Haushaltskonsolidierung unabdingbar - Rechnungshof zeigt Wege zur Kostensenkung und zum wirtschaftlicheren Einsatz vorhandener Ressourcen auf

  • Konsolidierung des Landeshaushalts weiterhin dringend geboten
  • Vermögen der Landesstiftung sollte erhalten werden
  • Maßnahmen zur Kostensenkung empfohlen - mehr als 30 Mio. € könnten pro Jahr eingespart werden
  • Erstmals Kosten und Wirkungen von Ganztagsschulen im Land untersucht
  • Rechnungshof mahnt gesetzmäßigen Verwaltungsvollzug an
  • Kritische Überprüfung des Nutzens von Förderprogrammen und zweckentsprechende Verwendung von Fördergeldern geboten
  • Datenverarbeitung sollte wirtschaftlicher eingesetzt werden
  • Bearbeitungsfehler im Steuerfestsetzungsverfahren führen zu erheblichen Mindereinnahmen
  • Wettbewerb und Kooperationsmöglichkeiten sollten vermehrt genutzt werden
  • Bundesweit koordinierte Prüfung des öffentlichen Statistikwesens zeigt Wirkung

Karlsruhe/Stuttgart. „Die mittelfristige Finanzplanung der Landesregierung weist für die Jahre 2005 bis 2008 weitere Nettokreditaufnahmen in Höhe von insgesamt mehr als 7 Mrd. € und darüber hinaus ab 2007 Deckungslücken aus. Damit ist das wichtige und notwendige Ziel, Haushalte ohne eine Nettoneuverschuldung vorzulegen, in weite Ferne gerückt. Um so mehr sind die Bemühungen zur Haushaltskonsolidierung weiter zu verstärken. Dazu ist nicht nur ein restriktiver Haushaltsvollzug erforderlich. Auch der Abbau von staatlichen Aufgaben, das Durchforsten von Förderprogrammen und die Senkung der Sach- und Personalausgaben des Landes müssen konsequent betrieben werden. Die Denkschrift belegt, dass vielfältige Einzelmaßnahmen in der Summe zu erheblichen Einsparungen und zur wirtschaftlicheren Nutzung der vorhandenen Ressourcen führen können“, so Martin Frank, der Präsident des Rechnungs-hofs Baden-Württemberg, bei der Vorstellung der Denkschrift 2005.

1. Konsolidierung des Landeshaushalts weiterhin dringend geboten

Die finanzielle Lage des Landes Baden-Württemberg bleibt bei einer Verschuldung von jetzt 40 Mrd. € äußerst angespannt. Der notwendige finanzwirtschaftliche Handlungsspielraum lässt sich ohne eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung nicht zurückgewinnen. Dies verdeutlicht die Höhe des Schuldendienstes von über 5,5 Mrd. € im Haushaltsjahr 2004. Die Pro-Kopf-Verschuldung stieg durch die Nettokreditaufnahme von 2 Mrd. € um 4,8 % gegenüber dem Vorjahr auf jetzt 3.507 €. Auch wenn das Land damit weiterhin auf dem drittbesten Platz aller Flächenländer liegt, betrachtet der Rechnungshof diese Entwicklung mit größter Sorge. „Angesichts der immer bedrohlicher werdenden Verschuldungssituation fordern wir äußerste Sparsamkeit und eine konsequente Ausschöpfung der aufgezeigten Einsparpotenziale“, so die Karlsruher Kontrollbehörde.

2. Maßnahmen zur Kostensenkung empfohlen - mehr als 30 Mio. € könnten pro Jahr eingespart werden

Die meisten Beiträge der Denkschrift zeigen Potenziale zur Kostensenkung auf und enthalten konkrete Vorschläge zur Umsetzung. Insgesamt könnten so mehr als 30 Mio. € pro Jahr eingespart werden. Darüber hinaus legt der Rechnungshof weitere Möglichkeiten dar, Kostensenkungen zu erreichen oder den Ausfall von Steuereinnahmen zu vermeiden.

