Gesundheitsfürsorge für Gefangene im Justizvollzug (Beitrag Nr. 10)

Bei der Gesundheitsfürsorge für die Gefangenen im Justizvollzug besteht ein jährliches Einsparpotenzial von rd. 3 Mio. €. Vor der Entscheidung über einen Neubau für das Justizvollzugskrankenhaus sollten Kooperationen mit öffentlichen Krankenhäusern intensiver geprüft werden.

1 Ausgangslage

Gefangene haben nach dem Strafvollzugsgesetz Anspruch auf Krankenbehandlung. Für die Art und den Umfang der Leistungen zur Krankenbehandlung gelten nach § 61 Strafvollzugsgesetz die entsprechenden Vorschriften des Sozialgesetzbuchs V (SGB V) - Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) - und die aufgrund dieser Vorschriften getroffenen Regelungen.

Die rd. 8.500 Gefangenen im baden-württembergischen Justizvollzug werden primär im Justizvollzugskrankenhaus Hohenasperg und in den Krankenabteilungen der 18 Justizvollzugsanstalten (JVA) medizinisch versorgt. In Notfällen und bei Spezialindikationen werden Gefangene auch in öffentlichen Krankenhäusern behandelt. Für die medizinische Versorgung der Gefangenen sind landesweit etwa 260 Bedienstete eingesetzt. Der Gesamtaufwand für die Gesundheitsfürsorge der Gefangenen betrug im Jahr 2003 rd. 21 Mio. €.

Für das Justizvollzugskrankenhaus soll ein Neubau am Standort Stuttgart-Stammheim mit einem Kostenaufwand von 53 Mio. € errichtet werden. Diese Planungen und die allgemeine Kostenentwicklung im Gesundheitswesen waren für den RH Anlass, diesen Bereich gemeinsam mit dem StRPA Tübingen in einer Querschnittsprüfung zu untersuchen.

2 Justizvollzugskrankenhaus Hohenasperg

2.1 Struktur

Das Justizvollzugskrankenhaus Hohenasperg gliedert sich in drei Krankenabteilungen (s. Übersicht 1).

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Weiter ist beim Justizvollzugskrankenhaus eine Schule für Krankenpflege und Krankenpflegehilfe (Krankenpflegeschule) eingerichtet.

2.2 Suchtstation

In der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Neurologie wird eine Station für Suchtbehandlung betrieben. Diese - bundesweit in dieser Form einmalige - Station verfügt über 18 Behandlungsplätze. In der Suchtstation sind unmittelbar acht Bedienstete beschäftigt, für die jährliche Kosten von 0,6 Mio. € anfallen.

Die Therapiedauer in der Suchtstation wurde 2002 wegen massiver Motivationseinbrüche bei den Gefangenen von 1,5 bis 2,5 Jahren auf ein Jahr verkürzt. Die Behandlungserfolge sind jedoch auch bei der neuen Therapieform enttäuschend. Von 14 bis zum Erhebungszeitpunkt entlassenen Patienten des Aufnahmejahrgangs 2003 wurde nur einer nach einjähriger Behandlung in eine JVA zurückverlegt, ein weiterer ging in den Freigang; zwölf Gefangene wurden wegen Rückfalls oder aus disziplinarischen Gründen vorzeitig in eine JVA zurückverlegt.

Der RH hält es für angezeigt, die Schließung dieser Station zu prüfen.

2.3 Abteilung Chirurgie

Die Abteilung Chirurgie kooperiert seit Oktober 2001 mit einem öffentlichen Krankenhaus, das seither chirurgische Eingriffe vornimmt. Größere chirurgische Eingriffe werden spätestens seit diesem Zeitpunkt vom Justizvollzugskrankenhaus nicht mehr durchgeführt.

