Unzulässige Förderung im kommunalen Straßenbau (Beitrag Nr. 17)

Im kommunalen Straßenbau wurden Vorhaben gefördert, die den Charakter reiner Anliegerstraßen haben oder sogar wegen Absperrungen für den gesamten Straßenverkehr überhaupt nicht nutzbar sind. Die Bewilligungsstellen müssen die Vorgaben für Förderungen konsequenter beachten.

1 Förderung nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz

Nach der Verwaltungsvorschrift zum Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (VwV-GVFG) kann der Neu-, Um- oder Ausbau kommunaler Verkehrswege mit derzeit bis zu 70 % der zuwendungsfähigen Ausgaben vom Land bezuschusst werden. Hierfür standen beispielsweise 2004 Fördermittel in Höhe von rd. 135 Mio. € zur Verfügung; im Jahr 2005 werden es rd. 118 Mio. € sein. Vorrangig handelt es sich bei diesen Fördermitteln um Bundesfinanzhilfen, welche die Länder aus dem Mineralölsteueraufkommen, zweckgebunden für Investitionen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Kommunen, erhalten.

Gefördert werden können u. a. folgende Verkehrswege und -anlagen:

  • Verkehrswichtige innerörtliche Straßen, z. B. Hauptverkehrsstraßen, deren Funktion entsprechend der Gemeindegröße in einem Generalverkehrsplan oder einem gleichwertigen Plan definiert ist,
  • Verkehrswichtige zwischenörtliche Straßen in zurückgebliebenen Gebieten, z. B. Gemeindeverbindungsstraßen, soweit sie der Schaffung und Verbesserung notwendiger Verkehrsverbindungen dienen.

Anlieger- und Erschließungsstraßen sind dabei ausdrücklich von einer Förderung ausgenommen.

2 Förderpraxis

Der RH und die StRPÄ Freiburg und Stuttgart haben in den Jahren 2003 und 2004 mehr als 90 Vorhaben geprüft, die in das Förderprogramm nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) aufgenommen und nach dessen Regelungen gefördert wurden. Hierbei wurde festgestellt, dass die Antragsunterlagen zur Aufnahme in das Förderprogramm bei nahezu der Hälfte der geprüften Vorhaben unvollständig oder nicht ausreichend waren. Ungeachtet dessen wiesen die Bewilligungsstellen in der Regel keinen Antrag zurück, sondern stellten vielmehr auf dieser Grundlage die Förderfähigkeit der Vorhaben fest. Häufig reichte es aus, dass das Vorhaben einem in der VwV-GVFG vorgegebenen Fördergegenstand zugeordnet wurde. Eine Prüfung der Abgrenzung zu nicht förderfähigen Tatbeständen sowie der Notwendigkeit und Dringlichkeit unterblieb jedoch weitgehend. Dies hatte zur Folge, dass sich nach der Bewilligung häufig wesentliche Änderungen, Abweichungen vom ursprünglichen Fördergegenstand der Vorhaben oder Ausgabeerhöhungen ergaben, ohne dass dies finanzielle Konsequenzen hatte.

2.1 Förderung einer Anliegerstraße als verkehrswichtige innerörtliche Straße

Das vom StRPA Freiburg geprüfte Vorhaben zum Ausbau einer als innerörtlich bezeichneten Straße hatte das RP im April 2000 in das Förderprogramm aufgenommen. Das Vorhaben mit zuwendungsfähigen Ausgaben von rd. 210.000 € wurde umgesetzt und mit rd. 146.500 € bezuschusst.

Bereits im März 1997 hatte das zuständige Straßenbauamt dem Vorhabensträger mitgeteilt, dass die beantragte Ausbaumaßnahme nicht zuwendungsfähig sei. Nach Abstimmungen mit dem Vorhabensträger legte das Straßenbauamt im August 1997 dann doch den Förderantrag zur Beurteilung der Zuwendungsfähigkeit dem RP vor.

Die Fördervoraussetzungen wurden dadurch geschaffen, dass die früheren Ablehnungsgründe ausgeräumt wurden. So sollten, neben dem Verzicht auf den Einbau von Pflasterungen, die den Charakter einer Anlieger-/Wohnstraße unterstrichen hätten,

  • die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h auf 50 km/h heraufgesetzt,
  • das Verbot für Kraftfahrzeuge über 2,8 t Gesamtgewicht aufgehoben und
  • die Regelausbaubreite von 5,5 m auf 6,0 m erhöht werden.

