Bei den theologischen Fakultäten ist eine bedarfsgerechtere Personalausstattung angezeigt
- Rückgang der Studierendenzahlen führt zu Auslastungen der Lehrkapazität zwischen 33,5 % und 43,4 %
- Rechnungshof empfiehlt den Abbau von Überkapazitäten
- Die betroffenen Universitäten könnten jährlich 4,4 Mio. € anderweitig einsetzen
Karlsruhe/Stuttgart. „Durch eine bedarfsgerechte Reduzierung der Personalausstattung der vier theologischen Fakultäten könnten die Universitäten jährlich 4,4 Mio. € an Personalmitteln anderweitig einsetzen, ohne dass die den Kirchen zustehenden Leistungen des Landes beeinträchtigt werden“, fasste Martin Frank, der Präsident des Rechnungshofs, das Ergebnis der Prüfung der Lehrkapazitäten der theologischen Fakultäten bei der Vorstellung der Denkschrift 2005 in Stuttgart zusammen.
Der Rechnungshof Baden-Württemberg hat die Auslastung der vier theologischen Fakultäten im Land untersucht. Bei Abschluss der Prüfung waren die katholisch-theologische Fakultät in Freiburg nur zu 43,4 % und die in Tübingen nur zu 33,5 % ausgelastet. Bei den evangelisch-theologischen Fakultäten ergaben sich Auslastungen von 37,6 % in Heidelberg und 41,3 % in Tübingen. Diese geringen Auslastungen der Lehrkapazität gehen darauf zurück, dass in den letzten zehn Jahren die Studierendenzahlen an den evangelisch-theologischen Fakultäten um mehr als 60 % und an den katholisch-theologischen Fakultäten um mehr als 40 % zurückgegangen sind. In der Personalausstattung spiegelt sich diese Entwicklung nur unzureichend, denn der Personalkörper schrumpfte in Heidelberg um 30 %, in Tübingen und Freiburg lediglich um 8 % bzw. 7 %. An der katholisch-theologischen Fakultät in Tübingen war sogar ein Stellenzuwachs zu verzeichnen.
Nach Ansicht der Karlsruher Finanzkontrolleure rechtfertigt es die vertragliche und verfassungsrechtliche Verpflichtung zwar, alle theologischen Fakultäten zu erhalten, nicht vertretbar ist es aber, Überkapazitäten vorzuhalten. Vor diesem Hintergrund schlägt der Rechnungshof vor, die personelle Ausstattung an den beiden Tübinger Fakultäten auf jeweils 10 Professuren, in Freiburg auf 11 und in Heidelberg auf 12 Professuren zu reduzieren. Bei der Bemessung dieser Ausstattungsempfehlungen hat der Rechnungshof die von den Kirchen selbst 1995 definierte Mindestausstattung von 10 Professuren zugrunde gelegt. Auch wurden die zahlreichen Lehrexporte sowie der in Heidelberg angebotene Studiengang Diakoniewissenschaft und der in Freiburg angebotene Studiengang Caritaswissenschaft berücksichtigt. Zusammen mit den entsprechenden Stellenreduzierungen beim akademischen Mittelbau und bei den Verwaltungskräften könnte so landesweit ein Volumen von jährlich 4,4 Mio. € eingespart werden. Nach dem geltenden Solidarpakt kämen diese Einsparungen den Universitäten selbst zugute, die damit ihr Leistungsangebot an anderer Stelle verbessern könnten.
Der Rechnungshof hat sich bei seiner Prüfung nicht nur intensiv mit den betroffenen Fakultäten und ihren Argumenten auseinandergesetzt, sondern auch das Gespräch mit den beiden Diözesen und den beiden evangelischen Landeskirchen gesucht. Diese haben eine Reihe von Einwendungen gegen die Feststellungen der Karlsruher Kontrollbehörde erhoben, auf die in der Denkschrift ausführlich eingegangen wird.
Vor dem baden-württembergischen Rechnungshof hatten sich in den letzten Jahren auch die Rechnungshöfe in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein mit der Auslastung der theologischen Fakultäten befasst. Diese hatten - im Unterschied zum baden-württembergischen Rechnungshof - nicht nur eine deutliche Reduzierung der Ausstattung, sondern auch die Schließung einzelner Standorte in die Diskussion gebracht und im Hinblick darauf die Kündigung der bestehenden Konkordate bzw. der Staatskirchenverträge angeregt.