Die Neuen Steuerungsinstrumente in der Landesverwaltung (NSI) müssen neu ausgerichtet und optimiert werden
- Eine unveränderte Weiterführung der NSI ist nicht vertretbar
- Bisher ist der wirtschaftliche Nutzen der NSI nur ansatzweise erkennbar
- Bis Ende 2005 hatte das Land bereits 220 Mio. € für das Projekt „Einführung der NSI“ ausgegeben; die laufenden Kosten liegen bei 30 Mio. € pro Jahr
- Der Rechnungshof stellt Handlungsalternativen vor und empfiehlt, die NSI stärker bedarfsorientiert und nur noch eingeschränkt fortzuführen
- Das neue Haushaltsmanagementsystem hat sich bewährt; die dezentrale Budgetierung und das Controlling sind weiter auszubauen
Karlsruhe: Angesichts heutiger Veröffentlichung über die aktuelle Prüfung des Projekts NSI bestätigt der Rechnungshof, dass er die Ergebnisse seiner Prüfung den Ministerien mitgeteilt hat. Die Ministerien hätten jetzt Gelegenheit, sich zur Prüfungsmitteilung zu äußern. Nach Eingang der Stellungnahmen werde der Rechnungshof der Landesregierung und dem Landtag eine Beratende Äußerung zu dem Thema vorlegen.
Die Untersuchung des Rechnungshofs hat deutlich gezeigt, dass die mit hohem finanziellen Mitteleinsatz und unter starker Inanspruchnahme der Mitarbeiter durchgeführte und als „Jahrhundertreform“ angekündigte Einführung neuer Steuerungsinstrumente bisher noch keines ihrer Ziele umfassend erreicht hat. Der Rechnungshof hält eine unveränderte Weiterführung der NSI für wirtschaftlich nicht vertretbar.
Kernelemente der NSI sind das automatisierte Haushaltsmanagementsystem, die dezentrale Budgetverantwortung, die Kosten- und Leistungsrechnung, das Controlling sowie das Führungsinformationssystem. Mit diesen Instrumenten soll die Landesverwaltung zielgenauer gesteuert und damit die Verwaltungsleistungen besser und kostengünstiger erbracht werden. Bis Ende 2005 belief sich der Einführungsaufwand für die NSI auf insgesamt rd. 220 Mio. € und die laufenden Kosten auf rd. 30 Mio. € pro Jahr. Nach Berechnungen der Landesregierung im Vorfeld des Projekts sollte sich dieser Aufwand in wenigen Jahren amortisieren. Bisher stehen dem Einführungsaufwand jedoch keine nennenswerten Einsparungen an Personal- und Sachkosten gegenüber. Für die Einführung der NSI mussten vorübergehend sogar 257 neue Stellen geschaffen werden. Eine teilweise Refinanzierung der Projektkosten erfolgt nun in einem ersten Schritt aus dem allgemeinen Stellenabbauprogramm des Landes. Diese Einsparungen, die sich u. a. aus der Einführung der 41-Stunden-Woche ergeben, können dadurch nicht wie vorgesehen und erforderlich zur Entlastung des Landeshaushalts und zur Reduzierung der Schuldenlast eingesetzt werden.
Der Rechnungshof hat geprüft, ob die Leistungen der Landesverwaltung durch NSI tatsächlich besser und kostengünstiger erbracht werden. Dabei waren die Fragen zu untersuchen, ob durch die NSI fundierte Informationen für die einzelnen Verwaltungsbereiche bereitgestellt werden, um hierdurch Leistungen quantitativ und qualitativ verbessern zu können, und ob auf Basis der NSI eine ziel- und ergebnisorientierte Planung und Steuerung möglich ist. Hierzu hat der Rechnungshof im Jahr 2005 zum einen die 400 Controller des Landes einer Aufgabenanalyse unterzogen und zum anderen eine Vielzahl von Landesdienststellen nach ihrer Einschätzung zur Wirksamkeit der NSI befragt. Zudem haben die Finanzkontrolleure mit den Verantwortlichen des Projekts beim Finanz- und Innenministerium zahlreiche Gespräche geführt.
Die Prüfungsergebnisse sind ernüchternd. Sie haben gezeigt, dass die Instrumente der Neuen Steuerung zwar weitgehend eingeführt sind, aber abgesehen vom Haushaltsmanagementsystem bisher kaum positive Wirkungen in Bezug auf die Effektivität und Effizienz der Landesverwaltung entfalten. Insgesamt hat sich gezeigt, dass sich die Instrumentarien der freien Wirtschaft nur schwer auf die öffentliche Verwaltung übertragen lassen. Nach Auffassung des Rechnungshofs wurden bei der Einführung der NSI deren mögliche positive Auswirkungen überschätzt, während die durch Rechtsstaatsprinzip und öffentliches Dienstrecht geprägten Unterschiede zwischen öffentlicher Verwaltung und freier Wirtschaft unterschätzt wurden.
