Das Wirtschaftsministerium hat entgegen gutachterlichen Empfehlungen in erheblichem Umfang zusätzliche Ausstellungsflächen in Messehallen gefördert.
Die Förderung von Multifunktionshallen hat im umkämpften Marktsegment für kulturelle und sportliche Veranstaltungen zu einem verschärften Wettbewerb beigetragen.
1 Ausgangslage
1.1 Förderkonzeption
Das Land gewährt Finanzhilfen für die Regionalmessen, um die regionalen Messeplätze in ihrer Bedeutung für den Standort Baden-Württemberg zu stärken und die Konkurrenzfähigkeit der Messelandschaft in Baden-Württemberg zu sichern.
Auf der Basis eines externen Gutachtens, nachfolgend Messe-Gutachten genannt, hat der Ministerrat am 17.02.1997 das Förderkonzept für Regionalmessen und die allgemeinen Grundsätze für die Förderung der Messestandorte Freiburg, Karlsruhe, Mannheim, Offenburg, Sindelfingen, Sinsheim, Ulm und Villingen-Schwenningen beschlossen. Die Messe in Friedrichshafen wurde vom Land wegen ihrer zum großen Teil internationalen Ausrichtung zwar außerhalb des Regionalmessenkonzepts gefördert, die Ministerratsbeschlüsse aus den Jahren 1999 und 2002 waren jedoch sehr eng mit dem regionalen Förderkonzept verwoben. Deshalb hat der RH den Messestandort Friedrichshafen mit in seine Untersuchungen einbezogen.
1.2 Mitteleinsatz
Aufgrund der o. a. Ministerratsbeschlüsse sind für die Förderung der Regionalmessen einschließlich erforderlicher Gutachten in den Einzelplänen des WM und der Allgemeinen Finanzverwaltung insgesamt Landesmittel in Höhe von rd. 65 Mio. € bereitgestellt worden (s. Übersicht 1).

Im StHPl. 2005/06 sind für die Haushaltsjahre 2005 und 2006 Haushaltsmittel in Höhe von insgesamt 6,5 Mio. € und außerdem für die Jahre 2007 und 2008 Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von insgesamt 3,5 Mio. € ausgewiesen.
Zuständig für die Abwicklung des Bewilligungsverfahrens und die Prüfung der Verwendungsnachweise war das ehemalige Landesgewerbeamt. Mit Wirkung vom 01.01.2005 ging die Zuständigkeit auf das WM über. Adressaten der Bescheide sind teils die Kommunen, teils private oder kommunale Messegesellschaften.
1.3 Das Regionalmessenkonzept
Das Messe-Gutachten wurde im September 1997 unter dem Titel „Konzept für Regionalmessen in Baden-Württemberg“ vorgestellt. Darin wurden u. a. Messeangebot (Messen und Ausstellungen) und Messenachfrage (regional, überregional und international) gegenübergestellt; das Gutachten differenzierte zwischen den Veranstaltungstypen „Fachmesse“ und „Publikumsmesse (Verbraucherschauen oder -ausstellungen)“.
Die Gutachter kamen zu dem Ergebnis, dass
- Fachmessen Aufgaben der Wirtschaftsförderung für einzelne Unternehmen sowie für die Gesamtwirtschaft erfüllten,
- bei Verbraucherausstellungen eher (lokal-)wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Aufgaben im Vordergrund stünden,
- bei einer Wertung, welche für die baden-württembergische Wirtschaft die wichtigere Funktion sei, eindeutig den Fachmessen die erste Priorität zukomme und diese deshalb bevorzugt zu fördern seien,
- im Zeitpunkt der Analyse bereits ein großes Angebot vorhanden gewesen sei und somit kein großer Markt mehr für neue Messeveranstaltungen bestanden habe,
- daher nicht davon ausgegangen werden könne, dass größere Veränderungen in dem damals festgestellten räumlichen Muster der Messelandschaft angezeigt seien,
- eine qualitative Verbesserung der Messelandschaft angestrebt werden solle,
- ein quantitativer Ausbau nur durch eine Ausweitung des Messeprogramms zu amortisieren wäre, dafür bei derzeit gesättigtem Markt allerdings keine Erfolgschancen gesehen würden.
