Fraktionen des Landtags Baden-Württemberg haben die ihnen in der 12. Wahlperiode (1996 - 2001) gewährten Zuschüsse von insgesamt 21,5 Mio. € (42 Mio. DM) weit überwiegend bestimmungsgemäß verwendet
- Neuregelung der Funktionszulagen für Abgeordnete wirft auch finanzielle Fragen auf
- Rückforderungen von 198.000 € zwischen Fraktionen und Rechnungshof strittig
- Bildung von Rücklagen erscheint um 294.000 € überhöht
- Keine bestimmungsgemäße Verwendung von Zuschüssen in Höhe von 244.000 €
- Ausgaben für die interne Repräsentation müssen in den Jahresrechnungen transparent gemacht werden
- Stellen des Parlamentarischen Beratungsdienstes einer ausgeschiedenen Fraktion wurden nicht eingespart
Karlsruhe/Stuttgart. Die Fraktionen des Landtags haben die ihnen in der abgelaufenen 12. Wahlperiode (1996 - 2001) vom Land gewährten Zuschüsse von 21,5 Mio. € (42 Mio. DM) weit überwiegend bestimmungsgemäß verwendet. Zu diesem Ergebnis kommt der Rechnungshof in seiner Untersuchung "Zuschüsse und sonstige Leistungen an die Fraktionen des Landtags in der 12. Wahlperiode", die er jetzt dem Landtag vorgelegt hat. Allerdings ging es auch diesmal nicht ohne Kritik ab. So monierten die Finanzkontrolleure beispielsweise die Bildung überhöhter Rücklagen und einzelne nicht bestimmungsgemäße Mittelverwendungen. Auch zeigen sie die finanziellen Fragen auf, die mit der Neuregelung der Funktionzulagen für Abgeordnete verbunden sind. „Auf die parlamentspolitischen und verfassungsrechtlichen Fragen der Funktionszulagen an Abgeordnete wollen wir bewusst nicht eingehen. Wir sehen uns aber gehalten, finanzielle Aspekte der im Landtag diskutierten Lösungen anzusprechen“, so Martin Frank, der Präsident des Rechnungshofs. Weiterhin fordert die Karlsuher Kontrollbehörde eine transparentere Darstellung der Ausgaben für die interne Repräsentation in den Jahresrechnungen der Fraktionen. Schließlich kritisiert sie, dass Stellen des Parlamentarischen Beratungsdienstes nach dem Ausscheiden einer Fraktion nicht abgebaut wurden.
Die parlamentspolitischen und verfassungsrechtlichen Fragen der Funktionszulagen an Abgeordnete werden im vorgelegten Bericht nicht erörtert. Der Rechnungshof enthält sich einer rechtlichen Bewertung des vom Präsidenten des Landtags inzwischen vorgestellten Konzepts zur Neuordnung der Funktionszulagen. Diesem Konzept ging die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Juli 2000 voraus, wonach die Zahl der mit Zulagen bedachten parlamentarischen Funktionen auf wenige besonders hervorgehobene parlamentarische Stellen zu beschränken ist. Zum 01.01.2001 erhielten 61 der 155 Abgeordneten des 12. Landtags von Baden-Württemberg Funktionszulagen aus den Fraktionszuschüssen in Höhe von insgesamt 67.000 €/Monat (131.000 DM/Monat). Nach dem jetzt vorliegenden Konzept sollen maximal 30 % der Mitglieder einer Fraktion mit bezahlten Sonderfunktionen betraut werden. Die Umsetzung dieses Konzepts würde nach Ansicht des Rechnungshofs jedoch Festlegungen des Landtags erfordern, bei welchem Betrag eine Vollalimentation erreicht wird. Dabei wäre über die Anrechnung anderer Einnahmen aus öffentlichen Kassen, die nach dem Abgeordnetengesetz neben der Abgeordnetenentschädigung bezogen werden können, zu entscheiden. In dem angekündigten Gesetzentwurf sollten die Kosten der Neuregelung – auch im Hinblick auf die angestrebte „weitgehende Kostenneutralität“ – beziffert werden.