2.1. Bei den theologischen Fakultäten und in der Neuphilologie ist eine bedarfsgerechtere Personalausstattung angezeigt

„Durch eine bedarfsgerechte Reduzierung der Personalausstattung der vier theologischen Fakultäten könnten die Universitäten jährlich 4,4 Mio. € an Personalmitteln anderweitig einsetzen, ohne dass die den Kirchen zustehenden Leistungen des Landes beeinträchtigt werden“, fasste Frank das Ergebnis der Prüfung der Lehrkapazitäten der theologischen Fakultäten zusammen. In den letzten zehn Jahren sind die Studierendenzahlen an den evangelisch-theologischen Fakultäten um mehr als 60 % und an den katholisch-theologischen Fakultäten um mehr als 40 % zurückgegangen, was zu Auslastungen der Lehrkapazität zwischen 33,5 % und 43,4 % geführt hat. In der Personalausstattung spiegelt sich diese Entwicklung nur unzureichend, denn der Personalkörper schrumpfte in Heidelberg um 30 %, in Tübingen und Freiburg lediglich um 8 % bzw. 7 %. An der katholisch-theologischen Fakultät in Tübingen war sogar ein Stellenzuwachs zu verzeichnen. Nach Ansicht der Karlsruher Finanzkontrolleure rechtfertigt es die vertragliche und verfassungsrechtliche Verpflichtung zwar, alle theologischen Fakultäten zu erhalten, nicht vertretbar ist es aber, Überkapazitäten vorzuhalten. Vor diesem Hintergrund schlägt der Rechnungshof vor, die personelle Ausstattung an den theologischen Fakultäten bedarfsgerecht zu reduzieren. Nach dem geltenden Solidarpakt kämen die Einsparungen in Höhe von 4,4 Mio. € den Universitäten selbst zugute, die damit ihr Leistungsangebot an anderer Stelle verbessern könnten.

Ein weiteres Einsparpotenzial von landesweit 48 Stellen mit einem Gegenwert von 3,5 Mio. € jährlich könnten die Universitäten realisieren, indem sie die Lehrverpflichtungsverordnung auf den sprachpraktischen Unterricht an den neuphilologischen Fakultäten des Landes korrekt anwenden.

2.2. Kostensenkung durch Umstrukturierung und bessere Ausschöpfung vorhandener Potenziale

Die Denkschrift gibt anhand einiger Beispiele Hinweise auf finanzrelevante Bereiche. So könnten in der Gesundheitsfürsorge für Gefangene im Justizvollzug jährlich 3 Mio. € eingespart werden. Die Abteilungen Chirurgie und Innere Medizin beim Justizvollzugkrankenhaus sollten zusammengefasst, die Krankenpflegeschule dort geschlossen und der weitere Betrieb der Suchtstation angesichts enttäuschender Therapieerfolge überdacht werden. Kostenreduzierungen lassen sich ferner bei der Arzneimittelbeschaffung, der Vergütung von Vertragsärzten und der zahnärztlichen Versorgung erzielen. Schließlich sollten die Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung wirkungsgleich auf den Justizvollzug übertragen werden.

Durch eine Neustrukturierung des Landesbetriebs Mess- und Eichwesen könnte das Betriebsergebnis verbessert werden. Der in den Jahren 2001 bis 2003 erwirtschaftete Verlust von insgesamt 10 Mio. € ist zum Teil darauf zurück zu führen, dass Leistungen erbracht werden müssen, für die der Betrieb keine Gebühren oder Entgelte berechnen darf. Diese Rechtslage und Praxis sollte überprüft werden. Zu den auch europarechtlich veranlassten Privatisierungsplänen merkten die Finanzkontrolleure kritisch an, dass solche ordnungspolitisch folgerichtigen Maßnahmen fiskalisch nur dann einen Sinn machen, wenn sie den Landeshaushalt letztlich entlasten.

Die Finanzkontrolleure sind auch der Frage nachgegangen, wie die finanziellen Belastungen der Gemeinden im Feuerlöschwesen gesenkt werden können. Immerhin tragen die Gemeinden den größten Teil von den rd. 300 Mio. € pro Jahr für die Finanzierung der Feuerwehren, während das Land 45 Mio. € beisteuert. Dort könnte die gezielte kommunale Zusammenarbeit bei Beschaffungen sowie gründliche Bestandsaufnahmen mit angemessenen Konzepten zu deutlichen Einsparungen führen.Zudem wären die Einnahmen aus dem Kostenersatz für Leistungen der Feuerwehren steigerungsfähig.

