Zum Stand der DV-Unterstützung in der Steuerverwaltung [Beitrag Nr. 19]

Die Zeiträume bis zum Volleinsatz von DV-Fachanwendungen sind oft unvertretbar lang. Für bestimmte automatisierbare Verwaltungsabläufe steht DV-Unterstützung noch nicht zur Verfügung. Prozeßoptimierungen einzelner Anwendungen erscheinen notwendig.

1 Vorbemerkung

Für die Erledigung der Aufgaben der Steuerverwaltung ist Automationseinsatz unbedingt notwendig. Die Verwaltung setzt deshalb konsequenterweise voll auf die DV-Technik („Finanzamt 2000“). Die DV-Landschaft ist gekennzeichnet durch eine Vielzahl unterschiedlicher Fachanwendungen für Steuerfestsetzung und -erhebung; sie spiegeln die vielfältigen unterschiedlichen Aufgaben der Finanzämter wider. Die negativen Wirkungen einer ungebrochenen Normenflut und die anhaltende Änderungsdynamik auf dem Gebiet des Steuerrechts zeigen sich für die Finanzämter in diesem Bereich besonders deutlich, weil alle Rechtsänderungen hier zentral und als erstes umgesetzt werden müssen, häufig sogar äußerst kurzfristig.

2 Prüfungsanlaß

In der DV-Ausstattung und -qualität der Finanzämter hat sich in den letzten Jahren die Situation erheblich verbessert. So ist als ein Meilenstein in vielen Einsatzbereichen die sog. Bildschirmsachbearbeitung, also die ganzheitliche Fallbearbeitung durch - dialogorientierte - Direkteingabe der Daten eingeführt worden. Voraussetzung hierfür war der technologisch-strategische Umstieg von der reinen Großrechnerwelt zu dezentral vernetzten Bildschirmarbeitsplätzen . Dadurch entfiel die zentrale Erfassung vorher manuell aufgenommener Daten. Ein weiterer Fortschritt ist mit dem Zentralversand von DV-Produkten, insbesondere von Steuerbescheiden durch das Druck- und Versandzentrum der OFD Stuttgart in Karlsruhe erreicht worden.

Gleichwohl fällt auf, daß es in wichtigen und wesentlichen Aufgabenbereichen der Steuerverwaltung noch keine oder eine nur ungenügende DV-Unterstützung gibt und die Entwicklung einzelner projektierter Verfahren sich ungewöhnlich lange hinzieht. Die vom RH hierzu in ausgewählten Bereichen angestellten Untersuchungen führten zu den nachfolgenden Feststellungen.

3 Kraftfahrzeugsteuer

Die Verwaltung der Kraftfahrzeugsteuer ist als Massenverfahren ausgerichtet. Bei relativ geringen Steuerbeträgen je Fahrzeug besteht deshalb unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit ein hoher Rationalisierungsdruck. Zwar werden die etwa 6,5 Millionen Fälle bei den baden-württembergischen Finanzämtern seit 1993 elektronisch verwaltet; gleichwohl erfordert die derzeitige Verfahrensausgestaltung in einer großen, einem Massenverfahren nicht mehr gerecht werdenden Zahl von Einzelfällen umständliche und zeitaufwendige individuelle Maßnahmen, die auf die Arbeitsabläufe hemmend wirken.

Dazu zwei Beispiele:

  • Im Fall des Lastschrift-Einzugverfahrens (LEV) wird die Bankverbindung zwar gespeichert; wechselt der Steuerpflichtige sein Fahrzeug, so geht diese Information DV-technisch jedoch verloren, weil eine Verknüpfung zwischen dem bisherigen und dem neuen Steuerkonto nicht besteht. Das bedeutet, daß die Bankverbindung dann nochmals, ggfs. durch Rückfrage beim Fahrzeughalter, manuell ermittelt und in das System eingegeben werden muß. Dieser in Hunderttausenden von Fällen jedes Jahr erforderliche Aufwand ließe sich vermeiden, wenn für jeden Fahrzeughalter ein fahrzeugunabhängiges festes Ordnungsmerkmal, etwa eine feststehende Steuernummer, vorgehalten würde. Denkbar wäre eine technische Verknüpfung zwischen dem alten und dem neuen Steuerfall, beispielsweise über den Namen in Kombination mit dem regelmäßig zur Verfügung stehenden Geburtsdatum.

