Rationalisierungsmöglichkeiten im Bereich der Finanzkassen [Beitrag Nr. 23]

Durch Benchmarking, verbesserte Verfahren und DV-Unterstützung können bei den Finanzkassen noch bedeutende Rationalisierungsmöglichkeiten erschlossen werden. Zur optimalen Ausschöpfung der aufgezeigten Einsparpotenziale empfiehlt der Rechnungshof die Bildung von Regionalkassen. Mittelfristig können dann rechnerisch bis zu 497 Personalstellen mit einem jährlichen Kostenvolumen von über 62 Mio. DM eingespart werden.

1 Aufgaben und Organisation der Finanzkassen

Die Finanzkassen haben die Aufgabe, die festgesetzten Steuern und sonstigen Haushaltseinnahmen im Bereich der Steuerverwaltung rechtzeitig und vollständig zu erheben und zu verbuchen und Haushaltsausgaben und sonstige Ausgaben rechtzeitig und vollständig zu bewirken sowie Wertgegenstände entgegenzunehmen und auszuliefern. Wie in allen Landesverwaltungen gilt auch für den Bereich der Steuerverwaltung der Grundsatz der Kassensicherheit (§ 77 LHO). Für die Organisation der Finanzämter bedeutet dies die Trennung von Steuerfestsetzung und Erhebung sowie innerhalb der Finanzkassen die Abgrenzung der Aufgabengebiete Zahlungsverkehr und Buchführung. Die Arbeiten in der Finanzkasse sind geprägt durch die Vorgabe, anfallende Aufgaben zeitnah, nach Möglichkeit taggleich zu erledigen.

Die Bediensteten in den Finanzkassen sind weit überwiegend Beamtinnen und Beamte des mittleren Dienstes und vergleichbare Angestellte.

Den Finanzkassen sind Datenerfassungskräfte zugeordnet, die jedoch keine originären Kassenaufgaben ausüben. Sie bleiben deshalb bei den nachfolgenden Betrachtungen unberücksichtigt.

2 Zuständigkeit, personelle Besetzung und Versuche zur Neuordnung der Finanzkassen

Bei 74 von insgesamt 81 Finanzämtern in Baden-Württemberg sind Finanzkassen eingerichtet, drei davon als Zentralkassen.

Die Arbeitsabläufe in den Finanzkassen wurden in den vergangenen Jahren weitgehend automatisiert. Der Personalbestand (ohne Datenerfassung) hat sich dadurch im Zeitraum von 1991 bis 1999 um 228 auf 1053 Bedienstete vermindert.

Bereits mit der Einführung des Integrierten Automatisierten Besteuerungsverfahrens (IABV) wurden zwei Zentralkassen gebildet. Im Jahr 1995 war geplant, weitere Kassen in Regionalkassen zusammenzufassen. Nachdem dies im ersten Projekt wegen des Versäumnisses, zuvor die Daten der Finanzämter technisch zu verbinden, nicht vollständig gelungen war, wurden keine weiteren entsprechenden Versuche mehr unternommen.

3 Zweck, Umfang und Methode der Erhebungen

Der RH untersuchte im Rahmen von Querschnittserhebungen bei sieben Finanzämtern, ob die Rationalisierungsmöglichkeiten bei den Finanzkassen bereits voll ausgeschöpft sind oder ob weitere Maßnahmen zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit in Betracht kommen können.

Auf vom RH erstellten Erhebungsbögen hielten die Bearbeiter den Zeitaufwand für die einzelnen Tätigkeiten (Verfahren) ihres Arbeitsbereichs fest. Die den Untersuchungen zu Grunde liegenden Arbeitsmengen wurden den Organisationsübersichten der Verwaltung entnommen (s. Pkt. 4.1). Ergänzt wurden die Untersuchungen durch eine breit angelegte Befragung von Kassenbediensteten, Bediensteten der steuerfestsetzenden Stellen und der Vollstreckungsstellen.

4 Untersuchungsergebnisse

4.1 Quantitative Leistungen

Für die Messung der quantitativen Leistung je Bediensteten in den einzelnen Arbeitsgebieten wurden die von der Verwaltung ermittelten Einzahlungsbuchungen, die durch Gewichtung von Speicherkonten für Veranlagungssteuern errechneten Wertpunkte und die Zahl der Verwahrungen und Vorschüsse unverändert übernommen. Danach ergaben sich landesweit die in Übersicht 1 dargestellten Werte.

