Datenverarbeitung bei den Justizvollzugsanstalten [Beitrag Nr. 9]

Weder DV-Ausstattung noch Fachanwendungen bei den Justizvollzugsanstalten sind zeitgemäß. Das Ziel eines integrierten Informationssystems liegt noch in weiter Ferne. Die inzwischen eingeleiteten Maßnahmen lassen Verbesserungen erwarten.

1 Vorbemerkung

Baden-Württemberg verfügt über 18 Justizvollzugsanstalten (JVA) mit 34 Außenstellen, drei Jugendarrestanstalten, ein Justizvollzugskrankenhaus mit Krankenpflegeschule, eine Sozialtherapeutische Anstalt mit Außenstelle sowie eine Justizvollzugsschule.

Insgesamt waren 1998 im Strafvollzug 3 528 Personalstellen besetzt, davon 438 im Verwaltungsdienst. Die Anstalten hatten eine Belegungsfähigkeit von 8 065 Plätzen; deren Durchschnittsbelegung wird vom JuM mit 8 688 angegeben.

2 Sachstand

2.1 Entwicklung

Im Zeitraum von 1982 bis 1988 wurden alle JVA mit DV-Anlagen der mittleren Datentechnik ausgestattet. Eingesetzt wird eine Rechnerserie mit dem Multitasking-Betriebssystem MTOS. An den Rechnern sind zwischen 5 und mehr als 50 Bildschirmarbeitsplätze angeschlossen, die mit der Zentraleinheit der Anstalt über ein lokales Netz (LAN) verbunden sind. Seit 1995 werden die MTOS-Anlagen schrittweise durch UNIX-Client-Server-Systeme ersetzt, einer Nutzungskonzeption für verteilte Computersysteme in lokalen Netzen.

2.2 Aufwendungen

Von 1993 bis 1997 wurden für die DV im Strafvollzug insgesamt 10,6 Mio. DM ausgegeben, der Anteil für die Aufwendungen des DV-Personals beträgt 4,8 Mio. DM.

Lagen die monatlichen DV-Aufwendungen für einen Bildschirmarbeitsplatz 1994 noch bei 544 DM, so verringerte sich 1998 der Betrag um 50 % auf 272 DM. Bestimmende Faktoren für den Rückgang der Aufwendungen je Bildschirmarbeitsplatz sind der Preisverfall der Hardware, die langjährige Nutzung der MTOS-Anlagen und die Zunahme der mit Bildschirmen ausgestatteten Arbeitsplätze.

2.3 DV-Organisation und Personal

2.3.1 Die IuK-Leitstelle im Sinne des Landessystemkonzepts ist beim JuM in Abteilung I angesiedelt. Neben dieser Organisationseinheit ist für die Vollzugsanstalten in Abteilung IV eine ADV-Leitstelle eingerichtet; sie ist mit drei Personen besetzt. Diese spezielle Leitstelle ist Projektträger und zugleich Projektentwicklungsstelle für Planung, Entwicklung, Koordination und Einführung neuer Hard- und Softwarekonzeptionen und bewirtschaftet für den Strafvollzug das IuK-Budget. Darüber hinaus ist sie für Anwendungsprogrammierung, Datenbankmanagement, Anwenderbetreuung sowie für Aus- und Fortbildung zuständig.

Unterhalb der Ministeriumsebene existiert beim Oberlandesgericht Stuttgart für den Justizbereich die Gemeinsame DV-Stelle Justiz. Ihr obliegen die Entwicklung, Ausführung und Pflege von DV-Projekten im engen Benehmen mit dem Projektträger und den beteiligten Geschäftsbereichen. Für den Justizvollzug ist diese Stelle bisher nicht zuständig.

2.3.2 In allen JVA sind Bedienstete des mittleren Dienstes als lokale Systemverwalter und Benutzerbetreuer eingesetzt. Deren Schwerpunktaufgaben sind Datensicherung, Fehleranalyse und Behebung, Einrichtung neuer Programme, Verwaltung von Zugangsberechtigungen und Systemkonstanten, Schulung der Anwender sowie die Datenfernverarbeitung.

