Bei Gesellschafter-Geschäftsführern von Kapitalgesellschaften wurden vielfach Versicherungsbeiträge in unzutreffender Höhe als Sonderausgaben abgezogen; das steuerliche Berichtigungspotenzial beträgt mehr als 5,5 Mio. DM jährlich.
In anderen Fällen haben die Finanzämter auf Grund von DV-Eingabefehlern Erstattungszinsen in Höhe von rd. 3,9 Mio. DM zu Unrecht festgesetzt.
1 Überhöhter Abzug von Versicherungsbeiträgen als Sonderausgaben
1.1 Ausgangslage
1.1.1 Bestimmte Versicherungsbeiträge sind als Vorsorgeaufwendungen im Rahmen der gesetzlichen Höchstbeträge als Sonderausgaben abzugsfähig. Sie können u.a. bis zur Höhe des sog. Vorwegabzugs von z.Z. 6 000 DM, im Fall der Zusammenveranlagung von Ehegatten von 12 000 DM, steuermindernd berücksichtigt werden. Der Vorwegabzug ist u.a. zu kürzen, wenn ein Arbeitnehmer während des ganzen oder eines Teils des Kalenderjahrs nicht rentenversicherungspflichtig war, eine Berufstätigkeit ausübte und in Zusammenhang damit auf Grund vertraglicher Vereinbarungen Anwartschaftsrechte auf eine Altersversorgung ganz oder teilweise ohne eigene Beitragsleistung erwarb. Die Kürzung beträgt 16 % der Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit (ohne Versorgungsbezüge).
1.1.2 Der Vorwegabzug auf Grund vertraglich vereinbarter Anwartschaften auf Altersversorgung ist insbesondere bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern von Kapitalgesellschaften zu kürzen, soweit ihnen eine Pensionszusage erteilt ist. Die erforderlichen Angaben zur Kürzung werden im Vordruck Anlage N zur Einkommensteuererklärung erfragt. Anzugeben ist u.a., ob und ggf. seit wann eine Anwartschaft auf Altersversorgung besteht. Des Weiteren sind die Pensionszusagen im Allgemeinen den Steuerakten der Kapitalgesellschaften zu entnehmen.
1.1.3 Bei der maschinellen Berechnung und Festsetzung der Einkommensteuer wird generell eine Kürzung des Vorwegabzugs vorgenommen, es sei denn, der Arbeitslohn wird ganz oder teilweise durch eine manuelle Eingabe der Bearbeiter von der Kürzungsbemessungsgrundlage ausgenommen.
1.2 Prüfungsanlass, Prüfungsumfang
Die Kürzung des Sonderausgabenvorwegabzugs war bereits 1989 von den damaligen Vorprüfungsstellen schwerpunktmäßig untersucht worden. Auf Grund der dabei festgestellten Fehler wurde die Steuerverwaltung gebeten, durch Schulung der Mitarbeiter sowie Verbesserung des Informationsaustauschs zwischen den beteiligten Arbeitsgebieten die zutreffende Kürzung des Vorwegabzugs zu gewährleisten. Über das Ergebnis der Prüfung hatte der RH in der Denkschrift 1989 Nr. 21 berichtet.
Trotzdem stellten die StRPÄ in den letzten Jahren erneut derartige Fehler in erheblichem Umfang fest. Die StRPÄ untersuchten deshalb 1999 in Sondererhebungen bei zehn Finanzämtern insgesamt 2 698 Einkommensteuerveranlagungen der Veranlagungszeiträume 1993 bis 1998, in denen Arbeitslohn von mehr als 100 TDM von der Bemessungsgrundlage für die Kürzung des Vorwegabzugs ausgenommen wurde.
1.3 Feststellungen
1.3.1 Die Erhebungen ergaben, dass in 331 (12,27 %) der 2 698 geprüften Einkommensteuerveranlagungen die Kürzung des Sonderausgabenvorwegabzugs unrichtig war. Die Steuer wurde in den entsprechenden Bescheiden zu niedrig festgesetzt.
