Die Erstellung von Kreisbeschreibungen ist angesichts der Entwicklung der Angebote auf diesem Gebiet keine Landesaufgabe mehr. Das Archivgesetz sollte entsprechend geändert werden.
1 Ausgangslage
1.1 Die Kreisbeschreibungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg haben ihren Ursprung in den Oberamtsbeschreibungen des Königreiches Württemberg, die das damalige Statistisch-Topographische Bureau ab 1824 veröffentlichte. Diese Bände enthielten zunächst nur in knappster Form alles Wissenswerte über das Gebiet eines Oberamts. Sie waren als Hilfsmittel für die Verwaltung gedacht, entwickelten sich jedoch im Lauf der Jahre auch zu Nachschlage- und Informationswerken für interessierte Bürger.
Zwischen 1824 und 1930 wurden - teilweise in zweifacher Bearbeitung - alle 64 Oberämter im Königreich Württemberg beschrieben. 1907 war zusätzlich die vierbändige Gesamtbeschreibung des Königreichs abgeschlossen. Für Hohenzollern und das Großherzogtum Baden lagen keine vergleichbaren Beschreibungsreihen vor. In Baden gab es jedoch verschiedene Werke über einzelne Bezirksämter und Gemeinden sowie einen ersten Band über das Großherzogtum als Ganzes.
1.2 Nach der Gründung des Landes Baden-Württemberg wurde dem Statistischen Landesamt die Aufgabe übertragen, Landes- und Kreisbeschreibungen zu erstellen.
Im Jahr 1964 wurde diese Aufgabe der Staatlichen Archivverwaltung zugeordnet und dort in der Abteilung „Landesbeschreibung“ wahrgenommen. 1975 wurde diese Abteilung in die neu errichtete Landesarchivdirektion Baden-Württemberg eingegliedert; seit 1993 trägt sie den Namen „Landesforschung und Landesbeschreibung“. Sie hat vier Außenstellen am Sitz der Regierungspräsidien.
Die Landesbeschreibung Baden-Württemberg ist seit 1983 abgeschlossen und enthält in acht Bänden eine Beschreibung der historischen, sozialen und politischen Entwicklung aller Kreise und Gemeinden in Baden-Württemberg. Von den 20 Kreisbeschreibungen, die bis Ende 1999 erschienen sein werden, befassen sich elf Beschreibungen - zumindest teilweise - mit den 44 Stadt- und Landkreisen, wie sie seit der letzten Gebiets- und Verwaltungsreform bestehen. Eine Kreisbeschreibung umfaßt regelmäßig zwei Bände. Sie zeichnen sich durch eine repräsentative Form aus. Die Darstellung ist umfassender als die entsprechenden Teile der Landesbeschreibung. Seit einer in den 80er Jahren vorgenommenen Neukonzeption werden Historiker, Geographen und Gegenwartskundler an der Erstellung der Kreisbeschreibungen beteiligt. Die Bände werden seither mit zahlreichen Farbbildern und reichhaltigerem Kartenmaterial ausgestattet.
2 Erstellung der Kreisbeschreibungen
2.1 Die Kreisbeschreibungen sind in einen allgemeinen Teil mit der Darstellung der Entwicklung des gesamten Kreisgebiets und einen speziellen Teil gegliedert, in dem Beschreibungen sämtlicher kreisangehöriger Gemeinden mit ihren Teilorten enthalten sind. Der allgemeine Teil macht jeweils etwa 30 % einer Beschreibung aus.
Die Kreise werden als politische und verwaltungsmäßige Einheit aus geographischer, historischer und gegenwartskundlicher Sicht beschrieben. Die Darstellungen umfassen sowohl die natürlichen Grundlagen und die Geschichte einschließlich der Kunstgeschichte als auch die Siedlungsstrukturen, die Bevölkerung, die Wirtschaft, den Verkehr und das gegenwärtige öffentliche und kulturelle Leben. Die Gliederung, die inhaltliche Abfolge sowie der Umfang der einzelnen Teile werden nach einer einheitlichen Konzeption im wesentlichen vorgegeben, um das Ziel einer gleichartigen Darstellung zu erreichen. Der Arbeitsablauf ist daher ebenfalls im wesentlichen gleich.
