Kunst am Bau (Beitrag Nr. 23)

Der Aufwand für Kunst am Bau muss in einem angemessenen Verhältnis zu den Baukosten stehen. Kunst am Bau sollte nur dann gefördert werden, wenn es die Eigenart der Gebäude rechtfertigt. Die laufenden Kosten müssen ein wesentliches Auftragskriterium sein.

1 Ausgangslage

Im Jahr 1955 hat das Land entschieden, bei allen staatlichen Bauaufträgen, soweit deren Eigenart dies rechtfertigt, grundsätzlich einen Betrag für bildnerische und kunsthandwerkliche Arbeiten vorzusehen. Gemäß Dienstanweisung der Staatlichen Vermögens- und Hochbauverwaltung Baden-Württemberg sollten bei Neu-, Um- und Erweiterungsbauten, deren Kosten 125.000 € übersteigen, bis zu 2 % der Baukosten für bildende Kunst ausgegeben werden. Ende 2003 wurde dieser Anteil auf maximal 1 % begrenzt und überdies auf Neubauten beschränkt. Auf die Eigenart der Baumaßnahme als entscheidendes Kriterium wurde bisher jedoch nicht im notwendigen Umfang abgehoben, sodass selbst bei reinen Zweck- und Funktionsbauten Kunstobjekte installiert wurden. Insgesamt betrug der Aufwand für Kunst-am-Bau-Maßnahmen im Staatlichen Hochbau in den letzten Jahren durchschnittlich 1,5 Mio. € im Jahr.

Die Auswahl der Kunstobjekte liegt in der Hand einer Kunstkommission, in der die Betriebsleitung Vermögen und Bau (früher die Oberfinanzdirektionen als Dienstaufsichtsbehörden), das jeweils zuständige Bauamt, die nutzende Verwaltung sowie Künstler vertreten sind.

2 Auswahlverfahren

Die Kunstkommission hat eine beratende Funktion und ist zu beteiligen, wenn die Gesamtkosten für Kunstbeiträge für eine Baumaßnahme 7.500 € übersteigen. Aufgaben der Kunstkommission sind die Erarbeitung von Empfehlungen für die künstlerische Aufgabenstellung, Vorschläge zum Verfahren und der aufzufordernden Künstler sowie die Beurteilung der eingereichten Arbeiten.

Zur Ermittlung der am besten geeigneten künstlerischen Arbeit sind je nach Eignung des Projekts beschränkte (mindestens drei Künstler), ggf. öffentliche Wettbewerbe durchzuführen. In geeigneten Fällen können künstlerische und kunsthandwerkliche Leistungen jedoch auch direkt an Künstler vergeben werden, die durch entsprechende Entwürfe oder Arbeiten ihre Eignung nachgewiesen haben.

Der RH stellte fest, dass Beschränkte Wettbewerbe die Regel, Öffentliche Wettbewerbe jedoch die Ausnahme sind, auch weil diese einen recht hohen Verwaltungsaufwand verursachen. Mehrfach wurden auch ehemalige Mitglieder der Kunstkommission direkt beauftragt, ohne dass ein Wettbewerb durchgeführt wurde.

Die Auswahl- und Vergabeverfahren sollten stärker als bisher transparent gemacht und dabei vermehrt auch junge Künstler gefördert werden.

3 Anrechenbare Kosten

Die anrechenbaren Kosten für Mittel für Kunst am Bau werden aus den Summen der Kostengruppen nach DIN 276,

  • Bauwerk - Konstruktion,
  • Bauwerk - Technische Anlagen und
  • Außenanlagen

ermittelt.

Bei hoch technisierten Gebäuden - vor allem im Hochschulbereich - ergibt sich aufgrund der überdurchschnittlich hohen Technikkosten (Kostengruppe 400) ein unverhältnismäßig hoher Ansatz der Aufwendungen für Kunst am Bau.

Der Bund hat auf diese Entwicklung mittlerweile reagiert und die Ausgaben für Leistungen bildender Künstler auf die Kosten des Bauwerks (Kostengruppe 300) beschränkt sowie in einem weiteren Schritt den Maximalprozentsatz von 2 % aufgehoben. Weiterhin wurde geregelt, dass die Ausgaben für Kunstobjekte in einem angemessenen Verhältnis zu den Kosten der Kostengruppe 300 stehen müssen, um überzogenen Kostenansätzen begegnen zu können.

