Ehemalige Kasernen für Erstaufnahme von Flüchtlingen nutzen
- Kasernen sind unter baulichen, organisatorischen und wirtschaftlichen Aspekten der beste Standort für eine LEA
- Weniger Regelungen zu Standards und Verweildauer in Einrichtungen zur Flüchtlingsunterbringung
- Das Land muss sich mit Nachdruck dafür einsetzen, das Ankunftszentrum in der hierfür optimal geeigneten Liegenschaft „Patrick Henry Village“ in Heidelberg zu belassen
Karlsruhe/Stuttgart: Der Rechnungshof befasst sich in der Denkschrift 2017 mit der Frage, welche Standorte auszuwählen und welche organisatorischen Maßnahmen zu treffen sind, um die Erstaufnahme von Flüchtlingen wirtschaftlich vorzunehmen. Dabei geht es nicht nur darum, ankommende Flüchtlinge schnell zu identifizieren und ihnen Unterkunft und Verpflegung zur Verfügung zu stellen. Über ihren Antrag muss auch zügig entschieden werden, damit sie nicht lange im Unklaren darüber sind, ob sie hier bleiben können oder in ihr Heimatland zurückkehren müssen.
Er kommt zum Ergebnis, dass ehemalige Kasernen für eine Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) am Besten geeignet sind. Sie bringen neben der reinen Unterbringungsmöglichkeit bereits zahlreiche bauliche Ausstattungen mit, die für die Versorgung der Flüchtlinge und die Durchführung des Asylverfahrens notwendig sind. Zudem hat die Auswertung der im Zuge der Flüchtlingskrise durchgeführten Baumaßnahmen ergeben, dass Kasernen die niedrigsten Baukosten je Platz verursachten. In Kasernen können aufgrund ihrer Größe und der baulichen Gestaltung mit in der Regel gegliederten baulichen Einheiten und großen Freiflächen die Kapazitäten flexibler als andernorts an schwankende Zugangszahlen angepasst werden.
Max Munding, Präsident des Rechnungshofs sagte hierzu in Stuttgart: „In der gegenwärtigen Situation ist es wirtschaftlicher und effektiver, in bestehende Einrichtungen in Kasernen zu investieren und deren Betrieb langfristig zu sichern, als durch Neubau- oder Umbaumaßnahmen neue Einrichtungen zu schaffen.“ Munding fordert die Landesregierung daher auf: „Durch Absprachen mit Bund und Standortkommunen muss dafür Sorge getragen werden, die bestehenden Einrichtungen in Kasernen im erforderlichen Umfang langfristig fortführen zu können. Dies gilt insbesondere für das Ankunftszentrum im Patrick-Henry Village Heidelberg.“
Die Einrichtung des Ankunftszentrums Heidelberg hatte Ende 2015 bundesweit Modellcharakter. Die baulichen Gegebenheiten in der ehemaligen US-Kaserne „Patrick-Henry Village“ sind hierfür optimal. Die bislang angedachten Alternativen in der Rhein-Neckar-Region sind entweder zu klein oder stehen noch nicht zur Verfügung. Zudem wären große Investitionen notwendig, um sie auf einen Standard zu bringen, der im Patrick-Henry Village bereits gegeben ist.
Für eine zügige und reibungslose Gestaltung der Flüchtlingsaufnahme und des Asylverfahrens in einer LEA ist es notwendig, dass Land und Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eng miteinander zusammenarbeiten. Die beiderseitigen Abläufe und Kapazitäten müssen wie bei einem Zahnrad ineinandergreifen. Hierzu sollte eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung mit dem BAMF geschlossen werden. Dies könnte dem Land die Perspektive eröffnen, mittelfristig Kapazitäten abzubauen und somit Kosten zu senken. Der Rechnungshof empfiehlt zudem, dass eine LEA aus betrieblichen und organisatorischen Gründen eine Regelkapazität von 1.000 Plätzen nicht unterschreiten sollte.
Angesichts nicht voraussagbarer Flüchtlingszahlen macht der Rechnungshof der Landesregierung in seiner Denkschrift trotz aktueller Leerstände bewusst keine Vorgaben zum Abbau von Kapazitäten. Das Land hat in gewissem Umfang bereits selbst auf die veränderte Situation reagiert. Der Rechnungshof hält es jedoch für unwirtschaftlich, gänzlich leerstehende Einrichtungen, insbesondere Anmietungen, im Stand-by-Betrieb vorzuhalten. Es sollten kostengünstigere Alternativen hierzu geprüft werden.
Der Rechnungshof empfiehlt, das Flüchtlingsaufnahmegesetz zu reformieren und eine Bundesratsinitiative zur Reform des Asylgesetzes zu starten. Ziel der Reformen sollte es sein, starre Regelungen zur Verweildauer in Einrichtungen sowie starre Flächenvorgaben zu flexibilisieren. Die Gesetze müssen so gestaltet werden, dass sie auch in Krisenzeiten beachtet werden können.