2000-B023-Üb1.jpg

4.2 Würdigung der Spannweiten

Die Spannweiten sind z.T. erheblich. In den extremen Fällen liegt dies nach den Feststellungen des RH besonders daran, dass die Aufteilung der Zeitanteile von Arbeitskräften, die verschiedene Tätigkeiten ausüben, in den Geschäftsverteilungsplänen vor allem kleiner Finanzämter im Wege der Schätzung, also nicht immer exakt vorgenommen werden konnte.

Im Übrigen wirken sich nach den Feststellungen des RH zahlreiche sehr unterschiedliche Faktoren auf die quantitativen Arbeitsleistungen aus. Dazu gehören u.a.:

  • Die Qualifikation und Motivation des Kassenpersonals. Die quantitativen Arbeitsleistungen waren in denjenigen Finanzkassen deutlich besser, in denen gut ausgebildetes und geschultes Personal eingesetzt ist. Probleme in dieser Hinsicht haben insbesondere die Finanzämter in Ballungsräumen. Wegen der dort herrschenden Bedingungen am Arbeitsmarkt ist es ungleich schwieriger, qualifizierte Arbeitskräfte für den mittleren Dienst zu gewinnen. Die deshalb aus ländlichen Gebieten (zwangs-) versetzten Bediensteten wollen meist möglichst schnell wieder zurückversetzt werden, was die Motivation nicht gerade fördert. Die durch Rückversetzungen bedingte hohe Personalfluktuation führt dazu, dass sich regelmäßig ein erheblicher Teil der Bediensteten in der Einarbeitungsphase befindet und deshalb nur unterdurchschnittliche Arbeitsleistung erzielen kann.
  • Flexibilität des Personaleinsatzes im Bereich der gesamten Finanzkasse.
  • Grad der Optimierung und Gestaltung der Arbeitsabläufe, wie z.B. eine einheitlich geordnete Ablage von Belegen in allen Arbeitsgebieten.
  • Nutzung der DV-Unterstützung, beispielsweise die Wahl der richtigen Abfrageart oder die gezielte Anforderung von Listen und Ausdrucken.
  • Die Arbeitsweise der übrigen Stellen des Finanzamts, z.B. die sorgfältige Pflege der Grundinformationsdaten oder das zeitnahe Erteilen von Steuernummern und Einrichten der Speicherkonten.

4.3 Tätigkeitsprofile

Aus den Aufzeichnungen der Bediensteten über die Art ihrer Tätigkeiten und die darauf entfallenden Zeitanteile in den Aufgabengebieten Zahlungsverkehr, Automation und Buchführung wurden durchschnittliche Tätigkeitsprofile ermittelt. Auch hier ergaben sich in einzelnen Bereichen größere Spannweiten zwischen den Werten der in die Erhebungen einbezogenen Finanzämter, für die zumeist ebenfalls Unterschiede in der Arbeitsweise der Finanzkassen selbst und anderer Stellen des Finanzamts maßgeblich waren.

Das verdeutlichen die folgenden Beispiele:

In den Girostellen beträgt die anteilige Arbeitszeit für die Scheckbearbeitung zwischen 15 % und 49 % und für die Bearbeitung der Banküberweisungen zwischen 15 % und 41 %. Einen relativ geringen Zeitanteil haben insoweit die Kassen, die ihr Personal flexibel einsetzen, indem sie Kontierungsarbeiten bei Bedarf aushilfsweise durch Kontenverwalter ausführen lassen.

Bei den Kontenverwaltern für Veranlagungssteuern beträgt der Zeitanteil für die Bearbeitung von Steuererstattungen 11 % bis 21 %. Es hat sich gezeigt, dass zusätzliche Arbeiten der Kontenverwalter vermieden werden, wenn die Steuerfestsetzungsstellen die Grundinformationsdaten, wie Adressen und Bankverbindungen, laufend pflegen.

