Polizeiliche Ermittlungskosten [Beitrag Nr. 7]

Die Polizeidienststellen bezahlen für die Inanspruchnahme von Ärzten, Labors und Dolmetschern zu hohe Vergütungen. Durch gezielte Auswahl der Vertragspartner lassen sich bei den Ermittlungskosten Einsparungen erzielen. Mit einer Neukonzeption der Untersuchungsstellen für die Analyse von Blutproben kann das Land weitere Einsparpotenziale erschließen.

1 Ausgangslage

Bei Erfüllung ihrer Aufgaben nimmt die Polizei auch Leistungen Dritter gegen Entgelt in Anspruch. Hierfür standen der Landespolizei (Kap. 0314) und dem Landeskriminalamt (Kap. 0318) 1998 und 1999 jährlich zusammen über 18 Mio. DM zur Verfügung. Insbesondere wurden damit Blutentnahmen und Blutuntersuchungen (rd. 4,5 Mio. DM), Dolmetscher (rd. 3,5 Mio. DM) und Sachverständige (rd. 3,7 Mio. DM) bezahlt.

Der RH hat die sparsame und wirtschaftliche Verwendung der Mittel für Ermittlungskosten untersucht und dazu bei elf Polizeidienststellen Daten erhoben und analysiert.

2 Ausgaben der untersuchten Dienststellen

Von den angeschriebenen elf Dienststellen haben zehn die erbetenen Unterlagen geliefert. Sie haben im Hj. 1998 zusammen rd. 7 Mio. DM für Ermittlungen ausgegeben. Übersicht 1 zeigt die größten Ausgabenpositionen. Die weniger ausgabenintensiven Bereiche Lebensmittelproben, Zeugenentschädigungen und Auslobungen sowie Belohnungen (zusammen 185 125 DM) wurden nicht näher betrachtet.

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3 Blutentnahmen

3.1 Blutentnahmen, die bei Verdacht einer unter Einwirkung von Alkohol oder anderen Stoffen (Medikamente, Drogen) begangenen Straftat oder Ordnungswidrigkeit (z.B. Fahren eines Kraftfahrzeuges) angeordnet werden, dürfen nur Ärzte durchführen. Für ihre Tätigkeit haben sie Anspruch auf Entschädigung, die sich nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) richtet. Die nach Tages-/Nachtzeit und Ort der Blutentnahme gestaffelten Sätze reichen von 40,47 DM bis über 183 DM zuzüglich Wegegeld (Fahrtkosten).

3.2 Nach der VwV des IM über die Gebühren der Ärzte für die Mitwirkung bei der Feststellung der Alkoholbeeinflussung bei Straftaten und Ordnungswidrigkeiten vom 10.06.1996 sollen niedrigere (Pauschal-) Gebühren mit Ärzten vereinbart werden, die regelmäßig für die Polizei Blutproben entnehmen. Bei Blutentnahmen in Krankenhäusern sollen pauschal tagsüber 43 DM und nachts 75 DM erstattet werden.

3.3 Nur die Polizeidirektionen Freiburg, Konstanz und Waldshut-Tiengen haben mit allen Ärzten entsprechende Vereinbarungen getroffen, die zwischen 10 % und 30 % unter den Sätzen der GOÄ liegen. Auch wurden niedrigere Wegegelder vereinbart. In den anderen Bezirken ist es nur teilweise gelungen, Vereinbarungen abzuschließen bzw. Krankenhäuser kostengünstig einzubinden. Deshalb sind die von den Dienststellen zu zahlenden Gebühren sehr unterschiedlich (s. Übersicht 2).

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Die Polizeidirektionen Reutlingen (98 %), Waldshut-Tiengen (92 %) und Aalen (86 %) lassen Blutentnahmen meistens in Krankenhäusern durchführen und erreichen dadurch sehr günstige durchschnittliche Gebührensätze; die übrigen Dienststellen fordern überwiegend frei praktizierende Ärzte an, das PP Mannheim fast ausnahmslos, was zu über 300 % höheren Gebühren führt als in Reutlingen.

