Wesentliche Inhalte
„Der Haushaltsplan ist grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Die Gesamtverschuldung am Kreditmarkt soll den am 31.12.2007 erreichten Betrag nicht dauerhaft überschreiten.“ Die Neufassung des § 18 der Landeshaushaltsordnung zählt zu den größten Erfolgen, die der Rechungshof vorzuweisen hat (Nr. 9). Die Schuldengrenze bewirkt, dass das Land mit den regulären Einnahmen auskommen muss und den Stand der Gesamtverschuldung nur in eng begrenzten Ausnahmesituationen weiter erhöhen darf. Zuletzt hat sich die Haushaltslage des Landes dank des gestiegenen Steueraufkommens deutlich verbessert. Dass diese positive Entwicklung künftig anhält, ist keineswegs sicher. Fest steht, dass die künftigen Haushalte - insbesondere durch höhere Ausgaben für Ruhestandsbezüge der Beamten, für die das Land in der Vergangenheit nur unzureichend vorgesorgt hat - erheblich vorbelastet sind. Aus diesem Grund sollte nach Auffassung des Rechungshofs das Verschuldungsverbot auch in der Landesverfassung verankert werden.
Eine große Zahl von Denkschriftbeiträgen befasst sich mit dem Zuwendungsbereich. Der Rechnungshof hat aufgezeigt, dass Förderkriterien und -ziele klar formuliert sowie Förderprogramme auf ihre Notwendigkeit und Wirksamkeit hin überprüft werden müssen. Außerdem sollte der bürokratische Aufwand in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen stehen. Eine sorgfältigere Prüfung der Mittelverteilung wäre beim Investitionsprogramm zur Förderung des Ganztagsschulangebots angezeigt gewesen (Nr. 26). Wegen des zu unbürokratischen Umgangs wurden die Investitionsmittel im Land nicht bedarfsgerecht und problembezogen verteilt. Mäßige Wirkung zeigten auch die Programme, mit denen das Land Wissenschaftlerinnen förderte, um sie für eine Berufung auf eine Fachhochschulprofessur zu qualifizieren (Nr. 58). Es waren keine messbaren Ziele definiert. Dies hat das Land nun nachgeholt und strebt einen Professorinnenanteil von 15 % an den Fachhochschulen bis Ende 2011 an.
Förderprogramme verfehlen dann ihren Zweck, wenn die Zuwendungen nicht als Mittel zur Selbsthilfe gesehen werden, sondern Mitnahmeeffekte im Vordergrund stehen, wie etwa bei der Förderung der Außenwirtschaft (Nr. 39): Auf Betreiben des Rechnungshofs hat das Land die Förderung eines Projekts zur „Förderung von Arbeitsgemeinschaften“ eingestellt, nachdem die Wirtschaft selbst nicht zu einer Eigenbeteiligung bereit war, aber weitere staatliche Gelder erwartete. Problematisch sind Zuwendungen auch dann, wenn sie den Wettbewerb verzerren oder defizitäre Strukturen begünstigen. Aus diesem Grund hatte der Rechnungshof die Förderung von Regionalmessen kritisiert (Nr. 40). Seine Empfehlungen sollen nach der Forderung des Landtags bei künftigen Förderungen umgesetzt werden.
Damit der Auftrag der Landesstiftung Baden-Württemberg, die Zukunftsfähigkeit des Landes zu stärken und zu sichern, auch weiterhin erfüllt werden kann, darf die Vermögenssubstanz nicht - wie geschehen - angetastet werden (Nr. 35). Den Finanzkontrolleuren ist es gelungen, den Landtag und die Aufsichtsgremien der Landesstiftung davon zu überzeugen, das Stiftungsvermögen grundsätzlich zu erhalten und die Kapitalanlagestrategie auf weniger risikobehaftete Investments auszurichten. Dagegen wurde das Anliegen des Rechnungshofs, ein Prüfungsrecht bei den Empfängern von Zuwendungen der Landestiftung zu erhalten, nicht erreicht.
Seit der Verwaltungsstrukturreform befindet sich die Datenverarbeitung im Fluss. Die Rationalisierungspotenziale sind aber noch lange nicht ausgeschöpft. Zwei Beispiele: Bei der Polizei sind mehrere hundert Personen wegen veralterter DV-Verfahren mit unnötiger Büroarbeit beschäftigt, weil die IuK-Organisationseinheiten noch nicht hinreichend gebündelt sind (Nr. 17). Die Landesregierung bemüht sich, aktuelle IuK-Anwendungen mit integriert arbeitenden Systemen einzuführen und dadurch freiwerdende Personalstellen im Vollzugsdienst einzusetzen. Diese Umstellungsarbeiten dauern noch bis mindestens 2009. Ähnlich schleppend verläuft die IuK-Bündelung beim Informatikzentrum der Landesverwaltung Baden-Württemberg (IZLBW). Diesem wurde die Bürokommunikation der Innenverwaltung mit den Regierungspräsidien (Nr. 14) und als Folge der Verwaltungsreform weitere Aufgaben aus den Geschäftsbereichen des Kultusministeriums, des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum und des Ministeriums für Arbeit und Soziales übertragen. Weil die Zusammenführung bisher nur auf dem Papier stattgefunden hat, aber weder räumlich noch ablauforganisatorisch umgesetzt ist, sind die erwarteten Kosteneinsparungen durch Synergieeffekte bis heute nicht eingetreten.
