Das Ziel einer angemessenen Teilhabe von Frauen an Fachhochschulprofessuren ist in Baden-Württemberg bei weitem noch nicht erreicht. Die bestehende Situation ist durch fehlende Ziele und eine weit gehende Unklarheit über den Umfang und die Wirksamkeit der Fördermaßnahmen gekennzeichnet. Deshalb sollten messbare Ziele festgesetzt, die Maßnahmen besser koordiniert und die Organisationsstruktur der Landeskonferenzen der Frauenbeauftragten gestrafft werden. Das Land sollte sich auf wenige, wirksame Förderinstrumente konzentrieren.
1 Vorbemerkung
An den baden-württembergischen Hochschulen waren am 01.12.2003 nur 10,8 % der Professorenstellen mit Frauen besetzt - dieser Anteil liegt unter dem Bundesdurchschnitt von 12,6 % und weit unter dem Durchschnitt in den EU-Staaten von 26 %.
An den staatlichen Fachhochschulen in Baden-Württemberg, soweit sie zum Geschäftsbereich des MWK gehören, waren an diesem Stichtag 2.037 Professoren tätig, davon 188 Frauen, das entsprach einem Anteil von nur 9,2 %.
Das Land Baden-Württemberg versucht seit einigen Jahren, dieser starken Unterrepräsentation von Frauen in Professorenämtern durch eine Vielzahl von Fördermaßnahmen entgegenzuwirken. Hinzu kommen Förderprogramme von Bund und EU.

Die verschiedenen Maßnahmen dienen überwiegend dem Ziel, Frauen mit einem entsprechenden akademischen Abschluss den Erwerb der im Landeshochschulgesetz vorgesehenen Berufungsvoraussetzungen für Professoren zu erleichtern. Dazu gehören insbesondere die Promotion und Erfahrungen in Berufspraxis und Lehre. Ein weiteres Leitmotiv ist die bessere Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und familiärem Engagement, die insbesondere für den Erwerb der Zugangsvoraussetzung der beruflichen Praxis außerhalb der Hochschule von Bedeutung ist.
Der RH hat die Handhabung und die Wirksamkeit dieser Förderinstrumente untersucht, soweit sie auf Professuren an Fachhochschulen gerichtet sind. Gegenstand der Prüfung waren insbesondere die in den Jahren 1998 bis 2003 eingesetzten Instrumente und ihre Wirkungen.
2 Ergebnisse der Prüfung
Die Prüfung der Abwicklung der einzelnen Förderinstrumente, insbesondere der Mathilde-Planck-Programme, hat keine nennenswerten Beanstandungen im Einzelfall ergeben. Die vom RH vorgefundene Verwaltungspraxis setzt die Vorgaben des Gesetzes und der einschlägigen Verwaltungsvorschriften um, ist kundenorientiert und professionell.
Als strategisch schlüssig und (nachweisbar) erfolgreich erwiesen sich bei der Prüfung insbesondere das Lehrauftragsprogramm (LAP) und das Informations- und Seminarangebot der Koordinierungsstelle der Landeskonferenz der Frauenbeauftragten an Fachhochschulen in Baden-Württemberg (Lakof FH).
Im Rahmen des LAP werden zentral Mittel vorgehalten, die ausschließlich für Lehraufträge an Frauen bestimmt sind und verwendet werden. Dadurch erhalten qualifizierte Frauen die Möglichkeit, sich mit den Aufgaben der Lehre an Fachhochschulen vertraut zu machen und Lehrerfahrung zu erwerben, die die Chancen der Bewerberin in späteren Berufungsverfahren verbessert. Insgesamt wurden seit Einführung des Programms dafür 1,35 Mio. € ausgegeben.
Da sich diese Lehraufträge in der Regel im Rahmen des ohnehin vorgesehenen Studienangebots der jeweiligen FH halten, ist mit ihnen wenig echter Mehraufwand verbunden, und sie entfalten gleichwohl die beabsichtigte Wirkung.
Zwischen dem Wintersemester 1997/1998 und dem Wintersemester 2003/2004 nahmen insgesamt 421 Frauen an diesem Programm teil, die zusammen 1.305 Lehraufträge wahrgenommen haben. Das Teilnahmeverhalten der einzelnen Fachhochschulen ist jedoch stark unterschiedlich. Über die Hälfte der Lehraufträge entfiel auf nur sechs der insgesamt 23 staatlichen Fachhochschulen, allein 22 % entfielen auf eine FH.
Von den Teilnehmerinnen am LAP wurden bis Ende 2003 mindestens 26 zur Professorin ernannt, davon 17 an einer staatlichen FH in Baden-Württemberg, eine an einer Berufsakademie in Baden-Württemberg, sechs an einer deutschen FH außerhalb Baden-Württembergs und zwei an ausländischen Hochschulen.