Die Entscheidung, wer für die Polizei tätig wird, und die ausgehandelten Honorare haben Auswirkungen auf die durchschnittlichen Kosten der Blutentnahmen. Sie liegen in Reutlingen bei 43,32 DM und in Mannheim bei 141,59 DM, obwohl in Mannheim die GOÄ-Gebühren i.d.R. um 15 % gekürzt werden. Damit ist eine Blutentnahme in Mannheim im Schnitt 98,27 DM teurer als in Reutlingen. Bei rd. 1 388 Blutentnahmen entstehen in Mannheim 136 399 DM höhere Kosten, als sie bei einer gleichen Anzahl von Blutentnahmen in Reutlingen entstanden wären. Bei der LPD Stuttgart II liegen die durchschnittlichen Kosten - wenn Ärzte außerhalb ihrer Praxis tätig werden - mit 155,93 DM/Entnahme (incl. Wegegeld) am höchsten. Der Durchschnittspreis erreicht damit fast die GOÄ-Gebühr für Blutentnahmen bei Nacht (157,89 DM zuzüglich Wegegeld); dies ist angesichts des Umstandes, dass nachts ein zentraler Bereitschaftsdienst eingerichtet ist, nicht gerechtfertigt. Verglichen mit der PD Reutlingen sind in Stuttgart die Kosten für Blutentnahmen außerhalb der Praxisräume des Arztes mehr als doppelt so hoch; bei 485 Blutentnahmen macht das Mehrkosten von fast 40 000 DM aus.

3.4 Empfehlungen des Rechnungshofs

3.4.1 Die Ausgaben für Blutentnahmen sind bei der PD Reutlingen mit Abstand am niedrigsten, weil dort 98 % der Blutentnahmen in Krankenhäusern erfolgen. Könnte der dortige Durchschnittspreis von 43,32 DM je Blutentnahme bei allen untersuchten Dienststellen erreicht werden, so wären z.B. 1998 für 10 378 Blutentnahmen insgesamt nur 449 575 DM angefallen. Tatsächlich haben die Dienststellen aber 961 332 DM ausgegeben. Rein rechnerisch hätten bei den untersuchten Dienststellen somit 511 557 DM eingespart werden können. Bei landesweit rd. 40 000 Blutalkoholentnahmen je Jahr beträgt das Einsparpotenzial im günstigsten Fall rd. 2 Mio. DM.

Bei klaren Kostenvorteilen sollten Krankenhäuser stärker an Blutentnahmen beteiligt werden. Dabei sind auch die nicht monetären Vor- und Nachteile abzuwägen. Ließe sich in Anlehnung an die GOÄ eine Gebühr in Höhe von 40,47 DM (niedrigster Wert) aushandeln, wäre eine weitere Einsparung zu erzielen.

3.4.2 Werden niedergelassene Ärzte beauftragt, sollten grundsätzlich Vereinbarungen nach § 2 GOÄ mit deutlichen Abschlägen getroffen werden. Mindestziel muss es sein, den bisherigen Durchschnittspreis von 92,63 DM zu unterschreiten, zumal nur vier der untersuchten Dienststellen über diesem Durchschnittspreis liegen.

Der Einkauf kostengünstigerer Fremdleistungen im Rahmen der polizeilichen Tätigkeiten wird in Zukunft sicherlich durch die dezentrale Budgetierung gefördert. Dennoch sollte das IM durch landeseinheitliche Vorgaben und Regelungen dafür sorgen, dass die Einsparpotenziale genutzt werden. Gegebenenfalls sind erneut Verhandlungen mit der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft e.V. zu führen.

3.4.3 Die Zahl der Blutentnahmen lag im Kalenderjahr 1998 bei neun geprüften Dienststellen zwischen 441 und 1 429. Bei der LPD Stuttgart II wurden jedoch mit 3 190 mehr als doppelt so viele Blutentnahmen wie in Freiburg oder Mannheim angeordnet und dafür (einschließlich Haftfähigkeitsuntersuchungen) insgesamt 552 899 DM ausgegeben. In rd. 82 % der Fälle waren Ärzte eines zentralen Bereitschaftsdienstes für die LPD zu einem Durchschnittspreis von 75,38 DM tätig.