Mit Blick auf die damals beobachtete Stagnation bei den vermieteten Hallenflächen der Regionalmessen empfahlen die Gutachter deshalb, dem qualitativen Ausbau den Vorrang zu geben, um eine moderne Infrastruktur für attraktive und wirtschaftlich zu betreibende Messen zu schaffen.
Für die Förderkonzeption des WM entwickelten die Gutachter ein idealtypisches Messeleitbild, das sich in vier Zielkomplexe, die im Idealfall einer entwicklungsfähigen Messe alle erfüllt werden sollten, aufteilte und Grundlage für die Bewertung von Förderanträgen der Messestandorte sein sollte:
Zielkomplex 1:
Regionale Fachmessen sowie Verbraucherausstellungen in Baden-Württemberg sind unter den verschiedensten Gesichtspunkten Veranstaltungen von sehr hohem Bedeutungsgrad. Ein ausgewogenes Verhältnis dieser verschiedenen Typen erscheint sinnvoll.
Den regionalen Fachmessen bzw. den Standorten dieser Messen ist jedoch unbedingt Priorität einzuräumen.
Zielkomplex 2:
Eine Förderung darf den Marktgesetzen nicht entgegenwirken. Ziel muss sein, etablierte Messethemen und Messestandorte zu stärken anstatt neue zu schaffen. Erfolgreiches privates Engagement sollte deshalb durchaus unterstützt werden.
Qualitatives Wachstum muss vor quantitativem stehen, Ausbau vor Neubau.
Zielkomplex 3:
Vorrangig sind die Messeplätze zu behandeln, deren Potenzial möglichst hoch ist. Hier sind die besten Entwicklungsmöglichkeiten gegeben.
Zielkomplex 4:
Um als Messeplatz entwicklungs- und konkurrenzfähig und damit förderfähig zu sein, muss ein Mindestmaß an Messe-Hardware vorhanden sein, wobei die konkreten Kriterien auch vom Einzelfall abhängen. Als wesentliche Aspekte sind hierbei die qualitative Ausstattung und die Multifunktionalität zu sehen.
Die thematische Ausrichtung und die Art der Präsentation der Messen sollen an keine bestimmten Restriktionen gebunden sein, da sonst eventuell gegen die Marktkräfte gehandelt würde.
1.4 Die geförderten Messestandorte
Aufgrund der eingangs erwähnten Ministerratsbeschlüsse sind acht Messestandorte in Baden-Württemberg gefördert worden. Diese und die mit ihnen konkurrierenden Standorte sind im Schaubild 1 dargestellt.

Die geförderten Messestandorte sind zwar über das ganze Land verteilt, allerdings mit einer Konzentration entlang der Rheinschiene. Die dortigen Standorte stehen nicht nur untereinander im Wettbewerb, sie konkurrieren z. T. auch mit den Messestandorten im benachbarten Ausland. Die Grenznähe eröffnet aber auch neue Chancen, z. B. durch grenzüberschreitende Kooperationen, wie sie zwischen den Messen Offenburg und Strasbourg ab 2005 vereinbart und in der Oberrhein-Region angedacht sind.
2 Feststellungen und Bewertungen
2.1 Umsetzung des Regionalmessenkonzepts
Die Kriterien des ersten Zielkomplexes, die Abwägung zwischen Veranstaltungstypen und eine Priorisierung von Fachmessen, denen nach gutachterlicher Aussage die wichtigere Funktion gegenüber den Verbraucherausstellungen für die baden-württembergische Wirtschaft zugewiesen wurde, spielten keine Rolle bei der Bewertung der Messestandorte und bei der Vergabe der Fördermittel. Die Antragsunterlagen enthielten diesbezüglich kaum verwertbare Angaben. Das WM hatte diese veranstaltungstypischen Daten bei den Messestandorten abgefragt.
Der zweite Zielkomplex enthielt die Empfehlung, dass die Landesförderung nicht den Marktgesetzen entgegenwirken dürfe und deshalb ein qualitatives Wachstum vor quantitativem, Ausbau vor Neubau erfolgen müsse. Diese Empfehlung wurde nicht hinreichend beachtet. Am Ende war ein Flächenzuwachs von über 100.000 m² an festen Messehallen gefördert worden (s. Übersicht 2). Dabei ist der geplante Neubau zweier Messehallen in Villingen-Schwenningen mit zusammen 3.000 m² nicht berücksichtigt worden, da deren Realisierung längerfristig verschoben worden ist.