In den Anstalten waren 19 Personen mit den Aufgaben des Systemverwalters haupt- und nebenamtlich betraut. Der anteilige Personaleinsatz, so das JuM, betrage etwa 7,2 Personalstellen des mittleren Dienstes. Der tatsächliche Aufgabenumfang ist schwer zu erfassen, da Statistiken über deren Belastung fehlen.

Die Systemverwalter sind ausnahmslos für die DV-Tätigkeiten angelernt worden; ihre DV-Kenntnisse haben sie zu einem nicht unerheblichen Teil durch Eigeninitiative erworben. Jährlich wird dieser Personenkreis in einer 3-tägigen Informationsveranstaltung über die neuesten Entwicklungen im Informationssystem Strafvollzug unterrichtet und bei Bedarf in Anwendungsprogrammen geschult. In den vergangenen zwei Jahren wurden die Systemverwalter in den Bereichen UNIX, Windows NT sowie hinsichtlich des Landesverwaltungsnetzes (LVN) zusätzlich fortgebildet, soweit die Einführung dieser Techniken in deren Anstalten anstand.

2.3.3 Im Fortbildungsangebot des JuM für 1998 findet sich für die DV-Benutzer eine Veranstaltung EDV für den allgemeinen Justizvollzugsdienst. Dort werden die Teilnehmer über Inhalt und Möglichkeiten moderner Zellenbelegungsprogramme, Geschäftsstellenprogramme u.ä. informiert. Im Bedarfsfall, meist wenn neue Hard- oder Software eingeführt wird, ist vorgesehen, die Benutzer aller JVA in die Anwendung der Fachprogramme einzuweisen.

2.4 Hard- und Software

2.4.1 Im Justizvollzug gab es 1998 23 DV-Anlagen (MTOS und UNIX) und 525 Bildschirme. Bis zum Jahresende 1999 müssen die MTOS-Anlagen außer Betrieb genommen werden, da sie nicht Jahr-2000-fähig sind. Der Justizvollzug soll dann mit UNIX-Zentren in acht Anstalten und einer UNIX-Anlage beim JuM sowie 713 Bildschirmen ausgestattet sein. Die übrigen Anstalten und deren Außenstellen werden über das LVN an die Zentren angeschlossen.

Die derzeitige Hardware-Ausstattung der Anstalten ist äußerst verschieden. Der Bildschirmausstattungsgrad beträgt beispielsweise in der JVA Adelsheim 5,0 %, in der 1998 neu bezogenen JVA Schwäbisch Hall 37,4 %, bezogen auf alle Personalstellen.

2.4.2 Für die UNIX-Anlagen wurde das nach dem einschlägigen Regelwerk vorgesehene Abnahmeverfahren mit Funktionsprüfung und Mitteilung der Betriebsbereitschaft nicht durchgeführt. Somit sind Beginn und Ende der Gewährleistungsfrist nicht eindeutig festgesetzt. Das JuM hat die Anlagen gleichwohl vollständig bezahlt, ein Einbehalt wurde nicht vorgenommen.

Hinsichtlich einzelner Ausgaben für PC-Einzelteile und Kundendienstleistung blieb unklar, ob eine Zahlungspflicht der Justiz besteht oder ob die Vertragspartner die Leistung unentgeltlich hätten erbringen müssen. Auf die Einhaltung vereinbarter Reaktionszeiten hat das JuM nicht immer bestanden.

Das JuM teilte mit, daß mittlerweile für die vor 1999 gelieferten UNIX-Anlagen das Abnahmeverfahren mit Funktionsprüfung und Mitteilung der Betriebsbereitschaft nachgeholt worden sei. Im Hinblick auf die im Jahr 1999 neu zu installierenden UNIX-Anlagen werde die Einhaltung der vorgeschriebenen Verfahren sichergestellt.

2.4.3 Den Vollzugsanstalten steht eine breit gefächerte Softwarepalette zur Verfügung, die derzeit noch den Einsatz von fünf verschiedenen Betriebssystemen (MTOS, Windows 3.11, Windows 95, Windows NT, UNIX) bedingt. Das DV-Personal muß Rechner mehrerer Generationen von verschiedenen Herstellern mit unterschiedlichen Betriebssystemen betreiben, was einen hohen Zeit- und Pflegeaufwand zur Folge hat.