Als grundsätzliches Problem erwies sich der Projektansatz, die NSI flächendeckend in 1.200 Dienststellen mit mehr als 110.000 Mitarbeitern gleichzeitig einzuführen. Dabei kam das Projekt mit der 2005 in Kraft getretenen Verwaltungsstrukturreform auch in konzeptioneller Hinsicht in Konflikt. Durch die Verlagerung der Verantwortung für operative Aufgaben auf die unteren Verwaltungsbehörden ist eine strategische und operative Gesamtsteuerung einer Vielzahl staatlicher Aufgaben durch Landesbehörden nicht mehr möglich. Die NSI konnten daher in vielen Verwaltungsbereichen nur eingeschränkt Wirkung entfalten. Bei der Entwicklung der Verwaltungsstrukturreform und der Beschlussfassung zur Einführung wurden die Auswirkungen auf das teuere und große NSI-Projekt nicht ausreichend berücksichtigt. Weiterhin fehlt - wie die Umfrage im Rahmen der Erhebung zeigte - die Akzeptanz für die NSI bei den Bediensteten der Landesverwaltung weitgehend. Dies ist u. a. auf die teilweise sehr abstrakten und an den Bedürfnissen der Landesverwaltung vorbeigehenden Schulungen zurückzuführen.
Die aus der Kosten- und Leistungsrechnung gewonnenen Daten werden bisher kaum für die Steuerung der Verwaltung genutzt. Ein Ziel führendes Berichtswesen ist erst in Ansätzen erkennbar, es hat bisher kaum wirtschaftliche Auswirkungen gezeigt. Dies liegt u. a. daran, dass die Entscheidungsträger der Landesverwaltung den Controllern zumeist keine eindeutigen Vorgaben machen und diese nicht ausreichend unterstützen. Dem Personalaufwand von jährlich mehr als 15 Mio. € allein für die Controller steht bisher kaum ein messbarer Nutzen gegenüber. Insgesamt wurde die Umsetzung der NSI in vielen Bereichen zu wenig als Führungsaufgabe gesehen und eher schleppend betrieben. Das lag nach Einschätzung des Rechnungshofs auch daran, dass die NSI zu wenig entsprechend dem konkreten Informations- und Steuerungsbedarf der jeweiligen Führungskräfte konzipiert wurden. Hier gelte es nachzubessern.
Nach den Ergebnissen der umfassenden Untersuchung des Projektes ist eine unveränderte Weiterführung der NSI in der Landesverwaltung nicht vertretbar. Der Rechnungshof spricht sich dafür aus, die NSI zu optimieren und neu auszurichten. Hierzu hat er sich mit drei Handlungsalternativen befasst und detaillierte Vorschläge erarbeitet. Aus Sicht der Finanzkontrolleure sollten die NSI nur noch in den Bereichen der Landesverwaltung, die eine durchgängige Behördenstruktur haben, weitergeführt und optimiert werden. Dies betrifft die Ressorts Innen, Justiz und Finanzen. In den übrigen Ministerien könnte die Kosten- und Leistungsrechnung in reduziertem Umfang im Bereich der Querschnittsaufgaben und bei geeigneten Fachaufgaben, wie etwa dem Fördercontrolling, weitergeführt und weiterentwickelt werden. Ergänzend oder alternativ hierzu können die NSI auf freiwilliger Basis in Dienststellen und Einrichtungen mit betriebswirtschaftlichen Strukturen bzw. geeigneten Aufgabenfeldern in einem jeweils angemessenen Umfang weitergeführt werden. Auf jeden Fall sollte eine möglichst weitgehende Refinanzierung der Ausgaben für die NSI durch Personal- und Sachkosteneinsparungen angestrebt werden. Den laufenden Ausgaben müssen konkrete monetäre und quantitative Einsparungen gegenüberstehen. Der Einsatz der Instrumente sollte insgesamt konsequenter, koordinierter und stringenter erfolgen. Ein erneuter und besserer Abgleich zwischen Informationsbedarf der Führung einerseits und der Lieferung von Informationen andererseits sei geboten.
Die Untersuchung des Rechnungshofs zeigt, dass die unterschiedlichen Strukturen von Markt und Staat einer unangepassten Implementierung marktwirtschaftlicher Instrumentarien in den öffentlichen Sektor entgegenstehen. Zwar ist es grundsätzlich geboten, betriebswirtschaftliche Steuerungsmöglichkeiten in den öffentlichen Bereich zu übernehmen, um effektiver und effizienter steuern zu können. Die entscheidende Kraft zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit in der freien Wirtschaft, nämlich der sich aus dem Markt ergebende Wettbewerb, kann im öffentlichen Bereich seine Wirkung nicht entfalten. Eine in einer funktionierenden Marktwirtschaft entstehende Effektivität und Effizienz ist deshalb im rechtsstaatlich geprägten öffentlichen Sektor mit dem seiner Aufgabe entsprechenden Dienstrecht nach Auffassung des Rechnungshofs nicht im gleichen Umfang erreichbar. Dementsprechend sollten die NSI mit Augenmaß und bedarfsorientiert eingesetzt, nicht aber als revolutionäre Entwicklung missverstanden werden. Vor überzogenen Erwartungen hinsichtlich der Wirksamkeit solcher Instrumente möchte der Rechnungshof ausdrücklich warnen.