mitarbeiter nur zu 80 Prozent ersetzen können. Die nicht abgedeckten Aufgaben müssten vom staatlichen Personal aufgefangen werden. Dies führte über die Vertragslaufzeit von fünf Jahren zu einem privatisierungsbedingten Mehraufwand von 1,2 Mio. Euro. Ein weiterer Mehraufwand von 50.000 Euro entstand durch Vertragsanpassungen und ein unzureichendes Vertragscontrolling bei den Kosten für Lebensmittel.
Zieht man den bislang absehbaren Mehraufwand von 1,25 Mio. Euro vom ursprünglichen Kostenvorteil der Privatisierung ab, ergibt sich insgesamt ein finanzieller Nachteil für das Land von 500.000 Euro.
Der Rechnungshof hat auch die Personalplanung der Justiz für die Rückführung in einen vollständig staatlichen Betrieb geprüft. In Offenburg soll das staatliche Personal um 101 Stellen aufgestockt werden. Dies entspricht dem vereinbarten Personalvolumen des privaten Dienstleisters. Hiervon sollen 64 Stellen durch die Schließung anderer Vollzugseinrichtungen ausgeglichen werden. Die restlichen 37 Stellen werden im Haushalt 2014 neu geschaffen werden. Der Rechnungshof hält es für möglich, auf diese 37 Stellen zu verzichten. Die Justizvollzugsanstalt Offenburg könnte ihren Personalbedarf nach 2014 um mindestens 10 Stellen reduzieren. Schließlich wurde die zurückliegende Aufstockung des Personals um 16,5 Stellen auch mit dem privatisierungsbedingten Mehraufwand begründet. Die restlichen 27 Stellen könnten durch die Schließung eines weiteren kleinen Gefängnisses von bis zu 80 Haftplätzen eingespart werden. Dies ist angesichts der landesweit deutlich gesunkenen Gefangenenzahlen möglich. Während das Haftplatzentwicklungsprogramm 2015 von einem landesweiten Bedarf von 9.140 Haftplätzen ausgeht, lag die Höchstbelegung 2012 nur bei 7.374 Gefangenen. Das Justizministerium sollte das Haftplatzentwicklungsprogramm möglichst bald hieran anpassen.