Weitere Einsparpotenziale bietet die sachgerechte Differenzierung der vom Land an die Landwirte zu zahlenden Pauschalbeträge als Ausgleich für Bewirtschaftungsbeschränkungen in Wasserschutzgebieten.

2.3. Kostensenkung durch zielgerichtete Investitionen

Teilweise können Sach- und Personalausgaben erst eingespart werden, wenn zuvor Investitionen getätigt werden. So könnten z. B. durch den Bau von Holzhackschnitzel-Heizungen Heizungskosten für Landesliegenschaften in Millionenhöhe eingespart und zugleich ein Beitrag zum Umweltschutz geleistet werden. Derzeit beheizt das Land 40 % seiner Gebäude mit Erdgas und Heizöl und gibt dafür jährlich rd. 25 Mio. € aus. Insbesondere bei größeren Neubauten und Sanierungsvorhaben sollte die Staatliche Vermögens- und Hochbauverwaltung Holzhackschnitzel-Heizungen in die Planung mit einbeziehen.

Auch in die elektronische Arbeitszeiterfassung bei der Landespolizei sollte aus Sicht der Finanzkontrolleure einmalig etwa 3,2 Mio. € investiert werden. Bisher werden für die manuelle Zeiterfassung Arbeitskapazitäten mit Kosten von 4,3 Mio. € pro Jahr gebunden; durch die Investition von rd. 3,2 Mio. € könnten schon im ersten Jahr Effizienzgewinne erzielt werden, indem die freiwerdenden Arbeitskapazitäten für polizeispezifische Aufgaben genutzt werden könnten. Von einer Umstellung auf die elektronische Zeiterfassung versprechen sich die Prüfer weitere nichtmonetäre Vorteile für die Dienststellen und die einzelnen Beamten.

3. Vermögen der Landesstiftung sollte erhalten werden

„Das Vermögen der Landesstiftung sollte auf Dauer erhalten und optimal verwaltet werden“, fordern die Karlsruher Finanzkontrolleure. Sie bemängeln, dass die Landesstiftung Baden-Württemberg gGmbH im Zuge der Biologieoffensive im Jahre 2002 dem Land 29 Mio. € und - nach der Prüfung durch den Rechnungshof - für die Zukunftsoffensive IV im Jahre 2005 weitere 168 Mio. € zur Verfügung gestellt und dabei jeweils auf die Vermögenssubstanz zurückgegriffen hat. „Das entspricht nicht dem ursprünglichen Grundkonzept des Landes, nur die Erträge der Landesstiftung für gemeinnützige Zwecke auszureichen, das Vermögen aber im Bestand zu erhalten“, kritisiert der Rechnungshof. Neben dem Aspekt des teilweisen Vermögensverbrauchs stellen die Finanzkontrolleure die praktizierte Vermögensverwaltung in Frage und machen Vorschläge zur weiteren Anlagestrategie.„Die Wohltaten der Stiftung“, warnte Frank, „können aber auch negative Folgen für den Landeshaushalt haben.“ Projekte der Zukunftsoffensive III, die aus steuerrechtlichen Gründen von der Landesstiftung nicht realisiert werden konnten und deswegen aus dem regulären Landeshaushalt finanziert wurden, haben bereits zu einer zusätzlichen Haushaltsbelastung in Höhe von 80 Mio. € geführt. Nach einer vorsichtigen Schätzung der Finanzkontrolleure werden die vom Land zu tragenden Betriebs- und Folgekosten der aus der Zukunftsoffensive III geförderten Maßnahmen den Landeshaushalt auf Dauer mit jährlich mindestens 15 Mio. € belasten.

Der Rechnungshof bemerkt zudem, dass er rechtlich gehindert ist, etwas zu Effektivität, Effizienz und Nachhaltigkeit der Fördermaßnahmen der Landesstiftung zu sagen, weil er wegen der privaten Rechtsform der Landesstiftung in vielen Fällen bisher nicht bei den Empfängern der Fördermittel prüfen darf. Er hält es im Interesse des Landes für erforderlich, dass ihm ein entsprechendes Prüfungsrecht eingeräumt wird.