Erstaunlich ist, dass ein Kontenverwalter im Durchschnitt ein Viertel seiner Arbeitszeit für Telefonate verwendet. Die von 12 % bis 36 % reichende Spannweite zeigt, dass die Möglichkeit der Reduzierung besteht. Dies gilt insbesondere für Telefongespräche mit Steuerberatern, auf die fast 40 % der gesamten Telefonate entfallen. Der RH verkennt nicht das berechtigte Bemühen der Steuerverwaltung um Kundenfreundlichkeit. Dies darf letztlich jedoch nicht dazu führen, dass sich einzelne Berater der Auskunftsbereitschaft der Finanzkassen in z.T. erheblichem Umfang bedienen, um auf diesem Wege zur Durchführung der Jahresabschlussarbeiten an die Daten ihrer Mandanten zu gelangen. Erste Informationsquelle für die Steuerberater müssen insoweit deren Mandanten bleiben. Ein entsprechender Hinweis an die Steuerberaterkammern könnte dabei hilfreich sein.

Die Kontenverwalter für Kraftfahrzeugsteuer wenden für die Bearbeitung der Erstattungsverfahren 5 % bis über 21 % ihrer Arbeitszeit auf. Hier zeigt sich, welcher unterschiedliche Aufwand bei der Ermittlung der Bankverbindung und der Suche nach Verrechnungsmöglichkeiten entsteht. Diese Ermittlungen sollten nicht übertrieben werden. Teilt beispielsweise ein Kraftfahrzeughalter nach der ersten Aufforderung die Bankverbindung für eine Erstattung nicht mit, sollte generell von weiteren Ermittlungen abgesehen werden.

5 Rationalisierungspotenzial

5.1 Benchmarking

5.1.1 Orientierung an den Besten

Die erheblichen Spannweiten bei den quantitativen Leistungen je Arbeitskraft und bei den Tätigkeitsprofilen zeigen, dass durch Optimierung der Arbeitsabläufe, der Aus- und Fortbildung der Bediensteten, durch die volle Ausschöpfung der gegebenen DV-Unterstützung sowie durch gute Zusammenarbeit mit den anderen Stellen des Finanzamts z.T. deutlich bessere quantitative und wohl auch qualitative Leistungen erzielt werden können. Die Finanzämter sind aufgerufen, ihre Situation kritisch unter die Lupe zu nehmen und - unter Nutzung der Erfahrungen der besten Ämter - die Arbeitsabläufe und den Ausbildungsstand des Personals zu verbessern. Ein intensiver Erfahrungsaustausch und die Orientierung der Arbeitsweise an den jeweils besten Finanzkassen ist dringend geboten, um so das vorhandene hohe Rationalisierungspotenzial auszuschöpfen.

5.1.2 Ermittlung der Benchmarks

Da es sich bei den Ausreißern am oberen Ende der Leistungsspannen teilweise um unrealistische (rein rechnerische) Werte handelt (s. Pkt. 4.2), wurden generell nicht die rechnerisch Besten als Maßstab ausgewählt. Nach Abstimmung mit erfahrenen Praktikern wurden Werte zu Grunde gelegt, die in allen Bereichen über den rechnerischen Mittelwerten liegen.

5.1.3 Personaleinsparung durch Benchmarking

Die durch Benchmarking im Einzelnen ermittelten Werte und dadurch möglichen Personaleinsparungen sind in Übersicht 2 dargestellt.

2000-B023-Üb2.jpg

Bei einer Optimierung der Arbeitsabläufe und bei einer maßvollen Verbesserung der Arbeitsleistung ließe sich somit bereits eine Einsparung von 268 Bediensteten (27,8 %) erreichen.

5.2 Weitere Rationalisierungsmöglichkeiten durch verbesserte Verfahren und DV-Unterstützung

Die Erhebungen haben gezeigt, dass über diese Personaleinsparungen hinaus das Einsparungspotenzial durch die Umsetzung von weiteren DV-Projekten und die weitere Verbesserung der Flexibilität im Personaleinsatz noch vergrößert werden kann.

Nachfolgend werden die wichtigsten Einsparmöglichkeiten in einzelnen Arbeitsbereichen dargestellt.