Nicht nur die Datenverarbeitung, auch Arbeitsabläufe lassen sich optimieren. Im Rahmen seiner beratenden Tätigkeit untersuchte der Rechungshof die Organisation und Aufgabenerledigung der Kriminaltechnik in Baden-Württemberg (Nr. 19). Die Finanzkontrolleure haben zusammen mit den betroffenen Mitarbeitern eine Vielzahl von Änderungsvorschlägen für eine effektive und effiziente Aufgabenerledigung erarbeitet, die nahezu vollständig umgesetzt worden sind. Auch beim Schienenpersonennahverkehr entwickelte der Rechungshof ein Controllingsystem zur Steuerung des Mitteleinsatzes (Nr. 20). Dadurch konnten schwach besetzte Züge im Umfang von 10 Mio. € abbestellt werden.
Zum sparsamen Umgang mit Landesmitteln tragen die optimale Nutzung vorhandener Ressourcen und der wirtschaftliche Einsatz von Investitionen bei. Defizite hat der Rechnungshof bei der Prozesskostenhilfe gesehen und eine wichtige Änderung eines Bundesgesetzes angestoßen (Nr. 29). Dadurch konnten eine drohende Kostenexplosion verhindert und die Ausgaben in den letzten Jahren nahezu konstant gehalten werden. Auch bei den Haftplätzen ist es gelungen, das Land von einem wirtschaftlicheren Justizvollzug zu überzeugen: Kleinere Haftanstalten sollen geschlossen, größere Anstalten neu gebaut oder erweitert werden (Nr. 31). Die Teilprivatisierung des Betriebs in der Justizvollzugsanstalt Offenburg wird dagegen wegen der Kostenrisiken skeptisch beurteilt. Nicht umgesetzt wurde bisher der Vorschlag, die Kraftfahrzeugsteuer auf die Mineralölsteuer umzulegen (Nr. 52). Dadurch hätten allein in Baden-Württemberg über 400 Personalstellen eingespart und der Haushalt um 21 Mio. € entlastet werden können.
Hin und wieder musste der Rechnungshof Verstöße gegen das Haushaltsrecht feststellen. In einem Fall hatte das Justizministerium mit einem freien Träger einen Vertrag über die landesweite Aufgabenübertragung in der Bewährungs- und Gerichtshilfe geschlossen. Das Finanzministerium hatte hierzu das Notbewilligungsrecht ausgeübt (Nr. 12). Der Rechnungshof rügte dieses Vorgehen als Verletzung des Budgetrechts des Parlaments, weil die Verabschiedung eines Nachtragshaushaltsplans möglich gewesen wäre. Der Staatsgerichtshof bestätigte in seinem Urteil diese Auffassung. Auch beim Rechenzentrum der Universität Stuttgart war die Haushalts- und Wirtschaftsführung zu beanstanden (Nr. 62). Es hatte über Jahre Rücklagen in Millionenhöhe gebildet und daraus Investitionen finanziert, für die eine Ermächtigung durch den Haushaltsgesetzgeber fehlte. Trotz der ausdrücklichen Missbilligung durch den Landtag wollte die Landesregierung den haushaltsrechtlichen Verstoß nicht einräumen. Sie unterließ es, die rechtswidrig gebildete Rücklage von der Universität zurückzufordern.
Regelmäßig zeigt der Rechnungshof Wege auf, wie das Land seine Einnahmen steigern kann. Nach einer repräsentativen Untersuchung der Veranlagungsstellen der Finanzämter im Jahr 2000 hätten jährlich 360 Mio. € mehr an Steuern erhoben werden können, wenn Steuerfälle sorgfältiger bearbeitet worden wären (Nr. 51). Es wurde gefordert, die Arbeitsqualität nachhaltig zu verbessern und die Realisierungsquote deutlich zu erhöhen. Trotzdem hat sich der Personalabbau in den Veranlagungsstellen fortgesetzt, ohne dass die Arbeitsqualität zuvor gesteigert worden wäre. Verbessert wurde die Einnahmesituation dagegen bei den Notariatsgebühren (Nr. 32). Mittlerweile schöpfen die Amtsnotariate die Einnahmepotenziale für die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung im Erbscheinverfahren aus und setzen sachgerechte Geschäftswerte fest. Ebenfalls umgesetzt wurde der Vorschlag, bei Feuerwehreinsätzen von den Verursachern von Unfällen im Straßenverkehr einen Kostenersatz zu verlangen, was zu erheblichen Mehreinnahmen der Kommunen führen dürfte (Nr. 16).