Die verbliebenen meist kleineren Eingriffe und die Nachsorgemaßnahmen rechtfertigen die Aufrechterhaltung einer chirurgischen Abteilung im Justizvollzugskrankenhaus nicht. Die Abteilungen Innere Medizin und Chirurgie sollten zusammengefasst und zwei Stellen für Chirurgen im Rahmen der Fluktuation abgebaut werden. Dies entspricht einem Einsparpotenzial von 0,2 Mio. €.

2.4 Krankenpflegeschule

In der 1989 eingerichteten Krankenpflegeschule absolvieren regelmäßig Beamte des allgemeinen Vollzugsdienstes eine weitere Ausbildung zum Krankenpfleger (drei Jahre) oder Krankenpflegehelfer (ein Jahr). Für die justizinterne Zusatzausbildung entstehen jährliche Gesamtkosten von 1,3 Mio. €. Hiervon entfallen allein 1,1 Mio. € auf die Bezüge der „fortzubildenden“, durchschnittlich 18 Justizbeamten. Die jährlichen Ausbildungsvergütungen für Krankenpfleger würden zum Vergleich etwa 0,2 Mio. € betragen. Die Schule verfügt über 1,5 hauptamtliche Kräfte. Der Unterricht wird weit überwiegend von Justizpersonal geleistet.

Des RH empfiehlt, die justizinterne Krankenpflegeschule aufzugeben. Stattdessen können bereits ausgebildete Krankenpfleger und Krankenpflegehelfer für den Pflegedienst im Justizvollzug eingestellt werden. Die kostenintensive Zweitausbildung bei vollen Dienstbezügen erscheint wirtschaftlich nicht vertretbar. Die ausgebildeten Pfleger könnten ggf. noch die Ausbildung zum allgemeinen Vollzugsdienst absolvieren, soweit dies aus vollzuglicher Sicht erforderlich erscheint. Daneben kommt auch eine Einstellung von Krankenpflegern im Angestelltenverhältnis in Betracht. Dies wird von einzelnen JVA bereits mit Erfolg praktiziert.

Das JuM wurde gebeten, ein Konzept für die Schließung der justizinternen Krankenpflegeschule zu erarbeiten.

2.5 Neubauplanung für das Justizvollzugskrankenhaus

Das sanierungsbedürftige Justizvollzugskrankenhaus Hohenasperg kann nach Auffassung des JuM mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand am bisherigen Standort nicht auf den heutigen medizinischen Stand gebracht werden. Nach den Planungen des JuM und des FM soll ein neues Justizvollzugskrankenhaus am Standort der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim mit einem Kostenaufwand von 53 Mio. € gebaut werden. Das neue Krankenhaus soll eine Größe von 150 Krankenhausbetten und 50 multifunktionalen Plätzen aufweisen. Die Krankenhausbetten verteilen sich auf 100 Plätze für Psychiatrie und 50 Plätze für Innere Medizin und Chirurgie. Im chirurgischen Bereich ist weiterhin eine Kooperation mit einem öffentlichen Krankenhaus vorgesehen. Aus finanziellen Gründen sind konkrete Planungen für den Neubau frühestens im Jahr 2009 zu erwarten.

Die Festungsanlage auf dem Hohenasperg soll nach Verlagerung des Krankenhauses weiter für die Zwecke der ebenfalls auf diesem Gelände befindlichen Sozialtherapeutischen Anstalt genutzt und entsprechend ausgebaut werden. Hierfür sind weitere Investitionen in Höhe von 16 Mio. € erforderlich. Auf dem Areal sollen 120 Plätze (derzeit 61 Plätze) in der Sozialtherapie geschaffen werden.

Das JuM hatte vor der Auswahl des Standorts Stuttgart-Stammheim mehrere Alternativen für ein Justizvollzugskrankenhaus untersucht. Insbesondere wurde in einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung auch eine stationäre Versorgung der Gefangenen in öffentlichen Krankenhäusern für die Bereiche Innere Medizin und Chirurgie geprüft (sog. Outsourcing-Alternative). Bei dieser Outsourcing-Alternative wurde von einer dezentralen Einzelunterbringung der Gefangenen ausgegangen; sie wurde insbesondere wegen der hohen Kosten für die Einzelbewachung der Gefangenen verworfen.