4. Erstmals Kosten und Wirkungen von Ganztagsschulen im Land untersucht

Die Prüfung des Rechnungshofs liefert erstmals eine verlässliche Datenbasis zu den Kosten und Wirkungen von Ganztagsschulen im Land. Eine Umfrage bei allen 174 genehmigten Ganztagsschulen des Landes hat ergeben, dass für das zusätzliche Angebot an den genehmigten Ganztagsschulen im Schuljahr 2003/04 Kosten von insgesamt rd. 42 Mio. € entstanden sind, von denen das Land rd. 31 Mio. € und die Schulträger den Rest getragen haben. Nach Einschätzung der Schulleitungen wirken sich die zusätzlichen Angebote an den Ganztagsschulen positiv auf das allgemeine Schulklima, die Arbeit der Lehrkräfte sowie auf das Sozialverhalten der Schüler aus.

Der Rechnungshof hat sich in seiner Prüfung auch mit dem Verteilungsverfahren der rd. 528 Mio. € befasst, die Baden-Württemberg zur Schaffung einer modernen Infrastruktur im Ganztagsschulbereich aus dem Bundesinvestitionsprogramm IZBB erhalten hat. Die Finanzkontrolleure kritisieren die Mittelzuteilung nach dem „Windhundprinzip“ und fordern die Verwaltung auf, derartige Mittel zielgerichtet nach der Dringlichkeit des Bedarfs und nach der Qualität des Konzepts zu vergeben.

Weiterhin zeigt der Rechnungshof eine verlässliche Hochrechnung zum Finanzierungsbedarf des Landes auf, um die in das Bundesprogramm aufgenommenen Schulen zu Ganztagsschulen auszubauen. Hierfür müssten zusätzlich rd. 300 Lehrervollzeitstellen im Wert von 19,6 Mio. € bereitgestellt werden.

Schließlich empfehlen die Finanzkontrolleure für die sich abzeichnende Entwicklung des weiteren Ausbaus der Ganztagsschulen, zunächst die Leistungsfähigkeit der verschiedenen Formen der Ganztagsschulen zu ermitteln und dann die Förderung an dem Ergebnis der Evaluationen zu orientieren.

5. Rechnungshof mahnt gesetzmäßigen Verwaltungsvollzug an

5.1. Nebentätigkeiten von Professoren

Bei verschiedenen Prüfungen an Universitäten und Berufsakademien hat der Rechnungshof wiederholt typische Fehler bei der Anwendung des Nebentätigkeitsrechts auf Professoren festgestellt. Neben Verstößen gegen das vorgeschriebene Verfahren rügen die Rechnungsprüfer in einigen Einzelfällen auch die Genehmigung unzulässiger Nebentätigkeiten. Schließlich wurden Ansprüche des Landes, die sich aus Nebentätigkeiten der Professoren ergeben, nicht oder noch nicht vollständig durchgesetzt.

5.2. Lehrverpflichtung an den Universitäten

Auch gegen die Lehrverpflichtungsverordnung wurde an den Universitäten des Landes verstoßen. Die Dienstpflicht des hauptamtlichen wissenschaftlichen Personals, neben der Forschung Lehrveranstaltungen abzuhalten, wurde in vielen Fällen nicht vollständig erfüllt. Der Rechnungshof rügt verschiedene systematische Fehler bei der Anwendung der Verordnung und gibt Hinweise, wie künftig verfahren werden sollte. Die Professoren und die Angehörigen des akademischen Mittelbaus haben in den gerügten Fällen weniger Lehrveranstaltungen abgehalten, als es ihnen die einschlägigen Bestimmungen abverlangen. Der Rechnungshof fordert die Vorstände der Universitäten und das Wissenschaftsministerium auf, die vorgeschriebenen Lehrangebote an den Universitäten im Wege der Aufsicht sicherzustellen.