Diese als verkehrswichtig bezeichnete innerörtliche Straße war nicht in einem Plan enthalten. Sie nimmt keinen stärkeren Durchgangsverkehr auf und ist nicht gegenüber kreuzenden Straßen bevorrechtigt. Da die Straße die Kriterien einer verkehrswichtigen innerörtlichen Straße nicht erfüllt, war die Aufweitung der Straße auf 6,0 m Breite aus verkehrlichen Gründen nicht erforderlich. Sie hatte auch ohne Pflasterung der Fahrbahnfläche zu jeder Zeit den Charakter einer Anliegerstraße und behielt ihn auch nach dem Ausbau. Die Aufweitung diente allein dazu, die Fördervoraussetzungen formal zu erfüllen.

In Wirklichkeit wurde die Straße in der Form gebaut, wie sie zur Ablehnung des ursprünglichen Förderantrags geführt hatte: Sie unterliegt einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h (s. Bild 1), und sie ist gemäß Beschilderung für Kraftfahrzeuge über 2,8 t Gesamtgewicht gesperrt (s. Bild 2). Die Straße ist damit das geworden, was der Vorhabensträger von vorneherein angestrebt hatte: eine nur Anliegern vorbehaltene Wohnstraße.

Die Zuwendung nach dem GVFG in Höhe von 146.500 € hätte also nicht gewährt werden dürfen. Wegen Verstoßes gegen die Förderbedingungen ist zu prüfen, ob der Bewilligungsbescheid aufzuheben ist.

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2.2 Neubau einer Brücke als Anbindung an eine nicht vorhandene Gemeindeverbindungsstraße

Die Förderfähigkeit eines ebenfalls vom StRPA Freiburg geprüften Vorhabens wurde vom zuständigen Straßenbauamt damit begründet, dass es der Verbesserung der Verkehrsverhältnisse für eine Gemeindeverbindungsstraße diene. Zweck des 2002 abgerechneten (Verkehrsfreigabe 1998) und mit rd. 383.000 € geförderten Vorhabens war der Neubau einer Brücke über ein Gewässer, womit der Anschluss an die Gemeindeverbindungsstraße verbessert werden sollte. Außerdem sollte die Brücke auch vom Schwerlastverkehr genutzt werden können.

Der Aus- bzw. Neubau der Brücke für eine uneingeschränkte Nutzung durch den Schwerverkehr war ursprünglich im Rahmen des Ausbaus einer höher klassifizierten Straße als Möglichkeit einer Förderung nach dem GVFG in den Planfeststellungsbeschluss aufgenommen worden. Voraussetzung dafür wäre jedoch u. a. gewesen, dass von der Gemeinde eine vorhandene andere Zufahrt zur höher klassifizierten Straße geschlossen wird, da nur dann der neue Anschluss und eine Brückenerneuerung überhaupt notwendig gewesen wären.

Die Fördervoraussetzungen wurden vom Vorhabensträger nicht erfüllt, da die bestehende andere Zufahrt - abweichend von seiner Zusage - nicht geschlossen wurde.

Weiter sind die Verkehrswege nach der Brücke reine Anliegerstraßen, die ein Freibad, ein Unternehmen, eine Trafostation und zwei abgelegene Gehöfte erschließen. Außerdem erfüllt die Straße nicht die Funktion einer Gemeindeverbindungsstraße, zumal sie zwar zu einem Baugebiet führt, aber lediglich den Charakter eines Wirtschaftsweges hat und zudem mit einer Schranke abgesperrt ist (s. Bild 3). Nach Aussage der Gemeinde soll es hier auch keinen Durchgangsverkehr geben.

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Der tatsächliche Zustand entspricht nicht den Grundlagen für die damalige Bewilligung. Aus Sicht des RH sind der Zuwendungsbescheid aufzuheben und die Zuwendungen zurückzufordern.

3 Bewertungen und Empfehlungen

Die Fördergegenstände „verkehrswichtige innerörtliche bzw. zwischenörtliche Straßen“ sind in der Verwaltungsvorschrift deshalb nicht näher eingegrenzt, um in der Praxis den örtlichen Verkehrsverhältnissen sowie den Unterschieden zwischen Ballungsräumen und ländlichen Gebieten Rechnung tragen zu können. Daher sind derartige Vorhaben stets in Abhängigkeit von den örtlichen Gegebenheiten, der Gemeindegröße und den Wirkungen im gesamten Straßenverkehrsnetz zu betrachten.

Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass Gemeindestraßen mit Blick auf die Förderfähigkeit - z. B. durch entsprechende Darstellung im Straßennetz - als verkehrswichtige Straße bezeichnet werden, obgleich sie eindeutig den Charakter von Anlieger- oder Erschließungsstraßen haben. Derartige Verfahrensweisen sind selbst bei großzügiger Interpretation von Fördergegenständen nicht durch die gesetzliche Regelung gedeckt.

Die Bewilligungsstellen haben mehrfach - so auch bei den dargestellten Fällen - das „Aufrüsten“ eines Vorhabens zur vermeintlichen Förderfähigkeit wohlwollend begleitet, eine anschließende Erfolgskontrolle jedoch nicht vorgenommen. Sie hätten aber in jedem Fall prüfen und ggf. durch einen Ortstermin verifizieren müssen, ob die beantragten und bewilligten Förderziele und -zwecke erreicht wurden. So aber wurde den Vorhabensträgern die Möglichkeit eröffnet, ihre nicht förderfähigen Vorstellungen umzusetzen.

Die Bewilligungsstellen sollten daher einer sorgfältigen Abgrenzung förderfähiger Straßen gegenüber nicht förderfähigen Anlieger- und Erschließungsstraßen deutlich mehr Beachtung schenken. Außerdem sollten sie stärker als bisher ihre Aufgabe wahrnehmen; sie reicht von der Antragsprüfung über die Abrechnung bis zur Erfolgskontrolle der Vorhaben.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Im Falle der Anliegerstraße (s. Pkt. 2.1) bestätigt das Ministerium, dass das Straßenbauamt zunächst Bedenken hatte und den Förderantrag dann dem RP zur Beurteilung vorgelegt habe. Im Rahmen der folgenden Abstimmungen mit der Stadt sei vereinbart worden, die vorgesehenen Beschränkungen aufzuheben, zumal die Straße als Entlastungsstraße eingestuft worden sei. Erst im Zuge der Prüfung durch das StRPA Freiburg habe die Straßenbauverwaltung erfahren, dass die damals getroffenen Vereinbarungen seitens der Stadt nicht eingehalten worden seien. Das RP habe daraufhin die Stadt aufgefordert, die angeordneten Beschränkungen umgehend zu beseitigen; ansonsten müsse die Bewilligung widerrufen werden. Die Stadt habe sich Ende Februar 2005 bereit erklärt, die Verkehrsbeschränkungen endgültig aufzuheben.

Zu der Brücke (s. Pkt. 2.2) teilt das Ministerium die Auffassung des RH, dass hier die Fördervoraussetzungen nach dem GVFG nicht vorlägen; es habe daher die Rücknahme des Bewilligungsbescheids veranlasst.

Das Ministerium widerspricht zwar der Folgerung des RH, dass die dargelegten Vorhaben bezeichnend seien für die generelle Förderpraxis, will jedoch die Regierungspräsidien erneut auf die Abgrenzungsproblematik hinweisen und um strikte Beachtung der Regelung bitten, wonach Anlieger- und Erschließungsstraßen ausdrücklich von einer Förderung ausgenommen sind. Ferner führt das Ministerium aus, dass mit der Fortschreibung der VwV-GVFG bereits begonnen worden sei. Im Rahmen dieser Arbeiten würden auch Anregungen des RH berücksichtigt, insbesondere zur Erfolgskontrolle.

5 Schlussbemerkung

Das Ministerium als Aufsichtsbehörde hat in den beiden Fällen auf die Feststellungen des RH sachgerecht reagiert. Die Aufnahme der Beispiele in die Denkschrift zielt vor allem darauf ab, die Bewilligungsstellen zu einem sorgfältigeren Umgang mit öffentlichen Mitteln zu veranlassen und ihnen die Grenzen ihres Handlungsspielraums bewusst zu machen. Dieser Gedanke sollte auch bei der vom Ministerium begonnenen Überarbeitung und Aktualisierung der Verwaltungsvorschrift verstärkt berücksichtigt werden.