Den Gemeinden im Kreisgebiet wird jeweils ein umfangreicher Bogen mit Fragen zu historischen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Einzelthemen zugesandt. Zahlreiche staatliche und private Einrichtungen - darunter auch Unternehmen - werden um Zusendung von Unterlagen gebeten. Ferner werden die örtlichen Archive ausgewertet sowie das Material der Landesarchivverwaltung und verfügbare Publikationen erfaßt. Daraus wird die Beschreibung an Hand der vorstrukturierten Gliederung erstellt. Forschung wird hierbei insoweit betrieben, als Entwicklungszusammenhänge untersucht und dargestellt werden, bisher nicht ausgewertete Materialien zu bearbeiten sind oder sich durch eine Zusammenschau aller Unterlagen neue Erkenntnisse und Bewertungen z.B. der geschichtlichen Entwicklung eröffnen. Dazu gehört ggf. auch die Überprüfung der Echtheit oder Richtigkeit von Archivmaterial, wie z.B. von Urkunden.
An jeder der vier Außenstellen der Abteilung „Landesforschung und Landesbeschreibung“ der LAD wird gleichzeitig jeweils an einer Kreisbeschreibung mit mehreren Bediensteten gearbeitet. Die durchschnittliche Verteilung der Personalkapazität auf die einzelnen Arbeitsvorgänge nach der Einschätzung durch die Bediensteten zeigt Schaubild 1.

Daraus ergibt sich, daß die Kapazität der mit Kreisbeschreibungen befaßten Bediensteten vorwiegend auf die Tätigkeit der Materialerhebung und die Fertigung von Texten und Karten entfällt.
Die Kreise und Gemeinden stellen ebenfalls personelle Ressourcen zur Verfügung. Die Gemeinden wirken durch die Bearbeitung der von der Archivverwaltung ausgegebenen Fragebögen, die Kreise durch Übernahme von Koordinationsaufgaben, Erstellung von Textbeiträgen und ggf. durch Materialerhebung an den Kreisbeschreibungen mit.
Für die Kreisbeschreibungen werden auch freie Mitarbeiter gegen Honorar eingesetzt. Sie erstellen z.B. Karten und Stichwortverzeichnisse oder erheben Material; sie erarbeiten indes auch in größerem Umfang Texte; insgesamt sind sie die Autoren von etwa 40 % der Texte. Für diese Tätigkeiten werden vorrangig Hochschulangehörige (Studierende, wissenschaftliche Mitarbeiter und Professoren) sowie Landesbedienstete aus den Bereichen Archiv- und Denkmalwesen geworben, aber auch Mitarbeiter von Gemeinden oder in der örtlichen Geschichte aktive Bürger. Die freien Autoren erhalten das bei der Archivverwaltung vorhandene Material und für die Abfassung des Textes eine detaillierte Gliederung. Daneben werden Vorgaben über den Umfang, den Inhalt, Schwerpunkte und zu bearbeitende Besonderheiten gemacht. Während der Bearbeitung finden Besprechungen statt. Der gelieferte Text wird von den hauptamtlichen Mitarbeitern nochmals überarbeitet.
2.2 Die Kreisbeschreibungen werden seit 1987 von ein und demselben Verlag in einheitlicher Aufmachung unter dem Titel „Kreisbeschreibungen des Landes Baden-Württemberg“ verlegt. Mit diesem im Wege einer Ausschreibung ausgewählten Verlag wurde ein Rahmenvertrag geschlossen, der im Jahr 1996 um eine Kündigungsklausel und die Vorgabe ergänzt wurde, daß die Druckleistungen auszuschreiben sind. In zusätzlichen Vereinbarungen wird für die einzelne Kreisbeschreibung der Umfang der Bände, die Ausstattung, die Auflagenhöhe, der Ladenpreis und die finanzielle Beteiligung des Landes an der Herausgabe jeweils gesondert geregelt.
Der Verlag hat für den Druck der Bände, deren formale Gestaltung, das Layout und die Auswahl des Papiers zu sorgen; ferner übernimmt er Werbung und Vertrieb. Die Höhe der finanziellen Beteiligung des Landes an der Herstellung, die in Form eines festen Druckkostenzuschusses gewährt wird, richtet sich nach den Herstellungskosten des Verlages für die Gesamtauflage abzüglich der Erlöse aus der Garantieabnahme durch den jeweiligen Kreis und der Subskriptionserlöse aus dem Verkauf von 40 % der Verkaufsauflage. Aus den weiteren Verkaufserlösen steht dem Land kein Anteil zu.
2.3 Der jeweilige Land- oder Stadtkreis tritt als Mitherausgeber auf. Er beteiligt sich an den Herstellungskosten durch die Abnahme einer bestimmten Anzahl von Bänden und durch Zuschüsse zu den anfallenden Kartographie-, Foto- oder Druckkosten sowie durch die geschilderte Beteiligung an der Erstellung der Werke.