Bis zum Jahresende 1999, so das JuM, würden noch drei Betriebssysteme verbleiben. Nach den getroffenen Grundsatzentscheidungen lasse sich eine weitere Vereinheitlichung allenfalls langfristig erreichen.

Die verwendete Software wird generell in sächliche und gefangenenbezogene Anwendungen klassifiziert. Die sächlichen Programme sind erworbene Standard-Programmpakete, die den Bedürfnissen des Strafvollzugs angepaßt wurden; die gefangenenbezogenen Programme sind Eigenprogrammierungen. Die Software wurde überwiegend Mitte der 80er Jahre entwickelt und ist aus heutiger Sicht umständlich und wenig bedienerfreundlich. Je Anstalt werden mehr als 40 verschiedene Programme und Softwarebausteine eingesetzt. Hinzu kommen Anwendungen bei den Werkstätten, die von Mitarbeitern unmittelbar für ihre spezielle Aufgaben entwickelt wurden.

Die Fachanwendungen sind partiell nicht auf dem Stand der Technik und bieten z.T. nur wenig Unterstützung für die Bearbeiter. Diese erleben die DV in mancher Hinsicht nicht als Entlastung, sondern belastend, da sie viele Gefangenendaten weiterhin zusätzlich manuell führen müssen. Medienbrüche in der Verfahrensanwendung, die fehlende Datenintegration sowie die mehrfache Datenerfassung bewirken einen überhöhten Arbeitsaufwand. Die Sachbearbeiterunterstützung ist verbesserungsbedürftig.

2.4.4 Das Problem der Jahr-2000-Umstellung wurde erst im Dezember 1997 thematisiert. Das JuM registrierte, daß eine Vielzahl von Programmen nach dem Jahrtausendwechsel nicht mehr lauffähig sein werden oder nur mit hohem Aufwand lauffähig gemacht werden können. Die ursprünglich veranschlagten Haushaltsmittel reichten für die rechtzeitige Verwirklichung einer Neukonzeption nicht aus.

2.4.5 Die Konzeption des JuM, alle MTOS-Altanlagen durch UNIX-Anlagen abzulösen, erforderte die schrittweise Portierung der vorhandenen Anwendungen auf das UNIX-Betriebssystem. Die Programme wurden durch die ADV-Leitstelle ohne Optimierung der Verwaltungsabläufe und der Programmlogik ausschließlich deckungsgleich entsprechend der alten Programmstruktur umgesetzt.

2.4.6 Für die Einführung neu entwickelter oder geänderter DV-Verfahren sind formelle Freigabeverfahren erforderlich. Sie dienen der formalen und materiellen Qualitäts- und Ablaufsicherung von Verfahren sowie der zeitlichen Nachweisführung für die in den produktiven Einsatz übergebenen Versionen. Der Software-Entwicklungsprozeß für die gefangenenbezogenen Programme läuft aber weitgehend ungeregelt ab. Dem Programmierer blieb es bisher weitgehend selbst überlassen, welche Programmänderungen vorgenommen, dokumentiert und freigegeben werden. Aufträge wurden meist allgemein, häufig formlos und mündlich an die ADV-Leitstelle gegeben. Ein geregeltes und schriftlich dokumentiertes Freigabeverfahren wurde bisher nicht realisiert.

2.5 Datenaustausch

Der DV-Datenaustausch innerhalb den JVA und deren Außenstellen ist bisher nur begrenzt, zwischen ihnen und mit anderen staatlichen Stellen überhaupt nicht möglich, da die Anstalten erst seit 1999 schrittweise an das LVN angeschlossen werden.

Wird ein Gefangener in eine andere Vollzugsanstalt verlegt, so ist in der aufnehmenden Anstalt erneut eine DV-Erfassung der Stammdaten erforderlich. Die Akte des Gefangenen wird in Papierform an die aufnehmende Vollzugsanstalt weitergegeben; die bereits vorhandenen DV-Daten werden bisher nicht mittels Datenträger übergeben.