Mit dem Problem der Übertragung der Teilnahme am LEV befassen sich die zuständigen Bund/Länder-Arbeitsgruppen schon seit drei Jahren, ohne bisher eine Lösung gefunden zu haben.

  • Nicht selten sind die Fälle, in denen Fahrzeughalter Jahr für Jahr einen zu hohen Betrag bezahlen, weil sie sich am Zahlungsbetrag des Vorjahres orientieren, der - etwa wegen einer einmaligen Verspätung - um die Säumnisgebühr erhöht war. In den in regelmäßigen Abständen erstellten DV-Listen werden dann die so entstandenen minimalen Überzahlungen (Kleinbeträge von 1 DM bis unter 10 DM) als Guthaben ausgewiesen. Solche Konten werden in einem aufwendigen und in keinem angemessenen Verhältnis zum Betrag stehenden Verfahren durch Erstattung der Überzahlungen manuell bereinigt. Dazu ist ggf. sogar erforderlich, die Kontonummer durch Rückfrage beim Berechtigten zu ermitteln.

Ein Vereinfachungseffekt würde eintreten, wenn solche Kleinbeträge einstweilen DV-technisch unterdrückt und erst bei der regelmäßig zu einer Steuererstattung führenden Beendigung der Steuerpflicht mit dem Steuerguthaben erstattet werden.

4 Aktenabgabeverfahren

4.1 Beim Übergang der örtlichen Zuständigkeit für die Besteuerung auf ein außerhalb des Bezirks einer OFD gelegenes Finanzamt ist es nicht möglich, die gespeicherten Daten elektronisch zu übertragen. Vielmehr muß das übergebende Amt zunächst elektronische Datenauszüge anfordern; die so ausgedruckten Daten müssen vom übernehmenden Amt einzeln wieder in das DV-System eingegeben werden. Die Auszüge durchlaufen dazu mehrere Erfassungs- und Kontrollstationen. Unter dieser Situation haben in erhöhtem Maße die Finanzämter zu leiden, deren Zuständigkeitsbereich an eine andere OFD in Baden-Württemberg oder in einem anderen Bundesland angrenzt. Das Verfahren ist selbst nach Einschätzung des FM „hochkompliziert und extrem fehleranfällig“ und sehr zeitaufwendig. Es bindet bei den davon hauptsächlich betroffenen Finanzkassen schätzungsweise ein Fünftel der Arbeitszeit der zuständigen Kontenverwalter.

In den einschlägigen Bund/Länder-Gremien wird dieses Problem schon seit über einem Jahrzehnt erörtert. Im Hinblick auf das Einsparpotential von 30 % bei bundesweit einheitlichen Abgabeverfahren muß nach Einschätzung des RH mit Nachdruck daran gearbeitet werden, die DV-technischen Voraussetzungen für eine elektronische Übergabe zu schaffen.

4.2 Dasselbe Szenario gilt auch für den Fall des Wechsels der Zuständigkeit für die Verwaltung der Kraftfahrzeugsteuer (vgl. Pkt. 4.1). Zwar ist hier der Zeitaufwand wegen der geringeren Komplexität der Übernahmefälle geringer, anderseits ist die Fluktuationsrate in absoluten Zahlen viel höher. Sie dürfte landesweit bei schätzungsweise mindestens 50 000 Fällen je Jahr liegen.

4.3 Eine elektronische Datenübertragung von einem Konto auf ein anderes ist noch nicht einmal innerhalb desselben Finanzamts möglich, wenn nur eine partielle Verlagerung auf eine andere Steuernummer - etwa nach Umwandlung einer Gesellschaft - erfolgen soll. Ein solcher Vorgang erfordert zahlreiche Arbeitsschritte verschiedener Organisationseinheiten, die teilweise mehrmals durchlaufen werden müssen.