Aufgrund der prekären Haushaltssituation sollten die Bundesregelung übernommen und die anrechenbaren Kosten auf die Kostengruppe 300 beschränkt werden.

4 Kosten der Kunstwerke

Bei Wettbewerben erhalten die aufgeforderten Künstler neben der Aufgabenbeschreibung auch eine Information über die für Kunst am Bau zur Verfügung stehenden Mittel. Sie legen mit ihrem künstlerischen Entwurf eine Kostenschätzung für Material und Honorar vor. In etlichen Fällen wurde mit diesen Kostenschätzungen eine „Punktlandung“ erzielt, d. h., die bereitgestellten Mittel für Kunst am Bau werden zumeist voll ausgeschöpft. Bei Honoraren für künstlerische Leistungen, die keiner Gebührenordnung unterliegen, ist ein solches Ergebnis auffällig.

In manchen Fällen wurde die Kostenobergrenze für das Kunstwerk überschritten, weil zur Aufstellung des Werks zusätzliche Bau- oder Installationsarbeiten erforderlich wurden, die neben den Kosten für die Kunst zusätzlich aus Baumitteln bezahlt wurden.

Der RH empfiehlt, künftig verstärkt auf das „Preis-Leistungs-Verhältnis“ der Kunstwerke zu achten und den zur Verfügung stehenden Betrag nicht immer voll auszuschöpfen. Die zur Verfügung stehenden Mittel müssen in jedem Fall auch alle zusätzlich notwendigen Bauarbeiten umfassen.

Beispiel 1

Als Kunstobjekt für das Verfügungsgebäude einer Universität wurde das über der Fassade schwebende Werk „Fliegen ist nicht Fahren ohne Räder“ ausgewählt (s. Bild 1). Die Auftragssumme betrug rd. 111.000 €; neben dem Künstlerhonorar mussten rd. 80.000 € für die bauliche Durchführung einschließlich der Stahl-Kragkonstruktion und einschließlich der Kosten für Statiker und Prüfstatik aufgewendet werden.

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5 Instandhaltung und Urheberrecht

Kunstobjekte im Freien sind Witterungseinflüssen, Umweltverschmutzung und z. T. auch vorsätzlichen Beschädigungen und Graffiti ausgesetzt. Vor allem in Hochschulen belassen es Betrachter nicht immer dabei, Kunstobjekte anzuschauen, sondern hinterlassen „Gebrauchsspuren“. Farblich gestaltete Kunstobjekte verblassen nach einigen Jahren, sodass Farbanstriche oder sonstige Oberflächenbehandlungen in regelmäßigen Zeitabständen erneuert werden müssen.

Für die Instandhaltung von Kunstobjekten müssen z. T. erhebliche Mittel aufgewendet werden, vor allem wenn der Künstler Materialien verwendet, die in hohem Maß reparaturanfällig und zudem nur von begrenzter Lebensdauer sind, wie z. B. Leuchtstoffröhren.

Beispiel 2

Für den Neubau einer Polizeidirektion wurde als künstlerische Ausgestaltung eine „Wasserkaskade“ eines namhaften Künstlers ausgewählt. Der Künstler installierte sein Werk im Eingangsbereich des Gebäudes. Die Gesamtkosten der Brunnenanlage einschließlich der zum Betrieb notwendigen Technik lagen mit rd. 295.000 € um 27 % über den für Kunst am Bau bereitgestellten Mitteln.

Nach wenigen Jahren schaltete der Nutzer die Wasserkaskade aufgrund hoher Unterhaltungskosten und erheblicher Feuchtigkeitsschäden ab. Mittlerweile hat der Nutzer die Anlage sogar abgebaut.

Beispiel 3

Für ein anderes Dienstgebäude wurden zwei mit blauen Fliesen verkleidete Türme errichtet. Im Verlauf der Jahre entstanden aufgrund von Abplatzungen und losen Verfugungen erhebliche Schäden an den Fliesen. Die Kosten für die Restaurierung des Kunstobjekts werden auf rd. 124.000 € geschätzt.