1.3.2 Von den unrichtigen Steuerbescheiden waren 212 (64 %) auf eine fehlerhafte Sachbehandlung durch die FÄ zurückzuführen. Fehlerquellen waren dabei überwiegend, dass
- zutreffende Angaben der Steuerpflichtigen auf der Anlage N nicht beachtet wurden (171 Fälle),
- die Steuerpflichtigen auf der Anlage N keine Angaben machten und die Finanzämter bestehende Pensionszusagen nicht ermittelten (13 Fälle) oder
- von den Veranlagungsstellen für Kapitalgesellschaften gefertigte Kontrollmitteilungen über Pensionszusagen nicht oder nicht zutreffend ausgewertet wurden (12 Fälle).
In weiteren 119 Fällen (36 %) führten vor allem falsche Angaben der Steuerpflichtigen auf der Anlage N zu fehlerhaften Steuerfestsetzungen. In diesen Fällen sahen die Finanzämter auf Grund der vollständigen und schlüssigen Einkommensteuererklärungen keinen Anlass zu Ermittlungen. Kontrollmitteilungen der Veranlagungsstellen für Kapitalgesellschaften über die aus deren Akten ersichtlichen Pensionszusagen hätten die falschen Angaben der Steuerpflichtigen jedoch aufdecken können.
Vier typische Fälle sind nachfolgend beispielhaft aufgeführt:
- Eine 1993 erteilte Pensionszusage wurde vom Steuerpflichtigen auf den Anlagen N seiner Steuererklärungen der Jahre 1993 bis 1995 jeweils zutreffend erklärt. Gleichwohl kürzte das Finanzamt den Vorwegabzug nicht. Der Steuerausfall betrug rd. 18 TDM.
- Fehlende Angaben auf den Anlagen N der Steuererklärungen für die Jahre 1994 bis 1997 wurden vom Finanzamt in keinem Jahr zum Anlass genommen, Ermittlungen über das Vorliegen einer Pensionszusage anzustellen. Der Vorwegabzug wurde für diesen Zeitraum nicht gekürzt. Die Überprüfung durch ein StRPA ergab, dass dem Steuerpflichtigen bereits im Kalenderjahr 1993 eine Pensionszusage erteilt worden war. Die Korrektur der Steuerbescheide führte zu Mehrsteuern von rd. 19 TDM.
- Über eine seit 1983 bestehende Pensionszusage befand sich eine Kontrollmitteilung in den Einkommensteuerakten. Bei den Einkommensteuerveranlagungen 1995 und 1996 wurde die Kontrollmitteilung nicht beachtet und der Vorwegabzug nicht gekürzt. Die Einkommensteuer wurde insgesamt um rd. 4 500 DM zu niedrig festgesetzt.
- Nach den Angaben eines Steuerpflichtigen auf den Anlagen N seiner Steuererklärungen für die Jahre 1993 bis 1997 bestand keine Pensionszusage. Gegenteilige Informationen, etwa eine Kontrollmitteilung über die tatsächlich seit 1990 erteilte Pensionszusage, lagen der zuständigen Veranlagungsstelle nicht vor. Auf der Basis dieser Angaben wurde der Vorwegabzug nicht gekürzt. Die Korrektur der Steuerfestsetzungen führte zu Mehrsteuern von rd. 20 TDM.
1.3.3 Die für die Kürzung des Vorwegabzugs erforderlichen Informationen liegen den Finanzämtern vor. Sie sind entweder den Steuererklärungen der Gesellschafter-Geschäftsführer oder den Steuerakten der Kapitalgesellschaften zu entnehmen. Das Ergebnis der Erhebungen zeigt damit auch, dass in einer erheblichen Anzahl von Fällen Informationen, die bei einer anderen Stelle innerhalb der Steuerverwaltung vorhanden sind, die zuständigen Veranlagungsstellen nicht erreichen oder von diesen nicht oder nicht zutreffend ausgewertet werden.
1.4 Finanzielle Auswirkung
Das finanzielle Mehrergebnis aus den in die Prüfung stichprobenweise einbezogenen Fällen beträgt rd. 1 Mio. DM.
Landesweit werden je Veranlagungszeitraum durchschnittlich 15 500 ESt-Veranlagungen durchgeführt, in denen Arbeitslohn von mehr als 100 TDM von der Bemessungsgrundlage für die Kürzung des Vorwegabzugs ausgenommen wurde. Auf der Basis der dargestellten Prüfungserfahrungen dürften sich aus der Überprüfung dieser Fälle ein gesamtes Berichtigungspotenzial von mehr als 5,5 Mio. DM je Veranlagungszeitraum ergeben.
