Personaleinsatz in der Verwaltungsgerichtsbarkeit [Beitrag Nr. 10]

In der Verwaltungsgerichtsbarkeit können insgesamt 37 Stellen abgebaut werden. Die zeitlich befristeten Wegfallvermerke sollten deutlich reduziert werden.

1 Ausgangslage

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit stand in den letzten Jahren vor allem wegen des starken Asylbewerberzugangs vor großen Herausforderungen. Den Anfang der 90er Jahre enorm ansteigenden Verfahrenszahlen wurde mit einem Maßnahmenpaket begegnet. Infolge des sog. Asylkompromisses ist die Zahl neuer Asylverfahren bei den Verwaltungsgerichten von über 30 000 im Jahr 1993 auf rd. 14 000 im Jahr 1998 zurückgegangen. Das Verfahrensrecht wurde insbesondere durch Zulassungsverfahren für Rechtsmittel und die Ausweitung des Einzelrichtereinsatzes verändert. Die Ablauforganisation in den Gerichten konnte durch die Bildung von Service-Einheiten im Unterstützungsbereich verbessert werden. Die früher vorhandenen Defizite beim DV-Einsatz, auf die der RH in seiner Denkschrift 1994 Nr. 8 hingewiesen hatte, wurden abgebaut.

Im personellen Bereich wurden der Verwaltungsgerichtsbarkeit 1990 zusätzliche 20 Stellen und 1992 weitere 64 Stellen zur Verfügung gestellt. Nachdem in den Folgejahren wieder 18 Stellen abgebaut wurden, waren im StHpl. 1999 zunächst noch 444,5 Stellen etatisiert. Im Nachtrag zum StHpl. 1999 ist die Streichung von weiteren elf Stellen auf 433,5 Stellen enthalten. Bereits seit 1984 wurden zahlreiche Stellen mit zeitlich befristeten kw-Vermerken versehen, deren Befristung wiederholt verlängert werden mußte. Die Ausweisung befristeter kw-Vermerke bei 88 Stellen im Nachtrag zum StHpl. 1999 bringt Probleme in der Personalplanung und Stellenbewirtschaftung mit sich; viele Bedienstete haben keine verläßliche Berufsperspektive.

Die ergriffenen Maßnahmen haben ihr Ziel erreicht. Der „Asylberg“ wurde inzwischen in erheblichem Umfang abgetragen. So konnte die Zahl der bei den Verwaltungsgerichten anhängigen Asylverfahren seit ihrem Höchststand mit 21 800 Verfahren im März 1995 auf rd. 14 400 zum 31.12.1998 reduziert werden. Die zunehmende Normalisierung der Geschäftsbelastung in der Verwaltungsgerichtsbarkeit war für den RH Anlaß, deren Stellenausstattung auf der Basis einer Organisationsuntersuchung zu überprüfen. Dabei wurden aktuelle Kennzahlen für den künftigen Personalbedarf des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) und der vier Verwaltungsgerichte in Freiburg, Karlsruhe, Sigmaringen und Stuttgart ermittelt.

2 Verwaltungsgerichtshof

2.1 Allgemeines

2.1.1 Der VGH ist nach dem StHpl. 1999 mit insgesamt 105,5 Stellen ausgestattet (s. Übersicht 1). Die Stellenzahl blieb seit 1990 im wesentlichen unverändert.

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Im Nachtrag zum StHpl. 1999 wurden drei Richterstellen, drei Stellen für Angestellte und eine Arbeiterstelle gestrichen. Beim VGH wurden 1998 lediglich 93 Bedienstete tatsächlich eingesetzt. Die Differenz ergibt sich aus unbesetzten Stellen, Beurlaubungen und Abordnungen zu anderen Dienststellen. Von den 57 Richterstellen waren 54 besetzt.

2.1.2 Beim VGH ist zum 01.01.1997 durch die 6. VwGO-Novelle eine wesentliche Änderung des Verfahrensrechts eingetreten. In allgemeinen Verwaltungsrechtssachen (VRS-Verfahren) wurde zur Beschränkung der Rechtsmittel ein „Zulassungsverfahren“ eingeführt, das bereits bei Berufungen in Asylverfahren gilt. Danach entscheidet der VGH gemäß §§ 124, 124 a, 146 VwGO über die Zulassung eines Rechtsmittels. Nur bei zugelassenen Rechtsmitteln wird das Verfahren fortgeführt. Die Zulassungsquote lag 1998 in VRS-Verfahren bei 19 % und in Asylverfahren bei 8 % der Anträge.