Werden Blutentnahmen und Haftfähigkeitsuntersuchungen von demselben Arzt an demselben Betroffenen ausgeführt, so nimmt die LPD Stuttgart II keine Kürzung der Gebühren vor mit der Folge, dass z.B. Nachtzuschläge (bis zu 36,48 DM) entgegen den Regelungen der GOÄ doppelt gezahlt werden. Einige andere Polizeidirektionen gewähren in solchen Fällen zu den Blutentnahmegebühren lediglich eine zusätzliche Gebühr, die PD Freiburg z.B. 10 DM.

Die LPD Stuttgart II begründet die hohe Zahl der Blutentnahmen insbesondere mit der Größe des Ballungsraumes. Die überdurchschnittlich hohe Anzahl der Haftfähigkeitsuntersuchungen wird in erster Linie mit dem Schwerpunkteinsatz „Sichere Innenstadt“ zur Bekämpfung der örtlichen Drogenszene begründet. Der RH hat das IM gebeten, die Praxis bei der LPD Stuttgart II näher zu analysieren.

Da auch in Stuttgart schon bisher in äußerst geringem Umfang Blutentnahmen für die Polizei in Krankenhäusern erfolgten, sollte auch hier die Kooperation mit den örtlichen Krankenhäusern intensiviert werden. Wäre nämlich nur die volle GOÄ-Gebühr von 40,47 DM zu entrichten, könnten allein dadurch die Kosten mindestens halbiert werden.

3.4.4 Rechnungen von Ärzten werden häufig ohne sorgfältige Überprüfung bezahlt. Dadurch kommt es zu

  • Doppelzahlungen,
  • Anwendung falscher Gebührensätze,
  • Mehrfachabrechnung von Wegegeld,
  • fehlerhaften Berechnungen von Verweilgebühren, Zuschlägen, zusätzlichen Leistungen der Ärzte usw.

Die zuständigen Bearbeiter und auch die Polizeibeamten, welche die sachliche Richtigkeit von Rechnungen bescheinigen, sind auf ihre Verantwortung hinzuweisen; auch sind geeignete Kontrollen einzurichten.

3.4.5 Das IM begrüßt die Vorschläge des RH zur Kostenminimierung, will aber zum jetzigen Zeitpunkt von landeseinheitlichen Vorgaben für Blutentnahmen absehen und zunächst die Entwicklungen im Rahmen der dezentralen Budgetierung abwarten. Es hat allerdings die Untersuchungsergebnisse des RH allen Polizeidienststellen zur Kenntnis gegeben und damit die grundsätzlichen Einsparmöglichkeiten aufgezeigt; es liegt nun an den Dienststellen, durch Verhandlungen vor Ort kostengünstige Lösungen zu finden. Das IM will die Entwicklungen weiterhin beobachten und Abweichungen von Durchschnittssätzen nachgehen. Außerdem werden die Dienststellen darauf hingewiesen, dass durch die Einbindung von Krankenhäusern mit staatlichen oder kommunalen Anteilseignern oder Trägern evtl. kostengünstigere Blutentnahmen möglich sind.

Die LPD Stuttgart II will am ärztlichen Bereitschaftsdienst festhalten, da dadurch Fahrwege und Bearbeitungszeiten verkürzt würden.

4 Blutuntersuchungen

4.1 Blutuntersuchungen werden von den Rechtsmedizinischen Instituten der Universitäten Freiburg, Heidelberg, Ulm und dem Institut für Gerichtliche Medizin der Universität Tübingen (RMI), vom Chemische Institut im Amt für Umweltschutz der Landeshauptstadt Stuttgart (CI), vom Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart (CVUA) und im Raum Freiburg von einem Privatlabor durchgeführt.