In seiner dritten Prüfung der Fraktionszuschüsse hat der Rechnungshof die Bildung überhöhter Rücklagen und einzelne nicht bestimmungsgemäße Mittelverwendungen festgestellt. Der Präsident des Landtags wurde gebeten, über die Rückzahlung von Zuschüssen in Höhe von insgesamt 337.000 € (660.000 DM) zu entscheiden. Im Umfang von insgesamt 198.000 € (388.000 DM) lehnen die jeweils betroffenen Fraktionen die entsprechende Rückzahlung ab.
Durch die weitere Bildung von Rücklagen haben die Fraktionen nach den Angaben des Rechnungshofs ihr Vermögen in der 12. Wahlperiode von 665.000 € (1,3 Mio. DM) auf 1,4 Mio. € (2,7 Mio. DM) erhöht. Nach der früheren Rechtslage wurden bei drei Fraktionen die Höchstbeträge für die Rücklagenbildung um zusammen 294.000 € (575.000 DM) überschritten. Eine Fraktion hat sich mit der Rückzahlung von 131.000 € (256.000 DM) an den Landtag einverstanden erklärt; im Zuge der Liquidation der Fraktion "Die Republikaner" ist (auch) eine dort überhöht gebildete Rücklage zurückgeflossen.
Durch eine rückwirkende Gesetzesänderung entfällt bei einer weiteren Fraktion eine sonst fällige Rückzahlung von 16.000 € (32.000 DM). Die Möglichkeit der Fraktionen, Rücklagen zu bilden, war vom Landtag entgegen den Vorschlägen des Rechnungshofs durch eine rückwirkende Änderung des Fraktionsgesetzes im November 2001 auf 60 % der jährlich gewährten Zuschüsse ausgeweitet worden. "Mit den Erfahrungen der letzten 10 Jahren lässt sich diese Erweiterung der Rücklagenbildung nicht begründen, sie hätten vielmehr für eine Begrenzung gesprochen. Außerdem könnte darin eine Verletzung des Grundsatzes der Chancengleichheit gegenüber nach Wahlen neu gebildeten Fraktionen liegen“, führt die Karlsruher Kontrollbehörde in ihrem Prüfbericht (S. 11) aus.
Die Fraktionen haben die Fraktionszuschüsse in Höhe von 21,5 Mio. € (42 Mio. DM) in der 12. Wahlperiode weit überwiegend bestimmungsgemäß verwendet. Auch in dieser Wahlperiode haben die Fraktionen – mit einer Ausnahme – ihre Ausgaben für größere Veranstaltungen im letzten Jahr der Wahlperiode deutlich erhöht. Der Rechnungshof hält diese Steigerung für zu hoch. Ferner stuft der Rechnungshof 244.000 € (477.000 DM) von den gewährten Zuschüssen als „nicht bestimmungsgemäß verwendet“ ein. Finanziell gewichtigster Komplex in der laufenden Untersuchung sind mit 153.000 € (299.000 DM) die von zwei Fraktionen in Auftrag gegebenen Meinungsumfragen, die nach Ansicht des Rechnungshofs in wesentlichen Teilen ein direktes Instrument der Wahlkampfvorbereitung waren. Zwei Fraktionen gaben insgesamt 37.000 € (72.000 DM) zweckwidrig für Druckerzeugnisse mit Partei- oder Wahlkampfbezug aus. In die Kritik genommen werden Ausgaben von 24.000 € (46.000 DM) für Veranstaltungen durch drei Fraktionen. Die Gestaltungsformen waren dabei recht unterschiedlich, so eine gemeinsame Veranstaltung einer Fraktion mit ihrer Partei, eine Mischfinanzierung aus Mitteln einer Fraktion und ihrer Partei, eine Veranstaltung zu Wahlkampfzwecken und Zeitungsanzeigen für eine nicht zulässige öffentliche Veranstaltung im Landtagsgebäude. Beanstandet hat der Rechnungshof außerdem Ausgaben für Flugblattaktionen, Messestände und für eine überregionale Straßenbahnfahrt. Für Werbeartikel gaben zwei Fraktionen unzulässig 11.000 € (22.000 DM) aus.