2.1.3 Der Geschäftsanfall ist - gemessen an den Verfahrenseingängen - seit 1994 zurückgegangen (s. Übersicht 2).

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Bei der Zahl der VRS-Verfahren wirkt sich seit 1997 die 6. VwGO-Novelle aus. Seitdem werden bei VRS-Verfahren wie bei den Asylverfahren sowohl die Zulassungsanträge als auch die zugelassenen Rechtsmittel als Verfahrenseingänge gezählt. Wenn man diese Doppelzählung - zum besseren Vergleich mit der alten Rechtslage - nicht vornimmt, d. h. die zugelassenen Rechtsmittel von der Gesamtzahl der VRS-Verfahren abzieht, ergeben sich die in Übersicht 2 dargestellten bereinigten Werte.

Der RH geht davon aus, daß für die aktuelle Personalausstattung des VGH die Verfahrenseingänge 1998 zugrunde gelegt werden können. Bei den VRS-Verfahren war dies das erste Jahr, in dem sich nach einer einjährigen Übergangszeit die Verfahrensänderungen voll ausgewirkt haben. Bei den Eingangszahlen im Asylbereich ist zu berücksichtigen, daß diese seit 1994 rückläufig sind und auch die Asylverfahren bei den Verwaltungsgerichten abnehmende Tendenz aufweisen.

2.2 Richter

2.2.1 Die auf Bund-/Länderebene bestehende sog. Pensenkommission hat für den Richterbedarf in der Verwaltungsgerichtsbarkeit bislang lediglich vorläufige Bemessungszahlen erarbeitet. Danach würde sich derzeit ein rechnerischer Mehrbedarf an Richtern ergeben. Diese Bundespensen sind überholt und stellen keine geeignete Grundlage für eine Personalbedarfsberechung dar. Bestrebungen der Justizministerkonferenz, aktuelle Kennzahlen für den Richterbedarf auf der Basis analytischer Verfahren zu erarbeiten, werden vom RH begrüßt.

2.2.2 RH und VGH haben den Richterbedarf beim VGH jeweils für sich und auf unterschiedliche Weise neu berechnet und die Ergebnisse eingehend erörtert. Zuletzt wurde auf der Basis der Eingangszahlen 1998 übereinstimmend ein Personalbedarf von 47 Richtern angenommen. Dabei entfallen 35,5 Richter auf den Bereich der VRS-Verfahren bei einem Bedarf von 11,5 Richtern für Asylverfahren.

Der VGH hat seiner Berechnung für die VRS-Verfahren differenzierte Bewertungszahlen je Berichterstatter für die einzelnen Verfahrensarten nach der neuen Rechtslage zugrunde gelegt. Der RH ist von den bisherigen Erledigungszahlen je Richter ausgegangen: In den Jahren 1994 bis 1996 wurden je Richter im Durchschnitt 67 VRS-Verfahren nach alter Rechtslage erledigt. Diese Erledigungszahlen waren relativ konstant. Bei 35,5 für diesen Bereich eingesetzten Richtern ergibt sich durch die neue Rechtslage nach den Eingangszahlen 1998 mit 74 Verfahren je Richter eine um rd. 10 % erhöhte Kennzahl. Dies erscheint in Anbetracht der veränderten Verfahrensstruktur vertretbar.

Der Bedarf von 11,5 Richtern für Asylverfahren wird vom VGH auf Grund konkreter Bewertungen der Arbeitsbelastung der Richter im Jahr 1998 als aktueller tatsächlicher Einsatz beansprucht. Bei 2 825 Verfahrenseingängen im Jahr 1998 und 11,5 Richtern errechnet sich danach ein Durchschnitt von 246 Verfahren je Richter. Legt man die Erledigungszahlen der Jahre 1994 bis 1997 zugrunde, so ergeben sich in dieser Zeit durchschnittlich 316 Verfahren je Richter. Die Erledigungszahlen je Jahr schwankten dabei allerdings stark zwischen 271 und 417 Verfahren. Der RH erhebt gegen den vom VGH geltend gemachten aktuellen Bedarf keine Einwendungen, weil in diesem Bereich Durchschnittswerte wegen der wechselnden Verfahrensstruktur und des dargelegten hohen Engagements der Richterschaft keinen verläßlichen Maßstab für die Folgejahre abgeben können.