Die Ausgangsbasis für eine mögliche Zusammenarbeit mit öffentlichen Krankenhäusern hat sich deutlich verändert. In den nächsten Jahren ist in Baden-Württemberg mit gravierenden Umwälzungen der Krankenhauslandschaft und einem massiven Bettenabbau zu rechnen. Diese Situation sollte vom Justizvollzug genutzt werden, um die Kooperationsbereitschaft von Krankenhausträgern nochmals intensiver auszuloten. Vor einer Entscheidung über einen Krankenhausneubau sollte insbesondere folgendes Alternativ-Szenario näher untersucht werden:

  • Die Bereiche Innere Medizin und Chirurgie des Justizvollzugskrankenhauses werden aufgegeben. Für diese Bereiche wird mit einem Krankenhausträger über eine Kooperation nach folgendem Modell verhandelt:
  • Einrichtung von besonders gesicherten Hafträumen in einem öffentlichen Krankenhaus auf der Basis einer langfristigen Nutzungsvereinbarung.
  • Die Bewachung und pflegerische Betreuung wird vom Vollzugspersonal sichergestellt. Die ärztliche Betreuung übernehmen Ärzte des Krankenhauses.
  • Auf dem Hohenasperg werden die Bereiche Psychiatrie und Sozialtherapie zu einer organisatorischen Einheit zusammengeführt.

3 Ambulante Krankenbehandlung in den Justizvollzugsanstalten

3.1 Personal

Die ambulante ärztliche Versorgung in den 18 Anstalten und den Außenstellen wird von hauptamtlichen und vertraglich verpflichteten Kräften wahrgenommen. Bei Bedarf werden die Gefangenen vom Anstaltsarzt an externe Fachärzte überwiesen. Im Erhebungszeitraum waren in den JVA (ohne Krankenhaus) zwölf hauptamtliche Ärzte sowie 69 Vertragsärzte in einem Gesamtumfang von etwa 17 Arbeitskraftanteilen tätig.

Die Pflege der Gefangenen wird vom Krankenpflegedienst übernommen. Dort kommen ausschließlich hauptamtliche Kräfte im Beamten- oder Angestelltenverhältnis zum Einsatz. Im Pflegedienst der Anstalten war landesweit Personal mit insgesamt 163 Arbeitskraftanteilen beschäftigt.

Das JuM hat den Personalbedarf für die Ärzte und den Pflegedienst bislang nicht analytisch ermittelt. Landesweite oder anstaltsspezifische Kennzahlen liegen nicht vor. Die vom RH - trotz unzureichender Datenlage - ansatzweise durchgeführte Kennzahlenbildung weist auf Differenzen in der Personalausstattung hin, die nicht allein auf die unterschiedliche Gefangenenstruktur zurückgeführt werden können.

Der RH hält die systematische Erhebung aussagekräftiger Kennzahlen über den Personaleinsatz in der Gesundheitsfürsorge für erforderlich. Das JuM wurde gebeten, den Ärzte- und Pflegekräfteeinsatz auf der Basis dieser Kennzahlen zu überprüfen.

3.2 Vertragsärzte

Im Justizvollzug waren im Jahr 2003 landesweit 69 Vertragsärzte tätig. Ihre Vergütung betrug auf der Basis eines Stundensatzes von rd. 46 € insgesamt etwa 0,5 Mio. €. Neben ihrer vertraglichen Stundenvergütung erhielten 25 dieser Vertragsärzte weitere - regelmäßig höhere - Vergütungen nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) für Einsätze außerhalb der vertraglich vereinbarten Sprechstundenzeiten. Insgesamt wurden an diese 25 Ärzte 225.155 € als Vertragsarzthonorar und daneben 184.112 € nach GOÄ ausgezahlt. Zwei Ärzte liquidierten bei Vertragsarztvergütungen von zusammen rd. 30.000 € weitere GOÄ-Vergütungen von knapp 96.000 €.