5.2.1 Girostellen

  • Fast die Hälfte der bei den Finanzkassen eingehenden Schecks sind mit einer buchungsgerecht ausgefüllten Scheck-Anlage versehen (sogenannte DATEV-Schecks), die sich problemlos zum maschinellen Einlesen eignen dürfte. Allein dadurch ließen sich 6 % und durch Einscannen der Anlagen zu anderen Schecks weitere 2 % der Gesamtarbeitszeit einsparen.
  • Die Finanzkassen erhalten von den Banken über jede Überweisung einen Einzelausdruck, der zu kontieren und zu erfassen ist. Durch Einführung des elektronischen Zahlungs- und Überweisungsverfahrens (EZÜ), das die Überweisungen maschinell den Personenspeicherkonten zuordnet, könnte eine wesentliche Arbeitsentlastung bei den Girostellen erreicht werden. Nach den Erfahrungen eines benachbarten Bundeslandes ist die problemlose Zuordnung mit bis zu 60 % beträchtlich. Auch wenn die Nachbearbeitung der nicht maschinell zuordenbaren Überweisungen etwas zeitaufwendiger als die Bearbeitung einer durchschnittlichen Überweisung ist, wird ein Einsparpotenzial von über 13 % der Gesamtarbeitszeit gesehen. Das EZÜ-Verfahren sollte deshalb vorrangig entwickelt und eingeführt werden.
  • Personell angewiesene Steuererstattungen sollten wie das maschinelle Erstattungsverfahren mittels Datenträgeraustausch erfolgen. Der RH sieht keine zwingenden Gründe, die dem entgegenstünden.

Einschließlich des Wegfalls von Eintragungen in die Kontogegenbücher und eines verringerten Aufwands bei der Abstimmung der Bankauszüge würde sich bei Realisierung der zuvor genannten Vereinfachungen die Gesamtarbeitszeit bei den Girostellen um 29,7 % verringern.

5.2.2 ADV-Leitstellen

Mit einer weiteren Ausdehnung der Bildschirmsachbearbeitung auf die Kapitalertragsteuer sowie auf die Bearbeitung von Stundungen und Aussetzungen der Vollziehung würde die Menge der vom Druck- und Versandzentrum in Papierform gelieferten und von der ADV-Leiststelle zu verteilenden Verarbeitungsergebnisse zurückgehen. Durch getrennte Anlieferung der Verarbeitungsergebnisse für die festsetzenden Stellen und für die Finanzkasse sowie die sinnvolle Sortierung der Unterlagen bereits im Druck- und Versandzentrum ließe sich der Zeitaufwand für das Sortieren und Verteilen weiter verringern. Insgesamt dürfte eine Einsparung von 5 % der Arbeitszeit zu erwarten sein.

5.2.3 Kontenverwalter für Veranlagungssteuern

  • Immer noch nicht realisiert ist die Direkteingabe der Kapitalertragsteuer durch die Bearbeiter (s. bereits DS 1999 S. 160 Nr. 19 Pkt. 7). Mit der Bearbeitereingabe sowie durch noch komfortablere Unterstützung der übrigen Daten-Direkteingaben würden die Kontenverwalter fast vollständig von manuellen Sollstellungen befreit werden, was eine Zeiteinsparung von 4 % ergäbe.
  • Bei sofortiger automatischer Freigabe von klaren Erstattungsfällen und Abwicklung manuell angewiesener Erstattungen per Datenträgeraustausch wird ein Einsparpotenzial von 8 % der Gesamtarbeitszeit gesehen.
  • Beim Übergang der örtlichen Zuständigkeit für die Besteuerung auf ein außerhalb des Bezirks einer OFD gelegenes Finanzamt ist es nach wie vor nicht möglich, die gespeicherten Daten elektronisch zu übertragen. Nicht einmal zwischen den früheren Bezirken der zusammengefassten OFD im badischen Landesteil ist eine entsprechende Datenübertragung bisher gelungen. Selbst innerhalb desselben Finanzamts ist es nicht möglich, die Daten von einem Konto auf ein anderes elektronisch zu übertragen. Die manuelle Übertragung von Daten ist kompliziert, extrem fehleranfällig und sehr zeitaufwendig. Es müssen deshalb vorrangig die DV-technischen Voraussetzungen für eine elektronische Datenübertragung innerhalb des Landes geschaffen werden. Nach Kenntnis des RH ist in anderen Bundesländern die landesweite elektronische Datenübergabe bereits möglich. Allein durch die elektronische Datenübertragung innerhalb des Landes würde sich der Zeitanteil an der Gesamttätigkeit der Kontenverwalter um mindestens 10 % verringern; bei bundesweiter Übertragung läge das Einsparpotenzial noch höher.
  • Durch weitere Verbesserungen bei den Umbuchungsverfahren, Wegfall der Einziehung von Gebühren für Rücklastschriften und Rückschecks, die Direkteingabe von Stundungen und Aussetzungen der Vollziehung sowie den Wegfall von Fehler-Meldungen bei Realisierung der zuvor genannten Vorschläge würde sich die Arbeitszeit zusätzlich um 12 % reduzieren.