2.2.3 Von den im StHpl. 1999 für den VGH ausgewiesenen 57 Richterstellen können nach Auffassung des RH zehn Richterstellen gestrichen werden.

Im Nachtrag zum StHpl. 1999 wurde der Abbau von drei Richterstellen bereits vollzogen. Das JuM beabsichtigt, weitere zwei Stellen im Zuge des Stellenabbauprogramms zum 31.12.1999 zu streichen. Drei Stellen sollen im StHpl. 2000/2001 in Stellen für Richter am Verwaltungsgericht umgewandelt und die verbleibenden zwei Stellen bis 31.12.2001 abgebaut werden.

2.3 Nichtrichterlicher Bereich

2.3.1 Von den sechs Stellen im höheren und gehobenen Dienst können nach den Prüfungsergebnissen des RH 0,5 Stellen in Abgang gestellt und weitere 0,5 Stellen mit einem „ku-Vermerk“ versehen werden.

Das JuM hat darauf hingewiesen, daß für die Einführung der dezentralen Budgetverantwortung bis zum 31.12.2000 ein zusätzlicher Bedarf von 0,5 Stellen besteht und insoweit ein befristeter kw-Vermerk ausgebracht werden soll. Gegen den Umwandlungsvermerk bestehen seitens des JuM keine Bedenken.

2.3.2 Für die Unterstützungskräfte im Geschäftsstellen- und Schreibdienst (Angestellte und Beamte des mittleren Dienstes) hatte der VGH 1994 auf der Grundlage von Erfahrungswerten Kennzahlen für den Personalbedarf in Rechtssachen festgelegt. Der RH hat 1998 auf der Basis einer Organisationsuntersuchung eine analytische Personalbedarfsberechnung durchgeführt. Bei der Personalbedarfsberechnung wurden die mittleren Bearbeitungszeiten von neun Verfahrensarten ermittelt. Hierzu wurden die Verfahrensarten in bis zu 27 Bearbeitungsschritte gegliedert. Der Zeitbedarf für diese Bearbeitungsschritte wurde durch strukturierte Interviews und Selbstaufschriebe der Bediensteten festgestellt. Weiter wurde insbesondere durch repräsentative Aktenauswertungen erhoben, wie häufig die einzelnen Bearbeitungsschritte je Verfahren im Durchschnitt vorkommen.

Das JuM hat begrüßt, daß der RH in einer umfänglichen, die Praxis mit einbeziehenden Untersuchung fundierte Kennzahlen für die Berechnung des Personalbedarfs im Unterstützungsbereich ermittelt hat. Die Verfahrensweise und die Ergebnisse der Untersuchung werden weitgehend akzeptiert.

Die Ergebnisse der Personalbedarfsberechnung des RH werden in Übersicht 3 jeweils für die VRS- und Asylverfahren zusammengefaßt dargestellt und mit den früheren Erfahrungswerten des VGH verglichen.

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Der vom RH analytisch ermittelte Zeitbedarf von 245 Minuten für VRS-Verfahren und 224 Minuten für Asylverfahren beinhaltet alle Tätigkeiten der Unterstützungskräfte einschließlich erforderlicher Zuschläge, z.B. für Verteilzeiten. Er kann daher als Kennzahl für künftige Personalbedarfsberechnungen dienen.

Der 1998 ermittelte und gegenüber 1994 wesentlich geringere Zeitaufwand der Unterstützungskräfte in Rechtssachen hat im wesentlichen folgende Ursachen:

  • Die weniger arbeitsintensiven Antragsverfahren haben die Arbeit des VGH 1994 in weit geringerem Umfang bestimmt als dies heute der Fall ist.
  • Der DV-Einsatz wurde insbesondere bei der Textbearbeitung deutlich ausgeweitet.

2.3.3 Auf der Basis der vom RH in Rechtssachen ermittelten Kennzahlen und des vom VGH beanspruchten Personalbedarfs für Verwaltung ergibt sich im Jahr 1998 ein rechnerischer Gesamtbedarf für Unterstützungskräfte von 25,5 Stellen (s. Übersicht 4).