4.2 Für die RMI wurde die Gebühr für Blutalkoholbestimmungen vom MWK auf nicht mehr als 75 DM festgesetzt. Hinzu kommen 4,40 DM Porto für den Versand der Proben, sofern sie nicht per Polizeikurier zum Institut gebracht werden. Das Privatlabor verlangt einschließlich Abholung der Proben bei den Dienststellen 69 DM. Das CVUA Stuttgart rechnet seine Leistungen normalerweise nach der Gebührenordnung der CVUA ab. Bei Inanspruchnahme der CVUA durch die Polizei gelten jedoch die Sätze des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZSEG) als Höchstgrenze. De facto verzichtet das CVUA allerdings bei Aufträgen von Behörden auf die Erstattung von Gebühren und Auslagen. Das CVUA teilt lediglich die Kosten der Untersuchung, die mit 60 DM kalkuliert sind, vorsorglich der Polizei zur Aufnahme in die Polizeikostennachweisung mit, für den Fall, dass die Kosten einem Dritten auferlegt werden können. Dieser hat die Kosten dann an die Justiz zu erstatten. Für den Bereich der LPD Stuttgart II führt das Chemische Institut der Landeshauptstadt Stuttgart Blutalkoholbestimmungen zum Preis von 75,28 DM durch.

Die Anzahl der Untersuchungen, ihre Verteilung auf die einzelnen Labore, die Vergütungssätze und die daraus resultierenden Einnahmen sind für das Jahr 1998 in der Übersicht 3 aufgezeigt.

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Landesweit wurden 1998 fast 40 000 Blutproben analysiert. Davon entfielen auf das CVUA Stuttgart über 50 %, während die RMI, das Chemische Institut der Stadt Stuttgart und das Privatlabor sich die restlichen Aufträge teilten. Das RMI der Universität Freiburg bearbeitete insgesamt rd. 1 500 Proben, wobei 1998 nur 568 Aufträge von Polizeidienststellen kamen, während die übrigen überwiegend aus dem Bereich der Justiz stammten. Das RMI Heidelberg erhielt 3 524 Aufträge durch Polizeidienststellen. Insgesamt haben die Polizeidienststellen insoweit 1 370 611 DM für Fremdleistungen bezahlt. Unbezahlt blieben die Untersuchungen beim CVUA Stuttgart, die nach dessen Gebührenordnung betragsmäßig mit 1 266 120 DM zu veranschlagen gewesen wären. Bei tatsächlicher Geltendmachung stiegen die Ausgaben der Polizeihaushalte für derartige Untersuchungen somit auf 2 636 731 DM (zuzüglich Transport).

4.3 Empfehlungen des Rechnungshofs

4.3.1 Bereits in der Denkschrift 1986 Nr. 6 hatte der RH empfohlen, die Zahl der Untersuchungsstellen (damals zehn) aus wirtschaftlichen Gründen deutlich zu vermindern. Derzeit führen immer noch sieben Untersuchungsstellen Blutuntersuchungen durch.

4.3.2 Auf Grund der Einführung von Atemalkoholmessgeräten werden in Zukunft deutlich weniger Blutentnahmen anfallen. Nach groben Schätzungen dürfte das Untersuchungsvolumen von rd. 40 000 Proben auf rd. 30 000 Proben jährlich zurück gehen. Bei einer landesweiten Einführung der Atemalkoholmessung können allein dadurch die bisher veranschlagten Haushaltsmittel für Blutentnahmen und -untersuchungen von rd. 4,5 Mio. DM erheblich vermindert werden.

Das IM will abwarten wie sich die Zahl der Blutuntersuchungen entwickelt, bevor das weitere Vorgehen konzeptionell angegangen wird. Zu bedenken sei insbesondere, dass erst 60 der geplanten 240 Atemalkoholmessgeräte zur Verfügung ständen und die Spruchpraxis der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Anerkennung dieser Analysen abgewartet werden müsse.

4.3.3 Bei deutlich weniger Blutproben wird eine Neukonzeption der Untersuchung von Blutproben unumgänglich sein, die beim Land insgesamt zu Kosteneinsparungen führen soll. Dabei ist zu bedenken, dass die Untersuchungsstellen ein gewisses Volumen an Aufträgen benötigen, um kostendeckend arbeiten zu können. Je höher das Auftragsvolumen ist, um so günstiger wird die Untersuchungsgebühr. Bei den RMI sind noch die Belange von Forschung und Lehre zu berücksichtigen.