Alle Vollzugsanstalten verfügen über eine eigenständige Datenhaltung. Sie bauen selbständig ihre Dateien auf und pflegen diese. So müssen in sämtlichen gefangenenbezogenen Programmen die Grunddaten wie Name, Geburtsdatum, Familienstand jeweils neu erfaßt und eingegeben werden. Erheblicher Zeitaufwand durch Mehrfacherfassung sowie inkonsistente Veränderung von Daten sind die Folge der Verfahrensvielfalt. Viele Gefangenendaten sind bereits vor der Inhaftierung bei Stellen aus dem Geschäftsbereich des JuM gespeichert; auch ein Datenverbund mit diesen wäre möglich, ist bisher aber nicht geplant.

Das JuM will für den Fall der Verlegung von Gefangenen nun den Austausch der Gefangenenstammdaten zwischen den JVA im Wege der Datenfernübertragung realisieren. Die hierfür - ebenso wie für einen sinnvollen Austausch von Datenträgern - erforderliche Datenselektions- und Übertragungssoftware läge derzeit nicht vor. Ihre Erstellung sei bis Ende 1999 geplant.

2.6 Ausschreibungsverfahren, Wirtschaftlichkeitsrechnungen

Das JuM führte 1993 eine Erkundung des möglichen Bewerberkreises zur Ablösung des MTOS-Systems durch und wählte die beschränkte Ausschreibung. Drei Firmen reichten Angebote für die geplante Ersatzbeschaffung ein. 1994 traf das Ministerium den Systementscheid. Kernpunkte der Umstellungsstrategie waren die Forderungen nach einer Portierung der bisher eingesetzten Programme auf das neue System sowie die Weiterverwendung der vorhandenen Hardware (Bildschirme, Drucker und Netzsteuergeräte) in dem neuen Client-Server-Konzept.

Mit dem Angebot, die vorhandenen Peripheriegeräte in das neue System zu integrieren, rückte der bisherige DV-Ausstatter des Justizvollzugs, obgleich bei den Neugeräten der teuerste Bieter, an die erste Stelle und erhielt den Zuschlag. In das neue System wurden die Altgeräte dann doch nicht eingebunden, abgesehen von kurzzeitigen experimentellen Ausnahmen beim Justizvollzugskrankenhaus und bei der Sozialtherapeutischen Anstalt.

Das JuM hatte mit der Einbindungsoption ein Ausschlußkriterium definiert und seine Entscheidung maßgeblich darauf gestützt. Die Minderausgaben wurden nicht realisiert, der Vertrag wurde im Vergleich zu den angebotenen Alternativen im Ergebnis um rd. 480 000 DM teurer. Richtig wäre gewesen, die Ausschreibung aufzuheben und ohne Einbindungsoption zu wiederholen.

Das JuM teilte hierzu mit, die Darstellung, der Systementscheid habe ausschließlich oder auch nur vorrangig seine Begründung auf die Einbindungsoption gestützt, sei verkürzt. Ausschlaggebend sei gewesen, daß nur der bisherige Lieferant ein Umstellungsprogramm vom MTOS-Betriebssystem auf UNIX zur Verfügung stellen konnte, um die angebotene UNIX-Variante auf den Altnetzen in den Anstalten zu betreiben. Auch seien die vom RH ermittelten Mehrkosten lediglich eine theoretische Hochrechnung; andere Lösungen hätten höhere Folgekosten nach sich gezogen.

3 Externe Beratung

Eine Unternehmensberatung stellte 1994/1995 bei einer aufgabenkritischen Organisations- und Wirtschaftlichkeitsuntersuchung der Verwaltungsabläufe in den JVA fest, daß der Datenverarbeitung eine Schlüsselstellung für die Effizienz der Verwaltung in den Vollzugsanstalten zukomme; kurze, abteilungs- und anstaltsübergreifende Kommunikations- und Entscheidungswege seien unbedingt erforderlich. Das Gutachten kam ferner zu dem Ergebnis, daß die Ansprüche an eine funktionierende Datenverarbeitung mit den veralteten DV-Anlagen nicht mehr erfüllt werden könnten und deshalb die Beschaffung moderner, leistungsfähiger Hardware sowie die grundlegende Modifikation der vorhandenen Softwareprogramme unumgänglich sei. Dadurch könne eine Personalreduzierung um 83 Stellen erreicht werden.