Im Zuge des Prüfungsverfahrens haben die Fraktionen insgesamt 39.000 € (76.000 DM) wieder ihren Haushalten zugeführt. Der Rechnungshof hat über die nach seiner Ansicht nicht bestimmungsgemäß verwendeten 244.000 € (477.000 DM) und die überhöhten Rücklagenbildungen von zusammen 294.000 € (575.000 DM) den Präsidenten des Landtags informiert. Der Landtagspräsident wird noch über die Rückgewähr von Fraktionszuschüssen in Höhe von 337.000 € (660.000 DM) zu entscheiden haben, während ein Teil der Fragen inzwischen erledigt ist. Im Prüfverfahren hat sich eine Fraktion mit der Rückzahlung einer überhöhten Rücklage von 131.000 € (256.000 DM) und eine andere Fraktion mit einer Rückzahlung von 8.000 € (16.000 DM) einverstanden erklärt, die für Werbeartikel ausgegeben worden waren. Über weitere Rückzahlungsverpflichtungen in Höhe von 198.000 € (388.000 DM) teilen die betroffenen Fraktionen die Bewertung des Rechnungshofs nicht. Sie sehen in den entsprechenden Ausgaben keinen Verstoß gegen das Fraktionsgesetz. Insoweit bleiben die Entscheidungen des Präsidenten des Landtags abzuwarten.
Die Fraktionen setzten in sehr unterschiedlichem Umfang Fraktionsmittel für interne Repräsentationszwecke ein. Nach Auffassung des Rechnungshofs sind diese Ausgaben nur dann zulässig, wenn sie in den veröffentlichten Jahresrechnungen transparent als Verfügungsmittel ausgewiesen werden. So wird bisher nicht verfahren. Zwei Fraktionen haben Reisekosten von insgesamt 1.000 € (2.000 DM) für Reisen zu Parteitagen übernommen. Sie verfahren dabei großzügiger, als es die regierungsinternen Festlegungen etwa für den Ministerpräsidenten vorsehen. Der Rechnungshof hält diese Kostenerstattungen für unzulässig. Er hat den Präsidenten des Landtags gebeten, zu diesen Fragen Grundsatzentscheidungen herbeizuführen.
„Mit dem Ausscheiden der Fraktion "Die Republikaner" aus dem Landtag wurde der Konstruktionsmangel des Parlamentarischen Beratungsdienstes wieder deutlich“, so der Rechnungshof weiter. Außer dem Landtag von Baden-Württemberg verfügt nur noch ein Landesparlament über einen Parlamentarischen Beratungsdienst mit Planstellen für Beamte, die der Landtag den Fraktionen zur Dienstleistung zur Verfügung stellt.
Der Wegfall der Fraktion "Die Republikaner" wurde beim Beratungsdienst nicht zu Personaleinsparungen genutzt. Keine der sechs dort zur Verfügung stehenden Beraterstellen wurde im Haushaltsplan 2002/2003 gestrichen, obwohl nur zwei Stellen für Anschlussverwendungen ehemaliger Berater benötigt werden. Von den 39 Planstellen waren im März 2001 nur 12 mit Beamten besetzt, die bereits bei Beginn ihrer Beratertätigkeit im Beamtenverhältnis standen. Die übrigen Stellen waren überwiegend mit Angestellten oder früheren Angestellten besetzt. Der Rechnungshof schlägt vor, den Beratungsdienst in seiner bisherigen Form nicht fortzuführen. Zumindest sollten künftig Berater im Angestelltenverhältnis nur unmittelbar durch die Fraktionen eingestellt werden. Mit ihnen könnten zeitlich begrenzte Arbeitsverträge geschlossen werden; nach ihrem Ausscheiden aus dem Dienst der Fraktion müssten Sie dann nicht beim Landtag oder in der Landesverwaltung beschäftigt werden.
Mit der nunmehr vorgelegten Untersuchung knüpft der Rechnungshof an seine früheren Überlegungen an. In zwei Beratenden Äußerung hat sich der Rechnungshof bisher mit den Zuschüssen an die Fraktionen des Landtags (1993: Zuschüsse an die Fraktionen des Landtags - 10. Legislaturperiode - Ltag-Drcks. 11/2837 und 1997: Zuschüsse an die Fraktionen des Landtags - 11. Legislaturperiode - Ltag-Drcks. 12/946) auseinander gesetzt. Hierbei hat er sich insbesondere mit der Abgrenzung zulässiger Fraktionsarbeit von Maßnahmen für Parteizwecke und der Wahlkampfführung befasst. Die Kontrollbehörde hat hierzu Kriterien in den Bereichen Druckerzeugnisse, Veranstaltungen und Reisekosten entwickelt.