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Von den im StHpl. 1999 für den VGH ausgebrachten 36,5 Stellen für Unterstützungskräfte können 11,5 Stellen gestrichen werden. Hierbei ist die Entlastung durch 0,5 Stellen des gehobenen Dienstes, für die ein ku-Vermerk auszubringen ist, berücksichtigt. Zum Zeitpunkt der Prüfung waren beim VGH nur noch 27,5 Bedienstete tatsächlich im Einsatz.

Im Nachtrag zum StHpl. 1999 wird der Abbau von drei Stellen für Angestellte bereits vollzogen. Das JuM will den weiteren Stellenabbau im wesentlichen bis zum 31.12.2000 realisieren.

2.4 Stellenabbau beim Verwaltungsgerichtshof

Die vom RH vorgeschlagene Stellenreduzierung beim VGH beträgt mit insgesamt 22 Stellen rd. 21 % der im StHpl. 1999 ausgebrachten 105,5 Stellen. Sie übersteigt damit den Umfang der im StHpl. ausgewiesenen zehn kw-Stellen erheblich.

3 Verwaltungsgerichte

3.1 Allgemeines

3.1.1 Die Verwaltungsgerichte sind nach dem StHpl. 1999 mit insgesamt 339 Stellen ausgestattet (s. Übersicht 5).

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Im Nachtrag zum StHpl. 1999 wurden vier Richterstellen abgebaut.

Bei den Verwaltungsgerichten waren 1998 tatsächlich nur rd. 330 Bedienstete eingesetzt.

Die Stellenausstattung bei den Verwaltungsgerichten hat sich 1999 mit 339 Stellen gegenüber 1990 um 46 Stellen erhöht. Der Personalhöchststand war 1992 bis 1994 mit 178 Richterstellen und 179 Stellen für den nichtrichterlichen Dienst, insgesamt 357 Stellen, erreicht.

3.1.2 Die vergangenen Jahre waren bei den Verwaltungsgerichten im organisatorischen und verfahrensrechtlichen Bereich von folgenden Änderungen geprägt:

  • Für die Durchführung der Asylverfahren waren bis 1991 nur die Verwaltungsgerichte Karlsruhe und Stuttgart zuständig. Wegen der starken Zunahme der Asylverfahren wurde die Zuständigkeit ab 01.01.1992 auf alle vier Verwaltungsgerichte in Baden-Württemberg ausgedehnt. Innerhalb der Verwaltungsgerichte bestehen derzeit keine reinen Asylkammern mehr, so daß alle 50 Kammern bei den Verwaltungsgerichten auch mit Asylsachen betraut sind.
  • Die Verwaltungsgerichte haben im Unterstützungsbereich Service-Einheiten gebildet und den DV-Einsatz erheblich intensiviert.
  • Nachdem bereits zuvor ein verstärkter Einsatz des Einzelrichters in Asylverfahren im Asylverfahrensgesetz verankert worden war, hat der Bundesgesetzgeber zum 01.03.1993 auch in VRS-Verfahren die Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter als gesetzlichen Regelfall vorgesehen. Eine Übertragung soll regelmäßig dann erfolgen, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und keine grundsätzliche Bedeutung hat. Ein Richter auf Probe darf im ersten Jahr nach seiner Ernennung nicht Einzelrichter sein.

3.1.3 Der Geschäftsanfall bei den Verwaltungsgerichten unterlag in den letzten Jahren großen Schwankungen (vgl. Übersicht 6). Prognosen über die künftige Entwicklung sind daher nur schwer möglich.

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Der Zugang an Asylverfahren hatte 1993 mit über 30 000 Verfahren seinen absoluten Höhepunkt erreicht. Demgegenüber hat er sich im Jahr 1998 mehr als halbiert. Die Verfahrenseingänge bei den VRS-Verfahren waren unterschiedlich hoch. Der deutliche Zuwachs im Jahr 1997 ist insbesondere auf Ausländersachen von Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien zurückzuführen.