2.4 Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer für eine Kreisbeschreibung beträgt rd. acht Jahre. Die jeweilige Bearbeitungsdauer der einzelnen Werke ist unterschiedlich; für die 1994 abgeschlossene Kreisbeschreibung Lörrach wurden z.B. zwölf Jahre benötigt. Das MWK hatte zwar 1981 eine Beschränkung der Bearbeitungsdauer auf fünf Jahre gefordert; die LAD hatte dies ihrer Neukonzeption auch zugrunde gelegt. Eingehalten wurde diese Vorgabe allerdings nicht.
Durch die lange Bearbeitungsdauer von über acht Jahren werden nicht nur die Mitarbeiter der LAD entsprechend lange gebunden; sie führt auch insoweit zu Problemen, als sich bis zur Fertigstellung immer wieder Aktualitätsdefizite, insbesondere im gegenwartskundlichen Teil, ergeben. Zwar werden alle Gemeinden vor der Drucklegung gebeten, die – zuletzt teilweise schon vor Jahren aufbereiteten – Daten noch einmal zu überarbeiten und zu aktualisieren. Die Kooperationsbereitschaft der einzelnen Gemeinden ist jedoch, wie sich bei den Erhebungen des RH zeigte, unterschiedlich groß; im ungünstigen Fall führt das dann wieder zu weiteren Verzögerungen. Bei der Kreisbeschreibung Lörrach stand deshalb sogar die finanzielle Beteiligung des Landkreises zur Disposition.
Die komplette Beschreibung der Stadt- und Landkreise in ihrem seit der Verwaltungs- und Gebietsreform existierenden Bestand würde bei unveränderten Bedingungen rd. weitere 70 Jahre dauern. Spätestens danach müßten Aktualisierungen und Fortschreibungen begonnen werden.
2.5 Die Verkaufsauflagen der Kreisbeschreibungen sind im Laufe der Jahre reduziert worden. Für die Kreise Biberach (1990) und Alb-Donau (1992) betrug sie jeweils 2 500 Exemplare, für die 1997 abgeschlossene Kreisbeschreibung Reutlingen noch 1 500 Exemplare. Der Verlag strebt an, die Verkaufsauflage für die Beschreibung des Kreises Heidenheim auf 1 000 Exemplare weiter zu senken. Außerdem erklärte sich die LAD auf Wunsch des Verlages damit einverstanden, daß die Preisbindung bei den Kreisbeschreibungen etwa zehn Jahre nach ihrem Erscheinen aufgehoben werden kann; dies wird für die Kreisbeschreibung Biberach ab 1999 relevant. Das führt dazu, daß jeweils der verbliebene Bestand nach Ablauf dieses Zeitraums billig veräußert wird und die Bände danach normalerweise nicht mehr bezogen werden können.
Die ständige Reduzierung der Auflagen und die frühzeitige Aufhebung der Preisbindung belegen, daß nur ein sehr begrenztes Interesse an diesen Bänden besteht. Der Grund hierfür dürfte weniger in der Höhe des Ladenpreises zu finden sein; wenn beispielsweise die zweibändige Kreisbeschreibung Reutlingen 168 DM kostet, so ist dies durchaus als preiswert zu bezeichnen. Allerdings ist ein solches Werk mit diesem Preis auch nicht als Gelegenheitskauf geeignet.
3 Gesamtkosten einer Kreisbeschreibung
Der RH hat die gesamten Personal- und Sachkosten ermittelt, die für die Herausgabe einer Kreisbeschreibung vom Land, dem jeweiligen Landkreis und den Gemeinden zusammen aufgewendet werden müssen.
3.1 In der Abteilung der LAD und den Außenstellen sind - ohne Berücksichtigung von Schreib- und Hilfskräften – insgesamt 14 Mitarbeiter mit der Erstellung der Kreisbeschreibungen betraut.
Nach der Erhebung des RH entfällt die Arbeitskapazität dieser Mitarbeiter fast ausschließlich auf die Kreisbeschreibungen. Daneben fällt geringer Aufwand für die Teilnahme an Projektgruppen, sonstige Veröffentlichungen oder die Bearbeitung spezieller Projekte an. Für die Kreisbeschreibung wird insgesamt eine Personalkapazität von rd. 12,8 Personenjahren (PJ) eingesetzt. Die Verteilung auf die Organisationseinheiten und die Personalkosten sind in Übersicht 1 dargestellt.