Ebenfalls gute Akzeptanz finden die Begleitseminare, die die Lakof FH anbietet, und die Datenbank, in der interessierte Bewerberinnen online Informationen über Professuren, ausgeschriebene Lehraufträge und Qualifizierungsangebote erhalten.
Eher kritische Feststellungen haben sich zu folgenden Punkten ergeben:
2.1 Kosten und Wirkung aller eingesetzten Instrumente
Der RH hat die jährlichen Kosten der Förderung von Wissenschaftlerinnen für den Fachhochschulbereich ermittelt. Sie betrugen im Jahr 2003 1,4 Mio. €. Davon wurden allerdings rd. 300.000 € vom Bund im Rahmen des gemischt finanzierten Hochschul- und Wissenschaftsprogramms (HWP) getragen.
Auf das Land entfallen im Wesentlichen Kosten für:
- die Freistellung der Frauenbeauftragten (seit 2005: „Gleichstellungsbeauftragte“) der Fachhochschulen durch Lehrdeputatsermäßigung (rd. 290.000 €)
- die Koordinierungsstelle (Geschäftsstelle) der Landeskonferenz der Frauenbeauftragten an Fachhochschulen in Baden-Württemberg (rd. 65.000 €)
- Personal- und Sachmittel der zuständigen Beamten des MWK (rd. 60.000 €)
- die fachhochschulspezifischen Förderprogramme (rd. 235.000 €)
- Beratungs- und Serviceangebote (rd. 12.000 €)
- die leistungsorientierte Mittelverteilung an die Fachhochschulen nach dem Kriterium „Frauenanteil“ (rd. 440.000 € im Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2004).
Diesen Kosten steht die Entwicklung der Professorinnenzahl an den Fachhochschulen gegenüber.

Danach hat sich zwar die Zahl der Professorinnen von 67 (1992) auf 188 (2003) nahezu verdreifacht, beträgt jedoch damit immer noch lediglich erst 9,2 %. Der allmählich steigende Anteil an neu ernannten Professorinnen lag für den Zeitraum von 1998 bis 2003 bei durchschnittlich 12,5 %.
Nach den Berechnungen des RH würde es - unter Fortsetzung der seitherigen Entwicklung - noch rd. 25 Jahre dauern, bis ein weiblicher Professorenanteil von (lediglich) etwa 20 % erreicht wäre. Dieser läge dann aber noch immer weit unter dem derzeitigen Studentinnenanteil an staatlichen Fachhochschulen von rd. 35 % und immer noch unter dem europäischen Durchschnitt.
Diese Entwicklung legt den Schluss nahe, dass die Gesamtheit der Förderinstrumente allenfalls eine mäßige Wirkung entfaltet. Über die Wirksamkeit einzelner Förderinstrumente liegen beim MWK bislang keine gesicherten Erkenntnisse vor.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass der Anteil der FH-Professorinnen von 5,4 % im Jahr 1995 auf 9,2 % (188 Professorinnen) im Jahr 2003 zugenommen hat. Parallel dazu hat aber etwa auch der Anteil von Berufsakademieprofessorinnen im selben Zeitraum von 3,4 % auf 6,6 % (25 Professorinnen) zugenommen, obwohl es für Berufsakademien keine HWP-Mittel und auch keine entsprechenden Förderprogramme gab.
Im Vergleich zu den weiteren frauenspezifischen Programmen eher ineffizient ist das seit 2002 laufende Promotionsprogramm, das den Erwerb des für eine FH-Professur in der Regel notwendigen Doktorgrads ermöglichen soll. Es bindet derzeit rd. 50 % der im Rahmen der Mathilde-Planck-Programme zur Verfügung stehenden Mittel. Selbst nach erfolgreichem Abschluss einer Promotion ist völlig ungewiss, ob anschließend überhaupt eine Karriere an der FH angestrebt wird und es zur Berufung als FH-Professorin kommt.
2.2 Ziele und Evaluation
Die Prüfung des RH hat ergeben, dass weder der Landtag noch die Landesregierung bis heute messbare Ziele der Förderung von Wissenschaftlerinnen an Fachhochschulen festgelegt haben.
Eine Evaluation der einzelnen Förderinstrumente hat bis heute nicht stattgefunden.