Unberücksichtigt bei der weiteren Betrachtung des Förderkonzepts blieb der Messestandort Sindelfingen; für ihn sind keine Fördermittel beantragt worden.

Die durchschnittliche Mehrfläche aller acht geförderten Messestandorte beträgt 66 % des Ausgangswerts, wobei einzelne Messestandorte eine Zuwachsrate von bis zu 180 % gegenüber der ursprünglichen Hallenfläche aufweisen. Ein Flächenzuwachs wäre lt. Messe-Gutachten nur durch eine Ausweitung des Messeprogramms zu amortisieren gewesen. Selbst hierfür hatten die Gutachter bei dem damals wie heute gesättigten Messemarkt keine Erfolgschancen gesehen.
Der dritte Zielkomplex sah vor, Messeplätze vorrangig zu fördern, deren Potenzial an Wirtschaft und Bevölkerung und damit an Ausstellern und Besuchern möglichst hoch ist. Diese gutachterliche Vorgabe wurde bei den acht für die Landesförderung ausgewählten Messestandorten erfüllt.
Im vierten Zielkomplex setzten die Gutachter für die Idealmesse ein Mindestmaß an Hardware voraus und subsumierten darunter u. a. die qualitative Ausstattung und die Multifunktionalität eines Messestandortes. Der Aspekt der Multifunktionalität sollte eine bessere Auslastung der Einrichtungen bei Regionalmessen erreichen. Mit der Förderung multifunktional - u. a. für sportliche und kulturelle Events - nutzbarer Messehallen wurde ein Überangebot an festen Hallenflächen für diesen Veranstaltungssektor geschaffen. Hier griff das Land in den Wettbewerb auf dem Messemarkt ein und dürfte mit seiner Förderung, insbesondere entlang der Rheinschiene, einen defizitären Wettbewerb unter den Messestandorten begünstigt haben. Eine Förderung multifunktionaler Messebauten mag zwar unter strukturpolitischen Gesichtspunkten zur Stärkung eines Messestandortes beitragen. Eine Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen im Sinne des Mittelstandsförderungsgesetzes sind die bewilligten Landesmittel für solche Neubauten zum Zweck der Durchführung von Fernseh-Shows, Konzert- und Sportveranstaltungen jedoch nicht.
Nach Auffassung des RH ist dies ein ureigener kommunaler Aufgabenbereich. Die Folgen des mit Landesmitteln geförderten quantitativen Ausbaus bzw. Neubaus der Messen sind absehbar. Die wettbewerblichen Auswirkungen dürften zu einem Rückgang der Auslastungsgrade und zu größeren Defiziten in den Jahresabschlüssen führen.
2.2 Förderverfahren
Das WM ging zu Beginn der Förderaktivitäten davon aus, dass in einem Förderzeitraum von fünf Jahren, beginnend ab 1997, lediglich eine Anschubfinanzierung durch das Land für dringend gebotene Verlegungs- oder Modernisierungsmaßnahmen erfolgen sollte. Der tatsächliche Zeitraum von der beschlossenen Förderkonzeption bis zur Bewilligung dauerte jedoch oft Jahre. Für einige Vorhaben ist bis heute noch nicht einmal die Bewilligung erfolgt. Bei verschiedenen Förderprojekten konnte der lange Verfahrenszeitraum nur durch Unbedenklichkeitsbescheinigungen für einzelne Bauabschnitte überbrückt werden, teilweise ohne vorherige Beteiligung der parlamentarischen Gremien. Der Wirtschaftsausschuss des Landtags sah in dieser Verfahrensweise eine Missachtung des Budgetrechts des Parlaments und rügte diese Praxis u. a. in seiner Sitzung am 24.11.2004.
Die Gründe für die zähe Verfahrensabwicklung waren bei den Messeträgern selbst und deren fehlenden Planungen oder deren schwieriger Finanzlage zu suchen. Oft waren die Konzeptionen der Messestandorte noch nicht soweit ausgereift, dass sie den Anforderungen eines detaillierten Förderantrags gerecht werden konnten, oder aber die kommunalen Entscheidungen über Messeinvestitionen wurden durch private Messeveranstalter fremdbestimmt, um z. B. die angedrohte Verlegung von Messeveranstaltungen durch Erweiterungsvorhaben zu verhindern. Außerdem hatte das WM mit seiner Bedarfsermittlung bei den Messeträgern Begehrlichkeiten geweckt und wurde dann von den angemeldeten, teils auf jahrzehntelangen Sanierungs- und Modernisierungsstaus beruhenden Maßnahmenkatalogen regelrecht überrollt.