Zur technischen Konkretisierung der Empfehlungen hat das JuM seinen bisherigen Lieferanten beauftragt, eine Studie zur Vorgehensweise bei der Systemanpassung in den JVA des Landes Baden-Württemberg zu erarbeiten. Dieses Kurzgutachten vom Juli 1997 sieht vor, alle JVA mit einer eigenen UNIX-Anlage mit Client-Server-Architektur auszustatten und alle vorhandenen MTOS-Programme zu portieren.

Beide Gutachten, die zusammen 452 709 DM gekostet haben, bildeten die Grundlage für das weitere Vorgehen der ADV-Leitstelle im Projekt Informationssystem Strafvollzug; die hierfür notwendigen Investitionsmittel wurden auf 11,5 Mio. DM geschätzt.

4 Konzept

In den Jahren 1997/1998 zeichnete sich ab, daß die angestrebte Ausstattung aller Vollzugsanstalten mit UNIX-Anlagen und die vollständige Verkabelung der Einrichtungen mit den zur Verfügung stehenden Mitteln erst im Jahr 2001 zu erreichen sein würde.

Zusätzlich stellte das JuM fest, daß mit den bisher betriebenen MTOS-Anlagen und ohne Verkabelungsmaßnahmen in zehn Vollzugsanstalten der Dienstbetrieb nach dem Jahrtausendwechsel nicht aufrecht zu erhalten sei. Diese Gegebenheit sowie fehlende Haushaltsmittel und der Zwang, die auf UNIX zu portierenden Programme bis Ende 1999 einzuführen, haben im Jahr 1998 zu einer Verschlankung der bisherigen Ausstattungskonzeption geführt. Die Neukonzeption beinhaltet folgende Schritte:

  • Bildung von insgesamt acht UNIX-Zentren mit Anbindung der übrigen Anstalten und sämtlicher Außenstellen über das LVN;

dies bedeutet:

  • Beschaffung von drei weiteren UNIX-Anlagen mit PC und Drucker sowie Erhöhung der Leistungsfähigkeit der fünf vorhandenen Anlagen;
  • Erneuerung oder Vervollständigung der lokalen Netzwerke in acht JVA;
  • Entwicklung und Umsetzung einer Konzeption zum Datenaustausch zwischen den JVA und mit dem JuM;
  • Entwicklung und Umsetzung einer Konzeption zur Administration und Betreuung.

Dieses Konzept wird seitdem umgesetzt. Bis Jahresende 1999 sollen sämtliche JVA untereinander und mit dem JuM in vollem Umfang vernetzt sein. Ab dem Jahr 2000 soll die grundlegende Neukonzeption der DV-Verfahren angegangen werden.

Das JuM hat hierzu eine Arbeitsgruppe zur Optimierung der Verwaltungsabläufe im Justizvollzug unter Berücksichtigung der DV eingerichtet, die im Mai 1999 erstmals tagte. Deren Aufgabe ist es unter anderem, die überfällige Neukonzeption der in den JVA eingesetzten Software vorzubereiten.

Trotz Neuplanung werden weiterhin mindestens zwei verschiedene Betriebssysteme verwendet. Der auf mehrere Jahre ausgelegte und sachlich nicht unbedingt zwingende Parallelbetrieb von Windows NT und UNIX hat einen erhöhten Betreuungsaufwand zur Folge. Bisher gibt es seitens des Ministeriums lediglich allgemeine Absichtserklärungen für die Anpassung der Software. Konkrete Planungen, welche Ziele auf welche Weise und bis zu welchem Zeitpunkt erreicht werden sollen, liegen nicht vor.

Aus der unter Zeitdruck getätigten Einführung der auf UNIX portierten Anwendungen ohne inhaltlicher Weiterentwicklung ergeben sich zwangsläufig Nachteile.