2.3 Organisationsstrukturen
An der Förderung von Wissenschaftlerinnen sind zahlreiche Institutionen beteiligt (s. Schaubild 1). Auffällig ist, dass es im Unterschied zu anderen Bundesländern in Baden-Württemberg zwei getrennte Landeskonferenzen der Frauenbeauftragten gibt, nämlich eine für wissenschaftliche Hochschulen einerseits und eine für Fachhochschulen andererseits. Beide verfügen über jeweils eine eigene Geschäftsstelle mit entsprechender Personalausstattung von je 1,5 Stellen. Trotz weitgehend gleichartiger Aufgabenstellung - bei unterschiedlichen Schwerpunkten - arbeiten die beiden Landeskonferenzen und ihre Geschäftsstellen noch zu sehr nebeneinander. Die Berufsakademien verfügen hingegen über keine eigene Geschäftsstelle.
2.4 Unüberschaubares Nebeneinander von Förderprogrammen
Die eingesetzten Instrumente sind - wie oben dargestellt - vielfältig, ihre Kosten nicht unbedeutend.
Im Rahmen der Prüfung wurde auch deutlich, dass die Informationen über die zur Verfügung stehenden Förderinstrumente beim Kreis der potenziell Geförderten (also qualifizierte Frauen in Unternehmen und Behörden) noch nicht ausreichend bekannt sind.
Der finanzielle Förderbereich ist durch eine nahezu unüberschaubare Vielfalt geprägt (s. Schaubild 1). Die Zahl der aktuell bestehenden verschiedenen Förderprogramme für die einzelnen Hochschularten, besonders aber ihre inhaltlichen Überschneidungen hinsichtlich der (mittelbaren) Wirkungsbereiche, sind vielfältig und wenig kundenfreundlich. Das mindert ihre Effizienz, weil dies auch mit einem hohen Steuerungs-, Koordinierungs- und Verwaltungsaufwand für das Ministerium verbunden ist. Hinzu kommt der damit korrespondierende zusätzliche Beratungsaufwand für die Geschäftsstellen.
3 Empfehlungen
Vor dem Hintergrund dieser Prüfungsfeststellungen empfiehlt der RH dem Ministerium:
3.1 Operationalisierung von Zielen
Die Förderung von Wissenschaftlerinnen an Fachhochschulen sollte vom Ministerium explizit formulierte, messbare Ziele haben, an denen sich die ergriffenen Maßnahmen orientieren. Die Ziele sollten nach Fächern differenziert festgesetzt und mit einer realistischen Zeitvorstellung versehen werden. Die Wirksamkeit der Maßnahmen ist regelmäßig an den festgesetzten Zielen zu messen.
3.2 Weiterführung erfolgreicher Instrumente
Das Lehrauftragsprogramm, bei dem durch die unmittelbare Gegenleistung in Form von erbrachter Lehre eine günstige Kosten-Nutzen-Relation besteht, kann beibehalten werden. Zu seiner Optimierung sollten aber Modifikationen vorgenommen werden, etwa Pauschalierungen der Zuweisungen je Lehrauftrag und Bewilligungen unter Vorbehalt.
Die angebotenen und gut akzeptierten Seminare sollten weitergeführt werden. Die bereits durch die Lakof FH eingerichtete Online-Datenbank könnte den geschlechtsunabhängigen Zugang für alle an einem Lehrauftrag Interessierten ermöglichen. Das Dienstleistungsangebot könnte mittelfristig zu einer zentralen und verlinkten allgemeinen Internetplattform sowohl für zu vergebende Lehraufträge der Hochschulen bzw. Berufsakademien als auch für zu besetzende Professorenstellen im Land umgestaltet werden. Dies würde Transparenz erzeugen und die Gewinnung von qualifiziertem wissenschaftlichem Nachwuchs verbessern.
3.3 Optimierung der Organisationsstruktur
Die Geschäftsstellen der Landeskonferenzen sind unter Einbeziehung der Berufsakademien zusammenzulegen. Dadurch wären vor allem folgende Vorteile zu erwarten:
- Sachliche und personelle Synergien auf der Anbieterseite
- Bessere Orientierung an den Nachfrageinteressen, da - z. B. unabhängig davon, an welcher Einrichtung die Professur angestrebt wird - bei einer Stelle das Gesamtspektrum an Angeboten abrufbar wäre.
3.4 Straffung der Förderprogramm-Vielfalt
Die im Vergleich zu vielen anderen Förderbereichen geringeren finanziellen Mittel sollten nicht auch noch auf viele verschiedene Fördermaßnahmen mit zwangsläufigem Verwaltungsaufwand verteilt, sondern weitgehend gebündelt werden.