Der RH hat angeregt, die Abrechnungspraxis mit dem Ziel einer Reduzierung der GOÄ-Vergütungen zu ändern. Einsparungen von jährlich 0,1 Mio. € scheinen möglich.

3.3 Zahnärztliche Versorgung

Im Jahr 2003 wurden für die zahnärztliche Behandlung der Gefangenen einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz 1,1 Mio. € ausgegeben. An 26 Standorten (JVA und Außenstellen) sind komplette Zahnbehandlungsräume vorhanden. In den anderen Fällen werden die Gefangenen in Praxen niedergelassener Zahnärzte ausgeführt. Die zahnärztliche Behandlung der Gefangenen wird grundsätzlich mit Vertragszahnärzten abgedeckt. Die JVA haben mit 32 Zahnärzten Verträge abgeschlossen. Das Hilfspersonal wird nur teilweise von den Zahnärzten gestellt.

Die Vertragszahnärzte werden regelmäßig auf der Grundlage des Bewertungsmaßstabs für die kassenzahnärztlichen Leistungen (BEMA) - mit unterschiedlichen Abschlägen für die vom Land gestellte Infrastruktur - vergütet. Die auf Initiative des JuM von den Anstalten ausgehandelten BEMA-Abschläge haben nur in Ausnahmefällen das angestrebte Niveau erreicht.

Der Justizverwaltung liegen keine aktuellen Basisdaten über die zahnärztlichen Leistungen vor. Der RH hat überschlägige Kennzahlen zur zahnärztlichen Versorgung für das Jahr 2003 ermittelt, die in Übersicht 2 dargestellt sind.

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Die vom RH ermittelten erheblichen Bandbreiten können nicht nur auf die unterschiedliche Gefangenenstruktur zurückgeführt werden. Die Differenzen deuten auch auf ein stark divergierendes Behandlungs- und Abrechnungsverhalten der Zahnärzte hin.

Nach einer Modellrechnung des RH könnten bei einer Durchführung der Zahnbehandlung mit Landesbediensteten - bereits ohne Optimierung der Behandlungspraxis - rechnerische Einsparungen von 0,3 Mio. € erzielt werden. Diesen Betrag sieht der RH als Zielgröße für das mögliche Einsparvolumen in diesem Bereich an. Als Sofortmaßnahmen zur Kostenreduzierung hat der RH vorgeschlagen,

  • mit den Vertragszahnärzten über einen höheren Abschlag von der BEMA-Vergütung zu verhandeln und ggf. das Vertragsverhältnis zu beenden,
  • die Sprechstunden in den JVA mit überdurchschnittlichen Einsatz- und Behandlungszeiten zu verkürzen und
  • bei Auffälligkeiten Plausibilitätsprüfungen der Rechnungen über zahnärztliche Leistungen vorzunehmen.

Mittelfristig sollte nach einer Erhebung gesicherter Basis- und Leistungsdaten - zumindest in den JVA mit überdurchschnittlichen Ausgaben - eine Ausschreibung der zahnärztlichen Leistungen nach festen Stundensätzen bei gleichzeitiger Begrenzung der Einsatzzeit erfolgen.

3.4 Arzneimittel

Im Jahr 2003 betrugen die Gesamtausgaben für Arzneimittel, einschließlich Sanitätsverbrauchsmaterial, 2,5 Mio. €. Sie sind gegenüber 1996 bei konstanter Gefangenenzahl um 42 % gestiegen. Die JVA beschaffen die benötigten Arzneimittel bislang dezentral über öffentliche Apotheken oder Krankenhausapotheken.