Die Frage, ob die Verwaltung Aufgaben ausgliedern oder besser mit eigenem Personal erledigen soll, kann nicht einheitlich, sondern nur von Fall zu Fall beantwortet werden. Bei der Gebäudereinigung hat sich gezeigt, dass diese Aufgabe von privaten Firmen effektiver und effizienter wahrgenommen werden kann (Nr. 4). Nach Einführung eines Reinigungscontrollings für die Fremd- und Eigenreinigung konnten die Mittel für die Reinigung von Diensträumen im Haushaltsplan um 15 Mio. € gekürzt werden. Dagegen wird bei der externen Vergabe von Gutachten oft unnötig Geld ausgegeben (Nr. 6). Die Ministerien hatten Beratungsleistungen eingekauft und dabei häufig gegen das Vergaberecht und den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit verstoßen. Die Forderung, verstärkt eigene Personalressourcen und Fachkompetenzen zu nutzen, wurde anfänglich in den Ministerien umgesetzt. Inzwischen sind schon wieder Anzeichen einer gegenläufigen Entwicklung erkennbar. Bei der Vertretung des Landes in Rechtsstreitigkeiten (Nr. 5) hatte der Rechnungshof kritisiert, dass manche Behörden ohne sachliche Notwendigkeit Rechtsanwälte beauftragten, obwohl eigener juristischer Sachverstand vorhanden war. Nach einem entsprechenden Beschluss des Finanzausschusses haben die Ressorts für ihren jeweiligen Aufgabenbereich angeordnet, dass Rechtsanwälte nur noch in Ausnahmefällen beauftragt werden dürfen.
Manchmal stellt sich im Sinne der Aufgabenkritik die Frage, ob eine Tätigkeit zwingend noch vom Land erledigt werden muss. Ein Beispiel: Die Staatliche Archivverwaltung erstellt für die einzelnen Landkreise Beschreibungen mit landeskundlichen Darstellungen (Nr. 63). Die Prüfung ergab, dass die Kosten für die Herstellung einer solchen Kreisbeschreibung 2,5 Mio. € betragen. Davon werden mehr als 90 % vom Land getragen. Damit wird jedes Exemplar mit 1.200 € subventioniert. Die Landesregierung hat entschieden, ab 2010 auf die Erstellung von Kreisbeschreibungen zu verzichten. Keine parlamentarische Unterstützung fand dagegen der Vorschlag, den Rheinhafen Kehl (Nr. 38) und den Rhein-Neckar-Hafen Mannheim (Nr. 33) zu privatisieren oder zu kommunalisieren. Auch wenn in diesen Fällen der Landtag den Argumenten des Rechnungshofs insoweit nicht gefolgt ist, wird die Finanzkontrolle in Zukunft noch häufiger als bisher darlegen, wie viel eine Aufgabe das Land kostet, und fragen, ob diese noch finanzierbar ist.
Fälle aus dem Baubereich wurden von der Öffentlichkeit mit besonderem Interesse wahrgenommen. Jeden vernünftigen Rahmen hat der Neubau eines Gewächshauses im Botanischen Garten der Universität Tübingen gesprengt (Nr. 55). Für das 36 m² große Glashaus wurden 310.000 € abgerechnet. Durch ein Controllingsystem wird künftig sichergestellt, dass auch bei kleinen Baumaßnahmen nicht zu hohe Kosten entstehen. In einem anderen Fall hat der Rechungshof empfohlen, bei staatlichen Neubauten oder Ersatzbeschaffungen größerer Heizanlagen den Einsatz von Holzhackschnitzelanlagen zu prüfen (Nr. 56). Inzwischen wurden bei einigen Neubauvorhaben des Landes größere Holzheizungen realisiert oder befinden sich in Planung. Damit wird nicht nur weniger Heizöl oder Erdgas verbraucht und die CO2-Emissionen gesenkt, vielmehr lassen sich auch Heizkosten in Millionenhöhe einsparen. Schließlich hat der Rechungshof gezeigt, dass die Finanzkontrolle selbst dem Tierschutz zugute kommen kann: Die Finanzkontrolleure fanden heraus, dass viele Schutzanlagen, die den Amphibien bei ihren Wanderungen eine sichere Querung der Straßen ermöglichen sollten, mangelhaft oder wirkungslos waren (Nr. 23). Die Prüfung hat dazu geführt, dass die Mitarbeiter der Straßenbauverwaltung gezielt zum Thema „Amphibienschutz an Straßen“ fortgebildet, die Naturschutzverwaltung bei konkreten Projekten beteiligt sowie die Schutzanlagen wirtschaftlicher gebaut und ordnungsgemäß unterhalten werden.
Karlsruhe, 29. September 2008
Rechnungshof Baden-Württemberg
Martin Frank Günter Kunz
Andreas Knapp Dr. Martin Willke Dr. Hilaria Dette-Koch
Prof. Dr. Dieter Kiefer Armin-Hagen Berberich