Der Zeitaufwand der Kontenverwalter für Veranlagungssteuern könnte bei Umsetzung dieser Vorschläge um insgesamt 34 % reduziert werden.

5.2.4 Kontenverwalter für Kraftfahrzeugsteuer

  • Kraftfahrzeugsteuer-Erstattungen werden hauptsächlich durch Beendigung der Steuerpflicht eines Fahrzeugs ausgelöst. Dabei wird viel Zeit allein für die Ermittlung der Bankverbindung benötigt, weil bei einem Fahrzeugwechsel die ursprünglich gespeicherte Bankverbindung DV-technisch verloren geht. Dieser in mehreren hunderttausend Fällen jedes Jahr erforderliche Aufwand ließe sich vermeiden; ein Zeitgewinn von 5 % wäre möglich.
  • Bei Schaffung der DV-technischen Voraussetzungen für eine elektronische Datenübergabe bei Standortverlegung (s. auch Pkt. 5.2.3) und Verzicht auf die Einziehung der Rücklastschriftgebühren ließe sich die Arbeitszeit um weitere 6,1 % verringern.

5.2.5 Kontenverwalter für Verwahrungen und Vorschüsse

  • Für jeden nicht eingelösten Scheck und für jede Rückbelastung im Lastschrifteinzugsverfahren wird die Finanzkasse von der Bank mit einer Gebühr von 10 DM bzw. 7,50 DM belastet, deren Einzug der Kontenverwalter zu überwachen und abzuwickeln hat. Da die Gebühren nicht zu den steuerlichen Nebenleistungen gehören, können sie vom Finanzamt nicht zwangsweise beigetrieben werden, wenn sie außerhalb eines Vollstreckungsverfahrens angefallen sind. Gleichwohl hat der Steuerschuldner diese Gebühren nach Verwaltungsanweisung auch dann zu tragen, wenn sie nicht in einem laufenden Vollstreckungsverfahren angefallen sind. Der RH hält die Einziehung der geringen Gebühren, vor allem für die Rücklastschriften im Lastschrifteinzugsverfahren (LEV) für unwirtschaftlich, weil die Personalkosten und der sonstige Aufwand in keinem vernünftigen Verhältnis zur Gebührenhöhe stehen. Auch angesichts der großen Vorteile, die das LEV der Verwaltung bietet, wird der Verzicht auf die Einziehung der entsprechenden Kleinbeträge für gerechtfertigt gehalten. Dies hat auch Auswirkung auf die Arbeit der Girostelle und der übrigen Kontenverwalter. Im Übrigen übersteigt der insgesamt einzusparende Verwaltungsaufwand die erzielbaren „Gebühreneinnahmen“ um ein Mehrfaches. Eine Änderung der Kleinbetragsregelungen zu § 59 LHO sollte insoweit angestrebt werden.
  • Das beleggebundene Zahlungs- und Überweisungsverfahren (BZÜ) konnte die Erwartungen bisher nicht erfüllen. In allen untersuchten Finanzkassen wurde über die hohe Fehlerquote des Verfahrens geklagt. Die Optimierung des Verfahrens hat der RH bereits in der Denkschrift 1999 Nr. 19 angeregt.

Durch die zuvor genannten Verfahrensänderungen und Verbesserungen lässt sich die Gesamtarbeitszeit der Kontenverwalter für Verwahrungen und Vorschüsse um etwa 20 % reduzieren.

5.2.6 Gesamtes Einsparpotenzial durch verbesserte Verfahren und DV-Unterstützung

Übersicht 3 zeigt das durch verbesserte Verfahren und DV-Unterstützung zusätzlich mögliche Einsparpotenzial bei den Finanzkassen des Landes.

2000-B023-Üb3.jpg

Das unter Pkt. 5.1.3 dargestellte Einsparungspotenzial kann also durch verbesserte und vereinfachte Verfahrensabläufe sowie die Umsetzung von weiteren DV.Projekten noch erheblich vergrößert werden.