Zwar war im Förderkonzept für die Regionalmessen aus dem Jahr 1997 explizit ausgeführt, dass reine Unterhaltungsmaßnahmen und Schönheitsreparaturen nicht gefördert werden. An verschiedenen Messestandorten hat der RH jedoch festgestellt, dass nicht nur Unterhaltungsmaßnahmen in Hallen, am Hallendach und -boden, in Küchen und Sanitäranlagen gefördert, sondern sogar Straßenunterhaltungsmaßnahmen auf dem Messegelände in die förderfähigen Kostenpositionen aufgenommen worden waren. So wurden Ersatzbeschaffungen und Erhaltungsaufwand gefördert, obwohl die Kriterien für die Ausgrenzung solcher Aufwendungen zwischen RH und WM bereits in früheren Prüfungsverfahren geklärt worden waren.
Parallel zu den Begehrlichkeiten, die das WM mit seiner Abfrage weckte, stieg mit den eingehenden Bedarfsmeldungen auch der Bedarf an Landesmitteln. War zunächst die in der Koalitionsvereinbarung 1996 vorgesehene Unterstützung für Investitionen regionaler Messen aus der Zukunftsoffensive II „Chancen für die junge Generation“ mit rd. 38 Mio. €, davon allein rd. 15 Mio. € für die Verlegung der Internationalen Messe Friedrichshafen, dotiert, mussten bereits im Mai 2000 mit der Ministerratsentscheidung über die Verlegung der Messe Karlsruhe Teilbeträge aus dem Einzelplan des WM bereitgestellt werden. Durch die dritte und letzte Förderrunde im Januar 2004 sind die bereitgestellten Haushaltsmittel auf nunmehr rd. 65 Mio. € erhöht worden. Seit 1996 ist die Landesförderung also um rd. 70 % ausgeweitet worden.
2.3 Baufachliche Aspekte
Aus der baufachlichen Prüfung entwickelte der RH unter der Prämisse des geringsten Aufwands und einer maximalen Planungssicherheit zielgerichtete Vorschläge für eine künftige Förderung. Diese sollte auf Richtflächen und Richtwerten aufgebaut und nach Neubau- und Umbauvorhaben unterschieden werden.
Das Raster für die Kostenermittlung von Neubauvorhaben sieht für die einzelnen Kostengruppen aufgrund des von den Messeträgern vorgelegten Raumprogramms (Gebäude- und Freiflächen) die in Übersicht 3 dargestellte Bewertung vor.

Anhand dieses Rasters können die maximale Höhe der förderfähigen Kosten ermittelt und mit dem vorgegebenen Fördersatz (z. B. 15 %) die Zuwendung des Landes als Festbetrag berechnet werden.
Eine Vergleichsberechnung mit dem o. a. Raster am Projekt Messe Freiburg ergab fast annähernd dieselbe Fördersumme, die Jahre zuvor in einem aufwendigen Verfahren unter Einbeziehung der baufachlichen Beratung durch öffentliche und private Stellen ermittelt worden war.
Für Umbau- oder Erweiterungsmaßnahmen schlägt der RH folgende Vorgehensweise vor:
- Die Kosten werden nach DIN für die Kostengruppen 300 bis 600, begrenzt auf maximal 70 % des o. g. Neubauwerts (s. Übersicht 3), ermittelt;
- Die Baunebenkosten (Kostengruppe 700) werden mit 15 % angesetzt;
- Bei Umbaumaßnahmen wird für unterlassene Instandhaltung eine Pauschale in Höhe von 10 % abgezogen.
Die so ermittelte Summe der förderfähigen Kosten wird mit dem vorgegebenen Fördersatz (z. B. 15 %) multipliziert und die Zuwendung des Landes als Festbetrag abschließend berechnet.