5 Bewertung

Das Konzept des JuM, gestützt auf den Empfehlungen zweier Gutachten, jede Justizvollzugsanstalt mit einer eigenen UNIX-Anlage auszustatten, war ein überzogener und unwirtschaftlicher Ansatz, der rd. 11,5 Mio. DM gekostet hätte. Obwohl das JuM für den Justizvollzug von 1995 bis 1998 nur rd. 4,7 Mio. DM Investitionsmittel erhielt, hat es an diesem Vorhaben zu lange festgehalten. Die Neukonzeption, ausgelöst durch die Jahr-2000-Problematik, wurde erst Mitte 1998 erarbeitet und führt zu einer Kostenreduzierung. Diese Vorgehensweise hat zur Folge, daß unter erheblichem Zeitdruck die sofortige Umstellung der Hardware bei gleichzeitiger Bewältigung des Jahr-2000-Problems erreicht werden muß. Die Anwender sind weiterhin gezwungen, mit benutzerunfreundlichen und wenig optimierten Programmen zu arbeiten. Die Umsetzung dieser neuen Konzeption erscheint realistischer als die vormalige.

5.1 Seit 1993 wurden mehr als 10 Mio. DM für ein rudimentäres Auskunfts- und Informationssystem ausgegeben, ohne daß die Wirtschaftlichkeit der Investitionen nachgewiesen werden kann. Das Ziel eines integrierten Informationssystems für den Strafvollzug liegt noch in weiter Ferne. Einsparungen in Geld oder Personal hat die DV bisher nicht erbracht. Allerdings wurden Verbesserungen bei der aktuellen Informationsbeschaffung und der -aufbereitung innerhalb der Anstalten erreicht. Die Ausstattung der Anstalten mit DV-Arbeitsplätzen beeinflußt nur bedingt die Personalstärke. Die Erwartung mehr DV führt zu weniger Personal konnte bisher nicht belegt werden; die vom RH ermittelten Kennzahlen deuten eher auf einen gegenteiligen Effekt hin.

5.2 Ein strukturierter DV-Gesamtplan mit Meilensteinen, der an sich verändernde Rahmenbedingungen angepaßt und auf das finanziell und personell Machbare abgestimmt wird, ist in Ansätzen erst seit Anfang 1999 vorhanden. Vorkehrungen, daß Fehlentwicklungen und Fehlentscheidungen rechtzeitig erkannt und kurzfristig Änderungen durchgeführt werden können, sind nicht getroffen. Weder werden die Projektabläufe dokumentiert und überwacht, noch die Projektfortschritte inhaltlich, zeitlich und kostenmäßig an Vorgaben gemessen. Das Projekt wird nicht kontinuierlich durchgeführt.

5.3 Die ADV-Leitstelle entwickelte sich nach und nach zu einer kleinen Organisationseinheit, die für die IuK im Justizvollzug allzuständig ist und Aufgaben wie Planung/Konzeption, Haushalt, Beschaffung, Softwareentwicklung, Datenbankmanagement, Vernetzung, Benutzerbetreuung selbst bearbeiten will. Sie beschäftigt sich überwiegend mit der Umstellung auf eine andere Technik, weniger mit der Fortentwicklung oder Neugestaltung der Programme und DV-Systeme. Als Nebenleitstelle und weitere Projektentwicklungsstelle neben der Gemeinsamen DV-Stelle Justiz ist sie jedoch größenbedingt überfordert. Sie kann das DV-Spektrum in der notwendigen Breite und Tiefe nicht abdecken. Außer fehlenden Haushaltsmitteln sieht der RH in dieser unzweckmäßigen Organisationsstruktur die Ursache für den unbefriedigenden DV-Zustand im Justizvollzug.

5.4 Die Funktionsfähigkeit der Datenverarbeitung in den Anstalten beruht auf den Kenntnissen weniger, nicht ausreichend ausgebildeter Systemverwalter. Hieraus ergeben sich hohe Risiken.

5.5 Das Aus- und Fortbildungskonzept im Geschäftsbereich des JuM deckt die Belange der Informationsverarbeitung nur eingeschränkt ab. Die Personaleinsatzplanung in den Anstalten scheint so bemessen zu sein, daß mit Blick auf den täglichen Geschäftsablauf wenig Zeit für qualifizierende Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen in der DV verwendet wird.

5.6 Die DV-Ausstattung der Anstalten bleibt weit hinter den Planungen des JuM zurück, sie ist technisch veraltet. Der Bildschirmausstattungsgrad ist von Anstalt zu Anstalt unterschiedlich und insgesamt geringer als der Ausstattungsgrad anderer staatlicher Bereiche, auch innerhalb der Justiz.