5.3 Weitere Überlegungen zur Erhöhung des Einsparpotenzials

5.3.1 Notwendigkeit des flexiblen Personaleinsatzes

Wegen der Vorgabe der taggleichen Erledigung des erheblich schwankenden Arbeitsanfalls kann ein kontinuierlicher Arbeitsablauf nur durch einen sehr flexiblen Einsatz des vorhandenen Personals erreicht werden. Die Trennung der Aufgabengebiete Zahlungsverkehr und Buchführung innerhalb der Finanzkassen und das generelle Verbot, die Bediensteten eines der Aufgabengebiete in dem jeweils anderen Aufgabengebiet einzusetzen, ist zwar ein wichtiger Grundsatz; der RH hält während der Steuertermine eine regelmäßige Unterstützung der Girostelle durch Kontenverwalter aber für zulässig und empfiehlt, von dieser Möglichkeit häufiger als bisher Gebrauch zu machen.

5.3.2 Datenerfassung

Durch die im Veranlagungsbereich und bei den Finanzkassen weitgehend realisierte direkte Dateneingabe am Bildschirm sind Datenerfassungsstellen nahezu überflüssig geworden. Im Jahr 1999 wurde damit begonnen, die Umsatzsteuervoranmeldungen und die Lohnsteueranmeldungen maschinell einzulesen. Dazu wurden die Finanzämter schrittweise mit Scannern ausgestattet.

Die Verarbeitung der Anmeldungen ist originäre Aufgabe der steuerfestsetzenden Stellen. Allerdings besteht bei vielen Finanzämtern die Absicht, die Scanner endgültig in den Finanzkassen aufzustellen und von bisherigen Datenerfassungskräften bedienen zu lassen. Die Einführung moderner DV-Technik ist eine Chance, Personal einzusparen. Diese wird nicht genutzt, wenn die früheren Datenerfassungskräfte generell zum Bedienen der Scanner, zum Vorsortieren oder zur „einfachen Nachbearbeitung“ eingesetzt werden.

Auch im Hinblick auf die Überlegungen zur Zusammenfassung mehrerer Finanzkassen (s. Pkt. 6) sollte die Finanzkasse nicht als Standort für den Scanner in Erwägung gezogen werden.

5.4 Gesamtes Einsparpotenzial durch Benchmarking, verbesserte Verfahren und DV-Unterstützung

5.4.1 Die Personaleinsparungen, die durch Optimierung der Arbeitsabläufe, durch Aus- und Fortbildung der Bediensteten sowie durch die volle Ausschöpfung der gegebenen DV-Unterstützung schon jetzt erreicht werden können (Benchmarking) und die darüber hinaus durch weitere Verbesserung und Vereinfachung von Verfahrensvorschriften sowie durch Realisierung von DV-Projekten noch zu erwarten sind, werden in Übersicht 4 zusammengefasst.

2000-B023-Üb4.jpg

5.4.2 Ein externes Beratungsunternehmen hatte bereits 1995 in einer aufgabenkritischen Untersuchung der Steuerverwaltung im Bereich der Finanzkassen ein Einsparpotenzial von 257 Arbeitskräften (ohne Datenerfassung) gesehen. Nach den Erhebungen des RH dürfte dieses Ergebnis für die Situation der Finanzkassen im Jahr 1995 durchaus realistisch gewesen sein. Unter Berücksichtigung der aktuellen Benchmarks und der vom RH vorgeschlagenen weiteren Verbesserungen ist das Einsparpotenzial aber noch größer.

5.5 Gesamtes Personal-Soll der Finanzkassen nach der Prüfung

5.5.1 Bezogen auf den Stand 01.01.1999 ergibt sich folgendes Personalsoll für die Finanzkassen im Lande:

2000-B023-Aufstellung.jpg

5.5.2 Auf der Grundlage der Untersuchungen hätten von den 74 Finanzkassen im Lande nur noch

18 Kassen (24,3 %) 10 und mehr Bedienstete,
37 Kassen (50 %) 5 bis 9,99 Bedienstete und
19 Kassen (25,6 %) weniger als 5 Bedienstete.

Somit wären mehr als drei Viertel der Kassen (einschließlich Kassenleiter) nur noch mit weniger als 10 Bediensteten besetzt.