Anhand des baufachlich entwickelten Rasters können die Höhe der förderfähigen Kosten einfach ermittelt und die erforderlichen Fördermittel schnell berechnet werden. Der RH erwartet davon einerseits für den Zuwendungsempfänger u. a. weniger Antragsaufwand, schnellere Förderzusagen, Stärkung der Eigenverantwortung, Planungssicherheit und Sparanreize. Für den Zuwendungsgeber könnten andererseits u. a. ein geringerer Prüfungsaufwand im Antragsstadium, eine einheitliche Grundlage und einheitliche Fördersätze, ein Verzicht auf Förderrichtlinie, baufachtechnische Beratung und Prüfung, der Wegfall einer Vielzahl von Auflagen und erhebliche Verwaltungsvereinfachung eintreten.
2.4 Zukunft der Messen
Nach Publikationen der Fachpresse vermieten deutsche Messeträger jedes Jahr weniger Flächen; dennoch werde die Hallenkapazität weiter ausgebaut. Das führe nicht nur zu Überkapazitäten und zu vermehrt leer stehenden Hallenflächen. Es heize überdies den Wettbewerb unter den Messestandorten an und wirke sich auf die Quadratmeterpreise bei der Vermietung aus. Dies wiederum erschwere es den Veranstaltern, auskömmliche Ergebnisse zu erreichen.
Diese Aussagen werden durch die bundesweiten Trends für die Regionalmessen, die der Ausstellungs- und Messe-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft e. V. in Berlin (AUMA) auf der Basis der Jahre 1999 bis 2003 erstellt hat, (s. Schaubilder 2 bis 5) untermauert.


Nach den Ausführungen des AUMA mussten im Jahr 2003 Veranstaltungen mit regionalem Einzugsgebiet im Vergleich zu den Vorjahren nochmals Rückgänge ihrer wichtigsten Kennzahlen hinnehmen, wobei sich allerdings die Besucherzahlen stabilisiert haben. Von Aussteller- und Flächenrückgängen betroffen waren vor allem Fachbesucherveranstaltungen, insbesondere in bau- und handwerksnahen Branchen. Allgemeine Verbraucherausstellungen und themenspezifische Ausstellungen für den Verbraucher konnten sich im Schnitt relativ gut behaupten. Die bundesweiten Zahlen für die Regionalmessen zeigen ab dem Jahr 2001 eine deutliche Abwärtsbewegung. So reduzierte sich die Zahl der Aussteller im Jahr 2003 gegenüber dem Jahr 2001 um 14 %, die vermietete Fläche um 19 %, die Zahl der Besucher um 15 % und die der Messeveranstaltungen um 21 %.
In dieser Situation würden die meisten Messestrategien auf eine Optimierung des Geschäfts hinauslaufen und seien in vier Bereiche einzuteilen. Wachstumsfelder sollen erstens durch neue Messen, zweitens durch Teilung bestehender Veranstaltungen, drittens durch Schaffung von neuen lokalen oder regionalen Events und viertens durch Fusion und Akquisitionen erschlossen werden.
Dem ist nach den Feststellungen des RH noch eine fünfte Kategorie hinzuzufügen, nämlich die Abwerbung von erfolgreichen Veranstaltungen bei den Messekonkurrenten. So ist für die Eröffnung der neuen Landesmesse eine Großveranstaltung vorgesehen, die bisher in einer anderen Messestadt stattfindet und von dort nach Stuttgart gezogen werden solle. Die Messe Karlsruhe holte im Jahr 2004 die Fachmesse Resale von Nürnberg nach Karlsruhe und wird im Jahre 2005 die Fachmesse KomCom von Mannheim nach Karlsruhe holen. Bereits im Jahre 2003 wurde die Pforzheimer Schmuckmesse Interjuwel nach Karlsruhe verlegt. Von Pforzheim warb Freiburg Jahre zuvor auch die Fachmesse Intersolar ab, die nun am Messestandort Freiburg an ihre räumlichen Grenzen stieß.
Das WM bewertet solche Abwanderungen von Themen und Veranstaltungen als normale Vorgänge, wobei sich dieser „Verschiebebahnhof“ innerhalb des baden-württembergischen Messemarktes ausgleichen würde. Schließlich könnten auch Messen von anderen Bundesländern abgeworben werden. Dieselbe Argumentation nimmt aber auch die Messe Nürnberg für sich in Anspruch. Sie hat im Jahr 2002 den Ausbau der Ausstellungsfläche auf dann 160.000 m² beschlossen, wodurch eine weitere Konkurrenzsituation für die Messen des Landes entsteht.