Im VRS-Bereich waren in den Jahren 1996 bis 1998 durchschnittlich rd. 16 200 Eingänge/Jahr zu verzeichnen. Der RH hält - bei allen Unwägbarkeiten - diesen Wert für VRS-Verfahren als Ausgangsbasis für Personalbedarfsberechnungen für realistisch. Er entspricht nahezu den Verfahrenseingängen 1998. Im Asylbereich waren 1998 rd. 14 100 Verfahrenszugänge zu verzeichnen. In einer Stellungnahme an den Landtag vom 12.03.1997 hat das JuM das bei den Verwaltungsgerichten auf Dauer anzunehmende Volumen im Asylbereich auf 10 000 Verfahren geschätzt. Ob im Asylbereich für die Zukunft von rd. 14 100 oder von nur 10 000 Eingängen auszugehen ist, kann kaum prognostiziert werden. Der RH hat seinen Berechnungen deshalb zwei Varianten mit 10 000 und 14 100 Asylverfahren zugrunde gelegt.

3.1.4 Nach Auffassung des RH kann von einem „Asylberg“ nicht mehr gesprochen werden. Der Höchststand bei den anhängigen Asylverfahren war im März 1995 mit 21 800 erreicht worden. Seither konnte der Verfahrensbestand auf 14 392 zum 31.12.1998 reduziert werden. Bei 175 Richtern ergibt dies einen Bestand an anhängigen Verfahren von im Durchschnitt 82 Asylverfahren je Richter. Der Verfahrensbestand entspricht in etwa dem Jahreszugang 1998. Die Geschäftsbelastung hat sich weitgehend normalisiert.

3.2 Richter

3.2.1 Da auch für den Richterbedarf bei den Verwaltungsgerichten bisher weder geeignete Bewertungszahlen der sog. Pensenkommission noch analytisch ermittelte Kennzahlen vorliegen, hat der RH hilfsweise die durchschnittlichen Erledigungszahlen der vier Verwaltungsgerichte in den Jahren 1995 bis 1997 erhoben (s. Übersicht 7).

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Die unterschiedlichen Erledigungszahlen lassen sich allerdings kaum eindeutig bewerten. Eine undifferenzierte Orientierung am „Besten“ nach der Benchmarking-Methode scheidet hier deswegen aus, weil sich das Verwaltungsgericht Stuttgart wegen unterdurchschnittlicher Personalausstattung und hohem Erledigungsdruck in einer Ausnahmesituation befand. Dessen Ergebnisse können nicht als dauerhafter Maßstab für alle Gerichte herangezogen werden.

3.2.2 Der RH hat sich darauf beschränkt, eine Bandbreite des Richterbedarfs zu ermitteln. Hierbei wurde der Bedarf auf der Basis der Verfahrenseingänge 1998 mit rd. 14 100 Asylverfahren in drei Varianten errechnet, wobei alternativ das Gericht mit der niedrigsten Erledigungszahl, das Gericht mit der höchsten Erledigungszahl und der Durchschnitt aller vier Gerichte zugrunde gelegt wurde. Das Ergebnis ist in Übersicht 8 dargestellt.

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Im StHpl. 1999 sind bei den Verwaltungsgerichten 175 Richterstellen ausgebracht. Im Nachtrag zum StHpl. 1999 werden vier Richterstellen gestrichen. Nach der vom JuM beabsichtigten Umwandlung von drei Richterstellen am VGH in Richterstellen am Verwaltungsgericht stünden den Verwaltungsgerichten 174 Richterstellen zur Verfügung. Nach Auffassung des RH erscheint diese Stellenausstattung angesichts der dargelegten Bandbreite nach den Modellrechnungen vertretbar.

Das JuM hat darauf hingewiesen, daß sich der Richterbedarf für Verwaltungstätigkeiten durch die Einführung der dezentralen Budgetverantwortung und des Mitarbeitergesprächs um eine Stelle erhöhen wird. Auf der Basis der durchschnittlichen Erledigungszahl macht das Ministerium deshalb einen aufgerundeten Bedarf von 178 Richtern geltend und will bei Aufstellung des StHpl. 2000/2001 die Bereitstellung von vier zusätzlichen Richtern beantragen.

3.2.3 Im Falle eines Rückgangs auf 10 000 Asylverfahren würden gegenüber dem Personalbedarf 1998 nach den in Pkt. 3.2.2 dargestellten Varianten 13 - 17 Richter entbehrlich werden. Im StHpl. 1999 sind bei 49 Richterstellen kw-Vermerke ausgebracht. In Anbetracht des aufgezeigten Abbaupotentials bei 10 000 Asylverfahren sollten nach Auffassung des RH lediglich noch etwa 15 zeitlich befristete kw-Vermerke verbleiben. Soweit sich in den nächsten Jahren die Geschäftszahlen verringern, wären diese verbleibenden kw-Stellen zeitnah zu streichen. Die restlichen 34 kw-Vermerke sollten im Interesse einer verläßlichen Personalplanung entfallen und „Dauerstellen“ eingerichtet werden.