5.3. Förderung von internationalen Schulen

Für Zuwendungen an internationale Schulen sieht der Rechnungshofbisher keine eindeutige Rechtsgrundlage. Um den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg zu stärken, förderte das Land den laufenden Schulbetrieb einiger internationalen Schulen, die einen internationalen Schulabschluss vermitteln und deren Unterrichtssprache Englisch oder Japanisch ist. In den letzten zehn Jahren wurden dafür insgesamt 15 Mio. € aufgewendet. Das jährliche Schulgeld für den einzelnen Schüler beträgt bis zu 26.000 €, wenn er im Internat untergebracht ist. Die internationalen Schulen haben eine deutlich bessere Lehrer-Schüler-Relation und kleinere Klassen. Sie erhalten bisher eine Zuwendung entsprechend den Kopfsätzen für allgemein bildende Gymnasien in freier Trägerschaft. Der Rechnungshof moniert, dass diese finanzielle Förderung vom Privatschulgesetz bislang nicht zugelassen wird. Die Zuwendung kann auch nicht als Wirtschaftsförderung begründet werden, zumal eine Prüfung, ob die Schulen auch ohne Zuwendung ihren Betrieb aufrechterhalten könnten, bisher nicht durchgeführt wurde. Er schlägt vor, eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Förderung der internationalen Schulen zu schaffen oder die Zuwendung einzustellen.

6. Kritische Überprüfung des Nutzens von Förderprogrammen und zweckentsprechende Verwendung von Fördergeldern geboten

Ein Schwerpunkt der Denkschrift liegt in diesem Jahr im Zuwendungsbereich. Förderprogramme sollten regelmäßig auf ihre Notwendigkeit und Wirksamkeit hin überprüft, Förderkriterien und -ziele klar formuliert werden. Teilweise führen auch mangelhafte bzw. überflüssig komplexe Organisationsstrukturen von Förderstellen sowie Fehler bei der konkreten Durchführung von Förderprogrammen zu unsachgemäßen Ergebnissen und stehen einer wirtschaftlichen Mittelverwendung entgegen. Ferner sollte bei der Bereitstellung von Fördermitteln des Landes darauf hingewirkt werden, dass diese von den Empfängern zweckentsprechend und möglichst wirtschaftlich verwendet werden. Dass diese Vorgaben nicht immer beachtet werden, dokumentieren mehrere Beiträge.

6.1. Kritische Überprüfung des Nutzens von Förderprogrammen geboten

„Durch die Förderung von Regionalmessen mit einem Mitteleinsatz von bisher rd. 55 Mio. € und der damit finanzierten erheblichen Zunahme von Hallenflächen hat das Land eine Wettbewerbssituation geschaffen, die den geförderten Messestandorten letztendlich gefährlich werden könnte“, stellte der Rechnungshof fest. Weil gutachterliche Empfehlungen nicht ausreichend beachtet wurden, entstand ein Überangebot an Hallenflächen insbesondere für den Veranstaltungssektor; ein Verdrängungswettbewerb wurde forciert. Zudem sehen die Finanzkontrolleure bei der Förderung von Multifunktionshallen (u. a. für Fernseh-Shows sowie Konzert- und Sportveranstaltungen) keinen Bezug zu den Aufgaben des Landes.

Ebenfalls kritisch sieht der Rechnungshof die Förderung von außenwirtschaftlichen Maßnahmen. Nach den Ergebnissen seiner Prüfung sind diese häufig nicht zielgerichtet und die zugesagte finanzielle Beteiligung der Wirtschaft erfolgt nur zögerlich. Eingestellt werden sollte die Förderung dann, wenn der Zuwendungsempfänger seine finanzielle Beteiligung nicht erfüllt oder die Ziele nicht erreicht werden.

Des Weiteren sollte sich das Land aus der Förderung der ambulanten Hilfen für Behinderte und ihre Angehörigen zurückziehen, da dies eine kommunale Aufgabe ist und das landespolitische Ziel einer flächendeckenden Grundversorgung nahezu erreicht wurde. Sollte die Förderung aus Landesmitteln dennoch fortgeführt werden, müssten die Förderbedingungen eindeutig bestimmt werden.

6.2. Sinnvolle Fördermaßnahmen sollten beibehalten und stringent organisiert werden

„Bürgschaften, die das Land zur Verbesserung der Kapitalversorgung von kleinen und mittleren Unternehmen übernimmt, sind ein sinnvolles und effektives Instrument der Wirtschaftsförderung“, stellte der Rechnungshof nach einer Prüfung von 50 Einzelfällen der letzten Jahre fest. „Es handelt sich um eine Variante der Wirtschaftsförderung, die den Landeshaushalt nur wenig belastet, aber wegen der Probleme vieler Unternehmen, eine angemessene Eigenkapitaldecke zu erreichen, sehr hilfreich ist“, erklärte der Rechnungshof. Die Ausfallquote bei den Bürgschaften von weniger als 2 % in den letzten Jahren hält er für noch vertretbar, plädiert aber dafür, die vorsichtige Praxis bei der Übernahme von Bürgschaften beizubehalten.