Die Marktentwicklung könnte sich durch einen von vielen Experten prognostizieren Verlagerungsprozess in den asiatischen Raum noch verschärfen. Zudem ist nach diesen Prognosen zu erwarten, dass sich die fortschreitende Nutzung des Internets zur Präsentation der Produktpaletten und der mittelständischen Firmen negativ auf den Messemarkt auswirken könnte. Zwar werden nach Ansicht der Experten die regionalen Fachmessen als Fenster der mittelständischen Wirtschaft übrig bleiben; es würden aber weniger Flächen benötigt.
3 Gesamtbewertung und Empfehlung
Zusammengefasst muss festgestellt werden, dass die Ziele des baden-württembergischen Messeleitbildes allenfalls eingeschränkt erreicht und die vom WM hierzu aufgestellten Kriterien nur teilweise erfüllt worden sind. Die Abweichung von der ursprünglichen Konzeption, das teilweise Ignorieren des Expertenrats und die vielfach auf Druck der Kommunen zustande gekommene Förderung nach dem „Gießkannenprinzip“ führen zu einer Wettbewerbssituation, in der geförderte Messestandorte einen schweren Stand haben und gefährdet sind.
Der RH ist der Auffassung, dass angesichts der Zukunftsprognosen für die Messelandschaft insgesamt eine künftige Förderung nur dann vertretbar ist, wenn eine vorherige sorgfältige Analyse des Messemarktes und der Wettbewerbssituation unter Berücksichtigung betriebswirtschaftlicher Rentabilitätsbeurteilungen zu einem eindeutig positiven Ergebnis führt und wenn ein besonderes strukturpolitisches und wirtschaftliches Interesse des Landes besteht. Dabei sollten Fördermaßnahmen auch unter stringenter Beachtung der Zielsetzungen des Mittelstandsförderungsgesetzes beurteilt werden. Der Neubau von Multifunktionshallen dürfte diesen Zielsetzungen nicht entsprechen und im alleinigen Interesse der Kommunen bzw. der Betreibergesellschaften liegen.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das WM macht geltend, Leitbild und Förderkonzept würden angesichts der Individualität der einzelnen Messeplätze und ihrer verschiedenen Veranstaltungen keine zwingend zu beachtenden Einzelkriterien enthalten, sondern einen relativ offenen Orientierungsrahmen mit vier Zielkomplexen zugeordneten abwägungsfähigen Gesichtspunkten darstellen. Es handele sich dabei um idealtypische Anforderungen, die auf die real vorhandenen Messestandorte nicht schematisch angewandt werden können.
Der Ministerrat habe sich deshalb 1997 in seinem Grundsatzbeschluss dafür entschieden, die konkreten Förderentscheidungen aufgrund abwägender Einzelfallprüfungen vorzunehmen, um bestehende individuelle Defizite so abzubauen, wie es die realen Verhältnisse (unter Berücksichtigung der idealtypischen Anforderungen) erforderten. Der Umstand, dass das Messeleitbild und das Förderkonzept als relativ offener Orientierungsrahmen gefasst worden seien, habe es ermöglicht, am Messemarkt gut eingeführte Messestandorte flexibel bei der notwendigen Weiterentwicklung zu unterstützen und damit insgesamt die bewährte dezentrale Messelandschaft Baden-Württembergs zu erhalten. Hätte man die Zielkomplexe und ihre Einzelaspekte absolut genommen (als zwingend notwendige, nicht abwägungsfähige Fördervoraussetzungen), wäre die Förderung der Messen Freiburg, Mannheim, Sinsheim, Villingen-Schwenningen und Ulm nicht möglich gewesen, da hier jeweils einzelne Gesichtspunkte der idealtypischen Anforderungen nicht erfüllt gewesen seien.