Alle Dienststellen des Landes zusammen schließen durchschnittlich alle zwei Jahre eine Kreisbeschreibung ab, so daß auf eine Kreisbeschreibung die Personalkosten von zwei Jahren entfallen, das sind rd. 4,2 Mio. DM.
Für die Personalkosten der Kreise und Gemeinden wurde der Aufwand für die zuletzt erschienene Kreisbeschreibung Reutlingen zugrunde gelegt. Dafür wurde der erbrachte Zeiteinsatz von Mitarbeitern des Landratsamtes erhoben und daraus die Personalkosten in Höhe von rd. 135 000 DM errechnet. Bei den Gemeinden wurde der erbrachte Zeiteinsatz bei acht Gemeinden erhoben. Da sich dabei kein Zusammenhang zwischen der Größe einer Gemeinde und dem Personalaufwand je Einwohner ergab, wurden die Personalkosten aller Gemeinden aus dem Ergebnis für die acht Gemeinden an Hand der Einwohnerzahl hochgerechnet. Danach haben sich die Gemeinden mit insgesamt rd. 343 000 DM beteiligt.
3.2 Auch an den Sachkosten der Herstellung der Kreisbeschreibungen sind Land und Kreise beteiligt. Zu den Sachkosten gehören die direkten Sachkosten und die Reise- und Mietkosten. Unter die direkten Sachkosten fallen der Druckkostenzuschuß an den Verlag, die Garantieabnahme durch den Kreis, die Honorare für nebenamtliche Mitarbeiter und freie Autoren sowie Ausgaben für Kartographie- und Bildausstattung.
Für die vorliegenden Kreisbeschreibungen traf die LAD mit den Kreisen Absprachen über deren finanzielle Beteiligung. Die Höhe des Kreiszuschusses richtete sich regelmäßig nach den Kosten für die Bild- und Kartenausstattung. Mit dem Hohenlohekreis und dem Landkreis Schwäbisch Hall, deren Beschreibungen für Mitte des nächsten Jahrzehnts vorgesehen sind, wurden zwischenzeitlich Verträge geschlossen und der Verwendungszweck der Zuschüsse auf die Bezahlung außeramtlicher Mitarbeiter ausgedehnt.
Die Beteiligung der Kreise an den direkten Sachkosten schwankt stark. Für die letzten vier erschienenen zweibändigen Kreisbeschreibungen lag die Beteiligung der Kreise zwischen rd. 44 000 DM und 128 000 DM und belief sich damit auf 13 bis 30 %. Die Gemeinden beteiligten sich mit einer Ausnahme nicht an den direkten Sachkosten. Für die in Arbeit befindlichen Kreisbeschreibungen Hohenlohe und Schwäbisch Hall wurden 100 000 DM bzw. 105 000 DM Kreiszuschuß vereinbart.
Bei den Kreisbeschreibungen der 60er und 70er Jahre war die Beteiligung der Kreise an den direkten Sachkosten für das Land günstiger geregelt. Während das Land die Honorarkosten der freien Mitarbeiter getragen hat, wurden die Kosten der Drucklegung von den Kreisen übernommen. Die Übernahme der Druckkosten durch das Land wurde von der LAD im Interesse ihrer Unabhängigkeit von regionalen Einflüssen veranlaßt.
Für die Gesamtkostenberechnung wurden die direkten Sachkosten und die Reise- und Mietkosten für die Kreisbeschreibung Reutlingen erhoben. Dem Land entstanden dafür Ausgaben von rd. 515 000 DM, auf den Kreis entfielen rd. 132 000 DM und auf die Gemeinden rd. 23 000 DM.
3.3 Die Gesamtausgaben von rd. 5,5 Mio. DM verteilen sich demnach auf das Land, den Landkreis Reutlingen und die kreisangehörigen Gemeinden wie in Übersicht 2 dargestellt.

Daraus ergibt sich die in Schaubild 2 dargestellte anteilige Kostentragung.

3.4 Legt man die genannten Gesamtkosten der Kreisbeschreibung Reutlingen auf die 2 050 Exemplare der Gesamtauflage um, errechnet sich ein Herstellungspreis von 2 667 DM je Exemplar, von dem das Land allein 2 283 DM trägt. Der reguläre Verkaufspreis für die zwei Bände von 168 DM deckt somit gerade 6,3 % dieser Herstellungskosten. Hierbei sind noch nicht alle Kosten des Verlags berücksichtigt.