In den zurückliegenden Jahren war auffällig, daß Anstalten mit einer überdurchschnittlichen Ausstattung an Bildschirmarbeitsplätzen meist auch über eine überdurchschnittliche Personalausstattung verfügten. Wegen der Besonderheiten der einzelnen Anstalten bleibt es offen, inwieweit ein innerer Zusammenhang zwischen der DV-Ausstattung und der Personalstärke besteht. Im JuM sind Kennzahlen für den DV-Bereich, z.B. Bildschirmausstattungsgrad in Relation zur Personalausstattung der Anstalten, als Grundlage für eine qualifizierte Analyse und Planung - trotz der auffallend breiten Streuung der Ausstattungswerte - nicht gebildet und Normwerte als Planungsgrundlage für die DV nicht definiert worden.

5.7 Ein geordnetes Freigabeverfahren ist eine Voraussetzung für die Ordnungsmäßigkeit und Sicherheit von Anwendungsverfahren. Der RH hat wegen gravierender Mängel der Dokumentation und der Sicherheit erhebliche Bedenken bezüglich der Ordnungsmäßigkeit der DV.

5.8 Viele Jahre nach Einrichtung des LVN wird dieses hier immer noch nicht zur Datenfernübertragung verwendet. Auch der Einsatz des automatisierten Haushalts-Management-Systems (HMS) ist noch nicht realisiert, obwohl bei etlichen Vollzugsanstalten inzwischen die technischen Voraussetzungen geschaffen sind.

Seit Ende März 1999 wird das LVN zur Datenfernübertragung zwischen einzelnen JVA genutzt. Nunmehr ist auch der Einsatz des automatisierten HMS vorgesehen.

5.9 Für die Umstellung auf die UNIX-Anlagen sowie der Portierung der Software liegen keine Pflichtenhefte vor. Es wurde nicht geprüft, ob die bisherigen Programme auch tatsächlich in der vorhandenen Vielzahl und Art benötigt werden und ob für die Eigenprogramme zwischenzeitlich Standardlösungen existieren. Für die Anwender in den Vollzugsanstalten ist bisher keine meßbare Erleichterung zu erkennen. In der Verfahrensanwendung gibt es keine bedeutsame Fortentwicklung, da die Gefangenenprogramme, welche die Anwender nur als bedingt tauglich bewerten, unterschiedslos auf UNIX umgestellt wurden. Eine grundlegende Aufgabenkritik unterblieb bisher. Durch die Übertragung der Daten und Programme vom alten auf das neue System wird wenig gewonnen, die softwarespezifischen Vorteile und die Verarbeitungsgeschwindigkeit des UNIX-Betriebssystems werden nicht ausreichend genutzt. Mögliche, kostengünstigere Alternativen wurden nicht geprüft.

Die Neuerstellung der benötigten Software, so das JuM, hätte Kosten von 2 bis 3 Mio. DM verursacht; die Bereitstellung der Mittel in dieser Größenordnung war nicht zu erwarten. Hinsichtlich der Jahr-2000-Problematik wäre die grundlegende Neuentwicklung der benötigten Software nicht mehr termingerecht möglich gewesen. Die Programmierung der Eigenprogramme habe es ermöglicht, rasch, zuverlässig und mit geringen Kosten auf eine moderne Hardware-Technik umzusteigen und gleichzeitig die Problematik der Datumsumstellung zu bewältigen. In einem weiteren Schritt sei nun vor Neuerstellung bzw. Neubeschaffung der Software die erforderliche grundlegende Aufgabenkritik eingeleitet worden. Diese sei Aufgabe der eingesetzten Arbeitsgruppe zur Optimierung der Verwaltungsabläufe im baden-württembergischen Justizvollzug unter Berücksichtigung der DV.

5.10 Das Ausschreibungsverfahren und der Systementscheid sind zu kritisieren, da Kriterien aufgestellt wurden, die nur eine bestimmte Firma erfüllen konnte, später aber in der Praxis nicht mehr bedeutsam waren. Die PC-Alternative wurde nicht geprüft; außerdem sind die UNIX-Systeme wohl insgesamt zu aufwendig, was beim Systementscheid schon tendenziell hätte erkannt werden können.