Unter diesen Prämissen hat der RH verschiedene Alternativen für eine Neukonzeption der Untersuchungsstellen mit dem Ziel empfohlen, die Zahl der Untersuchungsstellen zu reduzieren.

4.3.4 Bei Beibehaltung aller sieben Untersuchungsstellen werden sich für diejenigen, die bisher nennenswerte Gebühreneinnahmen erzielt haben, zwangsläufig auf Grund des Probenrückgangs Mindereinnahmen ergeben. Für das CVUA, aber auch die anderen Untersuchungsstellen, sind auf Basis der neuen Untersuchungszahlen vermutlich ohnehin die Gebühren neu zu kalkulieren, was wahrscheinlich höhere Gebühren zur Folge haben wird, wenn keine Neukonzeption erfolgt.

Letztendlich muss eine für alle Beteiligten befriedigende Lösung gefunden werden. Dabei sind die Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen, wobei zur Abrundung der Entscheidungsgrundlagen auch die tatsächlichen Kosten der mit Untersuchungen befassten staatlichen Labore ermittelt werden müssten.

4.3.5 Der Neuorganisation der Blutuntersuchungsstellen steht das IM positiv gegenüber, wenngleich die übrigen beteiligten Ressorts (MLR, JuM, MWK) bisher eine Neuorganisation - allerdings mit wenig überzeugenden Gründen - abgelehnt haben. Insbesondere wegen der Unsicherheit über die Auswirkungen der Einführung der Atemalkoholmessgeräte auf die Anzahl der Blutuntersuchungen soll die weitere Entwicklung zunächst abgewartet werden.

Das IM ist z.Z. lediglich bereit, eine Neukalkulation der Gebühren bei Beibehaltung der sieben Untersuchungsstellen im Einvernehmen mit dem MWK durchzuführen. Das MWK hat die Bedeutung der Blutalkoholuntersuchungen und der Betäubungsmitteluntersuchungen (s. Pkt. 5) für die Zwecke der Forschung und Lehre und für die Sicherheit des Straßenverkehrs hervorgehoben.

Der RH hält eine Neuorganisation der Untersuchungsstellen nach wie vor für erforderlich; nur eine Neukalkulation der Gebühren ist nicht ausreichend. Es ist sogar zu befürchten, dass die Gebühren bei einem Rückgang des Untersuchungsvolumens steigen werden. Deshalb ist es notwendig, die Anzahl der Untersuchungsstellen zu reduzieren.

5 Gutachten bei Medikamenten- und Drogenmissbrauch

5.1 Untersuchungen zum Nachweis von Betäubungsmitteln (BTM) werden vom CI der Stadt Stuttgart, den RMI, privaten Laboren sowie vom toxikologischen Labor des LKA durchgeführt. BTM-Analysen können sehr kostenintensiv sein; das hängt vor allem von der Anzahl der zur Untersuchung in Auftrag gegebenen Wirkstoffe (i.d.R. vier bis sieben gängige Drogen) ab. Nach dem zur Verfügung stehenden Datenmaterial von drei Untersuchungsstellen wurden 1998 folgende BTM-Untersuchungen durchgeführt (s. Übersicht 4).

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Die Kosten für die Untersuchungen auf Drogen und Medikamentenmissbrauch werden von drei RMI und vom CI Stuttgart nach dem ZSEG liquidiert, wobei neben dem Zeitaufwand die angewandten Methoden und der Materialaufwand berücksichtigt sind. Nur das RMI Ulm liquidiert nach der GOÄ. Bei einem Vergleich der Zahlen muss allerdings einschränkend hinzugefügt werden, dass der Umfang der Leistungen der einzelnen Labore aus den Rechnungen oftmals nicht nachvollzogen werden kann.