Die Höhe der Kosten für die einzelnen Kreisbeschreibungen hängt vor allem von der individuellen Dauer der Bearbeitung ab, weil die Personalkosten den größten Anteil ausmachen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Personalkosten des Landes gegenüber den Sätzen der VwV-Kostenfestlegung 1995 nochmals gestiegen sind. Bei Zugrundelegung der Sätze nach der ab 1999 gültigen Neufassung der VwV-Kostenfestlegung ergeben sich künftig deutlich höhere Herstellungskosten. Sollte es gleichzeitig zu einer weiteren Reduzierung der Auflage kommen, werden die tatsächlichen Herstellungskosten je Exemplar zusätzlich steigen.
4 Bewertung
4.1 Bei Gründung des Landes Baden-Württemberg im Jahre 1952 sollte die amtliche Landes- und Kreisbeschreibung für alle Landesteile auch ein Instrument sein, um Herkunft und Geschichte der einzelnen Volksgruppen allen anderen bekannt zu machen und damit einen Beitrag zum raschen Zusammenwachsen der Bevölkerung zu leisten. Zudem gab es damals kaum Publikationen zu solchen Themen.
Seither haben sich jedoch die Verhältnisse grundlegend geändert. Eine flächendeckende Basisinformation über die Stadt- und Landkreise und deren Gemeinden liegt mit der abgeschlossenen Landesbeschreibung seit 1983 vor. Eine Vielzahl von Gemeinden und Kreisen des Landes geben eigene Veröffentlichungen zu ihrer historischen Entwicklung heraus. Teilweise werden hierzu ganze Reihen veröffentlicht. Dazu gehören Jahrbücher und Schriftenreihen, Gesamtwerke zur Stadt- und Gemeindegeschichte sowie Ortschroniken, die z.B. aus Anlaß von Hundertjahrfeiern erstellt werden. Zum Teil haben die Kreise ihre Geschichte bis zur Gegenwart in der Buchreihe „Heimat und Arbeit“ herausgegeben. Hier wurden zwischen 1957 und 1994 insgesamt 48 baden-württembergische Kreise beschrieben, einige davon in mehrfacher Auflage. Von der inhaltlichen Gliederung her ähneln diese Bände denen der amtlichen Beschreibung. Geschichte, Landschaft und Natur, Kunst und Kultur sowie die Wirtschaft der Kreise bilden die inhaltlichen Schwerpunkte, wenn auch nicht derart breit und vertieft dargestellt wie in den Beschreibungen der LAD. Die Autoren sind häufig Wissenschaftler aus vielen Bereichen. Hierbei spielt es eine wichtige Rolle, daß die Stadt- und Landkreise ihre eigenen Archive mittlerweile mit Fachpersonal ausgestattet haben und der Auswertung, Aufarbeitung und Veröffentlichung der historischen, kulturellen, sozialen und politischen Entwicklung ihrer Gebiete zunehmend Bedeutung zumessen. Darüber hinaus werden Einzelbeschreibungen der kreisangehörigen Gemeinden vorgenommen, diese allerdings in wesentlich komprimierterer und gestraffter Form.
Der Landkreistag hat die Verwaltungsgeschichte aller Landkreise als zweibändiges Werk herausgegeben. Daneben gibt es Veröffentlichungsreihen zu verschiedenen Regionen von Geschichts- und Heimatvereinen und Museen sowie Schriftenreihen und Einzelbände zu entsprechenden, vielfältigen Themen, wie sie z.B. von den Landesstellen für Volkskunde, dem Landesdenkmalamt oder der Zentrale für Politische Bildung veröffentlicht werden. Außerdem ist heute eine Fülle an kommerzieller Literatur zu diesem Bereich auf dem Markt zu finden. Diese sonstigen Veröffentlichungen weisen meistens eine sehr ansprechende und anschauliche, den heutigen Bedürfnissen der Leser entsprechende Art der Aufmachung und Darstellung auf, die sich insoweit von derjenigen der amtlichen Kreisbeschreibung abhebt.
Somit stehen dem Personenkreis der Lehrer, Mitarbeiter von Verwaltungen sowie Geschichts- und Heimatforscher, der hauptsächlich als Käufer und Nutzer der amtlichen Kreisbeschreibungen in Betracht kommt, sowie interessierten Bürgern auch viele andere Informationsquellen über Kreise, Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg zur Verfügung.
Der RH ist daher der Auffassung, daß die Kreisbeschreibungen heute keine Landesaufgabe mehr darstellen. § 2 Abs. 2 Landesarchivgesetz sollte entsprechend geändert werden.