Als weiterhin erforderlich bewertet der Rechnungshof die staatliche Förderung von Wissenschaftlerinnen, die sich um eine Fachhochschulprofessur bewerben wollen. An den baden-württembergischen Fachhochschulen sind noch immer nur 9,2 % der Professorenstellen mit Frauen besetzt, während die Quote an allen Hochschulen bundesweit bei 12,6 % und europaweit bei 26 % liegt. Allerdings sollte die unübersichtliche Förderung, die jährliche Kosten in Höhe von 1,4 Mio. € verursacht, überprüft und auf wenige, wirksame Förderinstrumente konzentriert werden.

6.3. Auf eine zweckentsprechende Verwendung von Fördergeldern ist vermehrt zu achten

Die Frage nach der Zweckerreichung steht im Kern jeder Zuwendungsprüfung. Wie wichtig eine Erfolgskontrolle bei der Verwendung von Fördergeldern ist, belegen eindruckvoll die Beiträge Nr. 17 und 18 der Denkschrift. Zuwendungen nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz werden vielfach für nicht förderfähige Tatbestände, wie Erschließungs- und Anliegerstraßen ausgereicht. Auch haben Bewilligungsstellen immer wieder das „Aufrüsten“ eines Vorhabens zur vermeintlichen Förderfähigkeit wohlwollend begleitet, eine anschließende Erfolgskontrolle aber unterlassen. An zwei Einzelfällen illustriert der Rechnungshof diese Förderpraxis und legt nahe, die Aufhebung der Bewilligungsbescheide zu prüfen.

Ähnlich sah es bei der Förderung der naturnahen Gewässerentwicklung aus. Hier wurden infolge unzureichender Antragsprüfung durch die Fachverwaltung Fördermittel in erheblicher Höhe nicht zielgerichtet eingesetzt. Es fielen eine Reihe von Vorhaben auf, die geradezu das Gegenteil eines naturnahen Gewässerausbaus waren. Als Konsequenz hat der Rechnungshof empfohlen, verbindliche Mindeststandards zur Ausarbeitung von Gewässerentwicklungsplänen zu definieren, um so die notwendigen Qualitätsanforderungen bei gleichzeitiger Verwaltungsvereinfachung zu gewährleisten.

7. Datenverarbeitung sollte wirtschaftlicher eingesetzt werden

Die Datenverarbeitung in der Landesverwaltung kann und muss wirtschaftlicher eingesetzt werden. Im Hinblick auf die fortschreitende Netztechnik und die Folgen der Verwaltungsstruktur-Reform hat der Rechnungshof die Wirtschaftlichkeit des Landesverwaltungsnetzes untersucht und kommt zu dem Ergebnis, dass neben einer Reihe organisatorischer Verbesserungen die Zusammenführung des staatlichen Netzes mit den kommunalen Datennetzen geboten ist. Seit dem Übergang der über 300 unteren Sonderbehörden zu den Landratsämtern und Stadtkreisen im Zuge der Verwaltungsstruktur-Reform werden viele DV-Verfahren sowohl von Landesbehörden als auch von der Kommunalseite benutzt. Die Daten werden derzeit über mehrere unterschiedliche Netze transportiert, sodass die Datenübergabe an den Schnittstellen erheblichen Aufwand verursacht.

Bei der Prüfung der Neuausstattung von 1.700 Bildschirmarbeitsplätzen in den Staatsanwaltschaften kommt der Rechnungshof zu dem Ergebnis, dass die grundsätzliche Entscheidung, die DV durch das Informatikzentrum Landesverwaltung Baden-Württemberg (IZLBW) betreiben und betreuen zu lassen, zu erheblichen Mehrkosten geführt hat. Daneben kritisieren die Finanzkontrolleure eine Reihe von Einzelentscheidungen. So wären z. B. Ausgaben in Höhe von 300.000 € für Fremdpersonalebenso vermeidbar gewesen wie die Einrichtung zusätzlicher Schulungsräume für 230.000 € und der Kauf von überteuerter Software für 260.000 €. Zudem wurden neuwertige Drucker mit Kaufpreisen von bis zu 700 € für 20 € an die Bediensteten weitergegeben und durch baugleiche neue Drucker ersetzt.