6 Neuordnung der Finanzkassen

6.1 Allgemeines

In kleinen Kassen führen die besondere Form des Arbeitsablaufs und die Sicherheitserfordernisse zu Problemen bei der Einhaltung der Ordnungsmäßigkeit, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit des Kassen- und Rechnungswesens. Hinzu kommt, dass sich das zuvor dargestellte Einsparpotenzial bei den bestehenden Strukturen der Finanzkassen meist nicht in vollem Umfang realisieren lassen wird, weil die rechnerisch ermittelten Einsparmöglichkeiten in den einzelnen Arbeitsgebieten häufig gering sind. Diese Problematik und das Ergebnis, dass nach Umsetzung des ermittelten Einsparpotenzials drei Viertel der Finanzkassen nur noch weniger als zehn - 19 Kassen sogar nur noch weniger als fünf - Bedienstete hätten, zwingen zu Überlegungen, wie die Finanzkassen neu geordnet und strukturiert werden müssen, um optimale Bedingungen zu erreichen. Der RH greift deshalb Überlegungen der Verwaltung aus dem Jahre 1995 zur Neuordnung der Finanzkassen auf und regt die Bildung von Regionalkassen an.

6.2 Voraussetzungen für die Bildung von Regionalkassen

Die negativen Erfahrungen bei der Zusammenlegung zweier Finanzkassen haben gezeigt, dass ohne vorherige DV-technische Verbindung der Daten der betroffenen Ämter eine solche Maßnahme nicht sinnvoll ist. Der RH betrachtet daher die Schaffung eines einheitlichen Datenpools als unabdingbare Voraussetzung für die Bildung von Regionalkassen und empfiehlt, die entsprechenden DV-technischen Maßnahmen umgehend in die Wege zu leiten.

6.3 Vorteile der Zusammenlegung von Finanzkassen

In der Zusammenlegung von Finanzkassen sieht der RH gewichtige Vorteile, wie z.B.

  • die volle Ausschöpfung der Einsparpotenziale und die damit verbundene erhebliche Entlastung des Haushalts,
  • die Optimierung des Personaleinsatzes vor allem in Terminzeiten sowie bei urlaubs- oder krankheitsbedingten Ausfallzeiten,
  • die Verlagerung in ländlich strukturierte Gebiete zur Entschärfung der Probleme bei der Personalbeschaffung in Ballungsräumen, verbunden mit der möglichen Aufwertung kleiner Finanzämter durch die Zuweisung einer Regionalkasse.

6.4 Bildung von Regionalkassen - Realisierung des Einsparpotenzial

6.4.1 Szenario

Die hier entwickelte Konzeption zur Zusammenfassung von Finanzkassen zu Regionalkassen ist ein Denkmodell und ist nur eine von mehreren Möglichkeiten. Aussagen zu Standorten der Regionalkassen werden bewusst nicht gemacht, weil die Basis für entsprechende Vorschläge, insbes. Untersuchungen über die räumlichen Gegebenheiten und die übrige Infrastruktur, fehlt. Die Personalstruktur des Denkmodells wurde an die Organisation in einem benachbarten Bundesland angelehnt.

2000-B023-Üb5.jpg

Nach diesem Modell kann gegenüber der Personalausstattung der bisher 74 Finanzkassen am 01.01.1999 von 1 053,3 Stellen eine Einsparung von 496,8 Stellen erreicht werden. Davon entfallen 48,7 auf den gehobenen und 448,1 auf den mittleren Dienst bzw. Angestellte.

Die vorgeschlagene Neugestaltung der Unterstellungsverhältnisse orientiert sich an den Erfahrungen in einem benachbarten Bundesland zur Leitung und Führung einer Regionalkasse. Dort findet sich je Kasse ein Kassenleiter als Sachgebietsleiter gehobener Dienst (g.D.), ein Aufgabengebietsleiter (g.D.) für die ersten 15 bis 20 Bearbeiterinnen/Bearbeiter, der gleichzeitig den Kassenleiter vertritt und je ein Aufgabengebietsleiter (g.D.) für weitere 20 bis 25 Bedienstete. Denkbar wäre außerdem je ein Sachbearbeiter (m.D.) für etwa 4 bis 5 Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter (m.D.) für die Bereiche Girostelle, ADV-Leitstelle und Kontenverwaltung.