4.2 Sofern das Land an der Fortführung der Kreisbeschreibungen als eigene Aufgabe festhalten will, sei es zur Wahrung einer - allerdings nur in Baden-Württemberg anzutreffenden - Tradition oder aus sonstigen allgemeinen Erwägungen, wäre es allerdings zwingend geboten, die dafür entstehenden Kosten des Landes erheblich zu senken.
Eine solche Kostenminderung setzt vor allem eine deutliche Reduzierung des hierfür eingesetzten Personals voraus. Um zu vermeiden, daß diese Reduzierung einseitig zu Lasten der Zahl und Folge neuer Kreisbeschreibungen geht, muß die Einnahmesituation verbessert werden, um damit auf mehr Leistungen Dritter zurückgreifen und diese bezahlen zu können. Die LAD sollte Einnahmen für Kreisbeschreibungen zweckgebunden für diese behalten dürfen.
In erster Linie erscheint es gerechtfertigt zu fordern, daß sich die Landkreise erheblich mehr als bisher an den Kosten beteiligen. Denn sie haben selbst ein großes Interesse an der Herausgabe der Bände und treten zudem als Mitherausgeber auf. Die derzeitige Beteiligung der Kreise mit rd. 5 % der Gesamtkosten ist viel zu niedrig. Auch seitens der Gemeinden, die einzeln beschrieben werden, sollte erwartet werden können, daß sie sich finanziell stärker engagieren.
Eine Einnahmeverbesserung könnte auch durch Werbung und Sponsoring erzielt werden. Bei den kreiseigenen Büchern in der Reihe „Heimat und Arbeit“ erhielten Firmen im Kreis die Möglichkeit einer Selbstdarstellung mit Bild und Text. Diese wurden in einem eigenen Abschnitt untergebracht, der die Firmen als Urheber der Beiträge auswies. Der Inhalt der Firmendarstellung war bezüglich Umfang und Stil vorgegeben. Die Bände enthalten sachliche Darstellungen zur Firmengeschichte und zur Entwicklung der Mitarbeiterschaft und sind nicht werbemäßig aufgemacht. Bei dieser Reihe konnten dadurch je Kreis bis zu 100 000 DM eingeworben werden. Das macht das Kapitel über die wirtschaftliche Gesamtentwicklung des Kreises aus gegenwartskundlicher Sicht nicht überflüssig. In Betracht kämen auch Werbeaufdrucke auf den Karten und bei der Bildausstattung zur Finanzierung dieser Teile.
Außerdem wäre eine offensivere Vermarktung geeignet, die Verkaufszahlen und damit die Einnahmen, bei entsprechender Erlösbeteiligung auch für das Land, zu steigern. Dazu müßten die „Bildungsarbeit im Landkreis“, die auch der Bekanntmachung der Veröffentlichungen durch Vorträge usw. dient, intensiviert und mögliche Kundenkreise systematisch angesprochen werden, z.B. in den Museumsshops. Auch eine kürzere Bearbeitungsdauer und günstige Veröffentlichungszeitpunkte dürften dabei eine Rolle spielen.
4.3 Die zur Ausgabensenkung vorrangig notwendige Reduzierung des Personals beim Land wird naturgemäß auch zu gewissen Einschränkungen bei der Aufgabenwahrnehmung führen müssen. Dies erscheint allerdings auch machbar, wenn gewisse Abstriche an Umfang und Perfektion der Bearbeitung vorgenommen werden. Wenn für die Erarbeitung der Kreisbeschreibungen der LAD, die ein hohes Maß an Detailgenauigkeit auf einem von Wissenschaftlern geprägten hohem Niveau aufweisen, bisher beispielsweise auch die Echtheit von Urkunden überprüft wird oder etwaige Wissenslücken z.B. zur Entwicklung der jeweiligen Siedlungsgeschichte im Beschreibungsgebiet und deren Gründe, durch umfangreiche Recherchen geschlossen werden, so stellt die Aufgabe der amtlichen Kreisbeschreibung hierfür nur sehr bedingt ein geeignetes Forum dar. Mit den Kreisbeschreibungen der LAD sollte vielmehr angestrebt werden, in anschaulicher und allgemeinverständlicher Weise einen zusammenfassenden Überblick über die vorhandenen Erkenntnisse zu geben und damit einen möglichst breiten Leserkreis anzusprechen.
Auch eine Abkehr von der derzeitigen Organisation in die drei Referate „Geschichte“, „Geographie“ und „Gegenwartskunde“ würde Ressourcen freisetzen. Dies erscheint angesichts des Umstandes, daß z.B. bei der letzten Kreisbeschreibung der Gegenwartsteil von einem Geographen bearbeitet wurde, durchaus realistisch.