Trotz entsprechender Aufforderung des JuM im Jahr 1999 bezogen 2003 nur sechs von 18 JVA sowie das Justizvollzugskrankenhaus ihren Bedarf über Krankenhausapotheken. Die Ausgaben je Gefangenen lagen bei Bezug über öffentliche Apotheken um 46 % über den Ausgaben bei Bezug über Krankenhausapotheken. Dies entspricht Mehrkosten von mehr als 0,3 Mio. €. Ein systematischer Einsatz kostengünstiger Medikamente (sog. Generika) war bei den meisten JVA nicht festzustellen.

Das JuM hat bislang hinsichtlich des Medikamentensortiments im Justizvollzug keine zentrale Steuerung vorgenommen. Eine systematische Analyse der im Justizvollzug landesweit beschafften Arzneimittel ist nicht erkennbar. Trotz jahrelanger positiver Erfahrungen anderer Bundesländer erfolgte keine zentrale Ausschreibung der Arzneimittel.

Während der Prüfung hat das JuM im Dialog mit dem RH eine europaweite Ausschreibung des landesweiten Arzneimittelbedarfs eingeleitet. Weiter hat der RH eine Optimierung des Arzneimittelsortiments (Streichung teurer Medikamente, Beschränkung auf Festpreismedikamente, Identifikation nicht apothekenpflichtiger und nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel) und die Erstellung einer sog. Positivliste mit bevorzugt zu verordnenden Arzneimitteln empfohlen.

4 Kostenbeteiligung der Gefangenen an medizinischen Leistungen

4.1 Zuzahlungen

Während die gesetzlich Versicherten nach den Bestimmungen des SGB V seit 01.01.2004 diverse Zuzahlungen zu leisten haben, sind die Gefangenen nach einer Regelung des JuM von Zuzahlungen befreit. Bislang leisten sie z. B. keine Zuzahlungen zu Arzneimitteln, keine Praxisgebühr und keine Eigenbeteiligung bei einem Krankenhausaufenthalt.

Der Verzicht auf Zuzahlungen entspricht nicht der Grundsystematik des § 61 Strafvollzugsgesetz, wonach sich der Leistungsumfang nach den Bestimmungen des SGB V richtet. Das JuM wurde aufgefordert, mit möglichst geringem Verwaltungsaufwand für eine wirkungsgleiche Übertragung der in der GKV geltenden Zuzahlungsregelungen auf den Justizvollzug Sorge zu tragen. Wenn lediglich die arbeitenden Gefangenen Zuzahlungen bis zur Belastungsgrenze leisten würden, ergäbe sich ein maximaler Zuzahlungsbetrag von 0,3 Mio. €. Daneben wird eine erhöhte Kostensensibilität der Gefangenen erwartet, die einen Rückgang der Arzneimittelausgaben und der Arztbesuche zur Folge hat.

4.2 Leistungsausschlüsse

In der GKV gelten grundsätzlich Leistungsausschlüsse für nicht apothekenpflichtige und nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel. Obwohl das JuM für den Bereich des Justizvollzugs diese Leistungsausschlüsse weitgehend übernommen hat, erhalten Gefangene teilweise auch solche Arzneimittel unentgeltlich. Dem JuM und den JVA ist der Umfang der den Gefangenen verordneten Arzneimittel nicht bekannt, die von den Mitgliedern der GKV selbst zu zahlen sind. Bereits eine überschlägige Durchsicht der vorhandenen Arzneimittellisten nach wenigen Produkten ergab Ausgaben für Arzneimittel in Höhe von 36.000 €, die nach den geltenden Bestimmungen nicht vom Justizvollzug zu tragen wären. Darunter waren z. B. Weizenkleie oder Erkältungstee.

Das JuM wurde gebeten, die JVA auf die Einhaltung der bestehenden Regelungen hinzuweisen. Weiter sollte der Umfang der beschafften nicht apothekenpflichtigen und nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel systematisch festgehalten werden.