Umgesetzt werden könnte dies durch die Ausweisung von Frauenmindestanteilen in den allgemeinen Programmen oder die Zusammenführung von frauenspezifischen Programmen. Es sind zwei Szenarien denkbar:
3.4.1 Frauenmindestanteile in allgemeinen Förderprogrammen
Bereits das bestehende HWP schließt die Finanzierung von Förderprogrammen über Mindestanteile von Frauen in allgemeinen Programmen im Grundsatz nicht aus. Aus Effizienz- und Vereinfachungsgründen sollte sowohl bei Fortführung über das Jahr 2006 hinaus als auch im Falle der Einstellung des HWP ein Mindestanteilsmodell innerhalb der bestehenden allgemeinen Förderprogramme verwirklicht werden. Die bestehenden frauenspezifischen Programme könnten dann nahezu ganz aufgegeben werden. Dies trüge neben wirtschaftlichen Erwägungen (Programmaufwand, Transaktionskosten, Mittelbewirtschaftung usw.) auch dem Gender-Mainstreaming-Gedanken der Landesregierung Rechnung, der weg von einem reinen Nachteilsausgleich hin auf Chancengleichheit und gleichberechtigte Teilhabe gerichtet ist. Die bisher in die Sonderprogramme (für Promotionen, Habilitationen, Wiedereinstieg in den Beruf) geflossenen Mittel könnten mindestens teilweise in die allgemeinen Programme fließen.
3.4.2 Zusammenführung der frauenspezifischen Programme
Falls Mittel aus dem HWP - bei einer Fortführung über das Jahr 2006 hinaus - nicht in bestehende allgemeine geschlechtsunabhängige Förderprogramme (des Landes) integrierbar sind, sollte in diesem Fall zumindest die Zusammenfassung aller bisherigen Frauenförderprogramme für die unterschiedlichen Hochschularten innerhalb eines einzigen gemeinsamen HWP-konformen Förderprogramms im Land angestrebt werden. Dies würde die Effizienz durch geringere Transaktionskosten, die Lichtung des bestehenden „Förderdschungels“ und die einfachere Bewirtschaftung der Haushaltsmittel deutlich steigern. Dadurch könnte auch die zeitliche Diskontinuität und die damit zwangsläufig verbundene Planungsunsicherheit der frauenspezifischen Förderprogramme abgemildert werden, die es derzeit erschwert, das langfristige Ziel der Erhöhung des Frauenanteils zu erreichen. Stetigkeit und Kontinuität sind für erwartete Lenkungs- und Steuerungswirkungen erfahrungsgemäß besonders wichtig.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das MWK begrüßt die Feststellung des RH, dass die bisherigen Anstrengungen zur Erreichung der Chancengleichheit von Wissenschaftlerinnen für den Bereich der Fachhochschulen dem Grunde nach vorläufig fortgeführt werden sollten, weil eine gleichberechtigte Teilhabe noch nicht erreicht ist.
Es teilt auch die Auffassung des RH, dass die Ursachen-Wirkungs-Zusammenhänge zwischen den eingesetzten Förderinstrumenten und der positiven Entwicklung des Frauenanteils unter den FH-Professoren nur schwer nachweisbar seien. Gesicherte Erkenntnisse seien insbesondere deshalb schwierig zu erhalten, weil die jeweiligen Förderprogramme noch nicht abgeschlossen seien. Vor diesem Hintergrund erscheine dem MWK eine Evaluation der einzelnen Förderinstrumente noch verfrüht.
Das MWK verzichte bewusst darauf, das hochschulpolitische Ziel der Erhöhung des Frauenanteils an den Professuren quantitativ und zeitlich festzulegen, da dieses Ziel nicht nur von wirksamen Fördermaßnahmen, sondern auch von Faktoren abhängig sei, die das MWK nicht beeinflussen könne. Gleichwohl legten die aus der neuesten Statistik des MWK ersichtlichen Fortschritte den Schluss nahe, dass die frauenspezifischen Förderprogramme ihren Zweck nicht verfehlen.
Das MWK ist weiterhin der Auffassung, dass die vom RH vorgeschlagene Zusammenfassung der Geschäftsstellen nicht zu den vom RH erwarteten Synergien führen würde. Der RH habe bei diesem Vorschlag die notwendigen personellen Konsequenzen und die räumlichen Gegebenheiten nicht ausreichend bedacht.
Schließlich teilt das MWK die Auffassung des RH, dass die bestehenden Förderprogramme gestrafft werden müssten. Wie dies im Einzelnen zu geschehen habe, werde nach Beendigung des von Bund und Ländern finanzierten HWP zu prüfen sein.
5 Schlussbemerkung
Der RH bleibt bei seinen Vorschlägen, die Ziele der Frauenförderung explizit und messbar zu formulieren, die Förderinstrumente zeitnah zu evaluieren und neu zu strukturieren. Der Effizienzgewinn durch die Zusammenlegung der Geschäftsstellen der Konferenzen der Frauenbeauftragten darf nicht an zufälligen Gegebenheiten scheitern, die sich aus aktuellen personellen oder räumlichen Konstellationen ergeben.