5.2 Die Institute machen zunächst immunologische Vortests (Screening), wobei die Anzahl der zu analysierenden Wirkstoffgruppen (z.B. Haschisch, Kokain usw.) unterschiedlich ausfallen kann. Üblicherweise werden vier bis sieben Wirkstoffgruppen untersucht. Bei positivem Ergebnis schließt sich unter Umständen eine gerichtsverwertbare Absicherung mit aufwendigen Methoden an. Einige Dienststellen verzichten auf die Bestätigungen; sie werden nur veranlasst, wenn es die Staatsanwaltschaft für erforderlich hält. Dann trägt die Staatsanwaltschaft auch die Kosten. Die Anzahl der zu bestätigenden positiven Vortests wirkt sich maßgeblich auf die Höhe der Gebühren aus. Die folgende Übersicht 5 enthält die nach den Feststellungen des RH üblicherweise anfallenden Gebühren, Angaben zum Umfang des Standard-Screenings und zur Notwendigkeit der gesonderten Anordnung von Bestätigungsanalysen:

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Hinzu kommen Schreibgebühren und Porto in unterschiedlicher Höhe (7,10 - 15,92 DM).

Letztlich lassen sich gesicherte Preisvergleiche anhand des Datenmaterials nicht ziehen, jedoch deuten die Zahlen darauf hin, dass Untersuchungen beim CI der Stadt Stuttgart, bei dem auch das RMI Tübingen Analysen in Auftrag gibt, am teuersten sind.

5.3 Beim LKA werden nach eigenen Angaben je Jahr rd. 800 Blut- und Urinproben auf BTM untersucht, die überwiegend aus dem Bereich Nordbaden und Nordwürttemberg stammen. Kosten werden keine verrechnet und bisher auch nicht ermittelt.

5.4 Empfehlungen des Rechnungshofs

5.4.1 Die Polizeidienststellen haben kaum Kenntnis darüber, wie sich die in Rechnung gestellten Kosten der BTM-Untersuchungen zusammensetzen. Folglich ist es schwierig, die sachliche Richtigkeit der Rechnungen zu bescheinigen. Ein übersichtliches und möglichst standardisiertes Rechnungsformular, aus dem die im Detail durchgeführten immunologischen Untersuchungen und die für die Bestätigungsanalyse angewandten Methoden ersichtlich sind, ist notwendig, um die Dienststellen in die Lage zu versetzen, die Rechnungen nachvollziehen und auch Preisvergleiche anstellen zu können.

5.4.2 Die Kosten der Untersuchungen werden maßgeblich vom in Auftrag gegebenen Untersuchungsumfang bestimmt. Deshalb ist es wichtig, dass die Polizeidienststellen den Untersuchungsumfang klar eingrenzen. Dies wird offenbar noch zu wenig praktiziert. Sinnvoll ist z.B. eine Maßnahme der LPD Tübingen, wo gemeinsam mit dem Leiter des RMI Tübingen Fortbildungsveranstaltungen für Polizeibeamte abgehalten werden mit dem Ziel, die Untersuchungsaufträge an das RMI auf das Notwendigste zu beschränken und damit die Gebühren möglichst niedrig zu halten.

5.4.3 Bei den BTM-Untersuchungen hat sich eine sehr uneinheitliche Gebührenstruktur herausgebildet. Beim Screening beispielsweise schwanken die Kosten für eine Wirkstoffgruppe zwischen 15 DM und 52,10 DM. Auch wenn die Untersuchungen nicht den Umfang der Blutalkoholuntersuchungen erreichen, so kann doch bei rd. 3 000 BTM-Untersuchungen von einem erheblichen Einsparpotenzial ausgegangen werden. Bei den Bestätigungsanalysen sind die Preisunterschiede noch gravierender.

Die enormen Preisunterschiede dürften nur akzeptiert werden, wenn keine überzeugenden Gründe angeführt werden könnten. In diesem Zusammenhang wird zu klären sein, welche Analysemethoden jeweils einzusetzen sind und welche Kosten dafür berechnet werden können. Danach ist zu entscheiden, welche Untersuchungsstellen in welchem Umfang in Zukunft noch mit derartigen Untersuchungen zu beauftragen sind.