5 Beleggebundenes Zahlungs- und Überweisungsverfahren (BZÜ-Verfahren)

Die Finanzämter fügen den Mahnungen und Vollstreckungsankündigungen maschinell vorbereitete Überweisungsträger bei. Verwendet der Steuerpflichtige solche Belege, kann die Zuordnung der Zahlungen auf die entsprechenden Rückstände maschinell erfolgen. Dadurch entfällt die sonst in jedem einzelnen Fall an Hand der Kontoauszüge oder sonstiger Einzahlungsbelege erforderliche arbeitsaufwendige Zuordnung der Zahlungen auf den Steuerschuldner und den konkreten Rückstand. Gleichwohl konnte dieses Verfahren die Erwartungen bisher nicht erfüllen, insbesondere, weil die Anzahl der aus verschiedenen Gründen nicht zuordenbaren Zahlungen erheblich zu hoch ist. Solche Fälle müssen arbeitsaufwendig bereinigt werden.

Eine Optimierung dieses Verfahrens wäre z.B. durch eine generelle Ausdehnung auf solche Zahlungen möglich, die nicht durch LEV erfolgen. Konkrete Vorschläge wurden der Verwaltung genannt.

6 Maschinelle Überwachung steuerbegünstigter Körperschaften

Körperschaften, die gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen, sind steuerbefreit. Die Finanzämter sind angehalten, in einem Turnus von regelmäßig drei Jahren zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung noch vorliegen. Zu diesem Zweck ist eine Überwachungsliste, die sog. Gemeinnützigkeitsliste, zu führen. Durch sie wird die turnusmäßige Aufforderung an die Körperschaften gesteuert, Erklärungen abzugeben, an Hand derer die Gemeinnützigkeit überprüft werden kann.

Für die gesamte Überwachung und die ggfs. abschließende Bestätigung der Steuerbefreiung durch den sog. Freistellungsbescheid besteht nach wie vor keine DV-Unterstützung, obgleich die Überlegungen hierzu auf Bund/Länder-Ebene mehr als zehn Jahre zurückreichen. Einige Finanzämter haben deshalb nach jahrelangem erfolglosem Drängen zur Selbsthilfe gegriffen und auf Standardsoftware basierende Datenbanken eingerichtet; sie verwalten so ihre Überwachungsfälle. Die mit geringem Aufwand bewirkten Rationalisierungseffekte, die moderne Standardsoftwareprogramme mit Filter- und Serienbrieffunktionen bieten, sind beachtlich. Insbesondere können auf diese Weise „per Knopfdruck“ statistische Auswertungen gemacht werden, wie sie etwa auch für die Beantwortung parlamentarischer Anfragen durch das FM benötigt werden.

In den Finanzämtern des Landes gibt es derzeit mehr als 55 000 solcher überwachungsbedürftiger Fälle . Die Notwendigkeit einer DV-Unterstützung ist evident. Die DV-Subkultur der Finanzämter, auf die der RH schon in der Vergangenheit in anderem Zusammenhang gestoßen ist (vgl. Denkschrift 1998 Nr. 20), ist zudem einerseits Indikator dafür, wie dringlich dies ist, und insoweit positiv zu betrachten. Andererseits ist es unwirtschaftlich, wenn mehrere Stellen die im Prinzip gleichen Arbeiten durch den Aufbau einer Schatten-DV machen. Die Verwaltung sollte deshalb nunmehr die Automationsunterstützung für diesen Spezialbereich forcieren.