Beispiel 4

Für eine Universität installierte 1971 ein bekannter Künstler eine Dachfläche aus farbigen Kunststofftetraedern. Nachdem das Dach undicht und die Kunststoffverglasung verwittert war sowie die Fläche unter dem Dach als Versammlungsstätte genutzt und damit nicht mehr den aktuellen Brandschutzvorschriften entsprach, standen umfangreiche Restaurierungen an. In Absprache mit dem Künstler wurde das Kunstwerk demontiert, entsorgt und durch eine neue Dachkonstruktion ersetzt, die dem Original entspricht. Die Kosten hierfür belaufen sich auf rd. 700.000 €.

Beispiel 5

Als Kunstbeitrag für das Institutsgebäude einer Fachhochschule wurde die Arbeit einer Künstlerin ausgewählt; die Kosten betrugen rd. 40.000 €. Das künstlerische Werk „Baumgang/Energien“ besteht aus 12 Zitterpappeln, 12 Stahlpfosten und durchlaufende Stahlprofile. Die Zitterpappeln, in zwei gegenüber liegenden Reihen gepflanzt, bilden einen Baumgang (s. Bild 2). Aufgrund der hohen Durchlässigkeit des Bodens mussten die Zitterpappeln nach kurzer Zeit durch Säulenbuchen ersetzt werden, die aus Baumitteln finanziert wurden. Mittlerweile sind z. T. auch diese Neupflanzungen durch unsachgemäße Pflege eingegangen.

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Der RH empfiehlt, bei den Auswahlkriterien die zu erwartenden Aufwendungen für die bauliche Erhaltung der Kunstwerke stärker zu berücksichtigen.

Mit der Fertigstellung eines Kunstwerks werden zwar die Eigentumsrechte an das Land übertragen, dem Künstler verbleibt jedoch weiterhin ein umfassendes Mitspracherecht bei Änderungen, die an dem Kunstwerk vorgenommen werden. Reparaturen sind oft mit erheblichem Aufwand verbunden; bei verstorbenen Künstlern mussten z. T. Erben ausfindig gemacht und deren Einwilligung eingeholt werden.

In künftigen Verträgen mit Künstlern sollten daher praktikable Regelungen aufgenommen werden, um notwendige Instandsetzungen, die keine inhaltlichen Änderungen bedeuten, auch ohne Beteiligung des Künstlers bewältigen zu können.

6 Angemessenheit und Nutzerakzeptanz

Nach dem Grundsatzbeschluss des Landes von 1955 sollte bei allen staatlichen Bauaufträgen ein Betrag für bildnerische und kunsthandwerkliche Arbeiten vorgesehen werden, soweit deren Eigenart dies rechtfertigt. In der Praxis wurde die Eigenart einer Baumaßnahme jedoch nicht immer als entscheidendes Kriterium berücksichtigt; oft wurden auch bei reinen Zweck- und Funktionsgebäuden Mittel für Kunst am Bau bereitgestellt.

Beispiel 6

Für den Neubau eines Straßenmeisterei-Gerätehofs in einem Gewerbegebiet wurde nach einem beschränkten Wettbewerb der Entwurf „In Erwartung der Ernte“ ausgewählt. Dieses Werk steht auf der Grünfläche des Gebäudes und umfasst drei Leitern aus Metall mit etwa 7 m Höhe und neu gepflanzten Obstbäumen (s. Bild 3). Mit der Aufstellung der Leitern und der Baumpflanzungen ist das Werk noch nicht abgeschlossen; es realisiert sich mit dem Wachstum der Bäume erst im Laufe der Jahre. Die Kosten beliefen sich auf rd. 58.000 €.

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Der RH empfiehlt, künftig reine Zweck- und Funktionsgebäude von Kunst am Bau auszunehmen. Den Vorschlag, Kunst am Bau im Wesentlichen auf Neubauvorhaben zu beschränken, hat die Verwaltung mit Erlass vom 11.12.2003 bereits aufgegriffen.