5 Stellungnahme des Ministeriums

Das JuM hat zu den Empfehlungen des RH hinsichtlich des Justizvollzugskrankenhauses wie folgt Stellung genommen:

  • Die Suchtstation bietet für eine bestimmte Gefangenengruppe die einzig verbleibende Therapiemöglichkeit und soll daher weiter geführt werden. Die Entlassungspraxis soll aber überprüft werden.
  • Die Abteilungen Innere Medizin und Chirurgie im Justizvollzugskrankenhaus sollen in spätestens drei Jahren zusammengefasst werden. Die beiden frei werdenden Stellen werden nicht mehr mit Chirurgen besetzt.
  • Die Aufgabe der Krankenpflegeschule wird bis zum Abschluss des laufenden Krankenpflegerlehrgangs geprüft. Das JuM hält die anderweitige Deckung des Bedarfs in Anbetracht der veränderten Arbeitsmarktlage für nicht mehr ausgeschlossen.
  • Die vom RH als Alternative zum Neubau eines Justizvollzugskrankenhauses vorgeschlagene Kooperation mit bestehenden Krankenhäusern ist in der Vergangenheit von angefragten Kliniken abgelehnt worden. Es ist nicht zu erwarten, dass dieses Modell an anderer Stelle im Land realisierbar ist.

Im Bereich der ambulanten Krankenbehandlung in den JVA will das JuM die Vorschläge des RH im Wesentlichen umsetzen:

  • Die geforderte systematische Erhebung von Kennzahlen zur Festlegung des Ärzte- und Pflegerbedarfs wird grundsätzlich für sinnvoll erachtet. Künftig werden regelmäßige Auswertungen im Rahmen des Projekts Neue Steuerungsinstrumente durchgeführt.
  • Bei den Vertragsärzten sieht das JuM gleichfalls ein - wenn auch geringeres - Einsparungspotenzial durch individuelle Vertragsanpassungen.
  • In der zahnärztlichen Versorgung wird das JuM die Vorschläge des RH zur Kostenreduzierung aufgreifen. Insbesondere in Anstalten mit überdurchschnittlichen Ausgaben soll der Aufwand gesenkt werden.
  • Durch die europaweite Ausschreibung des Arzneimittelbedarfs erwartet das JuM jährliche Einsparungen zwischen 0,5 Mio. € und 0,7 Mio. €. Weitere Ausgabensenkungen verspricht sich das Ministerium nach Optimierung des Arzneimittelsortiments durch eine Kommission und die restriktivere Abgabe nicht verschreibungspflichtiger Medikamente.

Bei der Kostenbeteiligung der Gefangenen hat das JuM eine zum 01.01.2005 beabsichtigte landesweite Zuzahlungsregelung für Arzneimittel wegen des befürchteten hohen Verwaltungsaufwands mit Einzelabrechnungen vorläufig zurückgenommen. Es wird zunächst ein Modellversuch bei einer JVA durchgeführt. Weiter will sich Baden-Württemberg voraussichtlich der Bundesratsinitiative eines anderen Landes anschließen, die pauschale Zuzahlungen der Gefangenen ermöglichen soll. Praxisgebühren für Arztbesuche und Zuzahlungen zu Krankenhausaufenthalten möchte das JuM aus rechtlichen und praktischen Gründen nicht einführen. Das Ministerium strebt an, die Abgabe nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Gefangene zu minimieren.

6 Schlussbemerkung

Das JuM will die meisten Vorschläge des RH aufgreifen oder hat zumindest deren Prüfung zugesagt. Der RH erwartet, dass die aufgezeigten Einsparungspotenziale bei der weiteren Umsetzung konsequent realisiert werden.

Vor einer Entscheidung über den Neubau eines Justizvollzugskrankenhauses sollten nochmals Alternativen geprüft werden. Die Kooperationsbereitschaft von Krankenhausträgern dürfte angesichts der aktuellen Umbrüche im Krankenhausbereich inzwischen deutlich gestiegen sein. Der weitere Betrieb der Suchtstation im Justizvollzugskrankenhaus sollte von einer positiven Entwicklung der Therapieerfolge abhängig gemacht werden.