7 Kapitalertragsteuer-Direkteingabe

Kapitalertragsteuern sind von den Schuldnern der Kapitalerträge oder den diese auszahlenden Stellen beim Finanzamt anzumelden und zu bezahlen. Diese „Anmeldesteuer“ hat seit der Einführung der sog. Zinsabschlagsteuer erheblich an Bedeutung gewonnen; demzufolge ist der Verwaltungsaufwand deutlich gestiegen. Eine Direkteingabe der für die ordnungsgemäße Erhebung relevanten Daten durch den zuständigen Bearbeiter ist indes nicht möglich. Diese sind vielmehr von einer zentralen Stelle zu erfassen, und zwar grundsätzlich - entsprechend einer bestehenden Weisung - vor einer formellen und sachlichen Prüfung der Anmeldung durch den Bearbeiter. Die Anweisung hat insbesondere den Zweck, durch einen beschleunigten Lastschrifteinzug erhebliche Zinsverluste zu vermeiden. Sie treten sonst ein, weil diese Zahlungsweise in erheblichem Umfang gewählt, der Zahlungsvorgang technisch bedingt aber erst durch die Buchung angestoßen wird. Nachteilig wirkt sich dabei aber aus, daß dieses Verfahren die Gefahr fehlerhafter Datenerfassung erhöht und damit den Erfolg eines zeitnahen Lastschrifteinzugs merklich schmälert.

Die Direkteingabe der Daten durch den Bearbeiter könnte diese Probleme beseitigen oder entscheidend reduzieren. Es sollte deshalb die Realisierungsmöglichkeit der Bearbeitereingabe geprüft werden. In die Überlegungen wäre auch einzubeziehen, wie die Abgabe der Anmeldungen maschinell hinreichend überwacht werden kann; die derzeitigen Methoden erscheinen unzureichend.

8 „Feststellung“ von Einkünften

Die Finanzämter sind aus rechtlichen Gründen gehalten, Einkünfte, an denen mehrere Personen beteiligt sind, in einem von der Steuerfestsetzung getrennten Verfahren „festzustellen“ und hierüber Bescheide zu erlassen. Außerdem sind die für die Besteuerung der Beteiligten zuständigen Finanzämter zu informieren. Damit ist ein hoher Schreib- und Sortieraufwand verbunden, besonders bei einer Vielzahl von Beteiligten (z.B. bei sog. Publikumsgesellschaften). Schon vor über einem Jahrzehnt hat die Verwaltung deshalb Überlegungen angestellt, das Verfahren maschinell zu unterstützen. Die Pilotierung von FEin sollte schließlich im Jahre 1993 bei einem Finanzamt beginnen; bis es soweit war, vergingen aber nochmals weitere drei Jahre. Es ist derzeit immer noch nicht allgemein eingeführt. Abgesehen von der überaus langen Entwicklungsdauer ist u.a. zu bemängeln, daß

  • das Verfahren nicht die Fälle erfaßt, in denen nach Einspruch gegen den Feststellungsbescheid die Besteuerungsgrundlagen (teilweise) von der Vollziehung ausgesetzt werden; ein solches förmliches Verfahren erfordert hohen Rechen- und Schreibaufwand, weil auch hier die Finanzämter jedes einzelnen Beteiligten informiert werden müssen. Diese Arbeiten müssen nach wie vor manuell erledigt werden. Der Aufwand potenziert sich, je größer die Zahl der von der Aussetzung betroffenen Beteiligten ist (Publikumsgesellschaften),
  • bei der Erst- oder Neuaufnahme eines Beteiligten in den Speicher können die schon erfaßten Adreßdaten durch Eingabe lediglich der Steuernummer nur dann ins System „eingelesen“ werden, wenn die für den Beteiligten und die Gesellschaft zuständigen Finanzämter sich im selben OF-Bezirk befinden. In den anderen Fällen müssen diese Daten komplett erfaßt werden.

9 Verwaltung der Erbschaftsteuer

9.1 Mit dem Verfahren EASY soll eine umfassende Automationsunterstützung für die Verwaltung der Erbschaftsteuer bereitgestellt werden. Insbesondere sollen folgende Arbeitsvorgänge unterstützt werden:

  • Maschineller Zugriff auf benötigte Informationen,
  • Bearbeitung eingehender Unterlagen,
  • Führung von Listen und Karteien,
  • Berechnung und Festsetzung der Erbschaft- und Schenkungsteuer.