1.5 Vorschläge des Rechnungshofs
Auf Grund des Umfangs der problematischen Fälle und der erheblichen finanziellen Auswirkungen hält der RH die Aufarbeitung der dargestellten Besteuerungssachverhalte für geboten.
Er empfiehlt, die Kürzung des Vorwegabzugs für einen Veranlagungszeitraum landesweit als sog. Prüffeld für eine intensive Prüfung auszuwählen. Geprüft werden sollten dabei alle Fälle, in denen bei der letzten Veranlagung Arbeitslohn von mehr als 100 TDM von der Bemessungsgrundlage für die Kürzung ausgenommen wurde.
Das jeweilige Prüfungsergebnis sollte von den Veranlagungsstellen in geeigneter Form aktenkundig gemacht oder als interner Vermerk im DV-Programm hinterlegt werden, um die zutreffende Sachbehandlung dieser Fälle auch für die Folgejahre zu ermöglichen.
2 Fehlerhafte Festsetzung von Erstattungszinsen
2.1 Ausgangslage
2.1.1 Steuernachforderungen und Steuererstattungen werden seit dem Veranlagungszeitraum 1989 mit einem Zinssatz von 0,5 % je Monat verzinst. Diese Regelung soll einen Ausgleich dafür schaffen, dass Steuern trotz gleichen gesetzlichen Entstehungszeitpunkts, aus welchen Gründen auch immer, zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und erhoben werden. Der Zinslauf beginnt im Regelfall 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (z.B. für die Einkommensteuer 1996 am 01.04.1998).
2.1.2 Nach § 10d des Einkommensteuergesetzes können Verluste, die im Entstehungsjahr nicht durch positive Einkünfte ausgeglichen werden, in den beiden vorangegangenen Kalenderjahren berücksichtigt werden (Verlustrücktrag). Dazu sind die Steuerfestsetzungen für diese Jahre in der Regel nachträglich zu ändern.
2.1.3 Beruhen geänderte Steuerfestsetzungen auf einem Verlustrücktrag aus den Kalenderjahren 1996 ff. beginnt der Zinslauf abweichend vom Regelfall 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verlust entstanden ist.
Beispiel:
Die Einkommensteuerfestsetzung 1996 wird auf Grund eines Verlustrücktrags aus dem Kalenderjahr 1998 geändert. Die hierdurch entstehende Steuererstattung für das Jahr 1996 ist nicht bereits ab dem 01.04.1998 (Regelfall), sondern erst ab dem 01.04.2000 zu verzinsen.
2.2 Automatisiertes Verfahren
Die Zinsen werden grundsätzlich im automatisierten Verfahren berechnet, festgesetzt und zum Soll gestellt.
2.2.1 Bis zum Dezember 1997 waren die Finanzämter angewiesen, bei der Änderung von Steuerfestsetzungen auf Grund von Verlustrückträgen aus den Kalenderjahren 1996 ff. dieses automatisierte Verfahren nicht einzusetzen, weil es den späteren Zinslaufbeginn (Pkt. 2.1.3) DV-technisch nicht berücksichtigte. In allen entsprechenden Fällen mussten die Bearbeiter daher die automatisierte Zinsfestsetzung ausschließen und die Zinsen ggf. manuell berechnen und festsetzen.
2.2.2 Seit dem Einsatz einer neuen Programmversion im Dezember 1997 kann das automatisierte Verfahren auch in Verlustrücktragsfällen angewendet werden. Die Bearbeiter haben in diesen Fällen allerdings folgende manuelle Eingaben vorzunehmen:
- Ist eine Steuerfestsetzung ausschließlich auf Grund eines Verlustrücktrags zu ändern, muss für die Zinsberechnung nur das Kalenderjahr der Verlustentstehung eingegeben werden.
- Liegen neben dem Verlustrücktrag weitere Änderungsgründe vor, beginnen die Zinsläufe unterschiedlich. Einzugeben ist das Jahr der Verlustentstehung sowie der auf den Verlustrücktrag entfallende Steuererstattungsbetrag. Die Steuerstattung ist hierbei als negativer Wert zu erfassen.