Die Behauptung, die Priorisierung von Fachmessen habe keine Rolle bei der Vergabe der Fördermittel gespielt, treffe nicht zu; insoweit sei auf die ausführlichen gutachterlichen Untersuchungen zu jedem Messestandort zu verweisen. Beim Aspekt „Ausbau vor Neubau“ übersehe der RH, dass damit keineswegs Flächenerweiterungen eine Absage erteilt worden sei (das Messe-Gutachten habe solche sogar gefordert), sondern raumordnerischen Überlegungen, die darauf zielten, zur Förderung der Gleichwertigkeit von Lebensbedingungen zusätzliche Messestandorte in den Räumen aufzubauen, in denen sich am Markt keine Regionalmessen durchgesetzt hatten. Der vom RH kritisierte Flächenzuwachs, bei dem insbesondere auch zur Qualitätssicherung Zelthallen durch feste Hallen ersetzt worden seien, beziehe sich auf einen mehr als zehnjährigen Zeitraum (1997 bis 2008); die wirtschaftliche Tragfähigkeit der jeweiligen Ausbaupläne sei dabei jeweils sorgfältig geprüft worden. Gemessen an der wirtschaftlichen Leistungskraft Baden-Württembergs gebe es, wie auch der Vergleich mit anderen Bundesländern zeige, heute und auch nach 2008 keinesfalls ein Übermaß an Messeflächen. Hinsichtlich der im Leitbild und Förderkonzept ausdrücklich verankerten Förderung von sog. multifunktionalen Messehallen vermag sich das WM der Auffassung des RH nicht anzuschließen. Zum einen würden sie vorteilhafte zusätzliche Möglichkeiten zur Durchführung von Kongressmessen eröffnen, zum anderen würde ihre Förderung auch unter strukturpolitischen Gesichtspunkten zur Stärkung eines Messestandortes beitragen. Regionalmessen benötigten neben dem, aus Landessicht vorrangig wichtigen, Messegeschäft für eine betriebswirtschaftlich erfolgreiche Auslastung der Hallen auch ein starkes Geschäft im Event-Bereich. Auch das Messe-Gutachten spreche klar aus, dass die Regionalmessen für ihre Weiterentwicklung multifunktional nutzbare Hallen benötigen.
Zugestimmt werden könne der Auffassung des RH, dass an dem sportliche und kulturelle Events betreffenden Teil des regionalen Messengeschäftes kein originäres, wirtschaftspolitisches Interesse des Landes bestünde. Diesem Umstand wäre aber ausreichend durch die limitierte Höhe des Fördersatzes Rechnung getragen worden. Ohne die Förderung von auch multifunktional nutzbaren Messehallen wäre gerade das begünstigt worden, was der RH nicht wolle, nämlich ein defizitärer Wettbewerb unter den Messestandorten.
Richtig sei die Aussage des RH, dass es zum Zeitpunkt der Erstellung des Messeleitbildes und des Förderkonzeptes einen jahrzehntelangen Sanierungs- und Modernisierungsstau bei den Regionalmessen gegeben habe und dass die Anlagen veraltet und teilweise marode gewesen seien. Gerade diese vorgefundene Sachlage habe die Landesregierung veranlasst, fördernd einzugreifen, um die Messeträger, die hier dem Land gegenüber zu nichts verpflichtet waren, zu Investitionen zu bewegen, an denen das Land ein eigenes struktur- und wirtschaftspolitisches Interesse hatte und hat. Die einzelnen Projekte würden dabei (trotz der verschlechterten kommunalen Haushaltslage) zum größten Teil innerhalb des 1997 vom Ministerrat für Antragstellung und Realisierung in Aussicht genommenen neunjährigen Zeitraumes bis 2006 umgesetzt sein. Der bauliche Zustand der Regionalmessen habe ein höheres Maß an Fördermitteln als zunächst geplant erfordert; für den Ministerrat und insbesondere für das Parlament, das sukzessive jeweils die Finanzmittel bereitgestellt habe, sei jedoch die Erreichung des struktur- und wirtschaftspolitischen Ziels, die dezentrale Messelandschaft Baden-Württembergs konkurrenzfähig zu erhalten, wichtiger gewesen als ein starres Festhalten an den finanziellen Annahmen von 1997.