9.2 Die Projektdefinition für das Verfahren wurde im Jahre 1991 erstellt. Mit dem Auftrag zur Hauptuntersuchung im Jahre 1994 hat das FM die Erwartung ausgesprochen, das Verfahren bis Mitte 1995 abzuschließen. Der landesweite Einsatz ist nunmehr für das Jahr 1999 vorgesehen.

Wesentliche Elemente sind noch nicht realisiert:

  • So ist etwa die maschinelle Festsetzung der Schenkungsteuer, die mit etwa einem Drittel (bezogen auf das Jahr 1998) einen nicht unerheblichen Anteil aller Steuerfestsetzungen ausmacht, insgesamt noch nicht möglich.
  • Die Erbschaftsteuer kann derzeit nur in etwa vier Fünftel der steuerpflichtigen Erbschaftsfälle maschinell festgesetzt werden.
  • Eine elektronische Prüfberechnung ist (noch) nicht möglich. Ohne die Möglichkeit der Prüfberechnung - einem Kernstück der DV-gestützten Steuerfestsetzung - ist ein echtes Dialogverfahren nicht möglich. Der Anwender kann nicht „online“ am PC verfolgen, ob der Steuerfall mit den eingegebenen Daten gerechnet werden kann. Über einen evtl. Abbruch des Rechenvorgangs wird er deshalb - in Papierform - erst mehrere Tage später informiert; er muß den Fall dann erneut in die Hand nehmen. Zudem besteht die Gefahr, daß durch einen Fehler bei der Erfassung einzelner Besteuerungsmerkmale die Steuer unrichtig festgesetzt wird.

Der RH hatte schon in der Denkschrift 1996 zur Bearbeitung der Erbschaft- und Schenkungsteuer darauf hingewiesen, daß er die zügige Realisierung des Projekts als unverzichtbar erachte (Nr. 22 Pkt. 8). Dem ist der Landtag beigetreten.

Der Verwaltung wurden im Prüfbericht zahlreiche weitere Mängel in der bereits bestehenden DV-Unterstützung aufgezeigt und Lösungsvorschläge gemacht.

10 Belegleser (Scanner), Bearbeitung von Umsatz- und Lohnsteueranmeldungen

10.1 Ein Test der OFD Stuttgart zum Einsatz von Beleglesern im Jahre 1991 hatte keinen akzeptablen Erfolg. Seit November 1997 wird nunmehr bei einem Finanzamt im Bereich der OFD Karlsruhe der Einsatz eines Beleglesers für Umsatzsteuervoranmeldungen und Lohnsteueranmeldungen getestet. Er soll die manuelle Erfassung der Daten durch die automatische Datenerfassung ersetzen. Die Anmeldeformulare werden gescannt, die Daten elektronisch gelesen; in einem Nachbearbeitungsschritt können Korrekturen vorgenommen werden. Aus fehlerfreien oder korrigierten Belegen wird automatisch der für den Großrechner benötigte Datensatz erzeugt.

Durch das Verfahren soll erreicht werden, daß die bei den Finanzämtern eingehenden Anmeldungen eines Massenverfahrens auch in Spitzenzeiten möglichst taggleich verarbeitet und die Primärdaten verbucht werden können. Dies ist Voraussetzung für den Einzug der angemeldeten Steuern vom Konto des Steuerpflichtigen per LEV. Zinsnachteile des Fiskus können dadurch vermieden werden; die bisherige „konventionelle“ Datenerfassung entfällt.

Der Versuch ist erfolgversprechend. Nach einer Berechnung der OFD Karlsruhe führt allein die zeitnahe Bearbeitung der Anmeldungen zu Zinsauswirkungen von fast 5 Mio. DM je Jahr.