„Seit mittlerweile 13 Jahren verfolgt man bundesweit das Ziel, die Datenverarbeitung für die Steuerverwaltung zu vereinheitlichen; das Land hat dafür bisher nahezu 36 Mio. € in das DV-Projekt FISCUS investiert. Trotz hoher Investitionen und langer Entwicklungsdauer steht bisher jedoch für keinen einzigen Teilbereich der Steuerverwaltung eine bundesweit einsetzbare Software zur Verfügung“, stellen die Finanzkontrolleure in ihrer neuesten Denkschrift fest. Sie empfehlen dem Landtag, die Maßnahmen der Verwaltung künftig verstärkt kritisch zu hinterfragen und weitere Investitionen vom konkreten Projektfortschritt abhängig zu machen.

8. Bearbeitungsfehler im Steuerfestsetzungsverfahren führen zu erheblichen Mindereinnahmen

„Allein durch zu Unrecht anerkannte Spekulationsverluste in Höhe von mehr als 60 Mio. € drohen Steuerausfälle in Millionenhöhe“, rechnen die Finanzkontrolleure vor. Die Neuregelung der Besteuerung von Dividenden und Spekulationsgeschäften mit Aktien, das sog. Halbeinkünfteverfahren, wurde von den Finanzämtern vielfach unzutreffend angewendet. Die Bearbeitung der Spekulationseinkünfte mit einer Fehlerquote von mehr als 40 % der untersuchten Fälle führt der Rechnungshof u. a. darauf zurück, dass derzeit weder eine Evaluation des Fortbildungserfolgs umfangreicher Schulungsmaßnahmen noch eine Erfolgskontrolle bei den landesweiten Bearbeitungsschwerpunkten stattfindet. Beides sollte künftig zeitnah durchgeführt werden, um derartige Qualitätsstörungen schneller erkennen und rechtzeitig Gegenmaßnahmen einleiten zu können.

9. Wettbewerb und Kooperationsmöglichkeiten sollten vermehrt genutzt werden

Der Rechnungshof empfiehlt, den Wettbewerb bei Beschaffungen und der Suche nach der wirtschaftlichsten Lösung von Organisationsstrukturen verstärkt zu nutzen und Kooperationsmöglichkeiten mit Privaten oder anderen öffentlichen Trägern auszuloten. So schlägt er vor, das nächste geeignete Dienstleistungsprojekt im DV-Bereich nach Parallelausschreibungen zu vergeben und so den Wettbewerb in die Entscheidungsfindung einzubeziehen. Die gewählte „interne Outsourcing-Variante“ durch Einschalten eines verwaltungsinternen Dienstleisters war wirtschaftlich nicht hinreichend abgesichert.

Ferner regen die Finanzkontrolleure an, als Alternative zum geplanten Neubau eines Justizvollzugskrankenhauses Kooperationen mit öffentlichen Krankenhäusern gründlich zu prüfen und die kommunale Zusammenarbeit im Bereich der Gemeindefeuerwehren zu fördern.

10. Bundesweit koordinierte Prüfung des öffentlichen Statistikwesens zeigt Wirkung

Es ist mehr denn je ein wichtiges Anliegen der Finanzkontrolle, dass ihre Vorschläge und Empfehlungen umgesetzt werden und nachhaltige Wirkung erzielen. Im Abschnitt IV der Denkschrift geht der Rechnungshof auf die Auswirkungen einiger Beiträge der vorangegangenen Denkschriften ein. Unter anderem hat die Prüfung des öffentlichen Statistikwesens Wirkung gezeigt und führt bereits zu Ersparnissen in Höhe von 5,7 Mio. € im Jahr. Dies wurde durch den Abbau von 87 Stellen erreicht; mittelfristig sollen bis zu 200 Stellen abgebaut werden.