Soweit der RH darauf hingewiesen habe, dass im Förderkonzept für die Regionalmessen von 1997 reine Unterhaltungsmaßnahmen und Schönheitsreparaturen nicht förderfähig sind, sei dies richtig. Gefördert worden seien aber auch nur entweder der komplette Neubau von Messeanlagen oder aber umfassende Maßnahmen zur grundlegenden Erneuerung der Messeanlagen, bei denen Unterhaltungsmaßnahmen und Schönheitsreparaturen untrennbarer, aber nur nachrangiger Teil des Gesamtprojektes waren und deshalb angesichts des Wortlautes des Förderkonzeptes und des limitierten Fördersatzes von der Förderung auch nicht ausgeschlossen wurden. Das WM sei im Übrigen gerne bereit, die - auf Neubauvorhaben bzw. Umbau- oder Erweiterungsmaßnahmen beschränkte und damit nicht das gesamte Spektrum der Hardware-Investitionen der Regionalmessen umfassende - Empfehlung des RH zur Ermittlung der förderfähigen Kosten aufzugreifen, soweit sie sich als umsetzbar erweise. Dies hänge davon ab, ob es der Oberfinanzdirektion als baufachlicher Prüfungsstelle möglich sei, den „Richtwert“ festzulegen, den die Berechnungsmethode des RH voraussetze.
Die skeptische Einschätzung des RH zur künftigen Entwicklung des deutschen Messemarktes, die sich im Wesentlichen auf drei Aspekte, nämlich die kurzfristige Entwicklung der letzten Jahre sowie auf Annahmen über einen „Verlagerungsprozess in den asiatischen Raum“ und eine „fortschreitende Nutzung des Forums Internet“ stütze, greife nach Auffassung des WM zu kurz. Das WM legt ausführlich dar, dass es die Situation insoweit optimistischer einschätze. Die Bedeutung der Messen werde nach seiner Einschätzung auch in Zukunft nicht geringer werden. Für die deutschen Unternehmen würden Messebeteiligungen zu den wichtigsten Instrumenten der Business-to-Business-Kommunikation gehören. Nach wie vor seien die Ausführungen des Messe-Gutachtens richtig, dass „Messen mit ihren intensiven und höchstwertigen Informations- und Kommunikationsfunktionen eine zentrale Schlüsselrolle bei der Wirtschaftsförderung einnehmen und als Infrastruktureinrichtung einen wichtigen Standortfaktor für die Wirtschaft darstellen“ würden.
Das WM sei insgesamt der Auffassung, dass die Ziele des 1997 als Orientierungsrahmen beschlossenen Messeleitbildes und Förderkonzeptes und die dort genannten abwägungsbedürftigen Einzelaspekte bei der Umsetzung der Regionalmessenförderung durch Einzelfallentscheidungen des Ministerrates durchweg - einschließlich des Expertenrates des Gutachters - beachtet worden seien. Dadurch sei es gelungen, das struktur- und wirtschaftspolitische Ziel zu erfüllen, die bewährte dezentrale Messelandschaft Baden-Württembergs zu erhalten und konkurrenzfähig weiterzuentwickeln. Dass ein besonderes struktur- und wirtschaftspolitisches Interesse des Landes an den Regionalmessen bestehe, sei mit dem verbindlichen Landesentwicklungsplan 2002 positiv entschieden.
5 Schlussbemerkung
Der RH vermag der Argumentation des WM nicht zu folgen, dass die Förderung der baden-württembergischen Messelandschaft eine originäre Aufgabe des Landes sein muss, auch wenn die Standortsicherung aus strukturpolitischer Sicht in den Landesentwicklungsplan aufgenommen wurde. Darunter kann insbesondere nicht die Förderung von Multifunktionshallen für kulturelle und sportliche Events in der Region subsumiert werden. Nach Auffassung des RH handelt es sich bei Bau, Unterhaltung und Betrieb von Messen um eine Aufgabe, die vorrangig von Kommunen oder Privaten wahrzunehmen ist.
Das vom WM angeführte Argument, dass auch andere Bundesländer über große Messeflächen verfügen, ist nicht geeignet, die staatliche Förderung von weiteren Flächen, die am Markt nicht ausreichend nachgefragt werden, zu begründen.
Der RH bleibt bei seiner abschließenden Bewertung, dass das Land durch die Regionalmessenförderung mit einem Mitteleinsatz von rd. 65 Mio. € und der damit finanzierten erheblichen Zunahme von Hallenflächen eine Wettbewerbssituation geschaffen hat, die die geförderten Messestandorte letztendlich gefährden könnte; dies gilt insbesondere für die konzentrierte Förderung von Multifunktionshallen entlang der Rheinschiene.