6.4.2 Entlastung des Haushalts durch die Bildung von Regionalkassen

Den Überlegungen des RH zur Optimierung der Verfahren und Arbeitsabläufe in den Finanzkassen sowie zur Einführung von Regionalkassen liegt eine Globalbetrachtung zu Grunde. Das daraus resultierende Entlastungspotenzial für den Landeshaushalt kann daher nicht als Summe entbehrlicher konkreter Einzelstellen, sondern nur pauschal ermittelt werden. Unter Anwendung der Pauschsätze für die Personalkosten nach Laufbahnen der VwV Kostenfestlegung (Stand 1998) ergibt sich folgende jährliche Haushaltsentlastung:

48,7 Stellen des gehobenen Dienstes x 152 832 DM = 7,4 Mio. DM
448,1 Stellen des mittleren Dienstes/Angestellte x 122 249 DM = 54,7 Mio. DM
Zusammen 62,1 Mio. DM

Der RH verkennt nicht, dass die Schaffung der für die Bildung von Regionalkassen unerlässliche DV-technischen und räumlichen Voraussetzungen einmalig erhebliche Kosten verursachen wird.

7 Empfehlungen und abschließende Betrachtung

7.1 Die durch Benchmarking und verbesserte Verfahren und DV-Unterstützung errechneten Einsparpotenziale sind Idealwerte. Sie werden nur unter günstigsten Voraussetzungen in vollem Umfang zu realisieren sein. Der RH schlägt deshalb nicht vor, eine feste Zahl von Stellen in einem bestimmten Zeitraum zu streichen. Die Untersuchungsergebnisse zeigen aber klar auf, dass auch nach der Personalreduzierung der letzten Jahre noch ein erhebliches Einsparpotenzial vorhanden ist und dass der Personalabbau in den Finanzkassen konsequent fortgesetzt werden muss.

Die Umsetzung der Vorschläge und Anregungen wird nur in größeren Finanzkassen möglich sein. Deshalb hat der RH modellhaft mehrere Finanzkassen in Regionalkassen zusammengefasst. Verbunden damit ist die Empfehlung, erste Projekte in dieser Richtung zu planen und zu verwirklichen.

7.2 Nur zwei der denkbaren 22 Regionalkassen hätten nach dem Rechenmodell des RH mehr als 30 Bedienstete, die übrigen z.T. deutlich weniger. Die Erfahrungen der Steuerverwaltung eines benachbarten Bundeslandes zeigen, dass Einheiten mit 40 und mehr Bediensteten möglich sind.

7.3 Eingesparte Personalstellen sollten in erster Linie zur Erfüllung des vom Finanzressort zu erbringenden Einsparpotenzials genutzt und in zweiter Linie in Bereiche der Steuerverwaltung umgeschichtet werden, in denen Personalbedarf besteht.

8 Zur Stellungnahme des Ministeriums

Das FM erhebt keine grundsätzlichen Einwendungen gegen den Beitrag. Es stimmt mit dem RH überein, dass durch Benchmark-gestützte Organisationsänderungen und weitere Verbesserung der DV-Unterstützung Personaleinsparungen möglich sind. Einschränkend weist es jedoch darauf hin, dass die vorgeschlagenen Programmänderungen nur im Rahmen der personellen Ressourcen bei der Anwendungsentwicklung und der Priorisierung im Vergleich zu Anforderungen aus anderen Fachbereichen realisiert werden können. Die Personaleinsparungen seien insgesamt nur über einen längeren Zeitraum zu erzielen.

Das FM ist auch der Auffassung, dass sich die vorgeschlagenen Verbesserungen und ein weitgehend flexibler Personaleinsatz in kleinen Finanzkassen nicht optimal umsetzen lassen. Es habe deshalb bereits mehrere Denkmodelle, wie die Bildung von Mischsachgebieten, Erhebungsbezirken und auch Regionalkassen aufgegriffen.

Nach den Feststellungen des RH mussten Mischsachgebiete bisher schon bei fast zwei Drittel der Finanzämter eingerichtet werden, um die Kassenleiter (Sachgebietsleiter) voll auszulasten. Diese Organisationsform hat jedoch keine Auswirkungen auf die Arbeit der Finanzkassen. Der RH hält daher ein alternatives Modell zur Regionalkasse nur dann für akzeptabel, wenn dadurch das berechnete Einsparpotenzial im gleichen Maße erreicht werden kann.