Es wäre ferner anzustreben, die Beteiligung freier Autoren an der Texterstellung auszuweiten. Möglicherweise wird es erforderlich sein, für die Gewinnung einer ausreichenden Zahl solcher Autoren das bisherige Honorar von 35 DM je Seite zu erhöhen. In diesem Zusammenhang sollte auch die Intensität der Anleitung dieser freien Autoren durch die hauptamtlichen Mitarbeiter - immerhin macht diese Tätigkeit bisher rd. 9 % ihrer gesamten Kapazität aus - zurückgenommen werden.
Auch könnte eine verstärkte Zusammenarbeit mit Hochschulen erwogen werden. An sechs Universitäten des Landes gibt es Einrichtungen mit einem direkten landeskundlichen Bezug. Bei Vergabe von Drittmittelaufträgen an diese dürfte auch deren Interesse an solchen Arbeiten steigen.
4.4 Zur Verminderung der Ausgaben empfiehlt der RH, die vorhandene Personalkapazität für Kreisbeschreibungen um 50 % zu reduzieren, d.h. 6,5 Stellen abzubauen, und die Einrichtungen entsprechend zusammenzufassen. Dadurch würde der Landeshaushalt dauerhaft um einen Betrag von jährlich rd. 1,1 Mio. DM entlastet.
Um eine möglichst zeitnahe Entlastung zu erreichen, sollte der Stellenabbau nicht nur im Rahmen der Altersfluktuation stattfinden, die sich in der für die Kreisbeschreibungen zuständigen Abteilung in der nächsten Zeit für drei Stellen ergibt. Vielmehr müßte die Fluktuation in der gesamten Archivverwaltung genutzt werden; die meisten der zuletzt eingestellten Mitarbeiter sind als Absolventen der Staatlichen Archivschule in der ganzen Archivverwaltung einsetzbar. Auch eine Verwendung im Bereich der Denkmalbehörden sollte überprüft werden. Durch solche Maßnahmen wäre der Personalabbau mittelfristig realisierbar.
Der RH hält es außerdem für erforderlich, daß bei jeder Kreisbeschreibung eine möglichst kostengünstige Vorgehensweise gewählt wird; dies war bei früheren Beschreibungen nicht immer der Fall.
5 Stellungnahme des Ministeriums
Das MWK macht geltend, daß es sich bei der Landes- und Kreisbeschreibung um historisch-statistische Werke handele, um zeitgemäße landeskundliche Darstellungen des Landes, die auf Grundlage amtlicher Daten von Statistischem Landesamt, der Kreise und Gemeinden sowie anderer Landeseinrichtungen die jeweilige Region unter Heranziehung einer breiten Methodenvielfalt erforschten und darstellten. Diese interdisziplinäre und flächendeckende Forschungs- und Publikationstätigkeit stelle einen zentralen, unverzichtbaren Beitrag zu einer zeitgemäßen landeskundlichen Darstellung dar und sei integraler Bestandteil im Konzept der landeskundlich orientierten Kultur- und Bildungspolitik des Landes. Es handele sich dabei um Forschung, die in dieser Art weder an Universitäten noch anderen Landeseinrichtungen in vergleichbarer Weise wahrgenommen werden könne und daher singulär sei. Wegen ihrer kulturhistorischen und -politischen Bedeutung sollten die Kreisbeschreibungen grundsätzlich weitergeführt werden.
Die Beschreibungswerke hätten eine besondere Qualität und ein unverwechselbares Profil, auch durch ihre verständliche und anschauliche Darstellung auf hohem wissenschaftlichen Niveau. Verkaufsauflage und Zahl der verkauften Exemplare seien bei wissenschaftlichen Werken allein kein Indiz für die Akzeptanz und insbesondere die breite Rezeption von Fakten und wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Die sonstigen einschlägigen Publikationen, die entweder auf Einzelaspekte oder regional auf einzelne Gemeinden und Städte beschränkt seien, dokumentierten einerseits das große Interesse an landes- und ortskundlichen Themenstellungen, seien andererseits kein Ersatz für das regional und fachlich umfassende Forschungs- und Publikationsprogramm der amtlichen Landesforschung und -beschreibung. Es liege in der Natur einer systematischen Erforschung der historischen, topographischen, politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Grundlagen des Landes und seiner Regionen, daß diese nicht zeitlich begrenzt oder abgeschlossen werden könne. Forschung und Bearbeitung folgten den politischen und gesellschaftlichen Umgestaltungen wie zwangsläufig bei Beschreibungswerken. Konzeption und Präsentation der Werke würden in einem stetigen Prozeß den gewandelten Bedürfnissen angepaßt.