In die Überlegungen zu einer Neustrukturierung muss auch das toxikologische Labor des LKA eingebunden werden. Allerdings müssen auch die dort anfallenden Kosten ermittelt werden, um für einen Wirtschaftlichkeitsvergleich die Untersuchungsgebühren kalkulieren zu können.

5.4.4 Hinsichtlich der Vereinfachung der Gebühren- und Kostenberechnungen bei BTM-Untersuchungen will das IM die Empfehlungen des RH aufgreifen und versuchen, eine Typisierung und eine Schematisierung der den Analysen zu Grunde liegenden Leistungen zu erreichen.

6 Dolmetscherkosten

6.1 Nach § 17 Abs. 2 ZSEG sind Dolmetscher wie Sachverständige zu entschädigen. Die Entschädigung beträgt für jede Stunde 50 - 100 DM. Die letzte, bereits begonnene Stunde wird voll gerechnet; dies gilt nicht, soweit der Dolmetscher für dieselbe Zeit in einer weiteren Sache zu entschädigen ist (§ 3 Abs. 2 ZSEG). Die Vergütung kann bis zu 50 % überschritten werden, wenn der Dolmetscher seine Berufseinkünfte zu mindestens 70 % als gerichtlicher oder außergerichtlicher Dolmetscher erzielt. Bezahlt wird auch für die Zeit, während der ein Dolmetscher seiner gewöhnlichen Beschäftigung infolge seiner Präsenzpflicht nicht nachgehen kann. Es wird somit i.d.R. „Reisezeit“ als echte Arbeitszeit vergütet.

6.2 Das ZSEG sieht eine unmittelbare Anwendung auf Dolmetscher, die von der Polizei herangezogen werden, nicht vor. Vielmehr werden die Entschädigungssätze von den zuständigen Polizeidienststellen jeweils gesondert vereinbart. Landeseinheitliche Regelungen sind nicht vorhanden; soweit ersichtlich, dürfen die zu gewährenden Sätze jedoch jene des ZSEG nicht überschreiten.

Alle geprüften Dienststellen haben mit ihren Dolmetschern Vereinbarungen mit z.T. unterschiedlichen Vergütungssätzen getroffen; sie haben auch Listen der heranzuziehenden Dolmetscher aufgelegt, die z.T. die vereinbarten Vergütungssätze enthalten.

Bei den meisten Dienststellen werden für unbeeidigte Dolmetscher Stundensätze von 45 DM und für beeidigte Dolmetscher von 55 DM gewährt. Eine Erhöhung des Stundensatzes um 30 % wird für Berufsdolmetscher gewährt. Zum Teil werden Zuschläge gewährt und auf Antrag können Wege- und Reisezeiten als Arbeitszeit berücksichtigt werden, was - soweit erkennbar - üblicherweise geschieht; hinzu kommen Fahrtkosten.

Im Bereich der Polizeidirektionen Aalen, Freiburg und Waldshut-Tiengen geht die Spannweite der Stundensätze von 25 DM - 70 DM. Regelmäßig werden begonnene Stunden aufgerundet. Lediglich bei der PD Ravensburg werden teilweise auch kürzere Zeiteinheiten wie z.B. eine halbe Stunde abgerechnet.

Besonderheiten waren wiederum bei der LPD Stuttgart II anzutreffen. Dort werden im Gegensatz zu anderen Dienststellen fast nur beeidigte Dolmetscher und auch überwiegend Berufsdolmetscher beauftragt, die den Berufszuschlag von 30 % erhalten. Außerdem werden für Fahrzeiten pauschal eine Stunde für Hin- und Rückweg angesetzt.

Die LPD Stuttgart II beschäftigt eine Dolmetscherin für Französisch und Englisch sowie zwei Halbtagskräfte für Türkisch und Serbokroatisch/Bosnisch. Außerdem werden bei der LPD Stuttgart II für einfache und unaufschiebbare Übersetzungen Bedienstete oder deren Verwandte und Bekannte mit Fremdsprachenkenntnissen für eine pauschale Entschädigung von 15 DM kurzzeitig herangezogen. Die Anzahl und die für Fremdvergabe notwendigen Kosten sind dennoch erheblich und liegen mit 776 Fällen bzw. 364 212 DM deutlich über den anderen Dienststellen.