3.2.4 Bei den vier Verwaltungsgerichten sind inzwischen ausschließlich Kammern mit gemischter Zuständigkeit für VRS- und Asylverfahren eingerichtet. In VRS-Verfahren bestehen bei den Gerichten deutliche Unterschiede in der Geschäftsverteilung. Während beim Verwaltungsgericht Stuttgart die Zuweisung der Verfahren weitgehend nach Rechts- oder Sachgebieten erfolgt - sog. Fachkammerprinzip -, werden bei den anderen Verwaltungsgerichten in unterschiedlichem Umfang Verfahren nach regionaler Zuständigkeit verteilt. Das Fachkammerprinzip kann durch die Spezialisierung auf wenige Rechtsgebiete und die Häufung gleichgelagerter Verfahren zu höheren Erledigungszahlen führen. Die Bündelung von Verfahren eines Sachgebiets bei einer Kammer kann eine Übertragung auf den Einzelrichter fördern. Das Verwaltungsgericht Stuttgart weist die höchsten Erledigungszahlen und die höchste Einzelrichterquote auf. Bei den anderen Gerichten ist die Einzelrichterquote in VRS-Verfahren in Anbetracht der gesetzlichen Vorgaben teilweise erstaunlich niedrig.

Die Asylverfahren werden bei den vier Verwaltungsgerichten nach Herkunftsländern auf alle 50 Kammern verteilt. Bei den Verwaltungsgerichten fielen im Prüfungszeitraum Asylverfahren mit Bewerbern aus 46 - 95 Herkunftsländern an. Auf die überwiegende Zahl der Länder entfallen nur wenige Verfahren. Nach den statistischen Angaben über die Personalverwendung hat sich der durchschnittliche Arbeitszeitanteil der Richter an den Verwaltungsgerichten für Asylverfahren in Folge sinkender Eingangszahlen zwischen 1993 und 1997 von 43 % auf 33 % der Gesamtarbeitszeit vermindert. Bei einem Rückgang auf 10 000 Asylverfahren würde er nur noch etwa 22 % der Gesamtarbeitszeit betragen. Aus arbeitsökonomischen Gründen sollte nach Auffassung des RH bei weiter rückläufigen Verfahrenszahlen überdacht werden, ob an der Zuständigkeit aller Kammern auch für Asylverfahren festgehalten werden soll.

Das JuM weist darauf hin, die Geschäftsverteilung innerhalb der Gerichte falle ebenso wie die Übertragung von Verfahren auf den Einzelrichter in den Bereich der richterlichen Unabhängigkeit und sei einem Weisungsrecht des JuM entzogen.

3.3 Nichtrichterlicher Bereich

3.3.1 Der RH hat dem JuM empfohlen, im gehobenen Dienst eine der 16 Stellen einzusparen.

Nach Darstellung des JuM entsteht bei der Einführung der dezentralen Budgetverantwortung ab 1999 ein zusätzlicher Bedarf von einer Stelle. Eine Stellenreduzierung sei demnach nicht möglich.

3.3.2 Auch bei den Verwaltungsgerichten hat der RH 1998 eine analytische Personalbedarfsberechnung für Unterstützungskräfte durchgeführt (vgl. Pkt. 2.3). Die vier Verfahrensarten wurden bei den Verwaltungsgerichten in bis zu 28 Bearbeitungsschritte gegliedert und bewertet.

Für die Unterstützungskräfte der Verwaltungsgerichte hat der RH Kennzahlen für die einzelnen Verfahrensarten ermittelt, die in Übersicht 9 für VRS- und Asylverfahren zusammengefaßt dargestellt und mit den Erfahrungswerten des VGH aus dem Jahr 1994 verglichen werden.

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Der vom RH analytisch ermittelte Zeitbedarf von 301 Minuten für VRS-Verfahren und 316 Minuten für Asylverfahren beinhaltet auch bei den Verwaltungsgerichten alle Tätigkeiten der Unterstützungskräfte einschließlich erforderlicher Zuschläge. Er kann daher als Kennzahl für künftige Personalbedarfsberechnungen dienen.