Die vom RH vorgenommene Ermittlung der Kosten je hergestelltem Buch sei eine mögliche Betrachtungsweise. Sie trage jedoch der Forschungstätigkeit nicht angemessen Rechnung, weil eine solche Betrachtungsweise im Bereich der Forschung nur eine eingeschränkte Aussagekraft habe. Das MWK weist darauf hin, daß die für die Kreisbeschreibung Reutlingen beispielhaft errechneten Gesamtkosten höher gewesen sind als sonst üblich, weil die Kommunen mehr aufgewendet haben.
Das MWK strebt entsprechend den Hinweisen des RH an, Verbesserungen der Wirtschaftlichkeit zu erreichen. Die Einnahmen sollen durch eine stärkere finanzielle Beteiligung der Kreise und durch Werbung und Sponsoring erhöht werden. Für den Doppelhaushalt 2000/2001 sollen Einnahmetitel bei Kap. 1469 Tit.Gr. 76 eingerichtet werden. Der Anteil der freien Autoren an der Texterstellung soll erhöht und die Zusammenarbeit mit den Hochschulen weiter ausgebaut werden. Es soll geprüft werden, ob sich durch effizientere Organisationsstrukturen, wie eine veränderte regionale Verteilung der Arbeitsgruppen, eine weitere Spezialisierung der wissenschaftlichen Mitarbeiter und deren Zusammenführung in größeren Projektgruppen, zusätzliche Rationalisierungseffekte erzielen lassen. Außerdem könnten die Vorstellungen des RH zu einer gewissen Einschränkung bei der Aufgabenwahrnehmung sicherlich dazu dienen, die Konzeption im Sinne einer Straffung des Forschungs- und Darstellungsprogramms zu ändern. Der weitergehende Vorschlag, sich auf „einen zusammenfassenden Überblick über die vorhandenen Kenntnisse“ zu beschränken, erscheine im Hinblick auf das gesetzlich wie sachlich vorgegebene Aufgabenprofil, das die Qualität der in diesem Bereich durchgeführten Forschung bestimme, allerdings kaum umsetzbar. Der bisherige Forschungsumfang und die bisherige Forschungstiefe sollen beibehalten werden.
Das MWK hält mit diesen Maßnahmen lediglich einen Abbau von 20 - 30 % der vorhandenen Personalstellen für möglich. Voraussetzung hierfür sei zudem die Aufstockung von Mitteln für befristete Beschäftigungsverhältnisse, eine Erhöhung der Reisekostenmittel sowie der Einsatz moderner Informationstechnik mit vernetzten Arbeitsplätzen.
6 Schlußbemerkung
Es gab sicher gute Gründe, amtliche Kreisbeschreibungen durchzuführen und dies in einem gesetzlichen Auftrag zu verankern. Im Sinne der gebotenen Aufgabenkritik hat sich der RH damit auseinandergesetzt, ob angesichts der geschilderten Veränderungen der Verhältnisse und insbesondere in Anbetracht immer enger gewordener Spielräume des Landesetats die Wahrnehmung dieser Aufgabe weiterhin zwingend ist und finanziell gerechtfertigt werden kann. Dabei war vor allem zu bedenken, daß es sich, wie das Ministerium betont, um eine Angelegenheit handelt, die ihrer Natur nach ohne sachliche und zeitliche Begrenzung fortzuführen wäre. Der RH ist zu der Auffassung gelangt, daß die amtliche Kreisbeschreibung nicht (mehr) zu den Aufgaben gehört, die zwingend das Land dauerhaft fortführen muß. Das belegt schon der Umstand, daß kein anderes Bundesland diese Aufgabe in dieser Form wahrnimmt und sich den beschriebenen Aufwand hierfür leistet.
Der RH anerkennt, daß das Ministerium sich den Vorschlägen zur Steigerung der Effizienz und zur Minderung der Ausgaben gegenüber aufgeschlossen zeigt, hält die geplanten Überprüfungen zur Kostensenkung, insbesondere den in Aussicht gestellten Stellenabbau angesichts der Finanzlage des Landes allerdings nicht für ausreichend. Im Ergebnis würde ein solcher Personalabbau den Gesamtaufwand des Landes für die Kreisbeschreibungen lediglich um etwas mehr als 10 % vermindern.