10.2 Die Bearbeitung der eingehenden Steueranmeldungen geschieht derzeit in der Weise, daß sich der Bedienstete mit zeitlichem Abstand von einigen Tagen mehrmals mit dem Fall beschäftigen muß und ein echter Dialog nicht stattfindet. Die Verarbeitung und Archivierung der anfallenden Papiermenge bindet zudem Personalressourcen.

Mit dem Verfahren „Bildschirmsachbearbeitung im maschinellen Umsatzsteuer-Voranmeldungs- und Vorauszahlungsverfahren und Lohnsteuer-Anmeldungsverfahren“ (BUL) soll ermöglicht werden, die Anmeldungen im Wege einer ganzheitlichen abschließenden Fallbearbeitung vom Eingang bis zur abschließenden Entscheidung sicher, komfortabel und schnell von einer einzigen Dienststelle im Dialog zu bearbeiten.

Den Auftrag zur Durchführung des Projekts BUL hatte das FM im August 1992 erteilt. Phase 1 ist zu Beginn des Jahres 1999 eingeführt worden. Phase 2, Kern des Verfahrens, ist noch nicht realisiert. Ihre DV-technische Umsetzung führt nach Berechnungen der Verwaltung zu Kosteneinsparungen von jährlich mehr als 800 000 DM.

11 Medienbrüche

Häufig stören Medienbrüche den organisatorischen Ablauf und ziehen erheblichen Personaleinsatz nach sich.

11.1 Besteuerungsmerkmale aus Außenprüfungen

Die Außenprüfungsdienste setzten zur Darstellung ihrer Prüfungsergebnisse und der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen spezielle DV-Programme ein. Deren Rechenergebnisse werden in Berichten dargestellt. Diese Daten müssen mangels Verknüpfung der Programme anschließend von anderen Dienststellen der Finanzämter erneut in ein anderes DV-System - teilweise über manuell gefertigte Erfassungsbögen - eingegeben werden, um daraus die auf Grund der Prüfung zu ändernden Steuerbescheide erstellen zu können.

11.2 Monatsabschlüsse der Finanzkassen

Die seit 1991 maschinell ermittelten Monats- und die akkumulierten Vormonatssummen müssen fast zehn Jahre nach Einführung der Automationsunterstützung noch immer manuell in eine Vielzahl umfangreicher Formulare übertragen, anschließend vom Kassenleiter überprüft und dann vom Schreibdienst mit der Schreibmaschine der besseren Lesbarkeit halber abgetippt werden. Nach Kontrolle durch die Kassenaufsicht werden die Ausfertigungen der LOK zur weiteren Bearbeitung zugeleitet. Dort werden diese Daten erneut in einem DV-System erfaßt. Der allein bei den Finanzkassen entstehende personelle Aufwand beträgt monatlich mehrere Stunden.

Der RH hält diese Situation für unvertretbar; angestrebte Verbesserungen befinden sich erst in der Pilotierungsphase. Die DV-Unterstützung sollte möglichst rasch so optimiert werden, daß

  • eine manuelle Aufbereitung der Abschlußdaten ganz entfallen kann und
  • die von der LOK benötigten Daten der Finanzkassen elektronisch direkt dorthin übermittelt oder per Direktzugriff von dort abgefragt und weiterbearbeitet werden können.

12 Weitere Optimierungsmöglichkeiten

12.1 Maschineller Nachweis gespeicherter Besteuerungsgrundlagen

12.1.1 Zinsen, die im Rahmen der sog. Vollverzinsung von Einkommensteuerüberzahlungen an die Steuerpflichtigen geleistet werden müssen (Erstattungszinsen), sind als Kapitalerträge einkommensteuerpflichtig. Wie Erhebungen der StRPÄ zeigen, unterbleibt die Versteuerung solcher Beträge häufig, weil sie in den Steuererklärungen nach eigener Einschätzung der Verwaltung vielfach nicht deklariert werden und dies von den Bearbeitern der Finanzämter nicht korrigiert wird; die Fehlerquote liegt bei über 25 Prozent. Dabei handelt es sich um teilweise bis zu sechsstellige Beträge, die in dementsprechender Höhe Steuerausfälle zur Folge hatten.