5.11 Wie der RH sieht das JuM die DV-Situation im Justizvollzug noch als unbefriedigend an. Es führt aus: Aus Sicht des Justizministeriums ist die Situation der IuK bei den JVA verbesserungsbedürftig. Zum Zeitpunkt der Erhebungen des Rechnungshofs waren moderne DV-Anlagen in Client-Server-Struktur sowie leistungsfähige Datennetze nur in wenigen JVA, benutzerfreundliche integrierte Fachanwendungen noch in keiner Justizvollzugsanstalt im Einsatz.

Die Gründe für diesen Zustand sieht das JuM in den geringen Ressourcen an Haushaltsmitteln und Personal für die ADV im Justizvollzug. Aus Sicht des RH sind darüber hinaus die zu allgemein angelegte Vorgehensweise bei der DV-Einführung sowie das Fehlen eines straffen Projektmanagements als Ursachen anzusprechen. Letztlich fehlen nicht nur die finanziellen Ressourcen, sondern auch realisierbare Konzepte.

6 Vorschläge

6.1 Beschaffung, Softwareentwicklung, Datenbankmanagement, System- und Benutzerbetreuung sind operative und keine ministeriellen Aufgaben. Sie sollten daher nicht beim Ministerium verbleiben.

Der RH empfiehlt, Personal und Aufgaben der ADV-Leitstelle bei Abteilung IV weitgehend auf die Gemeinsame DV-Stelle Justiz zu übertragen. Die Abteilung IV sollte künftig nur als Projektträger und Auftraggeber agieren.

6.2 Der RH empfiehlt die Bildung eines DV-Lenkungsteams, bestehend aus Anwendern und technischem Personal, welches das Informationsbedürfnis und die Prozeßabläufe im einzelnen erhebt, dokumentiert und möglichst harmonisiert. Aufbauend auf dieser IST-Analyse müßte das JuM ein Konzept entwickeln und für die konsequente Umsetzung bei weitgehender Integration und bestmöglicher Wirtschaftlichkeit sorgen.

6.3 Im Hinblick auf das Projekt Informationssystem Strafvollzug empfiehlt der RH, in eine tatsächliche Projektplanung und -steuerung einzutreten und dabei nach dem Projektmanagement-Leitfaden in der Landesverwaltung Baden-Württemberg vorzugehen. Bei absehbaren Finanzierungsproblemen sollte nicht - wie in der Vergangenheit - mit der vollständigen Umsetzung des Projektes begonnen; vielmehr sollten realisierbare Teilprojekte definiert und durchgeführt werden. Für die einzelnen Schritte sind Wirtschaftlichkeitsrechnungen vorzunehmen, alternative Finanzierungen zu prüfen sowie Kriterien zur Messung des Nutzens festzulegen.

6.4 Die Arbeit der Systemverwalter ist zu objektivieren und in den Organisationsplänen sachgemäß auszubringen. Der RH empfiehlt für diesen Personenkreis eine angemessene Einstufung sowie eine fachgerechte Aus- und Fortbildung. Zumindest für die UNIX-Zentren sollte eigens für die DV ausgebildetes Personal gewonnen werden. Nur so ist sichergestellt, daß die kostenintensiven Investitionen in der DV effizient verwendet und neue Konzeptionen qualifiziert umgesetzt werden.

6.5 Auch für die große Anzahl der übrigen DV-Anwender im Justizvollzug sollte ein Schulungskonzept erstellt werden, das die Bediensteten befähigt, die DV sachgerecht anzuwenden.

6.6 Wenn die Planungen umgesetzt werden, verfügt der Justizvollzug ab dem Jahr 2000 über eine moderne Hardware-Ausstattung, welche jedoch mit veralteter, wenig bedienerfreundlicher und nicht aufgabenoptimierter Software betrieben wird. Dringend geboten erscheint, daß dem Personal auch eine angemessene und benutzerfreundliche Software zur Verfügung gestellt wird.

7 Stellungnahme des Justizministeriums

Das JuM erklärte, daß die Vorschläge des RH sich weitgehend mit den Vorstellungen des Ministeriums decken.