Amtsnotariate könnten im Nachlassbereich jährlich 5,6 Mio. € mehr einnehmen

Die badischen Amtsnotare verzichten regelmäßig auf die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung im Erbscheinverfahren; dadurch bleiben Einnahmemöglichkeiten in Höhe von jährlich 4 Mio. € ungenutzt

Karlsruhe/Stuttgart.„Auch die Einnahmen aus Gebühren ließen sich steigern, wenn die ge-setzlich vorgesehenen Einnahmemöglichkeiten genutzt würden,“ so Martin Frank, der Präsident des Rechnungshofs Baden-Württemberg, vor Journalisten in Stuttgart bei der Vorstellung der Denkschrift 2004. Nach den Worten Franks schöpfen die Amtsnotariate in Baden-Württemberg ihre Einnahmemöglichkeiten im Nachlassbereich nicht aus. Durch den weitgehenden Verzicht der badischen Amtsnotare auf die Abnahme eidesstattlicher Versicherungen im Erbscheinverfahren und die Festsetzung zu niedriger Geschäftswerte durch die württembergischen Amtsnotariate bleibt ein Einnahmepotenzial von jährlich 5,6 Mio. € ungenutzt.

Nach dem Ergebnis einer landesweiten Querschnittsuntersuchung des Rechnungshofs und des Staatlichen Rechnungsprüfungsamts Freiburg nehmen die badischen Amtsnotare nur in 8 % der Erbscheinverfahren eine eidesstattliche Versicherung ab. Im württembergischen Rechtsgebiet   erfolgt dies - entsprechend dem gesetzlichen Regel-Ausnahme-Verhältnis - in 91 % der Fälle. Im badischen Rechtsgebiet wird durch diese ablaufbedingte Verfahrensweise ein jährliches Einnahmepotenzial von 4 Mio. € nicht ausgeschöpft. Die eidesstattliche Versicherung dient dem Nachweis der Richtigkeit der im Erbscheinverfahren von den Beteiligten gemachten Angaben und damit der Rechtssicherheit. Die Entscheidung, ob eine eidesstattliche Versicherung abgenommen wird oder nicht, trifft der Amtsnotar in richterlicher Unabhängigkeit. Der Rechnungshof hat das Justizministerium aufgefordert, die badischen Amtsnotare auf ihre bundesweit einmalige Praxis und die sich daraus ergebenden finanziellen Konsequenzen hinzuweisen.

Die Gebührenhöhe im Nachlassbereich, z. B. für Testamentseröffnungen oder die Erteilung von Erbscheinen, richtet sich grundsätzlich nach dem jeweiligen Geschäftswert. Bei den finanziell bedeutsamen Gebührentatbeständen liegen die durchschnittlichen Einnahmen im badischen Rechtsgebiet zwischen 6 % und 15 % über den Vergleichswerten im württembergischen Rechtsgebiet. Der Rechnungshof sieht die Ursache für die differierenden Durchschnittseinnahmen in einer unzureichenden   Festsetzung der Geschäftswerte durch die württembergischen Amtsnotariate. Hier werden häufig keine schriftlichen Nachlassverzeichnisse angefordert, Grundstücke oftmals anhand von Schätzwerten oder Erbenangaben bewertet und Geschäftswerte in den Akten unzureichend dokumentiert. Nach einer Modellrechnung des Rechnungshofs könnten die württembergischen Amtsnotariate bei sachgerechter Verfahrensweise jährliche Mehreinnahmen von 1,6 Mio. € erzielen. Das Justizministerium hat auf die Prüfungsfeststellungen reagiert und entsprechende Hinweise an die Amtsnotariate erlassen.

Bei der anstehenden Modernisierung des Kostenrechts in der Justiz bestehen Überlegungen, im Nachlassbereich bisherige Wertgebühren in Festgebühren umzuwandeln. Die Einführung der auf Arbeitsebene diskutierten Festgebühren würde nach einer Hochrechnung des Rechnungshofs in Baden-Württemberg zu jährlichen Mindereinnahmen von mehr als 4 Mio. € führen. Nach Auffassung des Rechnungshofs muss bei einer Novellierung des Kostenrechts im Nachlassbereich mindestens das bisherige Einnahmeniveau gehalten werden. Das Justizministerium will die Vorstellungen des Rechnungshofs in die weitere Diskussion zur Novellierung des Kostenrechts einbringen.