Der nach der RH-Ermittlung gegenüber 1994 wesentlich geringere Zeitbedarf der Unterstützungskräfte in VRS-Verfahren liegt primär im deutlich ausgeweiteten DV-Einsatz begründet. Im Asylbereich, wo auch bisher schon intensiv DV - insbesondere bei der Textbearbeitung - eingesetzt wurde, war nur ein geringer Zeitunterschied festzustellen.

3.3.3 Auf der Basis der ermittelten Kennzahlen in Rechtssachen und des von den Verwaltungsgerichten beanspruchten Personalbedarfs für Verwaltung ergibt sich für 1998 ein rechnerischer Gesamtbedarf für Unterstützungskräfte von 124 Stellen (s. Übersicht 10).

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Nach Auffassung des RH können von den im StHpl. 1999 für die Verwaltungsgerichte insgesamt ausgebrachten und regelmäßig auch besetzten 139 Stellen für Unterstützungskräfte 15 Stellen gestrichen werden. Das JuM geht davon aus, daß für den Stellenabbau mindestens ein Zeitraum bis 31.12.2001 benötigt wird.

3.3.4 Falls die Asylverfahren in den kommenden Jahren auf 10 000 Eingänge zurückgingen, würde sich der Unterstützungskräftebedarf um weitere rd. 15 Stellen auf rd. 109 Stellen verringern. In diesem Umfang sollten weiterhin kw-Vermerke mit zeitlicher Befristung ausgebracht werden.

3.4 Stellenabbau bei den Verwaltungsgerichten

Die Stellenreduzierung bei den Verwaltungsgerichten beträgt bei derzeitigem Geschäftsanfall mit 15 Stellen rd. 4 % der im StHpl. 1999 ausgebrachten Stellen. Bei einem Rückgang auf 10 000 Asylverfahren könnten rd. 30 weitere Stellen gestrichen werden.

3.5 Dezentrale Budgetverantwortung

Derzeit wird in der Verwaltungsgerichtsbarkeit die dezentrale Budgetverantwortung eingeführt; das JuM macht hierfür einen zusätzlichen Personalbedarf von rd. zwei Stellen geltend. Eine umfassende Kosten- und Leistungsrechnung ist hierbei bislang nicht vorgesehen. Der Anteil der Personalkosten an den Gesamtausgaben der Verwaltungsgerichtsbarkeit beträgt 86 %. Der RH hält es für unverzichtbar, den tatsächlichen Arbeitszeitaufwand aller Bediensteten einschließlich der Richter zumindest nach den Verfahrensarten VRS- und Asylverfahren getrennt durch Zeitaufschriebe zu ermitteln, um den Zeitbedarf und damit auch den Personalaufwand verläßlicher als bisher beziffern zu können. Dadurch könnte auch die seitherige Veranschlagung des richterlichen Zeitaufwands für Asylverfahren nach dem geschätzten „tatsächlichen Einsatz“ abgelöst werden.

4 Gesamtergebnis

In der Verwaltungsgerichtsbarkeit können nach derzeitigem Geschäftsanfall 37 Stellen gestrichen werden, davon 22 Stellen beim VGH und 15 Stellen bei den Verwaltungsgerichten. Dies entspricht rd. 8 % des Stellenbestands nach dem StHpl. 1999. Von den im Nachtrag zum StHpl. 1999 gestrichenen elf Stellen entfallen sechs auf das vom RH aufgezeigte Abbaupotential von 37 Stellen. Die Verteilung des Abbaupotentials ist in Übersicht 11 dargestellt.

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Falls die Asyleingänge bei den Verwaltungsgerichten auf 10 000 Verfahren zurückgehen, können dort rd. 30 weitere Stellen (rd. 15 Richterstellen und rd. 15 Stellen für Unterstützungskräfte) abgebaut werden. Daher sollten bei den Verwaltungsgerichten nur noch in diesem Umfang kw-Stellen mit zeitlicher Befristung ausgebracht werden. Bei 34 Richterstellen und zwei Stellen für Unterstützungskräfte sollten die Wegfallvermerke gestrichen und „Dauerstellen" geschaffen werden.