Die nutzenden Verwaltungen sollten verstärkt in die Wettbewerbsentscheidungen einbezogen werden, damit eine bessere Akzeptanz im späteren Gebäudebetrieb erreicht wird. Gegen ausdrückliche Bedenken der Nutzer, die sich auf Inhalte, den Standort oder auf zu erwartende hohe Folgekosten beziehen, sollten Entscheidungen nicht getroffen werden. Im Gegenzug sollten die Gebäudenutzer sich „ihre“ Kunst aneignen, indem sie nicht nur ideell, sondern auch mit eigenen finanziellen Mitteln Verantwortung übernehmen.

7 Alternative Realisierungsformen

Die Kunstförderung kann auch auf andere Weise, nämlich durch Stiftungen, Unternehmen und Privatpersonen erfolgen. Ein Beispiel dafür ist die Ulmer Kunststiftung „Pro Arte“; sie ist eine privat finanzierte und betriebene Einrichtung, deren Stiftungszweck es ist, begabte Künstler zu fördern und zu unterstützen. Dies geschieht u. a. dadurch, dass Künstlern Arbeitsräume und Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt, Stipendien gewährt sowie Kunstwerke begabter Künstler angekauft werden. Die Kunststiftung veranstaltet Künstlerworkshops, zu denen Talente eingeladen werden. Die dabei entstandenen Kunstobjekte verbleiben in der Stadt und der Universität Ulm.

Seit Gründung der Universität Ulm wurden 21 Kunstobjekte bekannter Künstler mit Landesmitteln (Kunst am Bau) finanziert und aufgestellt. Zusammen mit weiteren Kunstobjekten junger Künstler, die durch die Ulmer Kunststiftung finanziert wurden, bilden sie einen Kunstpfad mit insgesamt 61 Kunstobjekten auf dem Campus der Universität.

Die Ulmer Kunststiftung ist ein Beispiel, wie die staatliche Kunstförderung nicht nur ergänzt und entlastet werden kann, sondern auch, wie in einer sinnvollen Weise installierte Kunst einer breiten Öffentlichkeit zugänglich und nahe gebracht wird.

In manchen Fällen konnten Kunstobjekte in den vergangenen Jahren erhebliche Wertsteigerungen erzielen. Möglicherweise könnten die Finanzmittel des Landes auch dadurch gestärkt werden, dass nicht mehr benötigte Kunstwerke auf dem Kunstmarkt veräußert werden.

8 Dokumentation

Die landeseigenen Kunstobjekte sind nur unvollständig inventarisiert, obwohl seit Anfang der 90er-Jahre an einem einheitlichen DV-Programm zur Erfassung und Inventarisierung der Kunstobjekte gearbeitet wird. Eine praktikable Lösung liegt allerdings noch nicht vor. Auch die Bauämter führen mit wenigen Ausnahmen keine bzw. nur eine unvollständige Dokumentation der Kunstobjekte in ihrem Bereich.

Der RH empfiehlt, die Inventarisierung der im Landesbesitz befindlichen Kunstobjekte beschleunigt zu betreiben, zumal mit der Verwaltungsreform etliche Liegenschaften zum Verkauf anstehen.

9 Stellungnahme des Ministeriums

Das Ministerium hat die Vorschläge des RH aufgegriffen und mit der Reduzierung der anrechenbaren Kosten auf maximal 1 % der anrechenbaren Kosten sowie der Beschränkung auf Neubauten bereits erste Schritte eingeleitet. Direkte Beauftragungen von Künstlern sollen i. d. R. nicht mehr erfolgen. Weiterhin sei beabsichtigt, bei der Vergabe von Kunstaufträgen praktikable Regelungen für die zukünftige Instandhaltung der Kunstwerke mit den Künstlern unter Beachtung der urheberrechtlichen Belange festzulegen. Auch die systematische Erfassung der Kunstwerke werde inzwischen von den Ämtern aufgenommen und solle zeitnah abgeschlossen werden.

Die Auffassung des RH, die anrechenbaren Kosten - analog zur Bundesregelung - außerdem auf die Kostengruppe 300 zu begrenzen, werde allerdings nicht geteilt, da eine weitere Reduzierung dem politischen Auftrag zur Förderung der Kunst nicht mehr gerecht werde.

10 Schlussbemerkung

Der RH hält an seinem Vorschlag fest, für die Ermittlung der anrechenbaren Kosten die für den Bundesbereich geltenden Regelungen zu übernehmen.