Beispiele:

  • Ein Steuerpflichtiger hatte Erstattungszinsen von 294 431 DM erhalten, diese aber in der Einkommensteuererklärung nicht angegeben. Das Finanzamt korrigierte den Fehler nicht. Dadurch wurde die Steuer um rd. 156 000 DM zu niedrig festgesetzt.
  • In einem weiteren Großfall unterblieb die Versteuerung der 1996 zugeflossenen Zinsen in Höhe von 104 872 DM.

Auf das ganze Land bezogen dürften so seit Einführung der Verzinsungsregelung 1989 Jahr für Jahr mehrere hunderttausend DM an Steuereinnahmen verlorengegangen sein und noch verlorengehen. Dies könnte bei hinreichender DV-Unterstützung durch Ausgabe eines entsprechenden (automatischen) Hinweises vermieden werden. Mit dem Problem befassen sich seit mehreren Jahren verschiedene Bund/Länder-Gremien.

12.1.2 Eine dazu sowohl hinsichtlich der Besteuerungswirklichkeit als auch der DV-Unterstützung parallele Situation besteht bei der einkommensteuerlichen Berücksichtigung der Kirchensteuer. Zahlungen hierauf - saldiert mit Erstattungen - sind bei der Berechnung der Einkommensteuer als Sonderausgaben abzugsfähig; sie werden in der DV-Buchführung der Finanzkassen gespeichert.

Die von den StRPÄ auch in diesem Segment festgestellten Fehler, in einem Fall ergab sich ein Steuerausfall von über 250 000 DM, könnten bei entsprechender DV-Unterstützung häufig vermieden werden.

12.2 Maschinelle Überwachung der Rechtsbehelfe

Bei den Finanzämtern des Landes sind derzeit fast 400 000 Einsprüche anhängig. Gleichwohl gibt es nach wie vor keine DV-Unterstützung für eine ordnungsgemäße Verwaltung dieser Fälle. Zur Überwachung und Erledigung erforderliche Listen werden deshalb ebenso manuell geführt wie statistische Nachweise, etwa über den Arbeitsstand.

Der RH hatte schon in der Denkschrift 1997 Nr. 19 DV-Unterstützung angemahnt und darauf hingewiesen, daß sich die Steuerverwaltung länderübergreifend schon seit über zehn Jahren damit beschäftige. Die Verwaltung selbst hat eingeräumt, daß diese nunmehr für dringend erforderlich gehalten werde .

12.3 Verbuchung spezieller Verwaltungsentscheidungen

12.3.1 Für verschiedene, den Steuerpflichtigen unmittelbar berührende und nicht selten vorkommende Verwaltungsentscheidungen der Finanzämter besteht keine DV-Unterstützung. Zu nennen sind namentlich die „Verbuchung“

  • von Entscheidungen, die die Fälligkeit von Steuern hinausschieben, wie etwa die Stundung von Steuern und Nebenleistungen, die Aussetzung der Vollziehung solcher Abgaben und deren Aufhebung,
  • der im Einzelfall notwendigen manuellen Festsetzungen von Steuern, Steuervorauszahlungen, Zinsen und Verspätungszuschlägen.

Die Daten dieser Vorgänge müssen zunächst handschriftlich verfügt, des äußeren Erscheinungsbildes halber von Fall zu Fall gar noch mit Schreibmaschine abgetippt und dann zum Zwecke der DV-technischen Verbuchung nach Kontierung durch den Bearbeiter von einer anderen Stelle, der Finanzkasse, nochmals erfaßt werden. Zu einem Abbruch des Verarbeitungsvorgangs führende Eingabefehler kann das System somit erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung melden; der Vorgang muß dann nochmals in die Hand genommen werden.