2.3 Feststellungen
Bei seinen Prüfungen im Geschäftsjahr 1999 hat das StRPA Karlsruhe vereinzelt fehlerhafte Zinsfestsetzungen in Verlustrücktragsfällen festgestellt. Um die Breitenwirkung der Fehler einschätzen zu können, wurde dieses Thema vom StRPA zunächst bei zwei Finanzämtern schwerpunktmäßig untersucht. Dabei ergaben sich im Wesentlichen die beiden nachfolgend dargestellten Fehlerquellen.
2.3.1 Bei Verlustrückträgen in der Zeit bis Dezember 1997 wurde die maschinelle Zinsfestsetzung häufig nicht ausgeschlossen (vgl. Pkt. 2.2.1). Dies bewirkte, dass die Steuererstattungsbeträge zu Unrecht verzinst wurden. Die Überprüfung von 25 Fällen führte zu 21 Beanstandungen und ergab zu Unrecht festgesetzte Erstattungszinsen in Höhe von rd. 30 TDM.
2.3.2 Für die Zinsfestsetzungen ab Dezember 1997 (vgl. Pkt. 2.2.2) haben die Bearbeiter des Öfteren neben dem Kalenderjahr der Verlustentstehung auch den zu erstattenden Steuerbetrag eingegeben. Dabei wurde nicht beachtet, dass der Erstattungsbetrag als negativer Wert zu erfassen war. Die (fehlerhafte) Eingabe als positiver Wert führte im Ergebnis dazu, dass der doppelte Steuererstattungsbetrag der Zinsberechnung zu Grunde lag und somit überhöhte Erstattungszinsen festgesetzt wurden. In 88 untersuchten Fällen waren Zinsen in Höhe von insgesamt rd. 188 TDM zurückzufordern.
2.4 Ergebnis der Feststellungen
Art und Umfang der Feststellungen veranlassten das StRPA, EDV-Listen über die (landesweit) problematischen Fälle anzufordern. Die Listen wurden den OFDen mit der Bitte übergeben, die Zinsfestsetzungen in den aufgeführten Fällen von den Finanzämtern überprüfen und ggf. berichtigen zu lassen. Des Weiteren wurde empfohlen, die Finanzämter nochmals auf die zutreffenden Eingaben für die maschinelle Zinsfestsetzung in Verlustrücktragsfällen hinzuweisen.
2.4.1 Landesweit korrigierten die Finanzämter 1 614 Zinsfestsetzungen, die entsprechend der Fallgestaltung unter Pkt. 2.3.2 fehlerhaft waren. Hierbei wurden Zinsen in Höhe von rd. 3,484 Mio. DM zurückgefordert.
2.4.2 Zinsfestsetzungen, die entsprechend der Darstellung unter Pkt. 2.3.1 fehlerhaft waren, konnten aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr korrigiert werden. Für den Bereich der nordbadischen Finanzämter ergaben sich zu Unrecht festgesetzte Erstattungszinsen in Höhe von rd. 500 TDM. Auf eine Erhebung des landesweit eingetretenen Schadens wurde im Hinblick auf die fehlende Rückforderungsmöglichkeit verzichtet.
2.5 Maßnahmen der Verwaltung
Die OFDen wiesen auf Grund der Hinweise des StRPA die Finanzämter an, die problematischen Fälle anhand der erstellten Falllisten zu überprüfen und ggf. zu korrigieren. Gleichzeitig wurden die Finanzämter nochmals auf die vorzunehmenden Eingaben für die maschinelle Zinsfestsetzung in Verlustrücktragsfällen hingewiesen.
Die unter Pkt. 2.3.1 dargestellte Fehlerquelle war bereits mit Einführung eines verbesserten DV-Verfahrens im Dezember 1997 beseitigt worden.
3 Stellungnahme des Ministeriums
Das FM hat keine Einwendungen gegen den Beitrag erhoben. Es beabsichtigt, der Empfehlung des RH zu folgen und die Kürzung des Vorwegabzugs für einen Veranlagungszeitraum landesweit als sog. Prüffeld für eine intensive Prüfung festzulegen. Daneben hat das FM eine Änderung des bundeseinheitlichen DV-Programms dahin gehend angeregt, dass die Bearbeiter künftig bei unterbliebener Kürzung des Vorwegabzugs durch einen Prüfhinweis zu einer erneuten Überprüfung des Sachverhalts aufgefordert werden.