6.3 49 % der Dolmetscherkosten im Justizbereich entfallen auf Fahr- und Rundungszeiten (s. Beitrag Nr. 6 „Dolmetscherkosten bei den Gerichten, Staatsanwaltschaften und Justizvollzugsanstalten“). Da die Polizei nicht an das ZSEG gebunden ist, besteht keine rechtliche Verpflichtung, die Tätigkeiten der Dolmetscher nach aufgerundeten vollen Stunden zu entschädigen. Bei jährlich etwa 3,5 Mio. DM ausgewiesenen Dolmetscherkosten ließen sich durch zeitgenaue Abrechnungen Ermittlungskosten einsparen.

Das IM hat die Polizeidienststellen auf die Möglichkeit hingewiesen, Stundenbruchteile abzurechnen und hat den für die Abrechnung von Dolmetscherkosten verwendeten landeseinheitlichen Textbaustein dahingehend geändert.

Um sicherzustellen, dass die günstigsten Vergütungssätze bei allen Dienststellen zur Anwendung kommen, empfiehlt der RH des Weiteren eine landesweite Bestandsaufnahme der Ausgaben für Dolmetscher. Überhöhte Entgelte sind zu reduzieren.

7 Sonstige Bereiche

Der RH hat Kostenunterschiede bei Haftfähigkeitsuntersuchungen, Leichenschauen und bei der Inanspruchnahme von Sachverständigen aufgezeigt. So reichen z.B. die durchschnittlichen Kosten der Dienststellen für Haftfähigkeitsuntersuchungen von 29,18 DM bis 101,82 DM. Bei Leichenschauen und Leichenüberführungen besteht außerdem keine Klarheit darüber, wer die Kosten zu tragen hat. Das IM sollte für eine einheitliche Vorgehensweise der Polizeidienststellen sorgen und Einsparpotenziale konsequent nutzen. Ein Erfahrungsaustausch der zuständigen Sachbearbeiter könnte diesen Prozess fördern. Das IM will die Vorschläge aufgreifen.

8 Schlussbemerkung

Auf Grund der Prüfungserkenntnisse ist zusammenfassend festzuhalten, dass die im Rahmen der polizeilichen Ermittlungstätigkeit notwendigerweise in Anspruch genommenen Leistungen Dritter sehr unterschiedlich und z.T. zu hoch vergütet werden. Mit ursächlich dafür dürften zwei Tatbestände sein:

Zum einen nutzen nicht alle Dienststellen ausreichend und gezielt den relativ großen Spielraum bei Abfassung von Einzelvereinbarungen mit Dritten, um kostengünstige Bedingungen auszuhandeln. Wird den Ermittlungskosten dagegen hinreichend Beachtung beigemessen, lassen sich nachweislich nennenswerte Einsparpotenziale auftun.

Zum anderen fehlte bisher ein regelmäßiger, mit Kennzahlen abgesicherter Vergleich der Ermittlungskosten bei den einzelnen Dienststellen. Das IM erwartet, dass mit der im Herbst 1999 erfolgten Einführung der neuen Steuerungsinstrumente bei der Polizei ein derartiger Kennzahlenvergleich zukünftig möglich sein wird.

Zwar betont das IM zu Recht die Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der nachgeordneten Polizeibehörden, insbesondere im Hinblick auf deren dezentrale Budgetverantwortung. Das bedeutet jedoch nicht den Verzicht auf eine zentrale Steuerung, wenn Schwachstellen erkennbar den wirtschaftlichen und sparsamen Einsatz von Haushaltsmitteln gefährden. Dann müssen das IM selbst oder die Landespolizeidirektionen z.B. durch landeseinheitliche Vorgaben, Bereitstellung von Arbeitshilfen oder durch einen Erfahrungsaustausch tätig werden.