12.3.2 Wegen der Vielzahl solcher Vorgänge - jährlich landesweit schätzungsweise mehrere Hunderttausend - besteht hier ein erhebliches Rationalisierungspotential. Die Erfassung der Daten in einem Dialogverfahren würde den vorgeschalteten manuellen Schreibaufwand entbehrlich machen. Ein Eingabefehler könnte während der Datenerfassung direkt am PC korrigiert und der Fall danach sofort abgeschlossen werden.

Die Verwaltung prüft derzeit, ob und inwieweit das in der Steuerverwaltung der Hansestadt Bremen pilotierte Verfahren EVITA, das diesen Bereich abdeckt, nach Baden-Württemberg übernommen werden kann.

13 Bewertung und Vorschläge

Die DV ist Basis für eine ganzheitliche Fallbearbeitung in den Finanzämtern und damit für eine Rationalisierung und Beschleunigung der Bearbeitung und der Verbesserung der Arbeitsqualität. Nach dem Ergebnis der aufgabenkritischen Untersuchung der Finanzämter durch ein Beratungsunternehmen hängen 44 % der damals ermittelten Einsparpotentiale von einer Optimierung und Weiterentwicklung des DV-Bereichs ab. Ganz allgemein kann davon ausgegangen werden, daß die Produktivität durch Investitionen in die technikunterstützte Informationsverarbeitung erheblich gesteigert werden kann.

13.1 Nach den Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen der Verwaltung zu den einzelnen Verfahren sind die Nutzenpotentiale recht hoch. Die Kosteneinsparungen erreichen danach im Einzelfall Millionenhöhe. Die fehlende Bereitschaft, einmalig höhere Investitionen an einer Stelle (DV-Konzeption, Softwareentwicklung) zu tätigen, führt somit nicht zu Einsparungen; sie verhindert vielmehr, daß die positive „Breitenwirkung“ der DV-Verfahren schnell greifen kann und bewirkt, daß ein Vielfaches dieser Investitionskosten in Form von Personalkosten an vielen Stellen ausgegeben werden muß.

Die Verwaltung sollte deshalb in den noch nicht DV-unterstützten Bereichen baldmöglichst Automationsunterstützung realisieren und die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Prozeßoptimierung umsetzen. Konkrete Aussagen darüber, welche der aufgezeigten und unbestrittenen Rationalisierungsmaßnahmen bis wann realisiert sein werden, sind nach Auffassung des RH zwingend notwendig. Wenn Optimierungen wegen hohen Entwicklungsaufwandes und zur Vermeidung von Doppel- oder Parallelentwicklungen nicht sofort möglich sein sollten, muß zumindest sichergestellt werden, daß bei der Neuprogrammierung von Verfahren solche Unzulänglichkeiten ausgemerzt werden.

13.2 Das größte Rationalisierungspotential, insbesondere durch rasche Verbesserung der DV-Unterstützung, sieht der RH im Aufgabenbereich der Finanzkassen und der Kassenaufsicht. Die Kassen sind für einen DV-Einsatz geradezu prädestiniert, weil dort regelmäßig nicht - wie in anderen Bereichen der Finanzämter - die Subsumtion von Sachverhalten unter das Steuerrecht zu erfolgen hat, sondern vielfach rein mechanische Buchungsvorgänge abzuwickeln sind. Das oben angeführte Beratungsunternehmen hatte in seiner aufgabenkritischen Untersuchung der Finanzämter der Steuerverwaltung Baden-Württemberg im Jahre 1995 ein Einsparpotential bei diesen Aufgabenbereichen von insgesamt rd. 230 Arbeitskräften allein durch Verbesserungen in der DV-Nutzung errechnet.

Der Automatisierungsprozeß ist hier bei weitem noch nicht abgeschlossen . Zu denken wäre etwa auch als ganz konkretes Beispiel an den Einsatz von Beleglesern bei der personalintensiven Bearbeitung und Verbuchung von eingehenden Schecks. Verzögerte Einlieferungen von Schecks bei den Banken führen zu hohen Zinsnachteilen des Landes.

13.3 Das FM hat keine Einwendungen gegen den Beitrag erhoben.